Zwei Mal im Jahr wird gefastet - Senioren Zeitschrift Frankfurt
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Begegnung der Kulturen<br />
<strong>Zwei</strong> <strong>Mal</strong> <strong>im</strong> <strong>Jahr</strong> <strong>wird</strong> <strong>gefastet</strong><br />
Afghanische Hindus in <strong>Frankfurt</strong><br />
Religion in <strong>Frankfurt</strong>, Serie, Teil 1<br />
dieser Zeit, weil sie um ihr Leben fürchten<br />
mussten.<br />
In <strong>Frankfurt</strong> haben viele Religionsgemeinschaften einen Platz.<br />
Wenn die Weizensaat <strong>im</strong> April<br />
ke<strong>im</strong>t, <strong>wird</strong> sie dem Main<br />
übergeben. Dies gehört zum<br />
Ritual der Fastenzeit, das afghanische<br />
Hindus in <strong>Frankfurt</strong> pflegen. Mithilfe<br />
des Amtes für multikulturelle Angelegenheiten<br />
hat diese religiöse Gruppe<br />
erreicht, dass seit zwei <strong>Jahr</strong>en dieses<br />
Ritual zum Navratri (bedeutet: Neun<br />
Nächte) an den Ufern des Flusses ausgeübt<br />
werden darf. In diesen neun<br />
Nächten und zehn Tagen werden verschiedene<br />
Verkörperungen von Göttinen<br />
angebetet und es <strong>wird</strong> sieben Tage <strong>gefastet</strong>.<br />
Diese Fastenzeit halten die Afghan-<br />
Hindus alle sechs Monate ab, vorher findet<br />
– symbolisch auch für die innere<br />
Reinigung – ein großer Tempelputz statt,<br />
das Gleiche verrichten die Familien zuhause.<br />
Im Frühjahr zu Beginn dieser<br />
Fastenzeit ist auch das Neujahr der<br />
Hindus. Am ersten Tag säht man Weizen<br />
in ein Töpfchen mit Erde – das, was<br />
ke<strong>im</strong>t, <strong>wird</strong> als göttliches Symbol verehrt.<br />
Nach zehn Tagen Ke<strong>im</strong>ung soll es<br />
fließendem Wasser übergeben werden,<br />
da dies etwas Reines und Spirituelles ist<br />
und nicht mit dem Müll entsorgt werden<br />
darf. Die Möglichkeit, den Main für<br />
diese Handlung in Anspruch zu nehmen,<br />
bedeutet der Gemeinde daher viel.<br />
Die meisten Menschen verbinden mit<br />
Afghanistan derzeit meist eher die<br />
Taliban mit ihrer fundamentalistischen<br />
Auslegung des Islam. Kämpfer, die die<br />
Foto: Oeser<br />
Bevölkerung unterdrücken und an eine<br />
allzu buchstabentreue Auslegung des<br />
Islam fesseln, vermischt mit dem strengen<br />
Ehrenkodex vor allem vieler Paschtunen,<br />
einer afghanischen Volksgruppe.<br />
Hindus dagegen sind den meisten Menschen<br />
eher aus Indien bekannt. Gerade<br />
nach Deutschland sind jedoch viele<br />
afghanische Flüchtlinge gekommen, die<br />
Hindus sind. Den Verein Aasa Ma<strong>im</strong>andir<br />
e.V. gibt es seit 1996 in <strong>Frankfurt</strong>, er<br />
ist ein Zusammenschluss von afghanischen<br />
Hindus aus dem ganzen Rhein-<br />
Main-Gebiet. Im Tempel <strong>im</strong> Stadtteil<br />
Fechenhe<strong>im</strong> treffen sie sich regelmäßig,<br />
vor allem sonntags.<br />
Hindus stellen in Afghanistan zwar<br />
seit <strong>Jahr</strong>hunderten eine Minderheit dar,<br />
bilden jedoch schon <strong>im</strong>mer einen festen<br />
Bestandteil der Bevölkerung: Ursprünglich<br />
war das ehemalige Königreich<br />
Afghanistan eine ethnisch facettenreiche<br />
und religiös vielfältige Gesellschaft.<br />
Seit 1992 die Mujaheddin die<br />
Macht übernahmen, wurden zuvor schon<br />
bestehende diskr<strong>im</strong>inierende Regelungen<br />
verschärft und weiteten sich bis zur<br />
systematischen Diskr<strong>im</strong>inierung (zum<br />
Beispiel spezielle Kleiderordnung, begrenzter<br />
Zugang zum Schulsystem) und<br />
Verfolgung der nicht-musl<strong>im</strong>ischen Bevölkerung<br />
unter der Talibanherrschaft<br />
1996 bis 2001 aus. Unzählige Angehörige<br />
religiöser Minderheiten und politische<br />
Oppositionelle emigrierten während<br />
Der Tempel ist ein Zuhause weit weg<br />
von der He<strong>im</strong>at: Neben der Spiritualität<br />
<strong>wird</strong> natürlich auch die kulturelle<br />
Tradition, das Beisammensein und, vor<br />
allem bei <strong>Senioren</strong>, die Erinnerung<br />
gepflegt. Ragni Arora, eine junge Frau<br />
von 25 <strong>Jahr</strong>en, ist selbst Mitglied der<br />
