26.06.2014 Aufrufe

rgb 099 - Die Schriftleitung

rgb 099 - Die Schriftleitung

rgb 099 - Die Schriftleitung

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

ot-graue blätter<br />

internetschrift der<br />

pfadfinderschaft grauer reiter<br />

<strong>099</strong><br />

Erich Ludendorff war entsetzt. Er schrieb<br />

dem Reichspräsidenten einen Brief über<br />

Adolf Hitler. Beide Männer kannte Ludendorff<br />

sehr gut, er hatte im Ersten Weltkrieg<br />

zusammen mit Paul von Hindenburg<br />

das kaiserliche Heer geführt, 1923 hatte<br />

1


ot-graue blätter<br />

heft nummer neunundneunzig


Inhalt<br />

Vorwort 5<br />

Vor 75 Jahren: der Beginn des NS-Staates 6<br />

<strong>Die</strong> Etappen zur Diktatur 10<br />

Hindenburg hatte Alternativen! 12<br />

<strong>Die</strong> Protagonisten 14


Vorwort<br />

Heute vor 75 Jahren wurde Adolf Hitler zum Reichskanzler des Deutschen<br />

Reiches ernannt – das war für das Land der Anfang vom Ende. <strong>Die</strong> Nummer<br />

<strong>099</strong> will an diesen schicksalsträchtigen Tag erinnern – der letztendlich auch<br />

das Ende der Bündischen Jugend bedeutete.<br />

Ich kann mich nur noch schwach erinnern – aber ich bin überzeugt, vor ein<br />

paar Jahren gelesen zu haben, wie kurz vor der Machtübernahme Hitlers ein<br />

ehemaliger Reichskanzler (v. Schleicher?) Plänen nachging, einen nationalen<br />

Ständestaat u. a. mit Hilfe der Bündischen Jugend zu errichten. Ich habe<br />

dann auch noch diverse Hefte und Bücher durchstöbert, bin aber leider nicht<br />

fündig geworden. Ich war dann der Meinung, dass in Golo Manns „Deutsche<br />

Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts“ gelesen zu haben; nach einer<br />

Stunde Suche in Manns Buch habe ich das dann aufgegeben. Vielleicht kann<br />

mir ja jemand weiterhelfen . . .<br />

– die <strong>Schriftleitung</strong> –


Vor 75 Jahren:<br />

der Beginn des<br />

NS-Staates<br />

Vor 75 Jahren wurde Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt / Sprung ins<br />

Dunkle / <strong>Die</strong> Konservativen wollten mit Hitlers Hilfe die Demokratie abschaffen<br />

– das Volk hatte nichts dagegen<br />

Erich Ludendorff war entsetzt. Er schrieb dem Reichspräsidenten einen Brief<br />

über Adolf Hitler. Beide Männer kannte Ludendorff sehr gut, er hatte im Ersten<br />

Weltkrieg zusammen mit Paul von Hindenburg das kaiserliche Heer geführt,<br />

1923 hatte er sich als exponierter Protagonist an Hitlers Putschversuch in<br />

München beteiligt. Nichts lag dem nationalistisch-reaktionären Ex-General<br />

ferner als die Verteidigung der Weimarer Demokratie. Dennoch schrieb er<br />

nach der Ernennung von Hitler zum Reichskanzler an Hindenburg: „Ich prophezeie<br />

Ihnen feierlich, dass dieser unselige Mann unser Reich in den<br />

Abgrund stürzen und unsere Nation in unfassbares Elend bringen wird.“<br />

Dabei war an diesem 30. Januar 1933 scheinbar gar nichts Spektakuläres<br />

geschehen. Um kurz nach 12 Uhr hatte der Führer der NSDAP dem ehemaligen<br />

Feldmarschall gelobt, seine Verpflichtungen ohne Rücksicht auf Parteiinteressen<br />

und zum Wohle des ganzen Volkes zu erfüllen. Adolf Hitler, 43, war<br />

neuer Reichskanzler einer krisengeschüttelten Republik, Chef eines Präsidialkabinetts<br />

ohne Mehrheit im Parlament, mit nur zwei Ministern aus seiner eigenen<br />

Partei, umgeben von nationalistisch-konservativen Berufspolitikern, die<br />

glaubten, ihn schnell in die Ecke drängen zu können, „bis er quietscht“.<br />

Und doch war dieser Tag anders, und das nicht nur weil die Nazis am<br />

Abend einen mehrstündigen Fackelmarsch von 25 000 uniformierten Hitleranhängern<br />

