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Hausbesuchspauschalen richtig kalkulieren

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Dipl. Kaufmann, Organisationsberater und Sachverständiger<br />

für ambulante Pflegedienste 1<br />

Die Kalkulation von <strong>Hausbesuchspauschalen</strong> im Rahmen<br />

einer Zeitvergütung<br />

Jeder Pflegedienst sollte eine andere, eigene Pauschale berechnen<br />

In PDL-Praxis 03/2011 berichteten wir schon über Fahrt- und Wegezeiten, und wie diese<br />

ermittelt werden für die Personal-Einsatz-Planung. Nun, im Zuge der Diskussion über die<br />

Neuberechnung der <strong>Hausbesuchspauschalen</strong> (HBP) im Rahmen des Pflege-<br />

Neuausrichtungsgesetz [PNG], erfährt die <strong>richtig</strong>e Kalkulation und die Bestimmung des<br />

Preises für die Vergütung der <strong>Hausbesuchspauschalen</strong> eine neue Bedeutung.<br />

Die <strong>Hausbesuchspauschalen</strong> sind sehr wichtig für die Ertragslage des<br />

Pflegedienstes<br />

Die <strong>Hausbesuchspauschalen</strong> (oder Einsatz- oder Fahrtpauschalen, wie sie auch<br />

mancherorts genannt werden) sind die „am häufigsten erbrachten Leistungen“ eines<br />

Pflegedienstes, teilweise erbringen die <strong>Hausbesuchspauschalen</strong> um die 40% des<br />

Gesamtumsatzes. Deshalb müssen die <strong>Hausbesuchspauschalen</strong> <strong>richtig</strong> kalkuliert sein.<br />

Aber auch in den Bundesländern, bei denen die Fahrt- und Wegezeiten schon in den Preisen<br />

für die Leistungskomplexe enthalten sind, sollte die neue Zeitvergütung umso genauer<br />

berechnet werden, da die Kosten für Fahrt- und Wegezeiten dann <strong>richtig</strong> kalkuliert sein<br />

müssen.<br />

Stundensätze, also ein Zeitvergütung, müssen exakt kalkuliert sein, denn eine Stunde hat 60<br />

Minuten. Sollte der Preis für die Stunde zu niedrig bemessen sein, führt dies automatisch zu<br />

großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten, weil es keine betriebsinternen „Puffer“ mehr gibt, so<br />

wie bisher bei einer Abrechnung mit Leistungskomplexen.<br />

Die Definition von Fahrt- und Wege-Zeiten<br />

Die Fahrt- und Wegzeiten sind die Arbeitszeiten,<br />

die vom Pflegedienst bis zum ersten Patienten anfallen,<br />

die von Patient zu Patient anfallen,<br />

die vom letzten Patienten bis zum Pflegedienst anfallen.<br />

Sollte eine Mitarbeiterin von ihrer Wohnung aus den ersten Patienten anfahren, gilt dies in<br />

der Regel nicht als Arbeitszeit und demnach auch nicht als Fahrt- und Wegezeit. Sollte die<br />

Mitarbeiterin nach dem letzten Patienten nach Hause fahren, so ist dies ebenfalls nicht als<br />

Arbeitszeit bzw. auch nicht als Fahrt- und Wegezeit zu werten.<br />

Die Mitarbeiter müssen nicht zwangsläufig mit einem Fahrzeug fahren, auch Wegzeiten zu<br />

Fuß, mit dem Fahrrad oder sogar mit dem Bus fallen in die Kategorie der Fahrt- und<br />

Wegezeiten.<br />

Die Erfassung der Weg- und Fahrtzeit endet beim Betreten der Wohnung und beginnt beim<br />

Verlassen der Wohnung des Patienten [bzw. des Pflegedienstes]. Entweder notiert sich die<br />

Mitarbeiterin die exakte Uhrzeit beim Betreten und Verlassen der Wohnung, oder sie erfüllt<br />

diese Aufgabe mit einem mobilen Erfassungsgerät.<br />

© Thomas Sießegger in PDL-Praxis 06 // 2013 Supplement zur Fachzeitschrift HÄUSLICHE PLFLGE Juni 2013


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für ambulante Pflegedienste 2<br />

Das Wichtigste: <strong>Hausbesuchspauschalen</strong> müssen unbedingt individuell pro<br />

Pflegedienst verhandelt und vereinbart werden<br />

Der Gesetzgeber sieht in § 89 Abs. 3 SGB XI vor, dass die Einsatz-, Wege-, Fahrt- oder<br />

