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Schwangerschaft, Geburt & Wochenbett aus Sicht der TCM ...

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<strong>Schwangerschaft</strong>, <strong>Geburt</strong> & <strong>Wochenbett</strong><br />

<strong>aus</strong> <strong>Sicht</strong> <strong>der</strong> <strong>TCM</strong><br />

Ernährung und Hilfestellung<br />

Das Siegelschrift-Zeichen "Yun":<br />

Der Uterus als H<strong>aus</strong> für den Fötus = schwanger sein<br />

Eingereicht bei: Sieglinde Katharina Meissner<br />

Eingereicht von: Anita Schibl<br />

Wien, Mai 2012


<strong>Schwangerschaft</strong>, <strong>Geburt</strong> & <strong>Wochenbett</strong> <strong>aus</strong> <strong>Sicht</strong> <strong>der</strong> <strong>TCM</strong><br />

Inhaltsverzeichnis<br />

1. Vorwort 5<br />

2. Die <strong>Schwangerschaft</strong> 6<br />

2.1. Energetische Abläufe zu Beginn <strong>der</strong> <strong>Schwangerschaft</strong> 6<br />

2.2. Störungen <strong>der</strong> <strong>Schwangerschaft</strong> 7<br />

3. Diätetik zur Stützung <strong>der</strong> Mitte 9<br />

3.1. Nahrungsmittel und ihre energetische Wirkrichtung 10<br />

3.2. Wirkungsweise <strong>der</strong> einzelnen Getreidesorten 11<br />

3.3. Qi‐Aufbau <strong>der</strong> Milz 13<br />

3.4. Blut‐Aufbau 14<br />

3.5. Genussmittel und zu vermeidende Nahrungsmittel<br />

während <strong>der</strong> <strong>Schwangerschaft</strong> 15<br />

3.6. Zum Thema Milch und Calcium 16<br />

4. Verlauf <strong>der</strong> <strong>Schwangerschaft</strong> 17<br />

4.1. Erster Monat 17<br />

4.1.1. Temperaturempfinden 17<br />

4.1.2. Ernährungsempfehlung bei übermäßigen Durst 17<br />

4.2. Zweiter Monat 17<br />

4.2.1. <strong>Schwangerschaft</strong>sübelkeit und Erbrechen 18<br />

4.2.2. Schwäche und Müdigkeit 19<br />

4.2.3. Geruchswahrnehmung 20<br />

4.2.4. Abneigungen und Vorlieben 20<br />

4.2.5. Kreislaufprobleme/Schwindelgefühl 21<br />

4.3. Dritter Monat 21<br />

4.3.1. Nasenbluten/Zahnfleischbluten 22<br />

4.4. Vierter Monat 22<br />

4.5. Fünfter Monat 22<br />

4.6. Sechster Monat 23<br />

4.6.1. Kindsbewegungen 23<br />

4.6.2. <strong>Schwangerschaft</strong>södeme 23<br />

4.7. Siebter Monat 24<br />

4.8. Achter Monat 24<br />

4.8.1. Aktivität 24<br />

4.8.2. Kurzatmigkeit 25<br />

4.9. Neunter Monat 25<br />

4.9.1. Rückenschmerzen 26<br />

4.10. Zehnter Monat 26<br />

2012 by Anita Schibl Seite 2


<strong>Schwangerschaft</strong>, <strong>Geburt</strong> & <strong>Wochenbett</strong> <strong>aus</strong> <strong>Sicht</strong> <strong>der</strong> <strong>TCM</strong><br />

5. Vorbereitung auf die <strong>Geburt</strong> 27<br />

6. Die <strong>Geburt</strong> 28<br />

6.1. Energetische Abläufe beim Kind 28<br />

7. Das <strong>Wochenbett</strong> im alten und im neuen China 29<br />

8. Das <strong>Wochenbett</strong> <strong>aus</strong> <strong>Sicht</strong> <strong>der</strong> <strong>TCM</strong> 31<br />

9. Ernährung im <strong>Wochenbett</strong> 33<br />

9.1. Rezepte zur För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Laktation 34<br />

10. Die Krisen im <strong>Wochenbett</strong> 35<br />

10.1. Starke Nachwehen 35<br />

10.1.1. Blut‐Mangel 35<br />

10.1.2. Blut‐Stagnation 36<br />

10.1.3. Kälteinvasion 36<br />

10.2. Lochienretention 36<br />

10.2.1. Qi‐Mangel 37<br />

10.2.2. Blut‐Hitze 37<br />

10.2.3. Blut‐Stagnation 37<br />

10.3. Postnatale Miktionsstörung 38<br />

10.3.1. Qi‐Mangel 38<br />

10.3.2. Nieren‐Schwäche 38<br />

10.4. Obstipation 38<br />

10.4.1. Blut‐Mangel 39<br />

10.5. Laktationsstörungen 39<br />

10.5.1. Qi‐ und Blut‐Mangel 40<br />

10.5.2. Leber‐Qi‐Stagnation 40<br />

10.6. Mastitis 40<br />

10.6.1. Qi‐Stagnation und Leber‐Hitze 41<br />

10.6.2. Magen‐Hitze 41<br />

10.7. Unfreiwillige Laktation 41<br />

10.7.1. Qi‐ und Blut‐Mangel 42<br />

10.7.2. Leber‐Feuer 42<br />

10.8. <strong>Wochenbett</strong>depression – Babyblues 42<br />

10.8.1. Qi‐ und Blut‐Mangel 43<br />

10.8.2. Leber‐Qi‐Stagnation 43<br />

11. Zusammenfassung 44<br />

12. Literaturverzeichnis 45<br />

2012 by Anita Schibl Seite 3


<strong>Schwangerschaft</strong>, <strong>Geburt</strong> & <strong>Wochenbett</strong> <strong>aus</strong> <strong>Sicht</strong> <strong>der</strong> <strong>TCM</strong><br />

Ehrenwörtliche Erklärung zur Diplomarbeit<br />

Ich erkläre hiermit ehrenwörtlich, dass<br />

<br />

<br />

<br />

ich meine Diplomarbeit eigenständig und ohne fremde Hilfe angefertigt habe.<br />

ich die Übernahme wörtlicher Zitate <strong>aus</strong> <strong>der</strong> Literatur bzw. Internet sowie die<br />

Verwendung <strong>der</strong> Gedanken an<strong>der</strong>er Autoren im Quellenverzeichnis angegeben habe.<br />

ich meine Diplomarbeit bei keiner an<strong>der</strong>en Prüfung vorgelegt habe.<br />

Wien, Mai 2012<br />

Anita Schibl<br />

2012 by Anita Schibl Seite 4


<strong>Schwangerschaft</strong>, <strong>Geburt</strong> & <strong>Wochenbett</strong> <strong>aus</strong> <strong>Sicht</strong> <strong>der</strong> <strong>TCM</strong><br />

1. Vorwort<br />

Langes Leben, Gesundheit, Wohlbefinden – wünschen wir uns alle, möglichst ohne viel zu tun.<br />

Lei<strong>der</strong> wird mit diesen Gütern sehr oft sehr achtlos umgegangen. Solange die Maschine Mensch<br />

läuft, ist alles bestens, erst wenn sich die ersten Abnutzungserscheinungen bzw. Wehwehchen<br />

melden, werden wir aktiv. Teilweise zu spät.<br />

Aktive Gesundheitspflege bedeutet vorzusorgen, „nicht erst einen Brunnen zu graben, wenn<br />

man bereits durstig ist.“ (chinesisches Sprichwort)<br />

Ich kam zur <strong>TCM</strong> über mein persönliches Leid bzw. jahrelange Krankheitsgeschichte. Es hat mir<br />

gut getan, mich nach alternativen Heilmethoden umzusehen und einen an<strong>der</strong>en Weg in meiner<br />

Gesundheitspflege einzuschlagen. In dieser Zeit habe ich auch erkannt, dass <strong>der</strong> Grundstein für<br />

Gesundheit schon viel früher gelegt werden sollte. Bereits die Eltern sollten bei <strong>der</strong> Zeugung<br />

ihres Kindes aufmerksam sein, welches Erbgut sie ihm mitgeben. Während <strong>der</strong> <strong>Schwangerschaft</strong><br />

und im <strong>Wochenbett</strong> hat die frischgebackene Mutter die Möglichkeit, einen weiteren wichtigen<br />

B<strong>aus</strong>tein für eine stabile Basis ihrem Kind mitzugeben. Nicht zuletzt auch wertvolle<br />

Gesun<strong>der</strong>haltung an sich selbst zu leisten. Wie wertvoll und wichtig das ist, habe ich selbst<br />

erfahren und erlebt.<br />

Um die Gesundheit von Mutter und Kind nicht zu gefährden ist es wichtig, konstitutionelle<br />

Schwächen <strong>der</strong> Mutter rechtzeitig zu erkennen. Wenn man diese erkannt hat, ist es wichtig<br />

Lebensweise und Ernährung danach zu richten. Hier liegt die Stärke <strong>der</strong> chinesischen Medizin.<br />

Während ich diese Diplomarbeit schreibe, bin ich mit meiner zweiten Tochter im 6. Monat<br />

schwanger. Die <strong>Schwangerschaft</strong> und <strong>Geburt</strong> unserer ersten Tochter Annabelle im Jahr 2010 war<br />

für mich ein großes Erlebnis und natürlich auch eine Lebensumstellung.<br />

In den letzten zwei Jahren habe ich vieles <strong>aus</strong>probiert und wie<strong>der</strong> verworfen, manches zu<br />

verbissen, manches zu wenig intensiv, aber ich habe viele wertvolle Tipps für mich mitnehmen<br />

können. In dieser Arbeit werde ich Monat für Monat die Verän<strong>der</strong>ungen im Verlauf <strong>der</strong><br />

<strong>Schwangerschaft</strong> beschreiben, sowie Probleme im <strong>Wochenbett</strong> aufzeigen. Meine eigenen<br />

Erlebnisse sind jeweils kursiv gekennzeichnet.<br />

Da die Basis dieser Arbeit meine eigene <strong>Schwangerschaft</strong> ist, stellt es eine sehr persönliche<br />

Arbeit dar. Je nach Konstitution, Lebensumständen und Lebenswandel wird jede Frau ihre<br />

<strong>Schwangerschaft</strong> an<strong>der</strong>s wahrnehmen. Da jedoch viele beschriebene Symptome sehr häufig bei<br />

Schwangeren und „Jungmüttern“ auftreten und die grundlegenden Prozesse bei je<strong>der</strong><br />

werdenden Mutter die gleichen sind, hat die Arbeit trotzdem Allgemeingültigkeit.<br />

Ich widme diese Arbeit meinem Mann Lennart, ohne seine Unterstützung wäre diese Ausbildung<br />

vor und nach <strong>der</strong> <strong>Geburt</strong> unserer Töchter nicht durchführbar gewesen.<br />

2012 by Anita Schibl Seite 5


<strong>Schwangerschaft</strong>, <strong>Geburt</strong> & <strong>Wochenbett</strong> <strong>aus</strong> <strong>Sicht</strong> <strong>der</strong> <strong>TCM</strong><br />

2. Die <strong>Schwangerschaft</strong><br />

Nach chinesischer Auffassung soll ein Kind geplant sein. Die Eltern sollen sich schon mindestens<br />

zwei Jahre vor dem Kin<strong>der</strong>wunsch durch gesunde Lebensweise, <strong>aus</strong>gewogene Ernährung, wenig<br />

Alkohol, kein Stress und kein Rauchen auf ein Kind vorbereiten. Die vorgeburtliche Essenz (Jing)<br />

ist in <strong>der</strong> westlichen Medizin die Genetik. Jing soll optimiert werden, um dem Kind das Beste von<br />

Ei‐ und Samenzelle bieten zu können. Die vorgeburtliche Essenz wird auch in <strong>der</strong><br />

<strong>Schwangerschaft</strong> von <strong>der</strong> Mutter auf das Kind übertragen. So spielt auch <strong>der</strong> Lebensstil, die<br />

Gesundheit <strong>der</strong> Mutter, Bewegung und Ernährung eine große Rolle. Das Kind soll die Möglichkeit<br />

haben ein Maximum an vorgeburtlicher Essenz in seinen Nieren zu speichern, wovon es ein<br />

Leben lang gestützt wird. Auf diese Grund‐Essenz soll möglichst wenig zugegriffen werden. Dafür<br />

gibt es die nachgeburtliche Essenz, die <strong>aus</strong> Atmung (Luft) und Nahrung gewonnen wird. Mit Hilfe<br />

von <strong>aus</strong>reichen<strong>der</strong> Bewegung und gesun<strong>der</strong> Nahrung bei einer gesunden Funktion des Drei‐<br />

Fachen‐Erwärmers, wird die vorgeburtliche Essenz geschont. Das ist oberstes Ziel für ein langes,<br />

gesundes Leben.<br />

2.1. Energetische Abläufe zu Beginn <strong>der</strong> <strong>Schwangerschaft</strong><br />

Das Ausbleiben <strong>der</strong> Menstruation, wenn die Frau schwanger wird, ist ein Anzeichen für<br />

komplexe energetische Verän<strong>der</strong>ungen im Organismus <strong>der</strong> werdenden Mutter. Aus <strong>der</strong> <strong>Sicht</strong> <strong>der</strong><br />

chinesischen Medizin gibt es keine klare Trennung zwischen Energie und Substanz, so dass Qi<br />

ohne weiteres in Blut und umgekehrt Blut in Qi umgewandelt werden kann, wenn physiologische<br />

Prozesse dies erfor<strong>der</strong>n. Der Fötus im Mutterleib ist auf Versorgung mit Qi und Blut angewiesen.<br />

Um die energetische und substanzielle Ernährung des Kindes zu gewährleisten, sammelt sich Yin<br />

(energetischer Aspekt des Blutes) <strong>der</strong> Mutter in zwei großen Meridianen im Bauchbereich:<br />

Der Chong Mai, <strong>der</strong> in <strong>der</strong> bildhaften Sprache <strong>der</strong> Chinesen „See von Energie und Blut“ genannt<br />

wird, verläuft durch die Gebärmutter und steigt in <strong>der</strong> Körpermitte bis zum Mund auf. Der<br />

zweite Meridian ist <strong>der</strong> Ren Mai, auch „Meer <strong>der</strong> Yin‐Meridiane“ und wegen seiner<br />

Versorgungsfunktion in <strong>der</strong> <strong>Schwangerschaft</strong> „<strong>Geburt</strong>smeridian“ genannt. Er verläuft an <strong>der</strong><br />

Vor<strong>der</strong>seite des Körpers bis zum Gaumen und verursacht eine bräunliche Verfärbung <strong>der</strong><br />

Mittellinie über dem gewölbten Bauch im Laufe <strong>der</strong> <strong>Schwangerschaft</strong>.<br />

Bei Frauen, die ohnehin zu Yin‐ o<strong>der</strong> Blutmangel neigen, kann die Sammlung des Yin in den<br />

beiden Meridianen zu einem Blutmangel im Organismus <strong>der</strong> werdenden Mutter führen.<br />

Während sich das Yin im unteren Körperbereich konzentriert, ist Yang im oberen Körperbereich<br />

im Übermaß vorhanden. Das bewirkt, dass Frauen, die vor <strong>der</strong> <strong>Schwangerschaft</strong> unter Qi‐Mangel<br />

und Kälteempfindlichkeit litten, den Yang‐Zustand jetzt richtig genießen können. „Seitdem ich<br />

schwanger bin, friere ich nicht mehr“, ist ein typischer Ausspruch vieler Frauen, da <strong>der</strong> Qi‐<br />

Mangel weit verbreitet ist. Bei konstitutionell starken Frauen sind alle Körperteile gut<br />

durchblutet und erwärmt. Durch den Yang‐Anstieg sind auch die Abwehrkräfte <strong>der</strong> Frau, als<br />

natürlicher Schutz für das Ungeborene, <strong>aus</strong>gezeichnet.<br />

2012 by Anita Schibl Seite 6


<strong>Schwangerschaft</strong>, <strong>Geburt</strong> & <strong>Wochenbett</strong> <strong>aus</strong> <strong>Sicht</strong> <strong>der</strong> <strong>TCM</strong><br />

„Damit all diese Schutz‐ und Ernährungsfunktionen in <strong>der</strong> richtigen Weise ablaufen, müssen die<br />

Organe Milz, Herz, Nieren, Lungen und Leber in guter Verfassung sein, und zwar <strong>aus</strong> folgenden<br />

Gründen:<br />

Die Milz stellt das nachgeburtliche Qi bereit, ernährt die Gebärmutter und hält das Blut in den<br />

Gefäßen. Blutungen in <strong>der</strong> <strong>Schwangerschaft</strong> hängen häufig mit einem Qi‐Mangel <strong>der</strong> Milz<br />

zusammen. Weiters nährt sie die Muskulatur und die Gliedmaßen, kontrolliert das Bindegewebe<br />

und sorgt für die Umwandlung bzw. Abtransport von Körpersäften und –flüssigkeiten.<br />

Das Herz trägt zur Blutbildung bei und ist für den gleichmäßigen Blutfluss verantwortlich.<br />

Depressive Verstimmungen in <strong>der</strong> <strong>Schwangerschaft</strong> sind energetisch auf einen Blut‐ o<strong>der</strong> Qi‐<br />

Mangel des Herzens zurückzuführen.<br />

Die Nieren versorgen den Organismus von Mutter und Kind die ganze Zeit mit Yin und Yang‐<br />

Energie.<br />

Die Leber kontrolliert den Energiefluss, das Steigen und Absinken des Qi in den Meridianen. Der<br />

Leber‐Meridian ist eng mit dem Chong Mai, <strong>der</strong> in <strong>der</strong> <strong>Schwangerschaft</strong> eine Fülle an Energie<br />

aufweist, verbunden. Da außerdem die Energie in beiden Meridianen von unten nach oben<br />

verläuft, bringt <strong>der</strong> Chong Mai die Leberenergie verstärkt nach oben. Deshalb kommt es in <strong>der</strong><br />

<strong>Schwangerschaft</strong> normalerweise zu typischen Füllezeichen <strong>der</strong> Leber und des Chong Mai:<br />

Die aufsteigende Leberenergie kann Nasen‐ o<strong>der</strong> Zahnfleischbluten verursachen. Auch die<br />

typischen Stimmungsschwankungen gehen auf das Konto <strong>der</strong> zu Beginn <strong>der</strong> <strong>Schwangerschaft</strong><br />

teilweise unkontrolliert aufsteigenden Leberenergie. Bis zum Ende des dritten Monats hat sich<br />

die Leberenergie normalerweise <strong>aus</strong>geglichen, und die Beschwerden verschwinden. Bis dahin<br />

bewirkt <strong>der</strong> Yang‐Überschuss im Leber‐Meridian eine natürliche Verringerung des Yin <strong>der</strong> Säfte<br />

<strong>der</strong> Leber, was Übelkeit und Schwindelgefühle mit sich bringt.“ [1]<br />

2.2. Störungen <strong>der</strong> <strong>Schwangerschaft</strong><br />

Die <strong>Schwangerschaft</strong> hat einen ambivalenten Einfluss auf die Physiologie <strong>der</strong> Frau. Einerseits<br />

wird die Energie des Blutes und <strong>der</strong> Niere <strong>der</strong> Mutter in Richtung Fötus umgelenkt, an<strong>der</strong>erseits<br />

bedeutet das Ausbleiben <strong>der</strong> Menstruation aber auch mehr verfügbares Blut für die Mutter.<br />

Neun Monate lang ernährt die Mutter das Kind mit ihrem Blut, nach <strong>der</strong> <strong>Geburt</strong> mit ihrer Milch.<br />

Die rote Farbe des Blutes steht für Leben, Kraft und Aktivität (Yang), die weiße Farbe <strong>der</strong> Milch<br />

für Harmonie und Friede (Yin). Unter normalen Umständen verursacht eine <strong>Schwangerschaft</strong><br />

also einer Frau keinerlei Schwierigkeiten. Wenn aber eine Frau eine vorbestehende Neigung zu<br />

