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Massenentlassungen im Nachlassstundungsver- fahren - Transliq

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Philipp Possa / Denise Kreutz, <strong>Massenentlassungen</strong> <strong>im</strong> <strong>Nachlassstundungsver</strong><strong>fahren</strong>, in: Jusletter 4. Januar 2010<br />

Inhaltsübersicht<br />

1. Ratio der Best<strong>im</strong>mungen über die Massenentlassung<br />

2. Begriff der Massenentlassung<br />

3. Ver<strong>fahren</strong><br />

4. Mögliche Folgen bei Verletzung der Vorschriften über die Massenentlassung<br />

5. Ausschluss der Anwendung der Best<strong>im</strong>mungen über die Massenentlassung<br />

5.1 Allgemeines<br />

5.2 Anwendung der Best<strong>im</strong>mungen über die Massenentlassung <strong>im</strong> Konkursver<strong>fahren</strong><br />

5.3 Anwendung der Best<strong>im</strong>mungen über die Massenentlassung <strong>im</strong> Nachlassver<strong>fahren</strong><br />

5.3.1 Die provisorische Nachlassstundung<br />

5.3.2 Die definitive Nachlassstundung<br />

1. Ratio der Best<strong>im</strong>mungen über die<br />

Massenentlassung<br />

[Rz 1] Art. 335f OR verlangt vom Arbeitgeber, die Arbeitnehmer<br />

bzw. die Arbeitnehmervertretung vor einer beabsichtigten<br />

Massenentlassung zu konsultieren (Abs. 1) und ihnen<br />

die Möglichkeit zu geben, Vorschläge zu unterbreiten, wie<br />

die Kündigung vermieden oder deren Zahl beschränkt und<br />

deren Folgen gemildert werden können (Abs. 2). Die Arbeitnehmer<br />

sollen rechtzeitig und umfassend über die geplante<br />

Massenentlassung informiert werden. Dem Arbeitnehmer<br />

sollen insbesondere die Möglichkeiten gegeben werden, den<br />

Arbeitgeber zu veranlassen, von ihnen vorgeschlagene alternative<br />

Massnahmen zu prüfen, bevor er sich endgültig zu<br />

einer Massenentlassung entschliesst. Die Konsultation muss<br />

somit stattfinden, bevor der Arbeitgeber den definitiven Entschluss<br />

gefasst hat, eine Massenentlassung vorzunehmen. 1<br />

Die Best<strong>im</strong>mung von Art. 335f OR geht aber weniger weit,<br />

als die EG-Richtlinie, welche als Zweck der Konsultation das<br />

Erreichen einer Einigung bezeichnet 2 und somit ein ganz<br />

konkretes Resultat verlangt. Der Arbeitgeber muss zwar die<br />

Vorschläge zur Kenntnis nehmen und sie ernsthaft prüfen.<br />

Er muss sie entsprechend in seinen Entscheidungsprozess<br />

einbinden und in diesem Sinne berücksichtigen. Eine gesetzliche<br />

Pflicht des Arbeitgebers, eine Ablehnung der Vorschläge<br />

zu begründen, besteht zwar nicht. Allerdings kann<br />

eine Verpflichtung zur summarischen Begründung aus dem<br />

Grundsatz von Treu und Glauben abgeleitet werden. 3<br />

2. Begriff der Massenentlassung<br />

[Rz 2] Von Massenentlassung ist gem. Art. 335d OR die<br />

Rede, wenn innert 30 Tagen in einem Betrieb Kündigungen<br />

ausgesprochen werden, die in keinem Zusammenhang mit<br />

1<br />

BGE 123 III 176 insb. 180 E. 4; Zusatzbotschaft I, BBl 1992 V 409.<br />

2<br />

Aubert, AJP 1994, 702; Thomas Geiser, Stellenwechsel und Entlassung,<br />

Basel 1997, N 3.48 [Geiser].<br />

3<br />

Thomas Kälin / Kerstin Kirchhoff, Massenentlassung – Ein chronologischer<br />

Überblick, in: Jusletter 5. Oktober 2009, S. 4 f., BSK OR I-Rehbinder/Portmann,<br />

Art. 335f N 3, Lienhard Meyer, Die Massenentlassung,<br />

Diss. Basel, 1999, S. 126, a.M. Geiser, Fn. 2, N 3.52.<br />

der Person des Arbeitnehmers stehen und von denen betroffen<br />

werden:<br />

• mindestens 10 Arbeitnehmer in Betrieben, die in der<br />

Regel mehr als 20 und weniger als 100 Arbeitnehmer<br />

beschäftigen<br />

• mindestens 10% der Arbeitnehmer in Betrieben, die<br />

in der Regel mindestens 100 und weniger als 300<br />

Arbeitnehmer beschäftigen<br />

• mindestens 30 Arbeitnehmer in Betrieben, die in der<br />

Regel mindestens 300 Arbeitnehmer beschäftigen.<br />

[Rz 3] Ersatz- und Aushilfskräfte werden für die Betrachtung<br />

der Betriebsgrösse bzw. der Entlassungen ausser Acht<br />

gelassen. 4<br />

[Rz 4] Die Entlassungen in Form von ordentlichen oder ausserordentlichen<br />

Kündigungen (nicht aber z.B. bei Beendigung<br />

des Arbeitsverhältnisses durch Zeitablauf oder Tod des<br />

Arbeitnehmers) stehen somit in Relation zur eigentlichen<br />

Betriebsgrösse.<br />

[Rz 5] Steht eine solche Massenentlassung bevor, ist der<br />

Arbeitgeber verpflichtet, gewisse Schritte einzuhalten. Er<br />

kann die Kündigungen nicht mehr einfach nach Belieben<br />

aussprechen.<br />

3. Ver<strong>fahren</strong><br />

[Rz 6] Der Arbeitgeber muss gemäss Art. 335f OR die Arbeitnehmervertretung<br />

oder, falls keine solche existiert, sämtliche<br />

Arbeitnehmer schriftlich über die beabsichtigte Massenentlassung<br />

informieren. Die schriftliche Information hat mindestens<br />

folgende Punkte zu enthalten:<br />

• die Gründe der beabsichtigten Massenentlassung<br />

• die Zahl der Arbeitnehmer, denen gekündigt werden<br />

soll<br />

• die Anzahl der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer<br />

• den Zeitraum, in dem die Kündigungen ausgesprochen<br />

werden sollen<br />

[Rz 7] In diesem Informationsschreiben ist den Arbeitnehmern<br />

bzw. deren Vertretung ebenfalls eine Frist anzusetzen,<br />

innerhalb welcher sie Vorschläge unterbreiten können, wie<br />

die Kündigungen vermieden oder deren Anzahl beschränkt<br />

sowie die Folgen gemildert werden können. Zudem ist das<br />

kantonale Arbeitsamt mit einer Kopie des Informationsschreibens<br />

über die geplante Massenentlassung zu informieren.<br />

[Rz 8] Die Frist für die Arbeitnehmer bzw. deren Vertretung<br />

muss so angesetzt sein, dass diese genügend Zeit haben,<br />

ihre Vorschläge zusammenzustellen und einzugeben. Eine<br />

Frist von mindestens 5 Arbeitstagen wird hierfür seitens des<br />

4<br />

BSK OR I-Rehbinder/Portmann, Art. 335d N 2.<br />

2

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