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Kreuzband und Arthrose: Was können wir aus den ... - SGSM

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Review<br />

<strong>Kreuzband</strong> <strong>und</strong> <strong>Arthrose</strong>: <strong>Was</strong> <strong>können</strong> <strong>wir</strong><br />

<strong>aus</strong> <strong>den</strong> Tiermodellen lernen, <strong>und</strong> was ist die<br />

klinische Evi<strong>den</strong>z beim Menschen<br />

Patrick Vavken, Andre Leumann, Thomas Hügle, Victor Valderrabano, Geert Pagenstert<br />

Orthopädische Universtätsklinik Basel, Universitätsspital Basel<br />

Zusammenfassung<br />

Die <strong>Arthrose</strong> nach VKB-Ruptur ist ein wichtiges klinisches<br />

<strong>und</strong> sozioökonomisches Problem. Während ursprünglich gehofft<br />

wurde, dass durch eine chirurgische Stabilisierung des<br />

Knies die Arthose verhindert wer<strong>den</strong> könnte, haben rezente<br />

Studien eine nahezu unverändert hohe <strong>Arthrose</strong>rate nach<br />

VKB-Ersatz <strong>und</strong> konservativer Behandlung gezeigt. In dieser<br />

Arbeit wollen <strong>wir</strong> dieses Problem diskutieren <strong>und</strong> die rezente<br />

Literatur untersuchen.<br />

Summary<br />

Osteoarthritis after ACL tears is an important clinical and<br />

socio-economic problem. While it was hoped initially that<br />

arthritis could be prevent through stabilization of the knee,<br />

recent studies did show that the rate of arthritis are nearly<br />

unabated after ACL reconstruction compared to conservative<br />

treatment. In this paper we want to discuss this problem and<br />

analyze the recent literature.<br />

Schweizerische Zeitschrift für Sportmedizin <strong>und</strong> Sporttraumatologie 61 (2), 21–24, 2013<br />

Einleitung<br />

Unumschweiflich gesagt war die erste Dekade des 21. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

eine schwierige Zeit für Kniechirurgen mit dem Anspruch,<br />

evi<strong>den</strong>z-basiert zu arbeiten. Die Moseley Studie, publiziert<br />

im New England Journal of Medicine, stellte <strong>den</strong> Wert<br />

der Arthroskopie in der Früharthrose sehr infrage (Moseley<br />

et al, 2002). In weiterer Folge publizierten Frobell et al (Frobell<br />

et al, 2010) <strong>und</strong> Katz et al (Katz et al, 2013), beide auch<br />

im New England, für Orthopä<strong>den</strong> <strong>und</strong> Traumatologen überraschende<br />

Ergebnisse für VKB-Rekonstruktion <strong>und</strong> Meniskusteilresektion<br />

– nämlich keine klinischen Unterschiede<br />

zwischen operativem Vorgehen <strong>und</strong> konservativer Therapie.<br />

In Summe stehen damit drei der Schwergewichte der Kniechirurgie<br />

infrage.<br />

In dieser Arbeit wollen <strong>wir</strong> uns speziell der <strong>Arthrose</strong> nach<br />

VKB-Ruptur <strong>und</strong> Ersatz widmen. Im Studium der k<strong>aus</strong>alen<br />

Verkettung von Knorpeldegeneration, Kniegelenksinstabilität<br />

<strong>und</strong> Bewegungsumfang muss jedoch stets die Trias Knorpel,<br />

Bänder <strong>und</strong> Meniskus berücksichtigt wer<strong>den</strong>, weshalb <strong>wir</strong><br />

letztere mit in die Diskussion aufnehmen wollen.<br />

VKB <strong>und</strong> <strong>Arthrose</strong><br />

Operationsindikation <strong>und</strong> Erwartungshaltung<br />

Ein wichtiger, vielleicht sogar der wichtigste Punkt in der Debatte<br />

um VKB-Ruptur, Rekonstruktion <strong>und</strong> Outcome Assessment<br />

ist die richtige Indikationsstellung. Entgegen dem orthopädisch-traumatologischen<br />