Blut‐ o<strong>der</strong> Yin‐Mangel bzw. zu einer Nieren‐Schwäche hat, so können sich während <strong>der</strong><br />

<strong>Schwangerschaft</strong> Störungen ergeben, weil diese Mangel‐Zustände noch verschärft werden.<br />

„Während <strong>der</strong> <strong>Schwangerschaft</strong> können sich drei Hauptprobleme ergeben: Blut‐ und/o<strong>der</strong> Yin‐<br />

Mangel, Qi‐Stagnation und Schleim.<br />

[1] Barbara Temelie/Beatrice Trebuth: Die fünf Elemente Ernährung für Mutter und Kind<br />

2012 by Anita Schibl Seite 7


<strong>Schwangerschaft</strong>, <strong>Geburt</strong> & <strong>Wochenbett</strong> <strong>aus</strong> <strong>Sicht</strong> <strong>der</strong> <strong>TCM</strong><br />

Blut‐ und/o<strong>der</strong> Yin‐Mangel entwickelt sich meist bei Frauen, die dazu schon vorher neigen, sei<br />

es aufgrund erblicher Nieren‐Schwäche o<strong>der</strong> durch Überarbeitung. Solch ein Mangelzustand<br />

verstärkt sich deutlich, weil ein großer Teil von Blut und Yin <strong>der</strong> Mutter den Fötus nähren muss.<br />

Eine Schwäche von Blut und/o<strong>der</strong> Yin führt häufig zum Aufsteigen von Leber‐Yang o<strong>der</strong> Leber‐<br />

Wind.<br />

Eine Nieren‐Schwäche <strong>der</strong> Mutter führt oft zu einer Schwäche des Ursprungs‐Qi des Fötus, hat<br />

die Mutter aber nicht genug Essenz, so versagt ihr Organismus möglicherweise überhaupt beim<br />

Nähren des Fötus. Eine Qi‐Stagnation beobachten wir während <strong>der</strong> <strong>Schwangerschaft</strong> recht<br />

häufig. Die Obstruktion, die <strong>der</strong> Fötus vor allem in den späteren <strong>Schwangerschaft</strong>smonaten<br />

verursacht, verhin<strong>der</strong>t das richtige Auf‐ und Absteigen des Qi im Mittleren Erwärmer und führt<br />

dadurch zu Qi‐Stagnation. Eine weitere Folge <strong>der</strong> Obstruktion des Mittleren Erwärmers durch<br />

den Fötus ist eine Milz‐Schwäche und damit auch Schleim.“ [2]<br />

Abgesehen von den eben beschriebenen Mustern gibt es viele <strong>Schwangerschaft</strong>sprobleme, die<br />

entwe<strong>der</strong> richtige Pathologien o<strong>der</strong> einfach unangenehme Symptome sind, die auf eine<br />

Disharmonie von Konzeptionsgefäß (Ren Mai) und Durchdringungsgefäß (Chong Mai)<br />

zurückgehen. Diese beiden Gefäße unterliegen nämlich während <strong>der</strong> <strong>Schwangerschaft</strong><br />

tiefgreifenden Verän<strong>der</strong>ungen, die zu einer Vielzahl von Symptomen o<strong>der</strong> einfach zu einem<br />

Unwohlsein Anlass geben können. Während des ersten Trimesters verän<strong>der</strong>n sich Chong Mai<br />

und Ren Mai am Meisten. Kommt es in ihnen zu einer Pathologie, dann ist diese durch eine<br />

Schwäche des Blutes und <strong>der</strong> Niere gekennzeichnet, da das Blut und die Essenz <strong>der</strong> Mutter den<br />

Fötus nähren und die Ausbildung seiner wichtigsten Körpersysteme unterstützen müssen – alle<br />

wichtigen Systeme des Körpers des Kindes werden ja innerhalb <strong>der</strong> ersten drei Monate angelegt.<br />

Daher fühlen sich die meisten Frauen im ersten Trimester <strong>der</strong> <strong>Schwangerschaft</strong> beson<strong>der</strong>s müde.<br />

Die wichtigsten Therapieprinzipien während <strong>der</strong> <strong>Schwangerschaft</strong> in Bezug auf die oben<br />

erwähnten Hauptpathologien sind:<br />

<br />

<br />

<br />

Blut nähren, Niere tonisieren<br />

Die Milz tonisieren, Schleim auflösen<br />

Qi bewegen, Stagnation beseitigen<br />

Aber auch auf psychisch‐geistiger Ebene ist <strong>der</strong> kindliche Organismus von <strong>der</strong> Mutter nicht<br />

getrennt. Untersuchungen haben ergeben, dass eindeutig alle positiven beziehungsweise<br />

negativen Erlebnisse und Empfindungen <strong>der</strong> Mutter ungefiltert in das vorgeburtliche<br />

Bewusstsein des Kindes gelangen, wo sie gespeichert werden. Die völlig ungetrennte<br />

energetische und psychisch‐geistige Verbindung zwischen Mutter und Kind lassen die große<br />

Verantwortung erkennen, die <strong>der</strong> Mutter obliegt.<br />

Es gibt wohl kaum eine Frau, die diese Verantwortung nicht hin und wie<strong>der</strong> als Bürde empfindet<br />

– und manchmal am liebsten davonlaufen möchte, zumal sie mit enormen Verän<strong>der</strong>ungen in<br />

ihrem Organismus konfrontiert ist.<br />

[2] Giovanni Maciocia: Die Gynäkologie in <strong>der</strong> Praxis <strong>der</strong> chinesischen Medizin<br />

2012 by Anita Schibl Seite 8


<strong>Schwangerschaft</strong>, <strong>Geburt</strong> & <strong>Wochenbett</strong> <strong>aus</strong> <strong>Sicht</strong> <strong>der</strong> <strong>TCM</strong><br />

3. Diätetik zur Stützung <strong>der</strong> Mitte<br />

In <strong>der</strong> Chinesischen Medizin geht es grundsätzlich darum, das energetische Gleichgewicht<br />

zwischen den Yin‐ und Yang‐Energien zu wahren und im Falle einer Störung die Ausgewogenheit<br />

wie<strong>der</strong> herzustellen. Entsprechend <strong>der</strong> mit Hilfe <strong>der</strong> Acht Leitkriterien (Ba Gang) ermittelten<br />

diagnostischen Befunde wird das, was energetisch leer ist, gefüllt und das was energetisch voll<br />

ist, geleert. Da wo Hitze ist, wird gekühlt ‐ und umgekehrt, wo Kälte ist, wird erwärmt usw.<br />

Therapeutisch können wir uns dazu <strong>der</strong> Energetik <strong>der</strong> Nahrungsmittel bedienen, die wir<br />

bestimmen können nach:<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

dem Temperaturverhalten (wärmend, kühlend, neutral),<br />

dem Geschmack (sauer, bitter, süß, scharf und salzig),<br />

<strong>der</strong> Wirkrichtung (emporsteigend, absenkend, nach außen o<strong>der</strong> nach innen gehend) und<br />

dem Funktionskreis‐ bzw. Leitbahnbezug (Einwirkung auf einen o<strong>der</strong> mehrere<br />

Funktionsbereiche).<br />

Der gezielte Einsatz von Nahrungsmitteln zur Prävention bzw. Heilung beinhaltet zum einen die<br />

Empfehlung und zum an<strong>der</strong>en den Ausschluss bestimmter Nahrungsmittel und <strong>der</strong>en<br />

Zubereitungsart.<br />

Was heißt das nun in Bezug auf die Ernährung in <strong>der</strong> <strong>Schwangerschaft</strong>?<br />

Eine <strong>aus</strong>gewogene Ernährung in <strong>der</strong> <strong>Schwangerschaft</strong> hat zwei Ziele: Zum einen geht es darum,<br />

die Lebensenergie, das Qi, <strong>der</strong> Frau so zu stärken, dass sie die <strong>Schwangerschaft</strong> weitgehend<br />

beschwerdefrei und freudvoll erlebt. In Bezug auf das Ungeborene geht es darum, ihm möglichst<br />

viel qualitativ hochwertiges Qi und Blut zufließen zu lassen.<br />

Wie oben erwähnt, drängt das Blut <strong>der</strong> inneren Organe und <strong>der</strong> Leitbahnen in den Chong Mai<br />

und Ren Mai, was im übrigen Körper zu einer relativen Yin‐ und Blut‐Leere führt ‐ und umgekehrt<br />

zu einer relativen Yang‐Fülle. Deshalb sind in <strong>der</strong> <strong>Schwangerschaft</strong> vom Geschmack her scharfe<br />

und im Temperaturverhalten trocknende und Hitze entwickelnde Nahrungsmittel wie Alkohol,<br />

trockener Ingwer, Pfeffer, Zimtrinde, Chili, roher Knoblauch zu meiden bzw. mit Zurückhaltung<br />

zu benutzen. Das Scharfe wirkt:<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

zerstreuend,<br />

bahnbrechend (Durchblutung för<strong>der</strong>nd, Blutstasen beseitigend),<br />

wärmend o<strong>der</strong> erhitzend,<br />

schweißtreibend,<br />

entfaltend,<br />

die Oberfläche öffnend,<br />

die aktiven Energien (Qi) mobilisierend.<br />

Diese, vor allem als Gewürze benutzten Nahrungsmittel, verbrauchen o<strong>der</strong> schädigen Yin‐<br />

Flüssigkeiten und können den Fötus o<strong>der</strong> die <strong>Schwangerschaft</strong> gefährden. Sie verstärken das<br />

ohnehin nach oben steigende Yang bei <strong>der</strong> Schwangeren. Indem <strong>der</strong> Fötus durch das Blut <strong>der</strong><br />

Mutter genährt wird, ist es beson<strong>der</strong>s wichtig, dass die Ernährung die Blut‐Bildung sowohl für die<br />

Schwangere als auch für den Fötus unterstützt.<br />

2012 by Anita Schibl Seite 9


<strong>Schwangerschaft</strong>, <strong>Geburt</strong> & <strong>Wochenbett</strong> <strong>aus</strong> <strong>Sicht</strong> <strong>der</strong> <strong>TCM</strong><br />

In den meisten Fällen heißt das zunächst, die Funktionsbereiche <strong>der</strong> "Mitte" (Milz und Magen,<br />

die beide zur Wandlungsphase <strong>der</strong> Erde und somit zur Mitte gehören) zu unterstützen, die Tag<br />

für Tag dafür verantwortlich sind, die aktive Energie Qi und das stofflich energetische Potential<br />

Xue <strong>aus</strong> den Feinstteilen <strong>der</strong> Nahrung, die wir essen, her<strong>aus</strong>zufiltern und im Organismus zu<br />

verteilen. Es heißt: "Wer sich auf die Behandlung <strong>der</strong> Funktionskreise <strong>der</strong> Mitte versteht, vermag<br />

alle Funktionskreise aufeinan<strong>der</strong> abzustimmen." Der Funktionsbereich Leber produziert selbst<br />

keine Energie, son<strong>der</strong>n speichert das Blut und sorgt für den reibungslosen Fluss des Qi. Den<br />

Funktionsbereich Milz unterstützen heißt, mehr warme, nährende, weniger kalte und rohe<br />

Nahrungsmittel essen.<br />

<strong>Schwangerschaft</strong> ist nicht die Zeit des Fastens o<strong>der</strong> des Ausleitens von Giften <strong>aus</strong> dem Körper. Im<br />

Vor<strong>der</strong>grund steht das Stärkende, Unterstützende und Nährende gegenüber dem Ausleitenden<br />

o<strong>der</strong> Eliminierenden. Die Speisen sollten allgemein leicht verdaulich sein.<br />

3.1. Nahrungsmittel und ihre energetische Wirkrichtung<br />

In diesem Zusammenhang sind noch einige Bemerkungen zum Verhältnis <strong>der</strong><br />

Nahrungsmittelgruppen untereinan<strong>der</strong> notwendig. „Nach klassischer chinesischer Auffassung<br />

sollte folgendes Verhältnis angestrebt werden:<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

50 ‐ 60 % Getreide und Hülsenfrüchte<br />

20 ‐ 30 % gekochtes Gemüse<br />

5 % Rohkost<br />

5 % rotes o<strong>der</strong> weißes Fleisch o<strong>der</strong> Fisch.<br />

Die Verdauung ist ein Oxydationsprozess, <strong>der</strong> Hitze erfor<strong>der</strong>t. Insofern ist es vorteilhaft,<br />

überwiegend gekochte Nahrung und einen größeren Anteil an energetisch warmen<br />

Nahrungsmitteln zu essen, um das "Verdauungsfeuer" <strong>der</strong> Mitte nicht zu schwächen.<br />

Nahrungsmittel müssen auf Körpertemperatur erwärmt werden, bevor die Funktionskreise<br />

Magen und Milz sie in Qi und Blut umwandeln können. Deshalb ist es wichtig, vorwiegend<br />

gekochte und leicht verdauliche Speisen zu bevorzugen. Die verwendeten Nahrungsmittel sollten<br />

überwiegend thermisch neutral und von mild‐süßem Geschmack sein. Diese Eigenschaften<br />

finden sich bei Vollwertgetreide, vielen Gemüsearten, Hülsenfrüchten, Fleisch und Fisch.“ [3]<br />

Die Basis einer <strong>aus</strong>gewogenen, gesunden Ernährung in <strong>der</strong> <strong>Schwangerschaft</strong> bildet geschrotetes<br />

o<strong>der</strong> im ganzen Korn gekochtes Getreide. Aus diesem Grund werde ich die jeweiligen<br />

Getreidearten etwas näher erläutern.<br />

Kalte und rohe Nahrungsmittel erfor<strong>der</strong>n mehr Verdauungsarbeit von <strong>der</strong> Mitte und lassen zu<br />

wenig Energie für den Umwandlungsprozess von Qi und Blut übrig.<br />

Die Speisen sollten natürlich so frisch wie möglich zubereitet werden, weil frische<br />

Nahrungsmittel am meisten Qi besitzen, und Qi ist notwendig, um Blut zu produzieren. Gekochte<br />

Nahrungsmittel, die eingefroren und später wie<strong>der</strong> erwärmt werden, verlieren an Qi.<br />

[3] Claudia Nichterl: Die 5‐Elemente‐Küche für Schwangere und Stillende<br />

2012 by Anita Schibl Seite 10


<strong>Schwangerschaft</strong>, <strong>Geburt</strong> & <strong>Wochenbett</strong> <strong>aus</strong> <strong>Sicht</strong> <strong>der</strong> <strong>TCM</strong><br />

3.2. Wirkungsweise <strong>der</strong> einzelnen Getreidesorten<br />

„Von den sieben wichtigsten Getreidearten, die uns zur Verfügung stehen, gehören Reis, Hirse<br />

und Mais zu denen, die am leichtesten verdaulich sind. Am besten geeignet zur Stärkung <strong>der</strong><br />

Mitte ist <strong>der</strong> Rundkornreis, <strong>der</strong> vom Temperaturverhalten neutral, vom Geschmack her süß ist<br />

und damit die Funktionsbereiche Milz und Magen am nachhaltigsten zu stärken in <strong>der</strong> Lage ist.<br />

Vollwertreis: wird als Lang‐, Mittel‐ und Rundkorn angeboten. Das runde Korn för<strong>der</strong>t<br />

gründliches Kauen und wirkt tonisieren<strong>der</strong> auf das Qi als Langkornreis. Reis hat einen mild süßen<br />

Geschmack und eine neutrale bis kühle Thermik. Er baut Säfte auf, wodurch <strong>der</strong> Körper angeregt<br />

wird, alte, verbrauchte Säfte <strong>aus</strong>zuscheiden. Da er außerdem das Qi <strong>der</strong> Milz stärkt, wird<br />

zusätzlich die Transformation von Säften und die Wasser<strong>aus</strong>scheidung geför<strong>der</strong>t sowie<br />

Wasseransammlungen aufgrund von Qi‐Mangel <strong>der</strong> Milz vorgebeugt.<br />

Süßer Reis: wird auch Mochi genannt, er wirkt Qi‐aufbauend und erwärmend auf Milz und<br />

Magen. Seine Thermik ist warm. Er hat die beson<strong>der</strong>e Eigenschaft, Qi und Blut gleichzeitig zu<br />

tonisieren. Aufgrund seiner milden Süße ist er ein gutes Mittel, um durch Qi‐Mangel <strong>der</strong> Milz<br />

verursachte Süßgelüste zu vertreiben.<br />

Das Süße geht zuerst zur Milz. Süß stärkt das Milz‐Qi, aber zu viel davon schädigt es. Die<br />

Getreidearten gehören grundsätzlich eher zum süßen Geschmack, sie harmonisieren, gleichen<br />

<strong>aus</strong>. Vermehrter Salzkonsum führt zu vermehrtem Verlangen nach Süßem und umgekehrt. Wenn<br />

das Milz‐Qi durch zu viel Süßes geschwächt wird, dann wird die Feuchtigkeit nicht transformiert<br />

und die Lunge füllt sich mit Schleim. Schleim in <strong>der</strong> Lunge führt wie<strong>der</strong>um zu Stagnationen im<br />

oberen San Jiao.<br />

Hirse: ist thermisch neutral bis warm. Sie stärkt die Mitte und harmonisiert Milz und Magen. Ihre<br />

stärkende Wirkung auf Milz und Nieren ist von beson<strong>der</strong>er Bedeutung, denn diese beiden<br />

Organe sind direkt für die Versorgung des Kindes zuständig. Außerdem wird Feuchtigkeit, die<br />

sich aufgrund von Milz‐ und Nierenschwäche als Wasseransammlungen bemerkbar macht,<br />

ebenfalls durch Hirse entfernt.<br />

Mais: wird in Europa meist gemahlen als Polenta angeboten. Er wirkt neutral, harmonisierend<br />

auf die Mitte und Qi‐aufbauend.<br />

Hafer: ist thermisch warm. Seine dynamische, anfeuernde Energie kann bei körperlicher<br />

Erschöpfung und chronischem Energiemangel sehr nützlich sein. Dennoch sollte er in <strong>der</strong><br />

<strong>Schwangerschaft</strong> nur mit Vorsicht genossen werden. Er bewegt die Energie zu stark nach oben<br />

und würde den Yang‐Zustand verstärken.<br />

Das habe ich selber bei beiden <strong>Schwangerschaft</strong>en erlebt. In den ersten drei Monaten, in denen<br />

die Yang‐Energie sehr stark nach oben geht (Näheres später), konnte ich keinen Hafer essen bzw.<br />

hat er meine Übelkeit deutlich verschlechtert!<br />

2012 by Anita Schibl Seite 11


<strong>Schwangerschaft</strong>, <strong>Geburt</strong> & <strong>Wochenbett</strong> <strong>aus</strong> <strong>Sicht</strong> <strong>der</strong> <strong>TCM</strong><br />

Gerste: ist thermisch kühl bis kalt. Sie harmonisiert die Mitte und tonisiert Qi und Blut. Hat aber<br />

auch die Eigenschaft zu trocknen, daher auch nur bedingt einzusetzen. Sie eignet sich aber<br />

<strong>aus</strong>gezeichnet, um Hitze <strong>aus</strong>zuscheiden.<br />

Bei Sommerhitze kann ich ein Kompott mit Wassermelone empfehlen:<br />

Wassermelone in Stücke schneiden, eine halbe Vanilleschote aufschneiden und zusammen in<br />

etwas Wasser einmal aufkochen, abkühlen lassen.<br />

Weizen, Dinkel und Grünkern: sie sind schwerer verdaulich als Reis und Hirse. Sie sollten über<br />

