14.07.2014 Aufrufe

Erfahrung und Bewältigung von sozialer Ausgrenzung in der ...

Erfahrung und Bewältigung von sozialer Ausgrenzung in der ...

Erfahrung und Bewältigung von sozialer Ausgrenzung in der ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

54 SOFI-Mitteilungen Nr. 29/2001 Soziale <strong>Ausgrenzung</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Großstadt<br />

gegrenzten geschil<strong>der</strong>t. Die Normen <strong>und</strong> Standards<br />

e<strong>in</strong>er auf Erwerbstätigkeit ausgerichteten Gesellschaft<br />

s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Mümmelmannsberg ke<strong>in</strong>eswegs aufgehoben.<br />

Die E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>in</strong> das Erwerbsleben hat nicht an Selbstverständlichkeit<br />

verloren. Die eigene materielle <strong>und</strong> soziale<br />

Benachteiligung fällt auf. Vor Ort wird den arbeitslosen<br />

Frauen immer wie<strong>der</strong> vor Augen geführt,<br />

dass sie sich im Vergleich zu an<strong>der</strong>en <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er labilen<br />

<strong>und</strong> angespannten Lage bef<strong>in</strong>den. Im Wohnquartier f<strong>in</strong>den<br />

sie soziale, <strong>in</strong>stitutionelle <strong>und</strong> familiäre Unterstützung,<br />

aber ke<strong>in</strong> schützendes soziales Milieu.<br />

We<strong>der</strong> auf familiäre Unterstützung noch auf tragende<br />

Sozialbeziehungen <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es verb<strong>in</strong>denden Sozialmilieus<br />

können die arbeitslosen Männer <strong>von</strong> Mümmelmannsberg<br />

zurückgreifen. Das Quartier ist für sie e<strong>in</strong><br />

Ort <strong>der</strong> Isolation. Das hat zum e<strong>in</strong>en mit ihrer Lebensform<br />

zu tun. Im Unterschied zu den arbeitslosen Frauen<br />

lebt die große Mehrheit <strong>der</strong> arbeitslosen Männer alle<strong>in</strong>.<br />

Zum an<strong>der</strong>en tragen aber auch die funktionelle Ausrichtung<br />

<strong>und</strong> die Infrastruktur des Wohnviertels zur Vere<strong>in</strong>zelung<br />

bei. Diese arbeitslosen Männer leiden darunter,<br />

dass Mümmelmannsberg als Wohnsiedlung für e<strong>in</strong>e Lebensweise<br />

unter den Bed<strong>in</strong>gungen <strong>der</strong> Vollbeschäftigung<br />

geplant wurde (vgl. Häußermann/Siebel 2000:<br />

132), also für den tagsüber abwesenden <strong>und</strong> erwerbstätigen<br />

Mann <strong>und</strong> Familienernährer, <strong>der</strong> sich nur nach<br />

Feierabend <strong>in</strong> <strong>der</strong> Siedlung aufhält. E<strong>in</strong>e permanente<br />

Anwesenheit jüngerer <strong>und</strong> älterer Männer sieht die wirtschaftliche<br />

<strong>und</strong> soziale Infrastruktur <strong>der</strong> Siedlung nicht<br />

vor. Den arbeitslosen Männern stehen daher ke<strong>in</strong>e Aufenthaltsorte<br />

<strong>und</strong> ke<strong>in</strong>e sozialen Rollen zur Verfügung,<br />

die ihren Rückzug <strong>in</strong> die Isolation verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n könnten.<br />

Sie s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>richtung des Stadtteils anzutreffen.<br />

Das ist ke<strong>in</strong> W<strong>und</strong>er, denn ke<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>richtung ist für sie<br />

vorgesehen. Das dicht geknüpfte Netzwerk an Institutionen<br />

richtet sich an Jugendliche <strong>und</strong> an Frauen mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n.<br />

In Mümmelmannsberg fehlt darüber h<strong>in</strong>aus - im<br />

Unterschied zu St. Pauli - e<strong>in</strong>e stadtteilbezogene Ökonomie,<br />

die Gelegenheitsarbeiten <strong>und</strong> soziale Anlaufpunkte<br />

bietet. Auch handwerkliche Aktivitäten im Rahmen <strong>der</strong><br />

Nachbarschaftshilfe spielen <strong>in</strong> Mümmelmannsberg ke<strong>in</strong>e<br />

große Rolle. Gegenseitige Hilfe wird <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong><br />

