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CHARTER & REISE SAISONVORBEREITUNG Den Charterern ist klar, dass es etliches zu besprechen gibt, bevor die Reise losgeht. Erfahrungsgemäß hat jeder seine ganz eigene Vorstellung vom Törnverlauf. Möglichst viele Ideen unter einen Hut zu bringen, ist zu Hause leichter als später an Bord. Die knapp bemessene, schönste Zeit des Jahres soll nicht mit langwierigen Diskussionen vergeudet werden. Also werden Vorab-Treffen vereinbart. Vorrangiger Diskussions-Punkt ist die Frage: Welche Art Törn soll es werden? Nach einer harten Seereise im letzten Jahr, die rund Fünen führte, schwebt den vier gestandenen Fahrtenseglern diesmal ein Törn mit Schwerpunkt Baden und Relaxen vor. Sehen Jens und Claudia das genauso oder wollen die beiden, die bislang ausschließlich auf Binnenseen unterwegs waren, lieber Strecke machen, weil sie endlich einen richtigen Seetörn erleben wollen? Die Wahl fällt schwer, denn Kroatien hat viel zu bieten: Hunderte Meilen Küste, die dicht unter Land abgesegelt werden können, aber auch unzählige Relikte aus der Römerzeit, die das Bummeln durch die engen Altstadtgassen zu spannenden Ausflügen in die Vergangenheit werden lassen, ganz zu schweigen von Ankerbuchten mit glasklarem Wasser. Die Sun Odyssey-Crew findet einen Kompromiss. In Split und Trogir soll Kultur getankt werden, zum Baden und Ankern will man die Sandstrandbuchten von Brac und/oder Solta anlaufen, doch zuerst steht ordentlich Segeln auf dem Programm. Rund Hvar zum Beispiel, wenn Wind und Wetter mitspielen. In jedem Fall ist das Finden eines Mittelwegs der wichtigste Bestandteil jedes gelungenen Urlaubstörns, weiß Christian Zaloudek: „Gerade bei Bareboat Charter ist es unerlässlich, im Vorfeld zu klären, wie der Törn aussehen soll. Will man Buchten tingeln – wie wir es nennen – oder Meilen fressen? Ist das nicht geklärt, kommt schnell Frust auf, weil ein Teil der Mannschaft seine Erwartungen nicht erfüllt sieht“. Seit vielen Jahren organisiert Zaloudek für Sarres-Schockemöhle Yachting Mitsegeltörns, Fun-Regatten oder Flottillen. Er resümiert, dass Crews, die sich schon zu Hause intensiv mit dem Törn beschäftigen, später an Bord selten Streit haben. „Außerdem haben Vorab-Treffen einen sehr schönen Nebeneffekt. Sie vermitteln Vorfreude!“, fügt er hinzu. Was wird auf Vorab-Treffen besprochen? Jens und Claudia haben sich aufs erste Treffen gründlich vorbereitet und sich mittels Google Earth bis in die Innenstädte von Split und Trogir hineingezoomt. Sie wissen genau, welche Festungsmauern sie später entlanglaufen und auf welchen Märkten sie einkaufen wollen. Ihre lebhaften Schilderungen sorgen für Urlaubsstimmung im Freundeskreis, gleichzeitig führen sie dazu, sich mit dem Thema Proviant auseinander zu setzen. Soll eine Erstversorgung durch das Charterunternehmen erfolgen? Wollen alle gemeinsam einkaufen gehen? Mit welchen Lebensmitteln sollen Kühlfach und Schapps überhaupt gefüllt werden? Dazu Christian Zaloudek: „Wenn unsere Gäste sich entschließen, den Einkauf selbst vorzunehmen, raten wir dazu, schon zu Hause eine Liste anzufertigen. Der Tag der Anreise ist meist stressig. Nach einer langen Autofahrt oder Flugreise hat keiner mehr Lust, im Supermarkt zu stehen und sich Gedanken über die richtigen Lebensmittel zu machen.“ Die Liste wird länger als gedacht und führt unweigerlich zur nächsten Frage: Was soll aus der Bordkasse bezahlt werden? Darüber, ob eine Bordkasse sinnvoll ist, wird nicht diskutiert. Man sitzt im selben Boot, selbstverständlich werden fixe Kosten wie Liegeplatzgebühren und Benzin gemeinsam bezahlt. „Unbedingt geklärt werden sollte auch, ob und wie sich eine Mannschaft gegen Un- und Ausfälle versichern möchte. Sind alle damit einverstanden, dass eine Reiserücktrittsversicherung abgeschlossen wird, werden alle Mitsegler die separate Skipper-Haftpflicht-Versicherung unterstützen?