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ZUKUNFTSWERKSTATT SCHULE - Die Linke

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_______________________________________________________________<br />

<strong>ZUKUNFTSWERKSTATT</strong><br />

S C H U L E<br />

______________________________________________________________<br />

Für ein einheitliches Bildungssystem von der<br />

frühkindlichen Förderung bis zur Weiterbildung<br />

• DIE LINKE 1. Bildungspolitische Konferenz,<br />

Hamburg, 23. - 25.11.2007<br />

• Mehr und bessere Bildung für alle<br />

• Kleine Kinder brauchen Kitas<br />

• Zur schulpolitischen Situation in den Ländern<br />

• Hochschulausbildung für soziale Arbeit im<br />

Schnelldurchlauf?<br />

• News aus dem Bundestag<br />

• Informationen zu IGLU-PISA 2007<br />

_______________________________________________________________<br />

Ausgabe 1/2008 – 18. Jahrgang<br />

DIE LINKE Mitteilungen der Bundesarbeitsgemeinschaft Bildungspolitik


IMPRESSUM<br />

Herausgeber: BAG Bildungspolitik beim Parteivorstand<br />

der Partei DIE LINKE<br />

Kleine Alexanderstraße 28, 10178 Berlin<br />

V.i.S.d.P.: Maritta Böttcher, Tel.: 030 / 24009641,<br />

Fax: 030 / 24009645<br />

E-Mail: maritta.boettcher@die-linke.de<br />

Redaktion: Dr. Gerhard Sielski<br />

E-Mail: gerd_sielski@yahoo.de<br />

Bestellungen: Maritta Böttcher, BAG Bildungspolitik, PF 100,<br />

10122 Berlin<br />

Redaktionsschluss: Dezember 2007<br />

2


Inhaltsverzeichnis<br />

Editorial Seite 5<br />

DIE LINKE 1.Bildungspolitische Konferenz<br />

Hamburg, 23. - 25.11.2007<br />

Bildungspolitischer Kurswechsel überfällig Seite 7<br />

Rosemarie Hein<br />

DIE LINKE in Hamburg: Bildungspolitik im Wahlkampf Seite 8<br />

Dora Heyenn, Platz 1 der Bürgerschaftsliste der LINKEN<br />

Hier ist DIE LINKE. Bericht über die 1. Bildungspolitische Konferenz Seite 11<br />

Emanuel Peter<br />

Zur Entwicklung der Einheitsschulidee – Seite 14<br />

Konsequenzen für die Bildungspolitik der Partei DIE LINKE<br />

Günter Wilms<br />

Mehr und bessere Bildung für alle – Seite 35<br />

Abschlusserklärung der Konferenz<br />

Hamburg, 25.11.2007<br />

Kleine Kinder brauchen Kitas Seite 40<br />

Aufruf zum Start der Kita-Kampagne der LINKEN<br />

Aus der Diskussion in Arbeitsgruppen:<br />

Bericht aus der Arbeitsgruppe 1 (1. Tag), Horst Adam Seite 41<br />

Bericht aus der Arbeitsgruppe 1 (2. Tag), Timm Kunstreich Seite 42<br />

Bericht aus der Arbeitsgruppe 3 (2. Tag), Rosi Hein Seite 44<br />

Bericht aus der Arbeitsgruppe 5 (2. Tag), Manfred Auerswald Seite 45<br />

Inklusion – unser gesellschaftliches Problem Seite 48<br />

Brigitte Schumann<br />

Für Chancengleichheit in der Bildung Seite 51<br />

Presseerklärung zum Abschluss der Konferenz<br />

Zur schulpolitischen Situation in den Ländern<br />

<strong>Die</strong> Bildungspolitik der CDU – in Hamburg und anderswo. Seite 52<br />

Einheitsschule? – Wege dahin<br />

Klaus Bullan<br />

Volksinitiative Eine Schule für Alle – Hamburg Seite 65<br />

3


Null Chance auf Zukunft? Soziale Gerechtigkeit in der Bildung Seite 66<br />

Bericht über die 1. Bildungspolitische Konferenz<br />

der Landesarbeitsgemeinschaft der LINKEN in Baden-Württemberg<br />

Erhard Korn<br />

Klassenschule oder klasse Schule? Seite 68<br />

Förderung sozialer Gerechtigkeit statt sozialer Auslese durch Bildung<br />

Erhard Korn<br />

Hochschule<br />

<strong>Die</strong> „Lichtgestalt“ Bologna geht um – Seite 77<br />

Hochschulausbildung für soziale Arbeit im Schnelldurchlauf?<br />

Sandra Hirschler / Günther Sander<br />

DIE LINKE. im Bundestag<br />

News von Nele Hirsch Seite 81<br />

LINKE gegen Zwei-Klassen-Bildung Seite 83<br />

Nele Hirsch, Rede im Bundestag<br />

Informationen / Rezensionen<br />

GEW: „Wir brauchen einen nationalen Stabilitätspakt für Bildung!“ Seite 86<br />

Ulrich Thöne<br />

GEW: „Blick durch die rosarote Brille trübt Wahrnehmung der Fakten:“ Seite 87<br />

Marianne Demmer<br />

Pierre Kaldor, Anwalt der von Berufsverboten betroffenen, Seite 88<br />

ist „Ritter der Ehrenlegion“<br />

Horst Bethge<br />

Veranstaltungen / Termine<br />

Berlin-Brandenburger Forum Schule und Erziehungswissenschaften Seite 89<br />

Veranstaltungen im 1.Halbjahr 2008<br />

In eigener Sache<br />

Wer ist die BAG Bildungspolitik und was will sie? Seite 90<br />

Beitrittserklärung<br />

Unsere „Bunte Reihe“ Seite 93<br />

Bestellschein Seite 95<br />

4


Editorial<br />

________________________________________________________<br />

Bildungspolitische Konferenzen waren immer Höhepunkte in der Tätigkeit der Bundesarbeitsgemeinschaft<br />

Bildungspolitik. Neun Konferenzen gehören zu den<br />

Events, die bildungspolitische Analysen und Probleme mit einem größeren Kreis<br />

bildungspolitisch Interessierter berieten und jene Aufgaben in den Mittelpunkt<br />

stellten, die für den nachfolgenden Zeitraum die bildungspolitische Arbeit auf<br />

Bundes- und Landesebene bestimmten.<br />

<strong>Die</strong> nunmehr 10. Konferenz war zugleich die 1. Bildungspolitische Konferenz der<br />

neuen Partei DIE LINKE.<br />

Mitglieder der neuen Partei aus WASG und Linkspartei, Sprecher und Mitglieder<br />

der Landesarbeitsgemeinschaften Bildungspolitik sowie neue Mitglieder der Bundesarbeitsgemeinschaft<br />

und bildungspolitisch Interessierte berieten diesmal in<br />

Hamburg Kernfragen linker Bildungspolitik entlang eines Entwurfs für eine Abschlusserklärung,<br />

die Arbeitsgrundlage für die weitere Arbeit wurde.<br />

Grundlegende Aussagen wurden durch Diskussion und Erfahrungsaustausch<br />

ergänzt, die Analyse der gegenwärtigen bildungspolitischen Lage vertieft und so<br />

eine bildungspolitische Basis für die weitere Arbeit der neuen Partei, sowie ihrer<br />

Landes- und Bundsarbeitsgemeinschaften geschaffen. Das man sich da nicht<br />

sofort in allen Fragen einig war, lag in der Natur der Sache.<br />

Im März 2008 werden sich die Mitglieder der neuen Bundesarbeitsgemeinschaft<br />

treffen und die Diskussionsprobleme, insbesondere die strittigen, aufnehmen und<br />

weiterführen.<br />

Neben den Referaten auf der Konferenz (siehe bericht Emanuel Peter), die wertvolle<br />

Orientierungen für die Weiterentwicklung linker Bildungspolitik gaben, war die<br />

Diskussion in den Arbeitsgruppen eine wahre Fundgrube von Ideen und Erfahrungen<br />

auf den Hauptgebieten künftiger Bildungspolitik und das in einem weiten<br />

Sinne.<br />

In der AG 1 stand das Thema: „Bildungsreform im politischem Spannungsverhältnis<br />

der Parteien und Verbände“ im Mittelpunkt. Eine Synopse aktueller bildungspolitischer<br />

Forderungen von Parteien und Verbänden erleichterte die Diskussion.<br />

„Was tun für Kinder und Jugendliche mit Migrantenhintergrund?“ wurde in der AG 2<br />

diskutiert, Fragen der Reform der Lehreraus- und Weiterbildung in der AG3, das<br />

Problem der Bildungsfinanzierung und der Kampf gegen Privatisierung im Bildungswesen<br />

waren Themen der AG 3 und 4.<br />

<strong>Die</strong> Frage: „Wie antwortet DIE LINKE auf die Ausbildungsmisere?“ und Probleme<br />

des Rechtes auf Weiterbildung waren Gegenstand der Diskussion in den AG 5 und<br />

6.<br />

Am 2. Tag sprach Günter Wilms, Mitglied des Sprecherrates der Bundesarbeitsgemeinschaft,<br />

zu einem zentralen Anliegen der Konferenz, was dann auch die Diskussionen<br />

in den Arbeitsgruppen prägte.<br />

Das Referat dokumentieren wir hier in voller Länge, weil es für die schulpolitische<br />

Auseinandersetzung besonders bedeutsam ist. Klaus Bullan sprach zu aktuellen<br />

Punkten der Auseinandersetzung im Hamburger Wahlkampf.<br />

In den Beratungen der Arbeitsgemeinschaften ging es um ein ganzes Spektrum<br />

des bildungspolitischen Ansatzes der LINKEN.<br />

5


<strong>Die</strong> Reformbemühungen der LINKEN gehen davon aus, die Lebenslagen von<br />

Kindern und Jugendlichen, insbesondre derer, die von Armut betroffen sind und<br />

/oder einen Migrantenhintergrund haben, zu ändern.<br />

Das ist eine wesentliche Voraussetzung, die Schere von sozialer Herkunft und Bildungserfolg<br />

schrittweise zu schließen. Das kann nicht allein Aufgabe der Schule<br />

sein.<br />

Reform des Bildungssystems, da waren sich die Teilnehmer einig, muss mit der<br />

frühkindlichen Förderung beginnen. Auch hier geht es darum, die Voraussetzungen<br />

in allen Bundesländern zu schaffen.<br />

DIE LINKE will dazu eine Kita-Kampagne starten (siehe Aufruf zur Kita<br />

-Kampagne)<br />

DIE LINKE vertritt die Idee und die Forderung nach einer Schule für alle Kinder<br />

und Jugendliche, einer Gemeinschaftsschule.<br />

<strong>Die</strong>se Problematik wurde in drei AG beraten. Einmal aus der Sicht, welche Wege<br />

dahin führen und zum anderen aus der Sicht der Auseinandersetzung mit den Versuchen,<br />

in verschiedenen Bundesländern ein Zwei-Säulen-Modell zu installieren.<br />

Auch die Probleme der Förderschulen wurden thematisiert, was zur Erweiterung<br />

der Sicht auf die dortigen Probleme und ihrer Lösung beitrug. Insofern waren die<br />

Diskussionen ein Beitrag zu weiterer Profilierung der Schulpolitik der Partei. (siehe<br />

auch den Beitrag von Brigitte Schumann)<br />

<strong>Die</strong> Teilnehmer waren sich einig, Bildungspolitik muss Bestandteil der Gesamtpolitik<br />

der ganzen Partei werden.<br />

<strong>Die</strong> Beiträge zur Konferenz sollen in einem Konferenzreader zusammengefasst<br />

und veröffentlicht werden. Es empfiehlt sich, die Materialien in den Landesarbeitsgemeinschaften<br />

gründlich auszuwerten.<br />

Der Sprecherrat der Bundesarbeitsgemeinschaft Bildungspolitik dankt allen Genossinen<br />

und Genossen, die sich aktiv an der Vorbereitung und Durchführung der<br />

Konferenz beteiligt und auch den Schülerinnen und Schülern wie Lehrerinnen und<br />

Lehrern, die uns in ihren Schulen empfangen haben.<br />

Wir können in der Zukunftswerkstatt nur einen Ausschnitt von der Konferenz dokumentieren.<br />

Eingangs weisen wir auf eine Reihe wichtiger Reden und Materialien der Konferenz<br />

hin. Es folgen Berichte aus den Bundesländern. So kommt Klaus Bullan zu<br />

Wort zu Problemen des Hamburger Wahlkampfes.<br />

Aus Baden-Württemberg wird über eine Konferenz der neuen Landesarbeitsgemeinschaft<br />

Bildungspolitik berichtet.<br />

Aus dem Hochschulbereich kommt ein Beispiel für Hochschulausbildung im<br />

Schnelldurchlauf.<br />

Aus dem Bundestag berichtet wie immer Nele Hirsch über aktuelle Entwicklungen.<br />

Sie nimmt im Bundestag gegen eine Zwei-Klassen-Bildung Stellung.<br />

Schon kommen neue Fakten der Bildungsentwicklung in Deutschland auf den<br />

Tisch. Marianne Demmer zu IGLU-PISA 2006.<br />

Nicht zuletzt bringen wir Informationen in eigener Sache.<br />

Soweit zum vorliegende Heft 1/2008 im 18.Jahrgang.<br />

Wir danken unseren Lesern und den Autoren für ihre Treue und wünschen allen<br />

Gesundheit und Kraft für die kommenden schulpolitischen Auseinandersetzungen<br />

im neuen Jahr 2008.<br />

Bleibt stark! Gerd Sielski<br />

6


DIE LINKE 1. Bildungspolitische Konferenz<br />

Hamburg, 23. - 25.11.2007<br />

________________________________________________________<br />

Bildungspolitischer Kurswechsel überfällig<br />

Am 23.11.2007 begann in Hamburg die 1. Bildungspolitische Konferenz der Partei<br />

DIE LINKE. An drei Tagen berieten rund 200 Bildungspolitikerinnen und Bildungspolitiker,<br />

Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und Schüler sowie Elternvertreter<br />

aus allen Bundesländern bildungspolitische Aufgaben der LINKEN. Rosemarie<br />

Hein, Mitglied des Parteivorstandes sagte zur Aufgabenstellung der Konferenz:<br />

<strong>Die</strong> Tatsache, dass in Deutschland der Bildungserfolg wie in kaum einem anderen<br />

Land von der sozialen Situation in den Elternhäusern abhängt, dass Kinderarmut<br />

weiter rasant wächst, beunruhigt zunehmend die verantwortungsbewusste Öffentlichkeit.<br />

DIE LINKE mahnt seit Jahren, dass dieser Zustand einen politischen Kurswechsel<br />

erfordert. <strong>Die</strong> herrschende Politik aber hat seit Jahren nichts unternommen<br />

diesem unsäglichen Trend entgegenzuwirken. Stattdessen erschrickt sie über<br />

die zunehmende Gewalt an den Schulen, beklaget hilflos den drohenden Fachkräftemangel<br />

und pokert emsig um Elite-Universitäten. Dabei könnte eine grundlegende<br />

Bildungsreform in allen Bereichen der Bildung hier deutliche Abhilfe schaffen.<br />

Chancengerechtigkeit beim Zugang zu Bildung ist zwar nicht der einzige, aber ein<br />

wichtiger Weg um Armut entgegenzuwirken. <strong>Die</strong>s ist aber in Deutschland nicht<br />

gegeben. Ein guter Bildungsabschluss, eine solide Berufsausbildung und der freie<br />

Zugang auch zu universitärer Bildung sind eine wichtige Voraussetzung für ein<br />

selbstbestimmtes Leben, individuellen Wohlstand und soziale Sicherheit.<br />

Fragen des Bildungszuganges werden darum im Mittelpunkt der Debatten auf der<br />

Konferenz stehen. Zentrale Fragen dabei sind dabei die Verbesserung der frühkindlichen<br />

Förderung und die Verabschiedung vom ständischen dreigliedrigen<br />

Schulsystem. DIE LINKE entwirft Ideen für längeres gemeinsames Lernen in einer<br />

neuen Gemeinschaftsschule, die nicht ausgrenzt, sondern für alle Kinder offen<br />

steht, sie befasst sich mit neuen Modellen der Inklusion, fragt nach der Zukunft der<br />

Berufsausbildung, fordert ein gebührenfreies Studium und den freien und sozial<br />

gerechten Zugang zu beruflicher und allgemeiner Weiterbildung. Sie befasst sich<br />

ebenso mit Fragen der Bildungsfinanzierung um ihre Forderung nach Gebührenfreiheit<br />

in allen Bildungsbereichen zu untersetzen.<br />

Mit den Ergebnissen der Konferenz will sich DIE LINKE in die gesellschaftliche<br />

Debatte einbringen und Vorschläge zur grundlegenden Umgestaltung der Bildungslandschaft<br />

vorlegen.<br />

7


DIE LINKE in Hamburg: Bildungspolitik im Wahlkampf<br />

Dora Heyenn, Platz 1 der Bürgerschaftsliste der LINKEN<br />

Liebe Genossinnen, Liebe Genossen,<br />

laut Grundgesetz darf in der Bundesrepublik Deutschland niemand aufgrund seiner<br />

Herkunft – womit die soziale Herkunft gemeint ist – benachteiligt werden. Dennoch<br />

stellt das Bundesministerium für Bildung und Forschung auf seiner Internetpräsenz<br />

fest: Es „... entscheidet in keinem anderen Industriestaat die sozioökonomische<br />

Herkunft so sehr über den Schulerfolg und die Bildungschancen wie in Deutschland.<br />

Zugleich gelingt es in Deutschland im internationalen Vergleich deutlich<br />

schlechter, Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund gute schulische<br />

Kompetenzen zu vermitteln. Wenn wir die Zukunftschancen der jungen Generation<br />

in Deutschland sichern wollen, muss das Schulsystem in Deutschland mehr Kinder<br />

und Jugendliche zu höheren Bildungsabschlüssen führen – und zwar unabhängig<br />

von ihrer Herkunft.“<br />

Spätestens seit den PISA -Studien ist klar: Das deutsche Schulsystem kann international<br />

nicht mithalten.<br />

In Hamburg befinden wir uns im Vorwahlkampf.<br />

Noch vor Monaten galt es als ausgemacht, dass die CDU alles tun würde um die<br />

Bildungspolitik aus dem Wahlkampf heraus zu halten.<br />

<strong>Die</strong> Datenlage in Hamburg übertrifft nämlich alle Negativ-Aspekte des deutschen<br />

Schulsystems wie es von PISA ausgemacht wurde.<br />

In der Hansestadt gibt es die höchste Zahl von SchülerInnen, die ohne Abschluss<br />

die Schulen verlassen und nirgendwo in der Republik ist der Zusammenhang<br />

zwischen familiärer Herkunft und Schulerfolg bzw. Misserfolg so eindeutig.<br />

Frau Dinges-<strong>Die</strong>rig wurde mit mehreren Projekten ihrer Bildungsbehörde zurück<br />

gepfiffen – zuletzt mit der Idee Geld in die Schuletats durch Werbeverträge mit<br />

Coca Cola & Co. zu spülen.<br />

Am 30. Oktober hat sich die Volksinitiative „Eine Schule für Alle“ gegründet.<br />

Getragen wird sie von der Patriotischen Gesellschaft, der GEW, der Lehrer-,<br />

Eltern- und Schülerkammer, von einigen SPD-Mitgliedern, der GAL und der<br />

LINKEN.<br />

Seither finden in der Stadt überall Unterschriftensammlungen statt.<br />

<strong>Die</strong> CDU reagierte und versuchte in alt bekannter Manier Emotionen und Ängste<br />

gegen die Schule für Alle zu schüren. Sie stellte eine Plakataktion vor, die noch<br />

einmal verdeutlichte – es war kein Zufall, dass Ole von Beust mit dem Rechtspopulisten<br />

Ronald Schill an die Macht gekommen ist. Schill schwirrte auch gerade<br />

wieder in Hamburg herum.<br />

<strong>Die</strong> CDU eröffnete den unfairen Wahlkampf.<br />

Das Zauberwort mit dem die CDU die Gemüter anheizen wollte, hieß Elternwille.<br />

Damit hatte sie in früheren Wahlkämpfen wie z.B. in NRW und Schleswig-Holstein<br />

schon einmal gepunktet.<br />

Ihre durch Reizvokabeln wie „Einheitsschule“ angereicherte Kampagne unterstellt,<br />

dass die Volksinitiative eine Schule will, die den Eltern ihre Entscheidungsfreiheit<br />

für ihr Kind nimmt. <strong>Die</strong> einzigen, die darauf hüpften waren die Sozialdemokraten<br />

8


mit ihrem Landesvorsitzenden Ingo Egloff. So heißt es in einer Pressemitteilung:“<br />

<strong>Die</strong> SPD respektiere den Elternwillen und unterstütze vor diesem Hintergrund die<br />

laufende Volksinitiative nicht.“<br />

Bei genauerem Hinsehen ist jedoch fest zu stellen, dass der Elternwille in<br />

Hamburg bei weitem nicht den Stellenwert hat, den CDU und SPD zu suggerieren<br />

versuchen.<br />

Bei der Einschulung wird er durch den Wohnort eingeschränkt und es gibt viele<br />

Eltern, denen mitgeteilt wurde, dass ihrer Schulwahl für die 5. Klasse leider nicht<br />

entsprochen werden kann. Kinder, die in die 5. Klasse eines Gymnasiums<br />

besuchen müssen damit rechnen, nach Klasse 6 von eben dieser Schule wieder<br />

verwiesen zu werden.<br />

Wir alle wissen, dass die eigentliche Funktion des Instruments Elternwille die Ausgrenzung<br />

ist.<br />

<strong>Die</strong> Schule für Alle möchte reichen, dass alle Schüler eines Stadtteils von der 1.<br />

bis zur 10. Klasse gemeinsam unterrichtet werden. Sie will den Elternwillen nicht<br />

noch weiter einschränken oder gar abschaffen – sie macht ihn schlicht überflüssig.<br />

Und das ist gut für alle Beteiligten.<br />

<strong>Die</strong> besondere Ironie der CDU-Kampagne lag darin, dass sie ausgesuchte Gymnasien<br />

für ihren Plakatwahlkampf instrumentalisieren wollte. Eines hatte sie allerdings<br />

vergessen: <strong>Die</strong> Eltern zu fragen – nämlich die Eltern, die ihre Kinder an diesen<br />

Schulen haben.<br />

So weit zum Elternwillen.<br />

Auch die Schulleiter und Lehrerkollegien legten heftigen Widerspruch ein.<br />

<strong>Die</strong> CDU machte eine Rolle rückwärts und kassierte die Plakate ein. Sie will sie<br />

jetzt ändern.<br />

Damit aber nicht genug – der 2. Flop folgte sofort.<br />

Eine Umfrage zum gewünschten Schulsystem in Hamburg nahm sie nach wenigen<br />

Stunden von ihrer Webseite wieder herunter, weil sich bereits über 60 % für eine<br />

Schule für Alle ausgesprochen hatten.<br />

Selbst die nicht als sozialistisch bekannte Bertelsmann-Stiftung erklärte im Zusammenhang<br />

mit dem Unicef-Report zur Kinderarmut in Deutschland:<br />

<strong>Die</strong> Aufteilung in Hauptschule, Realschule und Gymnasien ist hinderlich für die<br />

Entwicklung der Kinder.<br />

Genau diese Aufteilung wird mit dem 2-Säulensystem fortgesetzt, auch wenn das<br />

Wort Hauptschule gestrichen ist.<br />

In Hamburg werden Kinder über ihre Eltern definiert und zwar über den Geldbeutel<br />

und die kulturelle Herkunft ihrer Eltern.<br />

Das fängt in der Kita an und hört im Studium auf.<br />

Wir wollen eine gebührenfreie Bildung. Sie ermöglicht gleiche Chancen unabhängig<br />

vom Elternhaus.<br />

9


<strong>Die</strong> Ausbildungssituation in Hamburg ist eine Katastrophe.<br />

Über 10.000 Jugendliche, die in den letzten Jahren die Schule verlassen haben,<br />

sind in irgendwelchen Warteschleifen untergebracht. Wenn sie die verlassen,<br />

haben sie keine qualifizierenden Abschlüsse.<br />

Im letzten Jahr haben bundesweit nur 1/3 der Lehrstellensuchenden einen Ausbildungsplatz<br />

erhalten.<br />

SchülerInnen ohne Schulabschluss, mit Hauptschulabschluss und auch viele Realschüler<br />

erhalten auch in Hamburg keine Chance auf eine qualifizierende Ausbildung,<br />

d.h. sie hängen auf der Straße rum, verlieren noch mehr an Selbstbewusstsein<br />

und haben Konflikte in ihrem sozialen Umfeld. So ergab auch eine aktuelle<br />

Studie, dass die Obdachlosenzahlen insgesamt in Hamburg gesunken sind, aber<br />

die Zahl der jugendlichen Obdachlosen bis zum 25. Lebensjahr stark angestiegen<br />

ist.<br />

<strong>Die</strong> aussichtslose Situation vieler dieser jungen Menschen erzeugt Wut und entlädt<br />

sich in Gewalt. <strong>Die</strong> Gewaltbereitschaft von Jugendlichen hat auch deutlich zugenommen.<br />

Wen wundert’s?<br />

Aber statt an den Ursachen anzusetzen will die CDU mit einem Handlungskonzept<br />

an den Symptomen der Gewaltbereitschaft ansetzen. Sie will, dass Gewaltvorfälle<br />

in der Schule sofort der Polizei oder dem Jugendamt zu melden sind. Bei der<br />

Staatsanwaltschaft soll ein weiteres Sonderdezernat für kriminell auffällige Jugendliche<br />

und „Täterakten“ eingeführt werden.<br />

Schulschwänzer werden mit Straftätern gleichgesetzt, weil statistisch eine signifikante<br />

Relation festgestellt wurde und die Polizei soll Zugriff auf das Zentrale Schülerregister<br />

haben.<br />

Selbst der Zukunftsrat Hamburg hat festgestellt, dass bereits seit 1992 die Jugendarbeitslosigkeit<br />

über der allgemeinen Arbeitslosenquote liegt. <strong>Die</strong>ser Trend hat<br />

seither zugenommen und das Gremium hat konstatiert: „Das ist keine zukunftsfähige<br />

Entwicklung“.<br />

Wir fordern eine Ausbildungsplatzumlage damit alle, die die Schule verlassen, eine<br />

Ausbildung mit qualifizierendem Abschluss erhalten.<br />

Eine Studie von „Timescout“ hat kürzlich festgestellt, dass 3 von 5 Jugendlichen<br />

sich unter Druck gesetzt fühlen.<br />

Auch die Lehrer werden überfordert. <strong>Die</strong> meisten können nicht bis zur Erreichung<br />

der Pensionsgrenze arbeiten, die Krankheitszeiten nehmen zu, Burnout-Syndrome<br />

sind bereits zur Berufskrankheit geworden. Durch die ständig wachsenden Belastungen<br />

und den gestiegenen Wochen-Unterrichtsstunden hat der Arbeitgeber sich<br />

lange von seiner Fürsorgepflicht verabschiedet.<br />

Wir treten für die Abschaffung des Arbeitszeitmodells, der Reduzierung der Unterrichtsstunden<br />

und eine sofortige Einstellung von 1.200 Lehrern ein.<br />

Es muss ein Rahmen geschaffen werden, damit Lehrkräfte wieder ausreichend<br />

Zeit für die einzelnen SchülerInnen haben.<br />

DIE LINKE trägt die Volksinitiative „Eine Schule für Alle“ mit und hofft, dass über<br />

diesem Weg, die Politik und die Bürgerschaft – per Elternwille! - gezwungen wird,<br />

sie 2012 einzuführen.<br />

10


Hier ist DIE LINKE.<br />

Bericht über die 1. Bildungspolitische Konferenz<br />

Emanuel Peter<br />

An der dreitägigen Konferenz nahmen ca. 200 Personen teil, darunter Gäste aus<br />

Rumänien und Österreich, KindergärtnerInnen, LehrerInnen, ErzieherInnen, SchülerInnen<br />

und StudentInnen, HochschullehrerInnen, WeiterbildnerInnen und AusbilderInnen.<br />

Es war die Absicht der Organisatoren vor allem ehemalige Mitglieder von WASG<br />

und Linkspartei zusammenzuführen, um sich auf grundsätzliche bildungspolitische<br />

Forderungen für die Bildungspolitik der neuen Partei DIE LINKE zu einigen.<br />

Am ersten Tag bestand die Möglichkeit Schulen zu besuchen und mit SchülerInnen<br />

und LehrerInnen ins Gespäch zu kommen. Es kam zu interessanten und lehrreichen<br />

Begegnungen.<br />

Referate und Diskussionen auf der Konferenz waren gekennzeichnet durch eine<br />

gegenseitige Vermittlung von Positionen der Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung<br />

zu Fragen der Einheitsschule seit den 20er Jahren des 20.Jhs. und einer<br />

scharfen Kritik an der neoliberalen Bildungspolitik der Gegenwart. Im Zentrum<br />

stand dabei, das Bildungssystem von der sozialen Frage her zu kritisieren. Der<br />

Ablauf gestaltete sich als eine Mischung von Plenarvorträgen mit Diskussion und<br />

Beratungen in 12 Arbeitsgruppen.<br />

Im Anschluss an den Kongress fand am Sonntag noch die Konstituierung der Bundesarbeitsgemeinschaft<br />

Bildungspolitik, eine Bestätigung des bisherigen Vorstandes<br />

als vorläufigen Sprecherkreis und die Wahl des Kandidaten für den Bundesausschuss<br />

der Partei statt.<br />

Am zweiten Tag der Konferenz überbrachte Ulrike Zerhau, stellvertretende Vorsitzende<br />

des Parteivorstandes der neuen Partei DIE LINKE, Grüße des Parteivorstandes.<br />

In ihrem Referat beschäftigte sie sich mit dem Thema „Gesellschaft und<br />

Bildung aus der Sicht der LINKEN“. Sie hob hervor, dass Bildungspolitik Bestandteil<br />

der Gesamtpolitik der Partei sein müsse.<br />

Eine systematische Kritik an der neoliberalen Bildungspolitik in verschiedenen Bereichen<br />

des Bildungswesens leistete Prof. Ingrid Lohmann (Hamburg) ausgehend<br />

von der OECD-Erklärung von 1996, die zur Haushaltsreduzierung und zur langsamen<br />

Absenkung des Bildungsniveaus aufrief, um eine Rebellion der Eltern zu verhindern.<br />

Ziele neoliberaler Bildungspolitik sind, Schulen und Unis als kapitalistische<br />

Wirtschaftsunternehmen auf betriebswirtschaftlicher Grundlage zu führen. <strong>Die</strong>se<br />

‚Monetarisierung’ der Bildung führt seit 30 Jahren sukzessive zur Beseitigung der<br />

relativen Autonomie des Bildungsbereichs (vor allem Unis) im Humboldtschen Sinn<br />

und zur Sprechweise vom ‚Humankapital’. Nicaragua kann als Modell gelten: Hier<br />

finanziert die Weltbank einen Schulversuch, der Eltern die absolute Entscheidung<br />

über alle schulischen Prozesse (inclusive Finanzierung) überlässt und mit der Dezentralisierung<br />

zur ungleichen Verteilung der Finanzmittel führt. Lohmann betonte<br />

die Ambivalenz der PISA-Studien, denn deren Renommée dient zugleich zur Verschlechterung<br />

der Lehrerarbeitsbedingungen. So werden in Bayern inzwischen<br />

Lehrer nur noch als Angestellte mit befristeten Arbeitsverträgen eingestellt.<br />

11


<strong>Die</strong>se Kritik veranschaulichte Prof. Andrea Liesner (Uni HH) mit der deutschen Diskussion<br />

über Schulautonomie: Unter dem Deckmantel einer angeblichen ‚Schulautonomie’<br />

wird die öffentliche (demokratische) Kontrolle über Schulen ersetzt durch<br />

Private Partnership Sponsoring (PPS) ersetzt, d.h. Schulen schließen Verträge mit<br />

Firmen ab (in NRW z.B. Siemens; an der berühmten US-Uni Berkley finanzieren<br />

Firmen Stiftungsprofessuren) und machen Schulen damit von sich abhängig.<br />

Zweiter Aspekt ist, dass Schulen untereinander in Konkurrenz gebracht werden.<br />

Dritter Aspekt: <strong>Die</strong> Spaltung des Uni-Studiums in Bachelor und Master, will heißen:<br />

Massenbildung und Elitebildung.<br />

Der Bundesvorsitzende der GEW Thöne kritisierte die Privatisierung der Bildung,<br />

weil sie die soziale Spaltung der Gesellschaft vorantreibe. Er erinnerte, dass der<br />

Vordenker der Neoliberalen, Milton Friedman, sich nicht zufällig die Diktatur in<br />

Chile als Experimentierfeld einer neoliberalen Wirtschaftspolitik ausgesucht habe:<br />

Kein Bereich bleibe vor Privatisierung geschützt. Schon heute werde der Irak-Krieg<br />

hauptsächlich von Privatarmeen geführt. So hat sich kürzlich ein Anlagefonds gegründet,<br />

der die Finanzierung des Uni-Studiums anbietet, wenn sich Studenten<br />

verpflichten, nach ihrem Studium einen bestimmten Prozentsatz ihres Gehalts in<br />

den Fonds zurückzuzahlen. Laut Thöne gibt es drei Hauptaspekte der aktuellen<br />

Privatisierung: a) die marktförmige (betriebswirtschaftliche) Steuerung von<br />

Schulen; b) die Begrenzung öffentlicher Bildungsausgaben, um Einrichtungen zur<br />

Zusammenarbeit mit Privatfirmen zu zwingen; c) die Gebäuderenovierung über<br />

PPP (Public private partnership), z.B. in Monheim/ NRW. Der Kampf gegen die Privatisierung<br />

ist nur erfolgreich, wenn die Gewerkschaft ihre Handlungsfähigkeit insgesamt<br />

wiedererlangt (d.h. durch Stärkung in Tarifkämpfen), b) Konzentration auf<br />

eine Steueränderung im Rahmen der Föderalismusreform II zugunsten der Bildungsausgaben<br />

und Veränderung der Erbschaftssteuer; c) durch internationale Initiativen<br />

mit anderen Gewerkschaften gegen die Weltbank. Thöne appellierte an<br />

<strong>Die</strong> <strong>Linke</strong>, ihre gesellschaftspolitische Verantwortung wahrzunehmen, denn die<br />

Gewerkschaft ist in ihren Handlungsmöglichkeiten begrenzt. Erfolge gibt es nur als<br />

Verbund von Gewerkschaft und politischer Partei.<br />

<strong>Die</strong> lebhafte Plenardiskussion entwickelte sich über die Frage, ob unsere Forderung<br />

nach einer integrativen Gemeinschaftsschule nicht um eine entsprechende<br />

neue Pädagogik unbedingt ergänzt werden müsse. Dabei wurde das Zwei-Säulen-<br />

Modell einhellig abgelehnt, es geht der <strong>Linke</strong>n um eine integrative Gemeinschaftsschule<br />

bis zur 10.Klasse mit einer neuen Lernkultur des solidarischen Lernens und<br />

individuellen Fördern und einer Inklusion/ Integration sowohl von Kindern aus benachteiligten<br />

Familien, wie aus Migrantenfamilien und Kindern mit Behinderung.<br />

Scharfe Kritik an der Bildungspolitik in Hamburg übte der GEW-Landesvorsitzende<br />

Klaus Bullan. Seit 2001 ist die CDU an der Regierung, seit sie ab 2004 allein<br />

regiert, stellt sie auch die Bildungssenatorin und betreibt einen Schlingerkurs unter<br />

dem Druck von Eltern, Lehrern und <strong>Linke</strong>n. War sie früher für die Stärkung der<br />