<strong>Hausbesuchspauschalen</strong> gesondert vereinbart und berechnet werden können. Die Kosten für<br />

die Einsätze, Wege, Fahrten oder Hausbesuche können jedoch auch schon in den<br />

Vergütungen für die Leistungskomplexe enthalten sein.<br />

Beide Ansätze sind möglich, jedoch müssen für beide Alternativen die <strong>richtig</strong>en<br />

mathematischen Ansätze gewählt werden.<br />

Berechnung von<br />

<strong>Hausbesuchspauschalen</strong><br />

Für die Kalkulation der Stundensätze müssten<br />

dann die aus dem Kalkulationsmodell<br />

bekannten „C-Stunden“ verwendet werden.<br />

Dauert der durchschnittliche Weg von einem<br />

Kunden zum anderen z.B. 6 Minuten, und der<br />

Stundensatz liegt bei 45,00 Euro, so müsste<br />

für die HBP ein Preis von 4,50 Euro verlangt<br />

werden.<br />

Die <strong>Hausbesuchspauschalen</strong> würden von<br />

jedem Kunden verlangt werden, auch wenn er<br />

(zufällig) nebenan wohnt.<br />

Integration der Kosten für die Fahrt- und<br />

Wegezeiten in die Zeitvergütung<br />

Auch die Integration der Kosten für Fahrt- und<br />

Wegezeiten darf keine Benachteiligung der Kunden<br />

mit sich bringen, welche weiter entfernt wohnen.<br />

Für die Kalkulation der Stundensätze müssten dann<br />

die aus dem Kalkulationsmodell bekannten „D-<br />

Stunden“ verwendet werden.<br />

Die „gefühlten“ Stundenpreise wären deutlich höher<br />

(ca. 25%) als die nebenan beschriebenen Preise.<br />

Der Stundensatz läge dann z.B. bei 72,00 Euro pro<br />

Stunde. Dauert ein Einsatz 20 Min., würde der<br />

Pflegedienst dafür 24,00 Euro verlangen, inkl. den<br />

Kosten für die Fahrt- und Wegezeiten.<br />

Die entscheidende Frage ist, wie individuell für jeden einzelnen Pflegedienst die<br />

<strong>Hausbesuchspauschalen</strong> ermittelt bzw. kalkuliert werden?<br />

Es ist nicht möglich und nicht betriebswirtschaftlich sinnvoll, eine landesweit einheitliche<br />

Pauschale zu bestimmen. Diese Vorgehensweise widerspricht in eklatanter Weise einer<br />

„wirtschaftlichen Betriebsführung“ und damit den Anforderungen des § 89 der<br />

Pflegeversicherung. Eine zu gering bemessene Hausbesuchspauschale kann schnell zu<br />

wirtschaftlichen Schwierigkeiten und sogar zur Insolvenz eines Pflegedienstes führen.<br />

Folglich sollte ein Pflegedienst mit durchschnittlich geringer Fahrt- und Wegezeit (z.B. in<br />

einem Gebiet mit einer Anlage des Betreuten Wohnens) eine geringere<br />

Hausbesuchspauschale erhalten als ein Pflegedienst des gleichen Bundeslandes, der in<br />

einer Stadt oder im ländlichen Bereich tätig ist.<br />

Die individuelle Berechnung und Verhandlung von Fahrt- und Wegezeiten für die<br />

<strong>Hausbesuchspauschalen</strong> haben demnach innerhalb eines Bundeslandes deutlich<br />

differenzierte und individuelle <strong>Hausbesuchspauschalen</strong> zur Folge.<br />

In beiden Fällen wird klar, dass es eine individuelle Berücksichtigung der realen Fahrt- und<br />

Wegezeiten für alle Pflegedienste geben muß.<br />

Dieser Fakt schließt Verhandlungen auf Landesebene mit einem einheitlichen Ergebnis für<br />

die <strong>Hausbesuchspauschalen</strong> de facto aus.<br />

© Thomas Sießegger in PDL-Praxis 06 // 2013 Supplement zur Fachzeitschrift HÄUSLICHE PLFLGE Juni 2013


Dipl. Kaufmann, Organisationsberater und Sachverständiger<br />

für ambulante Pflegedienste 3<br />

Auf keinen Fall dürfen die Fahrt- und Wegezeiten personalisiert den Kunden<br />

berechnet werden<br />

Die Fahrt- und Wegezeiten müssen den Kunden berechnet werden. Dies dürfen jedoch nicht<br />

die individuellen Fahrt- und Wegezeiten sein. Auf keinen Fall dürfen die Fahrt- und<br />

