Teil 1 - staatsrecht.info
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Fall 3<br />
Im Rahmen des Aktionsprogramms „Unser Dorf soll schöner werden“ tritt in Z eine Satzung in Kraft, nach der das<br />
Betteln in der Fußgängerzone ab sofort verboten sein soll. Bei seinem täglichen Rundgang trifft der Polizeivollzugsbeamte<br />
C mitten in der Fußgängerzone auf A (ja, der aus Fall 1), der seinen Lebensunterhalt mittlerweile, da er ja keine<br />
Sozialhilfe mehr beantragen kann, ausschließlich durch Spenden mitleidiger Passanten finanziert. Als A sich weigert, die<br />
Fußgängerzone zu verlassen, wird er von C mit Hilfe einiger inzwischen hinzugezogener Kollegen in ein Polizeiauto<br />
gesetzt und auf eine Lichtung im Wald, etwa 10 km außerhalb des Stadtzentrums wieder abgesetzt. Die nächste Telefonzelle<br />
und Bushaltestelle sind eine Stunde Fußweg entfernt. A hält diese Vorgehensweise für unzulässig und möchte<br />
wissen, ob er sich ggf. vor Gericht wehren kann. 1 Fall 4<br />
Im Sommer 2000 wird die „National-Soziale Union“ gegründet. Sie will eine Alternative zum bestehenden Parteiensystem<br />
bieten und vor allem gegen die nach ihrer Ansicht unkontrollierte und übermäßige Zuwanderung von Ausländern<br />
eintreten. Unter dem Thema „Kinder statt Inder“ soll im September ein Parteitag in der baden-württembergischen Stadt<br />
S stattfinden. Der Geschäftsführer der Stadthalle S GmbH, die zu 75 % im Eigentum der Stadt steht, teilt dem Vorstand<br />
der NSU mit, dass er nicht bereit sei, ihr die Stadthalle zur Verfügung zu stellen. Die NSU, die weiß, dass andere Parteien<br />
regelmäßig in dieser Halle Veranstaltungen durchführen, will das nicht hinnehmen und bittet um Rat, ob und auf welche<br />
Weise sie ihren Parteitag durchsetzen kann.<br />
Fall 5<br />
Nachdem in der baden-württembergische Gemeinde G ein neues Gewerbegebiet ausgewiesen wurde, möchte A, der in<br />
diesem Gebiet ein Grundstück besitzt, eine Autowaschanlage errichten. Er beantragt bei der zuständigen Kreisverwaltung<br />
eine Baugenehmigung. Diese leitet das Baugesuch an die Gemeinde weiter, damit diese ihr Einvernehmen erteilt.<br />
Die Gemeinde, die daran interessiert ist, dass sich arbeitsintensive Betriebe in dem neuen Gebiet ansiedeln, steht dem<br />
Vorhaben äußerst skeptisch gegenüber, erkennt jedoch, dass sie sich letztendlich nicht gegen die Errichtung der Waschanlage<br />
wehren kann. Dennoch teilt sie A mit, dass sie nur dann ihr Einvernehmen erteilen will, wenn ihr A zunächst<br />
einen Grundstücksstreifen von 20 m Länge und 3 m Breite abtritt. Damit wäre es der Gemeinde nämlich möglich, ein<br />
anderes Grundstück besser zu erschließen und auf diese Weise für Investoren attraktiv zu machen. A, der daran interessiert<br />
ist, sein Vorhaben schnell umzusetzen, stimmt dem zu und schließt einen notariellen Kaufvertrag mit der Gemeinde<br />
ab. Darin heißt es „Wegen der den Parteien bekannten Schwierigkeiten des Verkäufers bei der Verwirklichung<br />
seines Bauvorhabens, schließen die Parteien den folgenden Vertrag und gehen davon aus, dass dadurch die Hindernisse<br />
ausgeräumt werden.“ Im Vertrag wird nicht weiter auf die Baugenehmigung Bezug genommen. A und die Gemeinde<br />
vereinbaren einen Preis von 15 DM/m2, der zunächst gestundet und mit dem später von A zu zahlenden Erschließungsbeitrag<br />
verrechnet werden soll. In dem Gewerbegebiet werden Grundstücke sonst für 150-200 DM/m2 verkauft.<br />
1<br />
§ 1 Abs. 1 S. 1 BW-PolG: „Die Polizei hat die Aufgabe, von dem einzelnen und dem Gemeinwesen Gefahren abzuwenden, durch<br />
die die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bedroht wird und Störungen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zu beseitigen,<br />
soweit es im öffentlichen Interesse geboten ist. [...]“<br />
§ 3 BW-PolG. „Die Polizei hat innerhalb der durch das Recht gesetzten Schranken zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben diejenigen<br />
Maßnahmen zu treffen, die ihr nach pflichtgemäßem Ermessen erforderlich erscheinen.“<br />
§ 28 BW-PolG: „(1) Die Polizei kann eine andere Person in Gewahrsam nehmen, wenn<br />
1. auf andere Weise eine unmittelbar bevorstehende, erhebliche Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung nicht verhindert<br />
oder eine bereits eingetretene erhebliche Störung nicht beseitigt werden kann. [...]<br />
(2) Dem in Gewahrsam Genommenen sind der Grund dieser Maßnahme und die gegen sie zulässigen Rechtsbehelfe unverzüglich<br />
bekanntzugeben.<br />
(3) Der Gewahrsam ist aufzuheben, wenn sein Zweck erreicht ist. Er darf ohne richterliche Entscheidung nicht länger als bis zum<br />
Ende des Tags nach dem Ergreifen aufrechterhalten werden. [...]“<br />
§ 50 Abs. 1 BW-PolG: „Unmittelbarer Zwang ist jede Einwirkung auf Personen oder Sachen durch einfache körperliche Gewalt,<br />
Hilfsmittel der körperlichen Gewalt oder Waffengebrauch.“<br />
§ 52 Abs. 1 S. 1 und 3 und Abs. 2 BW-PolG: „(1) Unmittelbarer Zwang darf nur angewendet werden, wenn der polizeiliche Zweck<br />
auf andere Weise nicht erreichbar erscheint. [...] Das angewandte Mittel muss nach Art und Maß dem Verhalten dem Alter und<br />
dem Zustand des betroffenen angemessen sein [...]<br />
(2) Unmittelbarer Zwang ist, soweit es die Umstände zulassen, vor seiner Anwendung anzudrohen.“