Hauptschule, so tritt sie jetzt für deren Abschaffung ein zugunsten einer Zweisäulenmodells,<br />

um das Gymnasium zu retten. <strong>Die</strong>s wird zur Verschärfung der Auslese<br />

führen, weil nach Klasse 6 die Schule entscheidet, welcher Schultyp für den<br />

Schüler geeignet ist. Der Leistungsdruck wird in den Klassen zuvor enorm steigen,<br />

damit man noch aufs Gymnasium kommt. Danach ist es nicht mehr möglich! Jede<br />

Schule kann selbst entscheiden, ob sie für Noten in Zeugnissen ist. Dabei hat<br />

Hamburg bundesweit mit 12 Prozent den höchsten Anteil an Schülern ohne Schul-<br />

12


abschluss, in St-Pauli sind es sogar 34 Prozent. 30 % aller Schüler gehören zur Risikogruppe,<br />

in der reichsten Stadt Europas leben 64.000 verarmte Kinder. Der<br />

CDU-Senat hat 160 Sprachlehrerstellen gestrichen, die Eltern müssen pro Schuljahr<br />

100 Euro Büchergeld zahlen. Gegen diese katastrophale Schulpolitik hat sich<br />

die „Volksinitiative Eine Schule für alle gebildet“, die aus SPD, Grün-Alternative,<br />

<strong>Linke</strong>n, der Eltern- und Lehrerkammer besteht und viel Unterstützung hat.<br />

Am dritten Tag sprach Prof. Günter Wilms, Mitglied des Sprecherteams der Bundesarbeitsgemeinschaft,<br />

zum Thema: „Zur Entwicklung der Einheitsschulidee -<br />

Konsequenzen für die Bildungspolitik der Partei DIE LINKE.“<br />

Zum Abschluss der Konferenz wurde nach Diskussion die Abschlusserklärung der<br />

Konferenz als Arbeitsgrundlage angenommen. <strong>Die</strong> Diskussion zeigte, dass es eine<br />

Reihe Fragen gibt, die einer weitergehenden Klärung bedürfen. Auf der ersten<br />

Beratung der Bundesarbeitsgemeinschaft im März 2008 soll das auf die Tagesordnung.<br />

Kurzes Fazit: <strong>Die</strong> Kritik an der neoliberalen Bildungspolitik ist konkreter und systematischer<br />

geworden. <strong>Die</strong>s nützt für eine schärfere Auseinandersetzung in der Alltagspolitik.<br />

Zugleich ist durch die Krise der Hauptschule überall eine Neubelebung<br />

der Diskussion über Bildungsstruktur und Pädagogik aus der sozialen Perspektive<br />

entstanden, daran haben wir bedeutenden Anteil. Jetzt gilt es, in die Tageskonflikte<br />

einzugreifen und allen Mitgliedern (nicht nur Erziehern, Lehrern und Eltern) die gesellschaftspolitische<br />

Bedeutung des Themas vor Augen zu führen. Selten haben<br />

wir dazu so gute Ausgangsbedingungen gehabt wie gegenwärtig!<br />

Emanuel Peter ist Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft Bildungspolitik<br />

in Baden-Württemberg<br />

13


Zur Entwicklung der Einheitsschulidee – Konsequenzen<br />

für die Bildungspolitik der Partei DIE LINKE<br />

Günter Wilms<br />

Referat für die Bildungspolitische Konferenz in Hamburg am 25. November 2007<br />

Ich kann mich noch genau an den Tag erinnern, an dem ich erstmalig mit dem<br />

Problem einer Schule konfrontiert wurde, in der alle Schüler gemeinsam vom<br />

ersten bis zum achten Schuljahr lernen. Das war am 12. Dezember 1945, als wir<br />

Teilnehmer an einer sog. Laienlehrerprüfung gefragt wurden, wie der Unterricht in<br />

einer solchen Schule gestaltet sein müsste und wovon der Unterrichtserfolg<br />

abhänge.<br />

Wenig später, im Mai 1946, wurde in der Sowjetischen Besatzungszone das<br />

Gesetz zur Demokratisierung der deutschen Schule verabschiedet, in dem es<br />

heißt: „<strong>Die</strong> demokratische Einheitsschule umfasst die gesamte Erziehung vom Kindergarten<br />

bis zur Hochschule.“ <strong>Die</strong> achtjährige für alle Kinder gemeinsame Grundschule<br />

ist grundlegender Bestandteil dieser Einheitsschule.<br />

<strong>Die</strong> kommenden Wochen und Monate waren wir Lehrerinnen und Lehrer damit beschäftigt,<br />

neben unserem eigenen Unterricht und der Erledigung anderer pädagogischer<br />

Aufgaben in den Dörfern und Städten unseres Kreises den Eltern und<br />

überhaupt den Bürgern diese neue Schule vorzustellen und ihnen die der Einheitsschule<br />

zugrunde liegenden schulpolitischen und pädagogischen Ideen zu erläutern.<br />

Unser eigenes Wissen darüber war nicht gerade groß und eigentlich unzureichend,<br />

aber im Prozess der Diskussion und vor allem in der Auseinandersetzung<br />

mit zweifelnden und z.T. auch deutlich ablehnenden Äußerungen lernten wir und<br />

wurden von Veranstaltung zu Veranstaltung sicherer.<br />

Als zentrale Ideen der Einheitsschule hoben wir hervor:<br />

Das Bildungsprivileg der alten bürgerlichen Gesellschaft, das der Masse der Kinder<br />

des Volkes eine höhere Bildung vorenthielt, soll überwunden werden.<br />

Jedem jungen Menschen soll die Möglichkeit gegeben werden, die Bildung zu<br />

erwerben, auf die er nach Anlage, Fähigkeit und Neigung Anspruch erheben kann;<br />

jeder Einzelne hat das Recht auf volle Entwicklung aller in ihm angelegten Kräfte,<br />

auf Entwicklung seiner Persönlichkeit.<br />

Alle Kinder sollen unabhängig von sozialer Herkunft und Religion eine solide<br />

Grundbildung erwerben können -. das schloss damals ganz besonders die Kinder<br />

aus Umsiedler- und Flüchtlingsfamilien aus den Ostgebieten ein.<br />

In der Einheitsschule gilt das Prinzip der Koedukation: Mädchen und Jungen<br />

werden gemeinsam in einer Klasse unterrichtet.<br />

14


Alle Kinder sollen eine naturwissenschaftliche- und fremdsprachige Ausbildung<br />

erhalten, überhaupt ab Klasse 5 einen wissenschaftlich fundierten Fachunterricht.<br />

Bisherige Sackgassen im Bildungsgang von Schülern, die einen Aufstieg zu<br />

höherer Bildung verhindern, werden abgeschafft.<br />

Private Schulen werden aufgelöst, da sie dem Prinzip der gemeinsamen Bildung<br />

aller Kinder widersprechen und eine einseitige Bevorzugung einer kleinen finanziell<br />

starken Gruppe von Bürgern bedeuten.<br />

Mit diesen wenigen Stichworten aus dem Jahr 1946 sind – konfrontiert mit den<br />

heutigen Erfordernissen – schon wesentliche Elemente der Einheitsschulidee charakterisiert.<br />

Ich betone Einheitsschulidee, denn auf diesen Elementen basiert nicht<br />

nur die demokratische Einheitsschule, wie sie 1945/46 in der Sowjetischen Besatzungszone<br />

entstand, sondern z.B. auch das Berliner Schulmodell von 1947/48<br />

oder auch die Schulreformbestrebungen in den westlichen Besatzungszonen in der<br />

gleichen Zeit. Auch die Gesamtschulbewegung begründete später ihre Vorschläge<br />

zur Entwicklung und inneren Gestaltung von Gesamtschulen mit ähnlichen und<br />

z.T. gleichen Argumenten.<br />

<strong>Die</strong> aktuellen Forderung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft und des<br />

Gesamtschulverbandes nach einer gemeinsamen Schule für alle und die dafür vorgetragenen<br />

Begründungen knüpfen ebenfalls an jene Positionen an, die nach 1945<br />

die Einheitsschuldebatte in beiden Teilen Deutschlands – und auch in vielen<br />

anderen Ländern Europas – charakterisierten.<br />

Nicht zuletzt standen diese Positionen auch bei dem Konzept für Inhalt und Gestaltung<br />

von Gemeinschaftsschulen in den Bildungspolitischen Leitlinien der PDS von<br />

Weimar 2005 und bei dem Vorschlag der Linkspartei/PDS zum längeren gemeinsamen<br />

Lernen in der Gemeinschaftsschule Pate. Dabei gilt es zu beachten, dass<br />

die Bezeichnung „Gemeinschaftsschule“ in Vergangenheit und Gegenwart mit unterschiedlichem<br />

Inhalt gebraucht wurde und wird, z.B. als Schule, in der Kinder<br />

verschiedener Konfessionen (katholisch, evangelisch) gemeinsam unterrichtet<br />

werden. Derzeit wird die Bezeichnung „Gemeinschaftsschule“ in verschiedenen<br />

Vorschlägen der SPD und z.T. auch praktischen Schritten in einzelnen Bundesländern<br />

für eine Schule verwandt, die lediglich – bei Beibehaltung einer besonderen<br />

gymnasialen Schule ab Klasse 5 – Haupt- und Realschüler gemeinsam unterrichten<br />

will und damit das dreigliedrige Schulsystem real verfestigt, also keinen Schritt<br />

in Richtung der „Einen Schule für alle“ darstellt. Daraus folgt die dringende Notwendigkeit,<br />

unser Konzept von der Gemeinschaftsschule inhaltlich, pädagogisch,<br />

didaktisch und strukturell weiter gründlich auszuarbeiten und mögliche Wege und<br />

Zwischenschritte für seine Verwirklichung zu prüfen.<br />

Wenn ich deshalb in diesem Referat über die Einheitsschulidee spreche, ist das<br />

nicht ein Plädoyer für eine bestimmte Schulform – zumal mir bewusst ist, dass die<br />

Begriffe „Einheitsschule“ wie auch „Gemeinschaftsschule“ umstritten sind - ,<br />

sondern für ein schulpolitisches und pädagogisches Prinzip der Gestaltung des Bil-<br />

15


dungswesens überhaupt, von der frühkindlichen Betreuung, Bildung und Erziehung<br />

bis zur Hochschule und Weiterbildung.<br />

Alle hier bisher skizzierten und andere schul- und bildungstheoretischen Diskussionen<br />

und Aktivitäten trugen zugleich dazu bei, die bildungstheoretischen, schulpolitischen<br />

und pädagogischen Grundpositionen der Einheitsschulidee weiter zu fundieren.<br />

Exkurs zur historisch-pädagogischen und historisch-bildungspolitischen<br />

Entwicklung der Einheitsschulidee<br />

Das Herangehen an eine grundlegende demokratische Bildungsreform – und<br />

darum geht es mit der Forderung der Partei DIE LINKE nach einem Bildungssystem<br />

mit einer integrativen Schule, eben der „Gemeinschaftsschule“, - erfordert<br />

neben der Analyse der konkreten, aktuellen Situation, der konkreten Bedingungen<br />

und des politischen Kräfteverhältnisses, dem Vergleich mit den Erfahrungen<br />

anderer Länder und der Nutzung wissenschaftlicher Erkenntnisse sowie der umfassenden<br />

Einbeziehung aller Beteiligten nicht zuletzt auch die Auswertung historischer<br />

Erfahrungen und Entwicklungen einschließlich gewachsener Traditionen. Ein<br />

Blick in die Geschichte des Bildungswesens und der Pädagogik macht deutlich,<br />

dass die Forderung nach Bildung für alle Kinder und Jugendlichen und die darauf<br />

basierende Einheitsschulidee tief in den pädagogischen und bildungspolitischen<br />

Auffassungen progressiver pädagogischer und philosophischer Denker der vergangenen<br />

Jahrhunderte, in der sich im 19. Jahrhundert entwickelnden Lehrerbewegung<br />

und vor allem in der Arbeiterbewegung verankert ist. <strong>Die</strong>se Quellen zu erschließen<br />

und dabei Anregungen zu gewinnen für aktuelles schul- und bildungspolitisches<br />

Handeln linker politischer Kräfte in unserem Land, darf nicht gering geschätzt<br />

werden – vor allem, darf nicht versäumt werden.<br />

Einige Fakten mögen das belegen:<br />

Wolfgang Ratke und Jan Amos Komensky engagieren sich in der ersten Hälfte des<br />

17 Jahrhunderts für eine universelle Menschenbildung. Pestalozzi erstrebte ein<br />

einheitliches Erziehungssystem, die freie, ungehinderte Entwicklung aller im<br />

Menschen schlummernden Kräfte und Anlagen über alle Schranken des Standes<br />

hinweg. Wilhelm von Humboldt, Johann Gottfried Herder und viele ihrer Zeitgenossen<br />

und Mitstreiter gehen davon aus, dass die Bildungsperiode bis zu Beginn der<br />

Berufsausbildung einen für alle im Prinzip gleichen allgemeinbildenden Inhalt und<br />

Charakter ausmachen soll. Humboldts Plan ging nicht zuerst von bildungsorganisatorischen<br />

Prinzipien aus, vielmehr von einer Bildungsidee, die der Aufeinanderfolge<br />

wesentlicher Stufungen in der Persönlichkeitsentwicklung folgt. Friedrich<br />

Wilhelm Wander wollte ein einheitliches, nationales, weltliches, staatlich beaufsichtigtes<br />

und geleitetes Bildungswesen.<br />

Mit ihm forderten in den Tagen der deutschen Revolution von 1848/49 viele<br />

deutsche Lehrer den Aufbau einer demokratischen deutschen Einheitsschule. <strong>Die</strong><br />

erste allgemeine deutsche Lehrerversammlung 1848 in Eisenach formulierte die<br />

16


Forderung nach einem einheitlichen Aufbau des Bildungswesens vom Kindergarten<br />

bis zur Hochschule; damit verdeutlichte die deutsche Lehrerschaft ihren<br />

Standort und ihren Standpunkt in den revolutionären Kämpfen der Jahre 1848/49.<br />

Auf zahlreichen Lehrerversammlungen wurde in Vorträgen und Leitsätzen immer<br />

wieder die Forderung nach der deutschen Einheitsschule gestellt. Hervorzuheben<br />

ist hier die gesamtdeutsche Lehrerversammlung 1914 in Kiel. Sie verabschiedete<br />

eine Entschließung mit dem folgenden Text:<br />

„<strong>Die</strong> deutsche Lehrerversammlung fordert in Übereinstimmung mit den Ausführungen<br />

des Vortragenden (das war Georg Kerschensteiner) die organisch gegliederte<br />

nationale Einheitsschule, die einen einheitlichen Lehrerstand zur notwendigen<br />

Voraussetzung hat und in der jede Trennung nach sozialen und konfessionellen<br />

Rücksichten beseitigt ist.“<br />

Einer der Vorkämpfer für die Einheitsschule. Johannes Tews, Generalsekretär des<br />

deutschen Lehrervereins, betonte ausdrücklich:<br />

„Es darf, wie nur eine Schule, auch nur einen Lehrerstand geben, der sich allerdings<br />

vielfach gliedert nach den Bildungsstufen.“<br />

An die Seite der Lehrerschaft in ihrem Kampf um die soziale demokratische Einheitsschule<br />

stellte sich die politisch organisierte deutsche Arbeiterschaft, die<br />

damals durch die Sozialdemokratische Partei repräsentiert wurde. Ihr „Fachmann“<br />

Heinrich Schulz und Clara Zetkin begründeten auf dem Mannheimer Parteitag<br />

1906 das Schulprogramm der Partei. Es ging weit über die Forderungen der Lehrerschaft<br />

hinaus und stellte die Erziehungsfragen hinein in den großen gesellschaftlichen<br />

Zusammenhang. Einige Stichworte aus dem Programm sollen das<br />

verdeutlichen:<br />

Das Kind muss als werdendes Glied der sozialen Gemeinschaft freier Arbeiter<br />

verstanden werden<br />

Alle körperlichen und geistigen Fähigkeiten müssen zu möglichst hoher Vollendung<br />

entwickelt werden.<br />

Der Gegensatz zwischen Hand- und Kopfarbeit, zwischen Theorie und Praxis,<br />

muss überwunden werden.<br />

Arbeit ist die Grundlager für die Erziehung in der sozialistischen Zukunft.<br />

Öffentliche Erziehung ist eine der wichtigsten sozialen Aufgaben.<br />

Organische Angliederung der höheren an die niederen Bildungsanstalten.<br />

Unentgeltlichkeit des Unterrichts, der Lehrmittel und der Verpflegung der Schüler.<br />

Mitwirkung der Eltern und der Lehrerschaft bei der Schulverwaltung.<br />

17


Errichtung von Kindergärten und von Fortbildungsanstalten für die schulentlassene<br />

Jugend.<br />

Materielle und soziale Hebung der Lage der Lehrer und Lehrerinnen, Universitätsausbildung<br />

für sämtliche Lehrerinnen und Lehrer an öffentlichen Schulen.<br />

Der Mannheimer Parteitag der SPD war mit seinem Schulprogramm Ausgangspunkt<br />

und Einleitung des großen schulpolitischen Kampfes der Arbeiterschaft. <strong>Die</strong><br />

Schul- und Erziehungsfragen bildeten von da an einen wesentlichen Bestandteil<br />

des politischen Kampfes der klassenbewussten Arbeiterschaft.<br />

Nach dem 1. Weltkrieg wurden die Bestimmungen in der Weimarer Verfassung<br />

von 1919 Grundlage für die Entwicklung des Bildungswesens. Im § 146 heißt<br />

es: „... auf einer für alle gemeinsamen Grundschule baut sich das mittlere und<br />

höhere Schulwesen auf.“ <strong>Die</strong> Vorstellungen darüber, wie viele Jahre die „gemeinsame<br />

Grundschule“ umfassen soll, waren unter den politisch aktiven<br />

Kräften extrem unterschiedlich. <strong>Die</strong> Reichsschulkonferenz vom Juni 1920,<br />

deren maßgeblicher Organisator der vorhin genannte Heinrich Schulz war,<br />

konnte sich auf Grund des starken Widerstandes der konservativen Kräfte nur<br />

auf eine vierjährige gemeinsame Grundschule einigen. Das ist der sog.<br />

„Weimarer Schulkompromiss“, unter dem das Bildungswesen in Deutschland<br />

noch heute zu leiden hat. Er wurde nicht stillschweigend hingenommen. Nicht<br />

wenige Pädagogen und Wissenschaftler, verschiedene linke politische Kräfte<br />

engagierten sich für seine Überwindung. <strong>Die</strong> schulpolitisch progressivste<br />

Richtung war zweifellos der „Bund entschiedener Schulreformer“ mit seinem<br />

Vorsitzenden Paul Östreich. Er wollte eine elastische Einheitsschule, gerichtet<br />

auf totale Menschenbildung, die als Lebensschule, als Produktionsschule charakterisiert<br />

wurde. Um eine solche Schule Wirklichkeit werden zu lassen, seien<br />

erforderlich:<br />

die Einheitlichkeit bei persönlichkeitsfördernder Differenzierung der Bildungswege,<br />

die konsequente Weltlichkeit der Schule,<br />

die Unentgeltlichkeit und Staatlichkeit des Bildungswesens und<br />

die Demokratisierung der Verwaltung des Bildungswesens.<br />

<strong>Die</strong> dargestellten historischen Fakten rufen eine Vielfalt von Assoziationen zu aktuellen<br />

Forderungen hervor. Sie machen deutlich, auf welchem wertvollen Erbe wir<br />

aufbauen können und fordern zum Nachdenken und zu Konsequenzen für das<br />

heutige Tun heraus.<br />

18


Erfahrungen aus der schulpolitischen Entwicklung in Europa nach dem<br />

2. Weltkrieg und darin eingeordnet der Entwicklung in den beiden deutschen<br />

Teilstaaten.<br />

In fast allen Ländern Europas entwickeln sich nach der Zerschlagung des Faschismus<br />

– eingeordnet in die Prozesse einer gewiss unterschiedlich interpretierten und<br />

praktizierten allgemeinen Demokratisierung – Einheitsschulsysteme. Demokratisierung<br />

verlangte auf bildungspolitischem Gebiet gleiche Bildungsmöglichkeiten für<br />

alle und hohe Bildung für alle, nicht zuletzt als eine der notwendigen Voraussetzungen<br />

für die reale, aktive Teilnahme der Bürgerinnen und Bürger an politischen<br />

und kulturellen Prozessen. Unmittelbar bildungstheoretisch und bildungspraktisch<br />

verlangten sie die Überwindung des überkommenen Bildungsdualismus, ein einheitliches<br />

und ausgewogenes inhaltliches Bildungskonzept mit der Möglichkeit, der<br />

Vielfältigkeit in der Entwicklung der Heranwachsenden gerecht zu werden sowie<br />

eine breite gemeinsame Grundlagenbildung für alle später verschiedenen Ausbildung-<br />

und Lebenswege zu gewährleisten. Schul- und bildungsstrukturell stand also<br />

die Realisierung der Idee eines Einheitsschulsystems mit entsprechenden Differenzierungen<br />

auf der historischen Tagesordnung.<br />

In allen Ländern, außer der BRD, Österreichs und einem Teil der Schweiz, wird der<br />

Übergang von dualistischen bzw. vertikal mehrgliedrigen Schulsystemen mit einer<br />

frühen Auslese und Festlegung der Kinder auf verschiedene Bildungswege unterschiedlicher<br />

Dauer hin zu einer gemeinsamen Schule vollzogen. Bei aller europäischen<br />

Vielfalt lässt sich in den Konzepten und – mit Einschränkungen – auch in<br />

den realen Prozessen die Tendenz zu folgenden allgemeinen Wesenszügen<br />

erkennen:<br />

• Es wird eine frühe Selektion in verschiedene Bildungswege ausgeschlossen,<br />

die sich auf die überholte Auffassung stützt, dass diese bestimmten Begabungstypen<br />

entsprächen, die ihrerseits konstant und frühzeitig erkennbar seien.<br />

In den sich entwickelnden Gesamtschulsystemen wird davon ausgegangen,<br />

dass es eine große Vielzahl von Begabungsprofilen gibt, deren Entwicklung<br />

nicht zuletzt von schulischen Angeboten, Motivierungen und Einwirkungen<br />

abhängig und langzeitig veränderlich ist.<br />

• Was angestrebt wird, ist betont keine Schule der Gleichförmigkeit, sondern der<br />

Mannigfaltigkeit, die sich sowohl gegen die verschiedenen „Zwangsjacken“ voneinander<br />

getrennter Schulformen mit ihren jeweiligen Einengungen der Persönlichkeitsentwicklung<br />

richtet als auch gegen Gleichmacherei und Uniformität. Es<br />

geht ihr um die Entwicklung eines jeden gemäß seinem individuellen Entwicklungsrhythmus<br />

und gemäß den jeweils geeigneten Zugangsweisen der Bildungsgüter<br />

und Tätigkeitsfelder.<br />

• <strong>Die</strong> Kinder sollen so lange wie möglich in heterogenen Klassen gemeinsam<br />

lernen. <strong>Die</strong> Bildungswegentscheidungen, die auf Neigung und Leistung, auf<br />

Selbsterprobung und Beratung beruhen, bleiben möglichst lange offen.<br />

19


<strong>Die</strong> internationalen Erfahrungen haben gezeigt, dass die genannten Aufgaben erst<br />

voll gelöst werden können, wenn ein flächendeckendes Gesamtschulsystem<br />

entsteht, welches das vertikal gegliederte ablöst. Ihre Erfüllung wird (meist sehr<br />

stark) beeinträchtigt, wenn einzelne Gesamtschulen neben anderen vertikal gegliederten<br />

Schulformen bestehen.<br />

• <strong>Die</strong> internationale Tendenz scheint – auch angesichts der wachsenden Bedeutung<br />

permanenter Bildung und der Akzelerationsprozesse in der jungen Generation<br />

– auf eine kindgemäße integrierte gemeinsame Schule bis zu einem Alter<br />

von etwa 15/16 Jahren hinzugehen, der eine jugendgemäße und mehr additive<br />

Stufe folgt, die in verschiedener Weise allgemeine und spezielle (berufliche)<br />

Bildung oder Lernen und Arbeiten kombiniert.<br />

• Im Ergebnis dieser neuen Sicht auf die Entwicklung der Kinder und Jugendlichen<br />

und auf die Bildungsziele, auf bessere Bildungschancen für alle, entwickelte<br />

sich auch ein anderer, neuer pädagogisch-methodischer Arbeitsstil.<br />

Dabei haben die soziale Erziehung und die „Schuldemokratie“ einen hohen<br />

Stellenwert erhalten. Deshalb ist die Gesamtschulentwicklung auch meist mit<br />

Bestrebungen zur ganztägigen und mit ihrer Umwelt verbundenen Schule verknüpft<br />

und will Nachbarschafts-. und Gemeindeschule sein.<br />

Eigentlich geht es nicht nur um eine ganz andere Schulform als in dem alten<br />

System, sondern insgesamt um ein neues pädagogisches Konzept, in dem<br />

dem Kind mehr als Subjekt seiner Entwicklung begegnet, seine Aktivität stärker<br />

gefördert und der Kräftebildung mehr Gewicht verschafft wird.<br />

XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX<br />

Auch in Deutschland, sowohl in der sowjetischen wie in die westlichen Besatzungszonen,<br />

gab es nach der Zerschlagung des Faschismus Bestrebungen und<br />

Aktivitäten zur Entwicklung von Einheitsschulmodellen. Sie waren eingebettet in<br />

die von den Besatzungsmächten geforderte und von progressiven deutschen<br />

Kräften aktiv betriebene Demokratisierung des gesamten gesellschaftlichen<br />

Lebens und in die vom Potsdamer Abkommen geforderte Erziehung der Jugend im<br />

Geiste des Friedens, des Antimilitarismus und Antifaschismus, der Völkerversöhnung<br />

und Völkerverständigung. <strong>Die</strong>se Bestrebungen stützten sich auf Erkenntnisse<br />

aus den Kämpfen der Arbeiterbewegung und der progressiven Lehrerbewegung<br />

des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts. <strong>Die</strong>se lassen sich in den folgenden<br />

Grundsätzen zusammenfassen:<br />

Einheitlichkeit der Schule und des gesamten Bildungswesens<br />

Staatlichkeit des gesamten Bildungswesens<br />

Wissenschaftlichkeit in Inhalt und Gestaltung<br />

20


Unentgeltlichkeit auf allen Stufen des Bildungswesens<br />

In der Sowjetischen Besatzungszone regelten die Länderverfassungen von<br />

1946/47:<br />

„<strong>Die</strong> öffentliche Erziehung erfolgt durch eine für Knaben und Mädchen gleiche, organisch<br />

gegliederte Einheitsschule mit demokratischem Schulsystem auf der<br />

Grundlage der allgemeinen Schulpflicht.“<br />

In den Gesetzen der Länder zur Demokratisierung der deutschen Schule wird die<br />

achtjährige Grundschule als grundlegender Bestandteil dieser Einheitsschule charakterisiert.<br />

Es ist in diesem Zusammenhang interessant, die Direktive Nr. 54 des Alliierten<br />

Kontrollrates vom 25. Juni 1947 zu grundlegenden Richtlinien für die Demokratisierung<br />

des Bildungswesens in Deutschland zu lesen. Dort heißt es in Punkt 4:<br />

„<strong>Die</strong> Pflichtschulen sollen ein zusammenhängendes (comprehensive) Schulsystem<br />

bilden. <strong>Die</strong> Begriffe „Grundschule“ (elementary education) und „Höhere<br />

Schule“ (secondary education) sollen zwei aufeinanderfolgende Stufen der Ausbildung<br />

darstellen, nicht zwei sich überschneidende Ebenen verschiedenen Typs<br />

oder verschiedener Qualität.“<br />

Auch in den westlichen Besatzungszonen gab es in der unmittelbaren Nachkriegszeit<br />

Reformansätze, durch die – z.T. unter amerikanischem Einfluss – das gegliederte<br />

Schulsystem in Richtung auf einen gestuften Schulaufbau verändert werden<br />

sollte. Verfassungsrechtliche bzw. schulgesetzliche Bestimmungen einiger Länder<br />

weisen in eine solche Richtung.<br />

Zum Beispiel heißt es in der Verfassung Hessens vom 1. Dezember 1946, Art. 59:<br />

„...Der Zugang zu den Mittel-, höheren- und Hochschulen ist nur von der Eignung<br />

des Schülers abhängig zu machen.“<br />

Das Schulgesetz Hamburgs vom 23. September 1949 bestimmt:.<br />

§ 8 : <strong>Die</strong> allgemeine Volksschule fasst als Gemeinschaftsschule alle Schulpflichtigen<br />

ohne Unterschied des Bekenntnisses und der Weltanschauung zusammen.“<br />

§ 11 : <strong>Die</strong> allgemeine Volksschule ist eine Einrichtung der Hansestadt Hamburg;<br />

sie gliedert sich in<br />

a) die für alle Schulpflichtigen gemeinsame sechsjährige Grundschule und<br />

b) die praktische (3 Jahre), technische (4 Jahre) und wissenschaftliche (7<br />

Jahre) Oberschule.<br />

Im Zuge der Restauration der alten gesellschaftlichen Verhältnisse Ende der 40er /<br />

Anfang der 50er Jahre wurde das Schulwesen der Bundesrepublik im Anschluss<br />

an die Organisationsstrukturen der Weimarer Zeit wiederhergestellt und konsolidiert.<br />

Bereits durchgeführte Reformmaßnahmen wurden wieder aufgehoben. So<br />

verkürzten einzelne Bundesländer die gemeinsame Grundschulzeit, die sie auf<br />

sechs Jahre verlängert hatten, um den Zeitpunkt der Übergangsauslese hinauszuschieben,<br />

wieder auf vier Jahre. 1955 vereinbarten die Bundesländer im Düssel-<br />

21


dorfer Abkommen zur Vereinheitlichung des Schulwesens die Dreigliedrigkeit, also<br />

das Nebeneinander von Volksschule, Mittelschule und Gymnasium, als verbindliche<br />

Grundstruktur.<br />

Erst durch das Hamburger Abkommen der Länderregierungen von 1964 eröffnete<br />

sich wieder die Möglichkeit, Schulversuche mit abweichender Organisationsstruktur<br />

durchzuführen. Damit konnten sich in den folgenden Jahren und Jahrzehnten<br />

Gesamtschulen entwickeln, die ihre Zukunft als „ersetzende“ Schulform verstanden,<br />

und die in ihrer bildungspolitischen Funktion und mit ihren pädagogischen<br />

Anliegen auf der Einheitsschulidee fußten und sie schöpferisch zu verwirklichen<br />

suchten. Restriktive Bestimmungen der Kultusministerkonferenz zwangen sie allerdings<br />

in das mehrgliedrige System. Hervorragende pädagogische Innovationen,<br />

unterschiedlichste Formen der Beachtung und Förderung von Interessen und Neigungen,<br />

der Differenzierung der pädagogischen Arbeit und die Orientierung auf die<br />

Individualität der jungen Menschen – überhaupt gute pädagogische Arbeit –<br />

brachten ihnen viel Anerkennung und auch Zuspruch – oft mehr Bewerber als<br />

staatlich zugelassen -, konnten aber letztlich die „Zwangsjacke“ bis heute nicht<br />

sprengen.<br />

In der Sowjetischen Besatzungszone wurde zielstrebig auf der Grundlage der Verfassungen<br />

und der Ländergesetze zur Demokratisierung der deutschen Schule<br />

daran gearbeitet, die demokratische Einheitsschule und damit die Überwindung<br />

des alten bürgerlichen Bildungsprivilegs und das Recht auf Bildung für alle Wirklichkeit<br />

werden zu lassen. Damit verbunden war die Schaffung einer neuen Lehrerschaft<br />

und die Bildung antifaschistisch-demokratischer Schulverwaltungen. Allen<br />

Kindern eine einheitliche achtjährige Grundschulausbildung mit naturwissenschaftlichem<br />

Fachunterricht und Unterricht in einer Fremdsprache zu sichern, erforderte<br />

in besonderem Maße auch, die Rückständigkeit des Landschulwesens zu überwinden<br />

und allen jungen Menschen nach der Schule eine berufliche Ausbildung und<br />

den mehrjährigen Besuch einer Berufsschule zu ermöglichen.<br />

<strong>Die</strong> erste Aufgabe einer Einheitsschulentwicklung, die Überwindung des Bildungsdualismus<br />

in der obligatorischen Schulzeit, konnte so in den 40er und frühen 50er<br />

Jahren gelöst werden.<br />

<strong>Die</strong> weitere Ausgestaltung der demokratischen Einheitsschule begann in den 50er<br />

Jahren mit der schrittweisen Verlängerung der Pflichtschulzeit von acht auf zehn<br />

Jahre in einer zunächst Mittelschule genannten Schulform. Sie fand ihre umfassende<br />

rechtliche Ausgestaltung im Gesetz über das einheitliche sozialistische Bildungssystem<br />

von 1965. Auf der Einheitsschulidee fußend und sie weiterführend<br />

charakterisiert dieses Gesetz erstmalig und bisher einmalig in der Geschichte des<br />

deutschen Bildungswesens über alle bisherigen Schranken hinweg die Gesamtheit<br />

der staatlichen und auch der gesellschaftlichen Bildungseinrichtungen und Bildungsbestrebungen<br />

von der frühen Kindheit bis zur Hochschul- und Erwachsenenbildung<br />

einschließlich der Aus- und Weiterbildung der PädagogInnen in ihrer<br />

inneren Einheit und Kontinuität. Damit wurden Voraussetzungen dafür geschaffen,<br />

die einzelnen Glieder des Bildungssystems so zusammenzufügen, dass sie eine<br />

geschlossene, kontinuierliche, in sich abgestimmte Gesamtstruktur bilden. Deshalb<br />

22


wird vom einheitlichen Bildungssystem gesprochen und nicht von Einheitsschule.<br />

<strong>Die</strong> Pflichtschule für alle Kinder und Jugendlichen wird im Gesetz als „zehnklassige<br />

allgemeinbildende polytechnische Oberschule“ ( kurz: POS ) bezeichnet. Ihr Inhalt<br />

– die zu erwerbende polytechnischen Charakter tragende Allgemeinbildung - und<br />

ihr pädagogisch-didaktisches Konzept wurden in den nachfolgenden Jahren in umfassender<br />

Gemeinschaftsarbeit von Wissenschaftlern und Pädagogen bestimmt.<br />

Auch aus heutiger Sicht muss betont werden, dass das Bildungswesen der DDR<br />

gute Bedingungen für eine umfassende Entwicklung und Bildung aller Kinder und<br />

Jugendlichen schuf. Dabei waren gesamtgesellschaftliche Rahmenbedingungen,<br />

die allgemeinen Lebens- und Entwicklungsbedingungen für die Kinder und Jugendlichen<br />

sowie die hervorragende Arbeit zehntausender Pädagoginnen und Pädagogen<br />

eine entscheidende Voraussetzung. Es ist auch alles andere als Zufall, dass<br />

das Bildungswesen der DDR international hohe Anerkennung genoss. Dennoch<br />

dürfen mit dem Blick auf die Nutzung seiner Erfahrungen bestimmte Defizite, die<br />

sich vor allem in den letzten Jahren herausgebildet hatten, nicht negiert werden,<br />

z.B. mangelnde Differenzierungsmöglichkeiten vor allem in den oberen Klassenstufen,<br />

eine oft beklagte gewisse Einförmigkeit in der Gestaltung des Unterrichts<br />

und der täglichen pädagogischen Arbeit oder eine nicht zu übersehende ideologische<br />

Überfrachtung.<br />

Aber trotzdem gilt:<br />

Das Bildungswesen der DDR hat insgesamt den Beweis erbracht, dass - eingebettet<br />

in eine das ganze gesellschaftliche Leben durchziehende Forderung und<br />

Förderung des Bildungsstrebens aller werktätigen Menschen und unter ausgeglicheneren<br />