Wegezeiten personalisiert den Kunden berechnet werden, denn diese können „nichts dafür“<br />

wie Sie die Personal-Einsatz-Planung gestalten.<br />

Pflegedienst<br />

Eckdaten für die<br />

Personal-Einsatz-Planung:<br />

Weg vom Dienst zum Kunden A = 13 Min.<br />

Start<br />

usw.<br />

Weg vom Kunden A zu Kunde B = 1 Min.<br />

Weg zu den Kunden<br />

A und B<br />

E<br />

Fahrt zu E<br />

= 2 Min.<br />

Weg vom Kunden B zu Kunde C = 7 Min.<br />

Weg vom Kunden C zu Kunde D = 3 Min.<br />

Weg vom Kunden D zu Kunde E = 2 Min.<br />

D<br />

Fahrt zu D<br />

= 3 Min.<br />

Durchschnittliche Fahrt- und Wegezeit<br />

für diese Tour = 6,5 Min. (dies geht nicht aus<br />

diesen hier aufgezeigten Fahrt- und Wegezeiten<br />

hervor, sondern ist eine<br />

Durchschnittsberechnung über die ganze<br />

Tour.<br />

Kunden<br />

A B<br />

C<br />

Fahrt zu C<br />

= 7 Min.<br />

Eckdaten für die<br />

Berechnung der<br />

Hausbesuchspauschale:<br />

Fahrt zu A<br />

= 13 Min.<br />

Fußweg zu B<br />

= 1 Min.<br />

Durchschnittliche Fahrt- und Wegezeit<br />

für den gesamten Pflegedienst<br />

= 7,0 Min. (dies geht nicht aus diesen hier<br />

aufgezeigten Fahrt- und Wegezeiten hervor, sondern<br />

ist eine Durchschnittsberechnung für<br />

den gesamten Pflegedienst.<br />

© Sießegger<br />

An diesem Beispiel im Schaubild wird deutlich, dass die Fahrt zum Kunden A (13 Min.) und<br />

danach der Weg zu Kunde B (1 Min.) nicht individuell den Kunden A und B berechnet werden<br />

sollte. Eine Hausbesuchspauschale bemisst sich immer an der durchschnittlichen Fahrt- und<br />

Wegezeit des gesamten Pflegedienstes.<br />

PDLpraxis-Tipps<br />

(1) Für die Kalkulation der Kosten für Fahrt- und<br />

Wegezeiten bietet sich nur eine Pauschale an,<br />

oder die Kosten werden im Stundensatz<br />

integriert. Eine individuelle minutiöse<br />

Berechnung gegenüber dem Kunden darf nicht<br />

erfolgen, da die Fahrt- und Wegezeiten ein<br />

Produkt der Personal-Einsatz-Planung sind.<br />

(2) Bei der Kalkulation der<br />

<strong>Hausbesuchspauschalen</strong> für das SGB XI dürfen<br />

die Investitionskosten gem. § 82 Abs. 2 SGB XI<br />

nicht mit eingerechnet werden. Deshalb sind sie<br />

niedriger als vergleichbare<br />

<strong>Hausbesuchspauschalen</strong> im SGB V.<br />

(3) <strong>Hausbesuchspauschalen</strong> für<br />

Privatzahlerleistungen können Sie zwar frei<br />

bestimmen. Aufgrund der Transparenz<br />

gegenüber den Kunden sollten Sie diese jedoch<br />

den <strong>Hausbesuchspauschalen</strong> im SGB V<br />

anpassen (also inklusive Berücksichtigung der<br />

Investitionskosten gem. § 82 Abs. 2 SGB XI).<br />

(4) Ermitteln Sie für einen vergangenen Monat<br />

(z.B. Mai 2013) die gesamten Fahrt- und<br />

Wegezeiten. Dividieren Sie diese Stunden<br />

durch die Gesamtanzahl der Hausbesuche, die<br />

ebenfalls in dem vergangenen Monat erbracht<br />

wurden. So erhalten Sie die durchschnittliche<br />

Fahrt- und Wegezeit, die für die Berechung der<br />

<strong>Hausbesuchspauschalen</strong> relevant sind.<br />

Thomas Sießegger<br />

Dipl. Kfm., Organisationsberater und Sachverständiger für<br />

ambulante Pflegedienste<br />

Internet: www.siessegger.de<br />

Email: pdl-praxis@siessegger.de<br />

© Thomas Sießegger in PDL-Praxis 06 // 2013 Supplement zur Fachzeitschrift HÄUSLICHE PLFLGE Juni 2013

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