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Der Urologe<br />
Organ der Deutschen Gesellschaft für Urologie<br />
Organ des Berufsverbandes der Deutschen Urologen<br />
Elektronischer Sonderdruck für<br />
A. Lampel<br />
Ein Service von Springer Medizin<br />
Urologe 2012 · 51:965–970 · DOI 10.1007/s00120-012-2962-y<br />
© Springer-Verlag 2012<br />
zur nichtkommerziellen Nutzung auf der<br />
privaten Homepage und Institutssite des Autors<br />
A. Lampel · N. Runkel<br />
Korrektur der parastomalen Hernie mit Netz<br />
www.DerUrologe.de
Leitthema<br />
Urologe 2012 · 51:965–970<br />
DOI 10.1007/s00120-012-2962-y<br />
Online publiziert: 9. Juli 2012<br />
© Springer-Verlag 2012<br />
A. Lampel 1, 2 · N. Runkel 3<br />
1<br />
Klinik für Urologie & Kinderurologie,<br />
<strong>Schwarzwald</strong>-<strong>Baar</strong>-<strong>Klinikum</strong> <strong>Villingen</strong>-<strong>Schwenningen</strong>, <strong>Villingen</strong>-<strong>Schwenningen</strong><br />
2<br />
Universität Witten/Herdecke<br />
3<br />
Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie,<br />
<strong>Schwarzwald</strong>-<strong>Baar</strong>-<strong>Klinikum</strong> <strong>Villingen</strong>-<strong>Schwenningen</strong>, <strong>Villingen</strong>-<strong>Schwenningen</strong><br />
Korrektur der parastomalen<br />
Hernie mit Netz<br />
Parastomale Hernien nach Harnableitung<br />
über ein Ileumconduit stellen<br />
mit einer Inzidenz von 4–16%<br />
ein häufiges Problem dar, das in etwa<br />
einem Drittel der Fälle einer operativen<br />
Korrektur bedarf [1, 2, 3, 4,<br />
5, 6]. Von den verschiedenen Methoden<br />
der operativen Korrektur hat die<br />
primäre Fasziennaht die höchsten<br />
Rezidivraten, die Stomatranslokation<br />
weist dagegen geringere Rezidivquoten<br />
auf, hat dafür aber eine signifikant<br />
höhere Komplikationsrate [7,<br />
8]. Die Verwendung alloplastischen<br />
Materials mit großporigen leichtgewichtigen<br />
Netzen ist aufgrund der<br />
geringsten Rezidivraten mittlerweile<br />
Goldstandard in der allgemeinen<br />
Hernienchirurgie [9]. Solche Netze<br />
dürfen allerdings nicht intraperitoneal<br />
positioniert werden, da sie Arrosionen,<br />
Verwachsungen oder Fisteln<br />
auslösen können.<br />
Wir präsentieren die operative Technik<br />
und unsere Ergebnisse der Verwendung<br />
eines doppelt beschichteten<br />
Zwei-Komponenten-Netzes, das<br />
speziell für den Einsatz bei parastomalen<br />
Hernien intraperitoneal verwendet<br />
werden kann.<br />
Monaten eine symptomatische parastomale<br />
Hernie, die operativ korrigiert werden<br />
musste.<br />
Bei allen 3 Patienten wurde ein doppelt<br />
beschichtetes Zwei-Komponenten-Netz<br />
(Bard® CK Parastomal Hernia<br />
Patch) verwendet (. Abb. 1). Von diesem<br />
Netz stehen 2 Patchgrößen (12,5×15,5;<br />
15,5×20,5) und 4 verschiedene Stomaöffnungen<br />
von 28–35 bis 35–45 mm Durchmesser<br />
zur Verfügung.<br />
Das Netz ist sowohl zur offenen als<br />
auch zur laparoskopischen Verwendung<br />
geeignet und durch einen Memoryring<br />
selbst entfaltend. An der parietalen Seite<br />
