Holger Alda - SOFI
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Text für das Forschungskolloquium des<br />
Soziologischen Forschungsinstituts (<strong>SOFI</strong>)<br />
am 23.11.2007<br />
Globalisierung, technischer Fortschritt und<br />
die sozioökonomischen Profile von<br />
westdeutschen Betrieben im Jahr 2004<br />
– Eine sozioökonomische Betriebstypologie mit linked employeremployee<br />
Daten und Analysen zu ihren Determinanten –<br />
<strong>Holger</strong> <strong>Alda</strong> 1<br />
1 Soziologisches Forschungsinstitut (<strong>SOFI</strong>) an der Georg-August-Universität Göttingen. Der Beitrag ist im<br />
Rahmen des Projekts „Zweiter Bericht zur sozioökonomischen Entwicklung in Deutschland“ entstanden,<br />
das mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird. Der Inhalt<br />
liegt in alleiniger Verantwortung des Autors. Dem Team des Forschungsdatenzentrums der Bundesagentur<br />
für Arbeit im Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, insbesondere Dr. Peter Jacobebbinghaus, wird<br />
für ihre Unterstützung gedankt. Über diesen Beitrag hinausgehende Ergebnisse zu den Betriebstypologien<br />
(etwa für Ostdeutschland) und hier nicht ausführlicher dokumentierte Vorgehensweisen befinden sich auf<br />
den Webseiten www.soeb.de (Abteilung III; Kapitel 16). Die Bezeichnung von Personen und Personengruppen<br />
meint auch in grammatikalisch männlicher Form stets Frauen und Männer.
2<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
1. Einleitung 5<br />
2. Betriebe im Nexus von ökonomischer Wettbewerbsfähigkeit und<br />
sozio-ökonomischen Umwandlungsfaktoren 7<br />
3. Datenbasis, Operationalisierung und Methodik der Betriebstypisierung 13<br />
4. Sozioökonomische Profile der Betriebstypen und ihr Abdeckungsgrad<br />
über Betriebe und Beschäftigte 18<br />
5. Bestimmungsgründe der Betriebstypen 26<br />
6. Wertung und Forschungsausblick 39<br />
Literatur 42<br />
Anhang 45
3<br />
Kurzfassung<br />
Der derzeitige Wandel der Arbeitslandschaft wird häufig als betriebliche Reaktion auf die<br />
Globalisierung der Produkt- und Absatzmärkte begriffen. Längere und ausdifferenzierte<br />
Wertschöpfungsketten tragen ebenso wie organisatorische Änderungen und der technologische<br />
Wandel zu Veränderungen der Struktur der betrieblichen Arbeitskräftenachfrage bei.<br />
Dieser Beitrag fragt, welche sozioökonomischen Betriebstypen sich aus diesen Veränderungen<br />
herauskristallisieren und inwiefern dies von wettbewerbsrelevanten Faktoren aus dem<br />
ökonomischen Umfeld abhängt.<br />
Mit der Betriebstypologie wird das sozioökonomische Profil der westdeutschen Betriebslandschaft<br />
anhand ihrer innerbetrieblichen Strukturen der Löhne und Gehälter, der Beschäftigungsstabilität<br />
sowie der eingesetzten betrieblichen Qualifikationsprofile beschrieben. Mit der<br />
Bestimmung und Beschreibung der Betriebstypen werden typische sozioökonomische Chancen<br />
und Risiken der dort jeweils Beschäftigten ausgedrückt. Die empirischen Analysen zeigen,<br />
dass sich viele der neuen Erscheinungsformen von Beschäftigung und Arbeit nachweisen<br />
lassen, ihre Bedeutung für das (nationale) Wirtschaftssystem und Sozialmodell aber teilweise<br />
überschätzt wird.<br />
An die Beschreibung schließt sich eine Determinantenanalyse mit multinominalen Logit-<br />
Regressionen an. Die Folgen der Globalisierung für die Herausbildung ausgewählter sozioökonomischer<br />
Betriebstypen werden am Beispiel des betrieblichen Exportanteils in Verbindung<br />
mit der Auslandskontrolle von (west-)deutschen Betrieben verdeutlicht. Der technologische<br />
Wandel wird am Beispiel des betrieblichen Angebots von E-Learning im Zusammenhang<br />
mit den betrieblich getätigten Investitionen in Informations- und Kommunikationstechnologie<br />
untersucht.<br />
In den Simulationsrechnungen führt die Globalisierung zum vermehrten Auftreten von insbesondere<br />
Hoch- und in geringerem Ausmaß auch Niedriglohnbetrieben, während traditionellfordistisch<br />
strukturierte Betriebe seltener werden. Der technologische Fortschritt führt ebenfalls<br />
zu mehr Hochlohnbetrieben, aber es wird auch die Ausbreitung des fordistischen<br />
Betriebstyps begünstigt. Spiegelbildlich dazu geht der Anteil der Niedriglohnbetriebe zurück.
4<br />
Globalization, Technological Change and the socio-economic Profiles of<br />
West German Firms in the year 2004<br />
– a socio-economic firm typology based on linked employer-employee data and<br />
analyses of its determinants –<br />
Abstract<br />
Changes of employment and work are often suggested to be linked to the globalization of sale<br />
and product markets. More differentiated value added chains change the structure of firms’<br />
employment and work as well as organizational and technological change does. The paper<br />
asks what typical combinations of firms’ socio-economic outcomes arise and whether and<br />
how they are determined by competitive economic activities on firm level.<br />
A socio-economic firm typology is introduced in order to describe the within-profile of West<br />
German firms in terms of wages, job stability, and firms’ skill structure showing typical<br />
socio-economic chances and risks of West German employees in the year 2004. The empirical<br />
results show that much of the nowadays discussed shaping of employment and work is<br />
obvious, but its meaning for the (national) economic system and social model seems to be<br />
sometimes overestimated.<br />
Beyond the descriptive analyses, multinominal logit regressions identify the determinants of<br />
several firm types focussing on nowadays competitive aspects of firms’ economic activities.<br />
Globalization for example is reflected by investigating the effects of foreign ownership and<br />
export shares on firm level on the (predicted) incidence ratios of firm types. Technological<br />
change is measured via the firms’ offer of E-Learning combined with the investments in<br />
information and communication technology (ITC).<br />
The simulations show that globalization promotes observing an increasing number of high<br />
wage firms and – to a lower extent – also low wage firms, while the incidence ratios of firms<br />
with a traditional fordistic work organization become lower. Technological change increases<br />
not only the likelihood of observing more high wage firms, but also of fordistic firms, while<br />
with firms’ higher investments in ITC the likelihood of observing low wage firms decreases.<br />
JEL-Codes: C21, D21, D31, J21, J23, J31, J63, L22, L25, M51
5<br />
1. Einleitung<br />
Mit der (Re-)Formulierung ihrer beschäftigungspolitischen Ziele ab der Lissabon-Strategie<br />
erkennt die Europäische Union die in erster Linie durch die Globalisierung hervorgerufenen<br />
Veränderungen der Arbeitslandschaft in ihren Mitgliedsstaaten an. EU-Bürger sollen – unter<br />
anderem – über ihre Teilhabe am Erwerbsleben in die Lage versetzt werden, ein „selbst<br />
bestimmtes Leben führen zu können“, das – neben ihrer (aktuellen) Erwerbsbeteiligung –<br />
kulturelle, politische und soziale Teilhabe ermöglicht. Die Lissabon-Strategie beispielsweise<br />
sprach in diesem Zusammenhang von „einer neuen Gesellschaft mit besseren individuellen<br />
Wahlmöglichkeiten für Frauen und Männer“ (EU-Komission, 2000).<br />
Nun ist für die sozialen Handlungsspielräume und Wahlmöglichkeiten von Erwerbspersonen<br />
sowie für ihre gegenwärtigen und zukünftigen Beschäftigungschancen ein nicht unbeachtliches<br />
Zusammenspiel verschiedenster Faktoren erforderlich, die nur teilweise im Umfeld von<br />
Arbeit und Beschäftigung anzusiedeln sind. Aber oft setzt kulturelle, politische und soziale<br />
Teilhabe ein gewisses Mindesteinkommen (und dessen Erwartbarkeit) durch ökonomische<br />
Teilhabe voraus, und die meisten Menschen realisieren diese über Erwerbsarbeit bzw. über an<br />
sie gekoppelte Sozialversicherungsansprüche. Demnach kann einerseits nicht vernachlässigt<br />
werden, was sich an derzeitigen Veränderungen innerhalb der Erwerbsarbeit vollzieht, aber<br />
andererseits auch nicht, welche Auswirkungen diese Veränderungen auf die Handlungsspielräume<br />
und Wahlmöglichkeiten von Personen und Haushalten haben.<br />
Konzepte beispielsweise zum lebenslangen Lernen (LLL) oder der Beschäftigungsfähigkeit<br />
(„employability“) verweisen darauf, dass in zunehmendem Ausmaß die derzeit ausgeübte<br />
Arbeitstätigkeit über zukünftige Beschäftigungschancen entscheidet, denn die im Arbeitsalltag<br />
oder über Weiterbildung erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten haben gegenüber den in<br />
der Erstausbildung vermittelten deutlich an Bedeutung gewonnen. Als Ursache dieser Entwicklung<br />
werden oft der nicht qualifikationsneutrale technologische und organisatorische<br />
Wandel sowie die Globalisierung genannt 2 .<br />
Daraus lassen sich zwei recht grundlegende Hypothesen über den Strukturwandel des (deutschen)<br />
Beschäftigungssystems ableiten. Erstens scheint das Leitbild tayloristisch-fordistischer<br />
Massenproduktion (z.B. Wittke, 1996), wie sie noch in den siebziger Jahre in deutschen Betrieben<br />
die Regel war, immer weniger Struktur gebend zu sein. An die Stelle hoch vertikal<br />
organisierter Großbetriebe treten zunehmend kleinere, die sich vermehrt auf ihr Kerngeschäft<br />
konzentrieren und demnach überwiegend ähnlich qualifizierte Mitarbeiter beschäftigen.<br />
Zweitens ist eine zunehmende Auftrennung der Betriebslandschaft in Betriebe mit deutlich<br />
voneinander abgrenzbaren Lohn- und Qualifikationsprofilen (Hoch- und Niedriglohnbetriebe)<br />
zu erwarten. Der Großbetrieb verliert also – trotz starker Tendenzen zu einer Unternehmenskonzentration<br />
– zugunsten dezentraler (mittel-/ kleinbetrieblicher) und zunehmend auch virtueller<br />
oder telekooperativer Formen an Bedeutung (Sauer/Döhl, 1997; Sauer/ Kratzer, 2005).<br />
2 Stellvertretend für viele: Kölling/ Schank (2002), Bauer/ Bender (2004), Jacobebbinghaus/Zwick (2002).
6<br />
Zu fragen ist vor diesem Hintergrund mindestens zweierlei. Erstens, welche Bedeutung<br />
kommt heute fordistischer Arbeitsorganisation auf der Betriebsebene zu? Inwiefern existiert<br />
(noch) das idealtypische fordistische Leitbild mit seiner Facharbeiter-Tradition, langen Betriebszugehörigkeitsdauern<br />
und Existenz sichernden Löhnen bzw. bei welchen Parametern<br />
sind Veränderungen zu beobachten? Zweitens ist zu fragen, welchen Zusammenhang es zwischen<br />
diesen sozioökonomischen Outputs von Betrieben und den Veränderungen der Strukturparameter<br />
des auf den ökonomischen Wettbewerb ausgerichteten betrieblichen Handels<br />
gibt. Denn Löhne und Gehälter, die Frage nach Beschäftigungsstabilität und zum Einsatz von<br />
Qualifikationen im Arbeitsprozess sind natürlich nicht nur für Arbeitnehmer relevant, sondern<br />
auch für Arbeitgeber. Für Betriebe mit ausdifferenzierten Leistungsspektren lassen sich verschiedene<br />
marktgängige Ausprägungskombinationen denken. Niedriglohnbetriebe könnten<br />
vermehrt auf un- und angelernte Arbeitskräfte zurückgreifen und ihr Personal häufiger austauschen,<br />
während Hochlohnbetriebe eher auf hohe Qualifikation, Konzepte zum lebenslangen<br />
Lernen und dementsprechend längere Betriebszugehörigkeitsdauern setzen dürften.<br />
Die Forschungsfrage dieses Beitrags ist, wie diese Konzepte in einem Wirtschafts- und<br />
Sozialmodell miteinander korrespondieren. Erwerbsarbeit ist funktional stets doppelt<br />
bestimmt und eingebettet. Als Produktionsfaktor ist sie an Verwertungs- und Reproduktionsbedingungen<br />
des Wirtschaftssystems gebunden, als Teil der Lebensführung und Einkommensgrundlage<br />
der Individuen ist sie an lebensweltliche Reproduktionsbedingungen gekoppelt<br />
und Teil biografischer Lebenskonstruktionen. Die Bedingungen der Einbindung von Erwerbsarbeit<br />
in die Lebensführung der Individuen einerseits und in das Wirtschaftssystem andererseits<br />
können bzw. müssen aber a priori nicht (unbedingt) übereinstimmen (<strong>Alda</strong> et al.,<br />
2004: 70).<br />
Die Verfahrensregeln der sozialen Sicherungssysteme sind gerade in einer erwerbszentrierten<br />
Gesellschaft wie der Bundesrepublik Deutschland relativ eng an Annahmen über die Leistungen<br />
des Arbeitsmarktes geknüpft, etwa ein Existenz sicherndes Einkommen, langjährige Beschäftigung<br />
und gute zukünftige Beschäftigungschancen. Genau dies sind aber Faktoren, die<br />
auf Seiten des Wirtschaftssystems seit längerem unter Druck stehen, nicht ohne Folgen für die<br />
Ausgestaltung der auf Erwerbsarbeit bezogenen sozialen Sicherungssysteme. Unternehmen<br />
klagen über zu hohe Lohnniveaus, mangelnde Flexibilität und unzureichende Qualifikationen<br />
der Arbeitnehmer. Andererseits wird der hohe Exportüberschuss Deutschlands gelobt, der zu<br />
einem wesentlichen Teil der deutschen Qualitätsproduktion zu verdanken sei. Neuerdings<br />
erweitern Niedriglohnbetriebe mit schlechten Arbeitskonditionen (insbesondere nicht Existenz<br />
sichernden Löhnen) das Bild der öffentlichen Wahrnehmung. Offenbar ist es also so,<br />
dass alle diese betrieblichen Organisationsformen von Beschäftigung und Arbeit für die<br />
(west-)deutsche Betriebslandschaft in gewisser Weise Struktur gebend sind. Es ist demnach<br />
eine empirische Fragestellung, wie verbreitet welche typische Form der Organisation betrieblicher<br />
Arbeit mit welcher Qualität der Arbeit ist.<br />
Der nächste Abschnitt begründet, warum die drei Aspekte Löhne/Gehälter, Beschäftigungsstabilität<br />
und die betriebliche Qualifikationsstruktur in den Fokus der Untersuchung gerückt<br />
werden. Der dritte Abschnitt beschreibt die Datenbasis und Methoden für die Betriebstypisie-
7<br />
rung. Im vierten Abschnitt werden die Betriebstypen inhaltlich-deskriptiv vorgestellt und der<br />
Abdeckungsgrad einzelner Betriebstypen über Betriebe und Beschäftigte berechnet. Im fünften<br />
Abschnitt wird mit Regressionsmodellen überprüft, welche Korrelationen (nicht Kausalzusammenhänge)<br />
es zwischen wettbewerbsrelevanten Faktoren aus dem ökonomischen Umfeld<br />
der Betriebe und einzelnen Betriebstypen gibt. Prognosen zum Auftreten ausgewählter<br />
Betriebstypen in Abhängigkeit von betrieblichen Parametern der Globalisierung und des technischen<br />
Fortschritts beenden die Untersuchung. Der sechste Abschnitt fasst die Ergebnisse<br />
zusammen und gibt einen Forschungsausblick.<br />
Die in diesem Beitrag entwickelte Betriebstypologie basiert auf drei aufeinander aufbauenden<br />
multivariaten Verfahren (Faktorenanalyse, Clusteranalyse und Regressionen), bei denen jeweils<br />
die spezifischen Vorzüge der einzelnen Verfahren zur Anwendung kommen. Aus Platzgründen<br />
kann nicht auf alle Details bei der Durchführung insbesondere der Faktoren- und<br />
Clusteranalyse eingegangen werden. Auf den Internetseiten des zweiten Berichts zur sozioökonomischen<br />
Entwicklung in Deutschland (http://www.soeb.de) befindet sich in Abteilung<br />
III, Kapitel 16, eine Langfassung dieses Beitrags, in der sich unter anderem nähere Erläuterungen<br />
zur methodischen Vorgehensweise und Ergebnisse weiterer Analysen befinden, etwa<br />
zur Bedeutung des Organisationswandels für die einzelnen Betriebstypen.<br />
2. Betriebe im Nexus von Wettbewerbsfähigkeit und sozioökonomischen<br />
Umwandlungsfaktoren<br />
Erwerbsarbeit beeinflusst in vielfältiger Weise die Teilhabemöglichkeiten von Menschen. Zu<br />
unterscheiden ist zwischen direkten und sich akkumulierenden (Aus-)Wirkungen. So ergeben<br />
sich beispielsweise bei Veränderungen im Bereich der Einkommenshöhe bzw. der Erwartbarkeit<br />
von Einkommen (etwa eine Kündigung) häufig auch direkt spürbare Auswirkungen auf<br />
die Teilhabemöglichkeiten im sozialen, kulturellen und politischen Bereich. Andere Faktoren<br />
wie etwa ein schleichender Qualifikationsverlust trotz Arbeit, ein permanent schlechtes Arbeitsklima<br />
oder aber auch sich akkumulierende und durch den ausgeübten Beruf bedingte<br />
gesundheitliche Probleme sind hingegen häufig eher langfristig wirkende Faktoren. Sie wirken<br />
sich nicht nur auf die aktuelle Beschäftigung aus, sondern auch auf die zukünftigen Beschäftigungschancen<br />
der Betroffenen.<br />
Recht verweist der Capability-Ansatz von Sen (z.B. 1997) darauf, dass es bei der Bewertung<br />
eines Sachverhalts – beispielsweise der Integration in den Arbeitsmarkt – nicht nur darauf<br />
ankommt, ob Personen einen bestimmten Zustand einnehmen („being“) – etwa erwerbstätig<br />
sind – und dabei bestimmtes tun („doing“) – etwa einen bestimmten Job. Stattdessen erfolgt in<br />
einer „capability-freundlichen“ Perspektive die Beurteilung der Erwerbsstaus von Personen<br />
auch nach den subjektiven oder objektiven „Werten“, die Individuen dem Erreichen so genannter<br />
„functionings“ beimessen (Bonvin/Farfaque, 2007). Während die functionings von<br />
Erwerbsarbeit in ihrem wesentlichen Kern gesellschaftlich hoch bewertete Ausprägungen<br />
unter anderem auf den drei sozioökonomischen Wirkungsdimensionen Löhne, Beschäftigungsstabilität<br />
sowie im Erwerb und Ausbau beruflich verwertbarer Qualifikationen sind, ist
8<br />
die Bewertung der functionings eine eigenständige Herausforderung. Wenn auch eine positive<br />
Definition von Wahlfreiheit und Verwirklichungschancen schwierig ist, so ist die negative<br />
Definition über die mögliche Unterschreitung gewisser gesellschaftlich definierter Mindeststandards<br />
bei der Teilhabe an Erwerbsarbeit greifbarer. Solche Mindeststandards setzen<br />
sozialpolitische Regelungen oder gleichwertige Übereinkünfte (etwa Tarifverträge). Hartnäckig<br />
kontroverse Diskurse über die Ausgestaltung der Mindeststandards gibt es genügend<br />
bei den Themen Löhne und Gehälter, bei der Beschäftigungsstabilität und im Zusammenhang<br />
mit dem Erhalt und Ausbau beruflich verwertbarer Qualifikationen 3 . Der Grund hierfür ist,<br />
dass die Sichtweisen und Interessen der unmittelbaren Akteure – Arbeitnehmer und Arbeitgeber<br />
– im Sinne der Sozialpolitik und -gesetzgebung scheinbar nicht unbedingt immer zu vollständig<br />
miteinander kompatiblen Übereinkünften führen. Das liegt daran, dass sich die Frage<br />
nach Löhnen, Beschäftigungsstabilität und der betrieblichen Qualifikationsstruktur unter ökonomischen<br />
Prämissen zumindest teilweise etwas anders stellt als es unter dem Aspekt der<br />
Lebensführung von Individuen bzw. Haushalten der Fall ist. Aus Sicht der Beschäftigten ist<br />
davon auszugehen, dass ihre Teilhabemöglichkeiten an Erwerbsarbeit von wettbewerbsrelevanten<br />
Faktoren aus dem ökonomischen Umfeld strukturiert werden.<br />
In der Literatur gibt es Hinweise, dass sich Unternehmen nicht nur in Deutschland zumindest<br />
teilweise in (eigenständige) Hoch- und Niedriglohnbetriebe auftrennen 4 . Dahinter steckt weit<br />
mehr als die bloß analytische Zerlegung von ehemals in vertikal organisierten Betrieben vorhandenen<br />
Abteilungen in nun je einzelne voneinander weitestgehend unabhängige Betriebe<br />
bzw. Leistungserstellungsprozesse. Die Vernetzung mit anderen Unternehmen, aber auch die<br />
Abflachung von Hierarchieebenen oder der technologische Fortschritt, machen eine mehr<br />
oder minder permanente Anpassung der betrieblich benötigten Qualifikationen erforderlich.<br />
Damit werden gleichzeitig sich nicht verändernde oder anspruchslosere berufliche Anforderungsprofile<br />
entwertet. Es handelt sich demnach um keine Zerlegung, sondern um die Beschreibung<br />
eines mehr oder minder kontinuierlichen und dynamischen Prozesses, wobei offen<br />
ist, ob sich in naher Zukunft ein neues, weniger dynamisches Gleichgewicht einstellen wird.<br />
Zunehmend projektförmig (einzelauftragsbezogene) organisierte Arbeit in Betrieben erschwert<br />
Vorhersagen über die zu erwartende Beschäftigungsstabilität, aber auch über den<br />
Umgang mit beruflichen Qualifikationen. Projektförmig organisierte Arbeit ist einerseits<br />
kurzfristig angelegt, benötigt aber andererseits zumindest teilweise hohe Qualifikationsprofile,<br />
die zudem permanent weiterentwickelt werden müssen. Bei nicht projektförmig organisierten<br />
bzw. standardisierbaren Güter- und Dienstleistungserstellungsprozesse kann die Verlagerung<br />
ins Ausland eine (zusätzliche) Gewinnmarge einbringen, wodurch im Inland insbesondere<br />
weniger gut qualifizierte Personen von Entlassung bedroht oder betroffen sind. Andererseits<br />
können sich Betriebe insbesondere bei anspruchsvollen Qualifikationsprofilen nicht<br />
3 Im Bereich der Löhne und Gehälter ist das beispielsweise die Frage nach Mindestlöhnen (oder<br />
Lohnerhöhungen), im Bereich der Beschäftigungsstabilität die Kündigungsschutzregelungen (bzw. zu möglichen<br />
Auffangmechanismen wie es in der Flexicurity-Diskussion anklingt) und im Bereich der Qualifikationen<br />
Aspekte und Möglichkeiten lebenslangen Lernens.<br />
4 Zu diesem Thema wird ein Sammelband von Lazaer/Shaw (2007) herausgegeben, der dies anhand empirischer<br />
Daten für verschiedene westeuropäische Länder und die Vereinigten Staaten zeigt. Ergebnisse für<br />
(West-)Deutschland im Zeitraum 1993 bis 2000 befinden sich in <strong>Alda</strong> et al. (2006).
