rgb 099 - Die Schriftleitung
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ot-graue blätter<br />
internetschrift der<br />
pfadfinderschaft grauer reiter<br />
<strong>099</strong><br />
Erich Ludendorff war entsetzt. Er schrieb<br />
dem Reichspräsidenten einen Brief über<br />
Adolf Hitler. Beide Männer kannte Ludendorff<br />
sehr gut, er hatte im Ersten Weltkrieg<br />
zusammen mit Paul von Hindenburg<br />
das kaiserliche Heer geführt, 1923 hatte<br />
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ot-graue blätter<br />
heft nummer neunundneunzig
Inhalt<br />
Vorwort 5<br />
Vor 75 Jahren: der Beginn des NS-Staates 6<br />
<strong>Die</strong> Etappen zur Diktatur 10<br />
Hindenburg hatte Alternativen! 12<br />
<strong>Die</strong> Protagonisten 14
Vorwort<br />
Heute vor 75 Jahren wurde Adolf Hitler zum Reichskanzler des Deutschen<br />
Reiches ernannt – das war für das Land der Anfang vom Ende. <strong>Die</strong> Nummer<br />
<strong>099</strong> will an diesen schicksalsträchtigen Tag erinnern – der letztendlich auch<br />
das Ende der Bündischen Jugend bedeutete.<br />
Ich kann mich nur noch schwach erinnern – aber ich bin überzeugt, vor ein<br />
paar Jahren gelesen zu haben, wie kurz vor der Machtübernahme Hitlers ein<br />
ehemaliger Reichskanzler (v. Schleicher?) Plänen nachging, einen nationalen<br />
Ständestaat u. a. mit Hilfe der Bündischen Jugend zu errichten. Ich habe<br />
dann auch noch diverse Hefte und Bücher durchstöbert, bin aber leider nicht<br />
fündig geworden. Ich war dann der Meinung, dass in Golo Manns „Deutsche<br />
Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts“ gelesen zu haben; nach einer<br />
Stunde Suche in Manns Buch habe ich das dann aufgegeben. Vielleicht kann<br />
mir ja jemand weiterhelfen . . .<br />
– die <strong>Schriftleitung</strong> –
Vor 75 Jahren:<br />
der Beginn des<br />
NS-Staates<br />
Vor 75 Jahren wurde Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt / Sprung ins<br />
Dunkle / <strong>Die</strong> Konservativen wollten mit Hitlers Hilfe die Demokratie abschaffen<br />
– das Volk hatte nichts dagegen<br />
Erich Ludendorff war entsetzt. Er schrieb dem Reichspräsidenten einen Brief<br />
über Adolf Hitler. Beide Männer kannte Ludendorff sehr gut, er hatte im Ersten<br />
Weltkrieg zusammen mit Paul von Hindenburg das kaiserliche Heer geführt,<br />
1923 hatte er sich als exponierter Protagonist an Hitlers Putschversuch in<br />
München beteiligt. Nichts lag dem nationalistisch-reaktionären Ex-General<br />
ferner als die Verteidigung der Weimarer Demokratie. Dennoch schrieb er<br />
nach der Ernennung von Hitler zum Reichskanzler an Hindenburg: „Ich prophezeie<br />
Ihnen feierlich, dass dieser unselige Mann unser Reich in den<br />
Abgrund stürzen und unsere Nation in unfassbares Elend bringen wird.“<br />
Dabei war an diesem 30. Januar 1933 scheinbar gar nichts Spektakuläres<br />
geschehen. Um kurz nach 12 Uhr hatte der Führer der NSDAP dem ehemaligen<br />
Feldmarschall gelobt, seine Verpflichtungen ohne Rücksicht auf Parteiinteressen<br />
und zum Wohle des ganzen Volkes zu erfüllen. Adolf Hitler, 43, war<br />
neuer Reichskanzler einer krisengeschüttelten Republik, Chef eines Präsidialkabinetts<br />
ohne Mehrheit im Parlament, mit nur zwei Ministern aus seiner eigenen<br />
Partei, umgeben von nationalistisch-konservativen Berufspolitikern, die<br />
glaubten, ihn schnell in die Ecke drängen zu können, „bis er quietscht“.<br />