Sprachgebrauch ist die Ruptur des<br />

VKB per se keine Operationsindikation, analog zu Luxationen<br />

der Schulter oder Bänderläsionen des Ellenbogens <strong>und</strong> OSG.<br />

Die Operationsindiktion ist die therapieresistente Instabilität,<br />

welche durch eine Bandplastik stabilisiert wer<strong>den</strong> kann. In<br />

rezenten Meta-Analysen wurde gezeigt, dass 80% der Patienten<br />

nach VKB-Ersatz ein normale oder fast normale Kniefunktion<br />

haben (Biau et al, 2007; Biau et al, 2006), was einem<br />

<strong>aus</strong>gezeichneten Ergebnis entspricht. Die Erwartungshaltung<br />

sowohl des Patienten als auch seiner medizinischen Betreuer<br />

sollte hier kongruent sein, um das bestmögliche objektive <strong>und</strong><br />

subjektive Ergebnis postoperativ zu erzielen.<br />

<strong>Arthrose</strong> nach VKB-Ruptur ohne Stabilisierung<br />

Ähnlich vorhersagbar wie die gute Funktion nach VKB-Ersatz<br />

ist die <strong>Arthrose</strong> nach VKB-Ruptur ohne Stabilisierung.<br />

Die Angaben in der Literatur variieren zwischen 24% <strong>und</strong><br />

86 %, aber im Mittel entwickeln circa 50 % aller Patienten<br />

ohne VKB-Ersatz eine klinisch relevante <strong>Arthrose</strong> (Wong et<br />

al, 2012). Entsprechend sollte die Erwartungshaltung sowohl<br />

des Patienten als auch seiner medizinischen Betreuer, was<br />

<strong>Arthrose</strong>vermeidung betrifft, diesen Daten angepasst sein.<br />

Diese Degeneration ist jedoch schleichend <strong>und</strong> kann Jahre<br />

dauern, Jahre während deren die Patienten eine subjektiv gute<br />

Kniegelenksfunktion <strong>und</strong> ein normales Gangbild haben.<br />

Die Entwicklung der <strong>Arthrose</strong> im instabilen Kniegelenk<br />

verläuft in typischen Schritten. Unklar ist der Einfluss des<br />

initialen Traumas, inklusive Hämarthrose <strong>und</strong> subsequenter


22<br />

Inflammation, im Vergleich zur darauffolgen<strong>den</strong> Instabilität.<br />

Ein wichtiger <strong>und</strong> konsistent dokumentierter Aspekt des initialen<br />

Traumas ist die Verletzung des subchondralen Knochens,<br />

die sich in typischen Formen als Ödem im MRI widerspiegelt<br />

(DeAngelis et al, 2010). Wenn auch nicht<br />

komplett, ist dies bereits eine osteochondrale Läsion auf<br />

dem Bo<strong>den</strong>, derer der Knorpel später weiter degeneriert.<br />

Wenn auch nicht experimentell bewiesen, liegt es doch nahe,<br />

dass diese Läsion unabhängig von Stabilität oder Instabilität<br />

die spätere <strong>Arthrose</strong> begünstigt. Im Falle einer tibiofemoralen<br />

Instabilität, sei sie anteroposterior <strong>und</strong>/oder rotatorisch,<br />

kommt es weiter zu pathologischen, dynamischen <strong>und</strong> statischen<br />

Belastungen im Kniegelenk (Meyer et al, 2008).<br />

Diese <strong>können</strong> vorbestehende Defekte vergrössern, aber auch<br />

für sich alleine destruktiv <strong>wir</strong>ken. Wichtig ist hierbei, dass<br />

die rotatorische Komponente eine grössere Zerstörungskraft<br />

hat, weshalb Teil-VKB-Rupturen, die nur das anteromediale<br />

Bündel betreffen, teils bessere Ergebnisse in der konservativen<br />

Behandlung zeigen als solche des posterolateralen<br />

Bündels.<br />

VKB-Ruptur <strong>und</strong> Meniskus<br />

Die wahrscheinlich wichtigste Komorbidität der VKB-Ruptur<br />

ist der Meniskusscha<strong>den</strong>, wobei typischerweise der laterale<br />