Nacht eingeweicht und gut gekocht o<strong>der</strong> gemahlen bzw. geschrotet verwendet werden. Weizen<br />

ist thermisch kühl. Er beruhigt den Geist und nährt das Yin des Herzens.<br />

Dinkel ist eine Weizenart und in seiner Wirkungsweise dem Weizen sehr ähnlich. Thermisch<br />

neutral bis kühl, aber mit trocknen<strong>der</strong> Eigenschaft als <strong>der</strong> Weizen.<br />

Grünkern ist früh geernteter Dinkel, <strong>der</strong> über Feuer gedarrt wurde. Dadurch ist er thermisch<br />

wärmer. Er wirkt vor allem auf Leber und Gallenblase tonisierend und entgiftend.<br />

Roggen: ist thermisch neutral bis warm. Sein Geschmack ist süß und leicht bitter.“ [4]<br />

Reis und Hirse lassen sich gut für zwei Tage im Vor<strong>aus</strong> kochen und beson<strong>der</strong>s gut morgens für ein<br />

Müsli einsetzen. Ein kleiner, in Stücke geschnittener Apfel wird mit etwas Butter und einigen<br />

Mandeln o<strong>der</strong> Walnüssen erwärmt, dazu gibt man roten Traubensaft o<strong>der</strong> (wenn keine Schleimo<strong>der</strong><br />

Nässe‐Belastung vorliegt) auch etwas Milch. Der Apfel lässt sich auch durch Weintrauben<br />

ersetzen, je nach Jahreszeit. Das Müsli sollte warm gegessen werden.<br />

Für die gesunde, schwangere Frau gilt generell: Kochen Sie nach <strong>der</strong> Jahreszeit! Gemüse und<br />

Obst hat in <strong>der</strong> Jahreszeit, in <strong>der</strong> es von Natur <strong>aus</strong> wächst, am meisten Energie. Ein gutes<br />

Kriterium, um dies selbst festzustellen, ist <strong>der</strong> Geschmack.<br />

Wie eingangs erwähnt, gibt es bei den wichtigsten Therapieprinzipien während <strong>der</strong><br />

<strong>Schwangerschaft</strong> zwei Themen, die speziell mit <strong>der</strong> Ernährung sehr gut behandelt werden<br />

können:<br />

<br />

<br />

Die Milz tonisieren ‐ Qi‐Aufbau <strong>der</strong> Milz<br />

Das Blut nähren – Blut‐Aufbau<br />

[4] Barbara Temelie/Beatrice Trebuth: Die fünf Elemente Ernährung für Mutter und Kind<br />

2012 by Anita Schibl Seite 12


<strong>Schwangerschaft</strong>, <strong>Geburt</strong> & <strong>Wochenbett</strong> <strong>aus</strong> <strong>Sicht</strong> <strong>der</strong> <strong>TCM</strong><br />

3.3. Qi‐Aufbau <strong>der</strong> Milz<br />

„Damit Milz und Magen ihre Arbeit in <strong>aus</strong>reichendem Maß <strong>aus</strong>führen können, brauchen sie Qi<br />

und Wärme. Diese beziehen sie zum einen vom Unteren Erwärmer <strong>aus</strong> den Nieren und zum<br />

an<strong>der</strong>en <strong>aus</strong> <strong>der</strong> Nahrung. Falsche Ernährungsgewohnheiten schaden beson<strong>der</strong>s Milz und Magen<br />

und rufen den weit verbreiteten Milz‐Qi Mangel hervor. Auf spezielle, durch einen Milz‐Qi<br />

Mangel <strong>aus</strong>gelöste Beschwerden in <strong>der</strong> <strong>Schwangerschaft</strong>, gehe ich später noch ein. Zwar gibt es<br />

viele therapeutische Methoden wie Akupunktur und Kräutertherapie, die bei <strong>der</strong> Stärkung des<br />

Mittleren Erwärmers eingesetzt werden können – die Ernährung ist für Magen und Milz jedoch<br />

die wichtigste Medizin.<br />

Folgende Nahrungsmittel, Speisen und Getränke sollten stark eingeschränkt werden:<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Kalte und eisgekühlte Getränke<br />

Thermisch kalte Getränke: Schwarztee, grüner Tee, Multivitaminsäfte, Mineralwasser,<br />

saure Früchtetees<br />

Thermisch kalte Nahrungsmittel: Tomaten, Gurken, Südfrüchte<br />

Schwer Verdauliches: Schweinefleisch, Wurst, Pommes frites, Rohkost<br />

Milchprodukte: Milch, Sauermilchprodukte, Topfen, Käse<br />

Weißer Zucker und alles, worin er enthalten ist<br />

Weißmehl und <strong>der</strong>en Produkte<br />

Industriell gefertigte Nahrung<br />

Tiefgefrorene Nahrung<br />

In <strong>der</strong> Mikrowelle erwärmte o<strong>der</strong> gekochte Speisen<br />

Stattdessen:<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Gekochte, leicht verdauliche Getreidesorten als Basis<br />

Gekochte, nährende Gemüsesorten mit kleinen Mengen an<br />

Fleisch o<strong>der</strong> Hülsenfrüchten und<br />

Leicht gedünsteten an<strong>der</strong>en Gemüse<br />

Aromatische Gewürze und Kräuter<br />

Einfache Zusammenstellung mit nur wenigen Zutaten<br />

Regelmäßiges Essen gekochter Speisen<br />

Zu bevorzugende Lebensmittel sind:<br />

Gemüse: Karotten, Kürbis, Süßkartoffel, Mais, Petersilienwurzel, Weißkohl, Fenchel, Fisolen<br />

Getreide: Rundkornreis, Amaranth, Quinoa, Haferflocken<br />

Hülsenfrüchte: Erbsen, Linsen, Bohnen<br />

Fleisch: Rind, Lamm, Huhn, Ente, Rindfleischbrühe<br />

Fisch: Karpfen, Hering, Makrele, Forelle, Lachs<br />

2012 by Anita Schibl Seite 13


<strong>Schwangerschaft</strong>, <strong>Geburt</strong> & <strong>Wochenbett</strong> <strong>aus</strong> <strong>Sicht</strong> <strong>der</strong> <strong>TCM</strong><br />

Gewürze: Anis, frischer Ingwer, Korian<strong>der</strong>, Nelke, Vanille, Zimt, Wachol<strong>der</strong>beere, Kreuzkümmel,<br />

Kümmel, Basilikum, Liebstöckl, Dill, Estragon, Majoran, Oregano, Rosmarin,<br />

Bockshornkleesamen, Kurkuma<br />

Früchte: süße Äpfel, Marillen, Zwetschken, Pfirsiche, süße Kirschen, Kokosnuss, Litschis, Feigen,<br />

Datteln<br />

Salate: als Beilage; Feldsalat, Radicchio, Endivien, Lollo Rosse, Batavia, Sprossen, Schnittlauch,<br />

Petersilie<br />

Nüsse und Samen: Walnüsse, Erdnüsse, Sesam, Haselnüsse<br />

Fette: Olivenöl, Sesamöl, Leinöl, Walnussöl, Butter<br />

Getränke: Fencheltee, Süßholzwurzeltee, heißes Wasser, Apfel‐ o<strong>der</strong> Traubensaft mit heißem<br />

Wasser<br />

Sonstiges: Gerstenmalz, Reismalz<br />

3.4. Blut‐Aufbau<br />

Blut ist eine wichtige Yin‐Substanz, die primär durch eine gute Milzfunktion, aber auch durch<br />

eine gute Nierenfunktion aufgebaut wird. Störende Einflüsse auf die Organe Milz, Niere und<br />

Leber bewirken über einen längeren Zeitraum einen Blut‐Mangel. Erzeugt die Milz aber zu wenig<br />

Qi <strong>aus</strong> <strong>der</strong> Nahrung, wird zu wenig Blut gebildet. Schlechte Ernährung, <strong>aus</strong>trocknende<br />

Genussmittel wie Kaffee, Schwarztee, Rotwein und emotionaler Stress begünstigen o<strong>der</strong><br />

verursachen den Blut‐Mangel. Um das Blut aufzubauen, brauchen wir Nahrungsmittel, die die<br />

Körpersubstanzen nähren und die Säfte‐Bildung im Körper anregen und steigern. Nicht zu<br />

vergessen, die erste Zielsetzung besteht aber darin das Qi <strong>der</strong> Milz aufzubauen.<br />

Folgende Nahrungsmittel sollten eingeschränkt werden:<br />

<br />

<br />

<br />

Siehe Qi‐Aufbau <strong>der</strong> Milz oben<br />

Kaffee, Schwarztee, Kakao, Rotwein, grüner Tee, Yogitee<br />

Große Mengen scharfer Gewürze<br />

Zu bevorzugende Lebensmittel sind:<br />

<br />

Siehe Qi‐Aufbau <strong>der</strong> Milz oben und<br />

Getreide: Süßreis, Weizen<br />

Gemüse: grünes Gemüse – Mangold, Spinat, Brokkoli; Stangensellerie, Auberginen, Rote Rübe,<br />

Brennnessel<br />

Fleisch: Rin<strong>der</strong>‐, Hühner‐ o<strong>der</strong> Entenleber, Huhn, Rindfleisch<br />

Fisch: frischer Tintenfisch, Barsch, Aal<br />

2012 by Anita Schibl Seite 14


<strong>Schwangerschaft</strong>, <strong>Geburt</strong> & <strong>Wochenbett</strong> <strong>aus</strong> <strong>Sicht</strong> <strong>der</strong> <strong>TCM</strong><br />

Früchte: rote Früchte – Trauben, Kirschen, Beeren; Longan, Maulbeeren, Litschi<br />

Hülsenfrüchte: schwarze Bohne, schwarze Sojabohne<br />

Fette: Nachtkerzen‐Öl<br />

Nüsse und Samen: schwarzer Sesam, Sonnenblumenkerne<br />

Getränke: rote Säfte mit Wasser gemischt (rote Trauben, rote Rübe, Kirschen), Brennnesseltee<br />

Sonstiges: Meeresalgen, Eigelb<br />

Kraftsuppen <strong>aus</strong> Rin<strong>der</strong>knochen, Rindfleisch o<strong>der</strong> Huhn sind eine wichtige Medizin für die<br />

werdende Mutter, um Qi und Blut aufzubauen. In den Phasen, in denen das Baby extrem viel<br />

Nahrung von <strong>der</strong> Mutter braucht, im Bauch o<strong>der</strong> an <strong>der</strong> Brust, helfen kleine Mengen Fleisch und<br />

Fleischbrühen <strong>der</strong> Mutter über die Runden. Auch ohne dass sichtbare Anzeichen für einen Qio<strong>der</strong><br />

Blut‐Mangel vorliegen, werden in dieser Zeit die Reserven <strong>der</strong> Mutter stark angegriffen.<br />

3.5. Genussmittel und zu vermeidende Nahrungsmittel während <strong>der</strong> <strong>Schwangerschaft</strong><br />

Bohnenkaffe: ist bitter‐kalt und <strong>aus</strong>trocknend. Es kommt zu einer starken Abwärtsbewegung,<br />

die sich in Stuhldrang o<strong>der</strong> Verbesserung etwaiger Kopfschmerzen zeigt. Weiters schwächt er<br />

Säfte und Blut und er beschleunigt den Herzschlag von Mutter und Kind.<br />

Schwarztee: wirkt gen<strong>aus</strong>o <strong>aus</strong>trocknend auf Säfte und Blut wie Kaffee. Er ist jedoch thermisch<br />

kalt, wodurch er zusätzlich Milz‐ und Nierenenergie schwächt.<br />

Grüner Tee: wirkt ebenfalls <strong>aus</strong>trocknend und kalt.<br />

Alkohol: <strong>aus</strong> energetischer <strong>Sicht</strong> wirkt Alkohol zerstreuend auf Qi und geistige Fähigkeiten.<br />

Außerdem erhöht er das Yang <strong>der</strong> Leber, das in <strong>der</strong> <strong>Schwangerschaft</strong> ohnehin schon hoch genug<br />

ist. Weiters begünstigt er die Bildung von Feuchtigkeit und die Entstehung von<br />

Wasseransammlungen im Gewebe.<br />

Zigaretten: erschöpfen Blut und Säfte und verringern die Durchblutung. Außerdem werden<br />

Giftstoffe im Organismus abgelagert. Um dem Kind den bestmöglichen Entwicklungsraum zu<br />

schaffen, empfiehlt es sich deshalb, die <strong>Schwangerschaft</strong> zu planen und bereits einige Monate<br />

vorher mit dem Rauchen aufzuhören. Hier sollten sich auch die werdenden Väter angesprochen<br />

fühlen, denn toxische Stoffe, die sich im Organismus angesammelt haben, schmälern die Qualität<br />

<strong>der</strong> Nierenenergie und somit seine Spermien.<br />

Um das Optimum für das Kind bereitzuhalten, sollten Männer wie Frauen am besten bereits<br />

einige Monate vor <strong>der</strong> Zeugung einen reinen Lebenswandel in Bezug auf Zigaretten, Alkohol und<br />

an<strong>der</strong>e Genussmittel führen.<br />

2012 by Anita Schibl Seite 15


<strong>Schwangerschaft</strong>, <strong>Geburt</strong> & <strong>Wochenbett</strong> <strong>aus</strong> <strong>Sicht</strong> <strong>der</strong> <strong>TCM</strong><br />

3.6. Zum Thema Milch und Calcium<br />

Milch ist grundsätzlich kein Nahrungsmittel für Erwachsene. Denn lei<strong>der</strong> wird übersehen, dass<br />

die zur Milchgewinnung benötigten Enzyme in seinem Verdauungstrakt nicht mehr vorhanden<br />

sind. Milch wird demzufolge nur unzureichend verdaut und bildet Schlacken im Körper.<br />

Außerdem führt sie zu Feuchtigkeits‐ und Schleimansammlungen.“ [5]<br />

„Folgende Lebensmittel sind reich an Calcium:<br />

Mohn, Sesam, in Form von Tahin o<strong>der</strong> selbst geröstet und gemörsert, Mandeln, Haselnüsse,<br />

Amaranth, Sojabohnen, Brennnessel, Petersilie, Brunnenkresse, Löwenzahn und Brokkoli.“ [6]<br />

[5] Barbara Temelie/Beatrice Trebuth: Die fünf Elemente Ernährung für Mutter und Kind<br />

[6] Internetquelle: Wikipedia<br />

2012 by Anita Schibl Seite 16


<strong>Schwangerschaft</strong>, <strong>Geburt</strong> & <strong>Wochenbett</strong> <strong>aus</strong> <strong>Sicht</strong> <strong>der</strong> <strong>TCM</strong><br />

4. Verlauf <strong>der</strong> <strong>Schwangerschaft</strong><br />

4.1. Erster Monat<br />

„Der erste Monat <strong>der</strong> <strong>Schwangerschaft</strong> heißt Shi Pei = Beginn <strong>der</strong> <strong>Schwangerschaft</strong>. Der Embryo<br />

wird durch den Leber‐Meridian <strong>der</strong> Mutter gestärkt. Der Blutkreislauf ist geschwächt, man sollte<br />

daher körperliche Überanstrengungen vermeiden. Ebenfalls sollte große Hitze und starke Kälte<br />

gemieden werden.“ [7]<br />

4.1.1. Temperaturempfinden<br />

Während <strong>der</strong> <strong>Schwangerschaft</strong> ist Yang im oberen Körperbereich im Übermaß vorhanden,<br />

während sich das Yin im unteren Körperbereich konzentriert. Dieser Yang‐Zustand verursacht<br />

Hitzeempfindungen und Gelüste nach kalten Getränken.<br />

Wenn <strong>der</strong> Körper nach Erfrischung verlangt, muss man dem nachgeben, aber mit Rücksicht auf<br />

die Mitte. Milz und Magen müssen durch gekochte Gerichte warm gehalten werden. Allerdings<br />

dürfen sich diese Speisen jetzt überwiegend <strong>aus</strong> erfrischendem Gemüse, Getreide und Obst<br />

zusammensetzen. Auch kleine Mengen Rohkost, Salat, rohes Obst und Milchprodukte sind in<br />

Kombination mit warmen Gerichten erlaubt. Als Getränke sind roter Traubensaft mit Wasser,<br />

Apfelsaft, Früchtetee, Malventee, Hibiskustee und Melissentee zu empfehlen. Alle thermisch<br />

heißen und trocknenden Nahrungsmittel wie zum Beispiel: scharfe, heiße und warme Gewürze,<br />

Zwiebelgewächse, Essig, Kaffee, Schwarztee, Fencheltee, Alkohol, gegrilltes o<strong>der</strong> gebratenes<br />

Fleisch und Lamm sollten vermieden werden.<br />

4.1.2. Ernährungsempfehlung bei übermäßigen Durst<br />

„Beanspruchte Nieren werden durch viel Trinken nicht gestärkt. Im Gegenteil, sie müssen<br />

vermehrt Arbeit leisten. Die Empfehlung, viel zu trinken, könnte bei einer Ernährung mit<br />

Fertigprodukten und Brotmahlzeiten sinnvoll sein, um den Organismus von unerwünschten<br />

Stoffen wie<strong>der</strong> zu befreien.“ [8] Gesund ist es dagegen, den Organismus <strong>aus</strong> saftigen Speisen<br />

Säfte zuzuführen, als Art „Tröpfchenbewässerung“. Kompotte, Suppen o<strong>der</strong> gedünstetes<br />

Gemüse geben nach und nach Feuchtigkeit im Magen ab und verringern das Durstgefühl.<br />

4.2. Zweiter Monat<br />

„In <strong>der</strong> Periode des zweiten Monats vollendet sich das Jing des Kindes im Inneren des Uterus.<br />

Passend in dieser Zeit ist es, sich sorgsam vor Schreck und Aufregung zu schützen. Im zweiten<br />

Monat <strong>der</strong> <strong>Schwangerschaft</strong> beginnen sich Yin und Yang in den Leitbahnen nie<strong>der</strong>zulassen. Der<br />

Embryo wird durch den Gallen‐Meridian <strong>der</strong> Mutter gestärkt. Das vorgeburtliche Qi o<strong>der</strong> Jing<br />

entsteht, hierzu ist auch das Jing <strong>der</strong> Mutter erfor<strong>der</strong>lich.“ [9]<br />

[7] Udo Lorenz/Andreas Noll: Die Wandlungsphasen <strong>der</strong> traditionellen chinesischen Medizin, Band 5, Wandlungsphase Wasser<br />

[8] Barbara Temelie/Beatrice Trebuth: Die fünf Elemente Ernährung für Mutter und Kind<br />

[9] Udo Lorenz/Andreas Noll: Die Wandlungsphasen <strong>der</strong> traditionellen chinesischen Medizin, Band 5, Wandlungsphase Wasser<br />

2012 by Anita Schibl Seite 17


<strong>Schwangerschaft</strong>, <strong>Geburt</strong> & <strong>Wochenbett</strong> <strong>aus</strong> <strong>Sicht</strong> <strong>der</strong> <strong>TCM</strong><br />

4.2.1. <strong>Schwangerschaft</strong>sübelkeit und Erbrechen<br />

Übelkeit trat am stärksten morgens und vor den Mahlzeiten auf, wenn <strong>der</strong> Magen leer war. Die<br />

Übelkeit begann mit Anfang des zweiten Monats und dauerte bis ca. Ende des dritten Monats.<br />

Erbrechen trat sowohl vor dem Essen als auch nach dem Essen auf ‐ vor dem Essen Erbrechen<br />

dünner bitterer Flüssigkeiten, nach dem Essen von Unverdautem. Das Erbrechen führte zu<br />

Erleichterung und Besserung <strong>der</strong> Übelkeit. Zum Teil trat das Erbrechen sehr plötzlich und<br />

unkontrolliert auf. Nachdem ich etwas gegessen hatte, nahm die Übelkeit in den meisten Fällen<br />

ab und ich habe die Energiezufuhr in Form von Nahrung als sehr wohltuend empfunden.<br />

