Interview mit Ian Poulter

POWERFUL PEOPLE
IAN POULTER
Schnelle Autos, stilles Wasser und
überragende Finishes: Der Ryder Cup
Held von 2012 über seine Hobbys
und seine Herausforderungen.
Ian Poulter, 38, ist der erfolgreichste Ryder-Cup-Spieler der Geschichte. Eine überaus seltene Gelegenheit,
ein exklusives Gespräch mit dem britischen Superstar zu führen, ergab sich in Dubai.
Ein Interview, das zur ungezwungenen Plauderei wurde – über Autos, Kinder, den beschwerlichen Weg an die
Spitze, Niederlagen und wie unangenehm es für Ian Poulter wäre, gegen Ian Poulter spielen zu müssen.
IAN POULTER
UND DER RYDER CUP
Rückblende – Ryder Cup 2012
Viel hat nicht gefehlt und Ian Poulter hätte Rory McIlroy wie
einen Truthahn gewürgt - damals in Medinah (USA) im Jahr
2012. Angeschrien hat er den Nordiren jedenfalls, der zu dieser
Zeit der beste Golfspieler der Welt war. Psychologen würden
das vermutlich mit „positiv motivieren“ umschreiben.
McIlroy, der mit dem Briten ein Ryder-Cup-Gespann bilden
durfte (oder musste), war erster Zeuge, wie Poulter am Samstag
die aussichtslose Partie gegen die Amerikaner umdrehte.
Birdie auf der 14, Birdie auf der 15, Birdie auf der 16, Birdie
auf der 17, Birdie auf der 18. Grenzenloser Jubel außerhalb der
USA. Ein Mann hatte sich zum Helden geputtet. „Man müsste
für Ian eine Statue errichten“, sagt José María Olazábal, der
2012er-Kapitän der Europäer.
Die Plauderei
Wir setzen uns auf die Terrasse des Klubhauses. Obwohl
Poulter eineinhalb Stunden in der prallen Sonne Bälle geschlagen
hat, schwitzt er nicht einmal einen Milliliter. Die Kellnerin
bringt Wasser. Wir sind still. Auch das Wasser, mit Eis. Wie
kann man es brechen, ohne so langweilig zu sein wie ein torloses
Remis zwischen Bochum und Sandhausen Mitte Februar?
„Ich habe gelesen, dass Sie ein Autonarr sind. Sie leben in
Orlando, Florida. Wie langweilig ist es, wenn man mit einem
Ferrari nicht schneller als 80 Meilen in der Stunde fahren darf?“
Ian Poulter, der mit dem kleinen weißen Ball bisher mehr als 21
Millionen Euro Preisgeld eingespielt hat, zieht überrascht die
Brauen hoch, blickt dem Gegenüber erstmals tief in die Augen
und lächelt. Welch sympathisches, strahlendes Lächeln! Dann
sagt er nüchtern: „Eigentlich sehr langweilig“, und wir plaudern
ungezwungen draufl os. Sein Fuhrpark umfasst fünf Autos für
den täglichen Gebrauch, einen Rolls-Royce und sieben Ferraris,
von Testarossa über 288 GTO bis F12, gebaut zwischen
1976 und 2014. „90 Prozent meiner Hobbys sind Autos“, sagt
er, „manchmal nehme ich einen Wagen und jage ihn über eine
Rennstecke. Als Flugzeugpilot hätte ich wenig Vertrauen zu
mir, aber im Ferrari schon. Da bin ich ja auf dem Boden.“
Poulter fuhr bereits in Silverstone und Sebring, als Highlight
bezeichnet er die Runden in einem alten Benetton-Formel-
1-Boliden in Südfrankreich. Überhaupt pfl egt er ein Nahverhältnis
zur Königsklasse des Automobilsports, auch weil er seinen
Zweitwohnsitz im englischen Milton Keynes hat. Ebendort
werden die Red-Bull-Autos maßgeschneidert. Er greift zum
iPhone. Falsche Frage? Nein, mit väterlichem Stolz und Daumen
wischt er über das Telefon und präsentiert ein paar Bilder
seines zehnjährigen Sohnes Luke, der in der Fabrik im Formel-
1-Auto sitzen durfte. „Normalerweise sind dort keine Fotos
erlaubt, aber sie haben für uns eine Ausnahme gemacht.“
Luke hat drei Geschwister, Aimee-Leigh (2002), Lilly-Mai
Grace (2009) und Joshua (2012). Mit Katie, der Mama des
Quartetts, ist Poulter seit 2007 verheiratet. „Es tut weh, die
Kinder oft wochen-, ja monatelang nicht zu sehen.“ Und trotzdem
reist die Familie nicht mit ihm um den Globus. „Das wäre
nicht fair. Ich bin jeden Tag auf dem Platz. Sie würden mich
im Hotel kaum sehen. Einen Swimmingpool haben sie auch
daheim. Und ihre Freunde.“
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Dringender Themenwechsel. Let’s talk about golf.
Golf war für Poulter nie ein Hobby, so, wie es neben den
Autos auch Uhren sind. Und der Fußballklub Arsenal London
(er freut sich über die Verpflichtung Özils, fordert einen Topstürmer
und glaubt, dass Mertesacker ein Dogs-Kicker ist).
Golf bedeutete immer harte Arbeit. Disziplin. Als Vierjähriger
wurde er von Vater Terry mit einem abgeschnittenen Dreierholz
auf den Pfad der Jugend geführt, ab dem 15. Lebensjahr
verdiente er seinen Unterhalt in einem Golfshop als Verkäufer.