9<br />
sicher sein, stets die benötigten Qualifikationen zeit- und passgenau vom externen Arbeitsmarkt<br />
zu bekommen, die Einarbeitungskosten zu tragen und eine Amortisation der getätigten<br />
Mitarbeiterinvestitionen zu erreichen. Mit der Zahlung von Effizienzlöhnen, also von Lohnzahlungen<br />
über dem Markträumungsniveau, können Betriebe versuchen, Mitarbeiter mit auch<br />
auf dem Weltmarkt konkurrenzfähigen Qualifikationen an sich zu binden (Schank/Schnabel,<br />
2007: 13). Flankierend dazu können Beschäftigungsgarantien oder Weiterbildungsmöglichkeiten<br />
eingesetzt werden. Solche Bindungsstrategien dürften allerdings lediglich Betriebe mit<br />
gut bezahlten Jobs und sie nur für diese verfolgen.<br />
Wie sich in einem nationalen Wirtschafts- und Sozialmodell innerhalb einzelner Betriebe das<br />
Zusammenspiel der Ausprägungen auf den drei angesprochenen Dimensionen ausgestaltet,<br />
wird in der Literatur oft mit der Verfasstheit und Veränderungsbereitschaft von Institutionen<br />
in Verbindung gebracht. Vergleichende Kapitalismustheorien beschäftigen sich aus je unterschiedlichen<br />
Blickwinkeln mit diesem „Dreieck“ aus Institutionen sowie dem Wirtschaftsund<br />
Sozialmodell. Je nach Perspektive stehen unterschiedliche Aspekte im Vordergrund, etwa<br />
das zwischen Betrieben und Bildungs- und Arbeitsmarktinstitutionen (Hall/Soskice, 1997).<br />
Andere Ansätze betonen wohlfahrtsstaatliche Aspekte (Esping-Andersen, 1990) oder nutzen<br />
explizit den Gender-Ansatz (Walby, 2007), die weniger das betriebliche Handeln, sondern<br />
dessen Folgen bzw. Wirkungen auf Personen und Haushalte betonen. Was alle diese Ansätze<br />
gemeinsam haben, ist die historische Perspektive, die sie zur Erklärung der Herausbildung<br />
verschiedener Ländertypen heranziehen. Zwar wird in diesem Beitrag kein Ländervergleich<br />
durchgeführt, aber die historische Perspektive liefert die Interpretationsfolie für die sozioökonomische<br />
Betriebstypologie.<br />
In den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften gibt es seit Jahrzehnten eine breite Diskussion<br />
über die Bedeutung der Veränderungen der weltwirtschaftlichen Konstellationen für die institutionell<br />
unterschiedlichen Entwicklungsmuster kapitalistischer Gesellschaften. Für<br />
Deutschland wird dies oft mit einem (Um-)Bruch eines jahrzehntelang gültigen Entwicklungsmodells<br />
in Verbindung gebracht, das sich unter der Denkfigur des (Nachkriegs-)Fordismus<br />
etabliert hat. Auf der ökonomischen Ebene korrespondiert(e) das deutsche Entwicklungsmodell<br />
mit industrieller Massenproduktion bei einer hohen Exportorientierung, welche<br />
insbesondere durch qualifizierte Belegschaften auf der mittleren Ebene (Facharbeiterausbildung<br />
und -einsatz) ermöglicht wurde (Baethge/Bartelheimer, 2005). Strukturgebend waren<br />
zumeist vertikal hoch integrierte Groß- und Mittelbetriebe sowie relativ stabile industrielle<br />
Beziehungen, die mit einem hohen Beschäftigtenschutz einhergehen. Veränderungen in der<br />
Unternehmens- und Arbeitsorganisation, etwa die Abflachung von Hierarchieebenen oder die<br />
Einführung partizipativer Arbeitsformen, gelten gemeinhin als Indikatoren für einen Umbruch<br />
des fordistischen Produktionsmodells (Sauer et. al., 2005: 323).<br />
Übertragen auf die drei sozioökonomischen Wirkungsdimensionen sollten sich solche Veränderungen<br />
der (west-)deutschen Betriebslandschaft empirisch messen lassen. In einer „idealtypisch-fordistischen“<br />
Welt sind – aufgrund der Stärke der industriellen Beziehungen, ausgedrückt<br />
in Tarifverträgen und durchgesetzt durch Betriebsräte auf der einzelbetrieblichen<br />
Ebene – größere Lohnunterschiede zwischen formell gleichen Beschäftigten zumindest inner-
10<br />
halb einer Branche kaum zu erwarten. Ebenfalls dürfte es für Beschäftigte aufgrund standardisierter<br />
Ausbildungsinhalte keine größere Rolle spielen, in welchem Betrieb sie gerade beschäftigt<br />
sind, zumal sich in allen mehr oder minder ähnliche interne Aufstiegsmöglichkeiten<br />
ergeben. Daraus wiederum lässt sich folgern, dass die Streuung der Löhne und Gehälter innerhalb<br />
einzelner fordistischer Groß- und Mittelbetriebe besonders groß war, während die<br />
Unterschiede der Durchschnittslöhne zwischen den Betrieben relativ gering waren.<br />
Hiervon gibt es Ausnahmen, etwa die (kleineren) Betriebe aus dem Bereich des Handwerks<br />
und der (in den 70er Jahren noch nicht sonderlich ausdifferenzierten) Dienstleistungen. Kleinere<br />
Betriebe dürften relativ homogene berufliche Qualifikationen einsetzen, weshalb die<br />
Lohnstreuung innerhalb dieser Betriebe ebenso gering ist wie zwischen ihnen. Zumindest<br />
Handwerksbetriebe bildeten außerdem oft über den eigenen Bedarf hinaus aus, was solange<br />
relativ unproblematisch war, wie die über Bedarf Ausgebildeten später in Industriearbeit einmünden<br />
konnten. Für Entlassungen gibt es – mit dieser relativ unproblematischen Ausnahme<br />
– in der zugegebenermaßen etwas holzschnittartig und kurz skizzierten „fordistischen<br />
Arbeitswelt“ relativ selten einen Anlass. Lange Betriebszugehörigkeitsdauern waren zumindest<br />
für mittlere Qualifikationsstufen (Facharbeiter/Angestellte) die Regel. Befristete Beschäftigung<br />
war vor dem Jahr 1985 gesetzlich nicht erlaubt. Arbeitslosigkeit trat wenn überhaupt<br />
oft nur kurzfristig auf und war in der Regel ein Zeichen für den langsam voran schreitenden<br />
Wandel von den Produktions- zu den Dienstleistungstätigkeiten. Zudem wird die fordistisch-betriebliche<br />
Arbeitsorganisation oft mit einem korrespondierenden Sozialmodell gedacht,<br />
das in Deutschland – verglichen mit anderen westeuropäischen Ländern – nicht unbedingt<br />
die Erwerbstätigkeit von Frauen förderte. Erst mit dem immer dominanter werdenden<br />
wirtschaftlichen Strukturwandel hin zu den Dienstleistungen steigt die Erwerbsbeteiligung der<br />
Frauen spürbar an, wenn auch oft in Teilzeit.<br />
Es ist weniger entscheidend, ob dieses idealtypisch skizzierte Bild der fordistischen Betriebsund<br />
Arbeitslandschaft so jemals existiert hat. Vielmehr geht es darum, die Skizze als Interpretationshintergrund<br />
für die Bestimmung der heutigen Abweichungen bzw. Beharrungstendenzen<br />
zu verwenden. Sofern die These der Auftrennung in Hoch- und Niedrigfirmen tendenziell<br />
zutreffend ist, müssten die Durchschnittslöhne zwischen solchen Betrieben stärker<br />
streuen. Wenn Gruppenarbeit eingeführt wird bzw. Hierarchieebenen abgebaut werden, sollte<br />
sich die Entlohnung der in Gruppen Arbeitenden angleichen und dementsprechend die Streuung<br />
der Löhne innerhalb von Betrieben abnehmen. Mit der Auftrennung in Hoch- und<br />
Niedriglohnbetriebe sind Auswirkungen auf die betrieblichen Fluktuationsraten und Qualifikationsprofile<br />
zu erwarten.<br />
Niedriglohnbetriebe werden höhere Fluktuationsraten aufweisen und eher niedrige Qualifikationsprofile<br />
einsetzen. Die entsprechenden Beschäftigten werden auf eher anspruchslosen<br />
Arbeitsplätzen eingesetzt, bei denen sie wenig Gelegenheit haben, sich neue Kenntnisse und<br />
Fähigkeiten durch training-on-the-job oder formelle Weiterbildung anzueignen. Demnach<br />
dürften im Niedriglohnsegment die Beschäftigten insbesondere für ihre nicht gerade üppigen<br />
formellen Qualifikationen (schlecht) bezahlt werden, während es im Hochlohnsegment zusätzliche<br />
Lohnzahlungen aufgrund neu erworbener Kenntnisse und Fähigkeiten gibt (Rent-
11<br />
Sharing). Entsprechend häufig dürfte im Niedriglohnbereich befristete oder sonstige Beschäftigung<br />
eingesetzt und auf betriebliche Berufsausbildung weitestgehend verzichtet werden.<br />
Dagegen dürften Hochlohnbetriebe eher auf langfristige Beschäftigung und die mehr oder<br />
minder regelmäßige Weiterbildung ihrer Mitarbeiter setzen. Vielleicht ist das Qualifikationsniveau<br />
in solchen Betrieben so hoch, dass auf Ausbildung verzichtet wird, zumal im Bedarfsfall<br />
bei attraktiven Arbeitsbedingungen eine Rekrutierung von geeigneten Arbeitskräften vom<br />
externen Markt keine allzu großen Probleme bereiten sollte. Andererseits könnten die im<br />
Hochlohnsegment Beschäftigten dennoch häufiger ihren Betrieb wechseln, dann aber oft eher<br />
aufgrund eigener (beruflicher oder privater) Veränderungswünsche. Zu erwarten sind demnach<br />
in Hochlohnbetrieben mittlere bis hohe Betriebszugehörigkeitsdauern (allerdings wohl<br />
etwas geringer als in fordistisch strukturierten Betrieben) bei relativ geringen Fluktuationsraten<br />
der Beschäftigten und hohen Kernbelegschaftsanteilen.<br />
Der Begriff der Kernbelegschaft verweist darauf, dass Linien der Aufteilung in gut und<br />
schlecht bezahlte bzw. hoch oder niedrig qualifizierte Arbeitskräfte oder in stabil und instabil<br />
Beschäftigte nicht zwangsläufig parallel mit Betriebsgrenzen verlaufen müssen bzw. dies immer<br />
nur zu einem gewissen Prozentsatz der Fall ist. Das Konzept der Kern- und Randbelegschaften<br />
(zuerst Doeringer/Piore, 1971) betont, dass es innerhalb eines jeden Betriebes eine<br />
Kernbelegschaft gibt, deren Charakteristika unter anderem lange Betriebszugehörigkeitsdauern<br />
einhergehend mit einem hohen Beschäftigungsschutz und Dominanz der mittleren und<br />
hohen Qualifikationsebenen sind. Um die notwendige Adaption der Betriebe an die aktuelle<br />
Auftragslage und Flexibilität bei der Auftragsdurchführung gewährleisten zu können, wird für<br />
anspruchslosere Tätigkeiten, die temporär im Rahmen der Abwicklung von Aufträgen anfallen,<br />
eine Randbelegschaft benötigt. Diese wird oft befristet oder ohne Sozialversicherungsschutz<br />
bzw. in Teilzeit eingesetzt. Entsprechend geringer sind bei der Randbelegschaft die<br />
erwartbare Einkommenshöhe, die Beschäftigungsstabilität und die Weiterentwicklung beruflich<br />
verwertbarer Qualifikationen ausgeprägt.<br />
Festzuhalten bleibt, dass bei allen Tendenzen zur postulierten Aufteilung in Hoch- und<br />
Niedriglohnbetriebe in Betrieben auch immer mit dem Auftreten von Kern- und Randbeschäftigten<br />
zu rechnen ist. Eine Zuordnung zu einzelnen Beschäftigtengruppen oder Erwerbsformen<br />
mag im Einzelfall nicht einfach sein, aber Personen der Kernbelegschaft sollten eine<br />
Betriebszugehörigkeitsdauer haben, die länger ist, als ein befristeter Arbeitsvertrag andauert 5 .<br />
Ebenso sollten die Beschäftigten der Kernbelegschaft aufgrund der besseren monetären Honorierung<br />
ihrer Qualifikationen mehr verdienen als die Randbelegschaft. Das kann mit Hochund<br />
Niedriglohnjobs beschrieben werden, die auf der einzelbetrieblichen Ebene koinzidiert<br />
auftreten können.<br />
Für Arbeitnehmer ist darüber hinaus wichtig, dass es in einer erwerbszentrierten Gesellschaft<br />
wie Deutschland Normalitätsannahmen über das Zusammenspiel der drei sozioökonomischen<br />
Wirkungsdimensionen gibt, die sich in der Ausgestaltung der auf Erwerbsarbeit bezogenen<br />
5 Nach dem geltenden Arbeitsrecht ist hiervon wohl spätestens ab einer Dauer von fünf Jahren auszugehen<br />
(<strong>Alda</strong>, 2007: 358)
12<br />
sozialen Sicherungssysteme niederschlagen. In der fordistischen Phase gehörte zu diesen<br />
Normalitätsannahmen eben eine hohe Beschäftigungsstabilität, Existenz sichernde Löhne und<br />
gezielte Fort- und Weiterbildung. Auf die korrespondierenden Erwerbsverläufe waren die<br />
sozialen Sicherungssysteme zugeschnitten, mit den bekannten Ausgrenzungsfolgen für<br />
Frauen, die nur schwer Zugang zum Arbeitsmarkt fanden. Nun lässt sich viel darüber diskutieren,<br />
an welchen Stellen sich diese Korrespondenz von (wirtschaftlicher) Strukturierung der<br />
Erwerbsarbeit und der Ausgestaltung sozialer Sicherungssysteme verändert hat bzw. wo Beharrungstendenzen<br />
existieren. Diese Frage sprengt den Rahmen dieses Beitrags. Er wird stattdessen<br />
durch eine Beschreibung der sozioökonomischen Möglichkeiten aufgespannt, die betrieblich<br />
organisierte Teilhabe an Erwerbsarbeit bereit stellt. In einem weiterführenden Schritt<br />
wird gefragt, welche Zusammenhänge es zwischen Faktoren des ökonomischen Wettbewerbs<br />
und den sozioökonomischen Betriebstypen gibt. Die empirischen Analysen konzentrieren sich<br />
auf zwei besonders markante Entwicklungslinien, die Folgen der Globalisierung und des<br />
technischen Fortschritts. Globalisierungsfolgen werden am Beispiel der betrieblichen Exporttätigkeiten<br />
und der Auslandskontrolle von Betrieben diskutiert. Die Folgen des technologischen<br />
Fortschritts auf die sozioökonomische Struktur der Betriebe werden am Beispiel des E-<br />
Learnings in Verbindung mit den betrieblich getätigten Investitionen in IuK-Technologie behandelt.<br />
Exporttätigkeiten und die Humankapital- und Technologieintensität der Betriebe sind eng<br />
aneinander gekoppelt (Wagner, 1998). In einem Hochlohnland wie Deutschland ist es aus<br />
theoretischen Überlegungen zum internationalen Handels naheliegend, dass nur besonders<br />
hochwertige Güter aus Deutschland exportiert werden können, denn nur bei diesen gibt es<br />
eine Gewinnmarge aufgrund der Differenzen in den Faktorpreisen, wobei insbesondere<br />
Betriebe, die zu einem Unternehmensverbund gehören, von Größenvorteilen des Mutterunternehmens<br />
profitieren (Leber, 2002: 34 f). Das ist umso eher der Fall, je stärker das Mutterunternehmen<br />
bereits auf internationalen Märkten operiert bzw. im Ausland angesiedelt ist 6 . Dies<br />
wiederum lässt sich aus theoretischen Überlegungen zur Erklärung von Direktinvestitionen<br />
(Dunning, 1980; Markusen, 1998) herleiten. Unternehmensspezifische Wettbewerbsstärken<br />
können durch die Expansion ins Ausland weitergehend genutzt werden, als dies bei einer<br />
Beschränkung der Produktion auf das Inland der Fall wäre (Bellmann et al., 2002: 88). Da<br />
dies insbesondere bei hochproduktiven Unternehmen zu erwarten ist, ist demnach auch bei<br />
den im Ausland angesiedelten Tochtergesellschaften von einer überdurchschnittlichen Produktivität<br />
auszugehen (Bartelsman/Doms, 2000; Baily et al., 1993). In diesem Zusammenhang<br />
ist eine offene Frage, ob die übernommenen Betriebe erst nach der Übernahme ihre Produktivität<br />
erhöhten oder ob sie bereits vor der Übernahme produktiver waren als andere<br />
Unternehmen. In letzterem Fall würden nur erfolgreiche Betriebe unter Auslandskontrolle<br />
geraten, sodass von einer „picking-up-the-winner-Strategie“ gesprochen werden kann (Bellmann<br />
et al., 2002).<br />
6 Mit Auslandskontrolle eines deutschen Betriebs ist gemeint, dass sich der Mehrheitseigentümer im Ausland<br />
befindet. Es bleibt also offen, ob eine deutsche Firma ihren (rechtlichen) Firmensitz ins Ausland verlegt, ob<br />
ausländische Firmen deutsche übernehmen oder ob sie sich neu in Deutschland niederlassen.
13<br />
Eng mit der Orientierung auf internationale Märkte verknüpft ist die Frage nach dem technologischen<br />
Fortschritt. Auf internationalen Märkten operierende Unternehmen dürften besonders<br />
intensiv Informations- und Kommunikationstechnologien (IuK-Technologien) nutzen,<br />
die sie unter anderem für die (internationale) Abstimmung der Produktionsprozesse benötigen.<br />
In diesem Prozess ist zu erwarten, dass sich die Beschäftigten neue Kompetenzen aneignen<br />
(müssen). Das E-Learning ist in dieser Hinsicht ein geeignetes und kostengünstiges<br />
Medium, beispielsweise beim (standardisierten) Erlernen einer Fremdsprache (Härtel et al.,<br />
2002). Es ist demnach zu erwarten, dass E-Learning und betriebliche Investitionen in IuK-<br />
Technologie in einem gewissen positiven Verhältnis zueinander stehen. Aufgrund des hohen<br />
Selbststeuerungsanteils dieser Weiterbildungsform wird sich das wohl nur im Bereich mittlerer<br />
bis hoher Qualifikationsniveaus beobachten lassen, unabhängig davon, ob Betriebe exportieren<br />
oder nicht.<br />
3. Datenbasis, Operationalisierung und Methodik der Betriebstypisierung<br />
Aus den Ausführungen des zweiten Abschnitts lässt sich herleiten, dass eine Kombination von<br />
Betriebs- und Personeninformationen zur empirischen Beantwortung der aufgeworfenen Fragen<br />
benötigt wird. Insbesondere die beruflichen Entwicklungsspielräume der Belegschaft, das<br />
jeweils erreichte Ausmaß an Beschäftigungsstabilität und Aspekte der Entlohnung sollen in<br />
der Betriebstypisierung berücksichtigt werden. Angesetzt werden muss für eine Beurteilung<br />
der sozioökonomischen Wirkungen von Betrieben also zunächst auf der Personenebene, bevor<br />
entsprechende Ergebnisse auf die Betriebebene aggregiert werden. Die Möglichkeitsräume<br />
der Beschäftigten werden so auf der Betriebsebene gemessen.<br />
Es gibt in Deutschland nur einen Datensatz, der allein diese Voraussetzungen erfüllt. Die linked<br />
employer-employee Daten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (LIAB)<br />
erlauben nicht nur über das IAB-Betriebspanel eine detaillierte Erfassung der betrieblichen<br />
Struktur- und Handlungsparameter, sondern in ihrer Verknüpfung mit Sozialversicherungsdaten<br />
auf der Personenebene die Abbildung der Möglichkeitsräume für die Beschäftigten in<br />
den drei sozioökonomischen Wirkungsdimensionen. Der entscheidende Punkt bei der Datensatzauswahl<br />
ist die vollständige Erfassung aller (sozialversicherungspflichtig) Beschäftigten<br />
eines Betriebes.<br />
Das IAB-Betriebspanel ist eine repräsentative Betriebsbefragung, die im Jahr 1993 erstmals in<br />
Westdeutschland mit etwa 4200 Betrieben durchgeführt wurde. Seitdem gab es eine Befragung<br />
jährlich, bevorzugt mit den gleichen Einheiten wie im Vorjahr. Mittlerweile hat sich<br />
durch diverse Aufstockungsstichproben die Fallzahl des IAB-Betriebspanels nahezu vervierfacht.<br />
Im IAB-Betriebspanel liegen jährlich Informationen zu Personalstruktur und –bewegung,<br />
zum betrieblichen Investitions-, Weiter- und Ausbildungsverhalten und vielem mehr<br />
vor 7 . Das IAB-Betriebspanel hat ein disproportionales Stichprobendesign, das Großbetriebe<br />
überrepräsentiert. Für die Typisierung ist das ein Vorteil, denn so kann die Typisierung in<br />
etwa anhand gleich vieler Groß- wie Kleinbetriebe erfolgen, was bei einem proportionalen<br />
7 Eine Beschreibung vom Inhalt und Aufbau des IAB-Betriebspanels gibt Bellmann (2000).
14<br />
Ansatz in dieser Form nicht möglich wäre, da es viel mehr Klein- als Großbetriebe in der<br />
(westdeutschen) Wirtschaft gibt.<br />
Die Informationen auf der Betriebsebene können aufgrund des besonderen Stichprobendesigns<br />
des IAB-Betriebspanels mit Angaben der Sozialversicherungsträger zu Beschäftigten<br />
in den LIAB-Daten verknüpft werden. Für jede sozialversicherungspflichtig beschäftigte Person<br />
sind in den befragten Betrieben Informationen über den Bruttolohn, die Beschäftigungsdauer<br />
und einiges mehr verfügbar. Die Aggregation dieser Einzelwerte auf die Betriebsebene<br />
leistet demnach die Abbildung der Möglichkeitsräume der Beschäftigten. Das IAB-<br />
Betriebspanel bzw. die LIAB-Daten stehen über das Forschungsdatenzentrums der Bundesagentur<br />
für Arbeit im Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (FDZ-IAB) der Wissenschaft<br />
für Auswertungen zur Verfügung. Auf den Webseiten des FDZ-IAB befinden sich umfangreiche<br />
Dokumentationen zum Aufbau und zur Anwendung der LIAB-Daten 8 . Die Analysen<br />
in diesem Beitrag basieren auf den westdeutschen LIAB-Daten der ersten Version des<br />
LIAB-Querschnittmodells für das Jahr 2004 9 . Die Beschränkung auf ein Jahr hat zur Folge,<br />
dass Veränderungen der Betriebstypen über die Zeit auf der Aggregat- und Betriebsebene<br />
nicht untersucht werden. Dies würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen und bleibt späteren<br />
Analysen vorbehalten. Die Gründe hierfür werden im Forschungsausblick angesprochen<br />
und sind hauptsächlich dem komplexen Untersuchungsdesign geschuldet.<br />
Die am Ende des zweiten Abschnitts angesprochenen Einzelaspekte der drei sozioökonomischen<br />
Wirkungsdimensionen von Betrieben werden mit den LIAB-Daten operationalisiert und<br />
gehen dann zunächst in eine Faktorenanalyse ein, um die relevanten Facetten einer jeden<br />
Dimension zu bestimmen. Da Faktoren- und Clusteranalysen auf der Messung n-dimensionaler<br />
räumlicher Distanzen basieren, wurde bei der Konstruktion der Variablen – trotz späterer<br />
z-Standardisierung – bereits im Vorfeld auf ein möglichst einheitliches Wertespektrum<br />
geachtet. Die meisten typisierenden Variablen sind Anteile und haben einen Wertebereich von<br />
[100;0]. Um die Lohnangaben möglichst kompatibel zu machen, wurden für die Durchschnittslöhne<br />
Tageslohnsummen verwendet, während der Lohnänderung monatliche Werte<br />
zugrunde liegen. Damit bewegen sich beide Variablen in etwa im Werteintervall der betrieblichen<br />
Anteilswerte. Alle Variablen gehen anschließend z-standardisiert (Mittelwert eins;<br />
Standardabweichung null) in die Faktoren- und Clusteranalysen ein, werden aber unstandardisiert,<br />
also in ihrer ursprünglichen Form, in der Typisierung ausgewiesen. Die Ausweisung und<br />
Interpretation der Ergebnisse erfolgt ausschließlich auf der Betriebsebene 10 . Bei der Arbeit<br />
mit IAB-Daten sind Setzungen vorzunehmen, die im Anhang A 1 zusammengestellt sind. Die<br />
8 Die LIAB-Daten beschreiben beispielsweise <strong>Alda</strong> et. al. (2006). Eine eher technische Dokumentation der<br />
LIAB-Daten ist <strong>Alda</strong> (2005), <strong>Alda</strong>/ Herrlinger (2005) sowie Jacobebbinghaus/ <strong>Alda</strong> (2007) zu entnehmen.<br />
9 Die Ergebnisse für eine Typisierung der ostdeutschen Betriebslandschaft werden zu einem späteren Zeitpunkt<br />
auf der Webpage www.soeb.de (Kapitel 16) eingestellt.<br />
10 Bei der Ausweisung betrieblicher Anteilswerte gibt es Größenklasseneffekte. Jeder Betrieb hat ein Gewicht<br />
von eins, egal ob er zehn oder tausend Beschäftigte hat. Demnach hat eine Person bei einer beliebigen<br />
Anteilsbildung in dem einen Betrieb ein Gewicht von zehn Prozent, im anderen nur von einem Prozent.<br />
Wenn sich also Merkmale wie etwa Niedriglohnbeschäftigung insbesondere in kleineren Betrieben<br />
beobachten lassen, bekommen sie bei der Mittelwertausweisung ein viel größeres Gewicht, als wenn sich<br />
bestimmte Charakteristika von Beschäftigten in Großbetrieben konzentrieren.
