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Behaviorismus, Gestaltpsychologie und Kognitive Psychologie im ...

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Hans-Jörg Herber: Paradigmenvergleich<br />

hen eher in der auf den jeweiligen Theoriekern bezogenen Bewertung <strong>und</strong> in dem von daher<br />

rührenden Stellenwert dieser Methoden untereinander. Das führt dazu, dass jeweils nicht die<br />

ganze durch die verwendeten Methoden verfügbare Information genützt wird, sondern es wird<br />

theoriebezogen selektiert. Am deutlichsten zeigt sich das <strong>im</strong> expliziten methodologischen<br />

Verzicht behavioristischer Forscher, introspektives Material über Prozesse, die innerhalb von<br />

Personen - von außen nicht unmittelbar beobachtbar - vor sich gehen, zur heuristischen Generierung<br />

bzw. kritischen Überprüfung von theoretischen Annahmen zu nützen. Daran kann<br />

man sehen, wie Annahmen des Theoriekerns die Konstruktion von methodologischen Abbildungssystemen<br />

unmittelbar beeinflussen. Hinzu kommen konkrete methodische Probleme,<br />

komplexes Verhalten in wenige, einfach zu beobachtende Kategorien der Verhaltensbeobachtung<br />

aufzuschlüsseln, sozusagen ”herunterzubrechen”. Gestalt- <strong>und</strong> Kognitionspsychologen<br />

tendieren eher zum Gegenteil, nämlich Innenzustände des Organismus über Selbstbeobachtungstechniken<br />

(lautes Denken, aktuelle bzw. retrospektive Selbstauskunft, etc.) zu erfassen.<br />

Das geht mitunter - bei behavioristisch geschulten (”transformierten”) Kognitionspsychologen<br />

- paradoxerweise so weit, dass Verlaufskurven einer mehrmals am Tag stattfindenden<br />

aktuellen introspektiven (reflexiven, bewertenden) Selbstbeobachtung als ”Verhaltensströme”<br />

bezeichnet werden (vgl. z.B. Perrez 2000), um ihnen das Etikett eines höheren Objektivierungsgrades<br />

verleihen zu können.<br />

Introspektiven Methoden - nicht selten als ”via regia” gestalt- <strong>und</strong> kognitionspsychologischer<br />

Untersuchungen verwendet - wird (<strong>im</strong>plizit oder explizit) unterstellt, einen direkten<br />

Zugang zu kognitiven Strukturen zu ermöglichen. Auch hinter diesem methodologischem<br />

Postulat verbergen sich entsprechende Theoriekern-Postulate, denn die dokumentierten<br />

Selbstbeobachtungen werden meist nicht explizit in den Kategorien eines entsprechenden<br />

theoretischen Bezugsrahmens dargestellt, können aber - indirekt - auf Basis einer entsprechenden<br />

Theorie erschlossen werden, vgl. z.B. Herber 1977, Silverman 1983, Astleitner &<br />

Plaute 1988, Plaute 1990).<br />

Eine Theorie über menschliche Kognitionen (Emotionen, Motivationen, etc.) sollte explizit<br />

Auskunft darüber geben, wie ein best<strong>im</strong>mtes theoretisches Modell in ein entsprechendes<br />

Abbildungsmodell transformiert wird (vgl. z.B. Sanders 1971, Alisch 1995). Die methodische<br />

Praxis <strong>im</strong> Zusammenhang mit direkten <strong>und</strong> indirekten diagnostischen Methoden stützt sich<br />

aber eher auf ”plausible” Vereinbarungen zwischen Angehörigen eines best<strong>im</strong>mten Paradigmas<br />

bzw. auf punktuelle, bestenfalls bereichsspezifische Modellfestlegungen (vgl. dazu in<br />

kritischer Weise z.B. Herber 1977, 1998b, McClelland 1984, 1995, Astleitner & Plaute 1988,<br />

Plaute 1990, Astleitner 1992, 1997, Astleitner & Herber 1993).<br />

Besonders wichtig ist die Explikation des Zusammenhangs von Theoriekern <strong>und</strong> methodologisch<br />

reflektiertem Abbildungsmodell, wenn ein- <strong>und</strong> derselbe Theoriekern mit verschiedenen<br />

Abbildungsmodellen <strong>und</strong> entsprechenden Methoden erfasst wird (vgl. Campbell & Fiske<br />

1959, Patry 1982, 1991, Herber et al. 1996, Roth 1987, Astleitner 1997, Herber 1998b, Thonhauser<br />

& Patry 1999, Herber et al. 1999). Und gleichermaßen, wenn gezeigt werden kann,<br />

dass ein- <strong>und</strong> derselbe Theoriekern durch unterschiedliche Abbildungsmodelle (methodologische<br />

Interpretationen) zu unterschiedlichen empirischen Ergebnissen führt (vgl. z.B. Vontobel<br />

1970, Herber 1977, Fleming 1982, McClelland 1984, 1995, McClelland et al. 1989, Plaute<br />

1990, Herber et al. 1997).<br />

Aus kognitionspsychologischer Perspektive (dem Bezugspunkt unserer Analyse), insbesondere<br />

aus informationstheoretischer Sicht ist eine vollständige Erfassung interner Prozesse<br />

durch Introspektion schon aus Kapazitätsgründen - wegen der Begrenztheit unseres Arbeitsgedächtnisses<br />

- nicht möglich (vgl. z.B. das Kriterium der ”magic number seven” von Miller<br />

1956).<br />

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