Bis er 22 war. 200 Euro pro Woche. „Nach der Schule merkte
ich, dass ich keine Zukunft als Fußballer hatte. Ich entschied
mich für Golf.“
Sein erstes Schlägerset hat Poulter vor Jahren einem Freund
geschenkt. Heute möchte er es zurückkaufen, das aktuelle
Angebot steht bei 20 000 Dollar. Der Freund bleibt standhaft.
Ein wahrer Fan. Wohl einer jener Sorte, die im Zelt schlafen,
wenn ihre Helden gen Amerika ziehen. Ein Mann wie Ian Poulter
1993. Als 17-Jähriger besuchte er seine Helden in Wishaw,
Warwickshire, als im Club The Belfry der 30. Ryder Cup gespielt
wurde. Montgomerie, Woosnam, Faldo & Kollegenschaft
verloren gegen die USA 13:15. „Ich schlief mit zwei Freunden
im Zelt. Die Nacht kostete drei Pfund. Ich war verzaubert von
dieser Atmosphäre, dieser einzigartigen Ländermatchstimmung,
und ich hatte plötzlich eine Mission: Ich wollte, musste
es schaffen, dort einmal dabei zu sein.“
Für das Team und für die
Leiden schaft. Der Erfolg kommt –
im Bestfall – automatisch mit.
Der Ryder Cup
Poulter, der sich 1999, sechs Jahre danach, für die European
Tour qualifizierte, schaffte es. 2004, 2010 und 2012 gewann
er mit Europa den prestigeträchtigen Vergleich zwischen den
Kontinenten. Der Brite hat im Ryder Cup keine Einzelpartie
verloren. Keine. Zwölf Siegen stehen drei Niederlagen gegenüber.
Mit dieser 80-Prozent-Erfolgsquote ist er der erfolgreichste
Spieler jener, die bei mehr als 15 Ryder-Cup-Matches
angetreten sind. Unvergessen Poulters Finish vor zwei Jahren
in Medinah (USA), als er am Samstag im Vierer auf den letzten
fünf Löchern fünf Birdies ablieferte und damit die bereits fast
geschlagenen Europäer auf die Siegerstraße führte. „Besser
geht’s nicht“, sagt er heute. Und das sagte auch der Coach
der Europäer, José María Olazábal. „Man müsste für Ian eine
Statue errichten. Diese Leistung im Vierer war übermenschlich.
Er hat unserem Team in der schwierigsten Situation das
Momentum gegeben.“
Wie Poulter dieses Kunststück gelang? „Weil ich verlieren
hasse. Und das macht es schwer, mich zu besiegen. Schreib
das! Ich hasse verlieren. Ich hasse verlieren. Schreib das!“ Ian
Poulter hasst verlieren. Auftrag ausgeführt.
Die Augen des 38-Jährigen leuchten. Er ist jetzt schon „on
fi re“. „Ich wusste in Medinah: Entweder wir werden abgeschlachtet,
oder ich gebe unserem Team mit meiner Präsenz
einen zarten Hoffnungsschimmer.“ Er lächelt milde, gleichermaßen
ein Ausdruck der Gnade, die er mit den Kontrahenten
nicht hat. Nie. Aber was macht ihn so unbesiegbar, wie
kommt’s? Olazábal weiß es: „Es ist allein schon sein Auftreten.
Der Ryder Cup bringt sein großes Kämpferherz so richtig
heraus. Ihn umgibt die Aura des Unbesiegbaren, die ihn
im Matchplay zusammen mit seiner Putt- und Nervenstärke
so gut macht.“
„Ich glaube, ich frustriere sie“, sagt der beste Matchplayer der
Welt. Ob er wohl gegen einen Typen wie sich selbst spielen
möchte? Wie mit dem Driver geschossen, korrigiert er das
spontane Nein. „Ich würde sehr wohl gegen mich spielen wollen.
Damit ich weiß, wie es sich anfühlt. Und ich glaube nicht,
dass ich gegen mich gewinnen würde.“ Ein Satz mit philosophischem
Tiefgang.
Den Ryder Cup liebt Poulter, weil er „über den Reiz des
Geldes hinausgeht“. Freilich sei Geld „very interesting“ im Golf,
ein Bonus, aber der Ryder Cup sei pure Leidenschaft – Golf als
Teamsport, für einen Kontinent, für die Zuschauer. „Wir spielen
für Fans, wie ich einer war, damals in The Belfry. Dessen müssen
wir uns bewusst sein, wenn wir auf den Platz gehen.“
www.ianpoulter.com
Der Erfolg
Weil Honig auch dazu da ist, ihn jemandem um den Mund
zu schmieren, wird Ian Poulter mit der Tatsache konfrontiert,
dass er in Deutschland und Österreich tausende Fans hat, weil
er so ein cooler Typ ist. Freilich gefällt ihm das. „Als ich Profi
wurde, konnte ich den coolen Weg nicht einschlagen, weil ich
zu wenig Geld hatte. Heute fällt mir das leichter.“
Zwölfmal triumphierte der Mann aus Hitchin auf der European
Tour. Ein Major-Sieg fehlt. Zweiter und Dritter bei den British
Open, Dritter bei den PGA Championships – was sind die
Ziele? „In erster Linie möchte ich die British Open gewinnen.
Aber wenn es in Augusta passiert, nehme ich es auch“, lächelt
der zweifache Sieger der Matchplay-Championships. „Und
wenn es mit dem Major nichts wird, kann ich immer noch
sagen, dass der Ryder Cup mein Major ist.“
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