15<br />
in Frage kommenden Variablen wurden zunächst einer Faktorenanalyse unterzogen und so<br />
der Variablenkanon auf das notwendige Minimum reduziert 11 .<br />
Löhne und Gehälter<br />
Die relevanten Einzelaspekte für die Löhne und Gehälter wurden am Ende von Abschnitt 2<br />
entwickelt. Die Faktorenanalyse identifiziert unter anderem die Faktoren Durchschnittslohn,<br />
innerbetriebliche Lohnstreuung und Lohnänderung als relevante Subdimensionen. Zwei weitere<br />
Variablenblöcke werden als eigenständige Faktoren extrahiert. Mit den betrieblichen<br />
Anteilen der am besten und am schlechtesten Verdienenden an der Gesamtbelegschaft wird<br />
überprüft, inwiefern es Betriebstypen gibt, in denen alle Beschäftigten besonders gut oder<br />
besonders schlecht bezahlt werden, wie es die These der Hoch- und Niedriglohnbetriebe nahe<br />
legt 12 . Mit hohem (niedrigem) Lohnbonus für Weiterqualifizierung sind alle Lohnzahlungen<br />
gemeint, die – unter Berücksichtigung weiterer Kontrollvariablen – Arbeitnehmer jenseits<br />
ihrer formellen schulischen und beruflichen Qualifikationen gezahlt werden. Erläuterungen<br />
hierzu befinden sich im Anhang A1. Anschließend wird analog zu den besten und schlechtesten<br />
Verdiensten vorgegangen. Ein hoher Lohnbonus für Weiterqualifizierung liegt im<br />
obersten und ein niedriger im untersten Quintil der Verteilung der Lohnbonus für Weiterqualifizierung<br />
in der gesamten (west-)deutschen Wirtschaft 13 . Basierend auf den Resultaten der<br />
Faktorenanalyse werden für die Betriebstypisierung in der Dimension Löhne und Gehälter die<br />
folgenden Variablen berücksichtigt: der Bruttomonatslohn (inklusive der entsprechenden<br />
Standardabweichung), Verhältnis 90- zu 50-Perzentil, Anteil beste (schlechteste) Verdienste,<br />
Anteil Personen mit einem besonders hohen (niedrigen) Lohnbonus für informelle Qualifikationen,<br />
die Lohnänderung (Monatswert) gegenüber dem Vorjahr und deren Standardabweichung.<br />
Beschäftigungsstabilität<br />
Beschäftigungsstabilität auf der betrieblichen Ebene zerfällt nach den Ergebnissen der Faktorenanalyse<br />
in mindestens zwei Aspekte. Zum einen sind das Maße, mit der die Dauer von<br />
Beschäftigungsverhältnissen innerhalb der Betriebe gemessen wird, etwa (durchschnittliche)<br />
Betriebszugehörigkeitsdauern oder der Anteil der Kern- an der Gesamtbelegschaft 14 . Zum<br />
anderen wird die betriebliche Personalfluktuation gemessen. Sie wird aufgeteilt in Ein- und<br />
Austrittsraten für alle Beschäftigten sowie in die der besten und schlechtesten Verdienste. Die<br />
Messungen basieren auf den LIAB-Personendaten. Die Berechnung der Ein- und Austrittsra-<br />
11 Einzelheiten zum Vorgehen und den Ergebnissen der Faktorenanalyse befinden sich in der Langfassung. In<br />
der Faktorenanalyse wurden die relevanten Facetten einer jeden Dimension ermittelt und jede dieser Facetten<br />
wird mit mindestens einem Variablenvertreter in der Betriebstypisierung berücksichtigt.<br />
12 Beste Verdienste liegen im obersten und schlechteste im untersten Quintil der Lohnverteilung auf dem<br />
(west-)deutschen Arbeitsmarkt. Nach dem Konzept der Kern- und Randbelegschaften oder der betrieblichen<br />
Beschäftigungssysteme können beide Lohngruppen innerhalb ein und desselben Betriebs eine gewisse<br />
Bedeutung haben.<br />
13 Aus methodischer Sicht ist der Lohnbonus die Messung unbeobachteter Personenheterogenität in einer<br />
Panel-Lohnregressionsgleichung (vgl. <strong>Alda</strong>, 2006: Abschnitt 3.1 und Anhang A1).<br />
14 Das ist der Anteil der seit mindestens fünf Jahren Beschäftigten an der Gesamtbeschäftigtenzahl des<br />
Betriebs.
16<br />
ten bezieht sich auf das zweite Halbjahr 2003 sowie das erste Halbjahr im Jahr 2004 und berücksichtigt<br />
alle sozialversicherungspflichtig Beschäftigten (ohne Auszubildende). Für die<br />
Betriebstypisierung werden die folgenden Variablen verwendet: durchschnittliche Betriebszugehörigkeitsdauer<br />
(für alle Beschäftigten), Anteil Kernbelegschaft, Ein- und Austrittsraten für<br />
alle, die besten und die schlechtesten Verdienste.<br />
Qualifikationen<br />
Die Variablen der Qualifikationsdimension basieren nicht auf prozessproduzierten Daten,<br />
sondern stammen aus dem IAB-Betriebspanel. Ausgenommen hiervon ist die Variable, mit<br />
der der betriebliche Spezialisierungsgrad gemessen wird. Dafür wird jeder im Betrieb vorkommende<br />
Beruf auf der Personenebene einmal gezählt und dann in Relation gesetzt zur<br />
Gesamtbeschäftigtenzahl. Der Rückgriff auf das IAB-Betriebspanel hat bei den betrieblichen<br />
Personalstrukturvariablen den Vorteil, dass auch nicht sozialversicherungspflichtige Beschäftigtengruppen<br />
berücksichtigt werden können und außerdem die Bestimmung des Anteils<br />
befristet Beschäftigter möglich ist. Die Faktorenanalyse liefert keine Hinweise auf Variablen,<br />
die zur gleichen Subdimension gehören. Getestet wurde in dieser Dimension, inwiefern die<br />
Varianzen der betrieblichen Personalstrukturanteile – der von (Fach-)Hochschulabsolventen,<br />
Facharbeitern, Auszubildenden, befristet und sonstigen Beschäftigten – ähnliche Verteilungen<br />
aufweisen. Außerdem wurde noch der berufliche Spezialisierungsgrad (Anzahl Berufe/Gesamtbeschäftigtenzahl)<br />
der Betriebe gemessen. Alle genannten Variablen werden in der<br />
Betriebstypisierung berücksichtigt, weil die Faktorenanalyse keine Hinweise auf latente Variablen<br />
gibt.<br />
Die Grundgesamtheit für alle nachfolgenden Analysen sind Betriebe, in denen von mindestens<br />
fünf Beschäftigten insgesamt wenigstens zwei sozialversicherungspflichtig in Vollzeit<br />
arbeiten. Da auch Änderungsmaße von einem Jahr auf das nächste (etwa des Lohns oder der<br />
Ein- und Austritte) berechnet werden, werden darüber hinaus nur Betriebe berücksichtigt, die<br />
im Jahr 2003 und 2004 an der IAB-Betriebspanelbefragung teilgenommen haben. Die Analyse<br />
basiert in Westdeutschland auf etwa 5.300 Fällen (Betrieben), die etwa 448 Tsd. westdeutsche<br />
Betriebe im privaten und öffentlichen Sektor repräsentieren. Dies entspricht einem<br />
Abdeckungsgrad von etwa 25 Prozent aller Betriebe in Westdeutschland mit mindestens einer<br />
sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung. Beschäftigte decken die Analysen zu etwa 80<br />
Prozent ab, denn in den kleinsten 75 Prozent aller Betriebe arbeitet ungefähr 20 Prozent der<br />
Beschäftigten.<br />
Vorgehen bei der Clusteranalyse<br />
Zur Findung der „optimalen“ Clusteranzahl und einer entsprechenden Clusterzentrenbeschreibung<br />
werden für die Clusterung zu den Betriebstypen zwei aufeinander aufbauende<br />
Verfahren angewendet. Im ersten Schritt bestimmt das Ward-Verfahren die „optimale“<br />
Clusteranzahl. Anhand des Duda-Hard-Index (Duda/Hard, 1973) und des Calinski-Harabasz-<br />
F-Wertes (Calinski/Harabasz, 1974) können gut geeignete Clusterzahlen abgelesen werden.<br />
Beim Duda-Hard-Index wird dabei nach lokalen Minima der Pseudo-T-Squared-Teststatistik
17<br />
gesucht, die mit lokalen Maxima im Je(2) / Je(1)-Quotienten einhergehen. Beim Calinski-<br />
Harabasz-F-Wert zeigen lokale Minima eine gut geeignete Clusteranzahl an 15 (Fynch, 2005:<br />
93).<br />
Die Anwendung des Ward-Verfahren hat einige Implikationen. Als hierarchisch-agglomeratives<br />
Verfahren fasst es sukzessive Objekte zusammen, bis zum Schluss nur noch ein Cluster<br />
übrig ist. Aus den Zwischenschritten der Agglomeration ergibt sich dann – beurteilt nach den<br />
eben diskutierten Teststatistiken – die am besten geeignete Clusteranzahl. Beim Ward-Verfahren<br />
erfolgt die Vereinigung der Cluster (Objekte) nach dem Kriterium der geringsten Binnenvarianz<br />
(Bacher, 1996: Kapitel 3; Backhaus, 2006: Kapitel 8). Einmal vereinigte Objekte<br />
werden im weiteren Verlauf der Agglomeration nicht wieder getrennt. Außerdem verändern<br />
die Clusterzentren (Zentroide) bei den einzelnen Vereinigungsschritten ihre Lage im Raum.<br />
Mit der Anwendung des K-Means-Verfahren kann eine nachträgliche Umsortierung der<br />
Objekte abhängig von den jeweiligen Zentroiden erfolgen. Es ist deswegen kompatibel zum<br />
Ward-Verfahren (Rüb/Werner, 2007: 14).<br />
Im zweiten Schritt der Clusteranalyse wurden demnach die über das Ward-Verfahren ermittelten<br />
Zentren der einzelnen jeweils zehn Cluster in ein weiteres Clusterzentrenverfahren eingesetzt.<br />
Im Gegensatz zum Ward-Verfahren erfolgt im K-Means-Verfahren in einem iterativen<br />
Prozess eine ständige Neuzuordnung der zu typisierenden Betriebe, bis die Varianz – bei<br />
vorgegebener Clusteranzahl – minimal ist. Beide „Startwerte“ – die Anzahl der Cluster und<br />
ihre Zentroide – gehen aus dem Ward-Verfahren hervor 16 .<br />
Auch im K-Means-Verfahren verändern die Zentroide ihren jeweiligen Schwerpunkt. Das<br />
liegt daran, dass im K-Means-Verfahren die Ähnlichkeit zwischen Objekten mit der Fehlerquadratsumme<br />
(ESS = error sum of squares) berechnet wird. Der Zentroid eines Cluster C mit<br />
1 … k Objekten ergibt sich dann aus Gleichung (1).<br />
F<br />
K<br />
(1) ESS(C k ) = ∑ ∑ ( xif<br />
− xf<br />
( k))²<br />
mit der Bedingung ESS = ∑ ESS(<br />
Ck)<br />
→ min<br />
i∈C<br />
k<br />
f = 1<br />
Gleichung (1) bedeutet unter anderem, dass jedes Mal, wenn ein Objekt den Cluster wechselt,<br />
eine komplette Neuberechnung der Clusterzentroiden erfolgt. Damit ist der Rechenaufwand<br />
für das K-Means-Verfahren zwar wesentlich größer als bei hierarchisch-agglomerativen Verfahren,<br />
aber die aufgezählten Vorzüge machen diesen Nachteil mehr als wett, zumal es bei<br />
Fallzahlen von maximal 6,000 Einzelobjekten auf modernen Rechenanlagen keine Kapazitätsprobleme<br />
gibt.<br />
Die empirischen Ergebnisse für die westdeutschen Betriebe im Jahr 2004 sind wie folgt 17 . Der<br />
F-Wert von Calinski/Harabasz gibt in beiden Landesteilen nur mäßige Informationen über<br />
eine optimale Clusteranzahl in den jeweiligen Landesdatensätzen. Aus den F-Werten lässt<br />
15 Die F-Werte stellen in der Regel eine monoton fallende Funktion im interessierenden Wertebereich dar.<br />
Demzufolge wird nach größeren Differenzen im Vergleich der F-Werte für jede Clusteranzahl gesucht.<br />
16 Die Anzahl der Cluster beträgt zehn und die Zentroide sind die multivariaten Gruppenmittelwerte der<br />
typisierenden Variablen nach dem Ward-Verfahren. Diese Gruppenmittelwerte für die zehn Betriebstypen<br />
(Cluster) sind die Startwerte im K-Means-Verfahren.<br />
17 Die Werte für die Teststatistiken befinden sich im Anhang A2 der Langfassung.<br />
k = 1
18<br />
sich lediglich ablesen, dass die optimale Clusteranzahl zwischen zwei und 14 liegen sollte.<br />
Aufschlussreicher ist ein Blick auf den Duda-Hart-Index. Nach dem Je(2) / Je(1) – Kriterium<br />
(lokales Maximum) und der Pseudo-T-Squared-Statistik (lokales Minimum) existieren gute<br />
Lösungen für vier und zehn Cluster, sechs und zwölf Cluster werden ebenfalls von der Teststatistik<br />
relativ gut bewertet. Die Wahl der Cluster fiel auf zehn in beiden Landesteilen. Die<br />
Vier-Clusterlösung erscheint für eine differenzierende Betriebstypologie nicht ausreichend.<br />
Der Wert zehn ist vor diesem Hintergrund eine gut geeignete Anzahl, weil der Je(2) / Je(1) –<br />
Index nach dem Ward-Verfahren dort ein lokales Maximum, und die Pseudo-T²-Statistik ein<br />
lokales Minimum hat. Wie auch die späteren Analysen in Abschnitt 5 bestätigen, ist in den<br />
westdeutschen Daten für das Jahr 2004 die Zehn-Clusterlösung robust. Die Vier-Clusterlösung<br />
ist in diesem Zusammenhang als Gruppenvariable der Zehn-Clusterlösung zu interpretieren,<br />
wie im nächsten Abschnitt gezeigt wird. Die Beschreibung der Typen im nächsten Abschnitt<br />
erfolgt anhand der jeweiligen Clusterzentren, d.h. anhand der multivariaten Mittelwerte<br />
der typisierenden Variablen nach der Anwendung des K-Means-Verfahrens.<br />
4. Sozioökonomische Profile der Betriebstypen in den Dimensionen<br />
Entlohnung, Beschäftigungsstabilität und Einsatz von Qualifikationen 18<br />
und ihr Abdeckungsgrad über Betriebe und Beschäftigte<br />
Die Beschreibung der Betriebstypen beruht wie beschrieben auf der Zehn-Clusterlösung.<br />
Erwähnenswert ist darüber hinaus die Vier-Clusterlösung, denn diese vier Cluster können als<br />
übergeordnete Gruppen der zehn interpretiert werden. Zuerst wird auf die Gruppe und<br />
anschließend auf die dazu gehörenden einzelnen Betriebstypen eingegangen. Diese vier<br />
Gruppen bleiben unabhängig von der konkret „gewählten“ Clusteranzahl – sofern diese zwischen<br />
fünf und 15 liegt – stabil. Mit der konkreten Clusterlösung wird demnach insbesondere<br />
der Grad der Ausdifferenzierung der einzelnen Typen innerhalb der Gruppen festgelegt. Die<br />
multivariaten Mittelwerte der typisierenden Variablen befinden sich im Anhang A2.<br />
Gruppe I: Traditionell organisierte Betriebe generieren überwiegend stabile Beschäftigung,<br />
haben ein mittleres bis niedriges Lohnprofil und setzen ein breites Spektrum an Berufen<br />
ein, bei denen die mittlere Qualifikationsebene dominiert. Sie entsprechen – abhängig von der<br />
Betriebsgröße – am ehesten der im zweiten Abschnitt skizzierten idealtypisch-fordistischen<br />
betrieblichen Arbeitsorganisation. Die Gruppe umfasst drei Betriebstypen.<br />
Im soliden Betrieb (Typ Ia) werden Beschäftigte nahezu ausschließlich für ihre formell erworbenen<br />
Qualifikationen (nicht gerade üppig) bezahlt. Sie haben aber (dafür?) eine relativ<br />
hohe Beschäftigungsstabilität. In diesem Betriebstyp gesellt sich gleiches gern zu gleichem,<br />
denn die Beschäftigten in diesen Betrieben werden relativ ähnlich und homogen bezahlt. Bei<br />
diesem Betriebstyp sind Personalfluktuationen auf allen Ebenen (Lohn- und Qualifikationsgruppen)<br />
selten, was eine solide betriebliche Personalpolitik und Fluktuationen überwiegend<br />
durch Generationenaustausch nahe legt, die Betriebe nur zu geringen Personalanpassungsprozessen<br />
veranlasst (dementsprechend gut muss die Auswahl des Personals sein). Die Anteile<br />
18 Alle Namensgebungen für Betriebstypen sind beschreibend und nicht wertend.
19<br />
der Angestellten und Facharbeiter bewegen sich in etwa auf dem gleichen Niveau, d.h. in diesem<br />
Betriebstyp gibt es sowohl Produktions- als auch Vertriebs- oder Verwaltungstätigkeiten.<br />
Wie etwas später gezeigt wird, handelt es sich überwiegend um kleinere Betriebe, die in<br />
nahezu in allen Branchen – mit Schwerpunkt im Produzierenden Gewerbe – auftauchen.<br />
Im modern-fordistisch strukturierten Betriebstyp (Typ Ib) dominieren qualifizierte Angestellte,<br />
was ihn vom traditionell-fordistisch strukturierten Typ Ic unterscheidet. Der typische<br />
modern-fordistisch strukturierte Betrieb bezahlt recht gut zumindest auch teilweise für informell<br />
oder durch Weiterbildung erworbene Qualifikationen. In diesem Betriebstyp gibt es in<br />
nennenswertem Umfang un- und angelernte Arbeitskräfte, die weniger gut bezahlt werden<br />
und die in etwa doppelt so hohe Labour-Turnover-Raten haben wie andere Beschäftigtengruppen.<br />
Der Anteil an (Fach-)Hochschulabsolventen ist etwas höher als im Typ Ic, aber insgesamt<br />
dominieren die Angestellten mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung. Betriebe<br />
diesen Typs bieten überwiegend qualifizierte Dienstleistungen an, verfügen daneben aber<br />
auch über Einheiten, in denen einfache Produktionstätigkeiten (nach Maßgabe der Arbeitsprozesse<br />
der qualifizierten Angestellten) ausgeführt werden (etwa Antragsaufnahme, Neukundengewinnung<br />
übers Telefon für einfach und nicht teure Produkte und ähnliches).<br />
Der traditionell-fordistische Betrieb (Typ Ic) ist durch den hohen Facharbeiter-Anteil geprägt.<br />
In ihm wird ziemlich gut für die formell erworbene Qualifikation bezahlt. Bei der Betriebszugehörigkeitsdauer<br />
und dem Anteil der Kernbelegschaft liegt dieser Betriebstyp eindeutig an<br />
der Spitze. Befristete und Teilzeitbeschäftigung gibt es in solchen Betrieben kaum. Die im<br />
Vergleich zum Typ Ib wenigen un- und angelernten Arbeitskräfte fluktuieren in größerem<br />
Umfang und werden weniger gut bezahlt. Da die Austrittsraten in allen Lohngruppen über den<br />
Eintrittsraten liegen, ist zu vermuten 19 , dass der Betriebstyp auf der einzelbetrieblichen Ebene<br />
schrumpft. Dieser Betriebstyp entspricht am ehesten der im zweiten Abschnitt skizzierten<br />
idealtypisch-fordistischen betrieblichen Arbeitsorganisation<br />
Gruppe II: Bei Betrieben im dynamischen Segment sinkt – bedingt durch die innerbetrieblichen<br />
Umwälzungen des Lohn- und Qualifikationsgefüges – die durchschnittliche Betriebszugehörigkeitsdauer.<br />
Die Betriebe haben ein durchschnittliches Lohnprofil und es gibt große<br />
innerbetriebliche Lohnunterschiede zwischen den Beschäftigten. Obwohl sich das betriebliche<br />
Qualifikationsgefüge dynamisch ändert, wird auf befristete Beschäftigung weitestgehend verzichtet.<br />
Das deutet auf nachhaltige Veränderungen hin. Die Gruppe umfasst zwei Betriebstypen.<br />
Die Absteiger (Typ IIa) bieten die volle betriebliche Dynamik in allen drei Dimensionen, leider<br />
mit einem wohl eher ungünstigen Ausgang für viele Beschäftigte. In diesem Betriebstyp<br />
vollziehen sich trotz des insgesamt gar nicht mal so schlechten Lohnniveaus eher weniger<br />
gute Veränderungen. Die Beschäftigten haben die zweithöchsten Lohneinbußen von allen<br />
Betriebstypen hingenommen, was ein eher kollektives Schicksal aller Beschäftigten war. Die<br />
19 Wie bereits in Fußnote 10 angedeutet, lässt sich das aus der Bilanz der betrieblichen Gruppenmittelwerte für<br />
die entsprechenden Ein- und Austrittsraten nicht ableiten. Dazu müssten Personen und nicht Betriebe als<br />
Erhebungseinheit verwendet werden.
20<br />
am besten Verdienenden verlassen mit extrem hohen Austrittsraten diesen Betriebstyp, aber<br />
auch alle anderen Beschäftigtengruppen sind in größerem Ausmaß von Personalfluktuation<br />
tangiert und/oder haben Lohneinbußen hinnehmen müssen. Die Personalfluktuation ist groß,<br />
obwohl der Betriebstyp über relativ viele mittlere und hohe Qualifikationen verfügt. Die<br />
betrieblichen Austrittsraten übersteigen bei weitem die Eintrittsraten.<br />
Dagegen hat die Dynamik beim Aufsteiger-Betriebstyp (Typ IIb) eher positive Auswirkungen<br />
auf die Beschäftigten, zumindest für die mit den „richtigen“ Qualifikationen. Der Betriebstyp<br />
betreibt in nennenswertem Umfang ein Upgrading der Belegschaft und ist bereit, viel Geld für<br />
bestbezahlte Arbeitskräfte auszugeben. In einem weniger großen Umfang gibt es Hinweise,<br />
dass auch der Umfang der schlecht bezahlten Jobs wächst, was zu dem insgesamt eher durchschnittlichen<br />
Lohnniveau mit einer breiten innerbetrieblichen Lohnspreizung führt. Der<br />
Betriebstyp betreibt eine hochgradige Spezialisierung zu aufeinander abgestimmten Produktionsprozessen<br />
auf verschiedenen Anforderungsstufen. Die Anzahl der eingesetzten Berufsbilder<br />
ist die geringste von allen Betriebstypen, obwohl nahezu alle Qualifikationsstufen in<br />
diesem Betriebstyp vertreten sind. Die im Betrieb Verbleibenden schneiden in Bezug auf die<br />
Lohnänderung zum Vorjahr mit am besten ab, was für alle Beschäftigten auf allen Qualifikationsstufen<br />
gleichermaßen gilt. Neue und alte Mitarbeiter sind zu etwa je gleichen Teilen in<br />
Betrieben dieses Typs vertreten.<br />
Gruppe III: Betriebe aus dem Niedriglohnsegment sind – neben ihren niedrigen Löhnen<br />
und Gehältern – an hohen Mobilitätsraten und geringen Betriebszugehörigkeitsdauern identifizierbar.<br />
Dies geht einher mit hohen Anteilen un- und angelernter Tätigkeiten, in einem<br />
Betriebstyp wird besonders häufig befristete und sonstige Beschäftigung (Aushilfen, Praktikanten<br />
etc.) eingesetzt. Ein Lohnbonus aufgrund von Weiterqualifizierung wird selten gezahlt.<br />
Die Gruppe umfasst drei Betriebstypen.<br />
Die Namensgebung für den Betriebstyp „Schwarze Schafe“ (Typ IIIa) begründet sich dadurch,<br />
dass er vieles von dem repräsentiert, was derzeit unter den negativen Externalitäten für<br />
die Beschäftigten aufgrund der Veränderungen des Arbeitsmarktes diskutiert wird, etwa Hire<br />
and Fire und dementsprechend hohe Fluktuationsraten bei gleichzeitigem Wachstum der<br />
Niedriglohnbeschäftigung. Befristete Beschäftigung konzentriert sich in diesem Betriebstyp<br />
und auch der Anteil sonstiger Beschäftigter (Geringfügige, Aushilfen, Praktikanten) ist<br />
besonders hoch. Wer in diesem Betriebstyp länger als ein Jahr bleibt, hat bei geringem Verdienst<br />
auch noch ungewöhnlich hohe Lohneinbußen hinnehmen müssen. Betriebe dieses Typs<br />
haben aber auch einen kleinen Teil relativ gut qualifizierter Arbeitskräfte, die besser bezahlt<br />
werden. Dennoch ist der durchschnittliche Verdienst im Typ IIIa der geringste von allen. Der<br />
Betriebstyp operiert mit einem durchschnittlichen Kernbelegschaftsanteil von nur etwa 15<br />
Prozent.<br />
Die Fluktuationsraten im Betriebstyp Malocherbetriebe 20 (Typ IIIb) sind ebenfalls hoch, aber<br />
deutlich geringer als im Typ IIIa. Un- und angelernte Arbeitskräfte sowie Aushilfen prägen<br />
20 Malocher bezeichnen insbesondere körperlich hart arbeitende Personen bei relativ geringen beruflichen<br />
Anforderungsprofilen („Jedermannstätigkeiten“), für die in der Regel keine Berufsausbildung benötigt wird.