Meniskus mit dem VKB zugleich reisst, während der mediale<br />

Meniskus über die Zeit degeneriert. Meniskusschä<strong>den</strong> <strong>können</strong><br />

damit in 27% der akuten Verletzungen <strong>und</strong> bis zu 90 %<br />

der chronischen Instabilitäten beobachtet wer<strong>den</strong> (Hart et al,<br />

1982). In der Entstehung der Gonarthrose, sei es nach VKB-<br />

Ruptur oder auch unabhängig davon, spielt der Meniskus eine<br />

essenzielle Rolle <strong>und</strong> sollte immer in die Beurteilung <strong>und</strong><br />

Behandlungsplanung des Knies eingeschlossen wer<strong>den</strong> – gerade<br />

bei VKB-Insuffizienz.<br />

<strong>Arthrose</strong> nach Meniskusteilentfernung<br />

Der Meniskus für sich ist auch alleine entschei<strong>den</strong>d in der<br />

<strong>Arthrose</strong>entstehung. Aus Menisektomiestudien wissen <strong>wir</strong>,<br />

dass die Prävalenz radiologischer <strong>Arthrose</strong> bis zu 70 % erreichen<br />

kann (Roos et al, 2001). Nach Menisektomie erhöht sich<br />

das <strong>Arthrose</strong>risiko 7-fach im Vergleich zum kontralateralen<br />

Knie (Neyret et al, 1993). Die Kombinationsverletzung VKB<br />

<strong>und</strong> Meniskus ist dementsprechend problematisch.<br />

<strong>Arthrose</strong> nach VKB-Ersatz<br />

In Anbetracht der oben dargelegten Fakten <strong>wir</strong>d heute immer<br />

noch oft ein VKB-Ersatz indiziert, nicht nur um das Knie zu<br />

stabilisieren, sondern um <strong>Arthrose</strong> vorzubeugen. <strong>Arthrose</strong> im<br />

Sinne von Knorpelscha<strong>den</strong> soll hier auch <strong>den</strong> Meniskusscha<strong>den</strong><br />

miteinbeziehen als faserknorpelige Struktur. Die rezente<br />

Literatur zeigt, dass diese Erwartung nicht gerechtfertigt ist.<br />

Wir legen weiter unten die klinischen Erfahrungen detaillierter<br />

dar, aber zusammengefasst haben eine Reihe von Studien<br />

in der jüngsten Vergangenheit gezeigt, dass die <strong>Arthrose</strong>raten<br />

auch nach VKB-Ersatz hoch sind <strong>und</strong> bleiben (Claes et al,<br />

2012; Neuman et al, 2008). Interessanterweise konnte aber<br />

Gegenteiliges für Menisken gezeigt wer<strong>den</strong>. In einer retrospektiven<br />

Analyse von 6500 Soldaten mit VKB-Ruptur konnte<br />

gezeigt wer<strong>den</strong>, dass eine VKB-Rekonstruktion die Rate<br />

Vavken et al.<br />

der Meniskusschä<strong>den</strong> im Vergleich zur konservativen Behandlung<br />

um <strong>den</strong> Faktor 2 reduziert (Dunn et al, 2004). Bekannt<br />

<strong>aus</strong> klinischer Erfahrung ist auch, dass eine Meniskusnaht<br />

mit gleichzeitigem VKB-Ersatz bessere Ergebnisse<br />

zeigt, als eine Meniskusnaht bei intaktem (!) VKB, also primär<br />

stabilem Kniegelenk (Stone et al, 1999). Dies ist in erster<br />

Linie auf die Mobilisation von mesenchymalen Stammzellen<br />

<strong>aus</strong> dem Knochenmark im Rahmen der Tunnelbohrung, vor<br />

allem femoral, zurückzuführen. Ein ähnlicher Effekt kann<br />

durch eine Mikrofrakturierung der Notch während einer Meniskusnaht<br />

provoziert wer<strong>den</strong>.<br />

Klinische Evi<strong>den</strong>z<br />

In der jüngsten Vergangenheit haben grosse klinische Studien<br />

die Frage der Osteoarthrose nach <strong>Kreuzband</strong>, Ersatz systematisch<br />

untersucht <strong>und</strong> gezeigt, dass konträr zur Erwartungshaltung<br />

auch bei <strong>den</strong> <strong>Kreuzband</strong> ersetzen Patienten eine relativ<br />

hohe <strong>Arthrose</strong>rate vorliegt (Claes et al, 2012; Neuman et al,<br />