durch das Regierungsviertel inszenierten. Intellektuelle und kriti-<br />

6


sche Geister ahnten, dass sich hier etwas Neues, Schreckliches anbahnte.<br />

Der Publizist Sebastian Haffner, damals 25 Jahre alt, notierte: „Einen Augenblick<br />

spürte ich fast körperlich den Blut- und Schmutzgeruch um diesen Mann<br />

Hitler, und ich empfand etwas wie die zugleich bedrohliche und ekelerregende<br />

Annäherung eines mörderischen Tieres – eine schmutzige scharfkrallige<br />

Pfote an meinem Gesicht.“ Der Historiker Norbert Frei spricht von einem „Tag<br />

von epochaler Bedeutung für Deutschland und Europa“.<br />

<strong>Die</strong> Nazis selbst sprachen von der „Machtergreifung“ und dem „Ursprung<br />

der nationalen Revolution“. Auch vom Märchen oder Wunder war immer<br />

wieder die Rede. Bis heute hält sich gelegentlich diese Vorstellung, der Prozess<br />

sei aus historischen Zufällen in Gang gekommen, anonyme Mächte hätten<br />

gleichsam den Dämon Hitler über die Deutschen gebracht. Doch die<br />

Wahrheit lautet anders: „Hitler war kein Zufall, aber er war auch keine<br />

Zwangsläufigkeit. Hitler war gewollt“, formuliert Norbert Frei.<br />

Da waren zunächst ein paar Männer, die im wahrsten Sinn des Wortes<br />

Geschichte machten (siehe ab S. 14). <strong>Die</strong> konservative Machtelite „engagierte“<br />

sich den Populisten Hitler in einem komplizierten Intrigenspiel – in einem<br />

Moment, als die NSDAP in einer tiefen Krise steckte, die Wirtschaft sich vom<br />

Börsencrash 1929 langsam erholte und die Arbeitslosigkeit ein wenig zu-<br />

In der Pose des Staatsmanns: Hitler hält am 1. Februar 1933 seine erste<br />

Rundfunkansprache als Kanzler: „<strong>Die</strong> Parteien des Marxismus“ hätten seit der<br />

Gründung der Republik 1919 Zeit gehabt, ihr Können zu beweisen. Das<br />

Ergebnis sei „ein Trümmerfeld“.<br />

7


Fahrt Richtung Führerstaat: Der Wagen mit Adolf Hitler verlässt die Reichskanzlei,<br />

in der Präsident Paul von Hindenburg residiert. Am 1. November bilanziert<br />

Hitler: „Ich bin nicht Reichskanzler geworden, um anders zu handeln,<br />

als ich vierzehn Jahre lang gepredigt habe.“<br />

8


ückging. Doch diese Männer wollten ein autoritäres Regime etablieren – und<br />

damit waren sie sich mit der Masse der Deutschen einig, die der Demokratie<br />

mit Unbehagen oder gleichgültig gegenüberstand. Nur ein „starker Mann“,<br />

so die verbreitete These, könne das Trauma des verlorenen Krieges von<br />

1918, die harten Friedensbedingungen von Versailles, die Weltwirtschaftskrise,<br />

die Massenarbeitslosigkeit und die kollektiven Zukunftsängste in einer<br />

modernen Welt überwinden. Am 30. Januar reagierten die meisten noch<br />

zurückhaltend auf Hitler, doch im Grunde wusste jeder: Weimar ist zu Ende.<br />

In der Öffentlichkeit trat der neue Reichskanzler zunächst moderat auf, doch<br />

schon am 3. Februar gab er im Kreise der Reichswehrführung seine taktische<br />

Zurückhaltung auf. Als Ziele seiner Regierung nannte er laut Protokoll die<br />

„völlige Umkehrung der gegenwärtigen politischen Zustände“, „die Beseitigung<br />

des Krebsschadens der Demokratie“, die „Ausrottung des Marxismus<br />

mit Stumpf und Stil“, sowie außenpolitisch die „Eroberung neuen Lebensraums<br />