21<br />
das Betriebsbild, aber befristete Beschäftigung ist nahezu unbedeutend. In diesem Betriebstyp<br />
verdienen die Beschäftigten durchschnittlich fast ebenso wenig wie im Typ IIIa. Die Lohneinbußen<br />
zum Vorjahr sind hoch, wenn auch etwas geringer als beim Typ IIIa. Mittlere und<br />
hohe Qualifikationsstufen arbeiten selten in diesem Betriebstyp, aber wenn, ist ihre Fluktuation<br />
eng begrenzt. Von den Betriebstypen des Niedriglohnsegments erreichen die Beschäftigten<br />
des Malocher-Betriebstyps die höchste Beschäftigungsstabilität.<br />
Niedriglohnbetriebe (Typ IIIc) haben mit Malocherbetrieben viel gemeinsam, aber bei ihnen<br />
dominieren die mittleren Qualifikationsebenen. Auf befristete und sonstige Beschäftigung<br />
wird weitestgehend verzichtet. Die Betriebe bilden – bei nicht übermäßig hohen Facharbeiter-<br />
Anteilen – typischerweise aus. Gegenüber den Schwarzen Schafen und den Malocherbetrieben<br />
zahlen Niedriglohnbetriebe etwas höhere Löhne und die Lohneinbußen gegenüber dem<br />
Vorjahr hielten sich in Grenzen. Die Dynamik und das Wachstum des Niedriglohnsegments<br />
sind bei diesem Betriebstyp besonders zu vermuten, jedoch übersteigen bei den entsprechenden<br />
Betrieben – bei hohem betrieblichen Labour-Turnover – nicht nur in den untersten Lohnund<br />
Qualifikationsgruppen die Eintrittsraten die Austrittsraten.<br />
Gruppe IV: Die Betriebe des Hochlohnsegments sind die Elite der deutschen Betriebslandschaft.<br />
Sie zeichnen sich durch Spitzenverdienste aus, wobei bei einem Typ ein breites heterogenes<br />
und mittleres, im anderen ein homogenes und hohes Qualifikationsprofil eingesetzt<br />
wird. Die Betriebszugehörigkeitsdauern bewegen sich im mittleren bis hohen Bereich. Ein<br />
Lohnbonus für informelle Qualifikationen ist an der Tagesordnung. Die Gruppe umfasst zwei<br />
Betriebstypen.<br />
Die „erfolgreichen“ Betriebe (Typ IVa) werden so genannt, weil im Unterschied zum Typ<br />
IVb nicht nur die vielen Hochschulabsolventen das betriebliche Personalbild prägen, sondern<br />
etwas öfter die mittleren Qualifikationsstufen am hohen betrieblichen Lohnniveau partizipieren.<br />
Die Löhne und Gehälter erreichen durchschnittlich nicht so hohe Werte wie im Typ IVb.<br />
Relativ viele Beschäftigte bekommen einen Lohnbonus für informelle oder mit IAB-Daten<br />
nicht messbare Qualifikationen. Der Betriebstyp generiert stabile Beschäftigung bei leicht<br />
überdurchschnittlicher Kernbelegschaft. Die Personalfluktuation ist auf den mittleren und<br />
hohen Qualifikationsebenen relativ gering, im unteren Segment allerdings relativ hoch, wobei<br />
es Hinweise (Bilanz der Ein- und Austrittsraten der schlecht verdienenden Personen) gibt,<br />
dass auch in nennenswertem Umfang Niedriglohnbeschäftigung aufgebaut wird.<br />
Im elitären Hochlohnbetrieb (Typ IVb) bleibt man gern unter sich. Eine relativ homogene<br />
Entlohnung geht einher mit wenigen verschiedenen betrieblich eingesetzten Berufsbildern.<br />
Arbeiter gibt es in diesem Betriebstyp ebenso wenig wie befristete oder sonstige Beschäftigte<br />
und wenn, ist ihre Fluktuation besonders hoch. In Betrieben dieses Typs werden Spitzenlöhne<br />
gezahlt und dementsprechend konzentrieren sich hier die Hochlohnbeschäftigten und Hochschulabsolventen<br />
in besonderem Ausmaß. Die nachfolgenden Analysen werden zeigen, dass<br />
es sich typischerweise um Forschungs- und Entwicklungsbetriebe, elitäre Banken, Versicherungen<br />
und unternehmensnahe Dienstleister handelt.
22<br />
In Übersicht 1 sind die Ergebnisse der Typisierung für die drei soziökonomischen Wirkungsdimensionen<br />
zusammengefasst. Die Bewertung der jeweiligen Dimension (schwach, durchschnittlich,<br />
stark ausgeprägt) basiert auf dem Vergleich der im Anhang A2 abgedruckten<br />
Werte der Clusterzentren.<br />
Übersicht 1:<br />
Ausprägungen der drei sozioökonomischen Wirkungsdimensionen in<br />
den westdeutschen Betriebstypen des Jahres 2004<br />
Löhne und<br />
Gehälter<br />
Beschäftigungsstabilität<br />
Qualifikationsprofil<br />
solide - + o<br />
modern-fordistisch o + o<br />
traditionell-fordistisch o + + o<br />
Absteiger o o o<br />
Aufsteiger o o o<br />
schwarze Schafe - - - - -<br />
Malocherbetriebe - - ( o ) - -<br />
Niedriglohnbetriebe - - -<br />
erfolgreich + + +<br />
Elite + + + + +<br />
Legende: o : durchschnittlich ausgeprägt - : schwach (niedrig) ausgeprägt<br />
+ : stark (hoch) ausgeprägt. Ein doppeltes Zeichen kennzeichnet den höchsten<br />
(niedrigsten) Gruppenmittelwert aller Betriebstypen.<br />
Wie im zweiten Abschnitt skizziert bewegt sich die erste Gruppe von Betrieben im Bereich<br />
mittlerer bis niedriger Lohn- und Qualifikationsprofile. Die Beschäftigungsstabilität ist besonders<br />
hoch. Die Auf- und Absteiger weisen aufgrund ihrer typisierenden Eigenschaften auf<br />
allen drei soziökonomischen Wirkungsdimensionen durchschnittliche Ausprägungen auf. Bei<br />
den Aufsteigern ist das aus Sicht der Beschäftigten ein Verbesserungs-, und bei den Absteigern<br />
ein Verschlechterungsprozess. Im Niedriglohnsegment sind erwartungsgemäß alle drei<br />
soziökonomischen Wirkungsdimensionen schwach bzw. niedrig ausgeprägt, in den<br />
Malocherbetrieben lässt sich immerhin eine fast durchschnittliche Betriebszugehörigkeitsdauer<br />
realisieren. Spiegelbildlich dazu sind die hohen Ausprägungen auf allen drei Dimensionen<br />
im Hochlohnsegment zu sehen.<br />
Abdeckungsgrad der Typen und Typengruppen über Betriebe und Beschäftigte<br />
Die Betriebstypen verteilen sich nicht gleich über Betriebsgrößenklassen und Wirtschaftszweige.<br />
Sie sind demnach jeweils für einen unterschiedlichen Anteil an Beschäftigten Struktur<br />
gebend. In Abbildung 1 ist der Abdeckungsgrad der Gruppen von Betriebstypen über die<br />
westdeutsche Betriebs- und Beschäftigtenlandschaft abgebildet. Eine Einzelberechnung der<br />
jeweiligen Abdeckungsgrade für die zehn Betriebstypen nach Branchen und Betriebsgrößenklassen<br />
befindet sich im Anhang A3 bzw. schließt sich an die Betrachtung der Clustergruppen<br />
an.
23<br />
Abb. 1:<br />
Abdeckungsgrad der Gruppen von Betriebstypen in Westdeutschland über<br />
Betriebe und (sozialversicherungspflichtig) Beschäftigte im Jahr 2004<br />
(Angabe in Prozent)<br />
Anteil in<br />
Prozent<br />
50<br />
48,4<br />
46,3<br />
Betriebe<br />
Beschäftigte<br />
40<br />
33,4<br />
33,2<br />
30<br />
20<br />
16,9<br />
15,6<br />
10<br />
2,6<br />
3,2<br />
0<br />
1 traditionelle Betriebe 2 3 dynamisches Segment 4 5 Niedriglohnsegment 6 7 Hochlohnsegment 8<br />
Quelle: linked employer-employee Daten des IAB, gewichtete Werte; Anmerkungen im Anhang A3.<br />
Das Verhältnis des Abdeckungsgrades über Betriebe und Beschäftigte hängt vor allem von<br />
der Betriebsgröße ab. Größere Betriebe erreichen oft nur geringe Abdeckungsgrade über<br />
Betriebe, aber in ihnen arbeiten relativ viele Personen. Genau umgekehrt ist es mit kleineren<br />
Betrieben. Sie haben einen hohen Abdeckungsgrad über die Betriebe, aufgrund ihrer geringen<br />
Größe decken sie nur relativ wenige Beschäftigte ab. Wenn die Abdeckungsgrade über<br />
Betriebe und Beschäftigte nahezu identisch sind, entspricht die Betriebsgrößenklassenverteilung<br />
des Betriebstyps in etwa der der gesamten Wirtschaft.<br />
Angewendet auf die Befunde der Abbildung 1 bedeutet dies, dass sich in ihrer Gesamtheit<br />
traditionell strukturierte Betriebe mehr oder minder ähnlich wie in der gesamten Wirtschaft<br />
auf die einzelnen Betriebsgrößenklassen aufteilen. In knapp der Hälfte aller Betriebe arbeitet<br />
auch in etwa die Hälfte aller Beschäftigten. Aufgeteilt auf die einzelnen Betriebstypen der<br />
ersten Gruppe ist das aber differenzierter zu sehen (Abbildung 2).
24<br />
Abb. 2: Abdeckungsgrad der traditionell strukturierten Betriebstypen im Jahr 2004<br />
über die westdeutsche Wirtschaft<br />
Prozent<br />
25<br />
23,7<br />
24,0<br />
Abdeckungsgrad über<br />
Betriebe<br />
Beschäftigte<br />
20<br />
18,1<br />
15<br />
12,5<br />
10,3<br />
10<br />
6,6<br />
5<br />
0<br />
Solide Betriebe<br />
modern-fordistisch<br />
strukturierte Betriebe<br />
traditionell-fordistisch<br />
strukturierte Betriebe<br />
Quelle: linked employer-employee Daten des IAB, gewichtete Werte; Anmerkungen im Anhang A3.<br />
Erwartungsgemäß gehören anteilig relativ viele Betriebe zu den soliden Betrieben (fast ein<br />
Viertel aller Betriebe in Westdeutschland ab fünf Beschäftigte), aber nur etwa jede(r) zehnte<br />
Beschäftigte arbeitet dort. Größer sind die modern-fordistisch strukturierten Betriebe mit<br />
ihren geringen Facharbeiter- und hohen Angestelltenanteilen. Fast jeder fünfte westdeutsche<br />
Betrieb gehört zu diesem Typ, in dem knapp jede(r) vierte deutsche Beschäftigte arbeitet. Wie<br />
nach den Ausführungen des zweiten Abschnitts erwartet, sind die traditionell-fordistisch<br />
strukturierten Betriebe mit ihren hohen Facharbeiter-Anteilen am größten. Sie stellen nur<br />
knapp sieben Prozent aller Betriebe, in ihnen arbeitet aber immerhin jede(r) achte westdeutsche<br />
Beschäftigte.<br />
Die differenzierenden Analysen (Anhang A3) zeigen, dass zwei Betriebstypen der ersten<br />
Gruppe (solide und traditionell-fordistisch strukturierte Betriebe) überwiegend in Branchen<br />
des Verarbeitenden bzw. Produzierenden Gewerbes operieren. Der modern-fordistisch strukturierte<br />
Betrieb ist hingegen häufiger im Dienstleistungssektor anzutreffen. Innerhalb einzelner<br />
Branchen zeigt sich, dass nicht alle Typen gleichermaßen wichtig sind und Betriebsgrößenklasseneffekte<br />
vorliegen. In der Branche Handel/ Reparatur beispielsweise ist der traditionell-fordistische<br />
Betriebstyp relativ selten. Solide sind vor allem die kleineren Handelsbetriebe,<br />
denn ihr Abdeckungsgrad über Betriebe ist viel höher als der über Beschäftigte.<br />
Modern-fordistisch strukturiert sind im Handel die größeren Betriebe, denn der Abdeckungsgrad<br />
über die Beschäftigten ist wesentlich größer als der über die Betriebe. Festzuhalten<br />
bleibt, dass etwa die Hälfte aller deutschen Betriebe und Beschäftigten von traditionellen<br />
sozioökonomischen Betriebstypen abgedeckt werden. Mit Nuancen lässt sich in ihnen das alte<br />
fordistisch geprägte Muster hoher Beschäftigungsstabilität, geringer Fluktuationsraten sowie<br />
einer durchschnittlichen Entlohnung bei Dominanz der mittleren Qualifikationsprofile<br />
beobachten.
25<br />
Die Betriebe im Umbruch sind ebenfalls mehr oder minder ein Querschnitt der gesamten<br />
deutschen Wirtschaft, jedenfalls bezüglich der Betriebsgrößenklassenverteilung. Von größeren<br />
Umbrüchen im Beschäftigungsbetrieb waren in Westdeutschland im Jahr 2004 etwa drei<br />
Prozent aller Betriebe und Beschäftigten betroffen, wobei auf die Absteiger etwa zwei und die<br />
Aufsteiger etwa 0,6 Prozent der Betriebe entfallen. Etwa 2,3 Prozent der Beschäftigten erlebten<br />
im Jahr 2004, wie ihr Betrieb die Qualifikations- und Lohnprofile nach unten bewegt, und<br />
nur etwa 0,9 Prozent machten die genau umgekehrte Erfahrung. Anteilig recht häufig gehören<br />
die kleineren Betriebe des Banken- und Versicherungsgewerbes zum Absteiger-Betriebstyp.<br />
Das Niedriglohnsegment ist überwiegend von kleinbetrieblichen Strukturen geprägt. Jeder<br />
dritte deutsche Betrieb gehört in der einen oder anderen typischen Ausprägung zum Niedriglohnsegment,<br />
aber „nur“ etwa 17 Prozent aller Beschäftigten arbeiten dort 21 . Das<br />
Niedriglohnsegment teilt sich wie in Abbildung 3 auf die drei konstituierenden Betriebstypen<br />
auf.<br />
Abb. 3: Abdeckungsgrad der Betriebstypen des Niedriglohnsegments im Jahr 2004<br />
über die westdeutsche Wirtschaft<br />
Prozent<br />
18<br />
Abdeckungsgrad über<br />
Betriebe<br />
16,5<br />
16<br />
Beschäftigte<br />
14,1<br />
14<br />
12<br />
8,6<br />
10<br />
8<br />
6,1<br />
6<br />
4<br />
2,8<br />
2,2<br />
2<br />
0<br />
Schwarze Schafe<br />
Malocherbetriebe<br />
Niedriglohnbetrieb<br />
Quelle: linked employer-employee Daten des IAB, gewichtete Werte; Anmerkungen im Anhang A3.<br />
Auf der Betriebsseite sind quantitativ die Malocherbetriebe besonders bedeutsam, aber in<br />
ihnen arbeiten von allen drei Typen der dritten Gruppe die wenigstens Beschäftigten (2,2 Prozent).<br />
Größer sind die schwarzen Schafe. Sie stellen 2,8 Prozent aller Betriebe, aber immerhin<br />
gut sechs Prozent aller Beschäftigten. In den Wirtschaftszweigen Agrar/Bergbau/ Energie/<br />
Wasser sowie in den sonstigen Dienstleistungen sind sie besonders oft vertreten 22 . Malocher-<br />
21 Das bedeutet nicht, dass in Deutschland der Anteil der Niedriglohnbeschäftigten 17 Prozent beträgt.<br />
Niedriglohnbeschäftigung ist ebenfalls in Betriebstypen anderer Gruppen zu beobachten, wie es Überlegungen<br />
zu Kern- und Randbelegschaften nahe legen und Anhang A2 ja auch in den entsprechenden Werten<br />
zeigt. Umgekehrt ist plausibel, dass auch in Niedriglohnbetrieben Führungskräfte relativ hohe Gehälter erzielen.<br />
22 Tiefergehende Analysen zeigen, dass es sich innerhalb der sonstigen Dienstleistungen oft um Betriebe des<br />
Sicherheitsgewerbes bzw. um Verleihfirmen handelt.
26<br />
und Niedriglohnbetriebe streuen mehr oder minder gleichmäßig über die gesamte deutsche<br />
Wirtschaft.<br />
Im Hochlohnsegment dominieren größere Betriebe. Dem Hochlohnsegment werden etwa 15<br />
Prozent aller Betriebe zugerechnet, in denen etwa 34 Prozent aller Beschäftigten arbeiten. Auf<br />
die erfolgreichen Betriebe entfallen etwa elf Prozent aller Betriebe mit 24,3 Prozent aller<br />
Beschäftigten und auf die Elite etwa vier Prozent aller Betriebe mit knapp neun Prozent aller<br />
Beschäftigten. Auffällig ist die Branchenverteilung der beiden Hochlohnbetriebstypen. Im<br />
Verarbeitenden Gewerbe sind beide Betriebstypen anteilig nur relativ selten vertreten, aber<br />
wenn, ist ihr Abdeckungsgrad über die Beschäftigten mit bis zu knapp einem Drittel (Metallund<br />
Elektrogewerbe) außergewöhnlich hoch. Im Dienstleistungssektor fällt die Segmentation<br />
zwischen den einzelnen Branchen auf. Im Hochlohnsegment befinden sich außergewöhnlich<br />
viele Betriebe der unternehmensnahen Dienstleistungen sowie des Banken- und Versicherungsgewerbes,<br />
in denen noch einmal weitaus mehr Beschäftigte arbeiten. So befinden sich<br />
etwa 74 Prozent der Betriebe des Banken- und Versicherungsgewerbes im Hochlohnsegment,<br />
in denen fast 94 Prozent aller Beschäftigten dieses Wirtschaftszweigs arbeiten. Bei den unternehmensnahen<br />
Dienstleistungen ist etwa jeder dritte Betrieb einer aus dem Hochlohnsegment,<br />
und nahezu jede(r) zweite Beschäftigte arbeitet dort. In anderen Branchen befinden sich anteilig<br />
bedeutend weniger Betriebe und Beschäftigte im Hochlohnsegment.<br />
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Betriebstypen eine recht unterschiedliche<br />
Betriebsgrößenklassenstruktur haben und sich nicht gleichmäßig über die Wirtschaftszweige<br />
verteilen. Traditionelle Betriebstypen finden sich mehr im Verarbeitenden bzw. Produzierenden<br />
Gewerbe, Niedrig- und Hochlohnbeschäftigung ist insbesondere im Dienstleistungsbereich<br />
anzutreffen, wobei Niedriglohnbeschäftigung insbesondere in kleineren, und Hochlohnbeschäftigung<br />
insbesondere in größeren Dienstleistungsbetrieben zu beobachten ist. Im<br />
nächsten Abschnitt wird geprüft, inwiefern sich in den sozioökonomischen Betriebstypen<br />
bestimmte betriebsimmanente und damit wettbewerbsrelevante Vorgänge ausdrücken.<br />
5. Bestimmungsgründe der Betriebstypen<br />
Aufbau der Regressionsgleichungen<br />
Das Ziel der nachfolgenden Analysen ist die Ermittlung von Korrelationen der einzelnen<br />
Betriebstypen mit Parametern des auf den ökonomischen Wettbewerb ausgerichteten betrieblichen<br />
Handels. Von diesen Parametern werden im Verlauf des Abschnitts die betrieblichen<br />
Exportaktivitäten in Verbindung mit der Auslandskontrolle von Betrieben und die Investitionen<br />
der Betriebe in IuK-Technologie in Verbindung mit dem E-Learning einer gesonderten<br />
Analyse unterzogen. In den nachfolgenden Ausführungen wird nur am Rande – im Rahmen<br />
einer weiterführenden Beschreibung der sozioökonomischen Betriebstypen durch Faktoren
27<br />
aus dem wettbewerbsrelevanten Umfeld – auf die Vielzahl weiterer Kontrollvariablen eingegangen,<br />
die in die Regressionsmodelle aufgenommen wurden 23 .<br />
Da gezielt die Einflüsse der Globalisierung und des technischen Fortschritts – gemessen über<br />
die beiden oben genannten Faktoren – auf die einzelnen sozioökonomischen Profile der<br />
Betriebe bestimmt werden sollen, aber auch ihr jeweiliger Beitrag für die Ausbreitung bzw.<br />
Zurückdrängung bestimmter Betriebstypen analysiert werden, ist es nicht ausreichend, die<br />
Determinanten jedes einzelnen Betriebstyp im Rahmen einfacher logistischer Regressionen zu<br />
bestimmen. Um alle Betriebstypen einer simultanen Analyse zu unterziehen, wird daher ein<br />
multinominales Logit-Modell (MNLM) aufgestellt 24 . Bei einem einfachen Logit-Modell für<br />
eine binär codierte Variable wird mit<br />
(2) Ω ( x)<br />
Ρr<br />
=<br />
Ρr<br />
( y = 1x)<br />
( y = 0 x)<br />
Ρr<br />
=<br />
1− Ρ<br />
( y = 1x)<br />
r( y = 1x)<br />
die Wahrscheinlichkeit ausgedrückt, wie oft etwas passiert (y = 1) relativ dazu, wie oft es<br />
nicht passiert (y = 0). X ist ein Set an unabhängigen Variablen. Bei Logarithmierung von Ω<br />
ergibt sich für die so genannten Logits das Werteintervall minus bis plus ∞. Daraus kann die<br />
lineare Beziehung ln(Ω) = x*ß (+ ε) abgeleitet werden. Das MNLM ist ein Regressionmodell,<br />
in dem die abhängige kategoriale Variable mehr als zwei Ausprägungen hat. Dies hat zur<br />
Folge, dass die Einflüsse von Globalisierung und technischem Fortschritt auf die Betriebstypen<br />
nur in Relation zu einer Basiskategorie b ermittelt werden können. Gemäß der im zweiten<br />
Abschnitt entwickelten Perspektive bietet es sich an, den traditionell-fordistisch strukturierten<br />
Betriebstyp als Basiskategorie zu verwenden. Dann lassen sich an den Koeffizienten des<br />
MNLM direkt die signifikanten Abweichungen der anderen Betriebstypen vom fordistischen<br />
ablesen, denn die Wahrscheinlichkeit, einen anderen Betriebstyp m als den fordistischen in<br />
Abhängigkeit von Kovariaten x anzutreffen, ist das Verhältnis der Logits der beiden Typen<br />
zueinander, formell<br />
(3) ln Ω m | b = ln<br />
Pr( y<br />
Pr( y<br />
=<br />
=<br />
m | x)<br />
b | x)<br />
= xß m | b .<br />
Da ln Ω b | b (x) = ln 1 = 0 ist, sind die Einflüsse der unabhängigen Variablen für den traditionell-fordistischen<br />
Betriebstyp in den Regressionen ebenfalls notwendigerweise null. Die<br />
Wahrscheinlichkeit den Betriebstyp m anzutreffen, lässt sich bei J = 1 … 9 anderen Betriebstypen<br />
als relationales System ihrer relativen Abweichungen vom fordistischen Betriebstyp<br />
beschreiben.<br />
exp( xβm<br />
| b)<br />
(4) Pr (y = m | x) = .<br />
J<br />
∑ j = 1exp(<br />
xβj<br />
| b)<br />
Der Wechsel der Basiskategorie wirkt sich demnach also nicht auf die vorhergesagten Wahrscheinlichkeiten<br />
der m Ausprägungen aus, aber sie werden mit dem Wechsel der Basiskatego-<br />
23 Sie sind im Anhang A4 im Rahmen der Ergebnisdarstellung für ein Regressionsmodell aufgelistet.<br />
24 Die im vierten Abschnitt vorgestellte Betriebstypologie umschließt eine Vielzahl der für Personen bei der<br />
Teilhabe an Erwerbsarbeit relevanten sozioökonomischen Faktoren. Da eine eindeutige Rangordnung der<br />
Betriebstypen als zu voraussetzungsvoll erscheint, wurde der Ansatz des Ordered-Logit-Modells nicht weiter<br />
verfolgt.