Während <strong>der</strong> <strong>Schwangerschaft</strong> war es mir schwer möglich, zu wenig Nahrung zu mir zu nehmen.<br />

Eine <strong>aus</strong>reichende Ernährung ist, wie schon oben beschrieben, für die Entwicklung des Embryos<br />

sehr wichtig. Daher ist es sinnvoll, dass die werdende Mutter quasi gezwungen ist, genug zu<br />

essen. Morgendliche Übelkeit ist eines <strong>der</strong> frühesten Anzeichen einer <strong>Schwangerschaft</strong>,<br />

wenngleich nicht alle Schwangeren daran leiden. Die Ausprägung kann von leichter Übelkeit bis<br />

zu schwerem, häufigem Erbrechen reichen. Meist dauert es nur drei Monate, in schweren Fällen<br />

kann es aber auch länger dauern, sogar die ganze <strong>Schwangerschaft</strong> über. Die Stärke <strong>der</strong><br />

morgendlichen Übelkeit hat selbstverständlich eine Beziehung zum vorbestehenden Zustand des<br />

Verdauungstrakts <strong>der</strong> Frau. Trotz <strong>der</strong> Bezeichnung „morgendliche Übelkeit“ kann diese Störung<br />

zu je<strong>der</strong> Tageszeit auftreten, wenngleich die Ausprägung morgens meist stärker ist.<br />

Im ersten Trimester <strong>der</strong> <strong>Schwangerschaft</strong> spielen sich im Ren Mai und Chong Mai tief greifende<br />

Verän<strong>der</strong>ungen ab. Blut‐, Essenz‐ und Nieren‐Energie <strong>der</strong> Mutter nähren den Fötus, wodurch das<br />

Blut und Qi <strong>der</strong> Nieren <strong>der</strong> Mutter in eine relative Leere geraten können. Das Qi des Chong Mai<br />

rebelliert nach oben in Richtung des Magens und des Brustkorbs. Es stört das Absteigen des<br />

Magen‐Qi, wodurch Übelkeit und Erbrechen entstehen.<br />

„Aus energetischer <strong>Sicht</strong> gibt es zwei Hauptpathologien, warum das Magen‐Qi Beschwerden<br />

verursacht:<br />

Bei einer konstitutionellen Schwäche von Milz und Magen richtet sich das in Fülle vorhandene Qi<br />

im Chong Mai gegen den Energiefluss des Magens, <strong>der</strong> normalerweise von oben nach unten<br />

verläuft und dreht diesen um. Leichte morgendliche Übelkeit bei leerem Magen weist auf einen<br />

Milz‐ und Magen‐Qi‐Mangel hin. Neben dem behutsamen Aufbau des Milz‐Qi sollte die<br />

Schwangere auf alles verzichten, was sie schwächt. Wie zum Beispiel: übermäßige<br />

Konzentration, intellektuelle und körperliche Überanstrengung, Grübeln, Kälte und Feuchtigkeit<br />

von außen.<br />

Bei einer konstitutionell bedingten Fülle <strong>der</strong> Leber stagniert das Qi <strong>der</strong> Leber. Da <strong>der</strong><br />

Lebermeridian unter an<strong>der</strong>em durch den Magen verläuft, verbindet sich seine Energiefülle mit<br />

<strong>der</strong> des Chong Mai und richtet sich wie<strong>der</strong>um gegen den Energiefluss des Magens und kehrt ihn<br />

um.<br />

Es können sich aber auf dieser Basis noch weitere Störungen entwickeln. Langfristige Leber‐Qi‐<br />

Stagnation kann Hitze entstehen lassen, die den Magen beeinträchtigt. Dadurch kommt es bald<br />

2012 by Anita Schibl Seite 18


<strong>Schwangerschaft</strong>, <strong>Geburt</strong> & <strong>Wochenbett</strong> <strong>aus</strong> <strong>Sicht</strong> <strong>der</strong> <strong>TCM</strong><br />

nach dem Essen zu starkem Erbrechen. An<strong>der</strong>erseits kann eine Schwäche von Magen und Milz<br />

zur Bildung von Schleim führen, was seinerseits wie<strong>der</strong> die Übelkeit verstärkt.<br />

Wir müssen die Symptome im Zusammenhang mit Übelkeit und Erbrechen genau analysieren,<br />

um Hitze von Kälte und Leere von Fülle unterscheiden zu können. Hier sind die wichtigsten zu<br />

beachtenden Kriterien:<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Erbrechen kurz nach dem Essen: Hitze, Fülle<br />

Erbrechen dünner Flüssigkeiten: Kälte, Leere<br />

Erbrechen mit Recken und Rülpsen: Leber‐Qi‐Stagnation<br />

Leichte Übelkeit: Rebellierendes Magen‐Qi<br />

Erbrechen saurer Flüssigkeiten: Leber‐Qi‐Stagnation<br />

Erbrechen bitterer Flüssigkeiten: Magen‐ und Leber‐Hitze<br />

Das wichtigste Therapieprinzip bei allen Arten von morgendlicher Übelkeit ist das Beruhigen des<br />

Chong Mai, Unterdrücken von rebellierendem Qi, Harmonisieren des Magens und Stillen des<br />

Erbrechens. Zusätzlich zu diesen grundlegenden Richtlinien muss man aber alle an<strong>der</strong>en Begleit‐<br />

Muster behandeln.“ [10]<br />

Somit zählen zu weiteren Therapieverfahren das Beruhigen <strong>der</strong> Leber, das Beseitigen von<br />

Stagnation, das Tonisieren von Magen und Milz, das Beseitigen von Magen‐Hitze sowie das<br />

Auflösen von Schleim. In allen Fällen sollte auf scharf‐heiße, scharf‐warme bzw. magenreizende<br />

Nahrungsmittel verzichtet werden.<br />

Meine Erste‐Hilfe‐Tipps:<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Regelmäßig kleine Portionen bzw. Snacks essen, damit <strong>der</strong> Blutzuckerspiegel stabil bleibt<br />

Eine Umeboshi Pflaume in den Nabel kleben<br />

1 cm Scheibe frischer Ingwer mit heißen Wasser aufgießen und trinken<br />

Tee zum Inhalieren: 30 g Coriandri Fr., 15 g Perillae Fol., 15 g Citri Ret. Pc., 15 g<br />

Agastanchis Hba., 10 g Amomi Fr. – 2‐3x täglich je nach Zustand<br />

1 große Tasse Birnensaft erhitzen, 1 Teelöffel Kuzu in etwas kalten Birnensaft anrühren<br />

und dann in den heißen Birnensaft geben, kurz aufkochen. Diese dickflüssige Konsistenz<br />

trinken.<br />

4.2.2. Schwäche und Müdigkeit<br />

Diese traten vor allem nachmittags auf. Mein Blutdruck war während <strong>der</strong> gesamten<br />

<strong>Schwangerschaft</strong> sehr niedrig. Bis Mittag hatte ich die meiste Energie und danach kam <strong>der</strong> rapide<br />

Abfall. Nie zuvor habe ich so eine starke Erschöpfung und Müdigkeit über einen so langen<br />

Zeitraum empfunden. Bei meiner ersten <strong>Schwangerschaft</strong> trat diese im gleichen Zeitraum wie die<br />

Übelkeit und das Erbrechen auf (Anfang Zweiter Monat bis Ende Dritter Monat). Bei meiner<br />

zweiten <strong>Schwangerschaft</strong> hielt die Müdigkeit bis zum Ende <strong>der</strong> <strong>Schwangerschaft</strong> an.<br />

[10] Giovanni Maciocia: Die Gynäkologie in <strong>der</strong> Praxis <strong>der</strong> chinesischen Medizin<br />

2012 by Anita Schibl Seite 19


<strong>Schwangerschaft</strong>, <strong>Geburt</strong> & <strong>Wochenbett</strong> <strong>aus</strong> <strong>Sicht</strong> <strong>der</strong> <strong>TCM</strong><br />

Das Blut und die Essenz <strong>der</strong> Mutter nähren den Fötus und sorgen für die Ausbildung <strong>der</strong><br />

wichtigsten Körpersysteme. Alle Systeme des Kindes werden ja innerhalb <strong>der</strong> ersten drei Monate<br />

angelegt. Daher fühlen sich die meisten Frauen im ersten Trimester <strong>der</strong> <strong>Schwangerschaft</strong><br />

beson<strong>der</strong>s müde. Diese ist dann beson<strong>der</strong>s stark, wenn bei <strong>der</strong> Frau bereits vor <strong>der</strong><br />

<strong>Schwangerschaft</strong> ein Blut‐ o<strong>der</strong> Yin‐Mangel vorhanden war. Neben den<br />

Ernährungsempfehlungen für Qi‐ und Blut‐Aufbau helfen auch Bewegung und Spaziergänge an<br />

<strong>der</strong> frischen Luft, um weiteres Qi <strong>aus</strong> <strong>der</strong> Atemluft zu extrahieren.<br />

4.2.3. Geruchswahrnehmung<br />

Gerüche habe ich beson<strong>der</strong>s intensiv wahrgenommen und als unangenehm empfunden. Ich habe<br />

Gerüche wahrgenommen, die ich in <strong>der</strong> Stärke nie zuvor empfunden habe. Wenn ich U‐Bahn<br />

gefahren bin, fand ich die Körpergerüche <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Menschen unerträglich. Beim Betreten<br />

unserer Wohnung, habe ich Gerüche wahrgenommen, die ich zuvor gar nicht kannte. Am<br />

Schlimmsten war <strong>der</strong> Geruch im Kühlschrank – die Mischung <strong>aus</strong> diversen Lebensmitteln.<br />

Für Außenstehende merkwürdige Wünsche und Launen, die unberechenbar sind wie <strong>der</strong> Wind<br />

(Holzelement, Leber) sowie die große Verletzlichkeit <strong>der</strong> Frau in den ersten<br />

<strong>Schwangerschaft</strong>smonaten sind Folgen <strong>der</strong> Yin‐Schwäche <strong>der</strong> Leber. Das hat auch sein Gutes;<br />

denn die gesteigerte Empfindsamkeit bezieht sich nicht nur auf die Psyche, son<strong>der</strong>n auf alles,<br />

was schlecht riecht, schmeckt o<strong>der</strong> eine zweifelhafte Ausstrahlung hat. Somit dient dieser<br />

Mechanismus wie<strong>der</strong>um dem Schutz von Mutter und Kind, indem er bewirkt, dass sie eine<br />

natürliche Abneigung gegen alles hat, was ihr schaden könnte.<br />

4.2.4. Abneigungen und Vorlieben<br />

„Bitter‐Kaltes hat eine <strong>aus</strong>trocknende, verhärtende und nach unten <strong>aus</strong>leitende Eigenschaft.<br />

Dieses wäre für den Embryo schädlich. Daher ist es sinnvoll, dass die Schwangere Bitteres nicht<br />

im Übermaß zu sich nimmt.<br />

Das Saure hat eine adstringierende und sammelnde Eigenschaft, was dazu beitragen kann, ein<br />

Absinken des Embryos (eine Fehlgeburt) zu verhin<strong>der</strong>n. Die meisten sauren Nahrungsmittel<br />

haben eine erfrischende thermische Wirkung und kühlen dadurch die Leber und bauen Säfte auf.<br />

Die Milz kontrolliert den süßen Geschmack. Gerade mit fortgeschrittener <strong>Schwangerschaft</strong> steigt<br />

auf natürliche Weise das Verlangen nach Süßem. Das wachsende Kind im Mutterleib zieht mehr<br />

und mehr Qi <strong>aus</strong> <strong>der</strong> Milz <strong>der</strong> Mutter ab, sodass die Milz nach und nach in einen Energiemangel<br />

gerät. Auch hier ist wie<strong>der</strong> ein Tonisieren <strong>der</strong> Milz, dem Griff zur Schokolade vorzuziehen.<br />

Salziger und süßer Geschmack bedingen einan<strong>der</strong>: Je mehr Süßigkeiten gegessen werden, desto<br />

mehr Lust auf Salziges entsteht; denn Salz trocknet die übermäßige Befeuchtung des Organismus<br />

durch Süßes auf ungesunde Weise wie<strong>der</strong>, indem es den Organen Blut und Säfte entzieht.“ [11]<br />

[11] Barbara Temelie/Beatrice Trebuth: Die fünf Elemente Ernährung für Mutter und Kind<br />

2012 by Anita Schibl Seite 20


<strong>Schwangerschaft</strong>, <strong>Geburt</strong> & <strong>Wochenbett</strong> <strong>aus</strong> <strong>Sicht</strong> <strong>der</strong> <strong>TCM</strong><br />

4.2.5. Kreislaufprobleme / Schwindelgefühl<br />

Während bei<strong>der</strong> <strong>Schwangerschaft</strong>en kam es einige Male zu Kreislaufproblemen mit Schwindel.<br />

Ich konnte mich dann nicht mehr auf den Beinen halten und musste mich sofort hinlegen, da ich<br />

sonst umgekippt wäre. Nachdem ich mich hingelegt hatte, trat sofort Besserung ein und ich<br />

konnte nach einigen Minuten wie<strong>der</strong> aufstehen.<br />

„Dieses Problem steht sicher in Zusammenhang mit meinem niedrigen Blutdruck. Dieses kann als<br />

Zeichen von Blut‐Mangel gedeutet werden. Schwindelgefühl kommt vor allem im zweiten und<br />

dritten Trimester <strong>der</strong> <strong>Schwangerschaft</strong> vor. Die Störung tritt in verschiedenen Intensitätsgraden<br />

auf, wobei starker Drehschwindel auch ein Prodromalsymptom von Präeklampsie o<strong>der</strong><br />

Eklampsie sind, die in <strong>der</strong> Chinesischen Medizin zu „Krämpfen in <strong>der</strong> <strong>Schwangerschaft</strong>“ gehören.<br />

Ursachen:<br />

<br />

<br />

Überarbeitung: Sie führt zu Yin‐Mangel von Leber und Niere, <strong>der</strong> seinerseits die Ursache<br />

von aufsteigendem Leber‐Yang, das Schwindelgefühl hervorruft, sein kann.<br />

Übermäßige körperliche Anstrengung, Ernährung: Arbeitet eine Frau physisch zu hart,<br />

kann ihre Milz geschädigt werden. Diese kann dann nicht <strong>aus</strong>reichend Blut produzieren,<br />

es kommt zu Leber‐Blut‐Mangel. Dadurch kann es wie<strong>der</strong>um zum Aufsteigen von Leber‐<br />

Yang und zu Schwindelgefühl kommen. An<strong>der</strong>erseits kann eine Milz‐Schwäche zu<br />

Schleim‐Bildung führen, was häufig Schwindelgefühl nach sich zieht.<br />

Bei Schwindelgefühl in <strong>der</strong> <strong>Schwangerschaft</strong> gibt es also zwei Hauptstörungen, einerseits ein<br />

Leere‐, an<strong>der</strong>erseits ein Fülle‐Muster, nämlich das Aufsteigen von Leber‐Yang und Schleim. Das<br />

Leber‐Yang kann aufgrund eines Yin‐Mangels von Leber und Niere o<strong>der</strong> aufgrund eines Leber‐<br />

Blut‐Mangels emporsteigen, Schleim entsteht <strong>aus</strong> einer Milz‐Schwäche.<br />

Aufsteigendes Leber‐Yang und Schleim sind häufig kombiniert, vor allem wenn sie vor einem<br />

Hintergrund von Milz‐Schwäche auftreten. Milz‐Schwäche kann auch zu Leber‐Blut‐Mangel,<br />

dieser wie<strong>der</strong>um zu aufsteigendem Leber‐Yang führen. An<strong>der</strong>erseits kann sich Schleim anhäufen,<br />

wenn die Milz die Nahrung nicht richtig umwandeln kann.<br />

Therapieprinzip: Leber‐Blut nähren, Milz tonisieren, Schleim auflösen“ [12]<br />

4.3. Dritter Monat<br />

„Der dritte Monat <strong>der</strong> <strong>Schwangerschaft</strong> heißt Shi Tai = Beginn des Fötus. Zu dieser Zeit hat <strong>der</strong><br />

Embryo noch kein bestimmtes Aussehen. Der Fötus wird durch den Herz‐Meridian <strong>der</strong> Mutter<br />

gestärkt.“ [13]<br />

[12] Robin Marchment: Gynäkologie in <strong>der</strong> chinesischen Medizin<br />

[13] Udo Lorenz/Andreas Noll: Die Wandlungsphasen <strong>der</strong> traditionellen chinesischen Medizin, Band 5, Wandlungsphase Wasser<br />

2012 by Anita Schibl Seite 21


<strong>Schwangerschaft</strong>, <strong>Geburt</strong> & <strong>Wochenbett</strong> <strong>aus</strong> <strong>Sicht</strong> <strong>der</strong> <strong>TCM</strong><br />

4.3.1. Nasenbluten / Zahnfleischbluten<br />

„Gemäß <strong>der</strong> chinesischen Medizin hängt Nasenbluten meist mit nach oben rebellierendem Qi<br />

zusammen und hat daher eine enge Beziehung zur Störung des Chong Mai. Rebelliert das Qi<br />

aufgrund einer Pathologie des Durchdringungsgefäßes nach oben, so trägt es Feuer mit sich<br />

empor. Das Feuer beunruhigt das Blut vor allem, wenn es sich um Leber‐Feuer handelt, da die<br />

Leber das Blut speichert.“ [14]<br />

4.4. Vierter Monat<br />

„Der vierte Monat <strong>der</strong> <strong>Schwangerschaft</strong> ist <strong>der</strong> Beginn des Empfangens von Shui Jing, <strong>der</strong><br />

Wasser‐Essenz, damit Blut und Gefäße vollständig werden. Der Fötus wird durch den Dünndarm‐<br />

Meridian <strong>der</strong> Mutter gestärkt. Das passende Essen in diesem Monat ist ungeschälter nicht<br />

klebriger Reis, sowie Suppen mit Fisch und Wildgans.<br />

In <strong>der</strong> Periode des vierten Monats vervollständigen sich <strong>der</strong> Reihe nach die sechs Fu‐Organe des<br />

Kindes. Die Schwangere soll ihren Körper ruhig halten, Gefühle und Ehrgeiz harmonisieren und<br />

ihre Mahlzeiten regeln.“ [15]<br />

4.5. Fünfter Monat<br />

„Der fünfte Monat <strong>der</strong> <strong>Schwangerschaft</strong> ist <strong>der</strong> Beginn des Empfangens von Huo Jing, <strong>der</strong> Feuer‐<br />

Essenz, das Temperament des Fötus entwickelt sich <strong>aus</strong> dem essenziellen Qi des mütterlichen<br />

Herzens. Der Fötus wird durch den Milz‐Meridian <strong>der</strong> Mutter gekräftigt. Was das Schlafen<br />

anbelangt, darf sie erst spät aufstehen. Am Morgen soll die Schwangere das Licht des Tages<br />

einsaugen, um ein Kälteunglück zu vermeiden. Was das Essen angeht, sollte sie ungeschälten<br />

Reis und Weizen zu sich nehmen und in einer dicken Suppe Rind‐ und Schaf‐Fleisch harmonisch<br />

mischen, damit die fünf Geschmacksrichtungen <strong>aus</strong>geglichen sind.“ [16]<br />

„In <strong>der</strong> Periode des fünften Monats vervollständigen sich die vier Gliedmaßen des Kindes. Die<br />

Schwangere sollte ohne großen Hunger sein und sich an<strong>der</strong>erseits nicht übermäßig satt essen,<br />

auch sollte sie keine trockenen Speisen zu sich nehmen. Gibt es im fünften Monat übermäßige<br />

Hitze, leidet sie unter Schwindel und Benommenheit, ihr Herz gerät in Aufruhr und sie erbricht<br />

unfreiwillig. Bei übermäßiger Kälte leidet sie unter Völlegefühl, Schmerzen im Bauch und<br />

häufigem Wasserlassen. Plötzlich hat sie Furcht und erschrickt leicht. Sie hat sehr starke<br />