Und doch war dieser Tag anders, und das nicht nur weil die Nazis am<br />
Abend einen mehrstündigen Fackelmarsch von 25 000 uniformierten Hitleranhängern<br />
durch das Regierungsviertel inszenierten. Intellektuelle und kriti-<br />
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sche Geister ahnten, dass sich hier etwas Neues, Schreckliches anbahnte.<br />
Der Publizist Sebastian Haffner, damals 25 Jahre alt, notierte: „Einen Augenblick<br />
spürte ich fast körperlich den Blut- und Schmutzgeruch um diesen Mann<br />
Hitler, und ich empfand etwas wie die zugleich bedrohliche und ekelerregende<br />
Annäherung eines mörderischen Tieres – eine schmutzige scharfkrallige<br />
Pfote an meinem Gesicht.“ Der Historiker Norbert Frei spricht von einem „Tag<br />
von epochaler Bedeutung für Deutschland und Europa“.<br />
<strong>Die</strong> Nazis selbst sprachen von der „Machtergreifung“ und dem „Ursprung<br />
der nationalen Revolution“. Auch vom Märchen oder Wunder war immer<br />
wieder die Rede. Bis heute hält sich gelegentlich diese Vorstellung, der Prozess<br />
sei aus historischen Zufällen in Gang gekommen, anonyme Mächte hätten<br />
gleichsam den Dämon Hitler über die Deutschen gebracht. Doch die<br />
Wahrheit lautet anders: „Hitler war kein Zufall, aber er war auch keine<br />
Zwangsläufigkeit. Hitler war gewollt“, formuliert Norbert Frei.<br />
Da waren zunächst ein paar Männer, die im wahrsten Sinn des Wortes<br />
Geschichte machten (siehe ab S. 14). <strong>Die</strong> konservative Machtelite „engagierte“<br />
sich den Populisten Hitler in einem komplizierten Intrigenspiel – in einem<br />
Moment, als die NSDAP in einer tiefen Krise steckte, die Wirtschaft sich vom<br />
Börsencrash 1929 langsam erholte und die Arbeitslosigkeit ein wenig zu-<br />
In der Pose des Staatsmanns: Hitler hält am 1. Februar 1933 seine erste<br />
Rundfunkansprache als Kanzler: „<strong>Die</strong> Parteien des Marxismus“ hätten seit der<br />
Gründung der Republik 1919 Zeit gehabt, ihr Können zu beweisen. Das<br />
Ergebnis sei „ein Trümmerfeld“.<br />
7
Fahrt Richtung Führerstaat: Der Wagen mit Adolf Hitler verlässt die Reichskanzlei,<br />
in der Präsident Paul von Hindenburg residiert. Am 1. November bilanziert<br />
Hitler: „Ich bin nicht Reichskanzler geworden, um anders zu handeln,<br />
als ich vierzehn Jahre lang gepredigt habe.“<br />
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ückging. Doch diese Männer wollten ein autoritäres Regime etablieren – und<br />
damit waren sie sich mit der Masse der Deutschen einig, die der Demokratie<br />
mit Unbehagen oder gleichgültig gegenüberstand. Nur ein „starker Mann“,<br />
so die verbreitete These, könne das Trauma des verlorenen Krieges von<br />
1918, die harten Friedensbedingungen von Versailles, die Weltwirtschaftskrise,<br />
die Massenarbeitslosigkeit und die kollektiven Zukunftsängste in einer<br />
modernen Welt überwinden. Am 30. Januar reagierten die meisten noch<br />
zurückhaltend auf Hitler, doch im Grunde wusste jeder: Weimar ist zu Ende.<br />
In der Öffentlichkeit trat der neue Reichskanzler zunächst moderat auf, doch<br />
schon am 3. Februar gab er im Kreise der Reichswehrführung seine taktische<br />
Zurückhaltung auf. Als Ziele seiner Regierung nannte er laut Protokoll die<br />
„völlige Umkehrung der gegenwärtigen politischen Zustände“, „die Beseitigung<br />
