24.06.2014 Aufrufe

Ernährung im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit

Ernährung im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit

Ernährung im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

mit <strong>der</strong> Fastenzeit vorbei waren, ... schien auch me<strong>in</strong> Lerneifer erschöpft zu se<strong>in</strong>; so hielt sie<br />

es für angebracht, mich nicht mehr mit Belohnungen, son<strong>der</strong>n mit Drohungen zu nähren.<br />

Und nun – wehe mir! Sie zögerte nämlich nicht, mich mit harten Ruten gewaltsam zum<br />

Schulbesuch zu zw<strong>in</strong>gen, obwohl sie mich doch bisher nur mit Süßigkeiten <strong>und</strong> Zückerchen<br />

dazu angeregt hatte. ...<br />

Nach dem Tode nun me<strong>in</strong>er Amme seligen Angedenkens wurde ich wie<strong>der</strong> <strong>in</strong>s Haus me<strong>in</strong>er<br />

eigenen Eltern gebracht. ... Aber als ich nun gleich wie vorher gegen me<strong>in</strong>en Willen zum<br />

begonnenen Schulbesuch gezwungen wurde, begann ich oftmals zu schwänzen. ... Als ich<br />

dann aber vom Lehrer, den ich über alles fürchtete, wegen me<strong>in</strong>er Abwesenheit ausgefragt<br />

wurde, pflegte ich notgedrungen zu sagen, ich sei auf Geheiß <strong>der</strong> Eltern zu Hause<br />

zurückbehalten worden <strong>und</strong> hätte dieses o<strong>der</strong> jenes getan. ...<br />

Als ich e<strong>in</strong>es Abends wie<strong>der</strong>um nicht aus <strong>der</strong> Schule, son<strong>der</strong>n wie gewohnt aus dem Schiff<br />

nach Hause kam, da sagte ich me<strong>in</strong>en Eltern nicht die Late<strong>in</strong>wörter dieses selben Tages auf.<br />

Sie begannen mich des Schwänzens zu bezichtigen <strong>und</strong> des Lügens zu beschuldigen, denn<br />

sie überführten mich, dass ich ihnen vor wenigen Tagen dieselben Wörter aufgesagt hatte.<br />

Am nächsten Morgen schleppte mich me<strong>in</strong>e Mutter zur Schule. ... Der Locatus [= Lehrer] ...<br />

packte mich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Wutanfall <strong>und</strong> ließ mich auskleiden <strong>und</strong> sogleich an e<strong>in</strong>er Säule<br />

festb<strong>in</strong>den. Grausam <strong>und</strong> unbarmherzig – denn er war e<strong>in</strong> roher Kerl – ließ er mich mit den<br />

härtesten Ruten auspeitschen, <strong>in</strong>dem er selbst kräftig mitmachte.“<br />

(Johannes Butzbach, Odeporicon, 1506, gekürzt; zitiert nach Gerhard Fouquet/Ulrich Mayer<br />

(Hg.), Lebenswelten 2. Quellen zur Geschichte <strong>der</strong> Menschen <strong>in</strong> ihrer Zeit. Alteuropa 800 bis<br />

1800, Stuttgart 2001, S. 152 f.)<br />

b) Johann Wolfgang von Goethe <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e behütete Schulzeit zu Hause<br />

Der berühmte Dichter <strong>und</strong> Universalgelehrte Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832)<br />

erhielt se<strong>in</strong>e Gr<strong>und</strong>schulausbildung wie zahlreiche an<strong>der</strong>e K<strong>in</strong><strong>der</strong> aus dem gehobenen<br />

Bürgertum zu Hause von se<strong>in</strong>em eigenen Vater <strong>und</strong> von Privatlehrern.<br />

„Es ist e<strong>in</strong> frommer Wunsch aller Väter, das, was ihnen selbst abgegangen, an den Söhnen<br />

realisiert zu sehen, so ohngefähr als wenn man zum zweitenmal lebte <strong>und</strong> die Erfahrungen<br />

des ersten Lebenslaufes nun erst recht nutzen wollte. Im Gefühl se<strong>in</strong>er Kenntnisse, <strong>in</strong><br />

Gewissheit e<strong>in</strong>er treuen Ausdauer, <strong>und</strong> <strong>im</strong> Misstrauen gegen die damaligen Lehrer, nahm<br />

<strong>der</strong> Vater sich vor, se<strong>in</strong>e K<strong>in</strong><strong>der</strong> selbst zu unterrichten <strong>und</strong> nur so viel es nötig schien,<br />

e<strong>in</strong>zelne St<strong>und</strong>en durch eigentliche Lehrmeister zu besetzen. ...<br />

Die Grammatik missfiel mir, weil ich sie nur als e<strong>in</strong> willkürliches Gesetz ansah; die Regeln<br />

schienen mir lächerlich, weil sie durch so viele Ausnahmen aufgehoben wurden, die ich alle<br />

wie<strong>der</strong> beson<strong>der</strong>s lernen sollte. Und wäre nicht <strong>der</strong> gere<strong>im</strong>te Late<strong>in</strong>er 13 gewesen, so hätte es<br />

schl<strong>im</strong>m mit mir ausgesehen; doch diesen trommelte <strong>und</strong> sang ich mir gern vor. So hatten<br />

wir auch e<strong>in</strong>e Geographie <strong>in</strong> solchen Gedächtnisversen, wo die abgeschmacktesten Re<strong>im</strong>e<br />

das zu Behaltende am besten e<strong>in</strong>prägten. ... In rhetorischen D<strong>in</strong>gen ... tat es mir niemand<br />

zuvor, ob ich schon wegen Sprachfehler oft h<strong>in</strong>tanstehen musste. Solche Aufsätze waren es<br />

13 Johann Gottfried Gross, Der angehende Late<strong>in</strong>er, Halle 1747, e<strong>in</strong> Lehrbuch <strong>der</strong> late<strong>in</strong>ischen Sprache <strong>in</strong><br />

Merkversen.<br />

10

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!