28<br />
rie unterschiedlich parametrisiert. In Gleichung (4) wird angenommen, dass die Wahrscheinlichkeit,<br />
das Auftreten von m zu beobachten, nicht von der Wahrscheinlichkeit des Auftretens<br />
einer (oder mehrerer) anderen Ausprägung n der abhängigen Variable abhängt, sondern sich<br />
in den Wahrscheinlichkeitsbeziehungen des Vektors x für die unabhängigen Variablen (relativ<br />
zur Basiskategorie) manifestiert. Diese so genannte IIA-Hypothese (independance of irrelevant<br />
alternatives) wird überprüft, indem getestet wird, ob sich durch das Hinzufügen oder die<br />
Wegnahme von einzelnen Ausprägungen der abhängigen Variable die Logits für unabhängige<br />
Variablen ändern. Dann ist die Annahme<br />
(5)<br />
Pr( y = m | x)<br />
Pr( y = n | x)<br />
= exp( x [ ß m | b – ß n | b ] )<br />
verletzt, was sich nach Hausman / McFadden (1984) mit einem Hausman-Test überprüfen<br />
lässt 25 . Einen approximativen Likelihood-Ratio-Test schlagen McFadden/ Tye/ Train (1978)<br />
vor, der durch Small/ Hsiao (1985) noch einmal verbessert wurde 26 . Die Signifikanz der<br />
Effekte einzelner Variablen des Vektors X werden wie üblich mit Wald-Tests überprüft, zum<br />
einen, inwiefern die unabhängigen Variablen überhaupt einen Effekt auf die Wahl des<br />
Betriebstyps haben 27 und zum anderen, inwiefern die unabhängigen Variablen (als Gruppe) in<br />
der Lage sind, zwischen zwei Ausprägungen der abhängigen Variable zu differenzieren.<br />
Sofern in diesen Tests keine Verletzungen der entsprechenden Annahmen vorliegen, sagt das<br />
MNLM mit einer geschätzten Wahrscheinlichkeit Pˆ die geschätzten Effekte βˆ für die einzelnen<br />
Faktoren aus dem wettbewerbsrelevanten Umfeld vorher.<br />
exp( x ˆ βm<br />
| J)<br />
(6) Pˆ ( y = m | x) = .<br />
J<br />
∑ j =<br />
x ˆj<br />
J<br />
1<br />
exp( β | )<br />
Mit der Variation von x variiert auch Pˆ m. Gegeben konstante Werte aller anderen Variablen<br />
von X lässt sich die Faktoränderung für eine einzelne x-Variable berechnen. Die Faktoränderung<br />
gibt an, wie sich Pˆ ändert, wenn die entsprechende x-Variable um eine Standardabweichung<br />
erhöht wird. Der marginale Effekt wird mit<br />
(7)<br />
∂ Pr( y = m | x)<br />
∂xk<br />
= Pr (y = m | x) [ βk<br />
, m | J ∑ βk<br />
, j | J Pr( y = j | x ]<br />
− J<br />
j=<br />
1<br />
berechnet. Beim Samplemittelwert etwa geben die Änderungen der β-Koeffizienten Auskunft<br />
darüber, wie sich die deutsche Betriebslandschaft – unter der Annahme, es gäbe nur durchschnittliche<br />
Betriebe bezüglich der x-Variablen – in Bezug auf ihre sozioökonomischen Pro-<br />
25 Der Hausman-Test ist dreistufig. Im ersten Schritt werden alle J Ausprägungen in einem Modell geschätzt.<br />
Im zweiten Schritt wird ein restringiertes Modell geschätzt, bei der eine oder mehrere Ausprägungen der<br />
abhängigen Variable nicht berücksichtigt werden. Im dritten Schritt wird<br />
* ˆF β<br />
als Unterset von<br />
βˆ F definiert.<br />
Die Teststatistik von Hausman / McFadden ist mit Vˆ *<br />
als vorhergesagte Varianz H = ( βˆ R - β )´<br />
[ Vˆ<br />
( ˆ β ) Vˆ(<br />
ˆ<br />
R − β ) ]<br />
-1 ( ˆ ˆ *<br />
β − ). H ist asymptotisch χ² verteilt. H hat so viele Freiheitsgrade, wie es Spalten<br />
*<br />
F<br />
R β F<br />
in βˆR gibt, bei denen die IIA wahr ist. Signifikante Werte für H zeigen also die Verletzung der IIA-<br />
Annahme an.<br />
26 Vereinfacht gesagt wird im Small-Hsiao-Test das Sample in zwei Zufallsstichproben gleicher Größe unterteilt.<br />
Anschließend wird ein zweites restringiertes Sample erzeugt, in dem alle Fälle mit einem bestimmten<br />
und auszuwählendem Wert in der abhängigen Variable gelöscht werden. Anschließend werden beide Verteilungen<br />
miteinander verglichen (vgl. Long / Freese, 2003: 189). Die Anzahl der Freiheitsgrade bestimmt<br />
sich im Small-Hsiao-Test durch die Anzahl der unabhängigen Variablen (K) und beträgt K+1.<br />
27 Es wird geprüft, inwiefern die J-1 Koeffizienten simultan gleich null sind.<br />
ˆF
29<br />
file (Betriebstypen) wandelt, wenn etwa die betrieblichen Exportanteile bzw. die Investitionen<br />
in IuK-Technologie zunehmen oder sinken. Für die Ausstattungsmerkmale von Betrieben, die<br />
mit binären Variablenausprägungen beschrieben werden – etwa ob Betriebe auslandskontrolliert<br />
sind oder ihren Mitarbeitern E-Learning anbieten – wird der marginale Effekt mit der<br />
diskreten Änderung beschrieben.<br />
(8)<br />
Δ Pr( y = m | x)<br />
= pr(y = m | x, x k = x E ) – Pr(y = m | x, x k = x S ).<br />
Δxk<br />
Gleichung (8) berechnet demnach J Koeffizienten für die diskrete Veränderung einer jeden<br />
binären Variable. ß*x k | b ist null. Die allgemeine Form der Faktoränderungen lautet<br />
(9)<br />
Ωm<br />
| n(<br />
x,<br />
xk<br />
+ δ )<br />
Ωm<br />
| n(<br />
x,<br />
xk)<br />
= e<br />
β k , m|<br />
n<br />
δ<br />
.<br />
Wenn x k eine binäre Variable ist, dann verändern sich die Logits des Betriebstyps m gegenüber<br />
denen vom Typ n um einen geschätzten Faktor von exp(ß k, m | n ). Für alle anderen<br />
Variablentypen wird erwartet, dass sich mit δ = sx k – also einer Änderung um eine Standardabweichung<br />
von x k – die Logits für m gegenüber n um den Faktor exp(ß k, m | n × s k ) ändern<br />
(Long/ Freese, 2003: 203).<br />
Inhaltlich bestimmt das MNLM in seiner Regressionsform, welche Korrelationen es zwischen<br />
der Wahrscheinlichkeit des Beobachtens einzelner sozioökonomischer Betriebstypen und den<br />
unabhängigen x-Variablen gibt. Kausale Aussagen lassen sich demnach aus der hier beschriebenen<br />
Methodologie nicht ableiten. Mit den Vorhersagewerten des MNLM kann darüber hinaus<br />
abgeschätzt werden, wie sich die deutsche Betriebslandschaft hinsichtlich ihrer sozioökonomischen<br />
Profile ändert, etwa wenn die deutsche Wirtschaft (noch) mehr exportiert oder die<br />
Betriebe vermehrte Investitionen in IuK-Technologie tätigen. Auch diese Ergebnisse sind<br />
nicht kausal zu interpretieren, weil sie lediglich die (Veränderungen der) Kovarianzmatrix der<br />
unabhängigen Variablen ausnutzen um daraus die vorhergesagten Prozentanteile der einzelnen<br />
sozioökonomischen Betriebstypen abzuleiten. Die Genauigkeit dieser Vorhersage hängt<br />
von der Güte des zugrunde gelegten Regressionsmodells ab. Im Anhang sind Gütekriterien<br />
zur Beurteilung von MNLM für die in diesem Beitrag aufgestellten Regressionsgleichungen<br />
mit kurzen Erläuterungen zu den jeweiligen Messkonzepten aufgelistet.<br />
Ergebnisse des MNLM für alle Betriebstypen<br />
Die Ergebnisse eines MNLM laut Gleichung (4) sind geeignet, repräsentativ die Bestimmungsgründe<br />
der Betriebstypen aus dem wettbewerbsrelevanten Umfeld zu ermitteln. Anschließend<br />
werden ausgewählte betriebsspezifische Parameter gezielt nach Gleichung (9)<br />
manipuliert und damit das Feld der tatsächlichen Gegebenheiten verlassen. Im Anhang A4<br />
befinden sich die Ergebnisse für die β-Koeffizienten. Sie zeigen, wie sich die einzelnen<br />
Betriebstypen von traditionell-fordistisch strukturierten unterscheiden. Die (kleineren) soliden<br />
Betriebe beispielsweise ändern – verglichen mit dem traditionell-fordistisch strukturierten<br />
Betriebstyp – seltener die Aufgabenstruktur ihrer Mitarbeiter und betreiben weniger<br />
Forschung und Entwicklung. Gegeben ihre geringe Größe und ihr allenfalls durchschnittliches<br />
Lohnprofil ist das wenig verwunderlich. Außerdem zeigt sich, dass im traditionell-fordistisch
30<br />
strukturierten Betriebstyp die Arbeitszeiten signifikant niedriger sind als in den beiden traditionellen<br />
Betriebstypen. Die soliden Betriebe haben signifikant seltener eine betriebliche Interessenvertretung,<br />
betreiben weniger Weiterbildung, haben höhere Anteile an unter 25-Jährigen<br />
im Betrieb und seltener einen ausländischen Mehrheitseigentümer. Zwischen der<br />
modernen und der traditionellen Version der fordistisch strukturierten Betriebe gibt es nur<br />
geringe Unterschiede. Modern-fordistisch strukturierte Betriebe betreiben seltener Ausgründungen<br />
als der traditionelle Typ und die Arbeitszeiten sind länger. Sie sind signifikant seltener<br />
tarifgebunden wie traditionell-fordistische Betriebe, haben aber öfter Gleichstellungsvereinbarungen<br />
zwischen Männern und Frauen. Beides lässt sich aus den Unterschieden der beiden<br />
Betriebstypen mit Blick auf ihre Facharbeiter- und Angestelltenanteile herleiten. Ähnliches<br />
gilt für die signifikant höheren Anteile weiblicher Beschäftigter in den modern-fordistisch<br />
strukturierten Betrieben.<br />
Im dynamischen Segment zeigt sich bei den Aufsteiger-Betrieben, dass die im vierten Abschnitt<br />
beobachteten hohen Eintrittsraten der gut Verdienenden (vgl. Anhang A2) mit signifikant<br />
häufigeren Eingründungsaktivitäten einhergehen. Gleichzeitig planen die Aufsteiger-<br />
Betriebe häufiger als der traditionell-fordistisch strukturierte Typ, Teile ihrer Produktion ins<br />
Ausland zu verlagern. Beides passt nur zusammen, wenn die Hochlohnabteilungen in<br />
Deutschland verbleiben und die ursprünglich dominierenden Mittel- bzw. Niedriglohnabteilungen<br />
ins Ausland verlagert werden. Beide Betriebstypen im dynamischen Segment entfalten<br />
signifikant mehr sonstige Weiterbildung, die Aufsteiger auch mehr interne Kurse oder ähnliches.<br />
Mit den Umbrüchen ist also auch signifikant häufiger ein gewisser eher unspezifischer<br />
Weiterbildungsbedarf verbunden um die betrieblichen Umwälzungen zu bewältigen.<br />
Im Niedriglohnsegment verwundert es nicht, dass die entsprechenden Betriebstypen seltener<br />
forschen und entwickeln, längere Arbeitszeiten haben und seltener über eine betriebliche Interessenvertretung<br />
verfügen. Zwei Typen in diesem Betriebssegment – die Niedriglohn- und<br />
Malocherbetriebe – sind signifikant häufiger Einzelunternehmen und seltener in öffentlicher<br />
Hand. Darüber hinaus betreiben sie weniger Weiterbildung und beschäftigen mehr jüngere<br />
Personen. Ebenso wenig überraschend sind die Ergebnisse für die beiden Betriebstypen des<br />
Hochlohnsegments. Zumindest die erfolgreichen Betriebe betreiben weniger Outsourcing,<br />
beide Typen gliedern signifikant häufiger als der traditionell-fordistisch strukturierte<br />
Betriebstyp Abteilungen aus anderen Unternehmen ein. Betriebe im Hochlohnsegment engagieren<br />
sich signifikant häufiger für die Forschung und Entwicklung neuer Produkte und<br />
Dienstleistungen. Die erfolgreichen Betriebe sind häufiger die Zentrale eines größeren Unternehmens,<br />
die Elite-Betriebe häufiger eine Niederlassung derselben. Zusammenfassend lässt<br />
sich festhalten, dass die Ergebnisse des MNLM für alle Betriebstypen und die im vierten<br />
Abschnitt vorgenommene Beschreibung der Betriebstypen anhand der sozioökonomischen<br />
Parameter auf den drei Dimensionen plausibel zusammenpassen.<br />
Das MNLM erlaubt die gezielte Manipulation von unabhängigen Variablen. Sofern alle anderen<br />
Kontrollvariablen konstant gehalten werden, lässt sich mit Hilfe von Gleichung (9)<br />
anhand der marginalen Effekte überprüfen, inwiefern die Globalisierung und der technische<br />
Fortschritt die Auftrittswahrscheinlichkeiten der einzelnen Betriebstypen beeinflussen.
31<br />
Inhaltlich handelt es sich um eine Prognose, wie sich die sozioökonomischen Profile der deutschen<br />
Betriebslandschaft ändern, wenn bezüglich der X-Variablen durchschnittliche deutsche<br />
Betriebe mehr oder weniger exportieren bzw. in IuK-Technologie investieren. Die Beurteilung<br />
der Vorhersagegüte dieser Prognose erlauben die im Anhang A5 abgedruckten Werte<br />
entsprechender statistischer Kennzahlen.<br />
Die Komplexität eines MNLM für zehn Kategorien der abhängigen Variable und die Vielzahl<br />
von unabhängigen Variablen rücken die darstellerischen Probleme in den Vordergrund. Aus<br />
diesem Grund wird zweigleisig verfahren. Auf Seiten der unabhängigen Variablen werden nur<br />
die Effekte der Parameter für die Globalisierung und den technischen Fortschritt dargestellt.<br />
Auf Seiten der Betriebstypen (abhängige Variable) werden zum einen die Auftrittswahrscheinlichkeiten<br />
aller Betriebstypen geschätzt und zum anderen vier besonders kontrastreiche<br />
ausgewählt und damit eine neue Grundgesamtheit definiert. Für die Ergebnisausweisung des<br />
Regressionsmodells für alle Betriebe werden die einzelnen Typen zu den Gruppen I-IV aus<br />
Abschnitt 4 zusammengefasst 28 . In der reduzierten Grundgesamtheit entsteht der Kontrast<br />
dadurch, dass aus jeder Clustergruppe ein besonders markanter Betriebstyp ausgewählt<br />
wird 29 . Das sind<br />
– traditionell-fordistische Betriebe (Repräsentant Gruppe 1 und Basiskategorie)<br />
– Absteiger-Betriebe (Repräsentant Gruppe 2)<br />
– Niedriglohnbetriebe (Repräsentant Gruppe 3)<br />
– Elite-Betriebe (Repräsentant Gruppe 4).<br />
Da die IIA-Annahme im vollen Modell mit allen zehn Betriebstypen nicht verletzt ist (vgl.<br />
Anhang A4, Anmerkungen), ist die Einschränkung vertretbar. Neben den darstellerischen<br />
Vorzügen einer kleineren Grundgesamtheit ist ein unterstützendes Argument die sehr gute<br />
Anpassungsgüte dieses reduzierten Modells.<br />
In der nachfolgenden Abbildung 4 bezeichnen Großbuchstaben die vier Betriebstypen, die im<br />
reduzierten MNLM berücksichtigt werden. Im Anhang A6 befindet sich die analog aufgebaute<br />
Abbildung mit allen Betriebstypen 30 . Der traditionell-fordistisch strukturierte Betrieb<br />
(F) ist die Referenzkategorie. Der Buchstabe F wird daher für alle Merkmale auf den Skalenwert<br />
eins (obere Skala) bzw. null (untere Skala) gesetzt 31 . Wenn ein Buchstabe rechts von<br />
einem anderen steht, dann ist der Einfluss des entsprechenden Merkmals positiv (links vice<br />
versa). Die Größe der Effekte ist proportional in den Abbildungen wiedergegeben, d.h. je<br />
weiter rechts ein Buchstabe steht, umso größer ist der Unterschied zu den anderen. Schließlich<br />
28 Auf die Darstellung des dynamischen Segments wird aufgrund der geringen Bedeutung dieser Gruppe<br />
verzichtet.<br />
29 Aus Kontrollgründen wurde ein MNLM auch für Clustergruppen durchgerechnet. Die Schätzgüte (Varianzaufklärung)<br />
dieses Modells war wie zu erwarten schlechter, denn die Clustergruppen verdecken – nach den<br />
Ergebnissen des vierten Abschnitts - markante Unterschiede der einzelnen Betriebstypen.<br />
30 Die Anhangsabbildung zeigt sehr deutlich die Darstellungsprobleme, wenn alle Betriebstypen berücksichtigt<br />
werden. Um in der Abbildung überhaupt etwas erkennen zu können, wurden die Betriebstypen solide<br />
und Aufsteiger aus den Analysen ausgeschlossen.<br />
31 Die untere Skala stellt die Regressionskoeffizienten ß1 … ßN aus dem MNLM dar, auf der oberen werden<br />
sie in Faktoränderungen [=exp(ß x )] umgerechnet.
32<br />
gibt Abbildung 5 Informationen über signifikante Unterschiede. Alle nicht signifikanten Abweichungen<br />
zwischen einzelnen Betriebstypen werden durch Linien miteinander verbunden,<br />
um so ihre „Bindung“ (ties) aneinander zu verdeutlichen. In Abbildung 4 befinden sich die<br />
Indikatoren für die Messung der Globalisierung und des technischen Fortschritts. Die Interpretation<br />
der Merkmale ist weniger umständlich als für eine binäre Variable, weil sich die<br />
marginalen Effekte an verschiedenen Stellen der Maximum-Likelihood-Funktion nicht ändern.<br />
In die Abbildung wurde außerdem der betriebliche Frauenanteil aufgenommen um zu<br />
verdeutlichen, dass traditionell-fordistisch strukturierte betriebliche Arbeitsorganisation nicht<br />
unbedingt die Beschäftigung von Frauen fördert.<br />
Abb. 4:<br />
Faktoränderungen ausgesuchter wettbewerbsrelevanter Aktivitäten auf vier<br />
ausgewählte sozioökonomische Betriebstypen<br />
Quelle: linked employer-employee Daten des IAB für Westdeutschland im Jahr 2004 unter Anwendung des<br />
mlogplot-tools von Long/ Freese (2003)<br />
Legende: F: traditionell-fordistischer Typ A: Absteiger<br />
Anmerkungen:<br />
N: Niedriglohnbetrieb E: Elite<br />
Die Grundgesamtheit besteht aus Betrieben mit mindestens fünf Beschäftigten im privaten<br />
Sektor (ohne Banken/Versicherungen). Es wurden nur die vier ausgewiesenen Betriebstypen in<br />
das MNLM aufgenommen (N=865). Erläuterungen zur Abbildung befinden sich im Haupttext.<br />
Die größten Unterschiede zwischen den vier Betriebstypen sind bei den betrieblichen Frauenanteilen<br />
festzustellen, die zweitgrößten gibt es bei den Investitionen in IuK-Technologien und<br />
der Einfluss des betrieblichen Exportanteils ist auf den ersten Blick am geringsten. Signifikante<br />
Abweichungen beim betrieblichen Exportanteil gibt es zwischen den traditionell-fordistischen<br />
und den Elite- sowie Aufsteigerbetrieben. In der Zeile mit dem betrieblichen<br />
Frauenanteil wird deutlich, dass der traditionell-fordistische Betriebstyp derjenige mit den<br />
geringsten Frauenanteilen ist, während zwischen den anderen drei Typen keine signifikanten<br />
Unterschiede bestehen, sie aber gemeinsam einen großen Abstand vom fordistischen<br />
Betriebstyp haben. Darüber hinaus zeigt das Modell mit acht Betriebstypen (Anhang A6),<br />
dass Betriebe mit hohen Anteilen weiblicher Beschäftigter öfters diejenigen mit den niedrigsten<br />
Durchschnittslöhnen sind (Schwarze Schafe und Malocherbetriebe). Während Männer<br />
öfter in traditionell-fordistisch strukturierten Betrieben arbeiten – die aufgrund der Betriebsgröße<br />
und der hohen Lohnspreizung mehr potenzielle innerbetriebliche Karrieremöglichkeiten<br />
eröffnen – arbeiten Frauen öfter im Hoch- und Niedriglohnsegment (und im dynamischen<br />
Segment), wo zur Realisierung von Aufstiegschancen öfter der Betrieb gewechselt werden
33<br />
muss. Der Grund hierfür ist, dass die entsprechenden Betriebe des Hoch- und Niedriglohnsegments<br />
eher eine einheitliche Entlohnung aufweisen und entsprechend homogene Qualifikationsprofile<br />
haben. In einer solchen Struktur betrieblicher Arbeitsorganisation sind Aufstiege<br />
(aber vielleicht auch Abstiege) im gleichen Betrieb weniger oft vorgesehen. Das kann<br />
als eine direkte Folge der Konzentration der Hoch- und Niedriglohnbetriebe auf ihr jeweiliges<br />
Kerngeschäft interpretiert werden.<br />
Der Effekt der betrieblichen Exportaktivitäten ist nur bei den Absteiger- und Elitebetrieben in<br />
Relation zu den traditionell-fordistisch strukturierten zu beobachten. Niedriglohnbetriebe<br />
weichen zwar auch positiv vom fordistischen Betriebstyp ab, aber die Unterschiede sind nicht<br />
signifikant. Wenn also der betriebliche Exportanteil um eine Standardabweichung (etwa<br />
knapp 26 Prozent) steigt, dann handelt es sich – relativ zum fordistischen Betriebstyp – mit<br />
einer um den Faktor 1,6 höheren Wahrscheinlichkeit um einen Elitebetrieb, d.h. höhere<br />
betriebliche Exportanteile gehen öfter einher mit der Existenz von Hochlohnbetrieben. Die<br />
Investitionen in IuK-Technologie wirken etwas anders. Traditionell-fordistisch strukturierte<br />
Betriebe investieren signifikant mehr in IuK-Technologie als Niedriglohn- und Aufsteigerbetriebe<br />
und signifikant weniger als Elitebetriebe. Wenn Betriebe also viel in IuK-Technologie<br />
investieren, dann handelt es sich – relativ zum fordistischen Betriebstyp – wahrscheinlicher<br />
um Elitebetriebe. Wenn die betrieblichen Investitionen in IuK-Technologie um eine Standardabweichung<br />
steigen – im Sample sind das etwa 2000,- Euro 32 – dann erhöht sich gegenüber<br />
der Basiskategorie die Wahrscheinlichkeit, dass es sich um einen Elitebetrieb handelt, um den<br />
Faktor vier. Für Niedriglohn- und Abstiegerbetriebe hingegen sinkt die Wahrscheinlichkeit<br />
um den Faktor 1,7, wenn sich die IuK-Investitionssummen um eine Standardabweichung<br />
ändern. Traditionell-fordistisch strukturierte Betriebe nehmen also bezüglich ihrer Investitionen<br />
in IuK-Technologie eine mittlere Stellung zwischen Hoch- und Niedriglohnbetrieben ein.<br />
Investieren – relativ zum fordistischen Betriebstyp – Betriebe weniger in IuK-Technologie,<br />
dann steigt die Wahrscheinlichkeit einen Niedriglohnbetrieb zu beobachten an (Hochlohnbetriebe<br />
vice versa). Die Zusammenhänge zwischen den betrieblichen Investitionen in IuK-<br />
Technologie bzw. den betrieblichen Exporttätigkeiten und dem (vorhergesagten) Auftreten<br />
von sozioökonomischen Betriebstypen werden im folgenden Unterabschnitt einer genaueren<br />
Analyse unterzogen.<br />
Einflüsse von Globalisierung und technischem Fortschritt auf die Struktur der westdeutschen<br />
Betriebslandschaft<br />
Die Überlegungen zu den betrieblichen Exportaktivitäten in Verbindung mit der Auslandskontrolle<br />
von Betrieben sowie derer zur Nutzung des E-Learnings in Verbindung mit den betriebliche<br />
getätigten Investitionen in IuK-Technologie am Ende von Abschnitt 2 werden hier<br />
32 Die Investitionssumme geht logarithmiert in die Regressionsgleichung ein. Der Effekt ist demnach nicht<br />
linear, d.h. eine Faktorverdoppelung findet nicht pro 2000,- Euro Investitionen in IuK-Technologie statt.<br />
Die im Text genannte Faktoränderung bezieht sich auf Erhöhung der IuK-Investitionen vom Minimalwert<br />
4,6 (gleich 100,- Euro) um eine Standardabweichung (die 3,13 beträgt). Berechnet wird also ln(7,73) ~<br />
2000,- Euro. Steigen die IuK-Investitionen nochmals um Standardabweichung (also auf 10,86), dann verdoppeln<br />
sich die Faktoränderungen. Ln(10,86) entspricht aber bereits einer Investitionssumme von etwa 52<br />
Tsd. Euro. Für eine Verdoppelung der Wahrscheinlichkeiten Elite-Betriebe zu beobachten, muss also ein<br />
immer höherer Investitionsbetrag in IuK-Technologie aufgewendet werden.