Gemeinde und kam mit zwölf <strong>Jahr</strong>en<br />
mit ihrer Familie nach Deutschland. Mit<br />
Afghanistan selbst identifiziert sie<br />
sich, so sagt sie, mittlerweile weniger.<br />
Trotzdem trage sie verschiedene Identitäten<br />
in sich: eine deutsche Seite, das<br />
afghanische Erbe und, für sie sehr wichtig,<br />
das Hindu-Sein. All das spiele eine<br />
Rolle in ihrem Leben und mache sie aus.<br />
Das sei allerdings nicht bei allen<br />
afghanischen Hindus so. Vielen Jugendlichen<br />
und jungen Erwachsenen fehle<br />
„der Draht zur Religion“. Die <strong>Senioren</strong><br />
integrierten dagegen Rituale, Fastenzeiten<br />
und religiöse Feiertage sehr viel<br />
mehr in ihr Leben. Für sie seien die<br />
Verluste, die mit der Emigration häufig<br />
verbunden waren, noch präsent: Die<br />
He<strong>im</strong>at, ein gewisser Wohlstand, die<br />
eigene Sprache und damit einhergehend<br />
ihre Selbstständigkeit <strong>im</strong> Alltag<br />
fehlen ihnen bis heute.<br />
Sobald in Afghanistan relative Waffenruhe<br />
herrscht, ist man in Deutschland<br />
leicht versucht, von einer Beruhigung<br />
der Lage zu sprechen. Als Konsequenz<br />
werden Aufenthaltsrechte beschnitten.<br />
Die Lage von religiösen Minderheiten<br />
(ein Prozent der gegenwärtigen Bevölkerung<br />
Afghanistans sind keine Musl<strong>im</strong>e)<br />
hat sich oft jedoch noch nicht verbessert,<br />
und minderheitenfeindliche Gesinnungen<br />
stellen weiterhin ein ernstes<br />
Problem dar. So haben viele der Betroffenen<br />
bis heute Angst vor plötzlicher Abschiebung.<br />
Auch in der <strong>Frankfurt</strong>er Gemeinde<br />
gab es derlei Fälle. „Für uns Jüngere<br />
ist ein friedliches multireligiöses<br />
Umfeld in Schule, Beruf und Alltag in<br />
<strong>Frankfurt</strong> normal geworden“, sagt Rajni<br />
Arora. Heute bringen sich junge und<br />
ältere Mitglieder der <strong>Frankfurt</strong>er Afghan-<br />
Hindus aktiv in die Gestaltung der inter-<br />
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Begegnung der Kulturen<br />
religiösen Beziehungen in der Stadt ein.<br />
Die Gemeinde ist Mitglied <strong>im</strong> Rat der<br />
Religionen und lädt die <strong>Frankfurt</strong>er<br />
Bürger jedes <strong>Jahr</strong> während der interkulturellen<br />
Wochen in den Tempel ein. Im<br />
<strong>Jahr</strong> 2010 gab es großes Interesse am Tag<br />
der offenen Tür. Die Gemeindemitglieder<br />
freuen sich, dass sich das Angebot langsam<br />
herumzusprechen scheint.<br />
Magdalena Modler<br />
Afghan Hindu Kulturverein e.V.<br />
Shree Aasamai Mandir<br />
www.aasama<strong>im</strong>andir.de<br />
Ansprechpartner: Jaganath Gardezi,<br />
Salzschlirferstr. 12, 60386 <strong>Frankfurt</strong><br />
geöffnet <strong>im</strong> Winter von 10 bis 17 Uhr,<br />
<strong>im</strong> Sommer von 11 bis 18 Uhr<br />
Neues Altenzentrum St. Josef<br />
Am 1. November ist das neugebaute<br />
Altenzentrum St. Josef des Caritasverbandes<br />
in <strong>Frankfurt</strong>-Niederrad in<br />
Betrieb gegangen. Vor dem Hintergrund,<br />
dass viele Gastarbeiter, die in<br />
den 60er <strong>Jahr</strong>en nach Deutschland<br />
kamen, nun hier alt geworden sind,<br />
ist das Haus „multikulturell“ ausgerichtet.<br />
Das zeigt sich auch in der baulichen<br />
Ausgestaltung. Das Haus<br />
wurde in mediterranem Flair durch<br />
warme Gelb-, Rot- und Brauntöne<br />
gestaltet. Die Flure laufen auf eine Art<br />
„Piazza“ zu, die Raum bietet für<br />
gemeinsame Aktivitäten. Dort kann<br />
man zwanglos zusammensitzen, sich<br />
unterhalten, Zeitung lesen, Karten<br />
spielen… Hier werden auch Veranstaltungen<br />
verschiedener Art stattfinden:<br />
Lesungen, Musik, unterhaltsame<br />
Vortragsabende, Filmnachmittage,<br />
Erzähl-Café. An der Gestaltung des<br />
Programms wirken die Bewohnerinnen<br />
und Bewohner mit.<br />
Weitere Informationen zum neuen<br />
Altenzentrum St. Josef Niederrad erteilt<br />
die Leiterin der Einrichtung,<br />
Alice Joschko-Josefowicz, unter der<br />
Telefonnummer 0 69/67 73 66-0 oder<br />
per E-Mail sankt.josef@caritas-frankfurt.de.<br />
red<br />
Anzeige<br />
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