Mundpflege â Untersuchung eines pflegerischen Handlungsfeldes
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Thomas Gottschalck: <strong>Mundpflege</strong> – <strong>Untersuchung</strong> <strong>eines</strong> <strong>pflegerischen</strong> <strong>Handlungsfeldes</strong><br />
Abstract<br />
Mouth care – investigation of a<br />
nursing action field<br />
The "mucous membrane, altered"<br />
is a frequently observed nursing<br />
diagnosis. It manifests itself in<br />
varying and extremely unpleasant<br />
forms of strain on the patient,<br />
even life-threatening complications<br />
are possible. An analysis of<br />
publications between 1990 and<br />
2001 revealed, that a variety of<br />
remedies and instruments are<br />
suggested for nursing and treating<br />
patients with mouth problems.<br />
The mouth alterations were<br />
summarized. More than 40<br />
assessment methods and instruments<br />
to assess the oral health<br />
status could be found. Only a few<br />
of them are validated. Concerning<br />
the assessment criteria, there was<br />
no consensus between the authors.<br />
There is no agreement if<br />
subjective perceptions of the<br />
patient should be included in the<br />
assessment. Based on available<br />
validity characteristics, recommendations<br />
for assessment<br />
methods which are suitable for<br />
patients in geriatrics, intensive<br />
care and specific tumor therapy<br />
are given. By the use of a written<br />
questionnaire, nurses of different<br />
wards of various disciplines in 21<br />
German hospitals were asked<br />
about their decision-making<br />
authorizations in mouth care.<br />
Furthermore, an investigation of<br />
experiences in this field of nursing<br />
was made. Nurses were asked<br />
which mouth care substances,<br />
methods and instruments they<br />
used in their clinical practice.<br />
They were also asked about their<br />
clinical experience. The most<br />
frequently used substances and<br />
instruments were then examined<br />
with regard to their evidence base<br />
using. The study revealed that<br />
nurses have a high autonomy<br />
about their decisions in doing<br />
mouth care. They decide independently<br />
about necessity, indication<br />
and aids to be used. They are<br />
also very independent in the<br />
evaluation of the effects of the<br />
interventions. Nurses` selections<br />
of mouth care substances and<br />
instruments are mainly based on<br />
their clinical experience and on<br />
traditions. There is little scientific<br />
evidence for their mouth care<br />
practice. The concluding part<br />
consists aspects to be considered<br />
by nursing staff dealing with<br />
patients suffering from changes of<br />
the oral cavity.<br />
Erkrankungen der Zähne oder des Zahnfleisches aufweisen. Die mit der Hospitalisation<br />
verbundene Immobilität, die der Einweisung zugrunde liegende allgemeinmedizinische<br />
Erkrankungen und deren Therapie können die Mundprobleme<br />
zusätzlich verstärken.<br />
Auch bei Patienten mit vorbestehender guter oraler Gesundheit können infolge<br />
krankheitsbedingter Einschränkungen Probleme auftreten, da sie ihre Mundhygiene<br />
nicht in der gewohnten Form durchführen können. Sie sind dann auf Hilfe<br />
durch Pflegende angewiesen.<br />
Zu einer weiteren Risikogruppe gehören die älteren und alten Menschen. Einschränkungen<br />
des Bewegungsvermögens, der Leistungen der Sinnesorgane und<br />
der kognitiven Fähigkeiten führen bei Bewohnern von Alten- und Pflegeheimen<br />
häufig zu Mundgesundheitsproblemen. Durch den zahlenmäßigen Anstieg dieser<br />