im Osten u. dessen rücksichtslose Germanisierung“.<br />

Ohne nennenswerten Widerstand errichteten die Nazis innerhalb weniger<br />

Monate einen Führerstaat. Und nur allzu bereitwillig und schnell passte sich<br />

die große Mehrheit der Bürger dem NS-Ideal von der „Volksgemeinschaft“<br />

an. Zwölf Jahre später war aus der „nationalen Revolution“ eine deutsche<br />

Katastrophe, aus Europa ein Trümmerfeld und aus dem Dritten Reich ein Zivilisationsbruch<br />

ohne Beispiel geworden.<br />

„Das ist die Krönung unserer Arbeit“: So spricht Joseph Goebbels am 30.<br />

Januar im Rundfunk über den Fackelzug Tausender SA-Leute durch Berlin.<br />

9


<strong>Die</strong> Etappen zur Diktatur<br />

30. Januar 1933:<br />

Reichspräsident Paul von Hindenburg ernennt Adolf Hitler zum<br />

Reichskanzler.<br />

1. Februar:<br />

Auf Wunsch Hitlers löst Hindenburg den Reichstag auf.<br />

4. Februar:<br />

Notverordnung „Zum Schutz des deutschen Volkes“. <strong>Die</strong> Presse- und<br />

Versammlungsfreiheit wird eingeschränkt.<br />

17. Februar:<br />

„Schießerlass“ in Preußen, der Waffengebrauch gegen<br />

„Staatsfeinde“ bleibt straffrei.<br />

27./28. Februar:<br />

Der Reichstag wird in Brand gesetzt. Einen Tag später setzt die Notverordnung<br />

„Zum Schutz von Volk und Staat“ die politischen Grundrechte<br />

außer Kraft. Im Reich herrscht künftig permanenter Ausnahmezustand.<br />

<strong>Die</strong> KPD sowie die SPD-Presse werden verboten.<br />

5. März:<br />

Bei der Reichstagswahl, bei der KPD und SPD vom NS-Terror behindert<br />

werden, wird die NSDAP mit 43,9 Prozent stärkste Partei, verfehlt<br />

aber die absolute Mehrheit.<br />

21./22. März:<br />

In Oranienburg und Dachau werden die ersten Konzentrationslager<br />

errichtet.<br />

21. März:<br />

„Tag von Potsdam“, der neue Reichstag wird mit einem Staatsakt<br />

eröffnet.<br />

23. März:<br />

Der Reichstag verabschiedet das „Ermächtigungsgesetz“. Nur die<br />

SPD-Fraktion stimmt dagegen. <strong>Die</strong> Regierung kann allein Gesetze<br />

10


erlassen, de facto wird die parlamentarische Demokratie<br />

abgeschafft.<br />

1. April:<br />

Reichsweit werden jüdische Geschäfte boykottiert.<br />

7. April:<br />

<strong>Die</strong> deutschen Länder verlieren mit der Einsetzung von Reichsstatthaltern<br />

ihre Eigenständigkeit. Ein weitgehendes Berufsverbot für<br />

jüdische und regimekritische Beamte wird verhängt.<br />

1. Mai:<br />

Erstmals wird der „Tag der nationalen Arbeit“ begangen.<br />

Einen Tag später werden die Gewerkschaften praktisch verboten.<br />

10. Mai:<br />

<strong>Die</strong> Machthaber lassen öffentlich Bücher vor allem linker und<br />

jüdischer Autoren verbrennen.<br />

22. Juni:<br />

<strong>Die</strong> SPD wird verboten.<br />

14. Juli:<br />

Das „Gesetz gegen die Neubildung von Parteien“ macht<br />

Deutschland zum Einparteienstaat.<br />

14. Oktober:<br />

Deutschland tritt aus dem Völkerbund aus.<br />

30. Juni 1934:<br />

Unter dem Vorwand des „Röhm-Putschs“ lässt Hitler zahlreiche hohe<br />

SA-Führer, unter ihnen auch seinen Freund Ernst Röhm, und andere<br />

dem NS-Regime missliebige Personen ermorden.<br />

2. August:<br />

Nach dem Tod Hindenburgs übernimmt Hitler auch das Amt des<br />

Reichspräsidenten.<br />

11


Hindenburg hatte<br />

Alternativen!<br />

Heinrich August Winkler zur Machtübertragung<br />

Heinrich August Winkler, 69, war von 1991 bis 2007 Ordentlicher Professor<br />

für Neuere und Neueste Geschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin.<br />