des Krebsschadens der Demokratie“, die „Ausrottung des Marxismus<br />
mit Stumpf und Stil“, sowie außenpolitisch die „Eroberung neuen Lebensraums<br />
im Osten u. dessen rücksichtslose Germanisierung“.<br />
Ohne nennenswerten Widerstand errichteten die Nazis innerhalb weniger<br />
Monate einen Führerstaat. Und nur allzu bereitwillig und schnell passte sich<br />
die große Mehrheit der Bürger dem NS-Ideal von der „Volksgemeinschaft“<br />
an. Zwölf Jahre später war aus der „nationalen Revolution“ eine deutsche<br />
Katastrophe, aus Europa ein Trümmerfeld und aus dem Dritten Reich ein Zivilisationsbruch<br />
ohne Beispiel geworden.<br />
„Das ist die Krönung unserer Arbeit“: So spricht Joseph Goebbels am 30.<br />
Januar im Rundfunk über den Fackelzug Tausender SA-Leute durch Berlin.<br />
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<strong>Die</strong> Etappen zur Diktatur<br />
30. Januar 1933:<br />
Reichspräsident Paul von Hindenburg ernennt Adolf Hitler zum<br />
Reichskanzler.<br />
1. Februar:<br />
Auf Wunsch Hitlers löst Hindenburg den Reichstag auf.<br />
4. Februar:<br />
Notverordnung „Zum Schutz des deutschen Volkes“. <strong>Die</strong> Presse- und<br />
Versammlungsfreiheit wird eingeschränkt.<br />
17. Februar:<br />
„Schießerlass“ in Preußen, der Waffengebrauch gegen<br />
„Staatsfeinde“ bleibt straffrei.<br />
27./28. Februar:<br />
Der Reichstag wird in Brand gesetzt. Einen Tag später setzt die Notverordnung<br />
„Zum Schutz von Volk und Staat“ die politischen Grundrechte<br />
außer Kraft. Im Reich herrscht künftig permanenter Ausnahmezustand.<br />
<strong>Die</strong> KPD sowie die SPD-Presse werden verboten.<br />
5. März:<br />
Bei der Reichstagswahl, bei der KPD und SPD vom NS-Terror behindert<br />
werden, wird die NSDAP mit 43,9 Prozent stärkste Partei, verfehlt<br />
aber die absolute Mehrheit.<br />
21./22. März:<br />
In Oranienburg und Dachau werden die ersten Konzentrationslager<br />
errichtet.<br />
21. März:<br />
„Tag von Potsdam“, der neue Reichstag wird mit einem Staatsakt<br />
eröffnet.<br />
23. März:<br />
Der Reichstag verabschiedet das „Ermächtigungsgesetz“. Nur die<br />
SPD-Fraktion stimmt dagegen. <strong>Die</strong> Regierung kann allein Gesetze<br />
10
erlassen, de facto wird die parlamentarische Demokratie<br />
abgeschafft.<br />
1. April:<br />
Reichsweit werden jüdische Geschäfte boykottiert.<br />
7. April:<br />
<strong>Die</strong> deutschen Länder verlieren mit der Einsetzung von Reichsstatthaltern<br />
ihre Eigenständigkeit. Ein weitgehendes Berufsverbot für<br />
jüdische und regimekritische Beamte wird verhängt.<br />
1. Mai:<br />
Erstmals wird der „Tag der nationalen Arbeit“ begangen.<br />
Einen Tag später werden die Gewerkschaften praktisch verboten.<br />
10. Mai:<br />
<strong>Die</strong> Machthaber lassen öffentlich Bücher vor allem linker und<br />
jüdischer Autoren verbrennen.<br />
22. Juni:<br />
<strong>Die</strong> SPD wird verboten.<br />
14. Juli:<br />
Das „Gesetz gegen die Neubildung von Parteien“ macht<br />
Deutschland zum Einparteienstaat.<br />
14. Oktober:<br />
Deutschland tritt aus dem Völkerbund aus.<br />
30. Juni 1934:<br />
Unter dem Vorwand des „Röhm-Putschs“ lässt Hitler zahlreiche hohe<br />
SA-Führer, unter ihnen auch seinen Freund Ernst Röhm, und andere<br />
dem NS-Regime missliebige Personen ermorden.<br />
2. August:<br />
Nach dem Tod Hindenburgs übernimmt Hitler auch das Amt des<br />
Reichspräsidenten.<br />