Schmerzen in den vier Gliedmaßen.“ [17]<br />

[14] Robin Marchment: Gynäkologie in <strong>der</strong> chinesischen Medizin<br />

[15] Xiaolan Zhao/Kanae Kinoshita: Der Schein des Mondes auf dem Wasser. Traditionelle Chinesische Medizin für Frauen<br />

[16] Xiaolan Zhao/Kanae Kinoshita: Der Schein des Mondes auf dem Wasser. Traditionelle Chinesische Medizin für Frauen<br />

[17] Udo Lorenz/Andreas Noll: Die Wandlungsphasen <strong>der</strong> traditionellen chinesischen Medizin, Band 5, Wandlungsphase Wasser<br />

2012 by Anita Schibl Seite 22


<strong>Schwangerschaft</strong>, <strong>Geburt</strong> & <strong>Wochenbett</strong> <strong>aus</strong> <strong>Sicht</strong> <strong>der</strong> <strong>TCM</strong><br />

4.6. Sechster Monat<br />

„Der sechste Monat <strong>der</strong> <strong>Schwangerschaft</strong> ist <strong>der</strong> Beginn des Empfangens von Jin Jing, <strong>der</strong> Metall‐<br />

Essenz, damit die Muskeln und Sehnen des Fötus vollständig werden. Der Fötus wird durch den<br />

Magen‐Meridian <strong>der</strong> Mutter gestärkt. Die Schwangere sollte etwas leichten Sport ‐ am besten im<br />

Freien ‐ betreiben. Um starke Sehnen und Muskeln, eine feste Wirbelsäule und einen starken<br />

Rücken zu gewährleisten, sollte das Fleisch von frei lebenden Tieren gegessen werden. Weiters<br />

sollte die werdende Mutter Hunden und Pferden beim Rennen zusehen.“ [18]<br />

4.6.1. Kindsbewegungen<br />

Zu diesem Zeitpunkt, da die Muskeln und Sehnen des Fötus vollständig werden, sind auch die<br />

ersten Bewegungen des Kindes im Mutterleib zu spüren.<br />

4.6.2. <strong>Schwangerschaft</strong>södeme<br />

Gegen Ende <strong>der</strong> <strong>Schwangerschaft</strong> ist es normal, wenn abends o<strong>der</strong> nach längerem Stehen die<br />

Beine dick werden, ohne dass an<strong>der</strong>e Symptome auftreten. Unphysiologisch und das gesunde<br />

Körpergefühl <strong>der</strong> Frau beeinträchtigend sind Wasseransammlungen in Armen und Beinen zu<br />

einem früheren Zeitpunkt. Hierfür gibt es folgende Erklärungen:<br />

<br />

Milz‐Yang Mangel<br />

Übermäßiger Verzehr von fetten Speisen, Milchprodukten, thermisch kühlen und befeuchtenden<br />

Nahrungsmitteln schwächen die Milz, im Beson<strong>der</strong>en das Milz‐Yang. Sprich, ein Mangel an<br />

Wärmeenergie <strong>der</strong> Milz. Es kann dann die Flüssigkeiten nicht mehr umwandeln und<br />

transportieren, sie sammeln sich in Form von Ödemen unter <strong>der</strong> Haut an.<br />

<br />

Nieren‐Yang Mangel<br />

Wassereinlagerungen entstehen auch, wenn das Yang <strong>der</strong> Nieren konstitutionell schwach ist.<br />

Zusammen mit <strong>der</strong> Beanspruchung <strong>der</strong> Nieren durch die <strong>Schwangerschaft</strong> und einer<br />

abkühlenden Ernährung, kommt es zu einer Nieren‐Yang Schwäche. Die Nieren sind zu schwach,<br />

um Wasser <strong>aus</strong>zuscheiden und dieses lagert sich in allen vier Gliedmaßen ab.<br />

<br />

Qi‐Stagnation<br />

Sorgen, Zorn, Frustration und Groll können zu Qi‐Stagnation führen. Das stagnierende Qi kann<br />

das Wasser nicht umwandeln und transportieren, dieses kann sich in Form von Ödemen<br />

ansammeln.<br />

Bei den ersten beiden Pathologien haben wir es mit einer Yang‐Schwäche zu tun. Energie und<br />

Wärme werden über die Ernährung vom Mittleren Erwärmer aufgenommen. Erste Zielsetzung ist<br />

hierbei wie<strong>der</strong> das Tonisieren von Milz‐ und Nieren‐Yang. Bei <strong>der</strong> Qi‐Stagnation geht es<br />

vorwiegend um das Bewegen des Qi und das Beseitigen <strong>der</strong> Stagnation.<br />

[18] Xiaolan Zhao/Kanae Kinoshita: Der Schein des Mondes auf dem Wasser. Traditionelle Chinesische Medizin für Frauen<br />

2012 by Anita Schibl Seite 23


<strong>Schwangerschaft</strong>, <strong>Geburt</strong> & <strong>Wochenbett</strong> <strong>aus</strong> <strong>Sicht</strong> <strong>der</strong> <strong>TCM</strong><br />

4.7. Siebter Monat<br />

„Der siebte Monat <strong>der</strong> <strong>Schwangerschaft</strong> ist <strong>der</strong> Beginn des Empfangens von Mu Jing, <strong>der</strong> Holz‐<br />

Essenz, damit die Knochen des Fötus vollständig werden. Die Schwangere sollte ihren Körper<br />

anstrengen und ihre Gliedmaßen schütteln. Sie sollte nicht aufhören in ihrer Tätigkeit. Bei ihren<br />

Bewegungen sollte sie sich beugen und strecken, damit Qi und Blut zirkulieren können. Sie sollte<br />

häufig gewöhnlichen Reisbrei und nicht klebrigen Reis essen, damit sich die Zwischenräume im<br />

Gewebe festigen können. Dies nennt man: das Nähren <strong>der</strong> Knochen und das Härten <strong>der</strong> Zähne.“<br />

[19]<br />

Ab dem siebten Monat kann es zu <strong>Schwangerschaft</strong>södemen kommen. Daher die Ratschläge,<br />

dass die Schwangere ihren Körper anstrengen, sich beugen und strecken soll. Wenn Qi und Blut<br />

zirkulieren können, kann Wasser bewegt werden (sh. oben Qi‐Stagnation).<br />

Die Schwangere sollte sich warm halten. Zuviel Kälte kann ebenfalls die Ansammlung von Wasser<br />

begünstigen.<br />

„Im siebten Monat versorgt <strong>der</strong> Lungen‐Meridian <strong>der</strong> Mutter den Embryo.“ [20] Da dieser auch<br />

die Aufgabe <strong>der</strong> Wasserverteilung im Körper hat, ist es möglich, dass die Verteilung<br />

unzureichend erfüllt wird und es zu <strong>Schwangerschaft</strong>södemen kommt.<br />

4.8. Achter Monat<br />

„Der achte Monat <strong>der</strong> <strong>Schwangerschaft</strong> ist <strong>der</strong> Beginn des Empfangens von Tu Jing, <strong>der</strong> Erde‐<br />

Essenz, damit die Haut und das Le<strong>der</strong> des Fötus vollständig wird. Der Fötus wird durch den<br />

Dickdarm‐Meridian <strong>der</strong> Mutter gestärkt. Die Schwangere soll ihr Herz harmonisieren, ihre<br />

Atmung beruhigen und das Qi nicht bis ins Extreme einsetzen. Das nennt man: Verdichten <strong>der</strong><br />

Zwischenräume im Gewebe, damit die Farbe <strong>der</strong> Haut glänzend schimmert. In <strong>der</strong> Periode des<br />

achten Monats vervollständigen sich alle neun Körperöffnungen des Kindes. Die Schwangere<br />

sollte keine trockenen Dinge essen und nicht mehr so oft eine Mahlzeit <strong>aus</strong>lassen. Sie erduldet<br />

jetzt keine körperlichen Anstrengungen mehr.“ [21]<br />

4.8.1. Aktivität<br />

Gegen Ende <strong>der</strong> <strong>Schwangerschaft</strong> trat bei mir eine verstärkte Aktivität und Tatendrang auf.<br />

Dieses Phänomen wird bei Schwangeren auch als Nestbautrieb bezeichnet. Zuh<strong>aus</strong>e musste alles<br />

aufgeräumt und saubergemacht werden. Ich habe mich dabei energiegeladen gefühlt. Insgesamt<br />

habe ich mich gegen Ende bei<strong>der</strong> <strong>Schwangerschaft</strong>en beson<strong>der</strong>s gut gefühlt. Die meisten<br />

Beschwerden, die am Anfang <strong>der</strong> <strong>Schwangerschaft</strong> vorhanden waren, gab es jetzt nicht mehr. Bei<br />

<strong>der</strong> zweiten <strong>Schwangerschaft</strong> musste ich allerdings mehr P<strong>aus</strong>en aufgrund <strong>der</strong> großen Müdigkeit<br />

machen.<br />

[19] Xiaolan Zhao/Kanae Kinoshita: Der Schein des Mondes auf dem Wasser. Traditionelle Chinesische Medizin für Frauen<br />

[20] Xiaolan Zhao/Kanae Kinoshita: Der Schein des Mondes auf dem Wasser. Traditionelle Chinesische Medizin für Frauen<br />

[21] Udo Lorenz/Andreas Noll: Die Wandlungsphasen <strong>der</strong> traditionellen chinesischen Medizin, Band 5, Wandlungsphase Wasser<br />

2012 by Anita Schibl Seite 24


<strong>Schwangerschaft</strong>, <strong>Geburt</strong> & <strong>Wochenbett</strong> <strong>aus</strong> <strong>Sicht</strong> <strong>der</strong> <strong>TCM</strong><br />

Zum einen macht es Sinn zum Ende <strong>der</strong> <strong>Schwangerschaft</strong> alles das zu erledigen, wozu einem die<br />

Zeit fehlt, wenn <strong>der</strong> Säugling da ist. Zum an<strong>der</strong>en hilft Bewegung (in Maßen) einer Qi‐Stagnation<br />

vorzubeugen.<br />

4.8.2. Kurzatmigkeit<br />

Ab dem achten Monat trat bei mir Kurzatmigkeit, vor allem bei körperlicher Anstrengung, auf.<br />

„Diese Störung wird im Chinesischen als „zi xuan“ bezeichnet. „Xuan“ bedeutet unsicher o<strong>der</strong><br />

ängstlich erregt. Dazu gehören Engegefühl im Thorax, ängstliche Erregung, Atemnot und<br />

psychische Unruhe.<br />

Die Ätiologie dieser Störung geht im wesentlichem auf emotionale Belastungen und<br />

Überarbeitung zurück. Überarbeitung verletzt die Niere und führt zu Schwächung des<br />

Konzeptions‐ und Durchdringungsgefäßes. Dazu kann es zu einer Blut‐ und/o<strong>der</strong> Yin‐Schwäche in<br />

diesen Gefäßen kommen. An<strong>der</strong>erseits können emotionale Störungen wie Sorgen und Angst zu<br />

Qi‐Stagnation in Herz und Lunge führen, die sich in ängstlicher Erregung, Atemnot und<br />

Engegefühl in <strong>der</strong> Brust äußert.<br />

Aus <strong>Sicht</strong> <strong>der</strong> Pathologie handelt es sich bei diesen Beschwerden hauptsächlich um eine<br />

Disharmonie im Durchdringungsgefäß. Mit Fortschreiten <strong>der</strong> <strong>Schwangerschaft</strong> verursacht die<br />

zunehmende Größe des Fötus eine Qi‐Stagnation im Abdomen, die das Durchdringungsgefäß<br />

beeinträchtigt und dort zu rebellierendem Qi führt. Davon ist meist <strong>der</strong> Thorax betroffen. Dieses<br />

führt dann zu einem Engegefühl im Thorax und zu Kurzatmigkeit.<br />

Die wichtigsten Muster in diesem Zusammenhang sind also Qi‐Stagnation sowie Blut‐Mangel<br />

und/o<strong>der</strong> Nieren‐Schwäche.“ [22]<br />

4.9. Neunter Monat<br />

„Der neunte Monat ist <strong>der</strong> Beginn des Empfangens von Shi Jing <strong>der</strong> Stein‐Essenz, damit die Haut<br />

und Körperhaare, die sechs Fu‐Organe und die hun<strong>der</strong>t Gelenke des Fötus vollständig werden.<br />

Der Fötus wird nun durch den Nieren‐Meridian <strong>der</strong> Mutter gekräftigt. Die Schwangere soll im<br />

Überfluss trinken und Süßes Essen. Sie soll den Gürtel weiter machen und ihren Bauch von jetzt<br />

an selber tragen. Dies nennt man: Pflege <strong>der</strong> Haare und Erlangen von Fähigkeiten und Kraft.<br />

In <strong>der</strong> Periode des neunten Monats vervollständigen sich alle Gefäße des Kindes und verbinden<br />

ihre Fäden. Die Frau sollte sich nicht an nass‐kalten Orten aufhalten.“ [23]<br />

[22] Giovanni Maciocia: Die Gynäkologie in <strong>der</strong> Praxis <strong>der</strong> chinesischen Medizin<br />

[23] Udo Lorenz/Andreas Noll: Die Wandlungsphasen <strong>der</strong> traditionellen chinesischen Medizin, Band 5, Wandlungsphase Wasser<br />

2012 by Anita Schibl Seite 25


<strong>Schwangerschaft</strong>, <strong>Geburt</strong> & <strong>Wochenbett</strong> <strong>aus</strong> <strong>Sicht</strong> <strong>der</strong> <strong>TCM</strong><br />

4.9.1. Rückenschmerzen<br />

Das zunehmende Gewicht des Babys verän<strong>der</strong>t die gesamte Statik <strong>der</strong> Frau. Vor allem die<br />

Lendenwirbelsäule muss dem nach vorne ziehenden Gewicht entgegenhalten, wodurch<br />

Verspannungen im gesamten Rückenbereich auftreten können. Das Qi kann nicht mehr frei<br />

fließen und es kommt zu einer Qi‐Stagnation im Rückenbereich und damit zu Schmerzen.<br />

Verstärkt wird dieses durch einen vorliegenden Nieren‐Yin‐Mangel, <strong>der</strong> ebenfalls<br />

Rückenschmerzen verursacht.<br />

Abhilfe schaffen können hier Tai Chi, Qi Gong o<strong>der</strong> Yoga, die lösend und stärkend zugleich<br />

wirken.<br />

4.10. Zehnter Monat<br />

„Im zehnten Monat <strong>der</strong> <strong>Schwangerschaft</strong> sind alle Zang‐Organe vollständig und sechs Fu‐Organe<br />

miteinan<strong>der</strong> verbunden. Der Fötus wird durch den Blasen‐Meridian <strong>der</strong> Mutter gestärkt. Das Qi<br />

von Himmel und Erde wird im Dan Tian (drei Finger breit unterhalb des Nabels) empfangen, so<br />

dass die Gelenke sich schließen und <strong>der</strong> Geist des Menschen vollständig vorhanden ist.“ [24]<br />

Jetzt ist nur noch <strong>der</strong> richtige Zeitpunkt <strong>der</strong> <strong>Geburt</strong> abzuwarten.<br />

[24] Xiaolan Zhao/Kanae Kinoshita: Der Schein des Mondes auf dem Wasser. Traditionelle Chinesische Medizin für Frauen<br />

2012 by Anita Schibl Seite 26


<strong>Schwangerschaft</strong>, <strong>Geburt</strong> & <strong>Wochenbett</strong> <strong>aus</strong> <strong>Sicht</strong> <strong>der</strong> <strong>TCM</strong><br />

5. Vorbereitung auf die <strong>Geburt</strong><br />

Nach vierzig Wochen ist <strong>der</strong> Fötus <strong>aus</strong>gereift und bereit, geboren zu werden. Für die Frau geht<br />

eine lange Zeit intensiver Verän<strong>der</strong>ungen vorüber, aber eine Verän<strong>der</strong>ung, die <strong>Geburt</strong> ihres<br />

Kindes, steht noch bevor. Einerseits wird das Kind immer schwerer, und die Frau freut sich<br />

darauf, ihr Kind endlich zu sehen; an<strong>der</strong>erseits können Unsicherheit und Angst ihr das Warten<br />

auf die ersten Wehen schwer machen.<br />

Abgesehen von <strong>der</strong> geistigen Entspannung ist es vor <strong>der</strong> <strong>Geburt</strong> wichtig, alle Kräfte zu sammeln,<br />

gut zu essen und viel frische Luft zu tanken, sich aller Verpflichtungen zu entledigen und sich mit<br />

angenehmen Dingen zu beschäftigen, um Ängste zu überwinden, denn diese schwächen mehr<br />

als alles an<strong>der</strong>e.<br />

Ich habe mich zusätzlich, bei beiden <strong>Schwangerschaft</strong>en, ab <strong>der</strong> 36. SSW akupunktieren lassen<br />

bzw. spezielle Tees von meiner <strong>TCM</strong>‐Ärztin erhalten, um diese Phase so gut wie möglich zu<br />

bestehen.<br />

2012 by Anita Schibl Seite 27


<strong>Schwangerschaft</strong>, <strong>Geburt</strong> & <strong>Wochenbett</strong> <strong>aus</strong> <strong>Sicht</strong> <strong>der</strong> <strong>TCM</strong><br />

6. Die <strong>Geburt</strong><br />

In den Nieren sind vorgeburtliches Yin und Yang gespeichert. Der <strong>Geburt</strong>svorgang selbst ist <strong>der</strong><br />

Moment, da das Kind zum allerletzten Mal vorgeburtliche Energie <strong>aus</strong> den Nieren <strong>der</strong> Mutter<br />

aufnimmt. Und es ist das Nieren‐Qi <strong>der</strong> Mutter, das den <strong>Geburt</strong>svorgang leitet und ihr die Kraft<br />

gibt, die <strong>Geburt</strong> durchzustehen. Nach <strong>der</strong> <strong>Geburt</strong> sind ihre Nieren erst einmal entleert, und sie ist<br />

total erschöpft. Ein Zeichen dafür sind oft <strong>aus</strong>fallende Kopfhaare o<strong>der</strong> Zähne, entwe<strong>der</strong> direkt<br />

nach <strong>der</strong> <strong>Geburt</strong> o<strong>der</strong> exakt neunzig Tage nach dem erschöpfenden Ereignis. Kopfhaare und<br />

Zähne werden beide von <strong>der</strong> Niere kontrolliert.<br />

Die neunzig Tage entsprechen dem Neunzigtagegesetz <strong>der</strong> chinesischen Medizin, wo sich <strong>der</strong><br />

Körper sozusagen nochmals „hochstartet“.<br />

„Die geistigen Aspekte <strong>der</strong> Nieren sind Willenskraft, Mut und Angst: Der Wille, das Kind zu<br />

gebären, <strong>der</strong> Mut sich den Schmerzen zu stellen und die Angst vor <strong>der</strong> nächsten Wehe liegen in<br />

ständigem Kampf miteinan<strong>der</strong>, bis Wille und Mut die Angst besiegen und das Kind geboren wird.<br />

An <strong>der</strong> Her<strong>aus</strong>for<strong>der</strong>ung und dem Sieg über die Angst sind die Willenskraft und das<br />

Selbstbewusstsein <strong>der</strong> Mutter gewachsen.<br />

Während <strong>der</strong> <strong>Geburt</strong> verliert die Frau natürlich viel Blut, sodass ihr Qi abermals geschwächt wird<br />

und Wärmeenergie im Körper nicht <strong>aus</strong>reichend zirkulieren kann. Die Kälte führt zu Stagnation<br />

von Qi und Blut, wodurch die Schmerzen verschlimmert werden bzw. es auch zu einem Stocken<br />