SZ: Warum kam es nach der Wahlniederlage der NSDAP vom 6. November<br />

1932 doch noch zu Hitlers Berufung zum Reichskanzler?<br />

Winkler: Bei diesen Wahlen verloren die Nationalsozialisten zwei Millionen<br />

Stimmen, während die Kommunisten 600 000 Stimmen hinzugewannen. <strong>Die</strong>se<br />

Kombination führte dazu, dass in Deutschland die Angst vor dem Bürgerkrieg<br />

um sich griff. <strong>Die</strong>se Angst wurde zu Hitlers mächtigster Verbündeten.<br />

<strong>Die</strong> Rhetorik der Kommunisten ging in Richtung einer roten Revolution.<br />

SZ: Hätte die NS-Diktatur vermieden werden können, wenn man Hitler noch<br />

ein wenig länger die Macht vorenthalten hätte? Wirtschaftlich war die größte<br />

Krise ja schon überwunden.<br />

Winkler: Der entscheidende Wendepunkt der Staatskrise scheint mir der Mai<br />

1932 zu sein. Nach seiner Wiederwahl zum Reichspräsidenten löste Hindenburg<br />

den im September 1930 gewählten Reichstag auf. Wäre der Reichstag<br />

von 1930 nicht 1932 aufgelöst worden, wäre die nächste Wahl erst<br />

1934 gewesen – und für dieses Jahr konnte man in der Tat mit einer konjunkturellen<br />

Erholung und rückläufigen Arbeitslosenzahlen rechnen. <strong>Die</strong>s wiederum<br />

hätte den Trend zu den extremen Parteien NSDAP rechts und KPD links<br />

abgeschwächt.<br />

12


SZ: Führte im Januar 1933 wirklich kein Weg mehr an Hitler vorbei?<br />

Winkler: Auch im Januar 1933 hätte Hindenburg Hitler noch von der Macht<br />

fernhalten können. Er hätte Reichskanzler von Schleicher – selbst im Falle<br />

eines destruktiven Misstrauensvotums - geschäftsführend im Amt belassen können<br />

oder einen nicht polarisierenden Reichskanzler als Schleichers Nachfolger<br />

ernennen können.<br />

SZ: Wenn Hitler nicht auf legalem Weg an die Macht gekommen wäre, hätte<br />

er dann nach 1923 abermals geputscht?<br />

Winkler: Er hätte es vielleicht versucht, wäre aber damit sicher gescheitert.<br />

Einen Putsch hätte die Reichswehr zum Anlass für die Errichtung einer Militärdiktatur<br />

genommen. Für Hitler war die Wahrung des Scheins der Legalität die<br />

entscheidende Voraussetzung seiner Planung, an die Macht zu kommen.<br />

SZ: Gab es denn Anzeichen, dass Hitler eine Diktatur errichten würde?<br />

Winkler: <strong>Die</strong>se Entwicklung hat niemand vorausgeahnt. <strong>Die</strong> Geschichte Hitlers<br />

ist die Geschichte seiner Unterschätzung durch seine zeitweiligen Verbündeten<br />

wie durch seine Gegner.<br />

Jubel in der Nazi-Presse: „Ein historischer Tag.<br />

13


Paul von Hindenburg – Reichspräsident<br />

Paul von Beneckendorff und von Hindenburg, 85, lebt vor allem von seinem<br />

Ruf als Kriegsheld. Der preußische Adelige wird im Ersten Weltkrieg als „Sieger<br />

von Tannenberg“ bekannt und übernimmt 1916 die Oberste Heeresleitung;<br />

die Niederlage schiebt er den demokratischen Parteien zu („Dolchstoßlegende“).<br />