ist es mit Polypropylen beschichtet, um<br />
eine optimale Gewebeeinsprossung und<br />
damit Fixation und Festigkeit zu gewährleisten.<br />
Der viszeralen Seite zugewandt<br />
ist das Netz mit ePTFE beschichtet, wodurch<br />
aufgrund der geringen Adhäsionseigenschaften<br />
des Materials eine intraabdominelle<br />
Platzierung möglich ist.<br />
Alle drei Patienten wurden interdisziplinär<br />
(Urologie/Chirurgie) über einen<br />
offenen Zugang operiert, v. a. um auch<br />
eine mögliche zusätzliche Narbenhernie<br />
in der medianen Längsnarbe mitversorgen<br />
bzw. präventiv verhindern zu können.<br />
Nach Exzision der medianen Narbe<br />
werden Adhäsionen zur vorderen Bauchdecke<br />
gespalten. Der Bruchinhalt wird herausgelöst,<br />
und der Bruchsack wird exstirpiert<br />
(. Abb. 2). Das Urostoma wird mit<br />
resorbierbaren Einzelknopfnähten am<br />
Peritonealrand zwecks Prolapsprophylaxe<br />
fixiert (. Abb. 3). Bei größeren Defekten<br />
kann die Bruchpforte durch Naht der<br />
hinteren und vorderen Rektusfaszie eingeengt<br />
werden, um so die Netzaugmen<br />
Patienten und Methode<br />
In der Zeit von 2006–2010 wurden 110<br />
Ileumconduits operativ angelegt, in der<br />
Mehrzahl bei Patienten mit Blasenkarzinom<br />
(83%). Drei Patienten (2,7%, 2 Männer,<br />
74 und 77 Jahre, eine Frau, 72 Jahre)<br />
entwickelten nach 4–13 (im Mittel 8,3)<br />
Abb. 1 8 Kombinationsnetz zur speziellen Behandlung parastomaler Hernien<br />
der Fa. Bard® (Bard® CK Parastomal Hernia Patch) mit ePTFE-Beschichtung<br />
mit überstehendem Rand (links) für die viszerale und Polypropylenbeschichtung<br />
(rechts) für die parietale Ausrichtung des Netzes. (Die Abbildung<br />
wurde freundlicherweise von der Fa. Bard zur Verfügung gestellt)<br />
956 | Der Urologe 7 · 2012
Abb. 2 8 Blick von medial gegen die angehobene Bauchdecke nach Exstirpation<br />
des parastomalen Bruchsackes und Freilegung der Bruchlücke<br />
Abb. 3 8 Blick von medial gegen die angehobene Bauchdecke nach peritonealer<br />
Fixation des Urostomas zur Prävention eines Stomaprolapses<br />
Abb. 4 8 Am Rand des Parastomalnetzes (Bard CK Parastomal Hernia Patch<br />
15,5×20,5 cm) werden Mersilene-Fäden (Stärke 0) zur Aufhängung eingeknotet.<br />
Stichinzisionen in der Haut werden bei aufgelegtem Netz präzise<br />
positioniert<br />
Abb. 5 8 Das Netz wird von innen mit der Polypropylenschicht gegen die<br />
Bauchdecke und mit der ePTFE-Schicht gegen die Viszera um das Urostoma<br />
herum platziert<br />
tation zu verbessern und einer Serombildung<br />
vorzubeugen. Die Wahl der Netzgröße<br />
wird maßgeblich durch das Ausmaß<br />
der Bruchlücke bestimmt. Nach median<br />
sollte dabei das Netz die Medianlaparotomie<br />
zur Gegenseite hin überragen<br />
und die Mittellinie, die häufig ebenfalls<br />
rupturiert ist, stabilisieren.<br />
Zur Vorbereitung der Fixation des<br />
Netzes an der inneren Bauchwand werden<br />
transkutane Mersilene-Fäden verwendet,<br />
die vor Anbringung des Netzes<br />
in etwa 3 cm Abstand am Netzrand vorgelegt<br />
werden (. Abb. 4). Das Netz wird<br />
außen auf der Haut in der geplanten Position<br />