34<br />
wieder aufgenommen, um die Folgen von Globalisierung und technischem Fortschritt auf die<br />
(vom MNLM vorhergesagten) Wahrscheinlichkeiten des Auftretens bestimmter Betriebstypen<br />
zu untersuchen. An zwei Beispielen wird das zu Abbildung 4 Gesagte vertieft. Unter dem<br />
Aspekt der Globalisierung wird untersucht, inwiefern sich die Wahrscheinlichkeit des Auftretens<br />
der sozioökonomischen Betriebstypen durch Auslandskontrolle und (betriebliche)<br />
Exportanteile verändern. Unter dem Aspekt des lebenslangen Lernens und der Modernisierungsschübe<br />
in der Arbeitswelt wird auf die betrieblich getätigten Investitionen in IuK-Technologie<br />
in Verbindung mit E-Learning eingegangen. Um die Darstellung nicht zu überfrachten,<br />
werden die Schätzergebnisse für die einzelnen Betriebstypen anschließend auf die Gruppenebene<br />
aggregiert. Die sozio-ökonomischen Auswirkungen der Globalisierung auf die Herausbildung<br />
bestimmter Betriebstypen in Westdeutschland erfolgt anhand der Vorhersagen des<br />
MNLM laut der Gleichungen (7) und (8) 33 . Abgetragen ist die Veränderung des vorhergesagten<br />
Anteils des jeweiligen Betriebstyps nach Maßgabe des MNLM für die Privatwirtschaft in<br />
Abhängigkeit von der Höhe des betrieblichen Exportanteils, der von null bis einhundert Prozent<br />
variiert wird. Es ist nach den theoretischen Überlegungen des zweiten Abschnitts zu<br />
vermuten, dass die Auslandskontrolle einen verstärkenden Effekt auf die Herausbildung von<br />
Hochlohnbetrieben hat und bei anderen Betriebstypen kein, ein bescheidener oder ein linearer<br />
Effekt auf die Auftrittswahrscheinlichkeiten des entsprechenden Betriebstyp festgestellt wird.<br />
Ähnliches sollte sich bei den Investitionen in IuK-Technologie beobachten lassen, allerdings<br />
sollten die vorhergesagten Anteile der fordistisch strukturierten Betriebe mit steigenden IuK-<br />
Investitionen zunächst ebenfalls ansteigen – das ist die Abgrenzung von den Niedriglohnbetrieben<br />
laut Abbildung 4 – dann aber wieder sinken, weil bei sehr hohen IuK-Investitionssummen<br />
der Elite-Betriebstyp wahrscheinlicher ist. Das E-Learning sollte die Existenz von<br />
Elitebetrieben begünstigen. Mit hohen IuK-Investitionen in Kombination mit dem E-Learning<br />
müsste die Anzahl der Elitebetriebe annähernd exponentiell ansteigen. Abbildung 5 zeigt das<br />
Ergebnis dieser Vorgehensweise zunächst für die betrieblichen Exportanteile in Verbindung<br />
mit der Auslandskontrolle des Betriebs. Am Samplemittelwert ist die Bedeutung des dynamischen<br />
Segments faktisch null, daher wird auf dieses nicht weiter eingegangen. Im Anhang A7<br />
befindet sich eine Sammlung der Ergebnisse für das Modell, in dem nur vier Betriebstypen<br />
berücksichtigt werden, in Anhang A8 ist die Bedeutung der Segmente als ihr Anteil an 100<br />
Prozent abgetragen.<br />
33 Die Vorhersagewerte für die Anteile entsprechen nicht der Verteilung der Betriebstypen laut Anhangstabelle<br />
A3, weil alle Ergebnisse auf den marginalen Effekten der interessierenden Variablen für einen durchschnittlichen<br />
deutschen Betrieb beruhen.
35<br />
Abb. 5:<br />
Vorhergesagte Wahrscheinlichkeiten für die Segmente der Betriebstypen in<br />
Abhängigkeit von der Auslandskontrolle von Betrieben und ihrem<br />
Exportanteil<br />
Anteil in Prozent v.<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
0 15 30 45 60 76 91<br />
TS ohne Ak TS mit Ak NS ohne Ak NS mit Ak HS ohne Ak HS mit Ak<br />
Betrieblicher Exportanteil<br />
Legende: TS: traditionelles Segment NS: Niedriglohnsegment HS: Hochlohnsegment<br />
Ak Auslandskontrolle<br />
Quelle: linked employer-employee Daten des IAB für Westdeutschland im Jahr 2004<br />
Anmerkungen: Basis sind Betriebe der westdeutschen Privatwirtschaft (ohne Banken/Versicherungen) in<br />
Westdeutschland im Jahr 2004 mit mindestens fünf Beschäftigten. Für die jeweils nicht<br />
abgedruckten Variablen wird der Mittelwert des auf vier Betriebstypen eingeschränkten<br />
Samples gesetzt.<br />
Die Abbildung zeigt die Verschiebungen der betrieblichen Beschäftigungssegmente in<br />
Abhängigkeit von ausgesuchten Indikatoren für das Öffnen nationaler Märkte. Das Niedriglohnsegment<br />
bleibt von einer verstärkten Globalisierung relativ unbeeindruckt. Die Verschiebungen<br />
sind vor allem zwischen den traditionellen und den Hochlohnbetrieben zu beobachten.<br />
Würden Betriebe gar nicht exportieren, gäbe es mehr traditionell strukturierte als Hochlohnbetriebe.<br />
Mit steigendem Exportanteil ändert sich dieses Bild, das Hochlohnsegment verdrängt<br />
zunehmend das traditionelle. Die Auslandskontrolle von Betrieben bewirkt eine relativ<br />
gleichmäßige Niveauverschiebung in dem Sinne, dass es – unter der Annahme, alle westdeutschen<br />
Betrieben wären auslandskontrolliert – die Bedeutung des Hochlohnsegments für die<br />
gesamte westdeutsche Wirtschaft um etwa zwanzig Prozent steigt und die des traditionellen<br />
um etwa den gleichen Betrag sinkt. Die tiefer gehenden Analysen mit den vier Betriebstypen<br />
(Anhang A7) zeigen, dass das Auftreten von Elite-Betrieben ohne Auslandskontrolle nur<br />
mäßig von den Exportanteilen beeinflusst wird. Mit Auslandskontrolle aber steigen die Wahrscheinlichkeiten<br />
für das Auftreten von Elite-Betrieben überproportional an. Bei Niedriglohnbetrieben<br />
hingegen bewirkt die Auslandskontrolle lediglich eine Niveauverschiebung der<br />
Anteile an allen Betrieben nach unten.
36<br />
Die empirischen Ergebnisse sind nachvollziehbar. Für ausländische Unternehmen ist es in<br />
einem Hochlohnland wie Deutschland relativ unattraktiv, Produktionen auf niedrigem Niveau<br />
zu übernehmen und die dort hergestellten Güter und Dienstleistungen zu exportieren. Es wird<br />
andere Länder geben, die in dieser Hinsicht besser geeignet sind. Anders ist das im Hochlohnsegment.<br />
Da dort hochwertige Güter und Dienstleistungen hergestellt werden, können ausländische<br />
Unternehmen durch die Übernahme entsprechender deutscher Firmen (Betriebe) bessere<br />
Positionen auf dem Weltmarkt erreichen. Manager verweisen recht häufig auf den Aspekt<br />
des Wissensvorsprungs einer erfahrenen Belegschaft, wenn sie gefragt werden, warum sie<br />
Teile ihrer in Deutschland stattfindenden Produktion nicht in andere Länder verlagern<br />
(Schank/ Schnabel, 2007, 13) 34 .<br />
Eine interessante weiterführende Frage ist, ob die entsprechenden auslandskontrollierten und<br />
stark exportierenden Betriebe schon immer so strukturiert waren oder erst durch die Auslandskontrolle<br />
zu Hochlohnunternehmen (Elitebetriebe) geworden sind 35 . Darüber hinaus<br />
scheint es einen engen Zusammenhang zwischen betrieblicher Exporttätigkeit und den hohen<br />
Löhnen in den entsprechenden (Elite-)Betrieben zu geben. Schank/Schnabel (2007, 13) kommen<br />
zu dem Schluss, dass es einen positiven Zusammenhang zwischen der Zahlung von Effizienzlöhnen<br />
– also von Lohnzahlungen über dem Markträumungsniveau – und dem Erfolg auf<br />
den Exportmärkten gibt. Dieser hängt mittel- bis langfristig wohl zu einem nicht unwesentlichen<br />
Teil von der Motivation der Mitarbeiter und den betrieblichen Fähigkeiten ab,<br />
(hoch-)qualifizierte Arbeitskräfte längerfristig an den Betrieb zu binden. Beides wird von der<br />
Zahlung von Löhnen und Gehältern über dem Markträumungsniveau begünstigt.<br />
Festzuhalten bleibt, dass die Orientierung hin zum Weltmarkt sei es nun über eine stärkere<br />
Präsenz ausländischer Unternehmen in (West-)Deutschland oder über höhere betriebliche<br />
Exportanteile – die Herausbildung von Hochlohnbetrieben begünstigt. Damit ist zwar in der<br />
Regel ein Beschäftigungswachstum im Hochlohnsegment verbunden, aber es ist unklar, ob<br />
nicht gleichzeitig Beschäftigungsverluste auf den mittleren und unteren Lohn- und Qualifikationsniveaus<br />
auftreten. Wie auch immer, diese Entwicklung geht zu Lasten des traditionellen<br />
Segments, dessen Auftrittswahrscheinlichkeiten mit zunehmenden betrieblichen Exportanteilen<br />
abnehmen. Für die Existenz von Niedriglohnbetrieben wird mit steigenden betrieblichen<br />
Exportanteilen vom MNLM eine sehr geringe Zunahme der Auftrittswahrscheinlichkeiten<br />
prognostiziert. Das muss nicht unbedingt daran liegen, dass Niedriglohnbetriebe mehr exportieren.<br />
Es ist genauso gut möglich, dass hierfür Strukturverschiebungen der Betriebslandschaft<br />
verantwortlich sind, d.h. das häufigere Auftreten von Niedriglohnbetrieben bei steigenden<br />
betrieblichen Exportanteilen basiert auf dem (prognostizierten) Rückgang der Auftrittswahrscheinlichkeiten<br />
des traditionell-fordistisch strukturierten Betriebstyps. Möglich ist auch, dass<br />
mit zunehmenden Erfolg des Hochlohnsegments auf dem Weltmarkt – ausgedrückt durch<br />
34 Schank/Schnabel (2007: 13) verweisen dazu auf entsprechende Aussagen von B. Schreier im Handelsblatt<br />
(30. Juni 2004: 13) zu den Heidelberger Druckmaschinen, die Weltmarktführer in der Produktion von<br />
Druck- und Schreibausrüstungen sind.<br />
35 Etwa indem sie den Mittel- und Unterbau der Lohn- und Qualifikationsprofile abbauen. Das ist insbesondere<br />
bei größeren ausländischen Konzernen zu erwarten, wenn sie bereits über entsprechende Fertigungsschritte<br />
in anderen Ländern verfügen. Übrig bleiben dann nur die Abteilungen, die auf dem Weltmarkt<br />
einen komparativen Vorteil versprechen. In einem Hochlohnland ist das in der Regel der Oberbau der Lohnund<br />
Qualifikationsprofile.
37<br />
steigende Exportanteile – auch eine verbesserte Auftragslage bei Niedriglohnbetrieben einhergeht,<br />
etwa wenn Zulieferer auch ohne eigene Exporttätigkeiten von steigenden Exportanteilen<br />
anderer Betriebe profitieren. Hierfür spricht auch, dass mit der Auslandskontrolle von<br />
deutschen Betrieben die Auftrittswahrscheinlichkeiten für Niedriglohnbetriebe sinken (Effekt<br />
etwa acht Prozent). Der fordistische Betriebstyp hingegen wird mit Auslandskontrolle um<br />
etwa fünf Prozent wahrscheinlicher als ohne. Ausländische Investoren finden also Niedriglohnbetriebe<br />
am unattraktivsten. Traditionell strukturierte Betriebe sind dagegen schon öfters<br />
unter Auslandskontrolle, aber am stärksten ist der Effekt im Hochlohnsegment. Die Ergebnisse<br />
sprechen also deutlich für die Hypothese der „picking-up-the-winner“-Strategie, wenn<br />
Firmen aus dem Ausland Mehrheitseigentümer deutscher Betriebe sind oder werden.<br />
Mit einer analogen Vorgehensweise werden die Einflüsse der Investitionen in Informationsund<br />
Kommunikationstechnologien 36 und des E-Learnings bestimmt, in Abbildung 6 befinden<br />
sich die Ergebnisse.<br />
Abb. 6:<br />
Vorhergesagte Wahrscheinlichkeiten für die Segmente der Betriebstypen in<br />
Abhängigkeit von dem betrieblichen Angebot des E-Learning und den<br />
Investitionen in IuK-Technologie<br />
Anteil in Prozent<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
4 7,9 8,8 9,4 10 10,4 10,9 11,4 12 12,6 13,4 14,6<br />
TS ohne E-Learning TS mit E-Learning NS ohne E-Learning NS mit E-Learning<br />
HS ohne E-Learning HS mit E-Learning<br />
Die Kurvenverläufe unterscheiden sich von denen für die betrieblichen Exportanteile. Bei<br />
sehr geringen Investitionssummen ist das Hochlohnsegment nicht sonderlich bedeutend, mit<br />
zunehmender Investitionssumme in IuK-Technologie steigen die Anteile deutlich an. Insbe-<br />
36 Die Investitionssummen in IuK-Technologien gehen logarithmiert in das MNLM ein. Sofern Betriebe (der<br />
Privatwirtschaft ohne Banken/ Versicherungen) angeben, keine Investitionen in IuK getätigt zu haben<br />
(Anteil der Investitionen in IuK an allen betrieblichen Investitionen gleich null), werden zur Vermeidung<br />
nicht definierter Werte die entsprechenden Investitionsbeträge der Betriebe in IuK auf einen (symbolischen)<br />
Wert von 100,- Euro gesetzt. Der geringste mögliche Wert im Sample ist deshalb ln(100) = 4,605. Alternativ<br />
wurden MNLM mit der Investitionssumme pro Beschäftigten getestet. Diese Modelle haben eine etwas<br />
schlechtere Anpassungsgüte, weswegen der logarithmierten Gesamtsumme der (IuK-)Investitionen der<br />
Vorzug gegeben wurde. Die Betriebsgrößenklassendummies fangen im MNLM den Effekt ein, das größere<br />
Betriebe ceteris paribus mehr investieren als kleinere.
38<br />
sondere im hohen Wertebereich nehmen gleichzeitig die Auftrittswahrscheinlichkeiten des<br />
traditionellen und des Niedriglohnsegments exponentiell ab. Deutlich wird auch der nichtlineare<br />
Effekt 37 des E-Learning, im traditionellen Segment kann er sogar das Vorzeichen wechseln.<br />
Bei Elite-Betrieben ist es sogar so, dass ihre Existenz erst ab einer Investitionssumme<br />
von etwa 3000,- Euro jährlich (=exp(8)) das MNLM überhaupt die bescheidene Existenz<br />
(etwa ein Promille) von Elite-Betriebe vorhersagt. Mit der Höhe der Investitionssumme steigen<br />
dann die vorhergesagten Anteile der Elite-Betriebe exponentiell an, wobei das E-Learning<br />
mit zunehmenden IuK-Investitionen einen größer werdenden Einfluss auf die vermehrte<br />
Beobachtung dieses Betriebstypus hat. Der Effekt dieser Form der informellen Weiterbildung<br />
verstärkt sich also im Hochlohnsegment mit der Höhe der betrieblich getätigten Investitionen<br />
in IuK-Technologie.<br />
Je mehr die Betriebe in IuK-Technologie investieren, umso weniger Niedriglohnbetriebe wird<br />
es in (West-)Deutschland geben. Im Umkehrschluss investiert das Niedriglohnsegment also<br />
nur sehr wenig in IuK-Technologie. Im traditionellen Segment wird im Zusammenhang mit<br />
dem E-Learning ein kurvilinearer Zusammenhang mit Wechsel des Vorzeichens prognostiziert.<br />
Bis zu einer Investitionssumme in IuK-Technologie von etwa 5,4 Mio. Euro<br />
(=exp(15,5)) sinken die vorhergesagten Anteile traditionell strukturierter Betriebe langsam,<br />
bei höheren Investitionssummen ist die Abnahme der Anteile exponentiell geformt. Mit E-<br />
Learning sagt das MNLM etwa zehn Prozent mehr Betriebe mit traditionell-fordistischen<br />
Strukturen voraus, sofern Betriebe gar nicht in IuK investieren. Mit steigenden Investitionen<br />
nimmt der positive E-Learning-Effekt ab, bei einer Investitionssumme von etwa 5 Mio. Euro<br />
ist er gleich null. Bei noch höheren Investitionssummen sinken die vorhergesagten Anteile an<br />
traditionell-fordistisch strukturierten Betrieben bei der Existenz eines E-Learning-Angebotes<br />
wieder. Darin dürfte sich der Effekt der in diesem Bereich der IuK-Investitionenen dominierenden<br />
Hochlohnsegments widerspiegeln.<br />
Das Ergebnis für das E-Learning in Verbindung mit den betrieblichen Investitionen in IuK-<br />
Technologie ist für die analysierten Betriebstypen differenziert zu bewerten. E-Learning wird<br />
beispielsweise als ein die betriebliche Berufsausbildung förderndes Instrument angesehen<br />
(Degen, 2002: 3), weil mit einem relativ geringen finanziellen Aufwand standardisierte E-<br />
Learning-Module erstellt werden können, die sich in der Berufsausbildung erfolgreich einsetzen<br />
lassen. Dies wird für das traditionelle Segment aufgrund der starken Orientierung an den<br />
Facharbeiter-Profilen und der Bedeutung der betrieblichen Berufsausbildung eine gewisse<br />
Rolle spielen. Darüber hinaus gibt es Gründe, warum E-Learning generell ein für Fachkräfte<br />
geeignetes Lerninstrument darstellt (ebd.). Wie das Ergebnis für die Elite-Betriebe zeigt, ist<br />
das an eine entsprechend gute und das heißt wohl oft auch teure Infrastruktur an IuK-Technologie<br />
gebunden. Der E-Learning-Effekt wird umso größer, je mehr die Betriebe in IuK-<br />
Technologie investieren, d.h. E-Learning ist der Ausdruck einer technikgetriebenen Entwicklung<br />
und somit Voraussetzung für ein lebenslanges und selbst gesteuertes Lernen (Härtel et<br />
al., 2002: 12). Allerdings dürfte E-Learning am Arbeitsplatz an die Existenz oder Bereitstel-<br />
37 Die diskrete Veränderung des Merkmals E-Learning hat also an verschiedenen Stellen der Funktion einen<br />
unterschiedlich großen Effekt auf die Odds der einzelnen Typen in den jeweiligen Segmenten, was in den<br />
Anhangsabbildungen noch deutlicher zum Vorschein kommt.