Entwicklungsbedingungen der Heranwachsenden in Bezug auf die Unterschiede<br />

zwischen arm und reich und die Unterschiede zwischen Stadt und Land<br />

– hohe Bildungsziele und gleiche Bildungsmöglichkeiten für alle erreichbar und<br />

realisierbar sind.<br />

Es darf allerdings dabei nicht übersehen werden, dass dafür die gemeinsame<br />

ganztägige vorschulische Betreuung, Bildung und Erziehung faktisch aller Kinder<br />

entscheidende Bedeutung hatte, und auch die Nachmittags- bzw. Frühbetreuung<br />

der Kinder der Klassen 1 – 4 in den Schulhorten ein wesentliches förderndes<br />

Element war. <strong>Die</strong> Vielfalt von Möglichkeiten außerunterrichtlicher und außerschulischer<br />

Betätigungen und ein großes Angebot – nicht zuletzt auch von den Betrieben<br />

– zur Feriengestaltung für die Kinder und Jugendlichen gehört zu den notwendigen<br />

Bedingungen, um breite und qualifizierte Bildungs- und Entwicklungsmöglichkeiten<br />

für alle zu gewährleisten. <strong>Die</strong> Schulen verstanden sich nicht nur als unterrichtende<br />

Schulen, sondern als in der Kommune, im Wohngebiet sozial verankerte Einrichtungen,<br />

die im Zusammenwirken mit „verbündeten“ Erziehungsträgern im Territorium<br />

das Leben der Kinder und Jugendlichen und damit auch die Förderung und<br />

Entwicklung ihrer Neigungen und Interessen, pädagogisch und in gewissem<br />

Umfang auch organisatorisch mitzugestalten halfen. Ein ganz entscheidendes<br />

Moment war schließlich, dass die Schule der DDR in einem sonst kaum anzutreffenden<br />

Maß mit der Polytechnik die Welt der Arbeit und der Technik in ihr Bildungskonzept<br />

eingebunden hatte, wenn auch die praktischen Lösungen in den<br />

23


80er Jahren nicht mehr in erforderlichem Maße den veränderten Bedingungen der<br />

wissenschaftlich-technischen Revolution gerecht wurden.<br />

All das sind Faktoren, ohne die ein der Einheitsschulidee folgendes Bildungswesen<br />

mit seinem längeren gemeinsamen Schulbesuch schwer vorankommt. Deshalb soll<br />

hier als allgemeine Erfahrung aus der Entwicklung der DDR-Schule mit dem Blick<br />

auf heutige Erfordernisse ausdrücklich betont werden, dass eine organisch differenzierte,<br />

elastische Einheitsschule, eine die Mannigfaltigkeit fördernde Schule die<br />

Vielfalt der Gestaltung des pädagogischen Geschehens an der Schule, die Vielfalt<br />

der didaktisch-methodischen Gestaltung eines auf zunehmend selbständige Aneignung<br />

orientierten Unterrichts, die Aufarbeitung und Nutzung der individuellen Erfahrungen<br />

der Schülerinnen und Schüler erfordert und - was ganz besonders<br />

wichtig ist – deren individuelle Verschiedenheit und Originalität als Potenz für die<br />

Lösung allgemeiner Aufgaben und des Erreichens gemeinsamer Ziele versteht.<br />

Zur aktuellen Entwicklung des Bildungswesens in Deutschland<br />

Das öffentliche Bildungssystem der Bundesrepublik befindet sich sei langem in<br />

einer Krise, weil sich in ihm alle ökonomischen, sozialen und kulturellen Widersprüche<br />

der Gesellschaft widerspiegeln. <strong>Die</strong> Strategie der Kultusministerkonferenz ist<br />

gescheitert, mit Retuschen am Herkömmlichen, mit Verschärfung der Selektion<br />

über die Runden zu kommen. Auch die Verabredung, jegliche Diskussionen über<br />

strukturelle Reformen und Bildungsfinanzierung zu unterbinden, ließ und lässt sich<br />

offensichtlich nicht durchhalten. In dieser Situation nutzt das Kapital die Krise, um<br />

die Privatisierung auch im Bildungswesen zu forcieren.<br />

<strong>Die</strong> Folgen der in den vergangenen Jahren mehrfach versäumten Reformen<br />

bewirken, dass die Kritik am Bildungssystem in allen Gesellschaftsschichten enorm<br />

wächst. Internationale Vergleichsuntersuchungen, wie TIMMS, PISA und andere<br />

rütteln die Öffentlichkeit immer wieder auf. Das gilt nicht zuletzt auch für den<br />

Bericht des UN-Sonderberichterstatters für das Menschenrecht auf Bildung. Nicht<br />

zu übersehen ist, dass die Kritik immer stärker auf den in Deutschland besonders<br />

auffälligen Zusammenhang von sozialer Herkunft bzw. sozialer Lage der Lernenden<br />

und deren Bildungschancen, deren weiteren Lebensweg, richtet und damit zunehmend<br />

auf die rigide und frühe Selektion und die Mehrgliedrigkeit des Schulwesens.<br />

Andreas Schleicher, der OECD-PISA-Koordinator, charakterisiert in einem Beitrag<br />

in „Erziehung und Wissenschaft“ (5/2007, S.2) die Situation zugespitzt mit den<br />

Worten:<br />

„Wenn wir die Kinder des 21. Jahrhunderts weiterhin von Lehrern mit einem Ausbildungsstand<br />

des 20. Jahrhunderts in einem Schulsystem unterrichten lassen, das<br />

im 19. Jahrhundert konzipiert wurde und sich seitdem nur graduell verändert hat,<br />

dann werden Bildungsqualität und Chancengerechtigkeit von Ländern wie<br />

Finnland, Japan oder Kanada auch in Zukunft unerreichbar bleiben.“<br />

24


Spätestens seit PISA – aber in Wirklichkeit schon viel früher – ist das längere gemeinsame<br />

Lernen in der deutschen pädagogischen und gesellschaftlichen Öffentlichkeit<br />

ein Thema geworden. In nicht wenigen Dokumenten, Beschlüssen verschiedenster<br />

Organisationen und Institutionen bis hin zum neuen Programm der<br />

SPD kann man entsprechende Forderungen finden. Sie sind allerdings mit sehr<br />

unterschiedlichen, z.T. sogar einander ausschließenden, strukturellen und inhaltlichen<br />

Vorstellungen und Vorschlägen verbunden.. Gleich hier muss deshalb aus<br />

unserer konsequent linken Sicht gesagt werden:<br />

<strong>Die</strong> Verwirklichung des längeren gemeinsamen Lernens ist sowohl eine inhaltliche<br />

wie eine strukturelle Frage! Eine Trennung dieser beiden „Seiten einer Medaille“<br />

darf nicht zugelassen werden! Es geht nicht nur um Bildung für alle gleichermaßen,<br />

es geht um hohe Bildung für alle! Es geht um die bestmögliche Entwicklung jedes<br />

Einzelnen und die dafür erforderlichen Bedingungen!<br />

In einer Schule. die das längere gemeinsame Lernen über die Klasse 4 bzw. 6<br />

hinaus praktiziert, geht es zuerst um eine solide, hohe Allgemeinbildung für alle<br />

Schülerinnen und Schüler, um eine solche Gestaltung der pädagogischen Arbeit in<br />

dieser Schule, im täglichen Unterricht, die es den Schülerinnen und Schüler ermöglicht,<br />

sich diese Bildung anzueignen, um das aktive Mitwirken und Mitbestimmen<br />

aller an diesem Prozess Beteiligten, und es geht nicht zuletzt um die Schaffung<br />

und Sicherung der bildungsökonomischen Rahmenbedingungen, ohne die<br />

alle guten Vorstellungen nur sehr begrenzt realisierbar sind!<br />

Zur Entwicklung bildungspolitischer Positionen in der PDS<br />

Von solchen bildungspolitischen Positionen ließen sich die PDS und ihre Bundesarbeitsgemeinschaft<br />

Bildungspolitik seit ihrer Konstituierung 1989/90 leiten, wenn<br />

sie konsequent bis heute für ein integriertes Bildungssystem und darin eingeschlossen<br />

für längeres gemeinsames Lernen in der Pflichtschulzeit eingetreten<br />

sind - auch wenn die Begrifflichkeiten zu verschiedenen Zeiten unterschiedlich<br />

waren. Ein kurzer Überblick soll das verdeutlichen:<br />

Bereits in der Abschlusserklärung des 1. bildungspolitischen Treffens der PDS<br />

(März 1991) mit dem Titel „Es geht um breite Bildung für alle“ forderten wir „die<br />

schrittweise Umwandlung der Schulen zu demokratischen Gesamtschulen als alleiniger<br />

Regelschule (Klasse 1-10)“.<br />

Und in der Erklärung der Teilnehmer der 4. Bildungspolitischen Konferenz<br />

(November 1993) heißt es kurz und knapp: „Alle Kinder und Jugendlichen<br />

besuchen mindestens zehn Jahre eine allgemeinbildende Schule.“<br />

Im Programm der PDS von 1993 forderte die Partei, „zum grundlegenden Schultyp<br />

die integrierte Gesamtschule zu machen und Ganztagsschulen zu fördern.“<br />

Auf der Grundlage solider wissenschaftlicher Vorarbeiten konnte auf der 6. Bildungspolitischen<br />

Konferenz (Oktober 1997) ein neues Schulkonzept beraten und<br />

als Bestandteil eines umfangreichen Dokuments „Positionen, Forderungen und<br />

Vorschläge der PDS zur Bildungspolitik“ publiziert werden. <strong>Die</strong>ses Konzept ließ<br />

25


sich von der „Gesamtschulidee“ leiten, ohne sich auf eine Schulform festzulegen.<br />

In ihm wird eindeutig formuliert:<br />

„Ein neues Schulkonzept wird an die Stelle der frühzeitigen Auslese mit ihren negativen<br />

sozialen und psychischen Wirkungen den Grundsatz der bestmöglichen<br />

Förderung jedes Einzelnen und die Ausbildung seiner Stärken als wichtige Impulse<br />

für seine Gesamtentwicklung setzen. In ihm wird es die derzeit nach einer vier-<br />

oder sechsjährigen Grundschule erfolgende Aufspaltung der Schüler in nach Abschlüssen<br />

ungleichwertige Schulformen nicht mehr geben, und es wird vorsehen,<br />

alle Schüler in einer gemeinsamen, nach Stufen gegliederten Schule zumindest bis<br />

zum Ende des 8. Schuljahres – für die meisten Schüler aber bis zur 10. Klasse –<br />

vereinen.“<br />

<strong>Die</strong>ses Konzept war Ausgangspunkt auch für die Beratung der 8. Bildungspolitischen<br />

Konferenz (März/April 2001) und beeinflusste maßgeblich den Beschluss<br />

der Konferenz „Gleiche Bildungs- und Entwicklungsmöglichkeiten für alle! Gegen<br />

wachsende Ungleichheit im Bildungswesen!“ mit der Aussage: „Darum muss in der<br />

BRD die eine einheitliche Schule für alle als Ganztagsschule mit Wahlangeboten<br />

und Differenzierungsmöglichkeiten ausgebaut werden.“<br />

<strong>Die</strong>se Position fand auch Eingang in das 2003 beschlossene neue Programm der<br />

PDS: „<strong>Die</strong> PDS tritt für ein integriertes Bildungssystem ein, das vor allem dazu<br />

beiträgt, soziale Ungleichheit abzubauen. Es soll gemeinsame Bildung ... und<br />

zugleich individuelle, differenzierte Förderung sowie Nachteilsausgleich ermöglichen.“<br />

Schließlich wurden auf der 9. Bildungspolitischen Konferenz (Juni 2005) „Bildungspolitische<br />

Leitlinien der PDS“ beraten, die nach wie vor Grundlage unseres bildungspolitischen<br />

Wirkens sind.<br />

Insbesondere mit dem Schulkonzept von 1997 und dem Abschnitt 8 der Bildungspolitischen<br />

Leitlinien von 2005 zur Gemeinschaftsschule wurden auf der Grundlage<br />

der Einheitsschulidee wissenschaftlich begründete konzeptionelle Überlegungen<br />

für eine zukünftige Schule in Deutschland vorgelegt und konkrete Vorschläge für<br />

mögliche Schritte zu ihrer Verwirklichung unterbreitet.<br />

Einige von der Einheitsschulidee abgeleitete grundlegende gesellschaftspolitische,<br />

bildungspolitische und pädagogische Positionen für unsere weitere<br />

Arbeit am Konzept der Gemeinschaftsschule und für unser bildungspolitisches<br />

Wirken<br />

Doch zuvor ein paar Bemerkungen zum Terminus „Gemeinschaftsschule“:<br />

<strong>Die</strong> von uns angestrebte Schule „Gemeinschaftsschule“ zu nennen, war Ergebnis<br />

der Diskussionen im Prozess der Erarbeitung der Bildungspolitischen Leitlinien<br />

2004/2005. Ausgangspunkt war, dass wir eine Schule der Integration und der Inklusion<br />

wollen -- und die damit verbundene Überlegung, dass in dieser Schule die<br />

Schülerinnen und Schüler viele Jahre gemeinsam lernen und sich in einer Klassen-<br />

bzw. Schulgemeinschaft soziale Erfahrungen und entsprechende Verhaltensweisen<br />

aneignen. Dabei spielte eine wesentliche Rolle unsere Überzeugung, dass<br />

das Individuum für die Entwicklung seiner Persönlichkeit der Gemeinschaft bedarf<br />

26


und lernen muss, sich in der Gemeinschaft zu bewegen und ggf. auch Verantwortung<br />

in der Gemeinschaft zu übernehmen.<br />

Eine große Bedeutung kommt dabei auch der Tatsache zu, dass wir eine Schule<br />

wollen, die in das territoriale gesellschaftliche Umfeld eingebunden ist und die von<br />

allen in diesem Territorium wohnenden Schülerinnen und Schülern besucht wird,<br />

die die damit verbundenen Potenzen für die Bildung und Erziehung der jungen<br />

Menschen nutzt - also auch hier möglichst gut koordinierte Gemeinschaftsarbeit<br />

vonnöten ist.<br />

Schließlich sieht die von uns konzipierte Schule die Schülerinnen und Schüler als<br />

Subjekte ihrer Entwicklung, Bildung und Erziehung und kann nur erfolgreich<br />

wirken, wenn sie auf das wechselseitige Engagement von Pädagogen und<br />

Schülern baut. Und nicht zuletzt, was wäre eine solche Schule ohne das konstruktive<br />

Miteinander von Pädagogen und Eltern, die sich gemeinsam um jeden Einzelnen<br />

sorgen und auch gemeinsam mit den Schülern das Leben der Schulgemeinschaft<br />

gestalten?<br />

Kurz gesagt:<br />

Eine „Gemeinschaftsschule“ ist eine Schule vielfacher pädagogischer und organisatorischer<br />

Gemeinschaftsarbeit!<br />

Dass der Begriff „Gemeinschaftsschule“ z.Zt. von verschiedenen Kräften mit<br />

Inhalten und Organisationsformen verbunden wird, die dem Wesen dieser Schule<br />

und unseren Vorstellungen von ihrer Gestaltung z.T. diametral widersprechen,<br />

spricht nicht gegen den Begriff, sondern ist vielmehr eine Herausforderung, unsere<br />

Positionen in der Auseinandersetzung mit diesen Surrogaten von Gemeinschaftsschule<br />

zu fundieren.<br />

XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX<br />

<strong>Die</strong> Idee der Einheitsschule beruht auf grundlegenden politischen, philosophischweltanschaulichen<br />

und pädagogisch-psychologischen Erkenntnissen bzw. Positionen,<br />

die humanistische Grundüberzeugungen verkörpern. Dazu zählen vor allem:<br />

1. <strong>Die</strong> Überzeugung von der Bildungs- und Entwicklungsfähigkeit jedes Menschen<br />

und die Achtung vor seiner Würde und Persönlichkeit. Der Mensch ist nicht<br />

Objekt seiner Verhältnisse, er ist aktiver Gestalter seiner Lebensbedingungen.<br />

Er kann nicht in ein biologisches und ein gesellschaftliches Wesen getrennt<br />

werden. Indem er seine Umwelt verändert, verändert und entwickelt er sich<br />

auch selbst!<br />

2. <strong>Die</strong> Überzeugung, dass jeder Mensch das Recht auf Bildung und Ausbildung<br />

entsprechend seinen Fähigkeiten, Neigungen und Interessen hat. Jeder<br />

Mensch hat das Recht auf Entwicklung seiner Persönlichkeit, jeder Mensch<br />

wird „gebraucht“! Das Menschenrecht auf Bildung und die Forderung nach<br />

gleichen Bildungsmöglichkeiten für alle und die Verantwortung der Gesellschaft<br />

und des Staates für die Schaffung der dafür erforderlichen Bedingungen sind<br />

für linke Politik unabdingbar!<br />

3. <strong>Die</strong> Überzeugung, dass jeder Mensch begabt ist, dass Begabung nicht etwas<br />

durch Geburt Vorherbestimmtes ist. Jeder Heranwachsende entwickelt im<br />

27


Verlauf seines Lebens unter dem Einfluss von Familie, Schule, Medien,<br />

Freunden u.a. unterschiedliche Interessen, Fähigkeiten und Talente! Damit entwickeln<br />

sich Begabungen für sehr unterschiedliche Lern-, Bildungs- und Betätigungsfelder!<br />

Daraus leitet sich ab: Jede Kind ist begabt, unterschiedlich, wofür!<br />

Für „Alles“ Begabte, das ist eher die Ausnahme!<br />

4. <strong>Die</strong> Überzeugung, dass das Kind, der Jugendliche seine Individualität, seine<br />

Persönlichkeit in der Gemeinschaft mit anderen, als Teil dieser Gemeinschaft,<br />

ausprägt. Sie regt mit ihren Zielen, ihrer Kommunikation und Kooperation den<br />

Einzelnen an. Dabei wirken Unterschiede als produktive Kraft, findet der<br />

Einzelne Hilfe, Anregung, Bestätigung, Anerkennung.<br />

5. Wenn alle Menschen das Recht auf Bildung und Entwicklung ihrer Persönlichkeit<br />

haben, dann haben Staat und Gesellschaft nicht das Recht, einzelne<br />

Menschen oder Menschengruppen von Bildung auszuschließen bzw. ihre Bildungsmöglichkeiten<br />

einzuschränken. Im Gegenteil: Integration und Inklusion<br />

aller sind unabdingbar und müssen praktiziert werden!<br />

In der Arbeiterbewegung wurde die Einheitsschulidee immer als Bestandteil des<br />

Kampfes um bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen verstanden. Vorstellungen,<br />

allein über das Bildungswesen gesellschaftliche Veränderungen erreichen zu<br />

können, haben sich als unrealistisch erwiesen. Gleichzeitig ist aber allgemein anerkannt,<br />

dass grundlegende gesellschaftliche Veränderungen einer Neugestaltung<br />

des Bildungswesens im Sinne der Verwirklichung gleicher Bildungsmöglichkeiten<br />

für alle bedürfen.<br />

Aus diesen Erfahrungen und Erkenntnissen gilt es, für unser heutiges Ringen um<br />

das längere gemeinsame Lernen in der Gemeinschaftsschule Schlussfolgerungen<br />

zu ziehen: Der Kampf für die Gemeinschaftsschule muss mit dem Kampf um<br />

solche gesellschaftlichen Rahmenbedingungen verbunden werden, die diese Gemeinschaftsschule<br />

überhaupt erst in ihrer vollen Ausgestaltung möglich machen,<br />

die Voraussetzungen dafür sind, den Widerstand konservativer Kräfte gegen die<br />

Gemeinschaftsschule, besonders derer, die um ihre Privilegien fürchten, zu überwinden.<br />

Und es muss heute und hier um gesellschaftliche und gute bildungsökonomische<br />

Rahmenbedingungen gerungen werden, die für qualifizierte pädagogische<br />

Arbeit erforderlich sind<br />

Nicht zuletzt geht es um gesellschaftliche Rahmenbedingungen für ein kinder- und<br />

jugendfreundliches Klima im Land. <strong>Die</strong> jungen Menschen sollen in der Gesellschaft<br />

Voraussetzungen vorfinden, die ihnen die Möglichkeit bieten, sich zu betätigen,<br />

sich zu beweisen und an der Gestaltung und Veränderung der gesellschaftlichen<br />

Verhältnisse aktiv teilzunehmen.<br />

Schlussfolgerung:<br />

Bildungspolitik darf in unserer Partei DIE LINKE nicht nur Sache von uns „Spezialisten“<br />

sein. Allerdings dürfen wir nie vergessen, dass wir dafür eine besondere<br />

Verantwortung tragen.<br />

Bildungspolitik ist Bestandteil der Gesamtpolitik und deshalb ist der Kampf für das<br />

längere gemeinsame Lernen in der Gemeinschaftsschule Sache und Aufgabe der<br />

Gesamtpartei! Und wir „Spezialisten“ dürfen unseren Blick nicht verengen und nur<br />

auf das Bildungswesen schauen – unser Blick muss auf die gesellschaftliche Wirklichkeit<br />

und deren Veränderung gerichtet sein!<br />

28


<strong>Die</strong> Entwicklung der Einheitsschulidee war in der Arbeiterbewegung immer verbun-<br />

den mit dem Kampf für bessere Lebens- und Entwicklungsbedingungen vor allem<br />

der Arbeiterkinder und der Kinder aus anderen sozial benachteiligten Schichten<br />

der kapitalistischen Gesellschaft. Auch heute gilt, dass das längere gemeinsame<br />

Lernen allein nicht ausreicht, soziale Unterschiede aufzubrechen und allen Kindern<br />

annähernd gleiche Lebens- und Entwicklungsbedingungen zu gewährleisten. Der<br />

vor wenigen Tagen vorgestellte „Kinderreport 2007“ spricht von wachsender Kinderarmut.<br />

2,5 Millionen Kinder sind derzeit auf Sozialgeld angewiesen. Für ein<br />

reiches Land wie Deutschland kann das nicht anders als mit dem Wort „Skandal“<br />

bewertet werden.<br />

Armut bedeutet viel mehr als wenig Geld zu haben. Benachteiligte Kinder bleiben<br />

immer häufiger in isolierten Wohnvierteln unter sich, ohne gute Schulen, ohne gute<br />

Ausbildungsmöglichkeiten und ohne ausreichende soziale Unterstützung. Dazu<br />

zählen beileibe nicht nur Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund. Armut<br />

„produziert“ schlechte Bildungschancen wie umgekehrt fehlende Bildungsmöglichkeiten<br />

„Armutskarrieren“ programmieren. Das Ringen am annähernd gleiche<br />

Lebens-, Bildungs-, Entwicklungs- und Sozialisationsbedingungen für alle Kinder<br />

und die Sicherung spezieller Unterstützung und Förderung für benachteiligte junge<br />

Menschen ist ein Teil des Kampfes für die Gemeinschaftsschule und Sache aller<br />

progressiven Kräfte dieser Gesellschaft. Das gilt sowohl für die materiellen und finanziellen<br />

Voraussetzungen als auch für das gesamte gesellschaftliche „Klima“, für<br />

den sozialen Rahmen.<br />

<strong>Die</strong> Verwirklichung der Einheitsschulidee unter den heutigen Bedingungen kann<br />

und darf nicht auf die Pflichtschule beschränkt werden. Sie schließt ein die Schaffung<br />

und Sicherung von Voraussetzungen für eine frühkindliche Betreuung,<br />

Bildung und Erziehung aller Kinder durch pädagogisch wie medizinisch qualifizierte<br />

Pädagoginnen und schließt auch ein die Möglichkeit, dass alle Kinder ganztägig in<br />

Kindergärten unter Anleitung gut ausgebildeter Erzieherinnen und Erziehern in<br />

nicht zu großen Gruppen gemeinsam spielen, soziale Erfahrungen sammeln,<br />

spielend lernen und sich auf den Schulbesuch vorbereiten können.<br />

Längeres gemeinsames Lernen in der Gemeinschaftsschule bedarf der Ergänzung<br />

durch ein vielseitiges Angebot von außerunterrichtlichen und außerschulischen<br />

Lern- und Betätigungsmöglichkeiten, damit die jungen Menschen hier ihren speziellen<br />

Neigungen und Interessen nachgehen und sie ausprägen und so ihre Bildung<br />

erweitern und ergänzen und sich als Persönlichkeit entwickeln können.<br />

Dazu gehört auch, dass für die jüngeren Schülerinnen und Schüler in den Gemeinschaftsschulen<br />

Horte existieren, die für die Kinder außerhalb des Unterrichts<br />

Betätigungsmöglichkeiten und Unterstützung beim Lernen bieten.<br />

Aus dem Gesagten leitet sich ab, dass Gemeinschaftsschulen schrittweise zu Tagesschulen<br />

gestaltet werden müssen, denn in ihnen kann am besten das Zusammenspiel<br />

von Unterricht und außerunterrichtlicher Betätigung mit dem Ziel einer<br />

guten Bildung für alle Kinder und Jugendlichen und der Entwicklung ihrer Persönlichkeit<br />

gewährleistet werden. Das heißt: es geht dabei nicht um eine Verlängerung<br />

des Unterrichts über den ganzen Tag!<br />

29


<strong>Die</strong> Einheitsschulidee war weder in der Vergangenheit noch ist sie in dem aktuellen<br />

Konzept der Partei DIE LINKE für die Gemeinschaftsschule zu verwechseln mit<br />

Gleichmacherei. Allerdings sollten wir nicht vergessen, dass – solange es die Einheitsschulidee<br />

gibt, sie immer mit diesem Vorwurf konfrontiert war und auch<br />

wieder ist. <strong>Die</strong> Auseinandersetzung damit gehört zum alltäglichen Ringen um die<br />

Realisierung unseres Konzepts. <strong>Die</strong> Einheitsschulidee war von Anfang an – und ist<br />

es bis heute – auf die bestmögliche Bildung und Entwicklung eines jeden Kindes,<br />

auf die Entfaltung der Individualität eines jeden Kindes gerichtet. Darin ist eingeschlossen<br />

die besondere Fürsorge für solche Kinder, die Schwierigkeiten beim<br />

Lernen haben oder in ihrem Verhalten Probleme bereiten. In gleicher Weise ist eingeschlossen<br />

die besondere Aufmerksamkeit für Kinder, bei denen spezifische Begabungen<br />

sichtbar werden. Das alles hat allerdings Konsequenzen für die Arbeitsbedingungen<br />

der Pädagogen und für ihren Einsatz im Unterricht, für die Klassenfrequenzen<br />

und auch für die materiell-räumlichen Voraussetzungen in den<br />

Schulen.<br />

<strong>Die</strong> Einheitsschulidee beinhaltet ausdrücklich auch die Möglichkeit, sich über die<br />

Pflichtschule hinausgehende Bildung anzueignen und die Hochschulreife zu<br />

erwerben. Bei einer entsprechenden Gestaltung der pädagogischen Arbeit in der<br />

Gemeinschaftsschule und der Nutzung aller in ihr gegebenen Möglichkeiten der individuellen<br />

Förderung wird die Zahl der Schülerinnen und Schüler, die das Abitur<br />

anstreben und erfolgreich die Hochschulreife erwerben, zunehmend größer<br />

werden. Das erfordert entsprechende Differenzierungsmaßnahmen in den oberen<br />

Klassen der Pflichtschule bis hin zu Überlegungen, ob und zu welchem Zeitpunkt<br />

auch eine schulorganisatorische Differenzierung zweckmäßig ist. Vor allem aber<br />

gehört zu unserem Verständnis der Einheitsschulidee, dass es mehrere gleichberechtigte<br />

Wege zum Abitur geben muss, vor allem verschiedene Wege, in denen<br />

Vertiefung und Erweiterung der Allgemeinbildung mit verschiedenen Formen der<br />

beruflichen Ausbildung kombiniert werden. Überhaupt erscheint unabdingbar eine<br />

inhaltliche Reform der Abiturbildung und eine inhaltliche Profilierung der verschiedenen<br />

zur Hochschulreife führenden Bildungswege.<br />

<strong>Die</strong> Einheitsschulidee erfordert unter den heutigen Bedingungen, dass das<br />

Konzept des längeren gemeinsamen Lernens in der Gemeinschaftsschule Integration<br />

im umfassendsten Sinne - dafür steht der Terminus „Inklusion“ - vorsieht.<br />

Das erfordert die Integration von Kindern mit Behinderungen und ihre spezielle<br />

Förderung im schulischen Alltag und wendet sich mit Nachdruck gegen das „Abschieben“<br />

von Kindern in die sog. Förderschulen, womit ihr weiterer Bildungs- und<br />

Lebensweg weitgehend vorgezeichnet ist. Worum es uns gehen muss, das ist die<br />

Schaffung von solchen Bedingungen, die es den Kindern mit Behinderungen ermöglicht,<br />

sich in der Gemeinschaft mit anderen Kindern eine hohe Bildung anzueignen<br />

bzw. ihre Persönlichkeitsentwicklung zu sichern. Mit den Aktivitäten zur<br />

Entwicklung der Gemeinschaftsschule wird dafür ein Tor weit aufgestoßen, wobei<br />

wir uns, was das Tempo der Realisierung einer solchen Aufgabe anbetrifft, vor Illusionen<br />

hüten sollten, denn – wie wir alle wissen – die Schaffung der erforderlichen<br />

Bedingungen ist außerordentlich aufwendig. Aber gerade das muss uns zu größten<br />

Anstrengungen herausfordern. Es gilt aber auch: Dort, wo die erforderlichen Bedingungen<br />

nicht gegeben sind und trotz größter Anstrengungen kurzfristig nicht ge-<br />

30


schaffen werden können, muss im Interesse dieser Kinder von Fall zu Fall geprüft<br />

und entschieden werden, welche Art der Förderung für das betreffende Kind die<br />

beste Lösung ist.<br />

In diesem Zusammenhang sei nachdrücklich betont, dass Inklusion in besonderer<br />

Weise für die Kinder und Jugendlichen mit Migrationshintergrund wirksam gemacht<br />

werden muss. Kein Kind, kein Jugendlicher - auch wenn er/sie nur zeitweise in<br />

Deutschland lebt - darf von Bildung ausgeschlossen sein! „Gleiche Bildungsmöglichkeiten“:<br />

das gilt auch für diese Kinder, wobei die Gemeinschaftsschule der spezifischen<br />

Förderung und Unterstützung besondere Aufmerksamkeit widmen wird.<br />

<strong>Die</strong> Verwirklichung der Einheitsschulidee erfordert, die Gemeinschaftsschule inhaltlich<br />

und strukturell so zu gestalten, dass sich die jungen Menschen eine solide<br />

allgemeine und polytechnische Bildung und außerhalb des Unterrichts in vielfältigen<br />

Formen ergänzendes Wissen sowie erweiterte Kompetenzen entsprechend<br />

ihren Neigungen und Interessen aneignen können. Hierfür ist eine solide wissenschaftliche<br />

Arbeit bei aktiver Mitwirkung erfahrener Lehrerinnen und Lehrer für eine<br />

Erneuerung des Inhalts der schulischen Bildung, für ein neues Konzept von polytechnischer<br />

Allgemeinbildung gefragt. Ganz wichtig ist, dass die jungen Menschen<br />

die für das weitere Lernen und überhaupt das weitere Leben erforderlichen fachlichen<br />

und sozialen Kompetenzen erwerben können. Ohne eine neue Lernkultur,<br />

ohne ein neues Herangehen an die didaktisch-methodische Gestaltung der Lehr-<br />

und Lernprozesse, ohne ein produktives Miteinander von PädagogInnen und SchülerInnen<br />

wird das nicht erfolgreich zu bewältigen sein. Gerade auf diesem Gebiet<br />

gibt es vielfältige Erfahrungen in der Praxis, nicht zuletzt in der Praxis vieler Gesamtschulen,<br />

die für die Weiterentwicklung des Konzepts der Gemeinschaftsschulen<br />

aufgearbeitet und fruchtbar gemacht werden müssen. Es sei dabei ausdrücklich<br />

hervorgehoben, dass die innere Demokratisierung der Schulen, die aktive Beteiligung<br />

von Pädagogen und Schülern an der Gestaltung des Lernens und Lebens<br />

in der Schule und die Sicherung entsprechender Mitwirkungsrechte dafür von entscheidender<br />

Bedeutung sind.<br />

<strong>Die</strong> Vorstellungen, wie eine Einheitsschule inhaltlich und strukturell zu gestalten ist,<br />

haben sich in der Vergangenheit mehrfach verändert. Auch die Praxis der Verwirklichung<br />

der Einheitsschule in der DDR war nicht statisch, so wie auch das Ringen<br />

um die Gesamtschule in der Bundesrepublik unterschiedlichste Erfahrungen hervorbrachte..<br />

Ein Blick in andere Länder, z.B. in die nordischen Staaten, zeigt<br />

Lösungen, die für unsere weitere Arbeit außerordentlich anregend sind. Auch das<br />

auf der Grundlage des Schulkonzepts von 1997 mit den Bildungspolitischen Leitlinien<br />

vorgelegte Modell der Gemeinschaftsschule darf nicht als endgültig verstanden<br />

werden, sondern wird im Verlauf weiterer Diskussionen, wissenschaftlicher<br />

Untersuchungen und vor allem im Kampf um seine Verwirklichung, verändert, vervollkommnet<br />

werden.<br />

Es muss als ein „offenes Konzept“ gestaltet und verstanden werden. Das schließt<br />

ein, dass die Verwirklichung ein langfristiger und schwieriger Prozess sein wird,<br />

der durch unterschiedliche Wege und Teilschritte gekennzeichnet sein wird. Zum<br />

Beispiel wird es aus ganz praktischen Gründen der derzeitigen Schulstruktur und<br />

31


der vorhandenen Schulgebäude unterschiedliche Lösungen geben, wie die schulorganisatorische<br />

Trennung zwischen Grundschule und Sekundarstufe I überwunden<br />

werden kann, denn die Gemeinschaftsschule versteht sich als Einrichtung, „in<br />

der die in einem bestimmten Territorium, einem bestimmten Schulbezirk wohnenden<br />

Mädchen und Jungen von der 1. Klasse bis in der Regel zur 10.Klasse gemeinsam<br />

lernen, und auf die die Bildungseinrichtungen der Sekundarstufe II<br />

aufbauen“ - so wird sie in den Bildungspolitischen Leitlinien charakterisiert.<br />

Aus all diesen Gründen ist es deshalb so wichtig, praktische Versuche der Verwirklichung<br />

der Gemeinschaftsschule, wie sie z.B. in Berlin in Vorbereitung sind,<br />

gründlich zu verfolgen, was konkrete Vorschläge und ggf. auch Kritik einschließt.<br />

Auch Versuche, bei denen zunächst noch offen ist, ob sie in die richtige Richtung<br />

gehen, müssen beobachtet und analysiert werden, um positive Erfahrungen zu<br />

nutzen und ggf. Fehlentscheidungen zu vermeiden und dabei nicht zuletzt auch<br />

unsere Positionen zu festigen und sie in der gesellschaftlichen wie pädagogischen<br />

Öffentlichkeit bekannt, bekannter zu machen. Das schließt auch die prinzipielle<br />

Kritik und die konstruktive Auseinandersetzung mit den verschiedenen letzten<br />

Endes in eine Sackgasse führenden, aber das Schild „Gemeinschaftsschule“ vor<br />

sich hertragenden Modellen und Vorschlägen ein, die bekannterweise nicht selten<br />

mit dem Anspruch auftreten, das mehrgliedrige System überwinden zu wollen, in<br />

Wirklichkeit aber seiner Verfestigung dienen.<br />

XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX<br />

Das Vorgetragene zur Entwicklung der Einheitsschulidee und den aus ihr erwachsenen<br />

Konsequenzen für unser Konzept des längeren gemeinsamen Lernens in<br />

der Gemeinschaftsschule hat wohl deutlich gemacht, wie groß und kompliziert die<br />