“ gibt Christian Zaloudek zu bedenken. Vordrucke beziehungsweise Vorschläge für unterschiedliche Versicherungsmodelle schickt der Charterunternehmer seinen Kunden zu. Zu ihrer großen Verblüffung erfahren Jens und Claudia, dass Privat-Haftpflichtversicherungen bei Segeltörns nicht greifen. Wer die Verantwortung trägt, der Skipper also, übernimmt das Risiko. Mit diesem neu erworbenen Wissen bejahen sie die Umlage der Skipper- Haftpflicht-Kosten ohne Zögern. Bei der Verpflegung ist man sich nicht ganz so schnell einig. Claudia mag keinen Alkohol, sie würde daher gern die alkoholischen Getränke aus der Bordkasse heraushalten. Dazu Axel Düllberg, Geschäftsführer von Charter Transparenz: „Alkohol, der aus der Bordkasse bezahlt wird, ist ein häufiger Streitpunkt.“ Während manche Segler gerade im Urlaub gern und viel Alkohol trinken, halten andere sich an Wasser. Spätestens beim zweiten Einkauf sehen sie dann nicht mehr ein, warum sie den Bier- und Weinkonsum der anderen mitbezahlen sollen. Beim Kauf von Lebensmitteln gibt es seltener Konflikte, wobei auch hier Gesprächsbedarf besteht. Am besten, jeder sagt von Anfang an klipp und w 38 www.segelnmagazin.de 4/2013 4/2013 www.segelnmagazin.de 39
CHARTER & REISE SAISONVORBEREITUNG möglich gemeinsam genießen.“ Dasselbe schwebt auch Anne vor. Sie hat als jugendliche Seglerin leidvolle Erfahrungen mit autoritären Kapitänen gemacht und möchte auf keinen Fall in deren Fußstapfen treten. Solange sich niemand drückt oder dem zuvor besprochenen Manöverablauf zuwider handelt, will sie nur wirklich notwendige Anweisungen geben. Das soziale Geflecht einer Freundes-Crew ist empfindlich und wird durch überzogene Geltungssucht unnötig strapaziert. In Situationen, in denen schnell gehandelt werden muss, wird Anne jedoch keine Diskussionen zulassen. Dann ist sie für fachkundige Hilfe dankbar, doch das letzte Wort behält sie. klar, wie luxuriös er sich seinen Urlaub gestalten möchte. Der eine will sich richtig was gönnen, der andere hat die finanziellen Mittel nicht oder legt keinen Wert auf Scampis und Hummer. Wie können sich Skipper und Mannschaft vorbereiten? Als reinrassige Jollensegler kennen Jens und Claudia sich zwar mit der Segelführung aus, doch Manöver unter Motor wie rückwärts an die Pier fahren oder längsseits an einem anderen Schiff anlegen sind neu für sie, und damit auch einige Knoten, die beim Jollensegeln selten zum Einsatz kommen. Zu Hause ein paarmal den Webeleinstek geübt, und der Fender hängt später blitzschnell am Seezaun. Auch erlernte (bislang selten gebrauchte) Navigationskenntnisse dürfen gern aufgefrischt werden, sei es in Form von klassischer Papierkarten-Navigation oder über Apps auf dem Smartphone. Später wird einer der beiden vielleicht beim Navigieren helfen, denn fest steht: Jeder an Bord soll Aufgaben übernehmen. Was muss bei der Schiffs-Übernahme beachtet werden? Man einigt sich, wer beim Einchecken welchen Teilbereich im Auge behält. Thomas schaut genau hin, wenn es um die Seeventile, Duschen und WC-Bedienung geht, Karla ist für die Sicherheits-Ausrüstung verantwortlich, Christoph lässt sich die Elektrik genau erklären. Auch für die Törnneulinge gibt es genügend Aufgaben, die sie ohne Vorkenntnisse übernehmen können. Eine moderne Pantry unterscheidet sich nur unwesentlich von der heimischen Küchenzeile, und die Segel sind lediglich ein paar Nummern größer als die zu Hause. Anne behält den Überblick. Von Anfang an steht fest, dass sie die Schiffsführung übernehmen wird. Sie hat die größte Segelerfahrung und alle erforderlichen Scheine. Weil sie die Verantwortung für Schiff und Mannschaft trägt, wird sie die gesamte Schiffsübergabe begleiten. Wie lässt sich die Verantwortung auf mehrere Schultern verteilen? Jeder aus der sechsköpfigen Mannschaft möchte den Törn zur Erholung nutzen. Da die Kapitänsposition naturgemäß