Jüdisches Wien – Erbe und Auftrag
Jüdisches Wien – Erbe und Auftrag
Jüdisches Wien – Erbe und Auftrag
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
nicht interessiert, vertriebenen<br />
Jüdinnen <strong>und</strong> Juden die Heimkehr<br />
zu ermöglichen. Das hat<br />
seinen Gr<strong>und</strong>. Lehrstühle <strong>und</strong><br />
andere Positionen werden von<br />
anderen eingenommen <strong>und</strong> die<br />
Wohnungen der Geflohenen<br />
längst von jemand anderem<br />
bewohnt, auch Geschäfte <strong>und</strong><br />
Betriebe sind in anderen Händen.<br />
In mancher <strong>Wien</strong>er Wohnung<br />
soll es auch heute noch<br />
Möbel, Bilder <strong>und</strong> andere<br />
Gegenstände geben, die einst<br />
einer jüdischen Familie gehört<br />
haben.<br />
Die Frage der Restitution wird<br />
auf die lange Bank geschoben,<br />
die Geschädigten vertröstet<br />
oder durch endlose Prozesse<br />
zermürbt. Viele Politikerinnen<br />
<strong>und</strong> Politiker treten offen für<br />
diese Vorgangsweise ein. Ein<br />
echtes Zeichen wird erst 1965<br />
gesetzt. An der Universität für<br />
Bodenkultur verbreitet seit<br />
Jahren ein Professor offen<br />
antisemitisches Gedankengut:<br />
Taras Borodajkewycz, heftig<br />
gefeiert von der rechten Stu-<br />
dentenschaft. Die Angelegenheit<br />
erregt Aufsehen, es kommt<br />
zu zahlreichen Demonstrationen<br />
für <strong>und</strong> gegen Borodajkewycz.<br />
Am 31. März 1965 wird<br />
bei einer Demonstration der<br />
Kommunist <strong>und</strong> ehemalige KZ-<br />
Häftling Ernst Kirchweger von<br />
einem Neonazi mit einer Stahlrute<br />
verprügelt. Kirchweger<br />
stirbt am 2. April an den Folgen<br />
der schweren Verletzungen.<br />
Die Zweite Republik hat<br />
ihren ersten politischen Mord.<br />
Zur Trauerfeier kamen 25.000<br />
Menschen auf den <strong>Wien</strong>er Heldenplatz,<br />
darunter die gesamte<br />
B<strong>und</strong>esregierung. Man hat<br />
offenbar nachgedacht …<br />
In den Folgejahren kommt es<br />
zu einem Umdenken, vor allem<br />
bedingt durch die Studentenbewegung<br />
der Jahre 1968/69.<br />
Eine neue, anders denkende<br />
Generation rückt in das öffentliche<br />
Leben. Die Erforschung<br />
<strong>und</strong> Aufarbeitung der jüngsten<br />
Geschichte Österreichs ist<br />
fortan kein Tabu mehr.<br />
11