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Der Rosenkavalier - Hamburg Ballett

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›DER ROSENKAVALIER‹<br />

Die Feldmarschallin,<br />

Figurine der Uraufführung<br />

von Alfred Roller<br />

Über den »<strong>Rosenkavalier</strong>« wird oft behauptet, er stelle<br />

einen ästhetischen Rückschritt im Opernschaffen von Strauss<br />

und auch gegenüber anderen Kunstwerken seiner Entstehungszeit<br />

dar. Würden Sie sich dieser Meinung anschließen?<br />

SIMONE YOUNG: Nein,denn Strauss hat stoffgerecht und ganz<br />

dem Genre entsprechend komponiert. In puncto Modernität<br />

war sein extremstes Stück zu dem Zeitpunkt wahrscheinlich<br />

»Elektra«, ein düsteres und emotionsgeladenes Musikdrama.<br />

Mit dem »<strong>Rosenkavalier</strong>« und seinem Mozart-Bezug wechselte<br />

er selbstverständlich in eine musikalische Sprache, die mehr<br />

auf Wortverständlichkeit ausgerichtet war. Strauss beschreibt<br />

die Atmosphäre der Wiener Salons mit Dur-Tonarten und<br />

Walzerrhythmen vielleicht treffender als viele seiner Zeitgenossen.<br />

Aber das ist kein Rückschritt, ganz im Gegenteil. Im<br />

»<strong>Rosenkavalier</strong>« ist schon vieles vorhanden, was er dann in<br />

der »Frau ohne Schatten« weiterführt: besonders wie er für<br />

die Streicher und für die Solobläser schreibt. Da kann man die<br />

Partituren sehr gut miteinander vergleichen. Bei den Proben<br />

zur »Frau ohne Schatten« haben die Orchestermusiker immer<br />

wieder gesagt: Ach, diese und jene Stelle ist ja wie im »<strong>Rosenkavalier</strong>«.<br />

Und das stimmt auch, es gibt musikalische Motive,<br />

die immer wieder vorkommen, weil sie wahrscheinlich für<br />

Strauss einen Symbolgehalt tragen, etwa wenn er Weiblichkeit<br />

beschreibt oder höfische Liebe. Obwohl der »<strong>Rosenkavalier</strong>«<br />

manche tiefsinnigen Momente aufweist, ist er als Komödie<br />

gedacht. Daher ist eine leichtere Hand der Musiksprache angebracht.<br />

für mich seine ganze Charakterisierungskunst.Wenn die Marschallin<br />

richtig interpretiert wird, besitzt sie diese bittersüße<br />

Selbstironie, die der Partie eine gewisse Noblesse verleiht. Und<br />

Strauss praktiziert das gleiche mit seinen Walzern – auch da<br />

ist eine gehörige Portion ironischer Distanz dabei. Selbstverständlich<br />

schreibt er später eine ganz andere Art Walzer für den<br />

turbulenten Wirbel im Wirtshaus: Dann tönt es derb in C-Dur,<br />

mit dumpfen Pauken und aufgeblasenen Hörnern.Wunderbar<br />

ist vor allem diese unglaubliche Minierotik-Szene im ersten<br />

Akt zwischen Octavian und Marschallin, während sie Schokolade<br />

trinken: Das ist eine Verführungsszene im Walzerrhythmus,<br />

A-Dur mit Klarinettensolo – ein Juwel en miniature.<br />

Opernwerkstatt<br />

»<strong>Der</strong> <strong>Rosenkavalier</strong>«<br />

von und mit<br />

Volker Wacker<br />

Opera stabile<br />

Kosten: 46,– €<br />

Freitag,<br />

16. November 2007,<br />

18.00–21.00 Uhr<br />

Fortsetzung<br />

am Sonnabend,<br />

17. November 2007,<br />

11.00–17.00 Uhr<br />

(mit entsprechenden<br />

Pausen)<br />

Was macht die Modernität dieser Komödie aus?<br />

SIMONE YOUNG: Komödien sind für Schriftsteller und auch<br />

für Komponisten viel schwieriger zu schreiben als ernste Stoffe.<br />

Umso mehr, weil mit Hintergründigkeit gearbeitet werden<br />

muss.In den traditionellen Buffo-Opern waren die Textbücher<br />

noch nicht so differenziert, sondern hauptsächlich auf spielerische<br />

Situationen ausgerichtet. Die Komödien im 20. Jahrhundert<br />

konzentrieren sich allerdings viel mehr auf den<br />

Sprachwitz und weniger auf die komische Situation. Mit dem<br />

»<strong>Rosenkavalier</strong>« haben Hofmannsthal und Strauss eine wirklich<br />