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Hindenburg hatte<br />
Alternativen!<br />
Heinrich August Winkler zur Machtübertragung<br />
Heinrich August Winkler, 69, war von 1991 bis 2007 Ordentlicher Professor<br />
für Neuere und Neueste Geschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin.<br />
SZ: Warum kam es nach der Wahlniederlage der NSDAP vom 6. November<br />
1932 doch noch zu Hitlers Berufung zum Reichskanzler?<br />
Winkler: Bei diesen Wahlen verloren die Nationalsozialisten zwei Millionen<br />
Stimmen, während die Kommunisten 600 000 Stimmen hinzugewannen. <strong>Die</strong>se<br />
Kombination führte dazu, dass in Deutschland die Angst vor dem Bürgerkrieg<br />
um sich griff. <strong>Die</strong>se Angst wurde zu Hitlers mächtigster Verbündeten.<br />
<strong>Die</strong> Rhetorik der Kommunisten ging in Richtung einer roten Revolution.<br />
SZ: Hätte die NS-Diktatur vermieden werden können, wenn man Hitler noch<br />
ein wenig länger die Macht vorenthalten hätte? Wirtschaftlich war die größte<br />
Krise ja schon überwunden.<br />
Winkler: Der entscheidende Wendepunkt der Staatskrise scheint mir der Mai<br />
1932 zu sein. Nach seiner Wiederwahl zum Reichspräsidenten löste Hindenburg<br />
den im September 1930 gewählten Reichstag auf. Wäre der Reichstag<br />
von 1930 nicht 1932 aufgelöst worden, wäre die nächste Wahl erst<br />
1934 gewesen – und für dieses Jahr konnte man in der Tat mit einer konjunkturellen<br />
Erholung und rückläufigen Arbeitslosenzahlen rechnen. <strong>Die</strong>s wiederum<br />
hätte den Trend zu den extremen Parteien NSDAP rechts und KPD links<br />
abgeschwächt.<br />
12
SZ: Führte im Januar 1933 wirklich kein Weg mehr an Hitler vorbei?<br />
Winkler: Auch im Januar 1933 hätte Hindenburg Hitler noch von der Macht<br />
fernhalten können. Er hätte Reichskanzler von Schleicher – selbst im Falle<br />
eines destruktiven Misstrauensvotums - geschäftsführend im Amt belassen können<br />
oder einen nicht polarisierenden Reichskanzler als Schleichers Nachfolger<br />
ernennen können.<br />
SZ: Wenn Hitler nicht auf legalem Weg an die Macht gekommen wäre, hätte<br />
er dann nach 1923 abermals geputscht?<br />
Winkler: Er hätte es vielleicht versucht, wäre aber damit sicher gescheitert.<br />
Einen Putsch hätte die Reichswehr zum Anlass für die Errichtung einer Militärdiktatur<br />
genommen. Für Hitler war die Wahrung des Scheins der Legalität die<br />
entscheidende Voraussetzung seiner Planung, an die Macht zu kommen.<br />
SZ: Gab es denn Anzeichen, dass Hitler eine Diktatur errichten würde?<br />
Winkler: <strong>Die</strong>se Entwicklung hat niemand vorausgeahnt. <strong>Die</strong> Geschichte Hitlers<br />
ist die Geschichte seiner Unterschätzung durch seine zeitweiligen Verbündeten<br />
wie durch seine Gegner.<br />
Jubel in der Nazi-Presse: „Ein historischer Tag.<br />
13
Paul von Hindenburg – Reichspräsident<br />
Paul von Beneckendorff und von Hindenburg, 85, lebt vor allem von seinem<br />
Ruf als Kriegsheld. Der preußische Adelige wird im Ersten Weltkrieg als „Sieger<br />
von Tannenberg“ bekannt und übernimmt 1916 die Oberste Heeresleitung;<br />
die Niederlage schiebt er den demokratischen Parteien zu („Dolchstoßlegende“).<br />
1925 wird Hindenburg auf Initiative konservativer Kreise zum<br />
Reichspräsidenten gewählt. Von 1930 an ernennt er mehrere Kanzler ohne<br />