<strong>der</strong> Wehentätigkeit kommen kann. Auch ein bestehen<strong>der</strong> Qi‐ bzw. Blut‐Mangel ist oft Grund,<br />

dass die Wehentätigkeit plötzlich endet. Aus diesem Grund ist es sinnvoll Qi und Blut während<br />

<strong>der</strong> <strong>Schwangerschaft</strong> aufzubauen.“ [25]<br />

6.1. Energetische Abläufe beim Kind<br />

In <strong>der</strong> Gebärmutter lebte das Kind in einer Einheit mit <strong>der</strong> Mutter, von ihr erhielt es über das<br />

Blut seine Nahrung. Bis zur <strong>Geburt</strong> war sein Energiekreislauf noch völlig undifferenziert und seine<br />

Organe noch gänzlich unverbraucht. Bei <strong>der</strong> <strong>Geburt</strong> än<strong>der</strong>t sich dies schlagartig. Mit dem ersten<br />

Atemzug entfaltet sich die Lunge und mit ihr <strong>der</strong> Obere Erwärmer. Mit <strong>der</strong> Durchtrennung <strong>der</strong><br />

Nabelschnur hat das Kind endlich eine eigene Verdauung und damit einen funktionierenden<br />

Mittleren und Unteren Erwärmer.<br />

„Erst wenn das Baby atmet (Zukunft), verdaut (Gegenwart) und Pipi macht (Vergangenheit) lebt<br />

es in den drei Zeiten.“ [26]<br />

[25] Claude Diolosa: CD über <strong>Schwangerschaft</strong> und Entbindung Nr. 32<br />

[26] Claude Diolosa: CD über <strong>Schwangerschaft</strong> und Entbindung Nr. 32<br />

2012 by Anita Schibl Seite 28


<strong>Schwangerschaft</strong>, <strong>Geburt</strong> & <strong>Wochenbett</strong> <strong>aus</strong> <strong>Sicht</strong> <strong>der</strong> <strong>TCM</strong><br />

7. Das <strong>Wochenbett</strong> im alten und neuen China<br />

„Die Zeit des <strong>Wochenbett</strong>s wird in China als eine ganz beson<strong>der</strong>s sensible Phase im Leben <strong>der</strong><br />

Frau beschrieben und durch den Ausdruck „Zou yuezi“ ‐ „den Monat absitzen“ geprägt.<br />

In diesen 29 (nach <strong>der</strong> <strong>Geburt</strong> eines Jungen) bzw. 30 Tagen (nach <strong>der</strong> <strong>Geburt</strong> eines Mädchens)<br />

<strong>der</strong> Isolation wird die Wöchnerin von ihrer Mutter, an<strong>der</strong>en weiblichen Verwandten und dem<br />

Ehemann gepflegt und versorgt. Auch heute begeben sich mo<strong>der</strong>ne Frauen nach einer<br />

Klinikgeburt und einem stationären Aufenthalt von 4‐5 Tagen in die Obsorge <strong>der</strong> eigenen Mutter,<br />

im Idealfall bis zu 30 Tagen. In ländlichen Regionen wird heute noch <strong>der</strong> Ritus praktiziert, dass<br />

sich die Wöchnerin nicht waschen darf (vor allem Füße, Zähne und Haare), um den Schutz von<br />

äußerem Wind und Kälte zu gewährleisten. Das oberste Gebot in <strong>der</strong> <strong>Wochenbett</strong>pflege ist es,<br />

die von <strong>der</strong> <strong>Geburt</strong> geschwächten Frauen warm zu halten und jede Form von Wind (Zugluft) und<br />

Kälte von ihr fernzuhalten. Zur Abwehr <strong>der</strong> äußeren Kälte soll die Mutter sowohl im Sommer,<br />

wie auch im Winter am besten wattierte Kleidung, dicke Socken und im Idealfall noch eine<br />

Kopfbedeckung tragen.<br />

Große Einigkeit gibt es sowohl im alten wie im neuen China darüber, dass die Wöchnerin in<br />

einem ungewöhnlichen Ausmaß für äußere Einflüsse zugänglich und daher in einem hohen Maße<br />

gefährdet ist. Außerdem wiegt eine Erkrankung im <strong>Wochenbett</strong> sehr viel schwerer als in einer<br />

an<strong>der</strong>en Lebensphase und hat Auswirkungen auf das gesamte folgende Leben <strong>der</strong> Frau!<br />

Eine weitere Hauptaufgabe bei <strong>der</strong> Betreuung einer Wöchnerin, für eine aufbauende und<br />

erwärmende Ernährung zu sorgen. Bedingt durch die Annahme, die Mutter sei nach <strong>der</strong> <strong>Geburt</strong><br />

von Kälte bedroht, haben die für das <strong>Wochenbett</strong> empfohlenen Nahrungsmittel fast alle<br />

erwärmenden o<strong>der</strong> erhitzende Eigenschaften.<br />

In Peking werden auch heute noch hauptsächlich Eier, brauner Zucker, Huhn und<br />

Schweinepfoten und alles ungesalzen gegessen, um die Milchmenge zu steigern. Heiße und<br />

warme Nahrungsmittel werden bevorzugt, Kaltes und Rohes abgelehnt. Auch in <strong>der</strong> <strong>TCM</strong> wird<br />

sehr viel Wert auf die Ernährung <strong>der</strong> Wöchnerin gelegt und auf den positiven Zusammenhang<br />

von Quantität und Qualität <strong>der</strong> Muttermilch geachtet.<br />

Die Zeit des „Monats Absitzens“ wird erst durch eine weitere Tradition „das Füllen des Mundes“<br />

–„man kou“ beendet. Hier bringen Besucherinnen eine Schachtel mit gedämpften Hefeklößen,<br />

gefüllt mit Schweinefleisch, und „füllen“ sie <strong>der</strong> Wöchnerin in den Mund. Erst danach darf die<br />

Mutter das <strong>Geburt</strong>szimmer verlassen, sich waschen und <strong>der</strong> Schwiegerfamilie einen Besuch<br />

abstatten. In <strong>der</strong> Zwischenzeit wird das <strong>Geburt</strong>szimmer gelüftet und gereinigt, was nach 30<br />

Tagen sicher kein Vergnügen ist...<br />

Die Betreuung <strong>der</strong> Wöchnerin und des Kindes erfor<strong>der</strong>t in China auch heute noch einen enormen<br />

zeitlichen familiären Aufwand, <strong>der</strong> aber durch die übliche „Ein‐Kind‐Familie“ wie<strong>der</strong> sehr intensiv<br />

betrieben wird. Auch <strong>der</strong> Ehemann wird in die Pflege <strong>der</strong> jungen Mutter miteinbezogen, nicht<br />

aber in die Betreuung des Kindes. Fehlen einer Familie die zeitlichen o<strong>der</strong> personellen<br />

2012 by Anita Schibl Seite 29


<strong>Schwangerschaft</strong>, <strong>Geburt</strong> & <strong>Wochenbett</strong> <strong>aus</strong> <strong>Sicht</strong> <strong>der</strong> <strong>TCM</strong><br />

Ressourcen für eine angemessene <strong>Wochenbett</strong>betreuung, stehen staatliche Einrichtungen zur<br />

Verfügung, die diese „Monatsarbeit“ übernehmen.<br />

Nach dem Ablaufen des vollen Monats muss die chinesische Frau sowohl körperlich als auch<br />

sozial in <strong>der</strong> Lage sein in die Realität zurückzukehren. Übrigens muss eine Frau auch nach einer<br />

Fehlgeburt o<strong>der</strong> einem <strong>Schwangerschaft</strong>sabbruch, die als „kleine <strong>Geburt</strong>“ bezeichnet werden,<br />

ein <strong>Wochenbett</strong> von zwei Wochen einhalten!“ [27]<br />

[27] Mechthild Leutner: <strong>Geburt</strong>, Heirat und Tod in Peking<br />

2012 by Anita Schibl Seite 30


<strong>Schwangerschaft</strong>, <strong>Geburt</strong> & <strong>Wochenbett</strong> <strong>aus</strong> <strong>Sicht</strong> <strong>der</strong> <strong>TCM</strong><br />

8. Das <strong>Wochenbett</strong> <strong>aus</strong> <strong>Sicht</strong> <strong>der</strong> <strong>TCM</strong><br />

Die Zeit des <strong>Wochenbett</strong>s wird in <strong>der</strong> <strong>TCM</strong> als „Chan ru“ bezeichnet, was so viel wie<br />

„Nie<strong>der</strong>kunft“ und „Matratze“ bedeutet. Auch <strong>aus</strong> dieser Übersetzung erkennt man gleich die<br />

Betonung auf die Ruhe und die immense Bedeutung des Ausruhens für den Zeitraum nach <strong>der</strong><br />

<strong>Geburt</strong>. Was passiert nun aber im Körper nach <strong>der</strong> Entbindung, dass diese Schonung so dringend<br />

notwendig macht?<br />

„Nach <strong>der</strong> <strong>Geburt</strong> befindet sich die Frau in einem relativen Mangel‐Zustand, <strong>der</strong> durch den<br />

Verlust von Blut und Qi beim Gebären verursacht wird. Die Kraft, die die Frau bei <strong>der</strong> <strong>Geburt</strong><br />

verbraucht, erschöpft ihr Qi, <strong>der</strong> Blutverlust schädigt Blut und Yin, und das plötzliche Ausstoßen<br />

<strong>der</strong> Plazenta schädigt das Ursprungs‐Qi. Die Gebärmutter weist vor <strong>der</strong> Entbindung einen<br />

absoluten Fülle‐Zustand auf, <strong>der</strong> unmittelbar nach <strong>der</strong> <strong>Geburt</strong> <strong>der</strong> Plazenta in eine Leere<br />

übergeht. Die einsetzenden Nachwehen bedeuten erneutes Arbeiten für den Uterus und die<br />

Lochien einen weiteren Blutverlust. Die Zeit <strong>der</strong> Lochien wird in <strong>der</strong> <strong>TCM</strong> mit max. 21 Tagen<br />

festgelegt.<br />

Durch den erwähnten Blutverlust sowohl während als auch nach <strong>Geburt</strong> kommt es zu einer<br />

eindeutigen Verschiebung des Yin‐Yang‐Gleichgewichts zu Gunsten von Yang. Aufgrund dieses<br />

relativen Yang‐Überschusses kommt es häufig zu leichtem Fieber und Schwitzen in den ersten<br />

Tagen nach <strong>der</strong> Entbindung. „All diese Faktoren bedeuten, dass ein Mangel an Qi, Blut und Yin<br />

die Hauptpathologie bei Frauen im <strong>Wochenbett</strong> sind. Daher ist das Yang in einer relativen Fülle<br />

und es tauchen kombinierte Symptome von Leere und Fülle, wie zum Beispiel Schwäche,<br />

Schwindel, Kraftlosigkeit, Schlafstörungen, Nachtschweiß, nervöse Unruhe o<strong>der</strong> Übererregtheit<br />

auf.“ [28)<br />

Zusätzlich zu dieser substanziellen Einbuße muss sich die Zirkulation des Qi in sämtlichen<br />

Leitbahnen <strong>der</strong> körperlichen Verän<strong>der</strong>ungen anpassen. Am meisten davon ist das Zirkulieren in<br />

den außerordentlichen Leitbahnen Du Mai und Ren Mai betroffen, <strong>der</strong>en Kreislauf aufgrund <strong>der</strong><br />

immensen Öffnung des Körpers im <strong>Geburt</strong>sgeschehen unterbrochen wurde. Abgesehen von den<br />

oben erwähnten Leere‐Zuständen ist die Blut‐Stagnation <strong>der</strong> zweite große Problembereich im<br />

<strong>Wochenbett</strong>, da das Blut nach <strong>der</strong> <strong>Geburt</strong> oft nur ungenügend von dem „schwachen Qi“<br />

weiterbewegt werden kann. Ein unangenehmer Lochialstau o<strong>der</strong> verlängerter Wochenfluss kann<br />

die Folge davon sein.<br />

Blut‐Mangel o<strong>der</strong> Blut‐Stagnation kann aber auch psychische Auswirkungen nach <strong>der</strong> <strong>Geburt</strong> mit<br />

sich ziehen, wobei ein Blut‐Mangel zu Depressionen und eine Blut‐Stagnation zu Psychosen<br />

führen. Die Erschöpfung <strong>der</strong> Körperflüssigkeiten nach <strong>der</strong> Entbindung zeigt sich aber auch ganz<br />

klar in <strong>der</strong> Trockenheit des Magens und <strong>der</strong> dar<strong>aus</strong> resultierenden Obstipation.<br />

[28] Gunter Neeb: Gynäkologie und Frauenheilkunde<br />

2012 by Anita Schibl Seite 31


<strong>Schwangerschaft</strong>, <strong>Geburt</strong> & <strong>Wochenbett</strong> <strong>aus</strong> <strong>Sicht</strong> <strong>der</strong> <strong>TCM</strong><br />

Auch <strong>der</strong> Milchproduktion und dem Milchfluss kommt <strong>aus</strong> <strong>Sicht</strong> <strong>der</strong> <strong>TCM</strong> eine wichtige<br />

Bedeutung im <strong>Wochenbett</strong> zu. Die Muttermilch entsteht <strong>aus</strong> einer Transformation von Blut,<br />

wobei <strong>der</strong> Milchfluss wie<strong>der</strong> von Qi angetrieben wird. Für den freien Qi‐Fluss im Körper ist die<br />

Leber verantwortlich. Aus diesem Zusammenspiel erkennt man sofort die möglichen<br />

Komplikationen, die im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Milchproduktion im <strong>Wochenbett</strong> auftreten<br />

können.<br />

„Deshalb kann bei Qi‐ und Blut‐Mangel nicht genügend Milch produziert werden. Bei einer<br />

Leber‐Qi‐Stagnation hingegen wird <strong>der</strong> Milchfluss behin<strong>der</strong>t.“ [29]<br />

Abgesehen von Leere und Stase des Blutes ist die Empfänglichkeit für das Eindringen äußerer<br />

pathogener Faktoren eine weitere Folge <strong>der</strong> Anstrengungen <strong>der</strong> Entbindung. Die Blutgefäße und<br />

Leitbahnen werden aufgrund ihrer Leere nach dem Blutverlust leicht von Wind befallen, was so<br />

viel bedeutet dass, Frauen im <strong>Wochenbett</strong> empfindlich auf äußere pathogene<br />

Krankheitsfaktoren wie Wind und Kälte reagieren können und es daher leichter zu Erkältungen<br />

kommen kann. Da sind wir wie<strong>der</strong> bei den alten Chinesen, die ihre Wöchnerinnen warm<br />

einpacken und vor jedem Luftzug schützen.<br />

Die Empfehlung lautet also wirklich, dass die Wöchnerin zumindest für ein Monat nach <strong>der</strong><br />

<strong>Geburt</strong> reichlich Ruhe bekommt, was so viel wie eine Abwechslung von Aktivität und häufigen<br />

Phasen von Bettruhe bedeutet.<br />

[29] Gunter Neeb: Gynäkologie und Frauenheilkunde<br />

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<strong>Schwangerschaft</strong>, <strong>Geburt</strong> & <strong>Wochenbett</strong> <strong>aus</strong> <strong>Sicht</strong> <strong>der</strong> <strong>TCM</strong><br />

9. Ernährung im <strong>Wochenbett</strong><br />

Die Ernährung hilft <strong>der</strong> Wöchnerin die bei <strong>der</strong> <strong>Geburt</strong> verlorene Kraft wie<strong>der</strong>zuerlangen, was<br />

daher in <strong>der</strong> <strong>TCM</strong> als beson<strong>der</strong>s wichtig erachtet wird. Im Allgemeinen ist es das Ziel schnell und<br />

nachhaltig nachgeburtliches Qi und Nieren‐Jing aufzubauen und den mittleren Erwärmer zu<br />

stärken. Wie schon in <strong>der</strong> <strong>Schwangerschaft</strong> sollte die Ernährung thermisch und geschmacklich<br />

<strong>aus</strong>gewogen und nahrhaft sein, so wie gut verdauliche Speisen enthalten. Zum Auffüllen <strong>der</strong><br />

Blut‐ und Yin‐Leere nach <strong>der</strong> <strong>Geburt</strong> eignet sich am ehesten eine Kraftsuppe, die auch in unseren<br />

Breiten als Hühnersuppe nach <strong>der</strong> <strong>Geburt</strong> bekannt ist. Diese wirkt sich auch positiv auf die<br />

Qualität und Quantität <strong>der</strong> Muttermilch <strong>aus</strong>, da diese in engem physiologischem Zusammenhang<br />

mit Blut steht!<br />

Das Huhn ist thermisch warm. Als Suppe gekocht vertreibt es Kälte und löst Blut‐Stagnation. Es<br />

tonisiert Qi und Blut und wärmt den Mittleren Erwärmer. Die beson<strong>der</strong>e Wirkung <strong>der</strong><br />

Hühnersuppe besteht darin, dass sie das Jing <strong>der</strong> Nieren wie<strong>der</strong> auffüllt.<br />

Die Zutaten für eine Kraftsuppe bestehen <strong>aus</strong> saisonalem Gemüse und Küchenkräutern, sind also<br />

<strong>der</strong> Jahreszeit und ihren Früchten angepasst. Die Beson<strong>der</strong>heit des chinesischen Vorgehens liegt<br />

in <strong>der</strong> langen Kochzeit, welche mehrere Stunden bis zu ganzen Tagen umfasst. Das lange Kochen<br />

bewirkt ein Sammeln des Qi <strong>der</strong> Nahrungsmittel und lässt eine feine und äußerst wirksame<br />

Essenz entstehen. Diese wird nach dem Kochen portioniert und ohne ihr Fett und ihre festen<br />

Bestandteile über den Tag verteilt getrunken.<br />

Bei entsprechen<strong>der</strong> Planung besteht sogar die Möglichkeit, bereits mit dem Beginn <strong>der</strong> <strong>Geburt</strong><br />

eine Kraftsuppe anzusetzen. Die Suppe kann unter Umständen schon während <strong>der</strong> <strong>Geburt</strong> <strong>der</strong><br />

Frau und allen Begleiterinnen zu Kräften verhelfen.<br />

Ich habe selber im <strong>Wochenbett</strong> eine Hühnersuppen‐Kur gemacht, mit wun<strong>der</strong>barem Erfolg.<br />

Meine Hühnersuppe war noch zusätzlich mit folgenden Kräutern 4 Stunden gekocht; Kräuter: 6 g<br />

Shan Yao, 6 g Di Huang, 6 g Gou Qi Zi, 6 g Bai Shao und 6 g Dang Gui. Die Kräuter werden erst in<br />

<strong>der</strong> letzten Stunde hinzugefügt.<br />

Ich habe die Suppe vorgekocht, heiß in Gläser abgefüllt und bereits am Tag <strong>der</strong> <strong>Geburt</strong> mit <strong>der</strong><br />

Kur begonnen. Insgesamt habe ich 2 Wochen lang täglich 1‐2 Teller bzw. Tassen Suppe –<br />

abwechselnd nur Suppe, dann mit Fleisch und Gemüse ‐ getrunken bzw. gegessen. Mein Fazit<br />

war: Ich hatte we<strong>der</strong> den bekannten Baby Blues, noch Abgeschlagenheit o<strong>der</strong> Kältegefühl. Nach 8<br />

Wochen habe ich die Kur nochmals wie<strong>der</strong>holt.<br />

Und nach den besagten 90 Tagen nach <strong>der</strong> <strong>Geburt</strong>, wo sich Körper nochmals „hochstartet“,<br />

keinen Haar<strong>aus</strong>fall, keinen Zahn<strong>aus</strong>fall o<strong>der</strong> Abgeschlagenheit!<br />