Aufgaben sind, die vor unserer Partei DIE LINKE und insbesondere vor unserer Arbeitsgemeinschaft<br />

Bildungspolitik stehen. Der Entwurf unserer Abschlusserklärung<br />

steckt dafür den großen Rahmen ab.<br />

Einige Schlussfolgerungen für die Arbeit der Arbeitsgemeinschaft<br />

Bildungspolitik.<br />

1. <strong>Die</strong> Verwirklichung des Zieles, das längere gemeinsame Lernen in der Gemeinschaftsschule<br />

im ganzen Land, erfordert, dass wir uns als Bildungspolitiker und<br />

als Arbeitsgemeinschaft einbringen in das Ringen unserer Partei „für soziale,<br />

demokratische und friedensstiftende Reformen zur Überwindung des Kapitalismus“,<br />

„für eine Veränderung der gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse als Voraussetzung<br />

für einen Richtungswechsel“ – wie es in den Programmatischen<br />

Eckpunkten formuliert ist. Das schließt ein den Kampf gegen Armut, besonders<br />

gegen wachsende Kinderarmut und gegen die Privilegien der Reichen. Wir<br />

müssen unsererseits alles tun, dass das Ringen um die Gemeinschaftsschule<br />

alltägliches Anliegen der Gesamtpartei wird und immer bleibt!<br />

2. Erforderlich ist, unser Konzept des längeren gemeinsamen Lernens in der Gemeinschaftsschule<br />

weiter inhaltlich auszuarbeiten und zugleich verschiedene<br />

32


mögliche Wege zur praktischen Verwirklichung des Konzepts zu erkunden bzw.<br />

zu analysieren und entsprechende Vorschläge zu unterbreiten. Dazu müssen<br />

wir praktische Erfahrungen studieren und aufgreifen, darunter vor allem solche<br />

von Schulen, die schon seit Jahren Integration praktizieren, wie etwa die Gesamtschulen.<br />

Erforderlich ist auch, Irrwege und Fehler aufzuzeigen und uns mit<br />

allem auseinanderzusetzen, was auf eine Verfestigung des mehrgliedrigen<br />

Systems hinausläuft.<br />

3. Zum Ringen um die Verwirklichung unseres Zieles gehört auch das Engagement<br />

• für eine qualifizierte frühkindliche Betreuung, Bildung und Erziehung,<br />

• für die Schaffung von Schulhorten und deren qualifizierter pädagogischer<br />

Arbeit,<br />

• für die Entwicklung von Ganztagsschulen,<br />

• für die Schaffung einer Vielfalt von außerunterrichtlichen und außerschulischen<br />

Betätigungsmöglichkeiten für alle Kinder und Jugendlichen,<br />

• für die Schaffung und Sicherung von Bedingungen für die Inklusion von<br />

Kindern mit Behinderungen in die allgemeinbildende Schule und in die Berufsbildung,<br />

• für das Einhalten und die Sicherung des Wohnortprinzips für die Grundschulen<br />

und für die Pflichtschulzeit überhaupt,<br />

• für Ausbildungsplätze für alle Jugendlichen, die nicht ein Studium aufnehmen<br />

und für einen Arbeitsplatz für alle Absolventen der Berufsausbildung<br />

bzw. der Hochschulausbildung<br />

4. Generell kämpfen wir für einen „Stop!“ jeder weiteren Privatisierung im Bildungswesen,<br />

seien es zusätzlich geforderte Elternbeiträge für Lehrmittel und<br />

den Schulweg, Gebühren für das Hochschulstudium oder die sich immer weiter<br />

ausbreitenden kommerziellen Nachhilfeeinrichtungen. <strong>Die</strong> z.Zt. rasch wachsende<br />

Zahl von Privatschulen konterkariert die Entwicklung zur Gemeinschaftsschule.<br />

Auch daraus leitet sich die Notwendigkeit ab, für eine qualifizierte pädagogische<br />

Arbeit der öffentlichen Schulen um eine solide materielle, personelle<br />

und finanzielle Ausstattung zu kämpfen. Dazu gehört nicht zuletzt die Unterstützung<br />

der Kommunen, bestmögliche Bedingungen für die Entwicklung der<br />

Kinder und Jugendlichen, für deren Freizeitgestaltung und für die Arbeit der<br />

Schulen und Kindereinrichtungen zu schaffen<br />

5. Das längere gemeinsame Lernen in der Gemeinschaftsschule erfordert eine<br />

langfristig konzipierte Fort- und Weiterbildung und natürlich auch eine grundlegende<br />

Neugestaltung der Lehrer- und Erzieherausbildung, die für alle Gruppen<br />

von Pädagogen eine Universitäts- bzw. Hochschulausbildung sein muss. Gemeinsame<br />

Grundausbildung aller Lehrerstudenten und auf dieser Basis Differenzierung<br />

nach Schulstufen – das ist unser Programm. Praxisbezug und pädagogisch-psychologische<br />

Ausbildung incl. Diagnostik während des gesamten<br />

Studiums, Berufsbezogenheit von Anfang an, spezielle didaktisch-methodische<br />

Ausbildung incl. Praxisübungen, Vermittlung sozial-pädagogischer Kenntnisse<br />

- das alles sind Anforderungen, die in Verbindung mit der Aneignung fundierter<br />

fachwissenschaftlicher Kenntnisse gemeistert werden müssen. Nicht zuletzt<br />

wegen dieser notwendigen Breite und der von der späteren beruflichen Tätigkeit<br />

gestellten hohen qualitativen Anforderungen muss das Pädagogik-Studium<br />

mit dem „Master“ abschließen.<br />

33


Damit wir diese u.a. Aufgaben realisieren können, müssen wir in der nächsten<br />

Wochen und Monaten hart arbeiten! Das wird nur zu schaffen sein, wenn wir in<br />

unserer Arbeitsgemeinschaft möglichst viele aktive Mitstreiter haben, wenn wir auf<br />

demokratische Weise die nächsten Schritte abstecken und unsere Kraft darauf<br />

konzentrieren, und wenn es uns gelingt, das Zusammenwirken und den Erfahrungsaustausch<br />

zwischen Bundes – AG und Länder – AG zu organisieren.<br />

Meine Erfahrungen lehren mich, dass das nicht leicht sein wird - aber sie lehren<br />

mich auch, dass wir es schaffen können - wir müssen es nur wollen!!<br />

Benutzte Literatur<br />

XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX<br />

1. DIE LINKE „Programmatische Eckpunkte“ 2007<br />

2. Bildungspolitische Leitlinien der PDS („Zukunftswerkstatt Schule“, 2/2006)<br />

3. Parteivorstand DIE LINKE: „Längeres gemeinsames Lernen in der Gemeinschaftsschule“<br />

(2007)<br />

4. Parteivorstand DIE LINKE: „Gute Betreuungsangebote für alle Kinder – ein<br />

Beitrag zur frühkindlichen Förderung“ (2007)<br />

5. Günter Wilms: „Das Bildungswesen der DDR“ (Arbeitsgemeinschaft Bildungspolitik<br />

beim Parteivorstand der PDS, Berlin 2004)<br />

6. Das Bildungswesen in der Bundesrepublik Deutschland – ein Bericht des<br />

Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung, 2003<br />

7. Bildungspolitik in Deutschland 1945 – 1990 (Bundeszentrale für politische<br />

Bildung , 1992)<br />

8. „Eine Schule für alle“ – Beiträge von Ingrid Wenzler, Günter Wilms, Rolf Jüngermann,<br />

Wolfgang Jantzen und Peter Balnis („Marxistische Blätter“ 6/2006)<br />

9. Günter Wilms: „Historische Quellen der Einheitsschulidee und des Konzepts<br />

des längeren gemeinsamen Lernens in der Gemeinschaftsschule“ („Zukunftswerkstatt<br />

Schule“ 2/2007)<br />

10. Günter Wilms: „Länger gemeinsam lernen! Bildungspolitisches Konzept der<br />

Linkspartei.PDS seit langem, nicht erst seit PISA“ („Zukunftswerkstatt Schule“<br />

1/2007)<br />

11. „Mit der Gesamtschule zur einen Schule für alle Kinder!“ (Resolution der<br />

GGG, beschlossen am 18.11.2006 in der Gesamtschule Braunschweig –<br />

Querum)<br />

12. Werner Kienitz: „Europäische Trends und der Eigenweg der DDR im Problemkreis<br />

von Einheitlichkeit und Differenziertheit im Schulsystem der 60er<br />

bis 80er Jahre“ („Erziehung und Erziehungswissenschaft in der BRD und in<br />

der DDR, Deutscher Studienverlag Weinheim 1996)<br />

13. Valentin Merkelbach: „Wie lange noch eine Lehrerbildung für das „niedere“<br />

und das „höhere Schulwesen“?“ (Johann Wolfgang Goethe Universität Frankfurt<br />

am Main, Institut für Deutsche Sprache)<br />

34


DIE LINKE 1.Bildungspolitische Konferenz Hamburg<br />

23.-25.11.2007<br />

MEHR UND BESSERE BILDUNG FÜR ALLE<br />

Abschlusserklärung<br />

DIE LINKE fordert die Verwirklichung des Rechtes auf Bildung für alle. Sie ist<br />

Grundvoraussetzung dafür, dass sich Menschen solidarisch selbstbestimmt entwickeln<br />

und alle Formen von Ausbeutung und Unterdrückung Überwinden können.<br />

Bildung dient damit der Emanzipation des Menschen. Sie ist Voraussetzung für<br />

eine erfolgreiche Teilhabe aller an der Gestaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse,<br />

für eine Beendigung des Raubbaus an der Natur und für die Schaffung international<br />

friedlicher Verhältnisse. Bildung gehört in die öffentliche Hand und muss<br />

demokratisch gestaltet werden. Privatisierungstendenzen im Bildungsbereich sind<br />

entschieden entgegen zu wirken. Bildung ist keine Ware!<br />

Davon ausgehend setzt DIE LINKE aktuell folgende Schwerpunkte im Kampf für<br />

mehr und bessere Bildung:<br />

1. Mehr Geld für Bildung<br />

DIE LINKE fordert mehr Geld für Bildung. Ein besseres Bildungssystem lässt sich<br />

nicht erreichen, wenn Kitas, Schulen und Hochschulen weiterhin chronisch unterfinanziert<br />

und personell unzureichend ausgestattet bleiben. Durch eine grundlegende<br />

Umkehr in der herrschenden Steuer- und Finanzpolitik lassen sich für die Öffentlichen<br />

Kassen deutlich mehr Mittel mobilisieren, die unter anderem für das Bildungssystem<br />

bereitgestellt werden können.<br />

DIE LINKE fordert:<br />

� Festlegung der Bildungsausgaben auf mindestens 6 Prozent des<br />

Bruttoinlandsprodukts<br />

� Bildungsfinanzierung muss Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern<br />

sein<br />

� Verständigung unter den Ländern und mit dem Bund über<br />

Bildungsbeteiligungsquoten und Ausstattungsstandards in einem<br />

bundesweiten Bildungspakt<br />

� Gebührenfreiheit in Kindertagesstätten, Schulen, Hochschulen sowie in der<br />

Aus- und Weiterbildung<br />

2. Bessere Entwicklungsbedingungen für alle Kinder - gegen Kinderarmut<br />

DIE LINKE will ein gesundes Aufwachsen aller Kinder ohne Armutsrisiko. Wir<br />

setzen uns für eine kinderfreundliche Gesellschaft ein. Das Recht auf Bildung und<br />

die Kinderrechte gehören ins Grundgesetz.<br />

35


DIE LINKE fordert:<br />

� eine bedarfsdeckende Kindergrundsicherung<br />

� in einem ersten Schritt die Nichtanrechnung des Kindergeldes bei HARTZ<br />

IV<br />

� für jedes Kind ein gutes Essen in Kita und Schule, das die Eltern nicht<br />

bezahlen müssen und das eine gesunde Lebensweise fördert<br />

3. Bessere Bildung von Anfang an<br />

DIE LINKE sieht die frühkindliche Förderung als einen entscheidenden Beitrag für<br />

die allseitige und umfassende Entwicklung einer heranwachsenden Persönlichkeit.<br />

Frühkindliche Förderung ist die erste Stufe des Bildungssystems. Wir treten für<br />

eine frühzeitige und ganzheitliche Bildung aller Kinder ein.<br />

DIE LINKE fordert:<br />

� einen uneingeschränkten Rechtsanspruch auf einen öffentlichen,<br />

steuerfinanzierten, gebührenfreien KITA -Platz für alle Kinder vom ersten<br />

Lebensjahr an<br />

� Erhöhung der Qualität der Bildung und Betreuung in Kindergarten und<br />

Kindertagesstätte.<br />

� bessere personelle und sächliche Ausstattung der KITA<br />

� gezielte Förderung von Kindern mit Migrationshintergrund<br />

4. Längeres gemeinsames Lernen für alle<br />

DIE LINKE fordert den Wandel vom unsozialen mehrgliedrigen Schulsystem zu<br />

einem einheitlichen Schulsystem, bei dem jedes Kind individuell in seiner spezifischen<br />

Lernfähigkeit unterstützt wird. Wir setzen auf Integration und Inklusion statt<br />

auf Selektion. <strong>Die</strong> Konservativen skandieren: Eine Schule für den Einzelnen, keine<br />

Schule für alle! Wir dagegen sagen: Nur in einer Schule für alle können alle Individualitäten<br />

umfassend und dem Bedarf des Einzelnen entsprechend differenziert<br />

gefördert werden: Eine Schule für alle Kinder, eine Gemeinschaftsschule, ist das<br />

Beste für jedes einzelne Kind. Mehr Schülerinnen und Schüler als heute, sollen so<br />

die Hochschulreife erreichen können. Das ist zugleich eine Absage an alle<br />

Versuche ein zweigliedriges Schulwesen zu installieren.<br />

DIE LINKE fordert:<br />

36<br />

� längeres gemeinsames Lernen aller Kinder bis zum 9. oder<br />

10.Schuljahrgang in einer Gemeinschaftsschule, die als demokratische<br />

Ganztagsschule in öffentlicher Hand organisiert ist<br />

� mehr Qualität durch Sicherstellung einer guten allgemeinen und<br />

polytechnischen Bildung<br />

� Kleine Klassen und Lerngruppen


� Schaffung von Voraussetzungen für die Integration aller Kinder. Keine<br />

Abschiebung von Kindern mit Lernschwierigkeiten in besondere Schulen<br />

und Erweiterung der psychologischen und sozialpädagogischen Hilfen<br />

sowie das recht auf herkunftssprachlichen Unterricht.<br />

� Öffnung der Schule zum Sozialraum, unter anderem durch Kooperation mit<br />

Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit und der Stärkung der Zusammenarbeit<br />

von Elternhaus und Schule<br />

� Allgemeine Hochschulreife auf unterschiedlichen Wegen für mindestens 70<br />

% der Schüler eines Jahrganges<br />

5. Bessere berufliche Bildung für alle<br />

DIE LINKE will, dass allen Jugendlichen ein Recht auf Ausbildung garantiert wird.<br />

Kein Jugendlicher darf in Warteschleifen geparkt und auch nicht ohne oder lediglich<br />

mit einer Schmalspurausbildung abgespeist werden.<br />

DIE LINKE fordert:<br />

� Einführung einer gesetzlichen Ausbildungsumlage, um alle Unternehmen in<br />

Verantwortung für eine qualifizierte Ausbildung zu nehmen. Wer nicht<br />

ausbildet muss zahlen!<br />

� Ausweitung ausbildungsbegleitender Hilfen<br />

� Verbesserung des Berufsschulunterrichts und Zulassung vollzeitschulischer<br />

Ausbildungsgänge zur Kammerprüfung<br />

� Abschaffung der Einstiegsqualifizierungen und aller weiteren<br />

Warteschleifenangebote und Ausweitung vollqualifizierender<br />

Ausbildungsangebote<br />

� Verbesserte Übernahme nach der Ausbildung<br />

� ein öffentliches Sofortprogramm mit überbetrieblichen<br />

Ausbildungsangeboten, um dem Rückstau der letzten Jahre entgegen zu<br />

wirken.<br />

6. Offene, soziale und demokratische Hochschulen<br />

DIE LINKE möchte mehr jungen Menschen ein Studium ermöglichen und der<br />

sozialen Selektivität beim Hochschulzugang entgegenwirken. <strong>Die</strong> Studierendenquote<br />

soll auf mindestens 50 Prozent gesteigert werden. <strong>Die</strong> Qualität der Lehre<br />

und Forschung muss verbessert werden. Wir wollen, dass ein Studium und Wissenschaft<br />

auf die volle Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit gerichtet<br />

werden und sich am gesellschaftlichen Nutzen orientieren.<br />

DIE LINKE fordert:<br />

� Konsequente Gebührenfreiheit im Studium<br />

� Ausbau des BAföG zu einer elternunabhängigen, repressionsfreien<br />

Grundsicherung mit Vollzuschuss<br />

� Steigerung der Studienplatzkapazitäten; Schluss mit Auswahlverfahren und<br />

NC<br />

37


� Stärkung kritischer Wissenschaft und Forschung an den Hochschulen<br />

� Abschaffung von Hürden im Studienverlauf z.B. durch Begrenzung beim<br />

Masterzugang<br />

7. Öffentliche Weiterbildung für alle<br />

DIE LINKE setzt sich für das Recht auf allgemeine, berufliche, kulturelle und politische<br />

Weiterbildung ein. <strong>Die</strong> öffentliche Gestaltung der Weiterbildung muss ausgebaut<br />

sowie ausreichend und verlässlich finanziert werden, um die Weiterbildungsbeteiligung<br />

nachhaltig zu erhöhen, der verschärften sozialen Selektion in der Weiterbildung<br />

entgegenzuwirken, qualitativ hochwertige Angebote für alle zu gewährleisten<br />

und die oft untertariflichen und prekären Beschäftigungsbedingungen der<br />

Lehrkräfte zu verbessern.<br />

DIE LINKE fordert:<br />

� Sofortprogramme für ein verbessertes Angebot in Grundbildung, Zweitem<br />

Bildungsweg und Bildungsangeboten für MigrantInnen<br />

� Ein Weiterbildungsrahmengesetz auf Bundesebene<br />

� Verstärkte Anstrengungen von Ländern und Kommunen zur Sicherung der<br />

öffentlichen Weiterbildungseinrichtungen und des Grundangebotes,<br />

einschließlich der Garantie von Bildungsfreistellung – nicht nur zum Zwecke<br />

beruflicher Weiterbildung<br />

� Tarifvertragliche Regelungen zur Förderung der betrieblichen Fort- und<br />

Weiterbildung für alle lohnabhängig Beschäftigten<br />

� Aufbau einer qualifizierten Weiterbildungsberatung<br />

8. Qualifiziertere Ausbildung und bessere Beschäftigungsbedingungen für<br />

PädagogInnen<br />

DIE LINKE setzt sich für qualifiziertere Erstausbildung, Fort und Weiterbildung und<br />

bessere Arbeitsbedingungen von PädagogInnen und WissenschaftlerInnen ein.<br />

Das ist unerlässliche Voraussetzung für eine bessere Bildung und gesellschaftliche<br />

Anerkennung für ihre Arbeit.<br />

DIE LINKE fordert:<br />

38<br />

� schrittweise Durchsetzung einer Hochschulausbildung der ErzieherInnen<br />

� eine bundesweite einheitliche, gleichwertige, wissenschaftlich fundierte und<br />

praxisorientierte LehrerInnenausbildung aller Schulstufen<br />

� eine deutliche Ausweitung der Kapazitäten aller Lehramtsstudiengänge, um<br />

dem drohenden LehrerInnenmangel entgegenzuwirken<br />

� Intensivierung der Fort- und Weiterbildung von LehrerInnen<br />

� Tariflich abgesicherte Arbeitsbedingungen für Weiterbildnerinnen und<br />

Weiterbildner


Für eine grundlegende Bildungsreform!<br />

<strong>Die</strong> Partei DIE LINKE ist angetreten, um mit der Hegemonie des Neoliberalismus<br />

zu brechen, Spielräume für eine andere Politik zu öffnen und für eine grundlegend<br />

andere Gesellschaft zu kämpfen. Damit schafft sie auch Spielräume für eine<br />

grundlegende demokratische Bildungsreform, die sie und mit ihr Eltern, SchülerInnen<br />

und WissenschaftlerInnen sowie die Gewerkschaften schon seit langem<br />

fordern. Jetzt geraten konservative Bildungsvorstellungen ins Wanken. Mehr und<br />

mehr wird beispielsweise das gegliederte Schulsystem hinterfragt und quer durch<br />

alle Parteien mehr Geld für Kitas, Schulen und Hochschulen gefordert. <strong>Die</strong>s ist<br />

Anlass, gerade jetzt lautstark unsere Stimmen zu erheben und dabei die soziale<br />

Frage in den Vordergrund unserer Forderungen zu stellen. Notwendig sind offene<br />

Diskussionen und ein gemeinsamer Kampf in den Bildungseinrichtungen, auf der<br />

Straße und in den Parlamenten.<br />

Lasst uns die Zukunft der Bildungslandschaft gemeinsam gestalten und jetzt<br />

aktiv werden!<br />

39


Kleine Kinder brauchen Kitas<br />

Aufruf zum Start der Kita-Kampagne der LINKEN<br />

Kinder brauchen Kinder für ihre soziale Entwicklung. Sie brauchen Spielmöglichkeiten<br />

und vielfältige Anregungen um sich entfalten zu können. Deshalb fordern wir<br />

einen gesetzlichen Rechtsanspruch für jedes Kind auf einen Kita-Platz. Wir fordern<br />

einen flächendeckenden Ausbau öffentlicher Kita-Angebote mit gut ausgebildetem<br />

pädagogischem Personal. Kitas müssen gebührenfrei sein, damit nicht der Geldbeutel<br />

der Eltern entscheidet, wer sie besuchen kann.<br />

Unabhängig von ihrer sozialen Herkunft sollen Kinder gemeinsam spielend lernen<br />

können. <strong>Die</strong> Bildungsarbeit in Kindereinrichtungen vermittelt nicht in erster Linie<br />

kognitives Wissen, sondern ist auf die gesamte soziale, motorische, emotionale,<br />

allseitige Persönlichkeitsentwicklung gerichtet. Sie achtet dabei die Besonderheiten<br />

des Lernens in dieser frühen Phase der Kindheit. In der Gemeinschaft üben<br />

Kinder Solidarität und erfahren Anerkennung. Aus der Perspektive von Eltern ist<br />

ein Ausbau guter Kitas ein Beitrag zur besseren Vereinbarkeit von Familie und<br />

Beruf.<br />

<strong>Die</strong> Ausgangssituation ist von Bundesland zu Bundesland verschieden. Vor allem<br />

in Westdeutschland gibt es einen gravierenden Mangel an Angeboten für unter<br />

3jährige Kinder und einen Mangel an Ganztagsplätzen. Doch auch dort, wo das<br />

Angebot quantitativ ausreicht, ist noch vieles zu tun, um die Qualität zu verbessern.<br />

Deshalb ist es wichtig, dass auf Landes- und Ortsebene die konkrete Situation<br />

erfasst wird und dass konkrete Forderungen vor Ort formuliert werden.<br />

DIE LINKE hat darum auf ihrem Gründungsparteitag beschlossen, mit einer Kita-<br />

Kampagne zur konkreten Veränderungen vor Ort beizutragen. Wir wollen damit<br />

den ewigen Sprüchen der Politik der übrigen Parteien mit konkreten Alternativen<br />

begegnen. Der Plan der Bundesregierung bis 2013 einen Rechtsanspruch für<br />

2jährige einzuführen und insgesamt 750.000 neue Plätze in Kindereinrichtungen<br />

zu schaffen, ist halbherzig und unzureichend. Wir wollen für ein Umdenken in der<br />

Gesellschaft werben, indem wir sagen: Kleine Kinder brauchen Kitas. Dafür<br />

müssen die notwendigen finanziellen Mittel bereit gestellt werden.<br />

Dafür werben wir um Mitstreiterinnen und Mitstreiter in den Ländern, Kreisen,<br />

Städten und Gemeinden. Nur zusammen mit BündnispartnerInnen und Aktiven vor<br />

Ort werden wir etwas bewegen können. Deshalb rufen wir zur Mitarbeit auf. Wir<br />

wollen die parlamentarischen Möglichkeiten, die wir haben, auf allen Ebenen<br />

nutzen. Wir wissen aber, dass der außerparlamentarische Druck notwendig ist,<br />

damit unsere Ziele erreicht werden können.<br />

<strong>Die</strong> Landesverbände und Kreisverbände der LINKEN vor Ort sind Ansprechpartner,<br />

wenn es um das Wohl der Kinder geht.<br />

Hamburg, 25.11.2007<br />

40


Aus der Diskussion in Arbeitsgruppen:<br />

Bericht aus der Arbeitsgruppe 1: Bildungsreform im politischen Spannungsverhältnis<br />

der Parteien und Verbände.<br />

Referenten: Prof. Hans-Georg Hofmann, Dr. Gerhard Sielski (BAG Bildungspolitik<br />

beim Bundesparteivorstand <strong>Die</strong> <strong>Linke</strong>)<br />

Hans-Georg Hofmann hielt zur Thematik der Arbeitsgruppe ein Impulsreferat. Er<br />

setzte sich darin mit aktuellen Positionen von Parteien und Verbänden in der Bundesrepublik<br />

auseinander.<br />

Er hob hervor, dass die Bildungsdiskussion ein Schwerpunkt in allen Parteien darstellt.<br />

Dabei ist festzustellen:<br />

1. <strong>Die</strong> Diskussion um das Bildungswesen ist auf Grund der gesellschaftlichen Veränderungen<br />

in den Parteien in unterschiedlicher Weise in Bewegung.<br />

2. Konsens bei den neoliberalen Kräften besteht in der Absage der „Schule für<br />

alle“, wobei die CDU dabei den „Wertekonservatismus“ noch besonders betont<br />

Gemeinsam ist ihnen die Ausrichtung auf wirtschaftliche Interessen, die durch<br />

„Orientierungsbildung“ ergänzt werden soll.<br />

H.G. Hofmann hob als entscheidenden zu verdeutlichen Zusammenhang die<br />

Prämisse von Gesellschaft und Bildung, Erziehung, Schule hervor.<br />

Es müssten Bedingungen für eine humanistische Bildung und die Gestaltung der<br />

Schule zu einem Ort des Lebens und Lernens für alle Kinder auf der Basis von<br />

Gleichberechtigung geschaffen werden. Das erfordere auch eine gesunde Pädagogisierung<br />

des schulischen Alltags bei Teilhabe der Pädagogen und Schüler.<br />

Im Zusammenhang mit de sich verändernden gesellschaftlichen Bedingungen<br />

stellte der Referent die Frage zur Diskussion: „Wie verbinden wir die Bildung zur<br />

Brauchbarkeit mit Humanität?“ Es sollte immer um die allseitige, optimale Entwicklung<br />

und Förderung jedes einzelnen Schülers gehen.<br />

Gerhard Sielski erläuterte die von Ihm vorgelegte Synopse über die in den Programmen<br />

der Parteien ausgewiesenen Positionen zur Bildungspolitik. Dabei verdeutlichte<br />

er, dass die Parteien nicht umhin kommen, in ihren bildungspolitischen<br />

Aussagen auf gesellschaftliche Veränderungen zu reagieren. Das vorgelegte<br />

Material soll eine Hilfe sein, um die politische Auseinandersetzung insbesondere<br />

mit neoliberalen Positionen argumentativ und offensiv führen zu können. Von den<br />

Teilnehmern wurde dies sehr begrüßt.<br />

An der Diskussion beteiligten sich alle Teilnehmer der Arbeitsgruppe. Erfreulich<br />

war, dass sich nicht nur Bildungspolitiker zu Wort meldeten, sondern auch praktisch<br />

tätige Pädagogen und Schulleiter, die aktuelle Erfahrungen einbrachten und<br />

notwendige bildungspolitische Forderungen verdeutlichten.<br />

41


Dabei wurden folgende Problemkreise angesprochen:<br />

- <strong>Die</strong> Durchlässigkeit des Bildungswesens, einschließlich eines Wiedereinstiegs<br />

auf allen Stufen, muss durchgesetzt und gesichert werden.<br />

- <strong>Die</strong> Grundschule darf nicht vernachlässigt werden, sie muss einen höheren<br />

Stellenwert erhalten.<br />

- Der Zugang zum Gymnasium muss für alle Schüler möglich sein.<br />

- Längeres gemeinsames Lernen in einer Schule für alle, einer Gemeinschaftsschule,<br />

ist Ziel der LINKEN.<br />

- Der Aus- und Weiterbildung von Pädagogen für die Gemeinschaftsschule sollte<br />

erhöhtes Augenmerk geschenkt werden. Über die dabei herauszubildenden<br />

Kompetenzen sollten wir uns verständigen. Unverzichtbar sind sozial- und sonderpädagogische<br />

Kompetenzen, auch in Regelschulen.<br />

Horst Adam, Mitglied der BAG Bildungspolitik<br />

Arbeitsgruppe 1: Lebenslagen von Kindern – Risiko Armut<br />

Timm Kunstreich<br />

<strong>Die</strong> während der Arbeitsgruppendiskussion gesammelten Stichwörter habe ich in<br />

vier Unterpunkte gegliedert und in lesbare Sätze gebracht.<br />

1. Grundsätzliches<br />

Bezugspunkt jeder Diskussion über Lebenslagen von Kindern sollten die Kinderrechte<br />

sein. Da sind zum einen die ausformulierten Kinderrechtskonventionen, z.B.<br />

der UN. Aber auch die Definition von Gesundheit der WHO als körperliches, seelisches<br />

und geistiges Wohlbefinden kann man dazu rechnen. Eine andere Art von<br />

Rechten hat Janusz Korczak für Kinder gefordert:<br />

(1) Jedes Kind hat das Recht auf seinen eigenen Tod.<br />

(2) Jedes Kind hat das Recht auf den heutigen Tag.<br />

(3) Jedes Kind hat das Recht auf Anerkennung.<br />

Alle drei Rechte unterstreichen – ebenso wie die kodifizierten Rechte – dass<br />

Kinder nicht instrumentalisiert werden dürfen, weder für sozialpolitische Zwecke<br />

(Berufstätigkeit der Frauen) noch für demografische oder<br />

„volksgemeinschaftliche“ („Zukunft der Nation“).<br />

42


2. Kinder (und) Armut<br />

Kinderarmut resultiert aus ihren Abhängigkeit von den Erwachsenen (Eltern,<br />

Lehrer …). Armut ist deshalb genauso vererbbar wie Reichtum. Armut ist aber kein<br />

individuelles Problem, sondern ein, wenn nicht politisch gewollter so doch politisch<br />

instrumentalisierbarer gesellschaftlicher Tatbestand. (Bezeichnungen wie „sozial<br />

schwach“ sollten deshalb vermieden werden.) Da sich eine Armutsbekämpfungsrhetorik<br />

in den Programmen aller Parteien finden, muss sich die Programmatik und<br />

Praxis der <strong>Linke</strong>n davon deutlich unterscheiden. Das wird auf jeder Ebene anderes<br />

aussehen. Auch wenn die Regulation von Armut und Arbeit auf Bundesebene verhandelt<br />

wird, lassen sich jedoch in Kommunen und Ländern viele politische<br />

Themen mit dem Thema Armut von Kindern verbinden. So ist z. B. mit der Kinderrechtskonvention<br />

verbunden, dass die Bundesregierung alle vier Jahre über die<br />

Verwirklichung dieser Rechte berichtet. Hier könnte nachgehakt werden, inwieweit<br />

die Kinderrechtskonvention eine Querschnittsaufgabe in jedem kommunalen<br />

Gremium ist. Auf allen Ebenen sollte deutlich gemacht werden, wie und womit<br />

Armut und Ausgrenzung aus wichtigen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens<br />

zusammenhängen. Dazu gehört insbesondere auch die „Bildungsarmut“, die nachweislich<br />

durch ein schülerorientiertes Schulsystems effektiv bekämpft werden<br />

kann. Kampf gegen die herrschende Verarmungspolitik, die nicht nur die Würde<br />

des Einzelnen zerstört, sondern erreichte demokratische Standards in Frage stellt,<br />

sollte deshalb ebenfalls auf jeder Ebene in Angriff genommen werden.<br />

3. Konkrete Forderungen:<br />

- Eine Sprachförderung, die Mehrsprachigkeit als Kompetenz und Bereicherung<br />

erleben lässt, ist ein zentraler Ansatzpunkt sowohl in Schulen als auch in Kitas<br />

und anderen Einrichtungen der Kinder und Jugendhilfe.<br />

- <strong>Die</strong> Partizipation von Kindern und Jugendlichen sollte sich nicht in Spielwiesen<br />

von Jugendparlamenten erschöpfen, sondern reale Teilhabe, d. h. verantwortliche<br />

Vergabe z. B. von eigenen Budgetmitteln umfassen.<br />

- Kinderschutz und Prävention müssten immer aus der Perspektive der Bedürfnisse<br />

der Kinder entwickelt, gefestigt und verändert werden.<br />

- <strong>Die</strong> Weiterentwicklung von Kitas zu Stadtteilzentren und „Kinderhäusern im<br />

Stadtteil“ sollte mit neuen Formen der Versorgung, des Schutzes und der<br />

Teilhabe von Kindern verbunden werden.<br />

- Wenn es Kinderbeauftragte in Kommunen geben sollte, dann müssten diese<br />

aber mit klaren Kompetenzen ausgestattet sein.<br />

- Kommunale Beteiligung von Kindern und Jugendlichen sollten in Satzungen und<br />

entsprechenden kommunalen Fonds praktisch gemacht werden.<br />

- Jedes Kind sollte einen uneingeschränkten Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz<br />

haben.<br />

- „Ungleiches sollte ungleich behandelt werden“: So sollten z. B. soziale Brennpunkte<br />

gezielt gefördert werden.<br />

43


4. Kinderarmut und Bildung<br />

Wichtige Aspekte zu diesem Thema sind schon in anderen Punkten angesprochen<br />

worden. Besonders hervorgehoben werden soll unter diesem Punkt:<br />

- Wie können Lehrkräfte und andere Fachkräfte für demokratische Teilhabeprozesse<br />

in ihren Schulen und Einrichtungen sensibilisiert werden?<br />

- Welche Ursachen haben Arbeitsüberlastung und Arbeitsverdichtung bei Lehrkräften<br />

– und welche Konsequenzen haben sie?<br />

- Wie kann Zwei- oder Mehrsprachigkeit von Anfang an konsequent gefördert und<br />

weiterentwickelt werden?<br />

- Wie kann die zentrale Kita-Kampagne im gesamten Bildungsbereich populär<br />

gemacht werden, damit sie auf möglichst breite Unterstützung zählen kann?<br />

Bericht aus der Arbeitsgruppe 3:<br />

„Stadtteilschule? Gemeinschaftsschule? Gesamtschule? Einheitsschule?<br />

Wege dahin?“<br />

Rosi Hein<br />

Impulsbeiträge zum Beginn der Arbeitsgruppe wurden von Rosemarie Hein, Parteivorstand,<br />

Ingrid Wenzler, GGG und Karen Medow-Struss vom Hamburger Elternverein<br />

gehalten.<br />

Rosemarie Hein setzte sich zu Beginn mit der Begriffsbestimmung für institutionelle<br />

Formen längeren gemeinsamen Lernens auseinander und beschrieb die Anforderungen<br />

an Schulen mit längerem gemeinsamen Lernen im Unterschied zum gegliederten<br />

Schulsystem. Sie wies nach, warum Schulen des gegliederten Systems<br />

ungeeignet sind, bessere Bildungschancen für alle zu gewährleisten.<br />

Ingrid Wenzler legte Wert auf die jahrzehntelangen Anstrengungen von Gesamtschulen,<br />

mehr Chancengleichheit zu realisieren, und setzte sich mit Vorwürfen und<br />

den ständigen Versuchen der Diskreditierung der Arbeit der Gesamtschulen auseinander.<br />