39<br />
lung einer entsprechenden Infrastruktur von IuK-Technologie gebunden sein und so ist unter<br />
Aspekten einer möglichst breiten Beteiligung auch geringerer Qualifikationsniveaus am<br />
lebenslangen Lernen fraglich, ob die gezielte Förderung von IuK-Investitionen zu einer<br />
gewissen Abmilderung der schwierigen Arbeitsmarktsituation un- und angelernter Arbeitskräfte<br />
beitragen kann. Denn Betriebe im Niedriglohnsegment haben aufgrund ihrer Wettbewerbsstellung<br />
in der Regel wohl wenig Interesse, größere Summen in IuK-Technologie zu<br />
investieren. Insofern werden die Ergebnisse anderer Untersuchungen bestätigt, dass eine<br />
höhere Diffusion der IuK-Technologien signifikant negativ korreliert ist mit dem Anteil an<br />
mittel und niedrig qualifizierten Arbeitskräften (z.B. Falk, 2002).<br />
Die Beantwortung der Forschungsfragen ist nach den empirischen Ergebnissen, dass die Globalisierung<br />
der Wirtschaft die Ausbreitung insbesondere des Hochlohnsegments begünstigt.<br />
Diese Entwicklung geht fast ausschließlich zu Lasten der traditionell strukturierten Betriebe,<br />
während das Niedriglohnsegment von der Öffnung der Märkte nahezu unberührt bleibt. Die<br />
Internationalisierung der Betriebe – gemessen über einen ausländischen Mehrheitseigentümer<br />
– forciert diese Auftrennung der Betriebe in ein Hoch- und Niedriglohnsegment. Während<br />
die Öffnung der Märkte und die Globalisierung ein vom betrieblichen Standpunkt nach<br />
außen gerichteter Prozess ist, ist der technologische Fortschritt ein eher betriebsimmanenter<br />
Prozess, dessen Wirkung auf die westdeutsche Betriebslandschaft weniger linear ist. Wenn<br />
durchschnittliche Betriebe faktisch nicht in IuK investieren, dann hat das Hochlohnsegment<br />
eine nur geringe Bedeutung, die mit der Investitionssumme stetig und bei sehr hohen Summen<br />
exponentiell ansteigen. Da im traditionellen Segment solche Effekte nicht oder erst bei sehr<br />
hohen Investitionssummen beobachtet werden, gibt es eine nahezu reziproke Beziehung zwischen<br />
der Höhe der Investitionen in IuK-Technologie und dem Verhältnis von Hoch- und<br />
Niedriglohnbetrieben. Der technologische Fortschritt begünstigt also die Existenz von Hochlohnbetrieben,<br />
sein Ausbleiben das Niedriglohnsegment.<br />
6. Wertung und Forschungsausblick<br />
Die Analysen wendeten sich der empirischen Beantwortung der Frage zu, wie in Westdeutschland<br />
die betrieblich organisierte Teilhabe an Erwerbsarbeit im Jahr 2004 strukturiert<br />
ist. Im multivariaten Teil wurde untersucht, wie zwei der zweifellos großen Trends der heutigen<br />
Zeit – die Öffnung der Märkte und der technische Fortschritt – die sozioökonomischen<br />
Profile der westdeutschen Betriebe beeinflussen. Etwa für die Hälfte der westdeutschen<br />
Betriebe und Beschäftigten ist in der einen oder anderen Weise die traditionelle betriebliche<br />
Arbeitsorganisation Struktur gebend. Sie können lange Betriebszugehörigkeiten und – je nach<br />
Betriebstyp – leicht unter- bis leicht überdurchschnittliche Löhne erwarten. In den beiden<br />
großbetrieblichen Typen des traditionellen Segments gibt es aufgrund der Existenz aller<br />
Qualifikationsebenen eine breite Lohnspreizung, die sich als (potenzielle) innerbetriebliche<br />
Aufstiegschancen deuten lassen. Die andere Hälfte der westdeutschen Beschäftigten arbeitet<br />
in Hoch- und Niedriglohnfirmen. In Hochlohnfirmen können die meisten Beschäftigten ebenfalls<br />
von relativ langen Betriebszugehörigkeitsdauern ausgehen, jedenfalls wenn sie ein relativ<br />
hohes Qualifikationsprofil haben. Umgekehrt gehört fast jeder dritte deutsche Betrieb zum
40<br />
Niedriglohnsegment. Da die entsprechenden Betriebstypen – mit Ausnahme der schwarzen<br />
Schafe – relativ klein sind, arbeiten im Niedriglohnsegment nur etwa 17 Prozent der Beschäftigten,<br />
aber Niedriglohnbeschäftigung baut sich ebenfalls – beurteilt nach der entsprechenden<br />
Bilanz der Ein- und Austrittsraten – in anderen Betriebstypen auf. Am schwierigsten ist die<br />
Situation der Beschäftigten im dynamischen Segment zu beurteilen, wenn auch die beiden<br />
Betriebstypen dieser Gruppe quantitativ relativ unbedeutend sind (etwa drei Prozent der Betriebe<br />
und Beschäftigten). Im Absteiger-Betriebstyp wurden die Hochlohnbeschäftigten und<br />
im Aufsteiger-Betriebstyp die Niedriglohnbeschäftigten freigesetzt und die beiden Betriebstypen<br />
haben genau umgekehrt eingestellt.<br />
Die empirischen Befunde sprechen für eine gewisse Erosion der deutschen Ausprägung des<br />
fordistischen Produktions- und Sozialmodells der Nachkriegszeit. Nun ist – im Unterschied<br />
zur Jahrtausendwende – ein Veralten der auf Erwerbsarbeit bezogenen sozialen Sicherungssysteme,<br />
also eine mangelnde Dynamik bei der Anpassung an veränderte wirtschaftliche<br />
Rahmenbedingungen, sicher nicht das gegenwärtige Problem. Zu fragen ist eher, ob die neuesten<br />
Veränderungen der auf Erwerbsarbeit bezogenen sozialen Sicherungssysteme in der<br />
Lage sind, den Strukturwandel der Wirtschaft für möglichst viele Menschen so zu gestalten,<br />
das die Teilhabe an Erwerbsarbeit mit Verwirklichungschancen im lebensweltlichen Umfeld<br />
einhergeht. Eine definitive Antwort auf diese Frage geben die vorgelegten Analysen natürlich<br />
nicht, aber im Lichte der empirischen Ergebnisse lassen sich einige allgemeine Schlussfolgerungen<br />
ziehen.<br />
Die Regressionsanalysen des fünften Abschnitts zeigen, dass die Globalisierung – gemessen<br />
über die Auslandskontrolle von deutschen Betrieben in Verbindung mit den betrieblichen<br />
Exportaktivitäten – die Auftrennung der Betriebslandschaft in Hoch- und Niedriglohnfirmen<br />
begünstigt. Es verwundert in einem Hochlohnland wie Deutschland nicht, dass die Ausbreitung<br />
von Hochlohnfirmen durch die Öffnung der Märkte stärker vorangetrieben wird als die<br />
der Niedriglohnfirmen. Damit wird die Frage aufgeworfen, wie sich dieser wirtschaftliche<br />
Strukturwandel insbesondere auf weniger gut bzw. nicht passgenau qualifizierte Personen<br />
auswirkt. Niedriglohnbetriebe investieren beispielsweise signifikant weniger in IuK-Technologie<br />
und bieten ihren Mitarbeitern seltener selbstgesteuertes Lernen (E-Learning) an. Bei der<br />
Interpretation dieses Befundes ist sicher zu berücksichtigen, dass nicht alle Niedriglohnbeschäftigten<br />
bzw. gering Qualifizierten dies zwangsläufig als Mangel empfinden müssen.<br />
Auch in anderen sozioökonomischen Wirkungsdimensionen ist Niedriglohnbeschäftigung<br />
nicht pauschal negativ zu bewerten. Im Malocherbetriebstyp beispielsweise werden fast<br />
durchschnittliche Betriebszugehörigkeitsdauern realisiert, was ein Indikator dafür ist, dass die<br />
entsprechenden Beschäftigten eine gewisse Teilhabe an Erwerbsarbeit erwarten können, wenn<br />
auch bezüglich der Qualität der Arbeit gegenüber anderen Beschäftigtengruppen gewisse<br />
Abstriche bestehen, etwa bei der Lohnhöhe. In anderen Betriebstypen – etwa den schwarzen<br />
Schafen – ist die Entwicklung mit Blick auf die Verwirklichungschancen – vermittelt über<br />
Erwerbsarbeit – kritischer zu sehen, denn in solchen Betrieben ist befristete und sonstige<br />
Beschäftigung ebenso typisch wie extrem hohe Fluktuationsraten und niedrigste Löhne. Aber<br />
selbst in Hochlohnbetrieben und traditionell strukturierten Betriebstypen können sich – in<br />
Abhängigkeit von der Ausgestaltung der zwischenbetrieblichen Arbeitsteilung – Veränderun-
41<br />
gen bezüglich ihrer Marktstellung und damit der Ausgestaltung der betrieblichen Leistungserstellungsprozesse<br />
vollziehen. Dadurch besteht auch immer die Gefahr, dass ehemals gefragte<br />
Qualifikationen relativ plötzlich entwertet werden, was gerade für langjährig Beschäftigte<br />
eine völlig neue (Arbeitsmarkt-)Situation darstellt. Im Falle individuell problematischer<br />
Arbeitsmarktsituationen sind diese unterschiedlichen Ausgangslagen vielleicht mit ein Grund<br />
dafür, dass bei der pauschalen Ausgestaltungen flankierender sozialstaatlicher Maßnahmen<br />
bei manchen Personengruppen suboptimale Ergebnisse möglich sind.<br />
Die weitere Forschung an Betriebstypen kann in mindestens drei größere Themenfelder<br />
unterteilt werden. Das erste ist die Personenperspektive. Hier geht es beispielsweise darum,<br />
inwiefern berufliche Aufstiegsmöglichkeiten weiterhin innerhalb des Beschäftigungsbetriebs<br />
verwirklicht werden. Nach den im zweiten Abschnitt entwickelten Grundannahmen ist das bei<br />
den fordistisch strukturierten Betriebstypen am ehesten zu erwarten, während Hoch- und<br />
Niedriglohnbetriebe eine eher holistische Arbeitsorganisation haben und demnach berufliche<br />
Auf- und Abstiege öfter nur zwischenbetrieblich stattfinden. Eine wichtige Frage ist in diesem<br />
Zusammenhang, inwiefern mit solchen Mobilitätsmustern Arbeitslosigkeit verbunden ist, d.h.<br />
in welchen Betriebstypen Personen bei einer Freisetzung öfter mit Arbeitslosigkeit konfrontiert<br />
sind und in welchen Betriebstypen ehemals Arbeitslose wieder eine Beschäftigung finden.<br />
Das zweite und dritte Themenfeld ist auf der Betriebsebene anzusiedeln. Im zweiten Themenfeld<br />
geht es darum, vorhandene Spielräume bei der Deskription der Betriebstypen zu nutzen.<br />
In den vorgelegten Analysen wurden nur westdeutsche Betriebe im Jahr 2004 berücksichtigt.<br />
Zum einen kann die Typisierung auf die ostdeutsche Betriebslandschaft ausgedehnt werden<br />
und zum anderen ein zeitlicher Vergleich erfolgen. Erste Analysen ergaben, dass die ostdeutsche<br />
Betriebslandschaft nur begrenzt mit der westdeutschen zu vergleichen ist 38 . Betriebstypen<br />
wie der traditionell-fordistisch strukturierte gibt es in Ostdeutschland zumindest im Jahr<br />
2004 nicht (mehr), das Hochlohnsegment besteht – im Jahr 2004 – nur aus einem Betriebstyp,<br />
den Elitebetrieben. Im Unterschied dazu setzt sich das Niedriglohnsegment aus insgesamt vier<br />
Betriebstypen zusammen. Neu hinzu kommt der Ausbildungs-Betriebstyp, wo die Auszubildendenanteile<br />
durchschnittlich über 60 Prozent betragen. Dieser Betriebstyp taucht in Westdeutschland<br />
zumindest im Jahr 2004 nicht auf.<br />
Um Entwicklungen über die Zeit analysieren zu können setzt voraus, dass sich Betriebe über<br />
die Jahre stabil in eine sozioökonomische Betriebstypologie einordnen lassen. Entsprechende<br />
Tests liegen für einen Zeitraum 2000 bis 2004 vor. Die einzelnen Betriebstypen sind nicht<br />
vollständig stabil. Zwar bleiben die Gruppen I-IV in allen jährlichen Clusterungen für einen<br />
Zeitraum 2000 bis 2004 erhalten, aber es gibt leichte Abweichungen für die optimale Clusteranzahl<br />
in den verschiedenen Jahren des Zeitraums 2000 bis 2004. Wenig überraschend sind es<br />
die Typen des dynamischen Segments, die in anderen Jahren auch andere typisierende Eigenschaften<br />
haben. Für einen zeitlichen Vergleich müssen also zunächst die Betriebstypen über<br />
die Jahre vereinheitlicht werden. Sofern das gelingt, können mit Hilfe eines konditionalen<br />
38 Die Ergebnisse für die Typisierung der ostdeutschen Betriebslandschaft für das Jahr 2004 werden sobald<br />
wie möglich auf den Internetseiten der sozioökonomischen Berichterstattung platziert.
42<br />
Logit-Modells die Wirkungen unbeobachteter Einflüsse auf die Betriebstypen auf der einzelbetrieblichen<br />
Ebene berücksichtigt werden. Dies gestattet die Ableitung kausaler Aussagen,<br />
welche Veränderungen des wettbewerbsrelevanten betrieblichen Umfelds für einen Regimewechsel<br />
des sozioökonomischen Betriebsprofils verantwortlich sind.<br />
Die empirische Forschung in einem dritten Themenfeld stößt mit LIAB-Daten derzeit an<br />
Grenzen. Mit der Spezialisierung der Betriebe auf ihre jeweiligen Kernkompetenzen ist von<br />
einer zunehmenden Kooperation zwischen Betrieben bzw. Unternehmen auszugehen. Im Hinblick<br />
auf die Bilanz der Im- und Exporte erscheint die Formel zu einfach, dass ausschließlich<br />
die hochwertige Produktion von Gütern und Dienstleistungen in Deutschland und die einfache<br />
im Ausland erfolgt. Auch innerhalb Deutschlands sind Kooperationsbeziehungen zwischen<br />
Hoch- und Niedriglohnfirmen (und allen anderen Betriebstypen) denkbar, teilweise auch<br />
innerhalb des gleichen Unternehmensverbunds. Neben der Aufdeckung solcher Strukturen ist<br />
die Verbindung mit dem ersten Themenfeld interessant, d.h. ob sich gezielte Humankapitaltransfers<br />
des einen Betriebstyp in einen anderen feststellen lassen und welche Auswirkungen<br />
sich auf die Erwerbs- und Einkommensverläufe der betroffenen Personen ergeben, Für eine<br />
verbesserte quantitativ-empirische Forschung in diesem Bereich bleibt anzuwarten, wie der<br />
geplante Match des Betriebsregisters des IAB mit dem Unternehmensregister des Statistischen<br />
Bundesamtes (Bender et al., 2007) ausgestaltet sein wird.<br />
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45<br />
Anhang<br />
Anhang A1: Erläuterungen zur Konstruktion der Variablen für die Betriebstypisierung<br />
Die Löhne und Gehälter der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten werden in den IAB-<br />
Personendaten als Bruttomonatstagesverdienste erfasst, die an der unteren und oberen Beitragsbemessungsgrenze<br />
zensiert sind. Da auf das LIAB-Querschnittmodell zurückgegriffen<br />
wird, können Lohnänderungen nur für Beschäftigte berechnet werden, die in einem IAB-<br />
Betriebspanelbetrieb arbeiten, der mindestens in den Jahren 2003 und 2004 an der Befragung<br />
teilgenommen hat. Mit Ausnahme der Lohnänderung zum Vorjahr werden für alle anderen<br />
Lohn- und Gehaltsvariablen inklusive der Streuungsmaße nur Vollzeitbeschäftigte mit Sozialversicherungspflicht<br />
(ohne Auszubildende) berücksichtigt. Bei der Deflationierung der Löhne<br />
wird der Verbraucherpreisindex des Statistischen Bundesamtes mit dem Ausgangsjahr 2000<br />
(=100) zugrunde gelegt. Bei den berechneten Lohnänderungen werden aus dem jeweiligen<br />
Betrieb zwischen den Jahren 2003 und 2004 ausgeschiedene und im gleichen Zeitraum neu<br />
eingestellte MitarbeiterInnen bei der Berechnung der Lohnänderung (und der entsprechenden<br />
Standardabweichungen) nicht berücksichtigt. Der Wechsel der Arbeitszeit von 2003 auf 2004<br />
(von Voll- in Teilzeit oder umgekehrt) führt ebenfalls zum Ausschluss von der Berechnung<br />
für den jeweiligen betrieblichen Durchschnittswert der Lohnänderung der Beschäftigten.<br />
Alle Lohnangaben sind in Euro. Zur besseren Einordnung werden Durchschnittslöhne als<br />
Bruttomonatslöhne ausgewiesen, während die zugehörigen Streuungsmaße den ursprünglichen<br />
Tageslohnsatz als Basis haben. Beste Verdienste liegen im obersten Quintil der (sozialversicherungspflichtigen)<br />
Vollzeit-Lohnverteilung in der deutschen Wirtschaft zum 30. Juni<br />
2004, schlechteste im untersten Quintil.<br />
Anteile beziehen sich immer auf die Personalstruktur zum 30. Juni 2004, Ein- und Austrittsraten<br />
werden als Kettenindizes zum Vorjahr berechnet 39 . Informelle Qualifikationen werden<br />
über den unbeobachtbaren Lohnbonus gemessen, der sich aus einer Panelregression (Zeitraum<br />
2000 bis 2004 bei jährlicher Beobachtungsstruktur der Daten) einer erweiterten Mincer’schen<br />
Lohngleichung ergibt. Es handelt sich also um den fixed effect θ i . θ i ist für jede in Vollzeit<br />
beschäftigte Person ein individueller Wert. Er liegt nur für Personen vor, die in mindestens<br />
zwei Jahren in einem IAB-Betriebspanelbetrieb der Jahre 2000 bis 2004 jeweils in Vollzeit<br />
gearbeitet haben. Einen besonders hohen Lohnbonus für informelle Qualifikationen erzielen<br />
alle Beschäftigten, die im obersten, einen besonders geringen alle die im untersten Quintil der<br />
θ i –Verteilung liegen. Dies bedeutet nicht zwangsläufig, dass Personen mit einem Lohnbonus<br />
für informelle Qualifikationen immer besser bezahlt werden, sondern nur, dass sie neben den<br />
Erträgen für formelle Qualifikationen – in den IAB-Personendaten sind das beispielsweise das<br />
Bildungsniveau in Verbindung mit der beruflichen (Erst-)Ausbildung, der ausgeübte Beruf<br />
oder die Betriebszugehörigkeitsdauer – auch Lohnerträge erzielen, die aufgrund der Wirkung<br />
unbeobachteter Variablen gezahlt werden. Der individuelle Lohnbonus für informelle Qualifikationen<br />
ist also im Kontrast zu den Lohnzahlungen zu sehen, den Beschäftigte für ihre for-<br />
39 Formel: 2*E t / (N t + N t-1 ). E ist die Anzahl der Ein- oder Austritte zwischen dem 30. Juni 2003 und dem 30.<br />
Juni 2004, N ist die Gesamtbeschäftigtenzahl im Betrieb, t ist der 30. Juni 2004 und t-1 der 30. Juni 2003.
46<br />
melle Qualifikation erwarten können. Eine vor noch nicht allzu langer Zeit neu in den<br />
Beschäftigungsbetrieb eingetretene Person mit einem hohen Lohnbonus für informelle Qualifikationen<br />
kann als un- und angelernte Person in einem wenig anspruchsvollen Berufsbild<br />
also real weniger verdienen als eine Person mit einem geringen (im Extremfall: negativen)<br />
Lohnbonus für informelle Qualifikationen, die aber bereits seit geraumer Zeit mit einem<br />
Hochschulabschluss in einem anspruchsvollen Berufsbild im Beschäftigungsbetrieb arbeitet.<br />
Die Betriebszugehörigkeitsdauer wird in Jahren gemessen. Für den Anteil der Berufe an der<br />
Gesamtbeschäftigung wird jedes im Betrieb vorkommende Berufsbild (auf der Dreistellerebene<br />
nach BA-Klassifikation 1982) einmal gezählt und anschließend durch die Gesamtanzahl<br />
der Beschäftigten im Betrieb geteilt (und der Wert mit einhundert multipliziert). Ein<br />
Wert von 100 ergibt sich, wenn alle Beschäftigten innerhalb eines Betriebs einen anderen<br />
Beruf ausüben. Werte nahe Null ergeben sich, wenn alle Beschäftigten innerhalb eines<br />
Betriebs den gleichen Beruf ausüben.
47<br />
Anhang A2:<br />
Multivariate Mittelwerte der sozioökonomischen Betriebstypen in<br />
Westdeutschland im Jahr 2004 (Basis: Betriebe ab fünf Beschäftigte)<br />
traditionelles Segment dynamisches<br />
fordistisch strukturiert Segment<br />
typisierende Variablen solide modern traditionell Absteiger Aufsteiger<br />
durchschnittlicher Monatslohn (in Euro) 1931 2535 2814 2393 2456<br />
Standardabweichung Tageslohn 16,6 25,2 24,4 22,4 32,2<br />
Quotient 90- zu 50-Perzentil 1,30 1,39 1,35 1,47 1,57<br />
Anteil beste Verdienste 0,3 2,8 6,0 2,7 9,3<br />
Anteil schlechteste Verdienste 77,0 37,5 17,1 47,6 52,7<br />
Anteil hoher Lohnbonus für Weiterqualifizierung 1,0 7,8 7,2 6,7 8,5<br />
Anteil niedriger Lohnbonus für Weiterqualifizierung 78,2 25,9 23,3 45,4 43,5<br />
durchschnittliche Monatslohnänderung zum Vorjahr -35,6 -20,4 -28,1 -41,1 -2,0<br />
Standardabweichung dieser Lohnänderung 4,5 6,5 9,7 7,3 6,1<br />
durchschnittl. Betriebszugehörigkeitsdauer in Jahren 10,6 10,3 12,2 7,8 7,2<br />
Anteil Kernbelegschaft 70,8 69,0 77,4 50,5 43,0<br />
Austrittrate 12,5 10,5 16,4 50,7 21,1<br />
Austrittsrate schlechteste Verdienste 14,4 19,3 44,4 47,1 25,7<br />
Austrittsrate beste Verdienste 0,4 3,4 4,9 177,9 8,4<br />
Eintrittsrate 10,1 10,5 7,9 18,8 48,3<br />
Eintrittsrate schlechteste Verdienste 11,9 15,5 19,5 27,7 50,1<br />
Eintrittsrate beste Verdienste 0,1 0,7 1,8 2,2 185,3<br />
Anzahl Berufe/ Gesamtbeschäftigtenzahl 37,9 31,7 30,4 34,7 26,6<br />
Anteil HochschulabsolventInnen 1,2 8,0 4,1 10,0 7,8<br />
Anteil Teilzeitbeschäftigte 12,4 30,1 6,8 14,1 18,2<br />
Anteil befristet Beschäftigte 1,4 3,8 2,4 2,4 4,8<br />
Anteil Auszubildende 10,0 4,3 4,6 5,5 5,2<br />
Anteil sonstige Beschäftigte 8,7 8,4 4,8 6,5 8,0<br />
Anteil un-/ angelernte Arbeitskräfte 13,4 20,7 11,0 15,7 18,7<br />
Anteil FacharbeiterInnen 39,6 4,9 55,1 21,5 8,5<br />
Anteil Angestellte mit abgeschl. Berufsausbildung 26,4 54,9 21,5 37,6 52,5<br />
(Fortsetzung nächste Seite)
48<br />
Niedriglohnsegment<br />
Hochlohnsegment<br />
schwarze Malocher- Niedriglohn-<br />
Schafe betriebe betriebe Erfolgreiche Elite<br />
durchschnittlicher Monatslohn (in Euro) 1690 1708 1886 3209 4189<br />
Standardabweichung Tageslohn 17,3 19,4 20,3 45,0 49,6<br />
Quotient 90- zu 50-Perzentil 1,44 1,53 1,42 1,82 1,47<br />
Anteil beste Verdienste 1,2 0,8 0,8 21,1 51,6<br />
Anteil schlechteste Verdienste 82,7 82,2 74,6 25,4 8,5<br />
Anteil hoher Lohnbonus für Weiterqualifizierung 1,4 2,5 3,6 24,3 56,4<br />
Anteil niedriger Lohnbonus für Weiterqualifizierung 68,4 73,3 64,3 19,7 6,9<br />
durchschnittliche Monatslohnänderung zum Vorjahr -90,5 -48,9 -26,7 -18,6 -27,4<br />
Standardabweichung dieser Lohnänderung 9,6 5,6 6,0 18,6 28,8<br />
durchschnittl. Betriebszugehörigkeitsdauer in Jahren 4,5 6,9 4,1 8,8 8,1<br />
Anteil Kernbelegschaft 27,1 53,6 25,7 58,0 52,7<br />
Austrittrate 29,1 17,5 26,7 11,7 18,2<br />
Austrittsrate schlechteste Verdienste 33,1 17,8 28,0 17,5 25,3<br />
Austrittsrate beste Verdienste 1,7 0,5 1,7 7,0 14,3<br />
Eintrittsrate 43,3 17,5 43,3 12,0 14,0<br />
Eintrittsrate schlechteste Verdienste 45,0 21,7 59,9 30,2 33,9<br />
Eintrittsrate beste Verdienste 14,9 0,5 0,5 4,5 9,1<br />
Anzahl Berufe/ Gesamtbeschäftigtenzahl 29,3 32,2 37,9 33,1 29,6<br />
Anteil HochschulabsolventInnen 7,2 2,2 6,2 14,6 29,2<br />
Anteil Teilzeitbeschäftigte 31,2 43,6 17,5 16,7 16,4<br />
Anteil befristet Beschäftigte 64,5 5,0 4,6 4,1 2,8<br />
Anteil Auszubildende 4,3 3,0 9,1 2,7 3,8<br />
Anteil sonstige Beschäftigte 23,2 28,3 7,6 7,2 4,6<br />
Anteil un-/ angelernte Arbeitskräfte 44,2 53,5 19,0 11,1 4,9<br />
Anteil FacharbeiterInnen 10,5 6,8 19,8 7,3 3,4<br />
Anteil Angestellte mit abgeschl. Berufsausbildung 30,6 28,6 37,1 56,0 48,3<br />
Quelle: linked employer-employee Daten des IAB für Westdeutschland im Jahr 2004, nur Betriebe ab fünf<br />
Beschäftigte mit mindestens zwei Personen in Vollzeit<br />
Anmerkungen:<br />
Alle Lohnangaben sind inflationsbereinigt in Euro (2000=100) und alle Anteile in Prozent<br />
angegebenen. Die Betriebszugehörigkeitsdauer wird in Jahren und informelle Qualifikationen<br />
über den unbeobachteten individuellen Lohneffekt gemessen (vgl. Anhang A1). Bei der<br />
Anzahl der Berufe / Gesamtbeschäftigtenanzahl bedeutet der Wert 100, dass jede(r)<br />
Beschäftigte einen anderen Beruf (3-Stellerebene) ausübt, Werte nahe null bedeuten, dass<br />
nahezu alle Beschäftigten den gleichen Beruf ausüben (und der Betrieb demnach hochgradig<br />
spezialisiert ist). Zwischen 2003 und 2004 betrug die Inflationsrate etwa 1,7 Prozent<br />
(Statistisches Bundesamt, 2007). Bei einem nominalen Bruttomonatslohn von 2000,- Euro<br />
bedeutet ein unverändertes Einkommen einen realen Lohnverlust von etwa 34,- Euro<br />
monatlich.