1925 wird Hindenburg auf Initiative konservativer Kreise zum<br />

Reichspräsidenten gewählt. Von 1930 an ernennt er mehrere Kanzler ohne<br />

parlamentarische Mehrheit, lässt sie per Notverordnung regieren und trägt so<br />

entscheidend zur Schwächung der Demokratie bei. Zuletzt beruft der Greis<br />

auch den „böhmischen Gefreiten“ Hitler zum Reichskanzler. Hindenburg<br />

stirbt am 2. August 1934, Hitler übernimmt umgehend auch das Amt des<br />

Staatsoberhaupts.<br />

Paul von Beneckendorff<br />

und von Hindenburg<br />

14


Otto Meissner – Chef des Präsidialamts<br />

Otto Meissner, 52, ist wohl der am längsten amtierende Spitzenbeamte der<br />

deutschen Geschichte. Er dient den Reichspräsidenten Ebert und Hindenburg<br />

sowie später Hitler. Meissner ist einer der entscheidenden Strippenzieher im<br />

Reichspräsidentenpalais und Einflüsterer des greisen Hindenburg. Der Staatssekretär<br />

wird wie Franz von Papen, Alfred Hugenberg und Kurt von Schleicher<br />

einer Clique („Kamarilla“) um den Reichspräsidenten zugerechnet, die<br />

die Weimarer Demokratie untergräbt, die Präsidialkabinette initiiert und Hitler<br />

Zugang zu Hindenburg verschafft. In einem der Nürnberger Nachfolgeprozesse<br />

(„Wilhelmstraßenprozess“) wird Meissner von der Mitverantwortung für<br />

die NS-Verbrechen freigesprochen. Er stirbt am 27. Mai 1953 in München.<br />

Otto Meissner<br />

15


Franz von Papen Hitlers – Vizekanzler<br />

Franz von Papen, 53, arbeitet zunächst als Diplomat, nach dem Ende des<br />

Kaiserreichs engagiert er sich in konservativ-monarchistischen Herrenklubs.<br />

Am 1. Juni 1932 bildet Papen als Kanzler ein „Kabinett der nationalen Konzentration“<br />

mit konservativen Beamten als Minister. Außer der DNVP unterstützt<br />

keine Partei seinen Kurs, der Reichstag wird zweimal aufgelöst. Nachfolger<br />

Papens wird Kurt von Schleicher. Papen betreibt Schleichers Sturz und<br />

verhandelt mit der NSDAP. Er tritt als Vizekanzler ins Kabinett Hitler ein – um<br />

ihn zu kontrollieren. Nach dem „Röhm-Putsch“ tritt Papen aus der Regierung<br />

aus, später arbeitet er als deutscher Botschafter in Ankara. Im Nürnberger<br />

Kriegsverbrecherprozess wird er freigesprochen. Er stirbt am 2. Mai 1969 in<br />

Obersasbach.<br />

Franz von Papen<br />

16


Alfred Hugenberg – Politiker und Verleger<br />

Alfred Hugenberg, 67, gilt als einer der entscheidenden Wegbereiter des<br />

NS-Staates. Der Unternehmer, der einst den nationalistisch-antisemitischen Alldeutschen<br />

Verband mitgegründet hatte, agitiert vor allem mit seinem riesigen<br />

Medienkonglomerat gegen die Republik. Verlag, Nachrichtendienste, Werbeagenturen,<br />

Korrespondenzdienste und Filmgesellschaften trommeln während<br />

der Weltwirtschaftskrise für die Errichtung eines autoritären Regimes. Im<br />

Kabinett Hitler ist Hugenberg Minister für Wirtschaft, Landwirtschaft und<br />

Ernährung. Seine DNVP stützt als einzige Partei offen die NSDAP. Im Juni<br />

1933 tritt Hugenberg von allen Ämtern zurück, der Staat drängt ihn zum Verkauf<br />

des Konzerns. Er stirbt am 12. März 1951 in Kükenbruch.<br />

Alfred Hugenberg<br />

17


Kurt von Schleicher – Reichskanzler vor Hitler<br />

Kurt von Schleicher, 50, ein Karriereoffizier des Ersten Weltkriegs, arbeitet<br />

seit 1926 als Chef der neugeschaffenen Wehrmachtsabteilung im Reichswehrministerium,<br />

mit der parlamentarischen Regierungsform kann er sich leidlich<br />

arrangieren. Ihm schwebt die Idee vor, die Nazis durch die Einbindung<br />

der SA in eine überparteiliche Wehrorganisation zu „zähmen“. Am 2.<br />

Dezember 1932 beruft Hindenburg den Reichswehrminister Schleicher zum<br />

Kanzler eines Präsidialkabinetts, wo er ein Bündnis von rechten Gewerkschaftern<br />