Sie forderte, Gesamtschulen als einen richtigen Weg längeren gemeinsamen<br />

Lernens auch in Zukunft zu respektieren und wandte sich gegen die Vermeidung<br />

des Begriffs Gesamtschule in der aktuellen Debatte der LINKEN.<br />

Karen Medow-Struss berichtete von den laufenden Aktivitäten des Hamburger Elternvereins<br />

für Eine Schule für alle in Hamburg und den großen Zuspruch, den sie<br />

in dieser Arbeit von Eltern erhalten.<br />

In der Diskussion bestand Einigkeit, dass die Ziele der unterschiedlichen Akteure<br />

für Schulen mit längerem gemeinsamen Lernen im Wesentlichen übereinstimmen.<br />

Eine längere Debatte gab es über die Verwendung von Bezeichnungen für eine<br />

solche Schule. Dabei wurde einerseits angemahnt, dass es falsch sei, bereits existierende<br />

Projekte dadurch zu diskreditieren, indem man andere Bezeichnungen als<br />

Gesamtschule für die Konzepte sucht, andererseits wurde hervorgehoben, dass es<br />

44


darauf ankäme gesellschaftliche Akzeptanz für längeres gemeinsames Lernen zu<br />

finden. Insbesondere die Begriffe „Einheitsschule“ und „Gesamtschule“ würden<br />

aber bei großen Teilen der gesellschaftlichen Öffentlichkeit mit Vorurteilen verbunden,<br />

die im Auditorium zwar nicht geteilt wurden, die man aber doch zur Kenntnis<br />

nehmen müsse. Einig war man sich in der Ablehnung eines zweigliedrigen Schulsystems,<br />

das nur auf den Erhalt der gymnasialen Bildung an eigenen Schulformen<br />

gerichtet ist und darum ungeeignet die Bildungsmisere zu beenden.<br />

Am Schluss fand man folgende Übereinkunft zum Umgang mit Gesamtschulen:<br />

1. <strong>Die</strong> Gemeinschaftsschule ist für uns kein Kontrastprogramm zur Gesamtschule.<br />

2. Gesamtschulen haben dort, wo sie existieren, unsere volle Unterstützung.<br />

3. Wir machen uns stark für Gesamtschulen, wo sie anderen zweifelhaften Schulreformen<br />

wie dem Übergang zur Zweigliedrigkeit geopfert werden sollen oder<br />

wo es darum geht über gesetzliche Einschränkungen die Hürden für das Entstehen<br />

neuer Gesamtschulen zu erhöhen.<br />

4. Solange es kein Gemeinschaftsschulsystem gibt, unterstützen wir in den<br />

Ländern das Entstehen neuer Gesamtschulen.<br />

5. Für Gesamtschulen wie für Gemeinschaftsschulen ist es erforderlich, die KMK-<br />

Vorschriften zur äußeren Fachleistungsdifferenzierung als Anerkennungsvoraussetzung<br />

aufzuheben. Dazu muss politisch intensiver gestritten werden.<br />

Bericht aus der AG 5:<br />

„Förderschule oder Inklusion in der Gemeinschaftsschule?<br />

Alternative oder Zusammenspiel?“<br />

Referentin: Diana Skibbe (MdL) aus Thüringen, Moderation Manfred<br />

Auerswald (Hamburg)<br />

Es gab Kritik an der Formulierung des AG-Themas: Der Begriff „Inklusion“ umfasst<br />

mehr als die gemeinsame Beschulung „Behinderter“ und „Nichtbehinderter“. Um<br />

das zu verdeutlichen, wurde die entsprechende Passage aus dem bildungspolitischen<br />

Programm für Hamburg (Entwurf) zitiert: „Eine Schule für Alle ist eine inklusive<br />

Schule, weil sie nicht selektiert, sondern alle Menschen annimmt, auch die,<br />

die als soziale und kulturelle Minderheit bisher ins Abseits gestellt waren: Behinderte,<br />

Verarmte, Menschen mit Migrationshintergrund oder mit Entwicklungsproblemen.<br />

Sie fördert all diese Menschen in ihrer Entwicklung ebenso wie „Normal“ –<br />

oder „Hochbegabte“. Eine Schule für Alle richtet sich in ihren Inhalten und Strukturen<br />

nach den jungen Menschen und fordert nicht, wie im zergliederten Schulwesen<br />

üblich, dass die jungen Menschen sich in bestehenden Schulstrukturen einzurichten<br />

haben. Insofern ist sie eine inklusive Schule, weil sie einbezieht, nicht einpasst.<br />

In der sich anschließenden Diskussion wurde der Begabungsbegriff kritisiert, der<br />

eine Klassifizierung von Schülerinnen und Schülern intendiere. <strong>Die</strong> Kritik wurde ak-<br />

45


zeptiert und das Bildungsprogramm wird hier textlich überarbeitet. <strong>Die</strong> Definition<br />

des Begriffes „Inklusion“ wurde für gut geheißen, denn: Gemeinsame Beschulung<br />

Aller, versehen mit dem Begriff „Integration“ sagt nicht, wie diese „gemeinsame Beschulung“<br />

aussieht. Aus der Geschichte der Integration wissen wir, dass dieser<br />

Begriff häufig nur additiv verstanden wurde: Beschulung in der gleichen Schule -<br />

ja, auch vielleicht im gleichen Raum ,oder bei „Nebenfächern“ – nicht „zeugnisrelevant“<br />

.Es gibt nicht die unbedingte Aufforderung, die innere Schulreform zu<br />

denken einschließlich der curricularen Gegebenheiten (u. a.: Lernen am gemeinsamen<br />

Gegenstand).Integrative Beschulung kann nicht gelingen in einer Schule mit<br />

additivem Selbstverständnis, in einer Schule, in der verschiedene Erkenntnisformen<br />

in hierarchischem Verhältnis zueinander stehen, in einer Schule, in der es<br />

zwischen Theorie und Praxis ein Non- Verhältnis gibt, in der der Bildungsbegriff<br />

entweder auf berufliche Verwertbarkeit reduziert oder durch ( scheinbare) Abkoppelung<br />

von gesellschaftlicher Wirklichkeit und gesellschaftlichem Handeln überhöht<br />

wird. In einer solchen Schule wird Integration der Verschiedenen zur Schimäre und<br />

kann in der Praxis zu täglich grausam erlebter Isolation von jungen Menschen<br />

führen. Mit Einführung des Inklusionsbegriffes sind wir aufgefordert, die gemeinsame<br />

Beschulung Aller, und zwar nicht nur der Behinderten und Nichtbehinderten<br />

sondern wirklich Aller anders zu denken, strukturell und inhaltlich.<br />

Das vorweg: Alle in der Arbeitsgruppe standen zu der Forderung, die gemeinsame<br />

Beschulung von „Behinderten“ und „Nichtbehinderten“ zu verwirklichen , denn<br />

darum ging es in der Diskussion , weil Diana Skibbe u.a. das Schaubild der künftigen<br />

Struktur des thüringischen Bildungswesens vorstellte, wie DIE LINKE sie dort<br />

anstrebt. Und in diesem Schaubild aus Thüringen waren immer noch Förderschulen<br />

vorgesehen. In der Diskussion ging es im Wesentlichen um die Strategie der<br />

Durchsetzung der Forderung nach gemeinsamer Beschulung von „Behinderten“<br />

und „Nichtbehinderten“. Es ging um Elternbewusstsein und um das Bewusstsein<br />

der Lehrkräfte .Und es ging um die Kosten .<strong>Die</strong> Beibehaltung der Förderschulen<br />

wurde damit begründet , dass die Eltern und die Lehrerinnen und Lehrer „dort<br />

abgeholt werden müssten, wo sie sich befinden“. <strong>Die</strong>ser Position wurde heftig widersprochen.<br />

Aus Hamburg wurde berichtet, dass dort in der Geschichte der Integrationsbewegung<br />

die Regelschulbetreuung der FörderschülerInnen und SprachheilschülerInnen<br />

zu Beginn von einer kleinen aber lautstarken Gruppe von Gewerkschaftskolleginnen<br />

und –kollegen aus Schule und Hochschule gefordert wurde, es dann zu<br />

Einsichten bildungspolitisch Verantwortlicher kam und zu einer politischen Entscheidung<br />

, die verhältnismäßig konsequent umgesetzt wurde. Aus Hamburg<br />

wurde auch berichtet, wie mehrfach massiv und erfolgreich der Elternwiderstand<br />

war, als die Rechtsregierung unter Ole von Beust die Integration von Schülern mit<br />

dem Etikett der Lernbehinderung, der Sprachbehinderung und Verhaltensauffälligkeit<br />

immer wieder kassieren wollte und immer noch will –gerade läuft der vierte<br />

Angriff . Und die Eltern haben immer wieder gewonnen. Inzwischen sind nach<br />

einer Umfrage der Elternkammer Hamburg 85% der Grundschuleltern für die Integration<br />

von Förder – und SprachheilschülerInnen. Ein Nachdenken entlang des Inklusionsbegriffes<br />

führt weiter. Es ist nichts anderes als über eine innere Schulre-<br />

46


form aus Anlass der Forderung nach Verwirklichung „einer Schule für Alle“ nachzudenken.<br />

Und die Kosten? <strong>Die</strong> Einführung der Integration von Menschen mit speziellen Behinderungen<br />

wird Geld kosten .Das wollen wir akzeptieren – und zwar sehr<br />

gerne .<strong>Die</strong> Integration aller FörderschülerInnen und SprachheilschülerInnen wird<br />

kein zusätzliches Geld kosten.<br />

Manfred Auerswald, LAG Bildungspolitik beim LV Hamburg der LINKEN<br />

47


Inklusion – unser gesellschaftliches Problem<br />

Brigitte Schumann<br />

<strong>Die</strong> jüngste UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen<br />

verpflichtet auch Deutschland auf ein inklusives Schulsystem. <strong>Die</strong> Bildungspolitik<br />

ist aufgefordert, das System der Kategorisierung und Verteilung von Kindern auf<br />

hierarchisch gegliederte Schulformen und Sonderschulen zu beenden und die<br />

Rahmenbedingungen für gemeinsames Lernen mit individueller Förderung ohne<br />

Diskriminierung auf der Basis von Chancengleichheit zu schaffen. Genau dies<br />

forderte schon 1994 die UNESCO-Erklärung von Salamanca. Auch in der UN-Kinderrechtskonvention<br />

von 1989 ist der Grundgedanke einer Bildung enthalten, die<br />

von den Bedürfnissen des Kindes ausgeht und das Recht auf Gleichheit, Menschenwürde<br />

und Schutz vor Diskriminierung für alle Kinder einfordert.<br />

<strong>Die</strong> Bundesregierung hat sowohl die UN-Kinderrechtskonvention ratifiziert als auch<br />

die Salamanca-Erklärung mitgetragen. Auch die jüngste UN-Konvention ist von ihr<br />

schon unterschrieben, wenn auch noch nicht ratifiziert worden. Dennoch: Von<br />

einem politischen Umdenken sind wir weit entfernt.<br />

Wie sonst ist zu erklären, dass trotz der Kenntnis dieser Menschenrechtserklärungen<br />

Strukturveränderungen eingeleitet wurden oder geplant werden, die eine Verletzung<br />

des Menschenrechts auf Bildung vorsätzlich in Kauf nehmen? Offensichtlich<br />

scheint sich bundesweit ein bildungspolitischer Trend durchzusetzen, die strukturellen<br />

Defizite mit dem Modell der sog. Zweigliedrigkeit lösen zu wollen. Das<br />

falsche Etikett kann aber nicht verdecken, dass das Sonderschulsystem als drittes<br />

Glied erhalten bleibt und damit auch bei dieser „Lösung“ Kinder in den „Bildungskeller“<br />

der Sonderschulen abgeschoben werden dürfen.<br />

Allenthalben werden die Selektionsstrategien verschärft durch sog. Qualitätssicherung<br />

und Output-Kontrollen. Leistungsvergleiche in den Grundschulen haben nachweislich<br />

zur Erhöhung der Sonderschulüberweisungen geführt. Weder ist die<br />

Qualität des integrativen Gemeinsamen Unterrichts von Kindern mit und ohne Behinderungen<br />

in den letzten Jahren verbessert noch die Integrationsquote merklich<br />

ausgebaut worden, während die Schülerzahlen in den Sonderschulen deutlich angestiegen<br />

sind. Alle Bundesländer haben inzwischen ihr Sonderschulsystem zum<br />

Förderschulsystem umdeklariert und behaupten damit wider besseren Wissens,<br />

behinderten und sozial benachteiligten Kindern würden dort echte Zukunftschancen<br />

durch kompensatorische und rehabilitative Maßnahmen eröffnet.<br />

Dass eine Schule für alle ohne Ausgrenzungsstrategien und mit erfolgreichen Lernergebnissen<br />

pädagogisch machbar ist, beweisen nicht nur die erfolgreichen<br />

Systeme im Ausland. Auch in unserer Republik haben sich Schulen allein oder in<br />

Netzwerken den Auftrag gegeben, sich an den Kriterien einer inklusiven Schule zu<br />

messen. Vor allem in Grundschulen, Gesamtschulen und im Gemeinsamen Unterricht<br />

sind pädagogisch fundierte und wissenschaftlich ausgewertete Modelle entwi-<br />

48


ckelt und Erfahrungen gesammelt worden, die übertragbar wären, wenn die Politik<br />

dafür die richtigen Weichen stellte.<br />

Tatsächlich verweist die politische Verweigerung, aus den vielen guten Beispielen<br />

und den empirischen Vergleichsstudien wie IGLU und PISA die richtigen Schlüsse<br />

zu ziehen, auf gesellschaftliche Ursachen, die mit Teilen der heutigen Mittelschichten<br />

verbunden sind.<br />

Im selektiven Schulsystem haben sich dank der Bildungsexpansion – sprich:<br />

Öffnung der Gymnasien und Einrichtung von Gesamtschulen auch für Arbeiterkinder<br />

- neue akademisch geprägte Mittelschichten herausgebildet. Über ihren<br />

eigenen Aufstieg im Fahrstuhl der Bildungsexpansion haben manche Absolventen<br />

mit erfolgreicher gymnasialer Biografie diejenigen vergessen, die der Fahrstuhl<br />

nicht mitgenommen hat. Wie bildungssoziologische Studien nachweisen, neigen<br />

sie dazu, ihren Erfolg sich selbst und der eigenen Leistung zuzuschreiben. In der<br />

Logik ihres meritokratischen Denkens werden gesellschaftliche Probleme individualisiert<br />

und es gilt für sie im Umkehrschluss, dass die Bildungsverlierer ihren<br />

Misserfolg und ihre geringe Bildung selbst verschuldet haben. Für ihre eigenen<br />

Kinder wünschen sich diese „Aufsteiger“ das Abitur am Gymnasium, weil es Erfolg<br />

und eine soziale Trennung von den bildungsfernen Unterschichten sichert. <strong>Die</strong>ses<br />

Motiv verbindet sie mit Teilen der traditionellen Mittelschicht und des sog. Bildungsbürgertums.<br />

In dem Maße, wie auch in die Mittelschichten die Angst vor Prekarisierung<br />

eindringt, werden die Bildungsprivilegien, die das Gymnasium für sie<br />

garantiert, noch stärker verteidigt.<br />

Schon in den Grundschulen zeigt sich bei Eltern der Mittelschichten bewusstes<br />

soziales Segregationsverhalten in der Wahl der Grundschule. Selbst manchen<br />

Eltern, die die Integration ihres behinderten Kindes in die Regelschule fordern, ist<br />

das Gymnasium sakrosankt. Sie fordern zur Vermeidung der stigmatisierenden<br />

Sonderschule zwar ihr Wahlrecht auf den Gemeinsamen Unterricht, aber nicht die<br />

grundsätzliche Abschaffung der Sonderschulen und der Gymnasien in der Perspektive<br />

einer Schule für alle. Sieht man sich die Integrationskinder genauer an,<br />

stellt man fest, dass Kinder aus benachteiligten Familien und aus Migrantenfamilien<br />

auch im Gemeinsamen Unterricht unterrepräsentiert sind. Sie haben keine<br />

Lobby und ihre Eltern sind relativ hilflos gegenüber der Schulbürokratie.<br />

Das Schulsystem in einer Demokratie darf sich nicht hergeben für die Realisierung<br />

heimlicher Apartheid-Wünsche von Eltern. <strong>Die</strong> Bildungspolitik ist verpflichtet, bei<br />

der Frage, in welche Richtung unser Schulsystem verändert werden soll, das Menschenrecht<br />

auf Bildung grundsätzlich höher zu gewichten als den Anspruch von<br />

Eltern, die ihren Kindern das Abitur am Gymnasium vererben wollen. Dabei ist von<br />

Politikern, denen dieses Denken möglicherweise auch nicht fremd ist oder die auf<br />

Wählerstimmen schielen, zu verlangen, dass sie über ihren Schatten springen und<br />

das Ganze im Auge haben.<br />

Wenn das selektive Schulsystem die Bildungsarmut von Kindern der unteren<br />

sozialen Schichten verfestigt, ihnen und den behinderten Kindern Teilhaberechte<br />

verweigert, sie menschlich entwertet und zu den gesellschaftlich Überflüssigen<br />

49


macht, dann geht uns die Verletzung ihres Menschenrechts auf Bildung alle an.<br />

Wie können wir sonst glaubwürdig in Menschenrechtsfragen auftreten, wenn wir<br />

hierzu schweigen? Unser demokratisches Zusammenleben ist in Frage gestellt<br />

und die langfristigen gesellschaftlichen Schäden und Folgekosten von Desintegration<br />

und Exklusion müssen auch von allen getragen werden.<br />

Dr. Brigitte Schumann ist freie Journalistin<br />

ifenici@aol.com<br />

50


Für Chancengleichheit in der Bildung (Pressemitteilung)<br />

<strong>Die</strong> 1. Bildungspolitische Konferenz der LINKEN hat Zeichen für die bildungspolitische<br />

Debatte in Deutschland gesetzt. Mit einer profunden Kritik der Situation des<br />

Bildungssystems und der Auseinandersetzung mit den zunehmenden Privatisierungstendenzen<br />

rechnete DIE LINKE mit jahrzehntelangen Versäumnissen und aktuellen<br />

Versuchen, die Bildungslandschaft weiter marktkonform umzugestalten und<br />

betriebswirtschaftlichen Maßstäben unterzuordnen, gründlich ab.<br />

<strong>Die</strong> etwa 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren sich einig, dass es in<br />

Deutschland besserer Bildung für alle bedarf. Sie gehen davon aus, dass Bildung<br />

ein Menschenrecht ist und darum alle Bildungsangebote für alle zugänglich sein<br />

müssen. Bildung ist keine Ware. Das gegliederte Schulsystem in Deutschland und<br />

die fortschreitende Privatisierung im Bildungswesen führen dazu, dass immer mehr<br />

Menschen vom gleichberechtigten Zugang zu Bildung ausgeschlossen bleiben.<br />

<strong>Die</strong>sen Zustand will DIE LINKE verändern und sie fordert daher in ihrer Abschlusserklärung<br />

nicht nur mehr Geld für die Bildung von der KITA bis zur Weiterbildung,<br />

sondern auch entschiedene Maßnahmen gegen Kinderarmut und eine Gemeinschaftsschule,<br />

die alle Kinder individuell fördert und zum höchstmöglichen Bildungsabschluss<br />

führt. Kritik gab es an den Vorhaben einiger Länder, mit einem so<br />

genannten zweigliedrigen Schulsystem die Probleme wieder kaschieren zu wollen.<br />

Zweigliedrigkeit sei eine Mogelpackung, die in ihrer Konsequenz nicht zu mehr<br />

Chancengleichheit in der Bildung führen wird. <strong>Die</strong> Konferenz sprach sich gegen<br />

Studiengebühren aus und forderte einen beitragsfreien Zugang zu allen Bildungsangeboten.<br />

ReferentInnen aus Wissenschaft, Gewerkschaften und Verbänden machten<br />

deutlich, dass sie hohe Erwartungen an die neu gegründete Partei DIE LINKE<br />

haben. Es geht darum, in die gesellschaftliche Debatte um notwendige Reformen<br />

im Bildungssystem mit den eigenen inhaltlichen Vorstellungen einzugreifen. Nicht<br />

große Sprüche werden erwartet, wie sie in anderen Parteien derzeit geradezu inflationär<br />

verwendet werden, sondern die Entschlossenheit und die Fähigkeit zu<br />

konkreten Veränderungen. Auf der Konferenz wurde ein Aufruf verabschiedet,<br />

endlich in allen Bundesländern ein bedarfsgerechtes Netz an Kindereinrichtungen<br />

für Kinder vom ersten Lebensjahr an zu entwickeln. Dabei geht es darum, für alle<br />

Kinder einen Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz zu sichern. Bildung im<br />

frühen Kindesalter kann helfen, der sozialen Benachteiligung entgegenzuwirken<br />

und für alle Kinder gleiche Bildungschancen zu eröffnen. Darum wird die <strong>Linke</strong> im<br />

Rahmen einer Kampagne in den Ländern Kreisen und Kommunen konkrete Forderungen<br />

stellen und Vorschläge machen.<br />

Den Abschluss des ersten Konferenztages bildete die Neugründung einer Bundesarbeitsgemeinschaft<br />

Bildungspolitik, an der Mitglieder aus 14 Landesverbänden<br />

beteiligt sind.<br />

Mit der 1. Bildungspolitischen Konferenz hat DIE LINKE eine gute Grundlage um in<br />

den Ländern bildungspolitisch zu agieren und mit anderen Partnerinnen und<br />

Partnern gemeinsam für eine grundlegende Bildungsreform zu wirken.<br />

51


Zur schulpolitischen Situation in den Ländern<br />

_________________________________________________________<br />

<strong>Die</strong> Bildungspolitik der CDU – in Hamburg und anderswo<br />

Einheitsschule? – Wege dahin<br />

In Hamburg regiert die CDU seit 2001 und stellt in der Alleinregierung seit 2004 die<br />

Bildungssenatorin. Erst vor drei Tagen hat sie – wieder einmal – überrascht mit<br />

einer Kehrtwende um fast 180 Grad. Hatte sie die Stärkung der Hauptschulen<br />

zunächst auf ihre Fahnen geschrieben, so tritt sie nun für die Abschaffung der<br />

Hauptschulen ein. Hatte sie den Abschied von der ,,Kuschelpädagogik“ durch die Einführung<br />

verpflichtender Notenzeugnisse auch in der Grundschule neu ins Schulgesetz<br />

geschrieben, so schlägt sie nun die Möglichkeit vor, in Schulversuchen<br />

Notenzeugnisse bis zum Ende der 10. Klasse generell durch Kompetenzraster<br />

zu ersetzen.<br />

Wahrlich Kapriolen, die da geschlagen werden.<br />

Aber hier führen aus meiner Sicht nicht nur Kurzatmigkeit und unüberlegte Schnellschüsse<br />

die Hand – das auch, ganz gewiss – sondern hier tritt zutage, dass die<br />

CDU mit ihrer Bildungspolitik einige echte Probleme hat. Davon will ich im folgenden<br />

sprechen.<br />

<strong>Die</strong> Bildungsexpansion in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde u.a.<br />

durch den Sputnik-Schock ausgelöst, durch den deutlich wurde, dass Teile der<br />

westlichen Welt und insbesondere die Bundesrepublik Deutschland klare Rückstände<br />

im Bildungswesen aufwiesen.<br />

Es kam ein -von einigen historisch genanntes- Bündnis in der Bildungspolitik<br />

zustande zwischen denen, die die Wettbewerbsposition für die Bundesrepublik<br />

verbessern wollten und denen, die Reformen und den Ausbau des<br />

Bildungswesens aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit, wegen<br />

gleichberechtigter Teilhabe an Bildungschancen forderten.<br />

Es gab nicht nur eine Expansion des Bildungssektors, mit dem eine enorme Ausweitung<br />

z.B. der Abiturientenjahrgänge von unter 5% auf 30% verbunden war,<br />

sondern diese ging einher mit einer Expansion des Sozialstaats insgesamt, Gesundheit,<br />

Kultur, Versorgung im Alter sind hier nur einige Stichworte.<br />

<strong>Die</strong> schnell aufkommende krisenhaften Entwicklung in den 70er Jahren – ökonomisch<br />

gesprochen der Überakkumulationskrise – führte zu sprunghaftem Anstieg der<br />

Arbeitslosigkeit, dem massiven Rückgang der Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts<br />

und damit einer Krise öffentlicher Haushalte. Abbau sozialstaatlicher<br />

Regelungen und Einkommensverluste der Arbeitnehmerhaushalte waren<br />

die Folge.<br />

Mit dem Paradigmenwechsel seit Mitte der 1970er Jahre weg vom<br />

,,Wohlfahrtsstaat“ hin zu einem Wettbewerbsstaat, in dem sozialstaatliche Errungenschaften<br />

als Standortnachteil diffamiert, Arbeitnehmereinkommen nur als<br />

Kosten für Unternehmen und Staat gesehen werden und die Gewerkschaften als<br />

Hemmnisse einer modernen Entwicklung betrachtet werden, hat sich die Lage völlig<br />

52


verändert. Akkumulationsschwäche der kapitalistischen Unternehmen, das Übergewicht<br />

von Finanztransaktionen gegenüber produktiven Anlagen auf dem Weltmarkt,<br />

die shareholder-value Orientierung sind Stichworte in dieser Debatte. Fest<br />

steht, dass auch die öffentlichen Haushalte in eine Krise geraten sind oder getrieben<br />

wurden. Trotz Wirtschaftswachstums auch im letzten Jahrzehnt und<br />

drastischen Kürzungen in den Bereichen sozialer Sicherung, Bildung und Kultur<br />

sind die öffentlichen Kassen leer.<br />

Als Resultat für den Bildungsbereich ergibt sich, dass die Reformen auf halbem<br />

Weg stehen geblieben sind. Weder ist es gelungen, alle gesellschaftlichen<br />

Schichten gleichermaßen an den Errungenschaften zu beteiligen, noch kann die<br />

Expansion des Bildungsbereichs fortgesetzt werden – sie stagniert –ebenso wie<br />

der Gesundheitsbereich – auf dem Niveau der 70er Jahre und geht in vielen Bereichen<br />

sogar zurück.<br />

Nach wie vor leidet das Bildungswesen hierzulande unter:<br />

� Zu wenig Bildungsbeteiligung<br />

� Das Bildungswesen ist stark selektiv<br />

� Es ist unterausgestattet vor allem mit öffentlichen Mitteln<br />

Das sind außerordentlich schlechte Bedingungen für eine Qualitätsoffensive, die<br />

so dringend nötig ist.<br />

Im Übergang vom Fordismus, der u.a. durch Massenfertigung im produzierenden<br />

Gewerbe bestimmt war hin zu einer wissensbasierten Produktionsweise<br />

( Wissensgesellschaft, <strong>Die</strong>nstleistungsgesellschaft o.ä.) Ist eine<br />

Modernisierung des Bildungswesens dringend erforderlich:<br />

Alle Untersuchungen aus der Arbeitsmarkt - und Berufsforschung belegen, dass<br />

wir mehr und besser ausgebildetes Personal brauchen.<br />

Mehr Bildungsbeteiligung und höhere Abschlüsse sind aber nur zu haben durch<br />

Aufhebung der Selektivität, Zugang aller Schichten zu hoher Bildung öffnen<br />

und/oder mehr finanzielle Mittel für die Bildung.<br />

Im Klartext gesprochen: Ein Bildungssystem wie das deutsche, das gravierende<br />

Mängel vielfältiger Art aus der fordistischen Epoche mitschleppt und selbst dafür<br />

weitgehend dysfunktional war, geht mit erheblichen Belastungen und Bleigewichten<br />

beladen in eine neue gesellschaftliche Betriebsweise.<br />

Das Dilemma der Konservativen:<br />

Konservative Bildungspolitik steht heute vor zahlreichen Problemen, wenn es ihr<br />

gelingen soll, Qualitätsentwicklung und höhere Bildungsbeteiligung für den Wettbewerb<br />

im globalen Kapitalismus ausgehend von den vorgefundenen Rahmenbedingungen-<br />

und daten und zu generieren.<br />

1.<br />

Konservative müssen wie in anderen Politikfeldern auch den Widerspruch<br />

zwischen dem Eintreten für die Ziele der Modernisierung von Wirtschaft und Gesellschaft<br />

im Sinne des kapitalistischen Wettbewerbs und der Erhaltung und Bewahrung<br />

konservativer Wertvorstellungen in eine Bewegungsform bringen.<br />

53


2.<br />

Sie müssen zweitens die notwendige Öffnung von Bildungseinrichtungen für<br />

breitere Schichten der Bevölkerung, die aus rein wirtschaftlichen Gründen<br />

zwingend ist, verbinden mit der Privilegiensicherung ihrer Klientel im Wettbewerb<br />

um die besten Schul- und Hochschulabschlüsse.<br />

3.<br />

Und sie müssen drittens die Ausweitung des finanziellen Ressourceneinsatzes für<br />

eine Verbesserung der Bildung auf allen Ebenen in Einklang bringen mit ihrer öffentlichen<br />

Haushaltspolitik, die auf Abschmelzen der Staatsausgaben in allen Bereichen<br />

der öffentlichen Daseinsvorsorge, dem in diesen Bereichen „schlanken Staat“ gerichtet<br />

ist.<br />

An einigen Beispielen – hier u.a. auch aus der Bildungspolitik der alleinregierenden<br />

CDU in Hamburg – kann gezeigt werden, wie die Union mit diesen verschiedenen<br />

Widersprüchen umgeht:<br />

Unter der Überschrift: Bildungs- und Kulturnation Deutschland - Antworten auf die<br />

Wissensgesellschaft – behandelt der Grundsatzprogrammentwurf der CDU von<br />

2007 die Bildung.<br />

,,Durch ein freies, gerechtes und leistungsfähiges Bildungswesen werden wir jene<br />

Werte schaffen können, die Wohlstand nachhaltig sichern. Für moralische wie für<br />

ökonomische Werte ist Bildung von strategischer Bedeutung.“<br />

Dazu wollen siel ,,den Bildungsbegriff so erweitern, dass er den alten Idealen wie<br />

auch den neuen Notwendigkeiten gerecht wird.“<br />

Optimale Bildung sei die soziale Frage des 21. Jahrhunderts, ,,Wohlstand für alle<br />

durch Bildung für alle“ die Zukunftsaufgabe der Gesellschaft. ,,Mehr und bessere<br />

Bildung für alle“ soll erreicht werden – wobei ,,die eigentliche Schul- Bildungs- und<br />

Ausbildungsphase in der Jugend kürzer werden, früher beginnen und früher enden<br />

(muss), und das in einem ,,begabungsgerechten, differenzierten Schulwesen“.<br />

Damit das klar ist:<br />

,,Das gegliederte Schulsystem hat sich als erfolgreich erwiesen und vielfältig<br />

entwickelt.“<br />

Zu 1.<br />

,,<strong>Die</strong> Politik reagiert auf die virulente Gefahr der moralischen Verwahrlosung ganzer<br />

gesellschaftlicher Gruppen vorerst mit einer Integrationsdebatte und einem<br />

Appell zur ` Werteerziehung ` , für den sie den Beistand der Kirchen sucht. Bemerkenswerterweise<br />

rufen nach Werten nun die neuen Helden des CDU/CSU Bürgertums,<br />

das noch vor 25 Jahren – zum Beispiel in Gestalt von Ernst Albrecht und<br />

Franz –Josef Strauß – am energischsten für die Einführung des Privatfernsehens<br />

kämpfte, und das also maßgeblich verantwortlich war für die medialen Auswürfe an<br />

Dreck, die uns von dort aus (neben manch ambitionierter Spartenaktion) täglich<br />

anweht.“ – so Gustav Seibt in der Süddeutschen Zeitung vom 30.April 2006.<br />

Auch wenn man nicht alle diese Bewertungen teilt, das Dilemma der Konservativen<br />

zwischen der Bewahrung tradierter Werte und deren Auflösung durch Entfesselung<br />

der Marktkräfte ist deutlich beschrieben.<br />

54


Man könnte noch die Debatte um die Gewalt an deutschen Schulen – Erfurt ist<br />

hier das Stichwort, aber auch die Rütli- Schule – und die Liberalisierung von Waffenhandel<br />

und- Gesetzen durch die Unionsparteien anführen.<br />

Oder Ernst Albrechts Tochter – Frau von der Leyen – die in der Auseinandersetzung<br />

um die finanzielle Förderung von Kitabetreuung innerhalb ihrer<br />

eigenen Fraktion als Kulturrevolutionärin gilt. Nicht nur Bischoff Mixa hält die<br />

Kita- Betreuung für systemwidrige staatlich induzierte Zwangstrennung von Mutter<br />

und Kind, sondern es gibt inzwischen eine ernsthafte Debatte auch unter WissenschaftlerInnen,<br />

ob die Kindertagesstätten bleibende Schäden bei unseren Kleinsten hinterlassen –<br />

angeblich belegt durch Studien z. B. aus den USA.<br />

Auch die Einführung der Ganztagsschule ist ein solches Reizthema. Nicht so sehr<br />

im großstädtischen Hamburg, aber immer noch in vielen Teilen Deutschlands ist<br />

sie eine Bedrohung für die Familie. (nebenbei bemerkt: Das gilt dann offenbar<br />

weniger für die vollständige Öffnung der Ladenschlusszeiten durch die Länder).<br />

Für die Absicherung der flexiblen Beschäftigung von Männern und Frauen möglichst<br />

rund um die Uhr sind Ganztagskitaplätze (es gibt ja bereits Kitas, die einen 24<br />

Stunden- <strong>Die</strong>nst haben) und Ganztagsschulen unerlässlich –für die Aufrechterhaltung<br />

von traditionellem Familienleben und Kirchgang dagegen hinderlich. Aber –<br />

wie gesagt- traditionelles Familienleben und Kirchgang sind in einem Ballungsraum<br />

wie Hamburg ohnehin bereits nicht mehr so verbreitet, weshalb die CDU hier<br />

weniger Probleme hat.<br />

„<strong>Die</strong> CDU tritt dafür ein, dass christlicher Religionsunterricht in allen Ländern zum<br />

Kanon der Wahlpflichtfächer zählt.“ <strong>Die</strong>ser Satz aus dem Grundsatzprogrammentwurf<br />

gehört zu den Vorstellungen der Union über Werte und ihren begriff<br />

von Kulturnation. Bei allem Vorrang von Leistungsfähigkeit und flexiblem lebenslangen<br />

Lernen ist die Werteerziehung, sind Kopfnoten für die Sekundärtugenden<br />

wie Fleiß, Betragen und Ordnungsliebe elementare Bestandteile der konservativen<br />

Programmatik, um die mitunter verbissen gerungen wird.<br />

Zu 2.<br />

Das Problem:<br />

Um für den Arbeitsmarkt und den globalen Wettbewerb gerüstet zu sein, müssen<br />

mehr junge Menschen höhere Bildungsabschlüsse erreichen.<br />

In Deutschland werden mehr als in anderen Staaten Bildungschancen vererbt,<br />

wie der sog. Bildungstrichter anschaulich zeigt:<br />

55


<strong>Die</strong> selektierende Wirkung des Schulsystems, die dem zugrunde liegt, wird deutlich,<br />

wenn man den Zugang zu gymnasialer Bildung nach sozialer Herkunft beleuchtet:<br />

10<br />

0<br />

90<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

PISA 2003: Expansionsgrad des Gymnasiums<br />

und Gymnasialbeteiligung nach Sozialschicht (ESCS)<br />

in Prozent<br />

11<br />

28<br />

43<br />

Angesichts dieser Datenlage ist die Karikatur aus der Frankfurter Rundschau keineswegs<br />