2008, Oiestad et al, 2010). Auch die Inklusion von Risikofaktoren<br />

wie Meniskusentfernung, Geschlecht, Gewicht oder<br />

Alter hat gezeigt, dass die <strong>Arthrose</strong> nach <strong>Kreuzband</strong>-Ersatz<br />

konsistent <strong>und</strong> unabhängig vorliegt. Zur genauen Analyse<br />

empfehlen <strong>wir</strong> rezente Meta-Analysen sowie zum Beispiel<br />

von Claes et al oder Oiested et al für interessierte Leser <strong>und</strong><br />

möchten hier nur summativ auf die Ergebnisse der Studien<br />

eingehen (Claes et al, 2012; Oiestad et al, 2010)<br />

Der wichtigste Parameter ist nach wie vor die Teilentfernung<br />

des Meniskus <strong>aus</strong> dem Kniegelenk (Shelbourne et al,<br />

2009). So zeigt sich ein Risiko für Osteoarthrose nach VKB-<br />

Ersatz von 16,4% für Patienten ohne Meniskusteilentfernung<br />

<strong>und</strong> von 50,4% für Patienten mit Meniskusresektion (Oiestad<br />

et al, 2010). Dies entspricht einer Odds ratio von 3,54 oder<br />

einer 3,5-fach erhöhten Wahrscheinlichkeit einer <strong>Arthrose</strong><br />

nach VKB-Ersatz im Falle der Entfernung eines Meniskus<br />

(Oiestad et al, 2010). In der kumulativen Analyse zeigt sich<br />

eine Prävalenz von <strong>Arthrose</strong> nach VKB-Ersatz in der Grössenordnung<br />

von 30 % postoperativ. Dies entspricht zwar<br />

nicht solch hohen Zahlen wie in einzelnen Studien angegeben<br />

(Tabelle 1), ist jedoch mit einem von drei Patienten immer<br />

noch klinisch relevant <strong>und</strong> substanziell.<br />

Diese Zahlen lassen jedoch keinen Hinweis auf die K<strong>aus</strong>alität<br />

beziehungsweise Verknüpfung zwischen VKB-Ruptur<br />

<strong>und</strong> nachfolgender <strong>Arthrose</strong> im Kniegelenk ableiten. Die Frage,<br />

ob ein initial gesetzter Knorpelscha<strong>den</strong> unwiederbringlich<br />

zerstört ist, steht nach wie vor im Raum. Es stünde auch die<br />

Möglichkeit im Raum, dass besonders die Patienten mit <strong>den</strong><br />

höchsten Funktionen nach VKB-Ersatz das Kniegelenk übernatürlich<br />

belasten <strong>und</strong> damit eine <strong>Arthrose</strong> produzieren, oder<br />

anders <strong>aus</strong>gedrückt, dass die <strong>Arthrose</strong> erst durch ein besonders<br />

gut funktionierendes Kniegelenk paradoxerweise erreicht<br />

wer<strong>den</strong> kann. Ähnliche Probleme konnten auch in der<br />

<strong>Arthrose</strong> nach Schulterstabilisierung gesehen wer<strong>den</strong>, wo oft<br />

auf der einen Seite eine Hyper-Kompression nach OP einen<br />

Risikofaktor, auf der anderen Seite die Überbelastung der<br />

Schulter nach Wiederherstellung der Stabilität einen anderen<br />

Risikofaktor für spätere <strong>Arthrose</strong> darstellt (Brophy, 2005).<br />

Ein wichtiges Ergebnis, das wiederum die protektive Wirkung<br />

des VKB-Ersatzes auf <strong>den</strong> Gelenkknorpel unterstützt,<br />

ist der Unterschied in <strong>Arthrose</strong>rate bei zeitversetztem Ersatz.<br />