aufgelegt und Stichinzisionen werden<br />
präzise an den vorgesehenen Durchzugsstellen<br />
für die Fäden vorgenommen.<br />
Anschließend wird das Netz von abdominal<br />
her mit der Polypropylenseite nach parietal<br />
und der nach viszeral ausgerichteten<br />
ePTFE-Beschichtung um das Conduit<br />
herum drapiert (. Abb. 5). Die Mersilene-Fäden<br />
werden einzeln mit der Ahle<br />
durch die Stichinzisionen von innen<br />
nach außen gezogen (. Abb. 6). Nun<br />
wird der lateral liegende Schlitz des Netzes<br />
verschlossen. Die vorgelegten Mersilene-Fäden<br />
werden dann reihum fest geknüpft.<br />
Nach dem Kappen der Fäden versenken<br />
sich die Knoten epifaszial tief in<br />
die Subkutis. Mit einem Klemmchen wird<br />
die eingezogene Haut herausgezogen und<br />
gelockert (. Abb. 7).<br />
Die Aufhängung des Netzes erfolgt<br />
mit leichter Vorspannung wie die Aufhängung<br />
eines Trampolins. Bei hoher<br />
Bauchdeckeninstabilität kann eine innere<br />
zweite Nahtreihe erforderlich werden.<br />
Die Medianlinie wird schichtweise fortlaufend<br />
über dem intraperitonealen Netz<br />
verschlossen. Auf Routinedrainagen kann<br />
verzichtet werden.<br />
Im postoperativen Verlauf stehen eine<br />
ausreichende Analgesie, Mobilisation,<br />
Atemgymnastik zur Pneumonieprophylaxe,<br />
Thromboseprophylaxe, der rasche<br />
Kostaufbau und das Abführen im Vordergrund.<br />
Die Entlassung aus stationärer<br />
Behandlung ist in der Regel nach 4–6 Tagen<br />
möglich.<br />
Der Urologe 7 · 2012 |<br />
957
Leitthema<br />
Ergebnisse<br />
Die Nachbeobachtungszeit beträgt im<br />
Mittel 31 (8–63) Monate. Bei allen 3 Patien<br />
ten kam es zur unproblematischen<br />
Primärheilung. Ein Hernienrezidiv trat<br />
bislang in keinem Fall auf.<br />
Diskussion<br />
Bei einer operativen Harnableitung über<br />
ein Ileumconduit sind Stomakomplikationen<br />
wie Nekrose, Retraktion, Obstruktion,<br />
parastomale Hernien, rezidivierende<br />
Blutungen, Stenose, Prolaps oder peristomale<br />
Probleme (Haut) häufig und treten<br />
im postoperativen Verlauf in 15–60% auf<br />
[1, 2, 3, 4, 5, 10].<br />
Parastomale Hernien zählen dabei mit<br />
zu den häufigsten Komplikationen. Die<br />
Inzidenz beträgt bei Ileumconduits 4–16%<br />
[1, 2, 3, 4, 6]. Im Vergleich dazu liegt die<br />
Rate an parastomalen Hernien bei Enterostomien<br />
mit 5–50% deutlich höher [8,<br />
11].<br />
Auslösender Faktor wie auch bei der<br />
Narbenhernie ist der Fasziendefekt, der<br />
um den Stomadurchtritt herum kreiert<br />
wird. Als sicher begünstigende Begleitfaktoren<br />
für die Entstehung einer parastomalen<br />
Hernie sind Übergewicht (BMI=25–<br />
30 kg/m 2 ) bzw. v. a. Fettleibigkeit (BMI><br />
30 kg/m 2 ) anzuschuldigen; Größe und<br />
Positionierung des Stomadurchtritts, intra-<br />
vs. extraperitoneale Techniken und<br />
die Art der Faszienfixation des Conduitdurchtritts<br />
als operativ technische Ursachen,<br />
chronischer Husten, obstruktive<br />
Atemstörungen, Einnahme von Steroiden,<br />
Nikotingenuss, Alkoholabusus, prä-/<br />
postoperative Anämie, Wundheilungsstörungen,<br />