übertrieben:<br />

75<br />

1. Quartil 2. Quartil 3. Quartil 4. Quartil insgesamt<br />

33<br />

57


<strong>Die</strong> Frage der Konservativen lautet also, wie schaffe ich eine Verbesserung der Bildungsqualität<br />

und höhere Abschlüsse für alle ohne die bisher von der Selektion profitierenden<br />

Schichten der Bevölkerung – und damit auch ein wichtiges Wählerklientel<br />

der Unionsparteien – zu verprellen?<br />

<strong>Die</strong> Antworten sind in den Bundesländern unterschiedlich.<br />

In Bayern und Baden-Württemberg ist die Welt aus konservativer Sicht noch in<br />

Ordnung, Hauptschulen haben noch 30-40% der Schülerschaft, Hauptschüler<br />

kriegen sogar noch Lehrstellen und die Hochschulen importieren Abiturienten aus<br />

anderen Bundesländern. Andere –wie Hessen, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen<br />

versuchen das marode gegliederte Schulwesen zu stärken. Wieder andere,<br />

wie Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern oder Schleswig-Holstein setzen auf Zweigliedrigkeit.<br />

Angetreten war die Hamburger CDU mit dem Ziel, die gegliederte Schulstruktur in<br />

Hamburg zu stärken. Dazu dienten Vorhaben wie die Stärkung der Hauptschulen,<br />

die Zurückführung der Haupt- und Realschulintegration, die Zerschlagung<br />

integrativer Regelklassen, die Verschlechterung der Ausstattung integrativer Gesamtschulen<br />

und die Verkürzung der Schulzeit an den Gymnasien. <strong>Die</strong>se Politik ist<br />

auf ganzer Linie gescheitert: <strong>Die</strong> Anmeldezahlen in den letzten Jahren belegen,<br />

dass die Gesamtschulen nach wie vor von Eltern gern gewählt werden, Haupt- und<br />

Realschulen weiter an Zulauf verlieren und immer mehr zu Restschulen werden.<br />

Es gibt eine massive Krise der Hauptschulen, die als Restschulen trotz großen Engagements<br />

der Lehrerinnen und Lehrer immer mehr zu einem Sammelbecken von<br />

Bildungsbenachteiligten und Migrantenkindern werden, die fast keine Chancen<br />

haben, in Ausbildung oder Arbeit zu kommen.<br />

Es gibt aber auch eine Krise der Gymnasien, an denen immer mehr<br />

SchülerInnen scheitern.<br />

Hamburg hat nach wie vor den höchsten Stand an Jugendlichen, die die Schule<br />

ohne Abschluss verlassen. <strong>Die</strong> jüngsten Leistungsuntersuchungen (KESS 7)<br />

belegen, dass die Lernerfolge auch gerade an den Gymnasien völlig unzureichend<br />

sind, ja sich in der Zeit der CDU-Regierung verschlechtert haben.<br />

<strong>Die</strong> Ergebnisse sind eine Bankrotterklärung für die Schulpolitik in dieser Stadt.<br />

Einmal mehr wird durch die Studie bestätigt, dass das gegliederte Schulwesen<br />

weder den selbst gesetzten, noch den Ansprüchen an ein Bildungswesen,<br />

Chancengleichheit und individuelle Förderung zu erreichen, entspricht.<br />

Ein besonders pfiffiges Modell aus Sicht der CDU ist in Hamburg entwickelt<br />

worden. Es soll der Tatsache Rechnung tragen, dass die Hauptschule hier Restschule<br />

für 10% der Schüler ist, dass wir einen Anteil von 12% haben, die die Schulen<br />

ohne jeden Abschluss verlassen, dass fast 30% der SchülerInnen in Hamburg zur<br />

sog. Risikogruppe zählen.<br />

Das anregungsarme Milieu in Stadtteilen und Schulformen, in denen sich diese<br />

Schülerinnen und Schüler konzentrieren, soll durch das Zwei- Säulen Modell<br />

begegnet werden:<br />

58


Hauptschule, Realschulen und Gesamtschulen werden zur Stadtteilschule, an der<br />

die ,,praktisch Begabten“ in 13 Jahren zur Hochschulreife kommen können, wenn<br />

sie nicht vorher mit dem Hauptschul- oder Realschulabschluss die Schule verlassen,<br />

während das Gymnasium für die ,,schnellen Lerner, die mehr wissenschaftsorientierten“<br />

in 12 Jahren zum Abitur führt.<br />

<strong>Die</strong> Gleichwertigkeit beider Säulen wird proklamiert, auch wenn die Abschulung<br />

nach der 6. Klasse durch die Entscheidung der Schule wohl nur vom Gymnasium<br />

in die Stadtteilschule stattfinden wird.<br />

<strong>Die</strong> soziale Spaltung der Stadt wird so nicht überwunden werden, wie Untersuchungen<br />

an Hamburger Grundschulen – hochgerechnet auf ein Zwei-Säulen-<br />

Modell deutlich machen:<br />

59


Auch in diesem Modell werden die Besserverdienenden auf dem Gymnasium sein,<br />

die übrigen auf der zweiten Säule- der Stadtteilschule.<br />

Der bildungspolitische Sprecher der CDU in der Hamburger Bürgerschaft, Robert<br />

Heinemann, hat das Modell – wohl ungewollt und inzwischen bereut - sehr schön auf<br />

den Punkt gebracht, indem er davon spricht, dass man „einen Mercedes mit Ausstattung<br />

und Motor von FIAT nicht mehr als Mercedes verkaufen“ kann. Das Gymnasium<br />

ist der Mercedes, alles übrige höchstens Mittelklasse.<br />

60


Unsere Volksinitiative für eine Schule für alle hat sich als Alternative zu diesem<br />

Modell gebildet, denn die Grundübel des gegliederten Schulwesens bleiben auch<br />

beim Zwei-Säulen-Modell erhalten:<br />

� <strong>Die</strong> Selektion der Kinder mit 9 oder 10 Jahren auf verschiedene Schulformen,<br />

die dann entscheidend für die weiteren Bildungschancen ist.<br />

� <strong>Die</strong> Trennung in Schulformen nach dem sozialen Status der Eltern und nicht<br />

nach Leistungsfähigkeit.<br />

(Im Übrigen bleiben die Sonder- und Förderschulen erhalten, es handelt sich also<br />

um ein Drei- Säulen-Modell)<br />

Schülerkammer, Lehrerkammer und Elternkammer in Hamburg setzen sich inzwischen<br />

für eine Schule für alle ein, ebenso wie GAL, <strong>Linke</strong> und große Teile der<br />

SPD, sowie DGB, IG Metall, ver.di und GEW, Wissenschaftler der Hamburger Universitäten,<br />

z.B. der Dekan der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät Prof. Schuck.<br />

61


M.E. darf dennoch nicht unterschätzt werden, dass dies für die CDU schwierige<br />

Schritte sind und sie vor große Konflikte mit einem Teil ihrer Klientel stellt.<br />

Neben der BUN DESGEMEINSCHAFT GEGLIEDERTES SCHULWESEN e. V.<br />

sind insbesondere der Verband deutscher Realschullehrer und der deutsche Lehrerverband<br />

mit seinem Vorkämpfer Josef Kraus an der Spitze die Lobbyisten des<br />

gegliederten Schulwesens. Es ist nicht schwer zu verstehen, dass die Klientel der<br />

Konservativen in ihrer Gesamtheit nur schwer davon zu überzeugen ist, dass nun<br />

doch das ,,beste Schulsystem der Welt“ auf den Prüfstand kommen soll. Auch<br />

wenn es eher mit Humor zu nehmen ist, dass die Vorkämpfer des Gymnasiums<br />

im Philologenverband fast die letzten sind, die für die Stärkung der Hauptschulen<br />

in ihrer bestehenden Form eintreten, wird die CDU insgesamt möglicherweise in<br />

schwere Probleme geraten. Der Realschullehrerverband spricht in Schleswig-<br />

Holstein von ,,Verrat an den Realschulen“, Josef Kraus vom ,,Virus der Selbstverleugnung<br />

und der schulpolitischen Prinzipienlosigkeit, (der) nun auch in der<br />

CDU ausgebrochen“ sei. Ohne Not, sprich ohne Koalitionspartner, mache sich die<br />

CDU in Hamburg zur ,,Speerspitze einer SPD-Bildungspolitik“.<br />

Zu 3.<br />

Deutschland (und auch Hamburg) investiert viel zu wenig öffentliche Mittel in die<br />

Bildung, und das schon seit Jahrzehnten. Sowohl im internationalen Vergleich<br />

also auch im Zeitverlauf bleibt der Anteil der öffentlichen Bildungsausgaben am<br />

BIP deutlich zurück. <strong>Die</strong> Krise der öffentlichen Haushalte hat eine neoliberale<br />

Politik begünstigt, den öffentlichen Sektor stark zurückzuschneiden. Sowohl im Gesundheitsbereich,<br />

als auch in den Bereichen sozialer Sicherung sowie im Bildungswesen<br />

ist dieser Trend zu beobachten, mit gravierenden Folgen für die in diesen<br />

Bereichen Beschäftigten und den Nutzern dieser sozialen<br />

<strong>Die</strong>nstleistungen.<br />

Es hat einen massiven Personalabbau in diesen Bereichen des öffentlichen<br />

<strong>Die</strong>nstes gegeben. <strong>Die</strong> Arbeitsbedingungen, die Bezahlung und die Arbeitszeiten<br />

sind massiv verschlechtert worden.<br />

Im Bildungsbereich hat dies zu deutlichen Qualitätseinbußen geführt –gerade zu<br />

einer Zeit, in der durch die internationale Vergleichsuntersuchungen wie PISA der<br />

Rückstand des deutschen Schulwesens gegenüber den vergleichbaren Ländern<br />

sowohl hinsichtlich der Kompetenzentwicklung bei den 15 Jährigen als auch vor<br />

allem hinsichtlich der sozialen Selektion offen zu Tage getreten ist. Mit immer<br />

weniger Personal und damit immer größeren Lerngruppen ist die dringend notwendige<br />

individuelle Förderung in der Schule – wie uns das andere Länder vormachen –<br />

nicht umsetzbar.<br />

Wie reagieren die Konservativen auf das Problem, mit geringeren Ressourcen<br />

höheren Output zu erreichen?<br />

1.<br />

Verlängerung der Arbeitszeiten und Verbilligung der Pädagoginnenarbeit. Das ist<br />

in den letzten Jahren überall geschehen, ist aber nur ein Weg, mit weniger Finanzmitteln<br />

auszukommen, nicht aber, die Qualität zu steigern.<br />

In Hamburg heißt das u.a.:<br />

62


� Mehrarbeit durch das Lehrerarbeitszeitmodell – viele Lehrkräfte unterrichten<br />

inzwischen mehr al 30 Unterrichtstunden wöchentlich, fast alle deutlich mehr<br />

als zuvor<br />

� Streichung von 160 Stellen in der Sprachförderung<br />

� Reduzierung des Personalbudgets an Kitas um 11%<br />

� Streichung von 1.700 Lehrerstellen in vier Jahren<br />

� Null-Runden im öffentlichen <strong>Die</strong>nst<br />

� Gehaltsabsenkungen durch neue Tarifverträge<br />

� Reduzierung bei GHR-Lehrern bei Einstellung von A13 auf A12.<br />

2.<br />

Kostenverlagerung aus Steuermitteln auf die Nutzer der Bildungseinrichtungen,<br />

sprich Gebührenerhebung bzw. -erhöhung für die Betroffenen. Der Hamburger<br />

Katalog der letzten 6 Jahre enthält zum Beispiel:<br />

� Einführung von Gebühren für den Vorschulbesuch<br />

� Erhebung von Büchergeld in Höhe von bis zu 100.00 € jährlich pro Kind<br />

� Streichung von Schülerfahrgeld für Bedürftige<br />

� Einführung von Studiengebühren<br />

� Erhebung zusätzlicher Gebühren für Mittagessen an Kitas<br />

3.<br />

Privatisierung und Teilprivatisierung von Bildungseinrichtungen, in Hamburg z.B.:<br />

� Schulgebäudeverwaltung in Hamburg - Süd durch public-private-partnership<br />

� Schulschwimmen aus der Schule an die Bäderland GmbH<br />

� Organisation der Bücherbeschaffung und -ausgabe durch Private<br />

� Gründung von Privatschulen und Boom von Nachhilfeunternehmen<br />

� Versuchte Auslagerung der beruflichen Schulen an die Handelskammer<br />

4.<br />

Selbstverantwortete Schule<br />

Unter dem Mantel der Stärkung von pädagogischer Selbstständigkeit für die<br />

Schulen wird versucht, Schulen wie Unternehmen zu führen. Ressourcenmanagement,<br />

Ziel-Leistungs-Vereinbarungen, (Pseudo)-Stärkung der Schulleiter<br />

als Unternehmensleiter, Steuerung der Schulen durch Leistungskennziffern,<br />

zentrale Vergleichsarbeiten – und Prüfungen sowie die Schulinspektion sind die<br />

Methoden.<br />

Das zu befürchtende Ergebnis ist Abbau von Mitbestimmung, Auseinanderdriften<br />

der Schulen im Wettbewerb untereinander, wobei die Schulen mit privilegierter Schülerzusammensetzung<br />

im Vorteil sind, sowie „teaching to the test“, wie es uns England als<br />

warnendes Beispiel vorgemacht hat.<br />

63


Politische Schlussfolgerungen für die <strong>Linke</strong><br />

Das Ziel, bessere Ergebnisse für mehr Schülerinnen und Schüler wird auf diesen<br />

Wegen nicht erreichbar sein. Vielmehr wird die soziale Spaltung der Gesellschaft<br />

auch im Bildungsbereich weiter zunehmen, was auch gravierende Folgen für die<br />

Stellung Deutschlands im internationalen Wettbewerb haben wird. Aus diesem<br />

Dilemma kommt konservative Bildungspolitik nicht heraus, sie wird weiterhin<br />

schwanken zwischen dem Wunsch, mehr besser Qualifizierte zu produzieren und<br />

die Bindekräfte der Gesellschaft auch materiell zu stärken und der Praxis, durch<br />

Appelle an konservative Tugenden oder schlichte Repression die sozialen Gegensätze<br />

beherrschen zu können.<br />

<strong>Die</strong>jenigen gesellschaftlichen Schichten, die vom Bildungssystem gegenwärtig<br />

noch profitieren, werden dies weiterhin können. Es wird eine Grundausstattung<br />

mit Schulbildung für alle geben und die Besserverdienenden werden sich auf dem<br />

Markt dazu kaufen, was sie für ihre Kinder benötigen.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Linke</strong> muss aus meiner Sicht die Widersprüche, die in der konservativen Bildungspolitik<br />

liegen, nicht nur die zwischen Anspruch und Wirklichkeit, sondern auch<br />

zwischen den unterschiedlichen Lagern bei den Unionsanhängern, zwischen Wertkonservatismus<br />

und neoliberaler Politik, zwischen Zukunftsorientierung und Reaktionärem<br />

nutzen – an jedem Ort und bei jedem Thema.<br />

Sie muss dabei vor allem immer wieder darauf hinweisen, dass die Konservativen<br />

keine tragfähigen Lösungen für ein Bildungswesen des 21. Jahrhunderts haben.<br />

Klaus Bullan ist Landesvorsitzender der GEW Hamburg.<br />

64


Volksinitiative Eine Schule für Alle<br />

<strong>Die</strong> Volksinitiative hat das Ziel einer umfassenden Schulreform, um die Bildungschancen<br />

aller Hamburger Kinder und Jugendlichen zu verbessern:<br />

Kern der Reform ist die Entwicklung zu einem inklusiven (integrierten) Schulsystem,<br />

an der sich alle Schulformen beteiligen. Wir wollen die Einführung einer<br />

Schule für alle:<br />

• Förderung statt Auslese<br />

• Gemeinsames Lernen ohne Ausgrenzung<br />

• Ausreichende personelle und sächliche Ausstattung der Schulen<br />

• Niemand soll ohne schulischen Abschluss bleiben<br />

• Alle Schülerinnen und Schülern sollen alle Schulabschlüsse erreichen<br />

• Mehr Schülerinnen und Schüler sollen bessere Schulabschlüsse erreichen<br />

Kampagnebüro:<br />

Rothenbaumchaussee 15, 20148 Hamburg, info@eineschule.de<br />

www.eineschule.de<br />

Vertrauenspersonen:<br />

Karen Medrow-Struß, Vorsitzende Elternverein Hamburg<br />

Simon Völker SchülerInnenkammer Hamburg<br />

Klaus Bullan Vorsitzender GEW Hamburg<br />

<strong>Die</strong> Volksinitiative strebt folgende Veränderung des Schulgesetzes an:<br />

„Gesetz zur Einführung der Gemeinschaftsschule“<br />

Ziel: Weiterentwicklung der Schulen zu einem inklusiven Schulsystem (§1, Nr.3)<br />

• Keine Trennung der SchülerInnen in der Sek I nach Hauptschul-, Realschul-<br />

und Gymnasialzweig, alle SchülerInnen gehen auf eine Gemeinschaftsschule<br />

bis Klass 10 (§1, Nr.6)<br />

• Grundschulen können einer Gemeinschaftsschule angegliedert oder eigenständig<br />

geführt werden (§1, Nr.5)<br />

• <strong>Die</strong> gymnasiale Oberstufe bleibt erhalten (§1,Nr.6)<br />

• Eltern entscheiden, welche Schule ihre Kinder in der Sekundarstufe I besuchen<br />

(§1, Nr.10)<br />

• Integrationsklassen und integrative Regelklassen werden als Regelangebote in<br />

der Primar- und Sekundarstufe I geführt (§1, Nr.4)<br />

• Bei SchülerInnen, die Förderbedarf in den Bereichen Hören, Sehen, geistige<br />

Entwicklung, körperliche und motorische Entwicklung haben, entscheiden die<br />

Eltern, ob sie in einer Integrationsklasse oder einer Speziellen Sonderschule<br />

unterrichtet werden (§1, Nr.7)<br />

• Kein Sitzenbleiben mehr; Klassenwiederholungen gibt es nur im Einvernehmen<br />

zwischen Eltern und schule (§1, Nr.12)<br />

• <strong>Die</strong> Schulkonferenz entscheidet, ob Berichts- oder Notenzeugnisse erteilt<br />

werden. (§1,Nr.11)<br />

• Start der Gemeinschaftsschule im Schuljahr 2012 (§2)<br />

Das Gesetz tritt nach erfolgreichem Volksentscheid zum 01.August 2010 in Kraft<br />

(§2)<br />

65


Null Chance auf Zukunft? Soziale Gerechtigkeit in der Bildung<br />

Bericht über die 1.Bildungspolitische Konferenz der Landesarbeitsgemeinschaft<br />

der LINKEN in Baden-Württemberg von Erhard Korn<br />

Zur ersten Bildungspolitischen Konferenz der <strong>Linke</strong>n in Baden-Württemberg hatte<br />

die Landesarbeitsgemeinschaft Bildungspolitik am 17.11. ins Stuttgarter Gewerkschaftshaus<br />

eingeladen. Über 60 Bildungsinteressierte waren der Einladung<br />

gefolgt. Herzlich begrüßt wurden Gerrit Große und Gerhard Sielski vom Sprecherteam<br />

der Bundesarbeitsgemeinschaft Bildungspolitik.<br />

Einleitend sprach das Mitglied der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag, Karin<br />

Binder. In ihrem Beitrag wies darauf hin, dass zwar von Ernährungsminister<br />

Seehofer Bewegungs- und Ernähungsprogramme aufgelegt würden, sich die tatsächliche<br />

Gesundheitslage aber durch Mangelernährung und mangelnde<br />

Bewegung bei Kindern und Jugendlichen immer mehr verschlechtere. <strong>Die</strong> <strong>Linke</strong><br />

müsse die neue Reformkraft werden, die gnadenloses Aussortieren in der Bildung<br />

und Resignation verhindere, die zu oft in Gewalt münde.<br />

Als Hauptreferent beklagte Prof. Dr. Christoph Butterwegge das hohe Niveau der<br />

Armut in Deutschland, von der etwa 2,8 Millionen Kinder betroffen seien. Man<br />

müsse sensibler werden für deren Wirkungen, für Stigmatisierung und Entsolidarisierung.<br />

Als Ursachen benannte er die Aushebelung der Normalarbeitsverhältnisse,<br />

die Auflösung der Normalfamilie sowie die Arbeitsmarktreformen der Agenda<br />

2010, die das Sozialstaatsprinzip untergraben und dem Lohndumping Tür und Tor<br />

geöffnet hätten.<br />

Bildung sei Teil der sozialen Frage, aber kein Königsweg zur Lösung – schon gar<br />

nicht bei monatlichen 1,57€, die Hartz-IV-Bezieher für Bildung bekämen.<br />

Schlagworte wie Generationengerechtigkeit seien angesichts der immer ungerechter<br />

werdenden Verteilung des Reichtums Kampfbegriffe. Butterwegge schlug<br />

dagegen vor, die Normalarbeitsverhältnisse zu stärker, z.B. durch den Mindestlohn<br />

und die Erhöhung der Vermögenssteuer.<br />

Wichtig im Bereich der Bildungspolitik sei die Ganztagesschule mit ihrer Doppelfunktion<br />

der Entlastung von (z.B. allein erziehenden) Eltern und der Verbesserung<br />

der Möglichkeiten zur Förderung von benachteiligten Kindern.<br />

<strong>Die</strong> Stuttgarter Stadträtin Ulrike Küster merkte dazu an, dass die Teilnahme an<br />

Kultur für benachteiligte Kinder wegen der Kosten oft nicht mehr möglich sei und<br />

diese auch in den Ganztageschulen oft ohne Mittagessen blieben.<br />

Man müsse dem Fatalismus Einhalt gebieten, so der Freiburger Kinderarzt Lothar<br />

Schuchmann. Er forderte ein zweites Kindergeld für Schule und Kultur sowie eine<br />

Anhebung der Kinder-Grundsicherung.<br />

In der Diskussion verwies Butterwegge auf die bis in die Hochschulen reichende<br />

Funktion von Armut: man murrt nicht mehr.<br />

Wenn in der Adventszeit für das Schulessen von Kindern gesammelt werden<br />

müsste, könne kaum vom Kinderland Baden-Württemberg die Rede sein, beklagte<br />

Erhard Korn von der GEW-Fachgruppe Hauptschulen. Zunehmend würde Armut in<br />

der Schule offenbar, gleichzeitig würden Eltern immer mehr mit Kosten belastet.<br />

66


So gebe es in Baden-Württemberg die größten Zuwachsraten bei Kinderarmut<br />

(+13%), in keinem anderen Land sei Schulerfolg so sehr vom Einkommen<br />

abhängig. <strong>Die</strong> Schulartenzuweisung nach Klasse 4 verstärke die Ungerechtigkeit,<br />

da arme Kinder sehr schlechte Chancen hätten, aufs Gymnasium zu kommen. In<br />

der Hauptschule würden zunehmend Arme und Migranten separiert, die pädagogische<br />

Arbeit an dieser Schule gleichzeitig durch fachfremden Unterricht, 1-€-Jober,<br />

Hausaufgaben-Hilfe durch Hausfrauen etc. entprofessionalisiert.<br />

Erhard Korn beklagte, dass durch das ständige Aussortieren von Kindern – vor<br />

allem durch die Grundschulempfehlungen in Klasse 4 – das unpädagogische<br />

Prinzip des Auslesens dominiere, das die erwünschte Kultur der solidarischen gegenseitigen<br />

Förderung unmöglich mache.<br />

Er setzte sich ein für wohnortnahe Gemeinschaftsschulen, in denen die Jugendlichen<br />

bis zur 10. Klasse gemeinsam lernen.<br />

Nach Alternativen zur Ausbildungskrise fragte Susanne Thomas von der IG<br />

Metall. Sie wehrte sich dagegen, benachteiligten Jugendlichen das Etikett „Problemschüler“<br />

anzuhängen und plädierte für eine lebensbegleitende Bildung, wobei<br />

besonders die Schwelle Schule – Ausbildung „angepasst“ werden müsse, um den<br />

Übergang zu erleichtern. Zudem forderte sie für eine Umlagefinanzierung und<br />

mehr Ausbildungskooperation.<br />

Nach der Zukunft des dualen Systems, den Möglichkeiten der Stufenausbildung<br />

und der Notwendigkeit einer stärkeren Beteiligung des Staates wurde in der Diskussion<br />

gefragt. Gleichzeitig betonten Diskutanten die Notwendigkeit, sich auch<br />

um die Inhalte und die Qualität von Berufsausbildung zu kümmern – schließlich<br />

gehe es auch darum, Menschen fähig zu machen, solidarisch und selbstbestimmt<br />

zu handeln.<br />

67


Klassenschule oder klasse Schule?<br />

Förderung sozialer Gerechtigkeit statt Auslese durch Bildung<br />

Erhard Korn<br />

1. Bildungsarmut steigt<br />

Während unsere Schulklassen in der Adventszeit traditionell Geld für hungernde<br />

Kinder in der Dritten Welt sammelten, stehen zunehmend Kinder vor deutschen<br />

Schulkantinen, ohne sich das Essen leisten zu können. Zum ersten Mal müssen in<br />

diesem Jahr Eltern und Schüler Geld für Mitschüler sammeln.<br />

Und die Regierung des „Kinderlands“ Baden-Württemberg?<br />

Als beispielhaftes Leuchtturmprojekt lobte die Sozialministerin Stolz im September<br />

die Mittagsverpflegung in Bönningheim(Lkrs. Ludwigsburg)- das Essen kostet in<br />

der Schulmensa mit 3,50€ das Dreifache des Verpflegungssatzes von 1,08€ für<br />

das Mittagessen für Hartz-IV-Kinder.<br />

(2,52 € pro Tag, , für 14-18 jährige 3,42 €; monatlich 208 € für alles, keine Sonderzahlungen).<br />

Das Forschungsinstitut für Kinderernährung sagt: Selbst bei Discounter –Einkauf<br />

sind 4,68€ für ein vollständiges Essen notwendig.<br />

In den Stuttgarter Jugendhäusern wird inzwischen gekocht, weil die Jugendlichen<br />

Hunger haben.<br />

Typisch für die Ankündigungspolitik des Ministerpräsidenten Oettinger ist es, dass<br />

die Staatssekretärin Gurr-Hirsch nun vorschlägt, Fördervereine und Kommunen<br />

sollten die Kosten für das Schulessen armer Kinder übernehmen, nachdem er<br />

zuvor versprochen hatte, das Land werde das regeln.<br />

Wenn wir gesundes Aufwachsen wollen, dürfen wir Kinder und Eltern nicht beschämen.<br />

Und sie schämen sich zum Schulleiter, zur Gemeinde zu gehen und zu<br />

sagen, sie haben kein Geld für das Essen. Dass die Gemeinden den Vorschlag zurückweisen,<br />

war absehbar – wir erleben wie bei der Schulsozialarbeit die übliche<br />

organisierte Verantwortungslosigkeit, bei der man sich gegenseitig die Aufgaben<br />

zuschiebt.<br />

In dieser Situation will und muss <strong>Die</strong> <strong>Linke</strong> soziale Gerechtigkeit wieder zum zentralen<br />

Thema der Bildungspolitik machen.<br />

Aber es greift u. E. zu kurz, wenn nur das Schulessen über Spenden und Fonds<br />

bezuschusst wird: der Skandal liegt vor allem darin, dass die Kinder arm sind, nicht<br />

daran, dass die Armut in der Schule offenbar wird. <strong>Die</strong> Regelsätze orientieren sich<br />

nicht am Bedarf der Kinder – das ist hier nur offenbar geworden.<br />

Vor einem Jahr war die Rede von 1,7 Millionen armen Kindern, heute kann man<br />

die Zahl von 2,6 Mio armen Jugendlichen lesen, die auf Hartz-IV-Niveau leben.<br />

Nach Angaben des Kinderschutzbunds auf Grundlage von BA-Zahlen sind 2,5 Mio<br />

von 15 Mio. Kindern arm - die Quote hat sich seit 2004 mehr als verdoppelt und<br />

nähert sich 20%.<br />

68


Wenn man böswillig wäre, könnte man sagen: die Kinderarmut entwickelt sich proportional<br />

zur Zahl der Milliardäre in Deutschland, die sich seit 2005 auf 2006 von<br />

55 auf 100 verdoppelt hat.<br />

<strong>Die</strong> größten Zuwachsraten gibt es in Baden-Württemberg (+13%) und Bayern, im<br />

relativ reichen Kreis Ludwigsburg haben wir eine Steigerungsrate von 18% - das<br />

sind 5.751 Jugendliche.<br />

Unsere Forderungen sind daher<br />

1. Grundrecht auf Bildung muss kostenlos sein<br />

2. Gemeinschaftsschule<br />

3. Recht auf Ausbildung<br />

2. Kosten<br />

Landesverfassung Art. 11:<br />

„Jeder Mensch hat ohne Rücksicht auf Herkunft oder wirtschaftliche Lage<br />

das Recht auf eine seiner Begabung entsprechende Erziehung und Ausbildung.<br />

Das öffentliche Schulwesen ist nach diesem Grundsatz zu gestalten.<br />

Staat, Gemeinden und Gemeindeverbünde haben die erforderlichen Mittel, insbesondere<br />

auch Erziehungshilfe, bereitzustellen.“<br />

Art. 14:<br />

„Unterricht und Lernmittel an öffentlichen Schulen sind unentgeltlich.“<br />

Schulgesetz § 92:<br />

„Der Unterricht an öffentlichen (Schulen) ist unentgeltlich.“<br />

Mit Sorge sehen wir, dass entgegen den Leitgedanken der Landesverfassung die<br />

soziale Ungleichheit im Bildungswesen wächst. In keinem Land, in keinem Bundesland<br />

ist Schulerfolg so vom Einkommen der Eltern abhängig wie bei uns.<br />

Trotz der Regelung der Landesverfassung, dass Bildung kostenlos sein muss,<br />

werden gegenwärtig immer mehr Kosten auf die Eltern abgeladen. Vor dem Verwaltungsgericht<br />

sind die Kommunen 2001 schon gescheitert mit dem vom Kultusministerium<br />

unterstützten Versuch, die Bagatellgrenze bei Lernmitteln von ca. 1 €<br />

aufzuheben. Trotzdem nehmen die Kosten zu – von der Erstausrüstung beim<br />

Schulanfang bis zu illegalen Kopieranteilen.<br />

Schon im Kindergartenbereich sehen sich Eltern gezwungen, Förderung selbst zu<br />

organisieren und selbst zu bezahlen. <strong>Die</strong> Kindergartengebühren werden auf Empfehlung<br />

des Gemeindetags flächendeckend erhöht, um so den Druck zu erhöhen –<br />

aber eben auf Kosten der Eltern. Zusätzlich werden Sozialklauseln gestrichen.<br />

Im Grundschulbereich sind die Landkreise über ihre ASD (Jugendämter) dazu<br />

übergegangen, bezahlte Fördermaßnahmen wie LRS einzuschränken. <strong>Die</strong> Verwaltungsreform<br />

hat sich so ausgewirkt, dass die Schulverwaltung diese Praxis flankieren<br />

musste, statt sich für die Kinder und Eltern einsetzen zu können. Flankieren<br />

heißt: den Schulen eine Einzelförderung abzuverlangen, die diese weder inhaltlich<br />

noch in den Ressourcen leisten können.<br />

69


<strong>Die</strong> Eltern werden so gezwungen, Privatinstitute in Anspruch zu nehmen – und wer<br />

das nicht bezahlen kann, bleibt auf der Strecke.<br />

Allein schon die verlässliche Grundschule, deren Sicherstellung Landesaufgabe<br />

wäre, verursacht für Eltern monatliche Kosten bis zu 100€ pro Kind, inzwischen<br />

wurden auch hier meist noch die Sozialklauseln abgeschafft.<br />

Und zynisch wirkt auf die Betroffenen, dass die Argen Bescheinigungen der<br />

Schulen verlangen, dass alle Schüler an Schullandheimen teilnehmen. Sie verweigern<br />

dann bei Hartz-IV-Beziehern die Kostenübernahme, wenn andere Schüler<br />

etwa aus Geldmangel nicht an solchen Veranstaltungen teilnehmen.<br />

Dass die Bildungsbenachteiligung von Kindern schon zu einer Inspektion der UN-<br />

Menschenrechtskommission geführt hat, scheint im Musterländle niemanden zu<br />

stören. Offenbar hat man immer noch Probleme, die sozialen Menschenrechte<br />

überhaupt anzuerkennen.<br />

3. Kinderarmut und Schule<br />

Den „unerträglich straffen“ Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Schulerfolg<br />

(Klemm) hat PISA 2003 erneut unterstrichen. Er gilt sowohl für die erreichen<br />

Leistungen als auch für den Zugang zu den weiterführenden Schulen. Gemeinsam<br />

mit NRW gehört Baden-Württemberg zu den Ländern, in denen Kinder „bildungsferner<br />

Schichten beim Kompetenzerwerb besonders schlecht<br />

abschneiden“ (Klemm 19).<br />

Benachteiligungen sind schon früh absehbar, es gibt interessante Modellprojekte –<br />

doch tatsächlich wird nur ein winziger Bruchteil der Kinder von ihnen erreicht –<br />

beim Konzept schulreifes Kind gerade 50 Kommunen. Der Eindruck: es wird Ankündigungspolitik<br />

betrieben, es geht dabei nur um schöne Presseberichte.<br />

Bei fast jedem dritten armen Kind kommt es zu einer Klassenwiederholung<br />

während der Grundschulzeit, bei den Nicht-Armen sind es nur 8,4%.<br />

<strong>Die</strong> dauerhaft Armen sind mit 37,5% und die Kinder aus armen Ein-Eltern-Familien<br />

mit 48,5% besonders betroffen. Dagegen bewegt sich die Wiederholungsrate bei<br />

Kindern aus den anderen Familien mit einem Elternteil nicht signifikant über der<br />

Quote der nie armen (8,5%).<br />

Obwohl es „keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass arme Kinder ‚dümmer’<br />

sind“ (AWO 83), hat die IGLU- Studie gezeigt, dass sich die Unterschiede<br />

zwischen Unterschicht und Oberschicht im Lauf der Grundschulzeit auf ca. ein<br />

Schuljahr summiert (Klemm 2007).<br />

Bis zur 8. Klasse hat sich, so die PISA-Studie, diese Kluft auf 2 Jahre erweitert.<br />

Es muss dann nicht mehr wundern, dass auch die Noten armer Kinder durchgehend<br />

schlechter sind, am deutlichsten in Mathematik (3,1 vs. 2,3). PISA 2003<br />

warnt davor, dass sich die Abstände in diesem Bereich von 2001 bis 2003 noch<br />

70


vergrößert haben (PISA 31). Am Ende der Grundschule sind die armen Kinder<br />

schon fast eine Note schlechter als ihre Alterskameraden. Sie liegen mit Deutsch<br />

2,9 und Mathe 3,1 genau auf dem Niveau, unterhalb dessen Kinder bei uns in<br />

Baden-Württemberg die Hauptschule besuchen müssen. 90% der Kinder aus<br />

armen Familien schaffen daher maximal die Realschule.<br />

Doch auch „bei gleich gutem Bildungsniveau von nicht-armer und armer Mutter“<br />

sind „die Chancen der nicht-armen Kinder, auf ein Gymnasium zu kommen, mehr<br />

als viermal höher“ (AWO 86).<br />

<strong>Die</strong> dritte Verstärkung der Ungleichheit erfolgt durch die Schulartenzuweisung.<br />

Selbst bei gleicher Schicht und gleichen Grundfähigkeiten liegt nämlich die<br />

Leistung von Gymnasiasten ein halbes Jahr über Hauptschülern. Umgekehrt formuliert:<br />