und linken Nationalsozialisten schmieden will. Als dies misslingt,<br />

tritt er am 28. Januar 1933 zurück, der Weg für Hitler ist somit frei. Schleicher<br />

wird am 30. Juni 1934 im Zuge des angeblichen Röhm-Putsches von der<br />

SS erschossen.<br />

Kurt von Schleicher<br />

18


Heinrich Aloysius Maria Elisabeth Brüning – Reichskanzler<br />

(* 26. November 1885 in Münster; † 30. März 1970 in Norwich, Vermont,<br />

USA) war ein deutscher Politiker der Zentrumspartei und in der Spätphase<br />

der Weimarer Republik von 1930 bis 1932 Reichskanzler des Deutschen<br />

Reichs. Brüning erkannte zunächst nicht die Gefahr, die Deutschland durch<br />

den Nationalsozialismus erwuchs, er wollte die NSDAP zur politischen Verantwortung<br />

zwingen und dadurch zähmen. So hatte er zu dieser Zeit nichts<br />

gegen eine Koalition zwischen Zentrum und NSDAP. Doch Hitler wollte nur<br />

als Reichskanzler ein Präsidialkabinett führen. Als die Zentrumspartei aber<br />

nach Hitlers Ernennung zum Reichskanzler dessen nachträgliches Koalitionsangebot<br />

ablehnte, befürwortete Brüning die Entscheidung seiner Partei. Auch<br />

gegenüber dem Ermächtigungsgesetz war Brünings Haltung schwankend:<br />

Nach anfänglich klarer Ablehnung machte Hitler ihm und dem Fraktionsvorsitzenden<br />

Ludwig Kaas beruhigende Versprechungen, wenn er sich auch<br />

geschickt darum drückte, sie in schriftlicher Form zu geben. Brüning und die<br />

gesamte Zentrumspartei stimmte daher am 23. März zu. Nach den Angaben<br />

von Elfriede Kaiser-Nebgen und Theodor Heuss waren die Mitteilungen von<br />

Brüning über die nicht näher beschriebenen Versprechungen Hitlers der<br />

Grund dafür, dass auch die DDP geschlossen dem Ermächtigungsgesetz<br />

zustimmte. Am 5. Mai 1933 wurde er vorerst letzter Vorsitzende der Zentrumspartei.<br />

Am 5. Juli 1933 löste er seine Partei auf, um einem Verbot durch<br />

die Nationalsozialisten zuvorzukommen.<br />

Heinrich Brüning<br />

19


IMPRESSUM<br />

rot-graue bläter<br />

Heft Nr. <strong>099</strong><br />

Ausgabe im Januar 2008<br />

Ausgabe nur als PDF für das Internet<br />

SCHRIFTLEITUNG UND BEZUG<br />

Quelle: Süddeutsche Zeitung; Adressen für Zuschriften an die <strong>Schriftleitung</strong>: Stephan Maria Sommer, Kreuzstraße 12, 85049 Ingolstadt;<br />

E-Mail: schriftleitung@gmx.de, www.schriftleitung.org.<br />

HERSTELLUNG<br />

Schriften gesetzt in 7-Punkt Futura (Impressum) sowie 12.5/15.5-Punkt Futura Book. Überschriften und Pagina gesetzt in 56-Punkt, Futura<br />

Book. Nicht berücksichtigt: Titelblatt. Heftumfang 21 Seiten inkl. Schmutztitel und zwei Seiten Umschlag.<br />

URHEBERRECHT<br />

<strong>Die</strong> Urheberrechte liegen bei den Autoren. Nachdruck, auch auszugsweise, ist grundsätzlich nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Urhebers<br />

zulässig. <strong>Die</strong>sbezügliche Anfragen sind an die <strong>Schriftleitung</strong> zu richten, die gern vermittelt. Ein Anspruch auf Erteilung einer Abdruckgenehmigung,<br />

auch Auszugsweise, besteht nicht. Ob Verstöße gegen das Urheberrecht gerichtlich verfolgt werden sollen, liegt im<br />

Ermessen der Urheber.<br />

Das vorliegende Heft ist kein Druckerzeugnis im Sinne des Pressegesetzes.<br />

Es wurde als Typoskript für den internen Gebrauch hergestellt.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!