Seeheim-Chronik - Seeheimer Kreis
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REALE REFORMER<br />
liches Vorgehen zu diskutieren. Hans-Jochen Vogel schilderte in seinem Buch<br />
„Nachsichten“ die Gründe für eine solche Zusammenkunft:<br />
„Innerparteiliche Auseinandersetzungen über die Fragen, über die in<br />
München gestritten wurde, fanden zu jener Zeit – Willy Brandt war<br />
in dieser Hinsicht etwas zu optimistisch – auch an anderen Orten, so<br />
etwa in Frankfurt am Main, in Berlin und in Kiel, statt. Darüber hinaus<br />
gab es die Sorge, die Partei könnte insgesamt hinter Godesberg<br />
zurückfallen und dadurch auch ihren Erfolg bei den nächsten Bundestagswahlen<br />
mit der Konsequenz gefährden, daß sie wieder in die<br />
Opposition zurückkehren müßte. Ebenso wurden weitere Übertritte<br />
im Parlament und ein neuerliches und dann erfolgreiches Mißtrauensvotum<br />
nicht für ausgeschlossen gehalten. Zu den Besorgten gehörte<br />
auch Helmut Schmidt, damals Wirtschafts- und Finanzminister<br />
und stellvertretender Parteivorsitzender. Er lud deshalb Hermann<br />
Schmidt-Vockenhausen, damals Vizepräsident des Bundestages, Adolf<br />
Schmidt, damals Vorsitzender der Bergbaugewerkschaft und Bundestagsabgeordneter,<br />
und mich zu einem Gespräch in sein Ferienhaus am<br />
Brahmsee ein. In dem Gespräch, das im August 1972 stattfand, wurde<br />
ausführlich darüber geredet, wie dieser Entwicklung begegnet werden<br />
könnte, ohne daß man zu konkreteren Ergebnissen gekommen wäre.<br />
Insbesondere blieb offen, ob für die, die in der Partei ähnlich dachten,<br />
eine gewisse Struktur angestrebt werden und was im Falle des Verlustes<br />
der Regierungsmacht in der Partei geschehen sollte.“<br />
Zu diesem Zeitpunkt gab es auf der Ebene der Fraktion bereits eine „gewisse<br />
Struktur“ wie es Hans-Jochen Vogel nannte. Als nach den Bundestagswahlen<br />
1969 eine Reihe junger Abgeordneter neu in den Deutschen Bundestag<br />
einzogen, hatten viele bereits Kampfabstimmungen und Befragungen zu ihren<br />
Positionen zur Notstandsgesetzgebung und der Großen Koalition hinter<br />
sich. Ihr Ziel war es, einen Gegenpol zum bereits auf der Ebene der Bundestagsfraktion<br />
agierenden linken „Frankfurter <strong>Kreis</strong>“ zu organisieren. Für diesen<br />
sich formierenden Gesprächszirkel bürgerte sich bald der Name „Metzger-<br />
<strong>Kreis</strong>“ ein, benannt nach einem der Initiatoren, Günther Metzger.<br />
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