Teil 1 - staatsrecht.info
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Johannes Rux, Lehrstuhl Prof. Dr. Dr. h.c. Günter Püttner, Universität Tübingen<br />
Seite 3 von 4<br />
Fall 1 und 2: Zoff im Ausschuss/Wahlverbot für Senioren<br />
Im Bundestag wird ein Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes beraten. Danach soll Art. 38 Abs. 2 GG in<br />
Zukunft folgendermaßen gefasst werden:<br />
„Wahlberechtigt ist, wer das sechzehnte Lebensjahr vollendet und das einundachtzigtste Lebensjahr<br />
noch nicht erreicht hat; wählbar ist, wer das Alter erreicht hat, in dem die Volljährigkeit eintritt.“<br />
Die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, die sich in der Vergangenheit in aller<br />
Deutlichkeit gegen diese Pläne ausgesprochen hat, verlangt, von dem zuständigen Bundestagsausschuss<br />
angehört zu werden. Der Ausschussvorsitzende erteilt ihr daraufhin das Wort, entzieht es ihr aber schon<br />
nach fünf Minuten mit der Begründung, dass die Ministerin lediglich das wiederhole, was sie schon an<br />
anderer Stelle ausgeführt habe. Dem Ausschuss seien ihre Bedenken bekannt. Nachdem die Ministerin trotz<br />
ihrer Bitte, weiter angehört zu werden, nicht mehr das Wort erhält, verlässt sie die Sitzung. In den nächsten<br />
Wochen weigert sie sich mehrfach, an Sitzungen des Ausschusses teilzunehmen.<br />
(Wie) Kann der Vorsitzende des Ausschusses die Ministerin zum Erscheinen zwingen?<br />
Nachdem Bundestag und Bundesrat der Grundgesetzänderung mit der erforderlichen Mehrheit zugestimmt<br />
haben, weigert sich der Bundespräsident wegen des Fehlers im Gesetzgebungsverfahren, das Gesetz zur<br />
Änderung des Grundgesetzes auszufertigen. Außerdem hält er den pauschalen Ausschluss der Senioren vom<br />
Wahlrecht für verfassungswidrig.<br />
Sind die Bedenken des Bundespräsidenten berechtigt? Darf er die Ausfertigung verweigern?<br />
Im Bundestag wird über einen Antrag an das Bundesverfassungsgericht verhandelt, mit dem der Bundespräsident<br />
dazu gebracht werden soll, das Gesetz doch noch auszufertigen. Nachdem sich zahlreiche Abgeordnete<br />
der Stimme enthalten, da sie dem Gesetz trotz ihrer Bedenken nur deshalb zugestimmt hatten, weil<br />
sie den Koalitionsfrieden nicht gefährden wollten, wird der Antrag nur mit einer knappen Mehrheit angenommen.<br />
Wäre ein solcher Antrag vor dem Bundesverfassungsgericht zulässig?<br />
Fall 3: Ausländer als Landesbürger<br />
Im Land B wächst die Unzufriedenheit mit der Ausländerpolitik des Bundes. Durch einen Volksentscheid<br />
wird gegen den Willen der Landtagsmehrheit und der Landesregierung zum einen folgende Bestimmung in<br />
die Landesverfassung eingefügt:<br />
„Artikel 26: (1) Wahl und stimmberechtigt ist jeder Bürger des Landes, der am Tage der Wahl oder<br />
Abstimmung des 18. Lebensjahr vollendet hat.<br />
(2) Bürger des Landes ist jeder, der im Lande wohnt oder sich sonst gewöhnlich aufhält und<br />
1. Deutscher im Sinne des Artikels 116 des Grundgesetzes ist, oder<br />
2. Die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union besitzt, oder<br />
3. sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.<br />
Das Nähere regelt ein Gesetz, das insbesondere bestimmen muss, unter welchen Umständen Zeiten<br />
eines früheren rechtmäßigen Aufenthaltes auf die Frist nach Satz 1 Nr. 3 anzurechnen sind.“<br />
Zum anderen wird das Landesbeamtengesetz unter anderem folgendermaßen geändert:<br />
„§ 6 – Persönliche Voraussetzungen (1) In das Beamtenverhältnis darf nur berufen werden, wer<br />
1. Bürger des Landes im Sinne von Art. 26 Abs. 2 der Landesverfassung ist [...]