dazu - Urwald vor den Toren der Stadt
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„Maurice Rose Airfield, Frankfurt a. M. – Bonames – Umnutzung eines<br />
ehemaligen Hubschrauberlandeplatzes”<br />
Das Projekt<br />
Konversion des amerikanischen Militärflughafens, „Maurice Rose Airfield“ im Nordwesten von<br />
Frankfurt/Main, Anfang <strong>der</strong> 1950er Jahre in das flache Niddatal gebaut, 1991 an die <strong>Stadt</strong> Frankfurt<br />
übergeben.<br />
Der „Alte Flughafen Bonames“ ist heute eingebettet in <strong>den</strong> Grüngürtel und das Radund<br />
Fußwegesystem <strong>der</strong> Großstadt, zahlreiche Initiativen, Bürger- und Soziale Vereine nutzen das<br />
Gelände, die Hallen <strong>der</strong> Hangars und die Betriebsgebäude, bis hin zum alten Tower, <strong>der</strong> heute ein<br />
Restaurant/ Cafe beherbergt. Das Projekt wurde in 2004 als SAUL Landschaft, in 2005 mit dem BDLA<br />
Preis, in 2006 mit <strong>der</strong> Nominierung zum IULA Preis ausgezeichnet (www.gruenguertel.de)<br />
Die Idee<br />
Ein Militärflughafen wurde in ein Landschaftsschutzgebiet umgewandelt. Die Vegetation entwickelt sich<br />
als „Urbane Wildnis“, es erfolgen außer <strong>der</strong> Mahd <strong>der</strong> großen Wiese <strong>vor</strong> dem Tower keine Eingriffe in<br />
die natürliche Sukzession.<br />
Die gebauten Flughafenflächen wur<strong>den</strong> zum großen Teil aufgebrochen und <strong>vor</strong> Ort in verschie<strong>den</strong>en<br />
Bruchqualitäten und Körnungen flächig wie<strong>der</strong> eingebaut.<br />
Was ist Wildnis?<br />
50 v. Chr. schrieb Vergil die „Bucolica“, die Hirtengedichte. In ihnen beschreibt er <strong>den</strong> Locus amoenus,<br />
<strong>den</strong> liebliche Ort in <strong>der</strong> unberührten, reinen Natur. Und in seinen Gedichten über <strong>den</strong> Landbau erzählt<br />
er auf so nie gehörte Weise, wie die Natur außerhalb Roms Nutzen und Prestige bringend bearbeitet<br />
wird. So wird die Natur und die Beschäftigung mit ihr zum angesagten Gegenstand <strong>der</strong> Gespräche <strong>der</strong><br />
röm. High Society und danach zum festen Bestandteil europäischer Kulturgeschichte.<br />
Damit sind die wesentlichen menschlichen Handlungs- und Denkungsweisen zu Natur/ Wildnis unserer<br />
abendländischen Kultur aufgezeigt: die eingreifende und die sich <strong>der</strong> Anschauung und Poesie<br />
hingebende Haltung.<br />
Auf unser Wildnis“problem“ angewendet: das Verständnis von Wildnis, d.h. die Ästhetisierung von<br />
Wildnis, und die absichtsvolle Anlage und Nutzung von Wildnissen sind grundlegend Teil <strong>der</strong><br />
europäischen Kultur.<br />
Für die absichtsvolle Planung von Wildnissen ist es gut zu wissen : Wildnis ist ein kulturelles<br />
Phänomen, <strong>der</strong> Umgang mit Wildnis ist erlernbar, in <strong>der</strong> Wildnis verlassen wir nicht <strong>den</strong> Grund <strong>der</strong><br />
menschlichen Seinsweise;<br />
Wildnis ist eine <strong>der</strong> unendlich vielen Betrachtungsweisen des potentiellen Naturganzen.<br />
O<strong>der</strong> an<strong>der</strong>sherum:<br />
Wildnis ist ohne die Anwesenheit des Menschen nicht <strong>den</strong>kbar.<br />
J.J.Rousseau, „Nouveaux Heloisie“:<br />
In <strong>der</strong> Bewirtschaftung des Hofgutes durch <strong>den</strong> Physiokraten St. Preux und in <strong>der</strong> „Renaturalisierung“<br />
des Obstgartens durch seine Frau Julie, die die Apfelbäume mit Rankpflanzen überwuchern lässt,<br />
zeigt sich wie<strong>der</strong> das von Vergil <strong>vor</strong>gestellte antagonistische Paar: Nutzung und Wildnis/ reine (gute)<br />
Natur. Vor<strong>der</strong>gründig geht es um die Aktualisierung des Naturbezuges <strong>der</strong> jeweiligen Gesellschaft.<br />
„Wildnis“ / reine gute Natur wird von Rousseau in <strong>der</strong> Diskussion um die wahre Form <strong>der</strong><br />
menschlichen Gesellschaft, die Natur <strong>der</strong> Natur, als <strong>der</strong> erneuernde, herausfor<strong>der</strong>nde manchmal<br />
sogar revolutionäre Topos gesetzt.<br />
Wildnis ist „agent provocateur“, Katalysator des kontinuierlichen Prozesses <strong>der</strong><br />
gesellschaftlichen Erneuerung.<br />
Als was kann Wildnis heute verstan<strong>den</strong> wer<strong>den</strong>? Welche Bil<strong>der</strong> veröffentlichen wir? Wie nutzen wir<br />
Fotographien von Wildnis? Was kann Wildnis überhaupt transportieren?<br />
Die vielfältigen Ausprägungen von Flora, Fauna, - Geologie und Hydrologie etc. sind mit dem Begriff<br />
„Wildnis“ nicht auch nur annähernd sicher / genau fassbar. Sprache, Malerei, und Photographie<br />
können „Wildnis“ nicht „richtig“ darstellen, es treten zu viele unvereinbare Ideen von Wildnis auf .Wird<br />
dann doch eine Behauptung, abschließende Beschreibung von Wildnis versucht, ist sie zwingend<br />
unzutreffend, beliebig, im Zweifel sogar falsch.<br />
Wie gehen wir mit dieser prinzipiell unbeschreibbaren Situation um?<br />
Wir gestatten ein umfassendes “Droit de regards“ – das Recht auf jede Einsicht - radikal alle<br />
Interpretationen sind richtig, das offene Bild ist möglich. Bei diesem extrem individuellen Zugang<br />
können wir uns auf nichts an<strong>der</strong>es als auf die Kunst des Entdeckens verlassen.
Wildnis ist ein ergebnisoffenes Konzept.<br />
Die abrufbaren Informationen über Wildnis sind wichtiger als ihr Artenspiegel, ihr Bild, ihr Foto.<br />
Mit dieser Betrachtungsweise sind wir mitten im Medienzeitalter McLuhans angelangt und <strong>der</strong> Begriff<br />
<strong>der</strong> Wildnis, Wildnis an sich, erweist sich als extrem zeitgemäß.<br />
Wildnis, unberührte reine Natur, hat sich durch die Geschichte als Topos und Ausgangspunkt für<br />
gesellschaftliche Wandlungen tradiert, in diesem Sinne brauchen wir Wildnisse als Orte <strong>der</strong><br />
Erneuerung und Erholung.<br />
Wie viel Wildnis trauen wir uns?