Hauptschüler werden durch die Probleme an dieser Schulart und durch zu<br />

wenig Anregung weiter benachteiligt.<br />

Bei der Frage nach den Ursachen zeigt sich, dass 70 % der Eltern armer Kinder<br />

nur über einen schlechten Bildungsabschluss verfügen – und dazu zählen die Bildungsforscher<br />

auch die Hauptschule.<br />

Zunehmende Konkurrenz um Ausbildungsplätze führt auf dem Lehrstellenmarkt zu<br />

einer Verdrängung von Jugendlichen mit Hauptschulabschluss und zu einem tendenziellen<br />

Ausschluss von Jugendlichen ohne Abschluss.(DJI 2000)<br />

Damit setzt sich Bildungsungleichheit wieder fort in soziale Ungleichheit: „Je höher<br />

der Bildungsgrad, umso höher die Chance, in Ausbildung zu sein“ (OECD).<br />

Man könnte fortsetzen: umso höher die Lebensdauer, umso geringer die Krankheitsanfälligkeit,<br />

das Einkommen etc.<br />

Besonders betroffen sind die Jugendlichen ausländischer Herkunft, deren Ausbildungschancen<br />

sich seit 1985 (25%) auf 34% in 1994 verbessert hatte (BIBB): „Ihre<br />

Ausbildungsquote sank von 34% 1994 auf 25% in 2004.“<br />

Damit wird deutlich. Wir haben einen sich verstärkenden Kreislauf von Armut<br />

zu Bildungsarmut zu Armut zu tun, einer Abwärtsspirale.<br />

4. Segregation in der Hauptschule verstärkt die Probleme<br />

Während der Anteil von Hauptschülern aus deutschen Familien auf 22 %<br />

(Deutschland 20%) gesunken ist, besuchen 60 % der ausländischen Schüler in<br />

Baden-Württemberg die Hauptschule (Deutschland 45%). Seit 20 Jahren gibt es<br />

hier keinen Fortschritt (Stutzer 2005). Nur 4,6% erreichten das Abitur.<br />

<strong>Die</strong> zunehmende Konzentration von Ausländer- und Problemkindern in der Hauptschule<br />

ist aber nicht nur Indikator für Benachteiligung, sie kann selbst Benachteiligung<br />

verstärken, so die neue OECD-Bildungsdirektorin Barbara Ischinger.<br />

In keinem anderen Land „ist der Kompetenzunterschied zwischen Jugendlichen<br />

ohne Migrationshintergrund und solchen, die in Deutschland geboren sind, größer,<br />

und nirgendwo anders sind die Leistungen der hier Geborenen schlechter als die<br />

71


der Zugewanderten (OECD 2006). Sie liegen in den Kompetenzen ca. zwei bis drei<br />

Schuljahre zurück.<br />

So kumulieren Probleme zu extremen Benachteiligungen. Unter allen Flächenstaaten<br />

des alten Bundesgebiets liegt in Baden-Württemberg der Anteil ausländischer<br />

Entlassener ohne Abschluss mit 31% am höchsten (Hinz/Zerger/Groß, 39).<br />

Während 23.750 Deutsche die Hochschulreife erwarben, waren es (ohne Berufliche<br />

Gymnasien) nur 690 Ausländer – dafür verließen 2.600 die Schule ohne Abschluss<br />

(Statistisches Landesamt 18.8.2005).<br />

- Hauptschule droht zur Schule der Verlierer und Migranten zu werden, in BW konzentrieren<br />

sich die Risikogruppen auf die HS<br />

- Hauptschüler fühlen sich auch als Verlierer<br />

5. Ist die Hauptschule zu retten?<br />

Zunächst scheinen Ganztagesschulen ein vernünftiger Weg, um Ungleichheiten<br />

entgegenzuwirken.<br />

Allerdings wird in BW auf eine Billigvariante gesetzt, die in Verbindung mit der<br />

Isolierung auf die Brennpunktschule (nur dort werden gebundene Ganztageschulen<br />

genehmigt) die Problemschüler zwar von der Straße holt, aber viel zu wenig<br />

fördern kann.<br />

Beispiel Musikschulen. <strong>Die</strong>se werden zwar vom Staat und den Kommunen gefördert,<br />

aber von Hauptschülern nicht in Anspruch genommen – ursächlich sind vor<br />

allem die Kosten. Auch bei Kooperation mit Ganztagesschulen bleiben die<br />

Angebote teuer – mit der Folge, dass die Schüler, die am meisten drauf angewiesen<br />

wären, sie nicht nutzen können.<br />

Bei der Schulsozialarbeit wurden die Landeszuschüsse gestrichen, gleichzeitig die<br />

Lehrerstunden für die Ganztageshauptschulen gekürzt von 9 über 7 auf jetzt 5 pro<br />

beteiligter Klasse. Da das bei weitem nicht reicht, sollen Jugendbegleiter, d.h. nicht<br />

ausgebildete Eltern, in die Bresche springen.<br />

<strong>Die</strong> Folge: <strong>Die</strong> Förderqualität sinkt, auch durch zunehmende Entprofessionalisierung.<br />

Zunehmend muss in der Hauptschule mit nicht ausgebildeten Personen oder<br />

fachlich nicht ausgebildeten Lehrkräften gearbeitet werden. Gerade in den Schlüsselfächern<br />

Naturwissenschaften und Technik, aber auch in den musischen<br />

Fächern gibt es keinen Nachwuchs mehr.<br />

Besonders motivierte Lehrkräfte werden in dieser Situation zermürbt, idealistische<br />

junge Leute brechen zusammen, zweifeln an sich und wünschen sich meist möglichst<br />

schnell in die Grundschule zu kommen, an die sie eigentlich wollten.<br />

<strong>Die</strong> Hauptschule droht damit zur Schule zu werden, an der sowohl Schüler als<br />

auch Lehrkräfte zwangsweise und nicht freiwillig arbeiten.<br />

Probleme bei der Nachwuchsgewinnung lassen sich nicht durch Zwangsabordnungen<br />

regeln, sondern nur dadurch, dass die Arbeitsbedingungen und die Besoldung<br />

verbessert werden. So aber kommt zu den schwierigeren Arbeitsbedingungen<br />

noch die schlechtere Bezahlung.<br />

72


Patchworkschule gegen Schülerrückgang?<br />

<strong>Die</strong> zurückgehenden Schülerzahlen werden die Hauptschule besonders stark<br />

treffen, da viele Mini-Hauptschulen (ca. 360 von 1.200) schon jetzt kaum noch lebensfähig<br />

sind und kleine Hauptschulen die Mindestzahl für die Klassenbildung (16<br />

Schüler) nicht mehr erreichen. Für die nächsten 8 Jahre rechnet das Land mit<br />

einem Rückgang an HS von 25%, während die Zahlen an Gymnasien noch<br />

wachsen werden.<br />

Man muss nur die die anderen Bundesländer sehen um vorherzusagen, dass der<br />

Rückgang an den HS noch stärker ausfallen wird, da einerseits die Aufnahmebereitschaft<br />

und Haltebereitschaft an RS und Gymn steigen und als Folge des Ausleseprozesses<br />

der Drang von der Hauptschule weg noch zunehmen wird.<br />

Während in den Großstädten Zusammenlegungen drohen mit wiederum großen<br />

Klassen, wird in der Fläche vom Kultusministerium durch den Organisationserlass<br />

klassenübergreifender Unterricht (5/6, 7/8) vorgeschrieben, zusätzlich wird den<br />

Schulträgern die Möglichkeit angeboten, die Hauptschule auf unterschiedliche<br />

Standorte aufzuteilen. Da gäbe es dann an der GHS A noch eine Lehrkraft für<br />

Klasse 5/6, an der GHS B eine oder zwei für 7/8/9 und an der Schule C dann die<br />

Werkrealschule und in der Kreisstadt das BEJ und BVJ.<br />

Wenn so ein eine „Patchworkschule“ in einer Informationsveranstaltung für Eltern<br />

der Grundschüler angeboten wird, wird ganz sicher die Akzeptanz der Hauptschule<br />

gegen Null gehen, da ihre letzten Vorteil, Wohnortnähe und eine kontinuierliche<br />

Förderung durch Klassenlehrer, verloren geht.<br />

Programm „Stärkung der Hauptschule“ Flickschusterei statt Runderneuerung<br />

Der offene Brief der Schulleitungen aus Oberschwaben am 30.4. war ein mutiger<br />

Schritt, der von uns begrüßt wird. Er knüpft an „Fitnessprogramm“ zur Stärkung der<br />

Hauptschule vom 26.Juni an.<br />

Zurecht sind die 100 Schulleiter empört darüber, dass seit 20 Jahren immer wieder<br />

die gleichen Versprechen und Forderungen gemacht werden - z.B. Lernstandserhebungen<br />

1998, 2004 und jetzt wieder – ohne dass vom Ministerium je ein vernünftiges<br />

Konzept für Diagnose und Förderung vorgelegt worden wäre- geschweige<br />

denn, dass dafür – etwa für die unabdingbare Einzelförderung bei LRS – auch<br />

Stunden zur Verfügung gestellt würden.<br />

Der Erweiterung der Stundentafel in Deutsch und Mathe um je 1,5 Stunden in<br />

Klasse 5 und 6 zur Festigung der Basiskompetenzen könnte sicher akklamiert<br />

werden, wenn nicht gleichzeitig in Grund- und Hauptschulen nahezu flächendeckend<br />

mit dem Ergänzungsbereich auch die jeder Klasse zustehenden 2 Stützkursstunden<br />

und damit die dringend notwendige äußere Differenzierungsmöglichkeit<br />

gestrichen würden.<br />

Geradezu revolutionär klingt die Versprechung des Einsatzes pädagogischer Assistenten.<br />

Natürlich ist jede Maßnahme, die unseren Schülern mehr Förderung bringt, zu<br />

begrüßen, aber ein Zwischenparkplatz für arbeitslose Lehrerinnen wird die<br />

Schulart sicher nicht stärken.<br />

73


Wir brauchen vielmehr ein Konzept, wie eine attraktive Schule in der Fläche<br />

aussehen soll. <strong>Die</strong> sich verstärkende Abwärtsspirale der Hauptschule ist von<br />

dieser selbst nicht zu stoppen. Schritte zur Re-Integration müssen schnell<br />

gegangen werden, Brücken zwischen den Schularten sind schnell zu bauen. Vor<br />

allem sollte den Schulen und Kommunen schnell Raum gegeben werden, vor Ort<br />

vernünftige Lösungen zu suchen.<br />

Wo das in anderen Bundesländern passiert ist, hat sich schnell gezeigt, dass sogar<br />

CDU-regierte Gemeinden sich für Gemeinschaftsschulen einsetzen.<br />

Denn nur sie erfüllt das Bedürfnis, wohnortnah ein breites Bildungsangebot zu<br />

besitzen.<br />

<strong>Die</strong> Landesregierung aber hat mit ihrem Konzept des achtjährigen Gymnasiums<br />

den Graben zwischen der verkürzten Sekundarstufe-I-Zeit im Gymnasium und der<br />

RS – ich unterstelle absichtlich – so tief aufgerissen, dass eine Annäherung der<br />

Schularten sehr schwer gemacht wurde und über eine Angleichung von Bildungsplänen<br />

und Lernzeit Blockaden erst wieder beseitigt werden müssen.<br />

Wichtig ist der Landtagsmehrheit offenbar vor allem die Heraushebung der Elite,<br />

und während sie zunehmend auf Elite setzt, auf Eliteklassen, Elitegymnasien und<br />

Eliteuniversitäten, konstatiert der Jugendforscher Hurrelmann, dass „auf der<br />

anderen Seite 40% der Jugendlichen stehen, die sich bewusst sind, dass sie nicht<br />

mithalten können.“<br />

6. Konkurrenz und Spaltung, Elite und Absteiger, Demokratie<br />

<strong>Die</strong> Entwicklung ist gekennzeichnet durch eine zunehmende Spaltung nicht nur der<br />

Gesellschaft, sondern auch der Bildungseinrichtungen und der Jugendlichen.<br />

Das Auseinanderdriften erzeugt einen zunehmenden Leistungsdruck und betrifft so<br />

keineswegs nur die Verlierer, sondern auch die potentielle Gewinner, kontaminiert<br />

in gewisser Weise das gesamte Bildungssystem vom Kindergarten bis zur Uni,<br />

züchtet Verlierermentalitäten auf der einen, Dünkel auf der anderen Seite, Angst<br />

auf beiden Seiten, eine Mentalität des Gegeneinander, nicht der Solidarität.<br />

Schulreform durch Schüren von Konkurrenz, das war das Konzept der Kultusministerin<br />

Schavan, das ist heute das Konzept von Oettinger und Rau.<br />

Am Sonntag titelten die Zeitungen: „Schule macht Kinder unglücklich“ – Hauptursache:<br />

der zunehmende Leistungsdruck, das Gefühl, den Anforderungen nicht<br />

gerecht zu werden, Nachhilfe, Hausaufgaben, Streit in der Familie sind Stichwörter.<br />

Auch wenn sich viele Pädagogen und Eltern dagegen wehren:<br />

das Messen und Gegeneinanderstellen, Sortieren und Aussortieren beginnt mit der<br />

Einschulung – wer schafft es früher? – über die Vergleichsarbeiten in Klasse 2 und<br />

4 (künftig Daisy Klasse 3), in denen Schüler und Klassen, Lehrer und Schulen<br />

gemessen, verglichen und einsortiert werden und erreicht seinen Höhepunkt mit<br />

den Bildungsempfehlungen in Klasse 4, nach denen Schüler entsprechend der<br />

74


Noten in Deutsch und Mathematik auf weiterführenden Schulen HS, RS und Gymn<br />

verteilt werden.<br />

Dass bei diesen Tests nur ein sehr schmales Spektrum von Leistungen abgeprüft<br />

wird, sollte allein schon zu denken geben. Denn die Fokussierung auf Einzelleistungen,<br />

die Abschottung gegen die anderen und die Ächtung der Kooperation widerspricht<br />

allen Fortschritten der Grundschule seit der Reformpädagogik.<br />

<strong>Die</strong> Tests transportieren damit eine zutiefst antipädagogische und letztlich demokratiefeindliche<br />

Nachricht: Wichtig ist nur das, was der einzelne in Konkurrenz zu<br />

den anderen erreicht.<br />

Ein kleiner Blick in die Landesgeschichte zeigt, dass die Restauration des alten<br />

Abiturs nach 1945 den pädagogischen Neubeginn konterkariert und der wilhelminischen<br />

Paukschule erneut den Boden bereitet hat – obwohl damals durchaus der<br />

Wunsch nach einem demokratischen Neubeginn auch im Schulwesen vorhanden<br />

war.<br />

In Klasse 5 und 6 wird dann wird wiederum ausgesiebt: die Besten können auf die<br />

Realschule wechseln, nach Klasse 7 kommt bei entsprechenden Noten der<br />

Wechsel in den Zusatzunterricht, nach 8 in den Praxiszug, nach 9 in die Werkrealschule,<br />

parallel jeweils im Jahresrhythmus Vergleichsarbeiten, neue verbindliche<br />

Tests, Prüfungen – all das mit der Hoffnung, aus der Hauptschule herauszukommen,<br />

wenigstens in den Zusatzunterricht oder die Werkrealschule.<br />

Damit bestimmt sich auch die bildungspolitische Funktion der Hauptschule. Sie ist<br />

nicht Schule für die praktisch Begabten, sie wird zunehmend zur<br />

Drohkulisse(Hölle): wenn ihr euch nicht anstrengt, kommt ihr in die Hauptschule.<br />

Seit offen zugegeben wird, dass man Kinderarmut und Verelendung in Kauf nimmt,<br />

damit durch Hartz-IV Druck auf Arbeitslose ausgeübt wird, glaube ich nicht mehr,<br />

dass der Hauptschule die Funktion, Druck auf alle Schüler auszuüben, nicht<br />

bewusst zugeordnet wird: dann aber wäre diese Schule das Hartz-IV des Bildungswesens.<br />

Gerd Friedrich, pensionierter Leiter des Schulamts Mergentheim:<br />

„Man darf eine Schule nicht wie ein Getto einrichten. Man muss sich für die Kinder<br />

einsetzen. Es wird immer Schwächere geben, aber die dürfen wir nicht aussondern.<br />

Das herrschende Prinzip ist die Auslese, das pädagogisch sinnvolle aber<br />

heißt: fördern.“<br />

7. Forderungen, Zusammenfassung<br />

Der alte Wilhelm Liebknecht, Gründer der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei, hat<br />

den legendären Satz geprägt „Wissen ist Macht“. Wir können heute ergänzen:<br />

Auch die Art, wie Wissen erworben wird, ist Macht.<br />

<strong>Die</strong> angeblich christliche Staatspartei, die angeblich freie Partei stehen dafür, dass<br />

unsere Jugend so erzogen wird, dass jeder Mensch des Menschen Wolf wird.<br />

75


Der vor 100 Jahren geborene Willi Bleicher forderte aus seinen Lebenserfahrungen<br />

heraus, dass der Mensch des Menschen Helfer sei – für eine solche Bildung<br />

stehen wir.<br />

1. Wir stehen für eine Gemeinschaftsschule, in der gefördert wird und nicht ausgelesen,<br />

in der Schüler Schülern helfen. Genau das ist der Schlüssel zu guten<br />

Schulleistungen bei möglichst allen Kindern und Jugendlichen. Schüler und<br />

Schülerinnen bleiben bis zum Mittleren Abschluss in Kernklassen zusammen,<br />

differenziert werden kann in Interessenbereichen und zusätzlichen Kursen.<br />

2. Wir stehen für eine Bildung, die entsprechend der Landesverfassung kostenlos<br />

ist und Nachteile ausgleicht statt Arme zu beschämen.<br />

3. Wir stehen dafür, dass junge Menschen auch ein Recht auf Ausbildung haben,<br />

und dass dieses Menschenrecht auch für Migranten gilt. Wenn immer weniger<br />

Betriebe ausbilden, so müssen die anderen an der Finanzierung beteiligt<br />

werden. Es führt kein Weg daran vorbei, den staatlichen Part zu stärken.<br />

Soziale Gerechtigkeit muss zentrales Ziel der Bildungspolitik werden!<br />

Erhard Korn ist Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft Bildungspolitik in<br />

Baden-Württemberg<br />

76


Hochschule<br />

________________________________________________________<br />

<strong>Die</strong> ‚Lichtgestalt’ Bologna geht um – Hochschulausbildung für<br />

soziale Arbeit im Schnelldurchlauf?<br />

Sandra Hirschler, Günther Sander<br />

In Anspielung auf das Kommunistische Manifest, in dem ein Gespenst in Europa<br />

umgeht, spricht Franz Hamburger vom Bologna-Prozess als einer strahlend blendenden<br />

„Lichtgestalt“/1/, die in Europa umherwandert. <strong>Die</strong>s könnte eine für den<br />

Bologna-Prozess passende Metapher sein. Eine andere Metapher für „Lichtgestalt“<br />

wird in einem gleichnamigen Lied von Lacrimosa (schon der Name bietet eine interessante<br />

Metapher an) verwandt: „Wohin du auch gehst, was immer du tust, ich<br />

bin ein Teil von dir. Lichtgestalt, in deren Schatten ich mich drehe“. So ähnlich<br />

kann die momentane Situation zwischen der „Lichtgestalt“ Bologna-Prozess und<br />

den europäischen Universitäten und Fachhochschulen charakterisiert werden.<br />

Auch wenn der leicht amouröse Unterton des Liedtextes in diesem Zusammenhang<br />

getrost beiseite gelassen werden kann, ist zumindest auf der Beziehungsebene<br />

Hartnäckigkeit und Standvermögen festzustellen – teils schon zu bewundern.<br />

Mit der 4. Novellierung des Hochschulrahmengesetzes 1998, mit der damals<br />

auf den Weg gebrachten Öffnung des deutschen Hochschulsystems für ein<br />

„zweites, international angeglichenes und sprachlich anglisiertes Graduierungs-<br />

und Studiengangssystem“/2/ wurde die Zweckehe zwischen der Lichtgestalt<br />

Bologna und den (europäischen) Hochschulen geschlossen, eine Verbindung, die<br />

nicht nur Licht- sondern auch Schattenseiten aufwirft. Dennoch ist eine Scheidung<br />

weder in Sicht noch wünschenswert.<br />

Der Bologna-Prozess hat auf das Hochschulwesen in ganz Europa tiefgreifende<br />

Auswirkungen. Eheversprechen sind bspw. die Stärkung der Verbindung zwischen<br />

Hochschulausbildung und Beschäftigungssystem mit dem Ziel der Verbesserung<br />

von employability (Beschäftigungsfähigkeit). So soll neben den (üblichen)<br />

Methoden-, Sozial- und Fachkompetenzen auch vermehrt die „Fähigkeit zu disziplinübergreifender,<br />

projektbezogener Zusammenarbeit“ vermittelt werden. Hochschulen<br />

sollen dabei über die Modularisierung der Studiengänge, durch Qualitätssicherung<br />

der Ausbildung – die Qualitätssicherung ist sowohl durch die Einführung<br />

von Standards als auch über den Weg der Akkreditierung zu erreichen – sowie<br />

durch Diversifizierung aufgrund von Konkurrenz und Profilierung zu mehr bildungspolitischer<br />

Eigenverantwortung angeregt werden. Als Anbieterinnen (neuer) Studienangebote<br />

nehmen die Hochschulen eine neue Rolle ein. Zumindest formal wird<br />

diese Rolle auch ausgefüllt: Im Wintersemester 2006/07 war die Zahl der neuen<br />

bzw. umgestellten Studiengänge um 27 Prozent gegenüber dem Sommersemester<br />

2006 gestiegen; insgesamt führen mittlerweile 45 Prozent aller Studiengänge zu<br />

den Abschlüssen Bachelor oder Master./3/<br />

Bei der Umstellung bzw. der Umsetzung der Studiengänge ist zu beachten, dass<br />

der erste Zyklus zu einem berufsqualifizierenden Bachelor-Abschluss führen<br />

soll./4/ Mit diesem Abschluss soll ein für den europäischen Arbeitsmarkt praxis-<br />

77


und employability-nahes relevantes „Zertifikat“ erworben werden. Für diesen ersten<br />

Zyklus ist eine Dauer von drei oder vier Jahren möglich. Einen Blick über den nationalen<br />

Kontext hinaus zeigt, dass die meisten europäischen Länder sich für einen<br />

dreijährigen Bachelor entschieden haben. Einige wenige Länder haben einen vierjährigen<br />

Bachelor eingeführt, wie Bulgarien, Kroatien, Griechenland, Island, die<br />

Ukraine und die Türkei. In Norwegen wird zwischen einem dreijährigen Vollzeit-<br />

Bachelor und einem vierjährigen Teilzeit-Bachelor unterschieden. In Deutschland<br />

kann – je nach Angebot der Hochschule – zwischen einem drei- und einem vierjährigen<br />

Bachelor bzw. dem Diplomstudiengang Pädagogik, da einige Hochschulen<br />

erst 2008 oder 2009 umstellen, gewählt werden. Deutlich wird, dass einige Hochschulen<br />

relativ spät umstellen möchten oder können. Eine andere erkennbare<br />

Tendenz ist, dass im Bereich der Bachelor-Studiengänge die Möglichkeiten der<br />

Qualifizierung im Sozial- oder Gesundheitswesen sich vervielfacht haben. Der<br />

häufig im Bereich des Sozialwesens angenommene globale Geltungsanspruch der<br />

Sozialen Arbeit wird sich eventuell geschickt(er) artikulieren müssen, um in der<br />

momentanen Form bestehen zu können. Fragen der Profilierung und Markierung<br />

des Spezifischen im eigenen Bachelor-Studiengang – und somit – zumindest theoretisch<br />

– die Notwendigkeit wissenschaftlicher Reflexion – rücken verstärkt in den<br />

Vordergrund.<br />

Auf den Bachelor kann ein weiterer ein- oder zweijähriger Zyklus folgen, der mit<br />

einem zweiten, berufsqualifizierenden oder forschungsorientierten Master-Abschluss<br />

endet.<br />

Auf dieser zweiten Stufe sind der Ehe in Deutschland mittlerweile einige, verschieden<br />

benannte Kinder entsprungen: Master of „Social Work in Mental Health“,<br />

Master „Sozialarbeit in der Psychiatrie“, Master „Sozialmanagement“, Master<br />

„Comparative European Social Studies“ u.v.m.. Der Bezug zu einem Beruf scheint,<br />

der Bezeichnung nach, somit häufig nur noch durch die zweite Stufe des Studiums,<br />

durch den Master, gegeben. Der lineare Zusammenhang zwischen Studiengang<br />

und Beruf schwindet durch die Ausdifferenzierung und Flexibilisierung der Studiengänge<br />

und -wege, durch die Abkehr von Berufsprinzip und die Zweistufung<br />

(BA/MA). Vermutet werden kann, dass sich zumindest auf dieser Ebene die sozialarbeiterische<br />

berufliche Identität wandeln wird – ein Wandel, auf den die Disziplin<br />

Soziale Arbeit als Ganze auch reagieren muss. <strong>Die</strong> akademische Qualifizierung,<br />

die zumeist beim Master im Mittelpunkt steht und das Ziel der employability, der<br />

Beschäftigungsfähigkeit, welches das ausdrücklich erwünschte Ziel des Bachelors<br />

ist, wären für einen Scheidungsanwalt vermutlich (k)ein Grund zur Freude, da<br />

diese Scheidung vermutlich schnell und kostengünstig über die Bühne ginge. Für<br />

diese Quadratur des Kreises wird die Soziale Arbeit als Disziplin noch konkrete<br />

Vorstellungen der Ausrichtung, des Anwendungs- und Forschungsbezuges, entwickeln<br />

müssen.<br />

Zunehmend wird deutlich, dass die formale europäische „Vereinheitlichung“ sich<br />

primär auf die Verkürzung des Studiums und die Bezeichnung und Anerkennung<br />

der Abschlusstitel bezieht. Aber selbst bei der Anerkennung der Abschlüsse wird<br />

es Probleme geben, weil jedes Land der EU bürokratische Hemmnisse eingebaut<br />

hat, um die eigenen AbsolventInnen zu privilegieren./5/ Inhaltlich wird es angesichts<br />

des Wildwuchses der Studiengänge weniger Gemeinsamkeiten als vor<br />

„Bologna“ geben, die übertriebene, gelegentlich exotische Spezialisierung der<br />

Kurzzeitausbildung erscheint vielen Studierenden und deren Familien als „lebens-<br />

78


näher“ und „praxisorientiert“, wird aber vor allem im Vergleich zum bewährten bisherigen<br />

universitären Diplomstudiengang mit seiner generalisierenden Ausbildungskonzeption<br />

zu Problemen bei der Berufseinmündung führen, auch wenn die<br />

Arbeitgeber aus Kostengründen an einer Unterschichtung des Arbeitsmarktes interessiert<br />

sind. In einer Befragung eines arbeitgebernahen Instituts zu den Berufschancen<br />

von BA-Absolventen (vor allem technischer Disziplinen) gaben über zwei<br />

Drittel der Betriebe an, für hochqualifizierte Tätigkeiten auch künftig Absolventen<br />

der Diplomstudiengänge und Promovierte zu bevorzugen, da BA-Absolventen lediglich<br />

„besser ausgebildete Facharbeiter“ seien. Auch die meisten Abiturienten<br />

beurteilen derzeit ihre Jobchancen nach einem Bachelorabschluss skeptisch./6/<br />

<strong>Die</strong> enge Spezialisierung vieler BA-Kurzzeitstudiengänge wird auch dazu führen,<br />

dass von einer anspruchsvollen wissenschaftlichen – und dass heißt: theoretischen!<br />

– Ausbildung, darauf möchten wir entgegen dem Trend insistieren, wenig<br />

übrig bleiben wird. <strong>Die</strong>s hat weniger mit der Studienzeitverkürzung zu tun – eine<br />

wissenschaftliche Ausbildung ist grundsätzlich auch in drei Jahren möglich, wenn<br />

die materiellen Rahmenbedingungen stimmen und das Studienjahr auch an den<br />

Universitäten in Trimester umgewandelt würde (es ist überhaupt nicht einsichtig,<br />

dass Lehrveranstaltungen nur während eines guten Halbjahrs stattfinden und ansonsten<br />

die Seminarräume ungenutzt bleiben).<br />

Kontraproduktiv ist vor allem aber, dass das bisherige Verhältnis von Grund- und<br />

Hauptstudium auf den Kopf gestellt wird: Spezialisierung ohne Grundlagenwissen<br />

im Kurzzeitstudium, Grundlagenwissen ohne Fachbezug in der zweiten Phase. Ein<br />

real existierendes Beispiel aus Italien zeigt die Tendenz: An der Universität Bari<br />

kann man einen BA-Studiengang „Wohlbefinden von Hund und Katze“ belegen,<br />

Allgemeine Veterinärwissenschaft wird erst im Masterstudium angeboten. Skurril?<br />

Nein, wohl bald übertragbar auf deutsche Verhältnisse in der Ausbildung für<br />

Soziale Berufe!<br />

Schließlich: <strong>Die</strong> „Lichtgestalt“ sollte auch die internationale Mobilität der Studierenden,<br />

z.B. durch das ERASMUS-Programm, fördern. Unsere Mainzer Erfahrungen<br />

in der langjährigen Kooperation der Sozialpädagogik mit über zwanzig europäischen<br />

Partnerhochschulen zeigen, dass mit der Einführung verschulter BA-Studiengänge<br />

die Studierenden nicht mehr in der Lage bzw. motiviert sind, sich den<br />

„Luxus“ von Auslandsstudienaufenthalten zu leisten – auch dies ein kontraproduktives<br />

Resultat der angestrebten „Europäisierung“ der Ausbildung.<br />

Mittels des Bologna-Prozesses soll, der europäischen Währungsunion und dem<br />

europäischen Wirtschaftsraum vergleichbar, ein europäischer Bildungsraum geschaffen<br />

werden, der – analog dem Transfer von Kapital, Waren, <strong>Die</strong>nstleistungen<br />

und Personen – den Übergang von der Hochschule eines Landes zu einer Hochschule<br />

eines anderen Landes erleichtert. Unstrittig ist, dass – um dieses Ziel bis<br />

2010 zu erreichen – noch viel Arbeit bevorsteht, da weder eine Harmonisierung<br />

zwischen den Ländern noch innerhalb eines Landes momentan abgeschlossen ist.<br />

Eine völlige Harmonisierung ist in einer Ehe weder nötig noch wünschenswert.<br />

Auch ist eine Scheidung kaum möglich. <strong>Die</strong> Gütergemeinschaft ist zu weit vorangeschritten,<br />

somit scheint für die Soziale Arbeit als Disziplin die einzige Lösung in<br />

der Umsetzung zu liegen. Inwieweit sie dabei als eigenständige Disziplin bestehen<br />

bleibt, wird sich zeigen.<br />

79


Fußnoten<br />

/1/ „Geblendet von der Schönheit des Marktes“. In: Sozialextra 28 (2004), H. 4<br />

/2/ Pfaffenberger, Hans (2004): <strong>Die</strong> Sozialarbeiter/Sozialpädagogen-Ausbildung<br />

und das neue Graduiertensystem. In: Steinmetz, Bernd et al (Hrsg.): Der<br />

Bologna-Prozess in Europa. Eine Herausforderung für die Ausbildung in der<br />

sozialen Arbeit in Deutschland. Weimar, S. 63-72.<br />

/3/ HRK (2006): Statistische Daten zur Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen.<br />

Wintersemester 2006/2007. Statistiken zur Hochschulpolitik<br />

2/2006. Bonn.<br />

/4/ <strong>Die</strong> folgenden Ausführungen beziehen sich z.T. auf Hirschler, Sandra (2006):<br />

Ausbildungsstrukturen für soziale Berufe und neue Entwicklungen in Europa.<br />

In: Archiv für Wissenschaft und Praxis der sozialen Arbeit 1/2006, S. 84-96.<br />

/5/ So wurde z.B. noch nach dem Vertrag von Maastricht eine promovierte italienische<br />

Erziehungswissenschaftlerin mit Schwerpunkt Vorschulerziehung von der<br />

Stadt Mainz in einer Kindertagesstätte in BAT 10 eingestuft.<br />

/6/ J.-M. Wiarda: Bekannt, aber nicht beliebt. In: <strong>Die</strong> Zeit, Nr. 6, 1. Febr. 2007, S.<br />

78<br />

Sandra Hirschler/Dr.Günther Sander,<br />

Uni Mainz, Pädagogisches Institut, AG Sozialpädagogik<br />

Nachdruck mit freundlicher Genehmigung von SOZIALEXTRA, VS-Verlag Wiesbaden<br />

80


DIE LINKE. im Bundestag<br />

________________________________________________________<br />

News von Nele Hirsch<br />

1. IGLU-Studie belegt: Schulstruktur muss auf die politische Tagesordnung<br />

In Berlin sind die Ergebnisse der aktuellen Grundschulstudie IGLU vorgestellt<br />

worden. Schülerinnen und Schüler des deutschen Bildungssystems schnitten<br />

dabei relativ gut ab. Anders als bei der PISA-Studie, wo zumeist hintere Ränge<br />

belegt werden, liegt das Bildungssystem bei IGLU weit vorn. Bildungsforscher Bos<br />

lieferte bei der Vorstellung der Ergebnisse einen ersten Hinweis, warum das so ist.<br />

Er sagte: „<strong>Die</strong> Grundschullehrer sind gezwungen, sich unterschiedlich starken<br />

Kindern individuell zuzuwenden. Sie können schwächere Kinder - im Unterschied<br />

etwa zu Gymnasiallehrern - nicht abschieben."<br />

DIE LINKE fordert die Aufhebung des gegliederten Schulsystems und die Einführung<br />

einer integrativen Gemeinschaftsschule. Gute Bildung für alle setzt voraus,<br />

dass gemeinsames Lernen nicht nur in der Grundschule Realität ist. Mit den Ergebnissen<br />

der IGLU-Studie sehen wir uns in dieser Forderung erneut bestätigt.<br />

<strong>Die</strong> Ergebnisse der aktuellen PISA-Studie werden kommenden <strong>Die</strong>nstag veröffentlicht!<br />

Nähere Infos zu IGLU und PISA bei der GEW:<br />

http://www.gew.de<br />

2. Berufseinstieg: mangelhaft!<br />

<strong>Die</strong> DGB Jugend hat heute Vormittag die Sonderauswertung des Index „Gute<br />

Arbeit“ für den Berufseinstieg vorgestellt. Ihr Fazit ist ernüchternd. Jüngere Beschäftigte<br />

müssen der Auswertung zufolge deutlich häufiger als ältere mit unsicheren<br />

und schlecht bezahlten Jobs vorlieb nehmen. Und junge Beschäftigte sind<br />

häufiger befristet beschäftigt oder arbeiten in Zeitarbeit.<br />

PE der Fraktion DIE LINKE:<br />

http://www.linksfraktion.de/pressemitteilung.php?artikel=1287462293<br />

Infos der DGB-Jugend:<br />

http://www.dgb-jugend.de/dgb_jugend/meldungen/zukunft_ungewiss<br />

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3. Haushalt 2008 zementiert 2-Klassen-Bildung<br />

Der Bundestag hat gestern den Etat des Bundesministeriums für Bildung und Forschung<br />

verabschiedet. Überraschungen gab es keine mehr. Der Haushalt spiegelt<br />

die von Ministerin Schavan praktizierte Spaltung in eine Zwei-Klassen-Bildung<br />

wider.<br />

Infos aus dem BMBF:<br />

http://www.bmbf.de/de/96.php<br />

Rede aus der Fraktion DIE LINKE:<br />

http://www.linksfraktion.de/rede.php?artikel=1333237301<br />

4. Zwei Petitionen zum Unterzeichnen<br />

a) Ausbildung für alle:<br />

Gewerkschaften und mehrere LandesschülerInnenvertretungen fordern in dieser<br />

Petition an den Bundestag die Verankerung des Rechts auf Ausbildung im Grundgesetz.<br />