Bestrahlung, Alter, Geschlecht<br />
(Frauen > Männer) oder Mangelernährung<br />
werden als weitere potentielle Faktoren<br />
für die Entstehung von parastomalen<br />
Hernien diskutiert [4, 8, 10, 12, 13].<br />
Techniken zur primären Vermeidung<br />
einer Hernienbildung beschreiben eine<br />
niedrigere Rate bei Platzierung des Stomas<br />
durch den Rektusmuskel (3 vs. 22%<br />
[14]). Eine Medline-Recherche der chirurgischen<br />
Literatur erbrachte allerdings keinen<br />
signifikanten Nachweis, dass die Stomalokalisation<br />
einen äthiologischen Faktor<br />
für die Bildung einer parastomalen<br />
Hernie bedeutet [8]. Die direkte präventi<br />
Zusammenfassung · Abstract<br />
Urologe 2012 · 51:965–970<br />
© Springer-Verlag 2012<br />
DOI 10.1007/s00120-012-2962-y<br />
A. Lampel · N. Runkel<br />
Korrektur der parastomalen Hernie mit Netz<br />
Zusammenfassung<br />
Nach operativer Harnableitung über ein<br />
Ileumconduit stellen parastomale Hernien<br />
mit einer Inzidenz von 4–16% eine relativ<br />
häufige Komplikation dar. Eine operative Korrektur<br />
wird nach allgemeinen Angaben in etwa<br />
30–35% der Fälle notwendig. Für die operative<br />
Korrektur einer parastomalen Hernie<br />
sind verschiedenste Verfahren beschrieben<br />
worden. Die primäre Fasziennaht hat eine hohe<br />
Rezidivrate von 46–100%, wohingegen<br />
die Stomaneuplatzierung mit Komplikationsraten<br />
von bis zu 88% assoziiert ist. Mit der<br />
Verwendung von alloplastischem Material<br />
(meist Polypropylennetze) kann die Rezidivrate<br />
deutlich von bis zu 100% für die primäre<br />
Fasziennaht und 71% für die Stomatranslokation<br />
auf 33% gesenkt werden.<br />
Correction of parastomal hernia using meshes<br />
Abstract<br />
The incidence of parastomal hernia in ileal<br />
conduit urinary diversion ranges from 4% to<br />
16%. Surgical correction is necessary in about<br />
one third of cases and different techniques of<br />
surgical reconstruction have been described.<br />
Primary fascial repair has a high recurrence<br />
rate of 46-100% whereas stoma translocation<br />
is associated with complication rates of up to<br />
88%. The use of alloplastic material (usually<br />
polypropylene meshes) has reduced the recurrence<br />
rate by up to 100% for primary fascial<br />
repair and 71% for stoma translocation<br />
down to 33%.<br />
Composite meshes consist of two layers,<br />
a polypropylene layer and an expanded<br />
polytetrafluoroethylene (ePTFE) layer. The<br />
Netze mit einer Doppelbeschichtung aus<br />
Polypropylen und ePTFE („expanded polytetrafluorethylene“),<br />
kombinieren die Vorteile<br />
der ausgeprägten Bauchwandverstärkung<br />
durch einsprossendes Bindegewebe mit der<br />
einfachen, schonenden und gut kontrollierbaren<br />
intraperitonealen Platzierungsmöglichkeit.<br />
In der Arbeit werden unsere Erfahrungen<br />
mit doppelt beschichteten Zwei-Komponenten-Netzen<br />
zur Hernienversorgung nach<br />
Anlage eines Ileumconduits vorgestellt.<br />
Schlüsselwörter<br />
Hernie, parastomale · Komplikationen ·<br />
Ileumconduit · Alloplastisches Material<br />
former is placed against the abdominal wall<br />