das größte Stress-Potenzial birgt, möchte der Rest der Mannschaft Anne so viel wie möglich unterstützen. Im Gegenzug verspricht die Skipperin, sich nicht als „Despotin“ aufzuführen. „Primus inter pares“, Erster unter Gleichen, nennt Axel Düllberg den Status eines idealen Charter-Skippers. „Man segelt schließlich unter Freunden und möchte den Törn so entspannt wie Wie lässt sich Stress an Bord vermeiden? Auf Thomas, Karla und Christoph kann Anne sich verlassen. Alle drei sind erfahrene Segler, die bei anfallenden Manövern ohne zu zögern die richtigen Handgriffe vornehmen. Auch die Neulinge Jens und Claudia können unterstützend eingreifen, sofern sie sich gezielt vorbereiten. Dafür gibt es jede Menge Möglichkeiten. Alle Charterschiffe sind individuell ausgerüstet, sie haben unterschiedliche Motoren, Navigationsinstrumente, Aggregate. Wenn jemand die Bedienungsanleitungen studiert, kann er im Bedarfsfall effektive Hilfestellung geben. Wer weiß, wie der Seekartenplotter funktioniert, findet ruckzuck den richtigen Fluchtweg. „Wir haben ein kleines Heftchen entwickelt“, erzählt Christian Zaloudek, „das wissenswerte Tipps für Skipper und Crew enthält. Wobei wir ganz klar sagen: Skipper, dieses Heftchen ist nicht für Dich, Du kannst das ja. Gib es Deiner Mannschaft, damit Du Unterstützung bekommst.“ Wissen ist die beste Voraussetzung für einen gelungenen Törn. Schiffsführer, die auf ihre Mannschaft bauen können, segeln deutlich entspannter als Kapitäne, die alles allein machen müssen. Dirk Kadach vom Charterunternehmen 1. Klasse Yachten, das Stützpunkte an der Ostsee und im Mittelmeer unterhält, sagt ganz klar: „Aus Unwissenheit entstehen Angst und Unsicherheit. Wir bieten unseren Kunden für jedes Instrument Bedienungsanleitungen zum Downloaden an. Wir beschreiben detailliert, wie die Ventile funktionieren und wie die Segel bedient werden müssen. Wer sich die Mühe macht, die Beschreibungen schon vor Törnbeginn zu studieren, kann den Skipper später kompetent unterstützen und in Notfällen schnelle Hilfe leisten.“ Dieses Wissen sinnvoll einzusetzen, setzt allerdings voraus, dass die Schiffsführung Hilfe zulässt. Dazu nochmals Dirk Kadach: „Keiner gibt gern zu, dass er mit einer Situation überfordert ist oder sogar Angst hat. Vor allem Männercrews schaukeln sich gegenseitig hoch. Einer will toller sein als der andere. Dann kann es sogar passieren, dass losgesegelt wird, obwohl es viel zu windig ist. Jeder weiß das, auch der Skipper, doch der mag nicht zurückstecken.“ Das wird Anne sicher nicht passieren. Sie segelt lieber bei leichtem Wind und hofft, dass sich Kroatien – wie erwartet – als Leichtwindrevier präsentiert, Flautentage inklusive. Da Baden und Ankern wichtiger Bestandteil des Törnverlaufes sein sollen, ist eine leichte Brise willkommen und sogar eingeplant, entsprechend niedrig die Gesamtmeilenzahl angepeilt. Was aber, wenn eine Woche lang totale Flaute herrscht oder überraschenderweise Sturm aufkommt? Gerechnet werden muss mit beiden Wetterphänomenen. Wie legt man einen möglichst stressfreien Törnplan an? Wenn bei uns jemand mit einem minutiös ausgearbeitem Törnplan an Bord steigt, weiß ich, dass es schief geht!“ erzählt Dirk Kadach. „Vor allem, wenn strammes Meilen-Machen auf dem Programm steht.“ Wind und Wetter sind unberechenbar, aber auch Krankheiten oder unerwartet anfallende Reparaturarbeiten an Schiff und Motor können einen zu eng gesteckten Törn- Verlauf ins Wanken bringen. Der Vercharterer rät seinen Kunden: „Plant ein Drittel Zeit für den Hinweg und zwei Drittel Zeit für den Rückweg ein“. Auch ein besonnener Start ist wichtig für einen angenehmen Törnverlauf. Nach Anreise und Schiffsübergabe ist der Tag weit fortgeschritten. Für einen langen Schlag ist es in der Regel zu w 40 www.segelnmagazin.de 4/2013 4/2013 www.segelnmagazin.de 41
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