Unterschreiben<br />

http://www.ausbildung-fuer-alle.de/2007/10/petition.htm/<br />

b) Gesetzliche Regelungen von Praktika<br />

Praktika, die reguläre Arbeitsplätze ersetzen, schlecht oder gar nicht bezahlt sind<br />

und den Betroffenen keine berufliche Perspektive bieten - das ist leider nicht nur in<br />

der Bundesrepublik, sondern in allen europäischen Ländern zunehmend an der<br />

Tagesordnung. Europäische Organisationen von Praktikantinnen und Praktikanten<br />

haben deshalb beim EU-Parlament eine Petition für faire Praktika eingereicht. Sie<br />

fordern eine zeitliche Begrenzung von Praktika und einen Mindestlohn. Mit dabei:<br />

<strong>Die</strong> DGB-Jugend und fairwork e.V. aus Deutschland.<br />

Unterschreiben?<br />

http://www.generation-p.dgbj.org/die_petition/<br />

Nele Hirsch, MdB<br />

Bildungspolitische Sprecherin<br />

Fraktion DIE LINKE<br />

Tel: (030) 227 – 73 890<br />

Fax: (030) 227 – 76 893<br />

Mobil: 0176 - 2400 5790<br />

Mail: cornelia.hirsch@bundestag.de<br />

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LINKE gegen Zwei-Klassen-Bildung<br />

Nele Hirsch<br />

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Hagemann hat vorhin<br />

Wert darauf gelegt, dass wir alle zusammen stärker die Fakten anerkennen und<br />

keine Schwarzmalerei betreiben.<br />

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)<br />

Ich gebe Ihnen da vollkommen Recht.<br />

(Jörg Tauss (SPD): Also bessern Sie sich!)<br />

<strong>Die</strong> <strong>Linke</strong> hält es allerdings nicht für Schwarzmalerei, wenn von einer Ausbildungsmisere<br />

gesprochen wird. Wir sind nämlich in einer Situation, in der jeder zweite<br />

Bewerber, jede zweite Bewerberin keinen Ausbildungsplatz findet, aber schon über<br />

ein Jahr auf Suche ist. Das ist keine Schwarzmalerei. Das ist einfach Realität.<br />

(Beifall bei der LINKEN)<br />

Wir halten es auch für richtig, darauf hinzuweisen, dass entgegen den Beteuerungen<br />

der Ministerin, die Zahl der Studienanfängerinnen zu steigern, diese Zahl in<br />

der Realität zurückgeht. Das alles sind Fakten, die man zur Kenntnis nehmen<br />

muss. Vor allen Dingen darf man die Augen nicht vor dem Skandal im deutschen<br />

Bildungssystem verschließen, dass die soziale Herkunft ganz maßgeblich über den<br />

Bildungserfolg entscheidet und wir bei dieser Koppelung im Vergleich zu anderen<br />

Industrienationen traurigerweise an der Spitze stehen.<br />

Das alles sind Realitäten. Wir <strong>Linke</strong> erkennen diese Realitäten an. Wir sagen Nein<br />

zu diesem Haushaltsentwurf, weil er auf diese ganzen Schwierigkeiten keinerlei<br />

Antworten gibt.<br />

(Beifall bei der LINKEN)<br />

Wenn man sich den Haushalt im Bildungsbereich und Ihre Bildungspolitik, Frau Ministerin,<br />

anschaut, wird als Erstes deutlich, dass sehr viele Bereiche von Nichtstun<br />

geprägt sind und Sie sich schlichtweg jeglicher Verantwortung entziehen. Das<br />

beste Beispiel ist die Ausbildungsmisere. <strong>Die</strong> <strong>Linke</strong> hat gesagt: Es ist dringend notwendig,<br />

eine gesetzliche Ausbildungsplatzumlage einzuführen, damit sich die Unternehmen<br />

nicht immer weiter ihrer Verantwortung entziehen können und wir ein<br />

Recht auf Ausbildung sicherstellen können.<br />

(Beifall bei der LINKEN)<br />

Alle anderen Fraktionen haben diesen Vorstoß abgelehnt.<br />

83


Zweites Beispiel: Der UN-Sonderberichterstatter Vernor Munoz hat Deutschland<br />

besucht. Er hat in seinem Bericht festgestellt, dass das Recht auf Bildung in der<br />

Bundesrepublik Deutschland missachtet wird. Wir haben die Bundesregierung<br />

gefragt und ganz speziell Sie, Frau Ministerin Schavan, wie Sie mit einer solchen<br />

Aussage umgehen. Ihre Antwort war: Tut mir leid, dafür sind die Länder zuständig.<br />

Da kann ich nichts machen. Ich frage Sie, ob Sie nicht meinen, dass sich<br />

Menschen, die solche Aussagen von Ihnen hören, nicht reichlich veralbert vorkommen,<br />

wenn sie keine Antwort darauf haben, wenn die UNO Ihnen vorwirft, dass Sie<br />

so ein elementares Grundrecht wie das Recht auf Bildung missachten?<br />

Ein weiteres passendes Beispiel hierfür, darüber haben wir schon diskutiert, ist das<br />

Thema Studiengebühren. Ich möchte darauf hinweisen, dass die Bundesrepublik<br />

den so genannten Sozialpakt der UNO unterzeichnet hat. Darin steht, dass das<br />

Studium gebührenfrei zu halten bzw. Schritt für Schritt gebührenfrei zu gestalten<br />

ist. Wenn Ihre Antwort, konfrontiert man Sie damit, einzig und allein lautet, dass<br />

Sie fest davon ausgingen, dass die Länder schon sozialverträgliche Studiengebühren<br />

einführen würden, dann ist uns das deutlich zu wenig. Es ist uns auch deutlich<br />

zu wenig, dass die SPD-Fraktion nimmt man einmal an, dass sie es mit ihrer Ablehnung<br />

von Studiengebühren ernst meint eine solche Aussage vonseiten der Ministerin<br />

einfach so durchgehen lässt.<br />

(Beifall bei der LINKEN Jörg Tauss (SPD): Entschuldigung, wir haben hier eine<br />

Debatte geführt!)<br />

Wenn wir auf der einen Seite das Nichtstun in Ihrer Bildungspolitik kritisieren,<br />

geben wir auf der anderen Seite offen zu, dass teilweise etwas getan wird. Nur<br />

leider sind es im überwiegenden Fall nicht mehr als minimale Trippelschritte. Das<br />

ist beim BAföG so, das erst im kommenden Jahr erhöht wird, und selbst dann nicht<br />

um den Betrag, der eigentlich notwendig wäre, um bedarfsdeckende Sätze zu ermöglichen.<br />

Als ein zweites Beispiel ist der Hochschulpakt anzusprechen, wozu<br />

sogar die Hochschulrektorenkonferenz, die Ihnen doch eigentlich relativ wohl<br />

gesonnen ist, sagt: Das Ganze ist nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein.<br />

Ein drittes Beispiel: Im Berufsbildungsbericht wird Ihnen nahe gelegt, dass gerade<br />

in Ostdeutschland die Ausbildungssituation katastrophal ist. Sie aber kürzen die<br />

Mittel für Ausbildungsförderprogramme im Osten radikal zusammen.<br />

(Jörg Tauss (SPD): Ach, jetzt aber! Das ist doch albern!)<br />

Das hat mit einer guten Bildungspolitik wirklich nichts zu tun.<br />

(Beifall bei der LINKEN Jörg Tauss (SPD): Das hat mit der Realität nichts zu tun!)<br />

Schließlich haben wir neben diesem Nichtstun und den Trippelschritten als Drittes<br />

noch Bereiche, in denen Sie sehr aktiv sind. Nur leider werden hier komplett<br />

falsche Prioritäten gesetzt und es wird eine falsche Politik gemacht.<br />

84


Frau Burchardt, Sie sprechen von Kontinuität in dieser Politik. Das ist leider eine<br />

sehr traurige Kontinuität. Begonnen wurde diese Politik in der Tat schon von Rot-<br />

Grün. Es wäre aus unserer Sicht aber wichtiger, eben nicht auf dieser Kontinuität<br />

zu beharren, sondern zu einer sozial gerechteren Politik zu kommen.<br />

(Beifall bei der LINKEN)<br />

Das bezieht sich insbesondere auf die Exzellenzinitiative und die Aufstockung der<br />

Mittel für die Begabtenförderung. Damit zementieren Sie eine Spaltung im Bildungssystem.<br />

Damit zementieren Sie eine Zweiklassenbildung. Das möchte die<br />

<strong>Linke</strong> definitiv nicht, und deshalb wird dieser Haushaltsplan von uns auch abgelehnt.<br />

Besten Dank.<br />

(Beifall bei der LINKEN)<br />

85


Informationen / Rezensionen<br />

________________________________________________________<br />

GEW: „Wir brauchen einen nationalen Stabilitätspakt für<br />

Bildung!“<br />

Föderalismus-Reform II darf sich nicht nur mit Schuldenbremsen<br />

beschäftigen, sondern muss für bessere Ausstattung des<br />

Bildungswesens sorgen / Sieben Prozent des BIP für Bildung<br />

Frankfurt a. M./Berlin – Einen „nationalen Stabilitätspakt für Bildung“ hat die Gewerkschaft<br />

Erziehung und Wissenschaft (GEW) heute mit Blick auf die Anhörung<br />

der Föderalismus-Kommission vorgeschlagen. <strong>Die</strong> Föderalismusreform II dürfe<br />

sich nicht nur mit Schuldenbremsen beschäftigen, sondern müsse auch eine ausreichende<br />

Finanzierung des Bildungswesens sicher stellen. „Eine Neuordnung der<br />

Finanzverfassung muss sich auch daran messen lassen, ob sie es dem Staat ermöglicht,<br />

die dringend benötigten zusätzlichen Erzieherinnen, Lehrkräfte und Wissenschaftler<br />

in naher Zukunft einzustellen. Wir dürfen das Bildungswesen nicht<br />

erst allein zur Sache der Bundesländer machen und diese drehen dann der<br />

Bildung per Schuldenverbot den Geldhahn zu. So wird der viel beschworene Anschluss<br />

an internationale Standards nicht gelingen. Im Gegenteil: Wir werden<br />

weiter an Boden verlieren“, sagte GEW-Vorsitzender Ulrich Thöne.<br />

Bund und Länder sollen sich in dem von der Gewerkschaft vorgeschlagenen Pakt<br />

auf eine neue Gemeinschaftsaufgabe Bildung verpflichten. In diesem Rahmen<br />

müssten die Bildungsausgaben schrittweise auf rund sieben Prozent des Bruttoinlandsprodukts<br />

(BIP) aus öffentlichen Mitteln angehoben und damit an das Niveau<br />

der im internationalen Vergleich führenden Nationen herangeführt werden. „So<br />

könnte es gelingen, dass wir mit den Ergebnissen des deutschen Bildungssystems<br />

wieder in die europäische Spitzengruppe vorstoßen. Wir brauchen den Willen und<br />

die Entscheidung für zusätzliche Investitionen in das Bildungswesen. Bildung ist<br />

keine verzichtbare konsumtive Ausgabe, bei der die Finanzminister - mit Vorliebe<br />

beim Personal - weiterhin den Rotstift ansetzen können“, betonte der GEW-Vorsitzende.<br />

„Mittlerweile ist es fast schon Allgemeingut, dass wir mehr Krippenplätze und damit<br />

auch mehr Erzieher benötigen. Es ist Konsens, dass unsere Schulen junge gut<br />

ausgebildete Lehrkräfte brauchen und die Hochschulen chronisch unterfinanziert<br />

sind“, sagte Thöne. Bereits heute seien die Länder immer weniger in der Lage,<br />

Kindergärten, Schulen und Hochschulen finanziell adäquat auszustatten. „Was wir<br />

vielerorts erleben, ist Pfusch am Kind: hoher Unterrichtsausfall, ungelernte Vertretungslehrer<br />

und Ein-Euro-Jobber in den Kindergärten. Fast alle Eltern können<br />

davon ein Lied singen. Mit den vorhandenen Mitteln lässt sich keine Bildungsoffensive<br />

starten“, stellte der GEW-Vorsitzende fest.<br />

Grundsätzlich müsse die gesamte Finanzverfassung Deutschlands darauf hin<br />

überprüft werden, ob sie den Weg frei macht für zusätzliche Investitionen in das<br />

Bildungswesen. Hierzu gehöre auch, dass das Kooperationsverbot aufgehoben<br />

und der Bund den Schulen wieder Finanzhilfen wie beim Ganztagsschulprojekt<br />

geben darf.<br />

Q.: GEW Newsletter, www.gew.de<br />

86


GEW: „Blick durch die rosarote Brille trübt Wahrnehmung<br />

der Fakten“<br />

Bildungsgewerkschaft: Reaktion auf Bericht der „Stuttgarter Zeitung“<br />

über PISA-Studie<br />

Frankfurt a. M. – <strong>Die</strong> Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hat die<br />

Verantwortlichen im Bildungsbereich davor gewarnt, die PISA-Ergebnisse durch<br />

die „rosarote Brille zu sehen“. „Lehrkräften, Schülern und Eltern hilft es nur, wenn<br />

die Fakten ohne Scheuklappen zur Kenntnis genommen werden. Wer ernsthaft<br />

Konsequenzen ziehen will, muss die Diskussion ohne Tabus führen. Wenn die<br />

Daten der ‚Stuttgarter Zeitung’ korrekt sind, haben sich die Kompetenzen der 15-<br />

Jährigen in Deutschland weder in Lesen noch in Mathe wesentlich verbessert.<br />

Hätten die Kultusminister seit dem PISA-Debakel von 2001 bei der Leseförderung<br />

den gleichen Eifer entwickelt wie bei der Perfektionierung der Auslese in der<br />

Schule, der Verkürzung der Schulzeit oder der explosionsartigen Vermehrung von<br />

Tests, könnten sich deutsche Schüler heute über einen Leistungsschub beim<br />

Lesen freuen“, sagte GEW-Vize Marianne Demmer am Sonntag in Frankfurt a. M.<br />

Sie wies darauf hin, dass Lesekompetenz die wichtigste Basisqualifikation für eine<br />

erfolgreiche Bildungs- und Berufsbiografie sei.<br />

Demmer befürchtet, dass das Kardinalproblem des deutschen Bildungswesens,<br />

die starke Abhängigkeit des Bildungserfolges der Kinder vom sozialen Status und<br />

Geldbeutel der Eltern, auch durch die neue PISA-Studie bestätigt werde. <strong>Die</strong>ses<br />

Problem hatte die in der vergangenen Woche vorgestellte Grundschulleistungsstudie<br />

IGLU noch einmal deutlich gemacht. „Deshalb müssen wir den von mehreren<br />

Bundesländern bereits eingeschlagenen Weg der möglichst frühen Bildung aller<br />

Jungen und Mädchen in Kindertagesstätten konsequent weiter verfolgen. In den<br />

Schulen muss endlich mit der individuellen Förderung aller Schülerinnen und<br />

Schüler Ernst gemacht werden. Dafür muss die Politik einen verlässlichen Rahmen<br />

schaffen. Sie muss die Schulen strukturell so gestalten und materiell sowie personell<br />

so ausstatten, dass diese Lehr- und Lernprozesse qualitativ weiter entwickeln<br />

können. Solange die Kinder mit zehn Jahren allerdings in unterschiedlich anspruchsvolle<br />

Schulformen sortiert werden, wird dies vor allem in Hauptschulen nur<br />

unvollständig gelingen. So sehr das Lechzen der Kultusminister nach positiven<br />

Schlagzeilen verständlich ist – vor dem Jubeln müssen sie ihre Hausaufgaben<br />

machen“, betonte Demmer.<br />

Q: www.gew.de<br />

87


Initiative „Weg mit den Berufsverboten“, Arbeitsausschuss<br />

(Prof. Dr. N. Paech, Dr. K. Dammann, H. Bethge, E. Spoo)<br />

c/o Horst Bethge, Saseler Kamp 69a, 22393 Hamburg, Tel.: 040/601 52 12<br />

e – mail: horst.bethge@T-online.de<br />

Pierre Kaldor, Anwalt der vom Berufsverbot Betroffenen,<br />

ist „Ritter der Ehrenlegion“<br />

Dem französischen Rechtsanwalt und Sprecher des französischen „Komitees<br />

gegen Berufsverbote und für Meinungsäußerungsfreiheit in der BRD“, Pierre<br />

Kaldor, wird heute aus Anlass seines 95. Geburtstages vom Pariser Bürgermeister<br />

in einem Festakt der Solidaritätsbewegung „Secour populaire francais“ im Pariser<br />

Rathaus der Orden „Ritter der Ehrenlegion“ verliehen.<br />

Dazu gratulieren ihm seine deutschen Freunde ganz herzlich.<br />

„Über 60 Jahre lang hat sich Pierre Kaldor für die politischen Freiheitsrechte eingesetzt:<br />

Für die Vertreter antikolonialistischer Befreiungsbewegungen ebenso wie in<br />

der Resistance, für deutsche Berufsverbote-Betroffene ebenso wie für streikende<br />

Gewerkschafter. Es kommt nicht oft vor, dass dieser Kampf von den Herrschenden<br />

als preiswürdig anerkannt wird. Steht Pierre Kaldor als „Ritter der Ehrenlegion“<br />

doch nun in einer Reihe mit J. W. Goethe, Marlene <strong>Die</strong>trich, Otto Hahn, Simon<br />

Wiesenthal, Daniel Barenboim, Beate Klarsfeld, J. B. Tito, aber auch R. Zola und<br />

Eduard Manet, die u. a. vor ihm den 1802 von Napoleon gestifteten höchsten französischen<br />

Orden erhielten.<br />

Das zeigt auch den Unterschied zwischen Frankreich und der BRD: Während hierzulande<br />

den vom Berufsverbot Betroffenen seit 35 Jahren die politische Rehabilitation<br />

verweigert wird, ehrt Frankreich deren Anwalt mit dem höchsten Orden des<br />

Landes,“ erklärt Horst Bethge , Sprecher der Initiative „Weg mit den Berufsverboten“.<br />

„In Baden- Württemberg endete gerade erst nach jahrelanger politischer und<br />

juristischer Auseinandersetzung ein Berufsverbotsverfahren mit der Einstellung<br />

des Lehrers. Anlass, erneut die Bereinigung dieses Reliktes aus den Zeiten des<br />

„kalten Krieges“ anzumahnen.“<br />

88


Veranstaltungen / Termine<br />

________________________________________________________<br />

Schule und Erziehungswissenschaften<br />

Veranstaltungen des Berlin-Brandenburger Forums „Schule, Pädagogik,<br />

Gesellschaft“ im 1.Halbjahr 2008<br />

Veranstaltungsort: Rosa –Luxemburg - Stiftung, Franz-Mehring-Platz 1,<br />

10243 Berlin<br />

Zeit: 16.00 – 18.00 Uhr<br />

30.1.<br />

(173) Lebenslagen von Kindern in Deutschland – Risiko Armut<br />

Mit: Gerrit Große ( MDL Brandenburg)<br />

27.2.<br />

8174) Gesundheitsvorsorge für heranwachsende heute und „vorgestern“<br />

Mit: Prof. Dr. sc. Gerda Niebsch (Fredersdorf) Dr. sc. Christa Grosch,<br />

Prof. Dr. sc. Gisela Graehn-Baumannn und Dr. sc. Ursula Bossdorf<br />

26.3.<br />

(175) Arbeitsthema: Gründe für die Herausbildung neoliberaler Denkmuster bei Jugendlichen<br />

Mit: Marc Mulia (Duisburg)<br />

30.4.<br />

(176) Arbeitsthema: Erfahrungen mit der Pilotphase der Gemeinschaftsschule<br />

in Berlin<br />

Mit: Steffen Zillich (Bildungspolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE.<br />

im Abgeordnetenhaus von Berlin)<br />

28.5.<br />

(177) Universitäten zwischen Verschulung und Eliteförderung<br />

Mit : Prof. Dr. <strong>Die</strong>ter Kirchhöfer (Lehnitz)<br />

25.6.<br />

(178) XXL-Kinderdeutschland? Wieso? Und was dagegen tun?<br />

(erörtert anhand der Sportart Judo)<br />

Mit: Jan Schröder (Strausberg)<br />

Ansprechpartner:<br />

Prof. Dr. Werner Lemm, Heidekampweg 88<br />

12437 Berlin, Tel.: 030/ 5325276<br />

Prof. Dr. Horst Weiß, Lindenpromenade 32<br />

15344 Strausberg, tel.: 03341/ 422087<br />

89


In eigener Sache<br />

________________________________________________________<br />

DIE LINKE. Bundesarbeitsgemeinschaft Bildungspolitik<br />

Wer wir sind und wie man bei uns mitarbeiten kann<br />

Wer wir sind<br />

<strong>Die</strong> Bundesarbeitsgemeinschaft Bildungspolitik ist eine Arbeitsgemeinschaft der<br />

neuen Partei: <strong>Die</strong> <strong>Linke</strong>.<br />

Sie ist eine Gruppe von Mitgliedern und Symphatisanten, die sich mit bildungspolitischen<br />

Problemen befasst, aktuelle bildungspolitische Probleme analysiert, Erfahrungen<br />

in bildungspolitischen Auseinandersetzungen wertet und Vorschläge erarbeitet,<br />

in welcher Weise die Partei <strong>Die</strong> <strong>Linke</strong>. Einfluss auf notwendige Veränderungen<br />

im Bildungssystem nehmen kann.<br />

Viele ihrer Mitglieder kennen als Kindergärtnerinnen und Kindergärtner, Lehrerinnen<br />

und Lehrer, Erzieherinnen und Erzieher, Eltern- und SchülerInnenvertreter, in<br />

der Berufsbildung oder im Hochschulwesen als Lehrende und Studierende wie in<br />

der Wissenschaft Tätige, die aktuellen bildungspolitischen Probleme aus ihrer täglichen<br />

Erfahrung. Es gibt eine enge Zusammenarbeit mit Abgeordneten der Fraktionen<br />

<strong>Die</strong> <strong>Linke</strong>. im Bundestag und in den Landtagen, zwischen den verschiedenen<br />

Arbeitsgemeinschaften auf Bundesebene, mit den Gewerkschaften sowie mit Verbänden<br />

und Bewegungen, die Einfluss auf bildungspolitische Fragen nehmen.<br />

In den Bundesländern gibt es bei den Landesvorständen ebenfalls Landesarbeitsgemeinschaften<br />

Bildungspolitik, die mit der Bundesarbeitsgemeinschaft ein<br />

Netzwerk bilden und ihre Erfahrungen austauschen. Wir arbeiten auf internationaler<br />

Ebene im bildungspolitischen Netzwerk der Europäischen Linkspartei mit.<br />

Kurz: Wir sind eine Gruppe von Engagierten, die täglich sowohl mit dem Bildungswesen<br />

wie mit der Politik Kontakt hat. Wir halten das Bildungswesen in der Bundesrepublik<br />

für gründlich veränderungbedürftig und wollen dazu eine Menge beitragen.<br />

Was wir wollen<br />

Grundlage unserer Tätigkeit sind die programmatischen Beschlüsse der Partei.<br />

Es ist unser Ziel, das Menschenrecht auf Bildung für alle auch in der Bundesrepublik<br />

zu verwirklichen.<br />

Wir fordern gleiche Bildungsmöglichkeiten für alle Kinder und Jugendlichen.<br />

Wir wollen, dass endlich Schluss gemacht wird, mit der extrem hohen Abhängigkeit<br />

der Bildungsmöglichkeiten und des Bildungserfolgs von der sozialen Herkunft.<br />

Eine grundlegende, sozial gerechte, demokratische Bildungsreform ist in diesem<br />

Lande notwendig.<br />

Wir treten für ein längeres gemeinsames lernen in einer Gemeinschaftsschule ein,<br />

als Alternative zum Bestehenden.<br />

90


Dazu arbeiten wir mit allen Reformwilligen zusammen und wirken in verschiedenen<br />

gemeinsamen Aktivitäten verschiedener gesellschaftlicher Gruppen und Initiativen<br />

auf diese Ziele hin.<br />

Das heißt für unsere konkrete Arbeit:<br />

• Analyse der bildungspolitischen Entwicklungen,<br />

• Diskussion bildungspolitischer Probleme,<br />

• Ausarbeitung von bildungspolitischen Alternativen,<br />

• Mitarbeit an Beschlüssen der Partei, Partei- und Wahlprogrammen,<br />

• Einflussnahme auf programmatische wie aktuelle Debatten,<br />

• Beteiligung an Demonstrationen und Protestveranstaltungen im Lande und auf<br />

internationaler Ebene.<br />

Wir veranstalten etwa viermal im Jahr eine bundesweite öffentliche Beratung -<br />

das Bildungsplenum - auf dem bildungspolitische Themen diskutiert und Erfahrungen<br />

ausgetauscht werden.<br />

Rund alle zwei Jahre findet unsere Bildungspolitische Konferenz in einem<br />

größeren Rahmen statt.<br />

Wir unterstützen die Landesarbeitsgemeinschaften Bildungspolitik und weitere<br />

kommunale und regionale Gruppen.<br />

Unsere regelmäßige Publikation mit dem Titel „ Zukunftswerkstatt Schule“ erscheint<br />

mindestens vierteljährlich.<br />

In regelmäßigen Abständen informieren wir über unserer aktuelle Arbeit und bildungspolitische<br />

Entwicklungen im Internet und in einem Newsletter linke Bildungspolitik.<br />

Wie man bei uns mitarbeiten kann<br />

Wir freuen uns über alle, die in unseren bundesweiten Zusammenschluss von an<br />

linker Bildungspolitik Interessierten mitarbeiten wollen.<br />

Jede kritische und konstruktive Meinung und Mitarbeit ist gefragt.<br />

Dazu kann man:<br />

An unseren Beratungen sowohl auf Bundes- als auf Landesebene teilnehmen; sich<br />

in Fragen der Vorschulerziehung, der Schulpolitik, der Berufsbildungspolitik oder<br />

der Hochschulpolitik wie der Weiterbildung einbringen; in einer der regionalen<br />

Gruppen mitarbeiten oder mit ihnen zusammenarbeiten; unsere Publikationsorgane<br />

abbonieren oder daran mitarbeiten, insbesondere als Autor von Beiträgen; bei<br />

verschiedenen Projekten und bildungspolitischen Kampagnen mitmachen; unsere<br />

Arbeit finanziell durch einmalige oder regelmäßige Spenden unterstützen.<br />

Kontakte über:<br />

AG Bildungspolitik Tel.: 030/ 24 009 641<br />

Maritta Böttcher Fax: 030/ 24 009 561<br />

Kleine Alexanderstr.28 Mail: maritta.boettcher@die-linke.de<br />

10178 Berlin<br />

91


DIE LINKE. Arbeitsgemeinschaft Bildungspolitik<br />

Erklärung<br />

O Hiermit erkläre ich, dass ich in der Arbeitsgemeinschaft<br />

Bildungspolitik mitwirken will.<br />

O Ich möchte in den Verteiler aufgenommen werden<br />

Name:-----------------------------------------------------------------------------------------------------<br />

Vorname:-------------------------------------------------------------------------------------------------<br />

Straße:---------------------------------------------------------------------------------------------------<br />

Ort:---------------------------------------------------------------------------------------------------------<br />

PLZ:-------------------------------------------------------------------------------------------------------<br />

Tel.:--------------------------------------------------------------------------------------------------------<br />

Fax:--------------------------------------------------------------------------------------------------------<br />

E-Mail:-----------------------------------------------------------------------------------------------------<br />

Landesverband:----------------------------------------------------------------------------------------<br />

-<br />

Gebiete der Mitarbeit:---------------------------------------------------------------------------------<br />

Datum: Unterschrift:<br />

An: Maritta Boettcher, Parteivorstand DIE LINKE. Kleine Alexanderstr.<br />

Tel.:030/24009641, Fax:030/24009645, Mail: maritta.boettcher@linkspartei.de<br />

92


Unsere „Bunte Reihe“<br />

<strong>Die</strong> BAG Bildungspolitik beim Parteivorstand der Partei DIE LINKE gibt in loser<br />

Folge Aufsätze (broschürt) von Wissenschaftlern, Praktikern, Schul- und Bildungspolitikern<br />

heraus mit dem Ziel, die offene Diskussion um linke Schul- und Bildungsprogrammatik<br />

zu unterstützen und zu fördern.<br />

Bisher sind erschienen:<br />

Horst Adam<br />

Jugend und Konflikte - pädagogische Überlegungen zur gewaltlosen Konfliktbewältigung<br />

Horst Adam<br />

Gesellschaftlicher Bruch und Erziehungsverständnis<br />

Hans-Georg Hofmann<br />

Max Horkheimer und die Bildung - Das autonome Subjekt als Schöpfer seiner selbst?<br />

(Zum 100. Geburtstag von M. Horkheimer)<br />

Hans-Georg Hofmann<br />

Das Eigene im Fremden und das Fremde im Eigenen<br />

Hans-Georg Hofmann<br />

Zukunftsfähige Entwicklung von Bildung und Wissenschaft<br />

Gerhard Sielski<br />

Deutsches Bildungswesen zwischen Reform, Restauration und Alternativversuchen<br />

Hans-Georg Hofmann<br />

<strong>Die</strong> Ostdeutschen und der Weg zu mehr Demokratie<br />

<strong>Die</strong> Transformation in Ostdeutschland als Sonderfall der internationalen Transformation<br />

von historisch gewachsenen Gesellschaften<br />

Karl-Heinz Schimmelmann<br />

Schule und Arbeitswelt - zur Integration von Arbeit, Wirtschaft und Technik<br />

in die Allgemeinbildung<br />

Gerhard Sielski<br />

<strong>Die</strong> schulpolitische Landschaft im heutigen Deutschland und Ansätze<br />

einer linken Bildungspolitik<br />

Eberhard Mannschatz<br />

Gemeinschaftserziehung und Individualerziehung<br />

Wolfgang Altenburger / Ulrike Wend<br />

Erlebnispädagogik - Praxis gestern und heute<br />

Wolfgang Lobeda<br />

Politische Bildung - Historisches und Aktuelles<br />

Hans-Georg Hofmann<br />

Hat die Zukunft eine Zukunft? Bildung für das kommende Jahrhundert<br />

Edgar Drefenstedt<br />

Deutsche Pädagogen in der Zeit des Kalten Krieges<br />

Aus der Geschichte des gesamtdeutschen Schwelmer Kreises<br />

Hans-Georg Hofmann<br />

Globales Lernen - ein Beitrag zur Globalisierung des Lebens<br />

Alexander Bolz<br />

Gemeinschaftserziehung im Nationalsozialismus<br />

94


Horst Kühn<br />

Chancengleichheit der Geschlechter und Koedukation<br />

Marianne Berge<br />

Das Bild von einer künftigen Gesamtschule für alle<br />

Eberhard Mannschatz<br />

Jugendhilfe und Heimerziehung in der DDR und über die Rolle im heutigen<br />

sozialpädagogischen Diskurs<br />

Eberhard Mannschatz<br />

A. S. Makarenko<br />

über den Zugang zu seinen pädagogischen Auffassungen<br />

Horst Kühn / Wolfgang Lobeda<br />

Blick auf die Jugend und die politische Bildung<br />

Peter Blankenburg<br />

150 Jahre Manifest der Kommunistischen Partei<br />

Reflexionen zur Bildungs- und Schulpolitik<br />

Bernhard Claußen<br />

„Autoritarismus“ und die „Mitte der Gesellschaft“<br />

Bernhard Claußen<br />

Bildung und Kultur als Politikum in der gesellschaftlichen<br />

Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus<br />

Bernhard Claußen<br />

Bildungspolitische Aspekte der Politischen Bildung in Deutschland<br />

AG Bildungspolitik<br />

„Forum Bildung“ und PISA-Diskussion – Ansatz einer Bildungsreform in Deutschland?<br />

AG Bildungspolitik<br />

Nationale Bildungsstandards ein Schritt zur Bildungsreform in Deutschland?<br />

Günter Wilms<br />

Das Bildungswesen der DDR – Ein Rückblick mit Anregungen für eine Bildungsreform in Deutschland<br />

Lothar Gläser<br />

Das deutsche Bildungswesen im Abseits<br />

Hans-Georg Hofmann<br />

Freie humanistische Allgemeinbildung für alle contra verkaufte Bildung. Das neoliberale Bildungskonzept<br />

und Alternativen zur Erneuerung der Bildung<br />

Wolfgang Lobeda, Gerhard Sielski u.a.<br />

Schule in Europa zwischen PISA und Sparprogrammen –Streiflichter Teil I –<br />

Wolfgang Lobeda, Gerhard Sielski u.a.<br />

Schule in Europa zwischen PISA und Sparprogrammen – Streiflichter Teil II -<br />

Zur Bildungsprogrammatik linker Kräfte in europäischen Ländern<br />

INFORMATION – DOKUMENTATION Bildungspolitik 1/2006<br />

Bildungspolitische Aussagen von CDU,CSU,SPD, FDP und Bündnis90/<strong>Die</strong> Grünen<br />

Werner Kienitz<br />

Für eine Schulreform von Skandinavien lernen? Ja, aber sehen, wie es dort anfing.<br />

Preis je Broschüre 1,50 Euro<br />

Erhältlich bei: BAG Bildungspolitik beim Parteivorstand der Partei DIE LINKE<br />

Kleine Alexanderstraße 28<br />

10178 Berlin<br />

95


Z U K U N F T S W E R K S T A T T<br />

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,<br />

S C H U L E<br />

die „Zukunftswerkstatt Schule“ ist das Mitteilungsheft der Bundesarbeitsgemeinschaft<br />

Bildungspolitik beim Parteivorstand der Partei DIE LINKE.<br />

In ihm wird aus linker Sicht zu bildungspolitischen Themen Stellung genommen.<br />

Analysen, Positionen, Entwürfe, Streitpunkte und Informationen über Aktivitäten<br />

der Partei DIE LINKE, ihrer Abgeordneten in den Ländern geben einen Einblick in<br />

bildungspolitische Diskussionen, Positionen und Forderungen sowie Erfahrungen<br />

in der Arbeit der auf bildungspolitischem Gebiet Tätigen, neuerlich auch in Zusammenarbeit<br />

mit anderen linken Gruppen.<br />

Wir wenden uns damit an einen breiten Leserkreis von Bildungsaktivisten, Pädagogen,<br />

Wissenschaftlern, Studenten, Eltern, Schülern und bildungspolitisch Interessierten.<br />

Unsere Leser sind aufgerufen, unser Blatt mit Artikeln, Kritiken und Verbesserungsvorschlägen<br />

mitzugestalten. Es erscheint mindestens 4x im Jahr.<br />

Unsere Bunte Reihe begleitet das Heft mit bildungspolitischen Themen aus der<br />

Feder von Bildungspolitikern und Erziehungswissenschaftlern.<br />

Das Heft wird von einer ehrenamtlichen Redaktion gestaltet, wie auch die Autoren<br />

auf ein Honorar verzichten.<br />

Unsere Anschrift:<br />

Parteivorstand der Partei DIE LINKE<br />

Ansprechpartnerin: Maritta Böttcher<br />

Kleine Alexanderstraße 28, 10178 Berlin<br />

Tel.:030/24009641<br />

E-Mail: maritta.boettcher@die-linke.de<br />

--------------------------------------------------------------------------------------------------------------<br />

Ich möchte:<br />

o Ein Probe-Exemplar Ich spende für die<br />

o Alle Ausgaben Zukunftswerkstatt 10 € / 20 €<br />

• Zusätzlich …..Exemplare zur Werbung<br />

Spendenkonto:<br />

Parteivorstand<br />

Name, Vorname: ............................................. der Partei DIE LINKE<br />

Konto - Nr.:4384840000<br />

Straße: …………………………………………… BLZ:100 200 00<br />

Berliner Bank AG<br />

PLZ: ...................... Ort: …………..………........ Kennwort: Bildungspolitik<br />

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