for permanent reinforcement by ingrowing<br />
connective tissue and the ePTFE layer is<br />
placed against the abdominal organs preventing<br />
adhesions with the bowel. The intraperitoneal<br />
placement of such composite<br />
meshes is a standardized, simplified, gentle<br />
and controllable surgical procedure. This article<br />
reports experiences with the surgical correction<br />
of parastomal hernias in ileal conduits<br />
using composite meshes.<br />
Keywords<br />
Hernia, parastomal · Complications ·<br />
Ileal conduit · Alloplastic material<br />
ve Implantation eines großporigen Netzes<br />
bei Anlage eines Enterostomas zeigte eine<br />
Reduktion postoperativer parasto maler<br />
Hernien bei übergewichtigen Patienten<br />
von 50 auf 5% [11]. Dieses Vorgehen kann<br />
in speziellen Fällen erwogen werden; publizierte<br />
Daten für Urostomata fehlen aber<br />
bislang.<br />
Die meisten parastomalen Hernien<br />
entstehen im 1. postoperativen Jahr, können<br />
aber auch noch nach über 10 Jahren<br />
auftreten [4]. Sowohl bei Enterostomien<br />
als auch bei Urostomata ist eine operative<br />
Korrektur der Hernien in ca. 30–35%<br />
notwendig; andere schätzen speziell aufgrund<br />
der Schwierigkeiten der Versorgung<br />
bei Urostomata die Rate der Revisionsbedürftigkeit<br />
sogar mit 90% ein [4,<br />
5, 15]. Gründe für die Notwendigkeit einer<br />
operativen Korrektur einer parastomalen<br />
Hernie sind Obstruktion sowohl des Conduits<br />
als auch des prolabierten Darms bis<br />
hin zur Strangulation, Inkarzeration oder<br />
Ileus, Schmerzen, Blutungen, Unebenheit<br />
der peristomalen Region mit erschwerter<br />
Befestigung der Stomaversorgung und<br />
Leckage aber auch chronische peristomale<br />
Hautaffektionen, die zur Translokation<br />
zwingen [4, 5].<br />
958 | Der Urologe 7 · 2012
Abb. 6 8 Die Mersilene-Fäden werden mit der Ahle durch die Stichinzisionen<br />
nach außen geleitet. Das Netz überlappt die mediane Längsinzision zur<br />
Gegenseite hin, wodurch die häufig assoziierten Narbenhernien in der Mittellinie<br />
mitbehandelt werden<br />
Abb. 7 8 Die vorgelegten Mersilene-Fäden werden unter leichter Spannung<br />
reihum geknüpft. Nach dem Kappen der Fäden versenken sich die<br />
Knoten epifaszial tief in die Subkutis. Mit einem Klemmchen kann die etwas<br />
eingezogene Haut herausgezogen werden<br />
Abb. 8 8 Endoskopischer Blick in ein Ileumconduit,<br />
liegende Mono-J-Katheter (unterer Bildrand)<br />
wegen Harnstauung bds. bei Arrosion<br />
eines Polypropylennetzes in das Conduitlumen<br />
Das Ziel der operativen Korrektur<br />
einer parastomale Hernie ist die Erreichung<br />
einer optimalen Versorgung des<br />
Stomas, einer geringst möglichen Rate an<br />
Rezidivhernienbildung und einer geringen<br />
Komplikationsrate.<br />
Verschiedenste Techniken zur Korrektur<br />
einer parastomalen Hernie bei Uround<br />
Enterostomien wurden publiziert:<br />
die primäre Faszienkorrektur, die ipsi-<br />
oder kontralaterale Stomatranslokation<br />
und verschiedene offene oder laparoskopische<br />
Techniken unter Verwendung<br />