Familie o<strong>der</strong> Verwandtschaft organisiert o<strong>der</strong> man wendet<br />

sich bei Problemen an die Wohnungsbaugesellschaft<br />

<strong>und</strong> ihre Hausmeister. Insgesamt bietet das Quartier<br />

kaum Platz für die Schattenökonomie <strong>und</strong> wenig Gelegenheit<br />

zu e<strong>in</strong>em öffentlichen Leben außerhalb organisierter<br />

Stadtteilfeste.<br />

Das Leben im Viertel wird <strong>von</strong> Müttern mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

beim E<strong>in</strong>kaufen o<strong>der</strong> am Spielplatz bestimmt sowie <strong>von</strong><br />

Jugendlichen auf ihrem morgendlichen o<strong>der</strong> nachmittäglichen<br />

Schulweg. Die arbeitslosen Männer treten im<br />

öffentlichen Raum nicht auf. Der Verlust <strong>der</strong> Erwerbsarbeit<br />

<strong>und</strong> die Infrastruktur des Stadtteils zw<strong>in</strong>gt sie <strong>in</strong><br />

ihre eigenen vier Wände. Sie meiden den Weg „nach<br />

draußen“. Die Folgen <strong>von</strong> Arbeitslosigkeit, Drogenabhängigkeit<br />

<strong>und</strong> Armut bleiben auf diese Weise <strong>in</strong> Mümmelmannsberg<br />

weitgehend unsichtbar o<strong>der</strong> konzentrieren<br />

sich auf bestimmte Wohnblocks o<strong>der</strong> Straßenzüge.<br />

In Mümmelmannsberg zu wohnen, bedeutet für die<br />

Mehrheit <strong>der</strong> arbeitslosen Männer, e<strong>in</strong>sam zu se<strong>in</strong>. Dabei<br />

nehmen sie ganz im Gegensatz zu den Frauen den<br />

Stadtteil durchaus als e<strong>in</strong> „Armutsquartier“ wahr, <strong>in</strong><br />

dem viele „gescheiterte (Männer-)Existenzen“ leben, für<br />

die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeitswelt ke<strong>in</strong> Platz mehr ist. Das Wissen<br />

um die Ähnlichkeit <strong>der</strong> Lebenssituationen alle<strong>in</strong> schafft<br />

aber noch ke<strong>in</strong>e durch regelmäßige Kontakte geknüpfte<br />

<strong>und</strong> aufrechterhaltene B<strong>in</strong>dungen. Denn dazu fehlen die<br />

Anlässe, die wie<strong>der</strong>um formell wie <strong>in</strong>formell <strong>in</strong>stitutionalisierter<br />

Rahmenbed<strong>in</strong>gungen bedürfen. Die bloße<br />

Gegenwart an<strong>der</strong>er Arbeitsloser <strong>und</strong> Armer im Quartier<br />

br<strong>in</strong>gt dann die Trostlosigkeit <strong>der</strong> eigenen Lage nur<br />

noch schärfer zu Bewusstse<strong>in</strong>. Dies gilt umso mehr, als<br />

Mümmelmannsberg trotz <strong>der</strong> stigmatisierenden Stereotype,<br />

die über dieses Viertel <strong>in</strong>nerhalb Hamburgs im<br />

Umlauf s<strong>in</strong>d, für die Mehrheit <strong>der</strong> Bewohner durchaus<br />

die ihm e<strong>in</strong>mal zugedachte Funktion erfüllt. Die Leerstände<br />

s<strong>in</strong>d stark zurückgegangen, <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>gang des<br />

Viertels <strong>in</strong> den 80er Jahren wurde aufgefangen, <strong>der</strong><br />

Traum vom quasi-suburbanen Wohnen auch bei kle<strong>in</strong>erem<br />

<strong>und</strong> mittlerem E<strong>in</strong>kommen lässt sich für viele Erwerbstätige<br />

hier noch immer realisieren. Dagegen hebt<br />

sich e<strong>in</strong> Leben <strong>in</strong> Arbeitslosigkeit beson<strong>der</strong>s deutlich ab.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!