Radiologische Studien haben gezeigt, dass bei verzögertem<br />

VKB-Ersatz, im Vergleich zu akuter Behandlung, eine deutlich<br />

höhere Rate an medialer <strong>Arthrose</strong> besteht, bei jedoch


<strong>Kreuzband</strong> <strong>und</strong> <strong>Arthrose</strong> 23<br />

unveränderter Degeneration des patellofemoral <strong>und</strong> lateralen<br />

Gelenkes (Jomha et al, 1999; Järvela et al, 1999). Dabei ist<br />

besonders hervorzustreichen, dass es sich hier um konventionelle<br />

Bildgebung handelt <strong>und</strong> daher schon fortgeschrittene<br />

<strong>Arthrose</strong> beschrieben <strong>wir</strong>d <strong>und</strong> nicht mehr die biologisch behandelbare<br />

Früharthrose.<br />

Neuigkeiten <strong>aus</strong> dem Tiermodel<br />

Die VKB-Transektion ist eines der am weitverbreitesten<br />

Tiermodelle der chirurgisch induzierten Pangonarthrose.<br />

Durch die gezielte Transektion kommt es zu einer akuten Instabilität,<br />

welche schnell zur <strong>Arthrose</strong> führt. Da diese Degeneration<br />

jedoch weitgehend irreversibel ist, wer<strong>den</strong> diese<br />

VKB-Modelle vor allem für die Erforschung der <strong>Arthrose</strong><br />

selbst verwendet, während fokale Defekte zur Erforschung<br />

der <strong>Arthrose</strong>behandlung bevorzugt wer<strong>den</strong>.<br />

Während Grosstiermodelle sehr verlässliche Modelle für<br />

die humane <strong>Arthrose</strong> sind, gibt es einige wichtige anatomische<br />

Variablen, die in der Interpretation zu berücksichtigen<br />

sind. So ist zum Beispiel im Schafmodel die Sehne des Extensor<br />

Digitorum Longus eine senkrecht verlaufende, intraartikuläre<br />

Struktur <strong>und</strong> damit ein Stabilisator gegen anteroposteriore<br />

Translation. Im H<strong>und</strong> ist das VKB oder eigentlich<br />

das Kraniale <strong>Kreuzband</strong> (KKB) nur ein Ko-Stabilisator, sodass<br />

in der Behandlung der KKB Ruptur auf die Slope-Anpassung<br />

mittels Tibial plateau leveling Osteotomie (TPLO)<br />

<strong>und</strong> die extra-artikuläre Stabilisierung via tibiofabellärem<br />

Ligament gesetzt <strong>wir</strong>d.<br />

Nichtsdestotrotz ist das kanine Model eine wichtige Quelle<br />

für die <strong>Arthrose</strong>forschung aufgr<strong>und</strong> der hohen strukturellen<br />

Homogenität kaniner <strong>und</strong> humaner Metalloproteinasen<br />

(MMPs) <strong>und</strong> des Komplementsystems (Fernihough et al,<br />

2004). Nach <strong>Kreuzband</strong>transektion kommt es hier binnen 8<br />

Wochen zur Osteophytenbildung <strong>und</strong> Knorpelerosion in allen<br />

Kompartimenten. In rezenten Studien konnte hier die wichtige<br />

Rolle des TGF-β-MMP-13 Pathway <strong>und</strong> die mehr oder<br />

minder sofortige Erhöhung von Knorpelabbaumarkern in der<br />

Gelenkflüssigkeit nach <strong>Kreuzband</strong>transektion gezeigt wer<strong>den</strong><br />

(Moreau et al, 2011). Ganz besonders interessant ist, dass sowohl<br />

nach Transektion als auch nach Setzen eines fokalen<br />

Defektes ähnliche Veränderungen im Proteoglykanmetabolismus<br />

<strong>und</strong> MMP Levels auftreten. Dies weisst auf Gemeinsamkeiten<br />

in der <strong>Arthrose</strong>entstehung hin, die therapeutisch genutzt<br />

wer<strong>den</strong> könnten (Marijnissen et al, 2002).<br />

Zwei weitere wichtige Faktoren konnten in Hasen- <strong>und</strong><br />

Schafstudien gezeigt wer<strong>den</strong>. Im Hasenmodel der VKB-Transektion<br />

konnte VEGF als wichtiger Faktor in der Osteophytenformation<br />

i<strong>den</strong>tifiziert wer<strong>den</strong> (Hashimoto et al, 2002).<br />