von alloplastischem Material [6, 7, 8, 16,<br />
17, 18, 19, 20, 21, 22].<br />
Die primäre Fasziennaht weist dabei<br />
die schlechtesten Ergebnisse auf mit Rezidivraten<br />
von 46–100% [8]. Ipsi- oder<br />
kontralaterale Stomatranslokationen haben<br />
zwar eine niedrigere Rezidivrate als<br />
eine primäre Fasziennaht, Hauptproblem<br />
ist aber die hohe Komplikationsrate von<br />
32–88% [7, 23].<br />
Aufgrund der inakzeptabel hohen Rezidivrate<br />
der bis dahin üblichen Verfahren<br />
führte Usher [24] 1963 Kunststoffnetze<br />
aus Polypropylen in die Hernienchirurgie<br />
ein. Nach einer Metaanalyse der aktuelleren<br />
Literatur haben netzbasierte Operationsverfahren<br />
in der generellen Hernienchirurgie<br />
mit einem Evidenzgrad 1A<br />
eine geringere Rezidivrate als die reine<br />
Fasziennaht [9]. In der ersten Generation<br />
wurden als Materialien mikroporöse<br />
schwergewichtige Kunststoffnetze verwendet.<br />
Diese führen öfter zu überschießenden<br />
Bindegewebereaktionen mit derber<br />
Narbenplattenbildung. Daher werden<br />
heute zumeist großporige, leichtgewichtige<br />
Netze aus Polypropylen verwendet. Als<br />
großporig gelten Netze mit einer Porengröße<br />
>1 mm, leichtgewichtige Netze haben<br />
ein Gewicht
Leitthema<br />
kationen wie Arrosionen, Fistelbildung<br />
oder Adhäsionen mit konsekutivem Ileus<br />
verursachen kann (. Abb. 8; [9]). Zur intraperitonealen<br />
Anwendung werden stattdessen<br />
spezielle Zwei-Komponenten-Netze<br />
verwendet mit einer netzstrukturierten<br />
Seite (z. B. Polypropylen) zur Inkorporation<br />
in die Bauchdecke und einer folienartigen<br />
Seite (z. B. ePTFE) zur Vermeidung<br />
von Verwachsungen zum Magen-Darm-Trakt.<br />
Die operative Technik<br />
der Verwendung von Zwei-Komponenten-Netze<br />
ist vergleichsweise einfach, da<br />
die Netze nach Versorgung des Bruchsackes<br />
ohne weiteren Präparationsaufwand<br />
von innen um das Stoma herum einfach<br />
an die vordere Bauchwand fixiert werden.<br />
Dies ermöglicht auch die Anwendung bei<br />
laparoskopischen Operationstechniken,<br />
wobei die Fixation des Netzes an der inneren<br />
Bauchwand mit Tackern erfolgt. In<br />
Einzelfällen wurden aber in unserem allgemeinchirurgischem<br />
Patientengut bei laparoskopischer<br />
Versorgung parastomaler<br />
Kolostomahernien chronische Schmerzen<br />
beobachtet, weshalb wir die transkutane<br />
Nahtfixation bevorzugen.<br />
Die Rezidivrate bei Verwendung der<br />
Zwei-Komponenten-Netze ist nach der<br />
Literatur und nach unseren Erfahrungen<br />
gering zwischen 0 und 7% [15, 17, 29, 30].<br />
In Einzelserien vor allem bei laparoskopischer<br />
Anwendung werden jedoch auch<br />
hohe Rezidivraten zwischen 46 und 56%<br />
angegeben [31, 32]. Die Angaben bzgl.<br />
Komplikationen wie Wundinfekte, Sepsis,<br />
Pneumonie oder Ileus schwanken erheblich<br />
und liegen zwischen 3 und 33%, Adhäsionen,<br />
Arrosionen oder Fisteln wurden<br />
nicht beschrieben [29, 30, 31, 32].<br />
In unserem Krankengut war die intraperitoneale<br />
Anlage der Zwei-Komponenten-Netze<br />