parlamentarische Mehrheit, lässt sie per Notverordnung regieren und trägt so<br />
entscheidend zur Schwächung der Demokratie bei. Zuletzt beruft der Greis<br />
auch den „böhmischen Gefreiten“ Hitler zum Reichskanzler. Hindenburg<br />
stirbt am 2. August 1934, Hitler übernimmt umgehend auch das Amt des<br />
Staatsoberhaupts.<br />
Paul von Beneckendorff<br />
und von Hindenburg<br />
14
Otto Meissner – Chef des Präsidialamts<br />
Otto Meissner, 52, ist wohl der am längsten amtierende Spitzenbeamte der<br />
deutschen Geschichte. Er dient den Reichspräsidenten Ebert und Hindenburg<br />
sowie später Hitler. Meissner ist einer der entscheidenden Strippenzieher im<br />
Reichspräsidentenpalais und Einflüsterer des greisen Hindenburg. Der Staatssekretär<br />
wird wie Franz von Papen, Alfred Hugenberg und Kurt von Schleicher<br />
einer Clique („Kamarilla“) um den Reichspräsidenten zugerechnet, die<br />
die Weimarer Demokratie untergräbt, die Präsidialkabinette initiiert und Hitler<br />
Zugang zu Hindenburg verschafft. In einem der Nürnberger Nachfolgeprozesse<br />
(„Wilhelmstraßenprozess“) wird Meissner von der Mitverantwortung für<br />
die NS-Verbrechen freigesprochen. Er stirbt am 27. Mai 1953 in München.<br />
Otto Meissner<br />
15
Franz von Papen Hitlers – Vizekanzler<br />
Franz von Papen, 53, arbeitet zunächst als Diplomat, nach dem Ende des<br />
Kaiserreichs engagiert er sich in konservativ-monarchistischen Herrenklubs.<br />
Am 1. Juni 1932 bildet Papen als Kanzler ein „Kabinett der nationalen Konzentration“<br />
mit konservativen Beamten als Minister. Außer der DNVP unterstützt<br />
keine Partei seinen Kurs, der Reichstag wird zweimal aufgelöst. Nachfolger<br />
Papens wird Kurt von Schleicher. Papen betreibt Schleichers Sturz und<br />
verhandelt mit der NSDAP. Er tritt als Vizekanzler ins Kabinett Hitler ein – um<br />
ihn zu kontrollieren. Nach dem „Röhm-Putsch“ tritt Papen aus der Regierung<br />
aus, später arbeitet er als deutscher Botschafter in Ankara. Im Nürnberger<br />
Kriegsverbrecherprozess wird er freigesprochen. Er stirbt am 2. Mai 1969 in<br />
Obersasbach.<br />
Franz von Papen<br />
16
Alfred Hugenberg – Politiker und Verleger<br />
Alfred Hugenberg, 67, gilt als einer der entscheidenden Wegbereiter des<br />
NS-Staates. Der Unternehmer, der einst den nationalistisch-antisemitischen Alldeutschen<br />
Verband mitgegründet hatte, agitiert vor allem mit seinem riesigen<br />
Medienkonglomerat gegen die Republik. Verlag, Nachrichtendienste, Werbeagenturen,<br />
Korrespondenzdienste und Filmgesellschaften trommeln während<br />
der Weltwirtschaftskrise für die Errichtung eines autoritären Regimes. Im<br />
Kabinett Hitler ist Hugenberg Minister für Wirtschaft, Landwirtschaft und<br />
Ernährung. Seine DNVP stützt als einzige Partei offen die NSDAP. Im Juni<br />
1933 tritt Hugenberg von allen Ämtern zurück, der Staat drängt ihn zum Verkauf<br />
des Konzerns. Er stirbt am 12. März 1951 in Kükenbruch.<br />
Alfred Hugenberg<br />
17
Kurt von Schleicher – Reichskanzler vor Hitler<br />
Kurt von Schleicher, 50, ein Karriereoffizier des Ersten Weltkriegs, arbeitet<br />
seit 1926 als Chef der neugeschaffenen Wehrmachtsabteilung im Reichswehrministerium,<br />
mit der parlamentarischen Regierungsform kann er sich leidlich<br />
arrangieren. Ihm schwebt die Idee vor, die Nazis durch die Einbindung<br />
der SA in eine überparteiliche Wehrorganisation zu „zähmen“. Am 2.<br />