perfekte Mischung zwischen burlesker Situationskomödie<br />

– man denke nur an die Szene mit Ochs und dem als »Mariandl«<br />

verkleideten Octavian – und modernem Konversationsstück<br />

gewählt. Die Komik im zweiten Akt und die lyrische<br />

Tiefe einzelner Szenen entstehen vor allem aus der<br />

Sprache. Und das war wirklich etwas Neues. Ich kann mich an<br />

keine ähnliche Komödie aus der Zeit davor erinnern. Selbst<br />

bei Verdis »Falstaff« entsteht die Komik viel mehr aus den<br />

Situationen als aus dem Text.<br />

Das Stück ist durchwebt mit Walzern, wie es sie zu der<br />

von den Autoren angegebenen Spielzeit (nämlich um 1740)<br />

und auch zu Mozarts Zeiten noch gar nicht gab. Welche Funktion<br />

haben sie im »<strong>Rosenkavalier</strong>«?<br />

SIMONE YOUNG: Walzer sind ein fester kompositorischer<br />

Bestandteil im Œuvre von Strauss. Die ganze Schlussszene von<br />

»Elektra« ist ein einziger Walzer.Salomes Auftritt ist ein Walzer,<br />

ein Teil von Salomes Diskurs mit Jochanaan auch. Das lag<br />

damals gewissermaßen in der Luft. Da stand Richard Strauss<br />

seinem Namensvetter Johann Strauß nicht nach. Auch Alban<br />

Bergs »Lulu« ist voller Walzer – es war die musikalische Muttersprache<br />

in Wien. Eine wienerische Musik ist es also, die Strauss<br />

zu höchster Kunst vollendet hat. Die Walzer wirken in seinen<br />

Opern durch alle emotionalen Spannweiten der Situationen<br />

und sind bei ihm fester Bestandteil, wie es die Fuge bei<br />

Hindemith ist.<br />

Strauss weiß immer sehr genau, was er erzählen will: Im<br />

musikalischen Porträt der Marschallin zum Beispiel zeigt sich<br />

Hugo von Hofmannsthal und Richard Strauss<br />

»Die Zeit, die ist ein sonderbar Ding. Wenn man so hinlebt,<br />

ist sie rein gar nichts. Aber dann auf einmal, da spürt<br />

man nichts als sie. Sie ist um uns herum, sie ist auch in uns<br />

drinnen. In den Gesichtern rieselt sie, im Spiegel da rieselt<br />

sie, in meinen Schläfen fließt sie. Und zwischen mir und dir<br />

da fließt sie wieder, lautlos, wie eine Sanduhr.« Die Reflexion<br />

der Marschallin haben Sie, Herr Marelli, als Motto für Ihre<br />

»<strong>Rosenkavalier</strong>«-Inszenierung gewählt. Warum?<br />

MARCO ARTURO MARELLI: Ich kenne keine Oper, in der so oft<br />

und auch so intensiv über die Zeit nachgedacht und gesprochen<br />

wird, wie im »<strong>Rosenkavalier</strong>« von Strauss und Hofmannsthal.<br />

Von den ersten Worten des Librettos – »Wie du<br />

warst! Wie du bist!« – bis zu den letzten, dem »Beieinand-Sein<br />

für alle Zeit und Ewigkeit«, von dem Sophie und Octavian in<br />

ihrem noch sehr jugendlichen Überschwang träumen, ist<br />

andauernd von dem Vergehen von Zeit und den gesellschaftlichen<br />

Veränderungen die Rede. Auf vielfältige Weise hat sich<br />

der Autor Hofmannsthal in seinem Werk mit Fragen, die seine<br />

Epoche am meisten beschäftigten, auseinandergesetzt: Vergänglichkeit,<br />

Veränderung, Verwandlung, Abschied und Tod.<br />

Die Zeit gehört zu den alltäglichen Dingen, von denen wir<br />

glauben, sie fest im Griff zu haben. Doch dies ist nicht so, wir<br />

sind ihr unabwendbar unterworfen bis zu unserem Tode und<br />

können uns ihr nicht entziehen, obwohl wir denken, dass wir<br />

sie durch Zuhilfenahme von Technik ganz gut messen und<br />

bemessen können. Gerne würden wir sie manchmal anhalten<br />

und wie einen Fluss vom Ufer aus betrachten, ohne selbst mitfließen<br />

zu müssen – ähnlich der Marschallin, die im ersten Akt<br />

4 | Journal 2

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