„Für Vegetarierinnen gibt es keinen adäquaten Ersatz für die Hühnersuppe, zumindest nicht was<br />

die Schnelligkeit <strong>der</strong> Wirkung anbelangt. Mit Geduld müssen Qi und Blut aufgebaut werden.<br />

Da das gestillte Kind natürlich auch „mitisst“, sollte auf gute Verträglichkeit geachtet werden:<br />

Scharfe Gewürze, blähendes Gemüse und Rohkost gilt es zu meiden. Sehr saure Lebensmittel<br />

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<strong>Schwangerschaft</strong>, <strong>Geburt</strong> & <strong>Wochenbett</strong> <strong>aus</strong> <strong>Sicht</strong> <strong>der</strong> <strong>TCM</strong><br />

und Getränke wie Essig und Zitrusfrüchte können beim Baby einen wunden Popo verursachen,<br />

son<strong>der</strong>n auch durch ihre zusammenziehende Wirkung die Muttermilchmenge verringern. Ebenso<br />

wirken sich bitter‐<strong>aus</strong>trocknende Genussmittel wie Kaffee und Schwarztee negativ auf die<br />

Milchmenge <strong>aus</strong>.“ [30]<br />

Nicht för<strong>der</strong>lich für die Milchbildung ist Kälte, von außen und innen, denn Kälte führt zu<br />

Stagnationen. Gekochte und thermisch warme Nahrungsmittel för<strong>der</strong>n den Energiefluss und die<br />

Abwehr von innen und können so einer Brustentzündung, die oft durch äußere o<strong>der</strong> innere Kälte<br />

bedingt ist, vorbeugen.<br />

9.1. Rezepte zur För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Laktation – selbst probiert:<br />

<br />

<br />

Fenchel, Anis und Kümmel zu gleichen Teilen mischen. Einen TL <strong>der</strong> Mischung mörsern<br />

und mit ½ l Wasser 10‐15 Minuten köcheln und abseihen.<br />

Eine Handvoll Erdnüsse täglich zum Essen geben.<br />

3 Eßl. Maishaar und ein Stück Süßholzwurzel mit einem halben Liter Wasser ca. 30<br />

Minuten köcheln und abseihen.<br />

„Viele Wöchnerinnen verspüren eine ganz starke Lust auf Süßes, noch viel mehr als in <strong>der</strong><br />

<strong>Schwangerschaft</strong>, was ein deutlicher Hinweis auf das Energiedefizit während <strong>der</strong> Stillzeit ist. Der<br />

Geschmack nach Süßem wird dringend benötigt, weil er die Milchbildung anregt. Süße Aufläufe<br />

mit Hirse, Polenta und Obst o<strong>der</strong> Kompotte mit Honig, Pudding und leckere Kuchen mit<br />

Vollrohrzucker befriedigen das Bedürfnis nach Süßem und stärken den mittleren Erwärmer.“ [31]<br />

Da ein Qi‐Mangel <strong>der</strong> Milz <strong>der</strong> Mutter auf das Kind übertragen wird, eine Energieschwäche <strong>der</strong><br />

Milz und des Verdauungssystems als Hauptursachen für Allergien bei Kin<strong>der</strong>n <strong>aus</strong> <strong>Sicht</strong> <strong>der</strong> <strong>TCM</strong><br />

angesehen werden und wir alle wissen, dass Allergien bei Kin<strong>der</strong>n rapide zunehmen, sollten wir<br />

uns noch einmal mehr um eine entsprechende und <strong>aus</strong>gewogene Ernährung im <strong>Wochenbett</strong> und<br />

in <strong>der</strong> Stillzeit bemühen.<br />

[30] Barbara Temelie/Beatrice Trebuth: Die fünf Elemente Ernährung für Mutter und Kind<br />

[31] Barbara Temelie/Beatrice Trebuth: Die fünf Elemente Ernährung für Mutter und Kind<br />

2012 by Anita Schibl Seite 34


<strong>Schwangerschaft</strong>, <strong>Geburt</strong> & <strong>Wochenbett</strong> <strong>aus</strong> <strong>Sicht</strong> <strong>der</strong> <strong>TCM</strong><br />

10. Die Krisen im <strong>Wochenbett</strong><br />

Wie wir wissen, verläuft nicht jedes <strong>Wochenbett</strong> so harmonisch und glücklich ab, wie es oben<br />

beschrieben wurde. Das in unserer Gesellschaft oft auf ein Minimum reduzierte <strong>Wochenbett</strong><br />

bietet oftmals we<strong>der</strong> <strong>der</strong> Wöchnerin noch ihrer Familie genügend Raum zur Erholung und<br />

Orientierung auf all das Neue. So ist es auch nicht weiter verwun<strong>der</strong>lich, dass in dieser höchst<br />

sensiblen Zeit diverse Krisen und Probleme auftreten können, die ich in diesem Kapitel samt<br />

Therapie beschreiben werde.<br />

Bei den einzelnen Nahrungsmittelvorschlägen ist darauf zu achten, ob gestillt wird o<strong>der</strong> nicht, da<br />

ich teilweise auch blähende Lebensmittel angeführt habe!<br />

10.1. Starke Nachwehen<br />

„Wie bereits erwähnt, kann es bei Frauen im <strong>Wochenbett</strong> häufig zu Blut‐ o<strong>der</strong> Qi‐Mangel sowie<br />

zu Blut‐Stagnationen kommen, die jeweils postnatale Schmerzen im Unterleib mit sich ziehen.<br />

Blut‐ und Qi‐Mangel können Schmerzen vom Leere‐Typ verursachen, da <strong>der</strong> Uterus nicht<br />

<strong>aus</strong>reichend ernährt wird, was wie<strong>der</strong>um zu einer Gebärmutteratonie führen kann.<br />

Die Blut‐Stagnation zählt zu den Fülle‐Ursachen und behin<strong>der</strong>t den Blut‐ und Qi‐Fluss. Die<br />

Kontraktionen des Uterus sind gestört und folglich können starke o<strong>der</strong> lang dauernde<br />

Nachwehen auftreten. Mehrgebärende sind davon beson<strong>der</strong>s betroffen, da bei ihnen Qi und Blut<br />

noch mehr geschwächt sind. Auch äußere o<strong>der</strong> innere Kälte, verursacht durch Kälteexposition<br />

o<strong>der</strong> Einnahme kalter Nahrungsmittel, können ebenfalls eine Blut‐Stase und in weiterer Folge<br />

Bauchschmerzen verursachen.“ [32]<br />

Demnach gilt es zu differenzieren:<br />

10.1.1. Blut‐Mangel<br />

Symptome: Die Wöchnerin verspürt dumpfe postnatale Dauerschmerzen im Unterbauch, die<br />

sich auf Druck bessern, wobei die Bauchdecke aber weich ist. Die Farbe <strong>der</strong> Lochien zeigt sich als<br />

blass rötlich. Die Frau fühlt sich müde, schwach, schwindlig und ist obstipiert.<br />

Zunge: blass, dünner Belag<br />

Puls: fadenförmig, schwach<br />

Therapie: Blut nähren, Qi tonisieren und Schmerzen stillen; mit zum Beispiel: Kraftsuppen,<br />

Hühnersuppe mit Dang Gui – Angelica Sinensis, Reisbrei „9 Kostbarkeiten für das Blut“, Leber<br />

von Huhn, Ente o<strong>der</strong> Rind. [33]<br />

[32] Gunter Neeb: Gynäkologie und Frauenheilkunde<br />

[33] Gunter Neeb: Gynäkologie und Frauenheilkunde; Karola Schnei<strong>der</strong>: Kraftsuppen nach <strong>der</strong> chinesischen Heilkunde; Ulrike von Blarer<br />

Zalokar: Praxisbuch Nahrungsmittel und Chinesische Medizin<br />

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<strong>Schwangerschaft</strong>, <strong>Geburt</strong> & <strong>Wochenbett</strong> <strong>aus</strong> <strong>Sicht</strong> <strong>der</strong> <strong>TCM</strong><br />

10.1.2. Blut‐Stagnation<br />

Symptome: Die Wöchnerin verspürt krampfartige Unterbauchschmerzen, die sich auf Druck<br />

verschlimmern, und die Bauchdecke ist verhärtet. Es kommt zum Abgang von wenig dunklen<br />

Lochien. Weiters klagt die Frau über ein Spannungsgefühl im Brustkorb. Sie weist einen<br />

bläulichen Teint und kalte Extremitäten auf.<br />

Zunge: blauviolett mit weißem Belag<br />

Puls: tief und gespannt<br />

Therapie: bittere, scharfe, warme bis kühle Nahrungsmittel; wie zum Beispiel: Auberginen,<br />

Frühlingszwiebel, Lauch, Chinesischer Lauch, Kohl, Kohlrabi. [34]<br />

10.1.3. Kälteinvasion<br />

Symptome: Die Wöchnerin gibt einen Kälteschmerz im Unterbauch an, <strong>der</strong> sich auf Wärme<br />

bessert und auf Druck verschlechtert. Außerdem kommt es zum Abgang von wenig klumpigen<br />

Lochien. Die Frau hat eine Kälteaversion, kalte Extremitäten und einen bläulichen Teint.<br />

Zunge: bläulich<br />

Puls: tief, langsam<br />

Therapie: wärmen, Yang tonisieren; scharfe, warme Nahrungsmittel; wie zum Beispiel: mit<br />

Ingwer moxen, Hafer, Maroni, Mochireis, Sternanis, Fenchel, Nelken. [35]<br />

10.2. Lochienretention<br />

„Von persistierenden Lochien spricht man in <strong>der</strong> <strong>TCM</strong>, wenn <strong>der</strong> Lochienfluss länger als 21 Tage<br />

andauert und rot bleibt, statt in eine gelblich seröse Sekretion überzugehen. Man unterscheidet<br />

auch hier drei mögliche Ursachen: Qi‐Mangel, Blut‐Hitze o<strong>der</strong> Blut‐Stagnation.<br />

Geschwächtes Qi kann das Blut nicht halten und es kommt zu Blutungen, die blass sind. Dringt<br />

Hitze ein, so bewirkt es, dass das Blut <strong>aus</strong> den Blutgefäßen dringt und zu Blutungen führt.<br />

Flüssigkeitsverlust, Leber‐Qi‐Stagnation o<strong>der</strong> Invasion pathogener Hitze können hierfür die<br />

Ursachen sein. Stagnierendes Blut wie<strong>der</strong>um verlegt die Blutgefäße und den Uterus.<br />

Neugebildetes Blut kann dann nirgendwo hingehen, es sickert <strong>aus</strong> den Gefäßen, wodurch ein<br />

dunkler und klumpiger Wochenfluss entsteht.“ [36]<br />

[34] Gunter Neeb: Gynäkologie und Frauenheilkunde; Ute Engelhardt/Carl‐Hermann Hempen: Chinesische Diätetik<br />

[35] Gunter Neeb: Gynäkologie und Frauenheilkunde; Ulrike von Blarer Zalokar: Praxisbuch Nahrungsmittel und Chinesische Medizin<br />

[36] Gunter Neeb: Gynäkologie und Frauenheilkunde<br />

2012 by Anita Schibl Seite 36


<strong>Schwangerschaft</strong>, <strong>Geburt</strong> & <strong>Wochenbett</strong> <strong>aus</strong> <strong>Sicht</strong> <strong>der</strong> <strong>TCM</strong><br />

10.2.1. Qi‐Mangel<br />

Symptome: Die Frau zeigt einen persistierenden Lochienfluss. Die Lochien sind wässrig bis<br />

blassrot, stark, dünn und geruchlos. Zusätzlich verspürt sie ein ziehendes Gefühl nach unten im<br />

Uterus, Erschöpfung und Atemnot.<br />

Zunge: blass, dünner Belag<br />

Puls: schwach, langsam<br />

Therapie: Qi tonisieren, Blut kontrollieren und Chong und Ren regulieren; mit zum Beispiel:<br />

Kürbis, Pilze, Nüsse, Rindfleisch, Rundkornreis, chinesische Datteln, Ginseng, Kraftsuppen. [37]<br />

10.2.2. Blut‐Hitze<br />

Symptome: Die Wöchnerin weist persistierende, klebrig, dickflüssige, übel riechende Lochien<br />

auf. Sie verspürt Durst, ein Hitzegefühl, Unruhe und trockenen Mund und Hals. Ihr Gesicht ist<br />

gerötet.<br />

Zunge: rot mit gelben Belag<br />

Puls: schnell und dünn<br />

Therapie: Hitze beseitigen, das Blut kühlen, Blutungen stillen, das Yin nähren; mit zum Beispiel:<br />

Birne, Weizen, Melone, Tofu, Tomate. [38]<br />

10.2.3. Blut‐Stagnation<br />

Symptome: Bei <strong>der</strong> Frau zeigen sich persistierende, dunkle und spärliche Lochien. Sie fühlt<br />

Bauchschmerzen, die durch den Abgang von Klumpen besser werden und sich auf Druck<br />

verschlimmern.<br />

Zunge: blau‐violett mit lividen Punkten an <strong>der</strong> Seite<br />

Puls: saitenförmig<br />

Therapie: Blut beleben und bewegen, Stagnationen lösen und Blutungen stillen; bittere, scharfe,<br />

warme bis kühle Nahrungsmittel; wie zum Beispiel: Auberginen, Frühlingszwiebel, Lauch,<br />

Chinesischer Lauch, Kohl, Kohlrabi. [39]<br />

[37] Gunter Neeb: Gynäkologie und Frauenheilkunde; Ute Engelhardt/Carl‐Hermann Hempen: Chinesische Diätetik<br />

[38] Gunter Neeb: Gynäkologie und Frauenheilkunde<br />

[39] Gunter Neeb: Gynäkologie und Frauenheilkunde; Ute Engelhardt/Carl‐Hermann Hempen: Chinesische Diätetik<br />

2012 by Anita Schibl Seite 37


<strong>Schwangerschaft</strong>, <strong>Geburt</strong> & <strong>Wochenbett</strong> <strong>aus</strong> <strong>Sicht</strong> <strong>der</strong> <strong>TCM</strong><br />

10.3. Postnatale Miktionsstörung<br />

„Der durch die <strong>Geburt</strong> verursachte Qi‐Mangel bei <strong>der</strong> Wöchnerin kann Schwierigkeiten beim<br />

Harnlassen o<strong>der</strong> Harnverhalten nach sich ziehen, wenn nämlich das geschwächte Qi die<br />

Flüssigkeiten in <strong>der</strong> Blase nicht mehr umwandeln und <strong>aus</strong>scheiden kann und sich in <strong>der</strong> Blase<br />

ansammelt. Starke Anstrengung bei <strong>der</strong> Entbindung beansprucht auch die Niere. Bei Frauen mit<br />

vorbestehen<strong>der</strong> Nierenschwäche kann es dann bald zu einer Nieren‐Qi‐Schwäche kommen. Da<br />

die Niere die Blase mit Qi versorgt, um ihr bei <strong>der</strong> Qi‐Umwandlung zu helfen, kann es jetzt, wenn<br />

zu wenig Qi vorhanden ist, um die Flüssigkeiten umzuwandeln und <strong>aus</strong>zuscheiden, zu einer<br />

gestörten Miktion bis zu Harnverhalten kommen. Es muss folglich zwischen einem Qi‐Mangel<br />

und einer Nieren‐Schwäche unterschieden werden.“ [40]<br />

10.3.1. Qi‐Mangel<br />

Symptome: Die Wöchnerin zeigt ein Harnverhalten mit drückenden Schmerzen im Unterbauch<br />

so wie das Gefühl, nicht genügend Kraft zum Pressen zu haben. Sie ist blass, fühlt sich matt,<br />

schwach in den Extremitäten und hat keine Lust zu sprechen.<br />

Zunge: blass, Zahneindrücke, weißer Belag<br />

Puls: schwach<br />

Therapie: Qi <strong>der</strong> Mitte tonisieren und die Milz stärken; mit zum Beispiel: Kürbis, Pilze, Nüsse,<br />

Rindfleisch, Rundkornreis, chinesische Datteln, Ginseng, Kraftsuppen. [41]<br />

10.3.2. Nieren‐Schwäche<br />

Symptome: Die Frau hat ein Harnverhalten o<strong>der</strong> Restharnbildung mit einem drückenden Gefühl<br />

im Unterbauch. Sie verspürt Unruhe, ein Kältegefühl, Kreuzschmerzen, eine Lendenschwäche<br />

und eine Schwäche in den Knien.<br />

Zunge: blass mit feuchtem Belag<br />

Puls: tief, langsam, schwach<br />

Therapie: Nieren‐Qi stärken; mit zum Beispiel: Linsen, Walnüsse, Sesam, Amaranth, Quinoa,<br />

Maroni. [42]<br />

10.4. Obstipation<br />

„Obstipation nach <strong>der</strong> Entbindung einer Frau, die zuvor normalen Stuhlgang hatte, ist immer auf<br />

Blut‐Mangel und Trockenheit nach starkem Blutverlust während des <strong>Geburt</strong>svorganges<br />

zurückzuführen. Bei einer Erschöpfung von Blut und Flüssigkeiten wird <strong>der</strong> Dickdarm<br />

beeinträchtigt, <strong>der</strong> Mangel an Körperflüssigkeiten in diesem Organ erschwert das Durchgehen<br />

von Stuhl.“ [43]<br />

[40] Robin Marchment: Gynäkologie in <strong>der</strong> chinesischen Medizin<br />

[41] Robin Marchment: Gynäkologie in <strong>der</strong> chinesischen Medizin; Ute Engelhardt/Carl‐Hermann Hempen: Chinesische Diätetik<br />

[42] Robin Marchment: Gynäkologie in <strong>der</strong> chinesischen Medizin<br />

[43] Robin Marchment: Gynäkologie in <strong>der</strong> chinesischen Medizin<br />

2012 by Anita Schibl Seite 38


<strong>Schwangerschaft</strong>, <strong>Geburt</strong> & <strong>Wochenbett</strong> <strong>aus</strong> <strong>Sicht</strong> <strong>der</strong> <strong>TCM</strong><br />

10.4.1. Blut‐Mangel<br />

Symptome: Die Wöchnerin leidet unter Verstopfung o<strong>der</strong> hartem Stuhl. Sie ist blass, fühlt sich<br />

erschöpft, schwindlig und sieht unscharf.<br />

Zunge: blass mit dünnem Belag<br />

Puls: schwach o<strong>der</strong> rau<br />

Therapie: Blut nähren und bewegen, viel Suppe und Flüssigkeit, Obst und Gemüse gekocht;<br />

wie zum Beispiel: Hühnersuppe, Dang Gui – Angelica Sinensis, Reisbrei „9 Kostbarkeiten für das<br />

Blut“, Leber von Huhn, Ente o<strong>der</strong> Rind,<br />

10 g Datteln in 1 l Wasser kochen, mit Honig süßen, dann essen und trinken. [44]<br />

10.5. Laktationsstörungen<br />

„Die Muttermilch wird durch die Transformation von Blut produziert und das Blut entspringt <strong>aus</strong><br />

dem erworbenen Qi von Magen und Milz. Die Leber ist wie<strong>der</strong>um zuständig für den freien Qi‐<br />

Fluss im Körper. Reichlicher Blutverlust bei <strong>der</strong> Entbindung führt zu einem Blut‐Mangel und da<br />

das Blut die Quelle <strong>der</strong> Muttermilch ist, kann es zu einer unzureichenden Laktation kommen.<br />

Eine lange und schwierige <strong>Geburt</strong> führt auch zur Entleerung des Qi, es kann auch dann zu<br />

unzureichendem Milchfluss kommen, wenn nicht genügend Qi vorhanden ist, um die Milch <strong>aus</strong><br />

<strong>der</strong> Brust zu beför<strong>der</strong>n.<br />

Sorgen, Zorn, Frustration o<strong>der</strong> Groll verursachen Leber‐Qi‐Stagnationen. Die Leber beeinflusst<br />

die Brust und kontrolliert die Brustwarzen. Stagnierendes Qi verlegt die Verbindungs‐Leitbahnen<br />