Bevölkerungsgruppe und der Ausweitung der häuslichen Pflege werden die<br />
in diesen Versorgungsbereichen Tätigen zunehmend mit Mundproblemen konfrontiert.<br />
Auch behalten zunehmend mehr Menschen bis ins hohe Alter ihre natürlichen<br />
Zähne, was einen erhöhten Pflegebedarf erfordert.<br />
Beeinträchtigungen treten nicht nur an den Zähnen und am Zahnfleisch auf,<br />
sondern auch Mundgeruch, Schmerzen und Störungen der geschmacklichen<br />
Wahrnehmung sind möglich. Weiterhin können die orale Nahrungsaufnahme,<br />
das Kommunikationsvermögen sowie soziale Kontakte beeinträchtigt sein, was<br />
wiederum zum verminderten Selbstwertgefühl führen kann. Auch systemische<br />
Erkrankungen wie eine Aspirationspneumonie können ursächlich mit einer gestörten<br />
Mundgesundheit in Verbindung gebracht werden (Yoneyama et al.,<br />
1996).<br />
Zur Prävention und Behandlung der Probleme ist eine professionelle Pflege notwendig.<br />
<strong>Mundpflege</strong>, durch die Pflegekraft bei einem anderen Menschen durchgeführt,<br />
ist eine Handlung, welche die Intimsphäre überschreitet und häufig in<br />
die Autonomie des Menschen eingreift. Für den Pflegenden beinhaltet die Handlung<br />
den Umgang mit Scham und Ekel, Gebrechlichkeit und Abhängigkeit.<br />
Die genannten Berührungspunkte begründen, dass <strong>Mundpflege</strong> eine anspruchsvolle<br />
Tätigkeit ist, die vielfältige Kompetenzen seitens des Pflegenden erfordert<br />
(rational wissenschaftlich begründetes Handeln, soziale Kompetenzen, manuelle<br />
Geschicklichkeit).<br />
In allen Fällen muss die Pflegekraft Entscheidungen treffen. Sie muss für eine<br />
effektive <strong>Mundpflege</strong> sorgen, was das Erkennen und objektive Klassifizieren von<br />
Problemen, das Auswählen geeigneter und Erfolg versprechender Mittel und<br />
Methoden sowie das Bewerten der Wirkung der Pflege einschließt, - immer unter<br />
Berücksichtigung der Individualität des Patienten. Die Pflegekraft muss außerdem<br />
entscheiden können, bei welchen Problemen ärztliche oder zahnärztliche<br />
Hilfe erforderlich ist.<br />
Es gilt, überflüssige, kostenintensive und den Patienten gefährdende oder<br />
zumindest belastende Prozeduren und Interventionen zu vermeiden. Wohltuende<br />
und heilende Maßnahmen sollen keinem Patienten vorenthalten werden.<br />
Erster Schritt zur Verbesserung <strong>eines</strong> Handlungsbereiches ist seine Evaluation.<br />
Annahmen über mögliche Wirkungen von Behandlungsroutinen sowie Expertenmeinungen<br />
sind zu hinterfragen und durch systematische Literaturarbeit, die<br />
angrenzende Fachgebiete einschließt, zu überprüfen. In der Praxis ist zunächst<br />
der Anteil, den die Pflegenden erbringen, zu ermitteln und quantitativ sowie<br />
qualitativ zu untersuchen.<br />
Die Ergebnisse der Evaluation können als Grundlage für Entscheidungen zur Veränderung<br />
der Praxis dienen und weiteren Forschungsbedarf aufzeigen.<br />
2. Theoretischer Hintergrund<br />
Als theoretischer Hintergrund der Studie dienten Überlegungen zur professionellen<br />
Pflege. Nach der interaktionalistischen Professionstheorie finden Handlungen<br />
in der Pflege immer im Kontext der Beziehungen zum Patienten statt. Sie zeichnen<br />
sich auf zwei gleichrangig und miteinander vernetzten Ansprüchen aus:<br />
die Beherrschung <strong>eines</strong> wissenschaftlich fundierten Wissens und die Fähigkeit<br />
zur Anwendung;<br />
eine hermeneutische Kompetenz, die den Einzelfall versteht und das hinter<br />
der Handlung stehende Individuum berücksichtigt<br />
(Dewe et al., 1992).<br />
angewandte<br />
PFLEGEFORSCHUNG 62 PR-INTERNET 3/03