49<br />
Anhang A3: Abdeckungsgrad der sozioökonomischen Betriebstypen über Betriebe und<br />
(sozialversicherungspflichtig) Beschäftigte in Westdeutschland im Jahr<br />
2004 (nach Branchen und Betriebsgrößenklassen; Angabe in Zeilenprozent)<br />
I Traditionelle Betriebe<br />
II Betriebe im Umbruch<br />
solide modern-fordistisch traditionell-fordistisch Absteiger Aufsteiger<br />
Betriebe Beschäftigte Betriebe Beschäftigte Betriebe Beschäftigte Betriebe Beschäftigte Betriebe Beschäftigte<br />
5-19 28,5 25,7 15,4 16,2 4,5 6,3 1,4 4,3 0,4 0,3<br />
20-49 19,5 16,1 19,4 22,3 9,0 8,9 2,7 4,0 1,1 2,2<br />
50-99 8,5 7,8 28,0 29,3 12,0 15,7 5,0 4,0 1,1 0,7<br />
100-199 6,2 4,8 32,8 35,3 13,7 14,3 3,6 1,5 0,3 0,0<br />
200-499 2,9 1,9 32,0 30,5 12,6 14,7 2,0 0,2 0,9 0,9<br />
500-999 1,2 1,4 31,6 27,5 15,0 18,0 0,8 0,4 0,2 1,4<br />
1000 und mehr - - 22,7 17,5 15,2 16,8 - - - -<br />
Anteil des Typs an gesamt 23,7 10,3 18,1 24,0 6,6 12,5 2,0 2,3 0,6 0,9<br />
Agrar/Bergbau/Energie 23,7 11,3 2,6 2,7 15,4 33,1 1,6 4,5 0,9 0,6<br />
Verarbeitendes Gewerbe 34,5 13,6 10,8 20,2 8,7 19,4 2,2 2,8 0,1 0,3<br />
Metall- und Elektrogewerbe 34,6 8,3 11,1 11,7 17,3 27,9 2,8 2,7 0,4 0,3<br />
Baugewerbe 57,6 41,9 3,8 7,1 13,5 28,8 2,6 4,0 0,4 1,0<br />
Handel/Reparatur 28,3 17,2 15,3 29,9 5,4 7,1 1,5 2,6 0,9 1,2<br />
Verkehr/Nachrichten 26,8 12,6 12,4 27,3 8,6 16,4 4,2 2,6 0,6 6,0<br />
Banken/Versicherungen - - - - - - 17,0 0,4 2,1 0,2<br />
unternehmende Dienstleistungen 11,0 5,5 22,5 14,6 1,3 2,3 2,2 3,1 0,7 0,6<br />
andere Dienstleistungen 13,1 7,6 17,2 25,5 1,2 1,3 2,1 1,7 0,7 1,1<br />
öffentlicher Sektor 2,3 1,1 49,9 48,4 6,8 5,7 1,0 1,1 0,3 0,3<br />
III Niedriglohnsegment<br />
IV Hochlohnsegment<br />
schwarze Schafe Malocherbetriebe Niedriglohnbetriebe erfolgreiche Betriebe Elite<br />
Betriebe Beschäftigte Betriebe Beschäftigte Betriebe Beschäftigte Betriebe Beschäftigte Betriebe Beschäftigte<br />
Betriebsgrössenklasse: 5-19 3,3 16,2 16,3 2,8 17,7 15,3 9,3 9,1 3,2 3,7<br />
20-49 1,7 7,7 19,3 1,1 9,2 14,6 12,3 15,4 5,8 7,6<br />
50-99 1,6 6,0 16,2 2,1 6,6 9,9 14,6 18,1 6,4 6,4<br />
100-199 2,3 2,1 9,9 2,3 4,2 7,5 20,1 24,4 7,0 7,8<br />
200-499 3,3 1,5 6,6 2,3 1,2 4,6 32,4 33,7 6,0 9,7<br />
500-999 1,5 0,3 4,7 1,2 0,3 1,2 32,5 38,7 12,2 9,8<br />
1000 und mehr - - 1,6 2,6 0,1 0,6 41,9 43,7 11,8 18,7<br />
Anteil des Typs an gesamt 2,8 6,1 16,5 2,2 14,1 8,6 11,4 24,3 4,2 8,9<br />
Agrar/Bergbau/Energie 6,3 8,3 24,0 3,1 15,7 5,5 7,4 18,4 2,5 12,5<br />
Verarbeitendes Gewerbe 1,6 4,0 20,7 1,0 11,2 10,4 7,5 19,5 2,8 8,8<br />
Metall- und Elektrogewerbe 0,2 2,1 12,3 0,1 6,4 3,1 9,6 30,6 5,3 13,2<br />
Baugewerbe 2,4 8,6 2,5 1,5 15,5 1,4 1,8 5,4 0,0 0,2<br />
Handel/Reparatur 1,7 6,3 24,0 1,2 11,8 16,3 9,8 15,5 1,3 2,7<br />
Verkehr/Nachrichten 0,8 6,9 23,3 1,1 12,7 13,0 5,9 8,0 4,7 6,1<br />
Banken/Versicherungen 1,6 0,1 - - 0,6 0,4 57,3 60,1 16,9 33,4<br />
unternehmende Dienstleistungen 1,5 11,9 5,9 3,4 20,2 8,9 21,7 26,3 13,1 23,4<br />
andere Dienstleistungen 7,1 14,2 27,9 7,0 22,7 17,8 6,9 22,5 1,1 1,3<br />
öffentlicher Sektor 4,1 2,1 8,3 2,5 7,1 2,4 15,2 32,6 5,0 3,8<br />
Quelle:<br />
linked employer-employee Daten des IAB für Westdeutschland im Jahr 2004, gewichtete Werte:<br />
Anmerkungen: Die Grundgesamtheit besteht aus Betrieben mit mindestens fünf Beschäftigten, von denen<br />
mindestens zwei sozialversicherungspflichtig in Vollzeit arbeiten müssen. Sofern keine 100<br />
Prozent pro Zeile erreicht werden, sind dafür nicht ausgewiesene (d.h. zu geringe) Fallzahlen für<br />
einzelne Zellen verantwortlich. Ein – kennzeichnet Zellen mit zu geringer oder keiner<br />
Besetzungsstärke.
50<br />
Anhang A 4:<br />
Ergebnisse der multinominalen Logit-Regressionen für alle<br />
Betriebstypen (Basiskategorie: traditionell-fordistisch strukturierte<br />
Betriebe)<br />
modernsolide<br />
fordistisch Absteiger Aufsteiger<br />
Outsourcing -1,0507 -0,4989 0,3393 0,4743<br />
Insourcing -0,3429 0,5732 0,6893 0,6530<br />
Verlagerung ins Ausland geplant? 0,1827 0,1179 1,0659 0,5059<br />
gute Ertragslage -0,5885 -0,1563 0,2499 0,4229<br />
Produktionsstruktur geändert 0,0244 -0,2063 0,2388 0,3661<br />
Aufgabenstruktur geändert -0,4223 -0,0555 0,2213 0,3717<br />
Forschung und Entwicklung -0,8385 -0,3065 0,3135 0,5566<br />
Arbeitszeit in Stunden 0,1326 0,1070 0,0615 0,0725<br />
Flächentarif 0,1361 -0,4152 0,2729 0,4655<br />
Haustarif -0,1511 -0,5180 0,4116 0,6468<br />
übertarifliche Bezahlung 0,0485 -0,0476 0,2210 0,4430<br />
Gleichstellungsvereinbarungen 0,2669 0,3893 0,3046 0,4928<br />
Betriebsrat -0,8090 -0,0407 0,2914 0,4586<br />
Zentrale/Hauptverwaltung 0,0713 0,2628 0,3021 0,5589<br />
Niederlassung/Filiale -0,3930 0,2189 0,3105 0,4972<br />
Mittelinstanz -0,1573 -0,3656 1,0624 1,0666<br />
Einzelunternehmen 1,0230 0,2341 0,5521 1,0689<br />
Personengesellschaft 0,7265 0,3822 0,6479 0,8381<br />
Kapitalgesellschaft -0,5197 0,0808 0,4892 0,6122<br />
öffentliche Rechtsform -2,0033 -0,3256 0,8703 1,1851<br />
sonstige Rechtsform -0,2794 1,0633 0,6208 0,8823<br />
ausländisches Eigentum -3,0085 -0,0404 0,3617 1,1814<br />
öffentliches Eigentum 0,1960 -0,2032 0,4768 0,5876<br />
junger Betrieb (nach 1990 gegründet) -0,1652 -0,0111 0,2806 0,3785<br />
Anteil weibliche Beschäftigte 0,0562 0,0692 0,0062 0,0083<br />
Externe Kurse u.ä. -0,2996 -0,2128 0,3435 0,5422<br />
Interne Kurse u.ä. -0,6336 -0,0929 0,2953 0,4925<br />
Job-Rotation -0,3596 0,0474 0,5271 0,8460<br />
Selbstgesteuertes Lernen -0,8127 0,2156 0,4736 0,9861<br />
sonstige Weiterbildung -0,7002 0,0270 0,4088 0,6474<br />
E-Learning -0,0792 -0,1496 0,2202 0,3796<br />
Anteil unter 25-Jährige 0,0397 -0,0136 0,0179 0,0240<br />
Anteil 25- bis 35-Jährige 0,0186 0,0071 0,0136 0,0161<br />
Anteil 45-bis 55-Jährige 0,0019 0,0025 0,0137 0,0179<br />
Anteil 55 und älter -0,0142 -0,0106 0,0136 0,0181<br />
weitere Kontrollvariablen<br />
ja*<br />
betrieblicher Exportanteil** -0,0171 0,0065 0,0115 -0,0064<br />
Investitionssumme (log)** -0,2461 0,0092 -0,0515 -0,1325<br />
Investitionen in IuK (log)** -0,1241 -0,0458 -0,1505 0,0483<br />
(Fortsetzung und Anmerkungen nächste Seite)
51<br />
schwarze Malocher- Niedriglohn- erfolgreiche Elite-<br />
Schafe Betriebe Betriebe Betriebe Betriebe<br />
Outsourcing -0,3262 -0,6625 -0,3867 -0,4639 -0,3838<br />
Insourcing 1,4265 0,8814 2,1257 1,1255 1,2453<br />
Verlagerung ins Ausland geplant? -0,7653 -1,0606 -0,6538 -0,4273 -0,4482<br />
gute Ertragslage -0,0056 -0,1033 -0,3473 0,3883 0,6178<br />
Produktionsstruktur geändert -0,6880 -0,0049 0,0779 0,0641 -0,0693<br />
Aufgabenstruktur geändert 0,3697 -0,1229 -0,1147 0,1893 0,2835<br />
Forschung und Entwicklung 0,2086 -0,6661 -0,6160 0,6384 0,6985<br />
Arbeitszeit in Stunden 0,2490 0,1928 0,1672 -0,0214 -0,0982<br />
Flächentarif -0,1689 -0,3950 -0,2628 -0,6035 -0,9518<br />
Haustarif 0,1347 0,1204 -0,6825 -1,0906 -0,0733<br />
übertarifliche Bezahlung -0,4760 -0,2638 -0,1932 0,1631 0,2811<br />
Gleichstellungsvereinbarungen 0,4688 0,3376 0,4036 0,3924 0,4278<br />
Betriebsrat -1,1400 -1,0616 -0,6775 -0,0706 -0,1114<br />
Zentrale/Hauptverwaltung -0,3290 -0,2363 0,1475 0,5443 0,9726<br />
Niederlassung/Filiale 0,0864 0,1356 0,3699 0,0146 0,6822<br />
Mittelinstanz -0,4958 -0,7678 0,1443 -0,9726 -0,4725<br />
Einzelunternehmen 0,3207 0,6635 0,7937 -1,1518 -2,6820<br />
Personengesellschaft 0,3186 0,2101 0,2242 -0,4211 -0,5096<br />
Kapitalgesellschaft -1,8135 -0,2282 -1,4110 0,3246 0,9620<br />
öffentliche Rechtsform -2,8171 -1,2820 -2,5866 -1,3483 -2,5464<br />
sonstige Rechtsform 0,9822 -0,0960 -0,1056 0,5198 0,5250<br />
ausländisches Eigentum -0,3276 -0,3547 -0,9108 0,7693 1,4027<br />
öffentliches Eigentum -0,5910 -2,0971 -1,0868 -0,3743 -0,4116<br />
junger Betrieb (nach 1990 gegründet) -1,1678 -0,9530 -1,6673 -0,3016 -0,6864<br />
Anteil weibliche Beschäftigte 0,0657 0,0885 0,0605 0,0645 0,0534<br />
Externe Kurse u.ä. -1,6070 -1,2595 -0,5621 -0,2030 0,3527<br />
Interne Kurse u.ä. -1,1852 -1,0830 -0,7366 -0,0798 0,3808<br />
Job-Rotation -1,0161 -0,2456 -0,3745 0,0175 0,2106<br />
Selbstgesteuertes Lernen -1,3489 -0,7156 -1,0776 0,1379 0,6863<br />
sonstige Weiterbildung -0,8520 -1,0199 -0,5006 -0,0667 0,4851<br />
E-Learning -0,1532 -0,7120 -0,2472 0,0703 0,7366<br />
Anteil unter 25-Jährige 0,0774 0,0401 0,0787 -0,0411 -0,1771<br />
Anteil 25- bis 35-Jährige 0,0447 0,0116 0,0348 0,0152 0,0011<br />
Anteil 45-bis 55-Jährige -0,0085 0,0027 -0,0056 -0,0090 -0,0002<br />
Anteil 55 und älter -0,0061 -0,0114 -0,0310 -0,0126 -0,0015<br />
weitere Kontrollvariablen<br />
betrieblicher Exportanteil** -0,0220 0,0053<br />
ja*<br />
-0,0016 0,0118 0,0129<br />
Investitionssumme (log)** -0,2291 -0,2521 -0,3436 0,0077 -0,0799<br />
Investitionen in IuK (log)** -0,1875 -0,1602 -0,1050 0,0950 0,3779<br />
Quelle: linked employer-employee Daten des IAB (Westdeutschland im Jahr 2004)<br />
* 7 Betriebsgrößen-, 10 Branchen- und 9 Bundeslanddummies sowie zwei für den siedlungsstrukturellen Typ<br />
** Die Variablen werden zusätzlich in das MNLM für die Privatwirtschaft aufgenommen<br />
Anmerkungen: Mindestens auf dem Fünf-Prozent-Niveau signifikante Koeffizienten sind fettgedruckt (alle<br />
Standardfehler sind heteroskedastie-konsistent). Bei nicht kursiv gedruckten Kovariaten handelt<br />
es sich um (0,1)-Variablen. Basis sind jeweils Betriebe mit mindestens fünf Beschäftigten, von<br />
denen mindestens zwei in Vollzeit arbeiten. Abgedruckt sind ausgesuchte unstandardisierte<br />
Koeffizienten der multinominalen Regression. Die Wald-Test zeigen, dass die unabhängigen<br />
Variablen im multinominalen Logit-Modell nicht redundant sind (Werte Chi² mit je neun<br />
Freiheitsgraden mindestens 25) und keine Kategorien der abhängigen Variable gibt, die<br />
ineinander übergeführt werden könnten (Wert Chi² für beliebig kombinierte Ausprägungen der<br />
abhängigen Variable bei 62 Freiheitsgraden je mindestens 277). Der Hausman-Test und der von<br />
Small/ Hsiao zur Überprüfung der IIA-Hypothese (independance of irrelevant alternatives)<br />
zeigen (beide), dass die einzelnen Kategorien der abhängigen Variable voneinander unabhängig<br />
zustande kommen. Die Nullhypothese einer Verletzung der IIA-Annahme wird daher abgelehnt.
52<br />
Anhang A5:<br />
Gütekriterien für die Regressionsmodelle<br />
Anzahl der berücksichtigten Betriebstypen:<br />
zehn<br />
acht vier<br />
alle Privat- Privat- Privat-<br />
Betriebe wirtschaft wirtschaft wirtschaft<br />
Mc Fadden R² 0,318 0,339 0,353 0,575<br />
adjustiertes R² 0,263 0,236 0,248 0,410<br />
Count R² 0,483 0,491 0,525 0,806<br />
adjustiertes R² 0,326 0,377 0,391 0,625<br />
Maddala R² 0,726 0,749 0,734 0,753<br />
Cragg/ Uhler R² 0,738 0,762 0,751 0,825<br />
BIC<br />
BIC'<br />
- 24.153 - 8.854 7.839 - 3.872<br />
- 1.828 - 587 - 319 - 52<br />
N 5031 2534 2106 882<br />
Wald χ² 22.065 173.997 39.470 17.468<br />
df 549 522 406 174<br />
Erläuterungen 40 :<br />
Mc Fadden Pseudo-R²: ist der Likelihood-Ratio-Index des jeweiligen Regressionsmodels<br />
verglichen mit einem Modell nur mit der Konstante (dem Intercept). Da mit jeder neu aufgenommenen<br />
Variable unabhängig von ihrer Signifikanz das Pseudo-R² steigt, wird das in der<br />
adjustierten Version durch die Subtraktion der Anzahl der Parameter (nicht der unabhängigen<br />
Variablen) im Zähler für R² korrigiert.<br />
Maximum-Likelihood-R² von Maddala und Cragg/ Uhler R²: weitere Messvorschläge in<br />
Analogie zum Mc Fadden Pseudo-R². Im Cragg/ Uhler R² erfolgt eine Normierung des<br />
Werteintervalls des R² von Maddala.<br />
Count R²: gibt die Anteile an Beobachtungen für einzelne Ausprägungen der abhängigen<br />
kategorialen Variable an, die vom Modell korrekt vorhergesagt werden. In der adjustierten<br />
Version werden die korrekten Vorhersagen jenseits einer Vorhersage angegeben, wenn für<br />
jeden Fall die zahlenmäßig am stärksten auftauchende Kategorie vorhergesagt würde.<br />
BIC und BIC’: Dieses Bayesianische Kriterium vergleicht unter anderem Regressionsmodelle<br />
in ihrer genesteten und ungenesteten Form. In der Bayesianischen Logik überprüfen die<br />
BIC- und BIC’-Werte, welches Modell eher der tatsächlich vorhandenen Datensatzstruktur<br />
zugrunde gelegt wurde. Je negativer die Werte, umso besser ist das aufgestellte Modell. Verglichen<br />
wird das Likelihood-Ratio von χ², wobei die Anzahl der Freiheitsgrade der Zahl der<br />
unabhängigen Regressoren (nicht Anzahl der Parameter) entspricht.<br />
40 Die Erläuterungen basieren auf den Ausführungen von Long/ Freese (2003) im Abschnitt 3.4 auf den Seiten<br />
83ff.
53<br />
Anhang A6:<br />
Faktoränderungen für ausgewählte Parameter in acht Betriebstypen<br />
Legende:<br />
Q modern-fordistisch F traditionell-fordistisch<br />
S Schwarze Schafe M Malocherbetriebe N Niedriglohnbetriebe<br />
X erfolgreiche E Elite<br />
Quelle: linked employer-employee Daten des IAB für Westdeutschland im Jahr 2004 unter Anwendung des<br />
mlogplot-tools von Long/ Freese (2003)
54<br />
Anhang A 7:<br />
Vorhersagte Wahrscheinlichkeiten des MNLM in Abhängigkeit von<br />
ausgewählten betrieblichen Merkmalen und Parametern<br />
Exportanteile und Elite-Betriebe<br />
Exportanteile und Niedriglohnbetriebe<br />
vorhergesagter Anteil an gesamt<br />
0,04<br />
vorhergesagter Anteil an gesamt<br />
0,3<br />
0,035<br />
0,03<br />
0,25<br />
0,025<br />
0,2<br />
0,02<br />
0,015<br />
0,15<br />
0, 01<br />
0,1<br />
0,005<br />
0,05<br />
0<br />
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100<br />
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100<br />
Betrieblicher<br />
Betrieblicher<br />
Elite: alle anderen Eigentumsverhältnisse Elite: ausländischer Mehrheitseigentümer<br />
alle anderen Eigentumsverhältnisse<br />
ausländischer Mehrheitseigentümer<br />
Exportanteil<br />
Exportanteil<br />
Traditionell-fordistische Betriebe:<br />
a)Exportanteil und Auslandskontrolle ja/nein<br />
b) IuK-Investitionen und E-Learning ja/nein<br />
vorhergesagter Anteil an gesamt<br />
0,9<br />
vorhergesagter Anteil an gesamt<br />
0,95<br />
0,9<br />
0,85<br />
0,85<br />
0,8<br />
0,75<br />
0,8<br />
0,7<br />
0,65<br />
0,75<br />
0,6<br />
0,55<br />
0,7<br />
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100<br />
fordistisch: alle anderen Eigentumsverhältnisse fordistisch: ausländischer Mehrheitseigentümer Betrieblicher Exportanteil<br />
0,5<br />
4 6 8 10 12 14 16 18<br />
ohne E-Learning mit E-Learning Investitionen IuK (ln)<br />
vorhergesagter Anteil an gesamt<br />
0, 16<br />
Elite-Betriebe und IuK<br />
Niedriglohnbetriebe und IuK<br />
vorhergesagter Anteil an gesamt<br />
0,4<br />
0, 14<br />
0,35<br />
0, 12<br />
0,3<br />
0,1<br />
0,25<br />
0, 08<br />
0,2<br />
0, 06<br />
0,15<br />
0, 04<br />
0,1<br />
0, 02<br />
0,05<br />
0<br />
4 6 8 10 12 14 16 18<br />
ohne E-Learning mit E-Learning Investitionen IuK (ln)<br />
0<br />
4 6 8 10 12 14 16 18<br />
ohne E-Learning mit E-Learning Investitionen IuK (ln)<br />
Quelle: linked employer-employee Daten des IAB für Westdeutschland im Jahr 2004<br />
Anmerkungen: Basis sind Betriebe der westdeutschen Privatwirtschaft (ohne Banken/ Versicherungen) in<br />
Westdeutschland im Jahr 2004 mit mindestens fünf Beschäftigten. Für die jeweils nicht abgedruckten<br />
Variablen wird der Mittelwert des Samples gesetzt.
55<br />
Anhang A8:<br />
Geschätzte Bedeutung des traditionellen und des Hoch- und<br />
Niedriglohnsegments in Abhängigkeit von ausgewählten betrieblichen<br />
Parametern (Angabe in Prozent v.H.)<br />
1a) Betriebliche Exportanteile unter der Annahme, kein Betrieb wäre auslandskontrolliert<br />
Anteil in Prozent v.H.<br />
100%<br />
80%<br />
Hochlohnsegment<br />
60%<br />
Niedriglohnsegment<br />
40%<br />
Traditionelles<br />
Segment<br />
20%<br />
0%<br />
0 15 30 45 60 76 91<br />
Exportanteil<br />
1b) Betriebliche Exportanteile unter der Annahme, alle Betriebe seien auslandskontrolliert<br />
Anteil in Prozent v.H.<br />
100%<br />
80%<br />
Hochlohnsegment<br />
60%<br />
Niedriglohnsegment<br />
40%<br />
20%<br />
Traditionelles<br />
Segment<br />
0%<br />
0 15 30 45 60 76 91<br />
Exportanteil
56<br />
2a) Investitionen in IuK-Technologie unter der Annahme, dass Betriebe nie E-Learning<br />
anbieten<br />
Anteil in Prozent<br />
100%<br />
80%<br />
Hochlohnsegment<br />
60%<br />
Niedriglohnsegment<br />
40%<br />
Traditionelles<br />
Segment<br />
20%<br />
0%<br />
4 7,9 8,8 9,4 10 10,4 10,9 11,4 12 12,6 13,4 14,6<br />
ln(IuK)<br />
2b) Investitionen in IuK-Technologie unter der Annahme, dass Betriebe immer E-Learning<br />
Anbieten<br />
Anteil in Prozent<br />
100%<br />
80%<br />
Hochlohnsegment<br />
60%<br />
Niedriglohnsegment<br />
40%<br />
Traditionelles<br />
Segment<br />
20%<br />
0%<br />
4 7,9 8,8 9,4 10 10,4 10,9 11,4 12 12,6 13,4 14,6<br />
ln(IuK)