in allen 3 Fällen problemlos<br />
mit unkompliziertem postoperativem<br />
Verlauf und bis dato Rezidivfreiheit. Vor<br />
allem die relativ einfache intraperitoneale<br />
Platzierung mit großzügiger Deckung<br />
des Bauchdeckendefekts anstatt der aufwändigen<br />
subfaszialen Präparation um<br />
das Stoma stellt eine deutliche Erleichterung<br />
dar.<br />
Zusammenfassend ist die Ausbildung<br />
von parastomalen Hernien häufig. Übergewicht<br />
ist einer der Hauptfaktoren. Eine<br />
Prävention mit primärer Netzeinlage<br />
kann bei stark übergewichtigen Patienten<br />
erwogen werden. Für die Versorgung parastomaler<br />
Hernien stehen verschiedene<br />
Möglichkeiten zur Verfügung. Dabei hat<br />
sich die Verwendung alloplastischer Netze<br />
aufgrund der geringsten Rezidivrate<br />
etabliert. Eine einfache, effektive und vergleichsweise<br />
komplikationsarme Technik<br />
ist die Verwendung von Zwei-Komponenten-Netzen,<br />
die aufgrund ihrer speziellen<br />
viszeralen Beschichtung mit ePTFE eine<br />
intraabdominelle Platzierung erlauben.<br />
Fazit für die Praxis<br />
F Parastomale Hernien sind eine häufige<br />
Komplikation nach Harnableitung<br />
über ein Ileumconduit. In etwa ein<br />
Drittel der Fälle ist eine operative Korrektur<br />
aufgrund von Schmerzen, Obstruktion<br />
des Darms oder des Condu-<br />
960 | Der Urologe 7 · 2012
its oder Schwierigkeiten der Stomaversorgung<br />
notwendig.<br />
F Es existieren unterschiedliche operative<br />
Verfahren zur Korrektur von postoperativen<br />
abdominellen Hernien.<br />
Dabei hat die primäre Faszienreparatur<br />
die schlechtesten Ergebnisse.<br />
F Die Stomatranslokation hat eine niedrigere<br />
Rezidivrate, dafür ist diese<br />
Technik mit der höchsten Komplikationsrate<br />
behaftet.<br />
F Die geringste Rezidivrate bietet die<br />
Korrektur der Hernie mit alloplastischen<br />
Netzmaterialien, meist Polypropylen.<br />
Dieses wird in der Standardtechnik<br />
als Sublay möglichst präperitoneal<br />
unter die Faszie gelegt und<br />
darf nicht intraperitoneal platziert<br />
werden.<br />
F Für die Korrektur einer parastomalen<br />
Hernia nach Ileumconduit ist jedoch<br />
die intraperitoneale Platzierung eines<br />
Netzes wesentlich einfacher.<br />
F Eine elegante und einfache Methode<br />
stellt die intraperitoneale Korrektur<br />
der Hernie mit einem doppelt beschichteten<br />
Kombinationsnetz aus<br />
Polypropylen für die parietale und<br />
ePTFE für die viszerale Seite dar.<br />
Korrespondenzadresse<br />
Prof. Dr. A. Lampel<br />
Klinik für Urologie<br />
& Kinderurologie,<br />
<strong>Schwarzwald</strong>-<strong>Baar</strong>-<strong>Klinikum</strong><br />
<strong>Villingen</strong>-<strong>Schwenningen</strong>,<br />
Röntgenstraße 20,<br />
78054 <strong>Villingen</strong>-<strong>Schwenningen</strong><br />
alexander.lampel@sbk-vs.de<br />
Interessenkonflikt. Der korrespondierende Autor<br />
gibt für sich und seinen Koautor an, dass kein Interessenkonflikt<br />
besteht.<br />
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Der Urologe 7 · 2012 |<br />
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