Dezember 1932 beruft Hindenburg den Reichswehrminister Schleicher zum<br />
Kanzler eines Präsidialkabinetts, wo er ein Bündnis von rechten Gewerkschaftern<br />
und linken Nationalsozialisten schmieden will. Als dies misslingt,<br />
tritt er am 28. Januar 1933 zurück, der Weg für Hitler ist somit frei. Schleicher<br />
wird am 30. Juni 1934 im Zuge des angeblichen Röhm-Putsches von der<br />
SS erschossen.<br />
Kurt von Schleicher<br />
18
Heinrich Aloysius Maria Elisabeth Brüning – Reichskanzler<br />
(* 26. November 1885 in Münster; † 30. März 1970 in Norwich, Vermont,<br />
USA) war ein deutscher Politiker der Zentrumspartei und in der Spätphase<br />
der Weimarer Republik von 1930 bis 1932 Reichskanzler des Deutschen<br />
Reichs. Brüning erkannte zunächst nicht die Gefahr, die Deutschland durch<br />
den Nationalsozialismus erwuchs, er wollte die NSDAP zur politischen Verantwortung<br />
zwingen und dadurch zähmen. So hatte er zu dieser Zeit nichts<br />
gegen eine Koalition zwischen Zentrum und NSDAP. Doch Hitler wollte nur<br />
als Reichskanzler ein Präsidialkabinett führen. Als die Zentrumspartei aber<br />
nach Hitlers Ernennung zum Reichskanzler dessen nachträgliches Koalitionsangebot<br />
ablehnte, befürwortete Brüning die Entscheidung seiner Partei. Auch<br />
gegenüber dem Ermächtigungsgesetz war Brünings Haltung schwankend:<br />
Nach anfänglich klarer Ablehnung machte Hitler ihm und dem Fraktionsvorsitzenden<br />
Ludwig Kaas beruhigende Versprechungen, wenn er sich auch<br />
geschickt darum drückte, sie in schriftlicher Form zu geben. Brüning und die<br />
gesamte Zentrumspartei stimmte daher am 23. März zu. Nach den Angaben<br />
von Elfriede Kaiser-Nebgen und Theodor Heuss waren die Mitteilungen von<br />
Brüning über die nicht näher beschriebenen Versprechungen Hitlers der<br />
Grund dafür, dass auch die DDP geschlossen dem Ermächtigungsgesetz<br />
zustimmte. Am 5. Mai 1933 wurde er vorerst letzter Vorsitzende der Zentrumspartei.<br />
Am 5. Juli 1933 löste er seine Partei auf, um einem Verbot durch<br />
die Nationalsozialisten zuvorzukommen.<br />
Heinrich Brüning<br />
19
IMPRESSUM<br />
rot-graue bläter<br />
Heft Nr. <strong>099</strong><br />
Ausgabe im Januar 2008<br />
Ausgabe nur als PDF für das Internet<br />
SCHRIFTLEITUNG UND BEZUG<br />
Quelle: Süddeutsche Zeitung; Adressen für Zuschriften an die <strong>Schriftleitung</strong>: Stephan Maria Sommer, Kreuzstraße 12, 85049 Ingolstadt;<br />
E-Mail: schriftleitung@gmx.de, www.schriftleitung.org.<br />
HERSTELLUNG<br />
Schriften gesetzt in 7-Punkt Futura (Impressum) sowie 12.5/15.5-Punkt Futura Book. Überschriften und Pagina gesetzt in 56-Punkt, Futura<br />
Book. Nicht berücksichtigt: Titelblatt. Heftumfang 21 Seiten inkl. Schmutztitel und zwei Seiten Umschlag.<br />
URHEBERRECHT<br />
<strong>Die</strong> Urheberrechte liegen bei den Autoren. Nachdruck, auch auszugsweise, ist grundsätzlich nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Urhebers<br />
zulässig. <strong>Die</strong>sbezügliche Anfragen sind an die <strong>Schriftleitung</strong> zu richten, die gern vermittelt. Ein Anspruch auf Erteilung einer Abdruckgenehmigung,<br />
auch Auszugsweise, besteht nicht. Ob Verstöße gegen das Urheberrecht gerichtlich verfolgt werden sollen, liegt im<br />
Ermessen der Urheber.<br />
Das vorliegende Heft ist kein Druckerzeugnis im Sinne des Pressegesetzes.<br />
Es wurde als Typoskript für den internen Gebrauch hergestellt.