<strong>der</strong> Mamma, so dass die Milch nicht fließen kann.“ [45]<br />

Laktation kann also klar nach Leere und Fülle eingeteilt werden. Fließt nicht genug Milch, weil<br />

ihre Quelle, das Blut, zu schwach ist, so handelt es sich um Leere. Ist aber genug Milch<br />

vorhanden, sie fließt aber aufgrund von Qi‐Stagnation in <strong>der</strong> Brust nicht so, wie sie sollte, dann<br />

liegt ein Fülle‐Muster vor.<br />

[44] Robin Marchment: Gynäkologie in <strong>der</strong> chinesischen Medizin; Ute Engelhardt/Carl‐Hermann Hempen: Chinesische Diätetik; Karola<br />

Schnei<strong>der</strong>: Kraftsuppen nach <strong>der</strong> chinesischen Heilkunde<br />

[45] Gunter Neeb: Gynäkologie und Frauenheilkunde<br />

2012 by Anita Schibl Seite 39


<strong>Schwangerschaft</strong>, <strong>Geburt</strong> & <strong>Wochenbett</strong> <strong>aus</strong> <strong>Sicht</strong> <strong>der</strong> <strong>TCM</strong><br />

10.5.1. Qi‐ und Blut‐Mangel<br />

Symptome: Die Wöchnerin hat wenig und wässrige Milch, auch kein Spannungsgefühl in <strong>der</strong><br />

Brust. Sie ist blass, hat weiche Brüste, eine trockene Haut, einen Appetitmangel und fühlt sich<br />

müde.<br />

Zunge: blass, ev. geschwollen, dünner Belag<br />

Puls: schwach<br />

Therapie: Qi und Blut tonisieren, Laktation för<strong>der</strong>n, Qi und Blut tonisierende Nahrungsmittel;<br />

wie zum Beispiel: Suppe <strong>aus</strong> 2 Schweinefüßen, Salz und 5 g Medulla Tetrapanacis (Tong cao =<br />

Reispapierbaum); Karpfensuppe mit Frühlingszwiebeln, Ingwer, Salz und 5 g Medulla<br />

Tetrapanacis; Erdnüsse. [46]<br />

10.5.2. Leber‐Qi‐Stagnation<br />

Symptome: Die Frau zeigt alle Symptome eines Milchst<strong>aus</strong>, hat ein Spannungsgefühl und<br />

Schmerzen in <strong>der</strong> Brust sowie im Brustkorb. Sie ist reizbar und depressiv.<br />

Zunge: normale Farbe, dünner gelblicher Belag<br />

Puls: saitenförmig<br />

Therapie: Leberfunktion regulieren, um Qi‐Fluss möglich zu machen, Milchsekretion för<strong>der</strong>n,<br />

bewegende Nahrungsmittel;<br />

wie zum Beispiel: Stangensellerie, Kohlrabi, Roggen, Zwetschge, Jasmintee, Orangenblütentee.<br />

[47]<br />

10.6. Mastitis<br />

„Wie bereits erwähnt, gehören die Brustwarzen zum Leber‐Meridian und die Brust zum Magen‐<br />

Meridian. Die Hauptursachen <strong>der</strong> Mastitis sind entwe<strong>der</strong> eine Leber‐Qi‐Stagnation o<strong>der</strong> eine<br />

Magenhitze.<br />

Zusätzlich können äußere Krankheitsfaktoren wie Hitze, zum Beispiel durch lokale Verletzungen<br />

o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Verzehr von viel zu nahrhaften Lebensmitteln im <strong>Wochenbett</strong>, in die Meridiane<br />

eindringen. Auch innere Krankheitsfaktoren wie Zorn o<strong>der</strong> Depressionen können eine Leber‐Qi‐<br />

Stagnation bewirken, wodurch die Milch nur noch eingeschränkt fließt und die Milchgänge<br />

verstopfen. Auch hier kann die Mastitis die Folge sein.“ [48]<br />

Man unterscheidet daher in:<br />

[46] Gunter Neeb: Gynäkologie und Frauenheilkunde; Ute Engelhardt/Carl‐Hermann Hempen: Chinesische Diätetik<br />

[47] Gunter Neeb: Gynäkologie und Frauenheilkunde; Florian Ploberger: Westliche und traditionell chinesische Heilkräuter<br />

[48] Gunter Neeb: Gynäkologie und Frauenheilkunde<br />

2012 by Anita Schibl Seite 40


<strong>Schwangerschaft</strong>, <strong>Geburt</strong> & <strong>Wochenbett</strong> <strong>aus</strong> <strong>Sicht</strong> <strong>der</strong> <strong>TCM</strong><br />

10.6.1. Qi‐Stagnation und Leber‐Hitze (in <strong>der</strong> Anfangsphase)<br />

Symptome: Die Wöchnerin hat lokale Verhärtungen und Rötungen an <strong>der</strong> Brust, starke<br />

Schmerzen und lokale Empfindlichkeit. Es kommt außerdem zu einer Behin<strong>der</strong>ung des<br />

Milchflusses, einem Völlegefühl im Bereich von Thorax und Rippenbögen, zu Fieber,<br />

Schüttelfrost und Unruhe.<br />

Zunge: rot mit gelben Belag<br />

Puls: schnell und saitenförmig<br />

Therapie: Leber‐Qi bewegen und Hitze <strong>aus</strong>leiten, bewegende und kühlende Nahrungsmittel;<br />

wie zum Beispiel: Lindenblütentee, Gerstenwasser, Melone, Weizen, Stangensellerie; [49]<br />

Äußerlich: Topfenwickel<br />

10.6.2. Magen‐Hitze (in <strong>der</strong> Vereiterungsphase)<br />

Symptome: Die Frau zeigt ähnliche Symptome wie in <strong>der</strong> Anfangsphase, aber zusätzlich kommt<br />

es zu Eiter im Krankheitsherd. Die Mitte des Krankheitsherdes wird weicher und <strong>der</strong> Schmerz<br />

pulsiert. Sie fühlt Unruhe, Durst, hat hohes Fieber, und ist obstipiert.<br />

Zunge: rot mit dickem gelbem Belag<br />

Puls: schnell, voll<br />

Therapie: Hitze <strong>aus</strong>leiten, Eiter beseitigen, viel Suppe und Flüssigkeit, Obst und Gemüse gekocht,<br />

bittere und kalte Nahrungsmittel; wie zum Beispiel: Gurke, Melone, Gerstenwasser. [50]<br />

10.7. Unfreiwillige Laktation<br />

„Darunter versteht man einen spontanen Milchfluss, <strong>der</strong> nicht in Zusammenhang mit dem<br />

Saugen des Kindes an <strong>der</strong> Brust steht. Die chinesische Bezeichnung dafür ist „lou ru“ –<br />

„träufelnde Brust“. Zwei verschiedenen Ursachen können differenziert werden: Zum einen kann<br />

<strong>der</strong> durch eine lange anstrengende <strong>Geburt</strong> verursachte Qi‐Mangel den spontanen Milchfluss<br />

verursachen, da dann das Qi die Flüssigkeiten nicht halten kann und die Muttermilch zu träufeln<br />

beginnt. Zum an<strong>der</strong>n können anhaltende emotionale Belastungen eine Leber‐Qi‐Stagnation und<br />

ein Leber‐Feuer hervorrufen. Da die Leber die Brustwarzen kontrolliert, „erhitzt“ das Leber‐<br />

Feuer die Milch, die dann <strong>aus</strong> <strong>der</strong> Brust hin<strong>aus</strong>drängt.“ [51]<br />

[49] Gunter Neeb: Gynäkologie und Frauenheilkunde; Florian Ploberger: Westliche und traditionell chinesische Heilkräuter<br />

[50] Gunter Neeb: Gynäkologie und Frauenheilkunde<br />

[51] Robin Marchment: Gynäkologie in <strong>der</strong> chinesischen Medizin<br />

2012 by Anita Schibl Seite 41


<strong>Schwangerschaft</strong>, <strong>Geburt</strong> & <strong>Wochenbett</strong> <strong>aus</strong> <strong>Sicht</strong> <strong>der</strong> <strong>TCM</strong><br />

10.7.1. Qi‐ und Blut‐Mangel<br />

Symptome: Die Wöchnerin hat eine unfreiwillige Milchsekretion, dünne wässrige Milch und<br />

weiche Brustwarzen. Sie ist blass, müde, kurzatmig und hat Appetitmangel.<br />

Zunge: blass, geschwollen, Zahneindrücke, dünner weißer Belag<br />

Puls: schwach<br />

Therapie: Qi tonisieren, um Laktation zu kontrollieren, Blut nähren; mit zum Beispiel:<br />

Kraftsuppen, Hühnersuppe mit Dang Gui – Angelica Sinensis, Karottencongee. [52]<br />

10.7.2. Leber‐Feuer<br />

Symptome: Die Wöchnerin hat eine spontane Milchsekretion, viel dicke Milch, ein ziehendes<br />

Gefühl sowie Druck im Oberbauch. Sie ist reizbar, hat Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Durst,<br />

einen bitteren Mundgeschmack und Obstipation. Eventuell kann auch erhöhte Temperatur<br />

auftreten.<br />

Zunge: rot, gelber Belag<br />

Puls: gespannt, schnell<br />

Therapie: Hitze <strong>aus</strong> Lebermeridian <strong>aus</strong>leiten, bittere und kühle Nahrungsmittel; wie zum<br />

Beispiel: Stangensellerie, Melone, Gerstenwasser, Pfefferminztee (Achtung reduziert<br />

Milchmenge) [53]<br />

10.8. <strong>Wochenbett</strong>depression – Babyblues<br />

„Die Ursachen für postnatale Depressionen erklären die Chinesen mit dem durch die<br />

Anstrengung und den Blutverlust bei <strong>der</strong> <strong>Geburt</strong> entstandenen Blut‐Mangel. Da das Herz den<br />

Geist beherbergt und das Blut beherrscht, wird das Herz‐Blut geschwächt, <strong>der</strong> Geist wird seiner<br />

Beh<strong>aus</strong>ung beraubt und wird deprimiert und ängstlich.<br />

Auch eine Blut‐Stase kann den Geist bedrängen und blockieren. Die Folgen sind Depressionen,<br />

ängstliche Erregung, Schlafstörungen und Erschöpfung. Zusätzlich fühlen sich die Mütter oft<br />

ihren neuen Aufgaben nicht gewachsen, weinen viel und leiden an Schlafmangel. Bei einer Frau,<br />

die bereits vorher zu einem Yin‐Mangel tendiert hat, kann bei längerem Bestehen <strong>der</strong> Blutverlust<br />

zu einer Yin‐Schwäche und Leere‐Hitze führen, was eine Verschärfung <strong>der</strong> Depression im<br />

schlimmsten Fall Richtung Psychose bedeuten kann.“ [54]<br />

Wir unterscheiden beim Babyblues aber zwei Ursachen:<br />

[52] Robin Marchment: Gynäkologie in <strong>der</strong> chinesischen Medizin; Karola Schnei<strong>der</strong>: Kraftsuppen nach <strong>der</strong> chinesischen Heilkunde<br />

[53] Robin Marchment: Gynäkologie in <strong>der</strong> chinesischen Medizin<br />

[54] Gunter Neeb: Gynäkologie und Frauenheilkunde<br />

2012 by Anita Schibl Seite 42


<strong>Schwangerschaft</strong>, <strong>Geburt</strong> & <strong>Wochenbett</strong> <strong>aus</strong> <strong>Sicht</strong> <strong>der</strong> <strong>TCM</strong><br />

10.8.1. Qi‐ und Blut‐Mangel<br />

Symptome: Die Frau leidet unter Depressionen, Interesselosigkeit, Erschöpfung, Schuldgefühle,<br />

Libido‐Verlust und Schlafstörungen. Sie ist blass und weinerlich.<br />

Zunge: blass<br />

Puls: leer und schwach<br />

Therapie: Blut nähren, Qi stärken; mit zum Beispiel: Kraftsuppen, Hühnersuppe mit Dang Gui –<br />

Angelica Sinensis, Reisbrei „9 Kostbarkeiten für das Blut“, Leber von Huhn, Ente o<strong>der</strong> Rind,<br />

Kürbis, Rundkornreis, Ginseng. [55]<br />

10.8.2. Leber‐Qi‐Stagnation<br />

Symptome: Die Frau hat Depressionen mit unterdrückter Wut‐ und einem Frustrationsgefühl. Sie<br />

zeigt eine Abwehrhaltung gegenüber dem Kind und verspürt ein Völlegefühl im Thorax und<br />

Oberbauch.<br />

Zunge: normal o<strong>der</strong> blau‐violett<br />

Puls: saitenförmig<br />

Therapie: Leber‐Qi bewegen; mit zum Beispiel: Kohlrabi, Roggen, Zwetschge, Stangensellerie,<br />

Orangenblütentee, Jasmintee. [56]<br />

[55] Gunter Neeb: Gynäkologie und Frauenheilkunde; Karola Schnei<strong>der</strong>: Kraftsuppen nach <strong>der</strong> chinesischen Heilkunde<br />

[56] Gunter Neeb: Gynäkologie und Frauenheilkunde; Florian Ploberger: Westliche und traditionell chinesische Heilkräuter<br />

2012 by Anita Schibl Seite 43


<strong>Schwangerschaft</strong>, <strong>Geburt</strong> & <strong>Wochenbett</strong> <strong>aus</strong> <strong>Sicht</strong> <strong>der</strong> <strong>TCM</strong><br />

11. Zusammenfassung<br />

Die <strong>TCM</strong> sieht das <strong>Wochenbett</strong> bedingt durch den prägnanten Blut‐ und Qi‐Verlust nach <strong>der</strong><br />

<strong>Geburt</strong> als ganz beson<strong>der</strong>e Zeit an, in <strong>der</strong> es den strapazierten Körper zu schützen gilt, damit<br />

nicht auch noch äußere Pathogene wie Wind und Kälte zusätzlichen Schaden anrichten können.<br />

Um präventiv die Frauen auf diese Zeit vorzubereiten, wird die dafür sensible Wasserphase im 8.<br />

und 9. Monat herangenommen, in <strong>der</strong> verstärkt auf die Notwendigkeit <strong>der</strong> Schonung und Ruhe<br />

nach <strong>der</strong> <strong>Geburt</strong>, sowie das Einbeziehen <strong>der</strong> Familie in die <strong>Wochenbett</strong>pflege hingewiesen<br />

werden sollte. Die <strong>TCM</strong> legt auch im <strong>Wochenbett</strong> ein Hauptaugenmerk auf die entsprechende<br />

und bewusste Ernährung um das verschobene Yin & Yang‐Gleichgewicht nach <strong>der</strong> Entbindung<br />

wie<strong>der</strong> herzustellen und um mögliche Krisen, bedingt durch den enormen Säfteverlust, erst gar<br />

nicht aufkommen zu lassen.<br />

Wie bereits erwähnt, gilt es schon in <strong>der</strong> <strong>Schwangerschaft</strong> das Bewusstsein für die Bedeutung<br />

<strong>der</strong> richtigen Ernährung zu schärfen und die Familie schon rechtzeitig darauf vorzubereiten.<br />

Der Kreislauf setzt sich fort und die Milchproduktion wird ebenfalls stark von <strong>der</strong> Ernährung <strong>der</strong><br />

Mutter beeinflusst und somit einen optimalen Start für den Säugling zu ermöglichen.<br />

Trotz allem kommt es auch in China zu den in den letzten Kapiteln genannten Krisen in dieser<br />

Zeit, die aber mit relativ einfachen Mitteln therapiert werden können. Akupunktur,<br />

Phytotherapie und Ernährung bilden auch hier die Hauptsäulen in <strong>der</strong> Therapie und können die<br />

bei uns gebräuchlichen Medikamente wie zum Beispiel Antibiotika sehr gut ersetzen. Auch wenn<br />

diese Therapieformen gute Erfolge erzielen, ist es trotzdem das große Ziel <strong>der</strong> chinesischen<br />

Medizin, vorbeugend sein Leben und seine Gewohnheiten auf diese beson<strong>der</strong>e Zeit ein‐ und<br />

umzustellen, damit solche Krisen erst gar keine Chance bekommen!<br />

Die chinesische Medizin hat mir während meiner <strong>Schwangerschaft</strong>en und <strong>der</strong> Zeit danach sehr<br />

geholfen, Erklärungen für die Verän<strong>der</strong>ungen an meinem Körper zu finden. Mir wurde in dieser<br />

Zeit beson<strong>der</strong>s bewusst, wie wichtig es ist, bei seiner Lebensweise und Ernährung<br />

konstitutionelle Schwächen zu berücksichtigen. Dadurch ist es möglich, Pathologien zu<br />

verhin<strong>der</strong>n und sein Wohlbefinden zu verbessern.<br />

Die <strong>Schwangerschaft</strong> ist ein guter Zeitpunkt, sich über solche Dinge Gedanken zu machen, da<br />

man in dieser Zeit nicht nur Verantwortung für seinen eigenen Körper hat, son<strong>der</strong>n auch für ein<br />

ungeborenes Leben. In dieser Zeit ist es beson<strong>der</strong>s wichtig, mit seinen Energieressourcen<br />

sorgsam umzugehen und seine Lebensweise den Umständen anzupassen. Die chinesische<br />

Medizin liefert hierzu viele hilfreiche Erkenntnisse.<br />

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<strong>Schwangerschaft</strong>, <strong>Geburt</strong> & <strong>Wochenbett</strong> <strong>aus</strong> <strong>Sicht</strong> <strong>der</strong> <strong>TCM</strong><br />

12. Literaturverzeichnis<br />

Udo Lorenzen / Andreas Noll: Die Wandlungsphasen <strong>der</strong> traditionellen chinesischen Medizin,<br />

Band 5, Wandlungsphase Wasser, Verlag Müller & Steinicke, München, 2002<br />

Giovanni Maciocia: Die Gynäkologie in <strong>der</strong> Praxis <strong>der</strong> chinesischen Medizin, Verlag für<br />

Ganzheitliche Medizin, 2000<br />

Barbara Temelie / Beatrice Trebuth: Die fünf Elemente Ernährung für Mutter und Kind, Joy<br />

Verlag, 2003<br />

Xiaolan Zhao / Kanae Kinoshita: Der Schein des Mondes auf dem Wasser. Traditionelle<br />

Chinesische Medizin für Frauen, 2006<br />

Mechthild Leutner: <strong>Geburt</strong>, Heirat und Tod in Peking, Dietrich Reimer Verlag, Berlin 1989<br />

Karola Schnei<strong>der</strong>: Kraftsuppen nach <strong>der</strong> chinesischen Heilkunde, Joy Verlag, Sulzberg 1999<br />

Ulrike von Blarer Zalokar / Eve Rüegg / Barbara Fendrich / Petra Kamb / Karin Haas: Praxisbuch<br />

Nahrungsmittel und Chinesische Medizin, Bacopa Verlag, Schiedlberg 2009<br />

Ute Engelhardt / Carl‐Hermann Hempen: Chinesische Diätetik, Urban & Fischer Verlag, München<br />

2006<br />

Robin Marchment: Gynäkologie in <strong>der</strong> chinesischen Medizin, Urban & Fischer Verlag, München<br />

2008<br />

Florian Ploberger: Westliche und traditionell chinesische Heilkräuter, Urban & Fischer Verlag,<br />

München 2006<br />

Gunter Neeb: Gynäkologie und Frauenheilkunde, Bacopa Verlag, Schiedlberg 2010<br />

Claudia Nichterl: Die 5‐Elemente‐Küche für Schwangere und Stillende, Avbuch Wien<br />

Claude Diolosa: CD über <strong>Schwangerschaft</strong> und Entbindung Nr. 32, Avicenna Institut, Plazac<br />

Internetquelle: Wikipedia<br />

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