Das ist auch biologisch pl<strong>aus</strong>ibel, da VEGF auf der einen<br />

Seite MMP-1- <strong>und</strong> MMP-3-induziert <strong>und</strong> so mit dem TGFβ-MMP-13<br />

Pathway der <strong>Arthrose</strong> verknüpft ist, als dass es<br />

auch in der Zone der Kalzifikation in der Wachstumsfuge<br />

hoch expremiert <strong>wir</strong>d. In Schafstudien wiederum konnte gezeigt<br />

wer<strong>den</strong>, dass die Oberflächenlubrikation des Knorpels<br />

nach <strong>Kreuzband</strong>transektion oder Menisektomie gestört ist<br />

(Young et al, 2006). Dies unterstützt die positiven Ergebnisse,<br />

die mit Hyaluronsäure <strong>und</strong> ähnlichen Produkten in instabilen<br />

<strong>Arthrose</strong>n gesehen wur<strong>den</strong> (Chau et al, 2012).<br />

Tabelle 1: <strong>Arthrose</strong> mit <strong>und</strong> ohne Teilmeniskusentfernung (TME)<br />

Autor Jahr Grafttyp<br />

Nachuntersuchung<br />

(Jahre)<br />

OA (%)<br />

total<br />

TME (%)<br />

OA (%)<br />

ohne TME<br />

OA (%)<br />

mit Tme<br />

Cohen 2007 BTB 11 79 66 67 85<br />

Drogset 2006 BTB 16 12 – – –<br />

Fink 2001 BTB 11 50 – – –<br />

Hertel 2005 BTB 11 24 48 11 38<br />

Kessler 2008 BTB 11 3 0 3<br />

Lebel 2008 BTB 12 18 34 9 35<br />

Lerat 1998 BTB + ITB 12 15 53 5 23<br />

Lohmander 2004 BTB 12 56 – – –<br />

Meuffels 2009 BTB 10 48 68 – –<br />

Meystre 1998 HS + ITB 10 18 44 0 42<br />

Oiestad 2010 BTB 12 73 59 57 85<br />

Pernin 2010 BTB + ITB 25 54 52 39 69<br />

Pinczewski 2007 BTB oder HS 10 2 – – –<br />

Salmon 2006 BTB 13 21 – – –<br />

Seon 2006 BTB 11 43 57 20 61<br />

Shlebourne 2009 BTB 14 10 49 7 13<br />

BTB = bone-tendon-bone, HS = hamstring, OA = Osteoarthrose, TME = Teilmenisektomie


24<br />

Zusammenfassung<br />

Die Ruptur des VKB stellt ein essenzielles Problem für die<br />

Kniestabilität dar. Die resultierende Instabilität ist ein Problem<br />

für sich <strong>und</strong> kann als solches sehr erfolgreich chirurgisch<br />

behandelt wer<strong>den</strong>. Die resultierende Instabilität stellt aber<br />

auch einen Risikofaktor für Knorpel- <strong>und</strong> Meniskusscha<strong>den</strong><br />

dar. Die chirurgische Stabilisierung des Knies hat zwar positive<br />

Effekte für <strong>den</strong> Meniskus, kann aber die <strong>Arthrose</strong> nur<br />

begrenzt aufhalten. Die Langzeitarthroserate nach VKB-Ersatz<br />

ist mit knapp 30 % zwar nicht so hoch, wie in einzelnen<br />

Studien angegeben, aber doch klinisch relevant. In Verbindung<br />

mit einer Meniskusproblematik kann diese Rate auch<br />

bis 50 % ansteigen. Wir empfehlen im Gespräch mit dem Patienten,<br />

auf diese Fakten einzugehen.<br />

Korrespon<strong>den</strong>z an:<br />

PD Dr. med. Geert Pagenstert, Leitender Arzt, Orthopädische<br />

Universitätsklinik Basel, Universitätsspital Basel, Spitalstr. 21,<br />

4031 Basel, geert.pagenstert@usb.ch, Tel. +41 61 265 78 00<br />

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