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Casino Gründungsfest 2013 Jürgen Rüttgers, Bundesminister a.D. & Ministerpräsident Nordrhein-Westfalen a.D. Gründungsfest 2013 Seite 12 Koblenz. Wieder einmal hatte sich der Gründungstag des Casino zu Coblenz gejährt. Zum jetzt 205-jährigen Bestehen konnte Jürgen Rüttgers, Bundesminister a.D. und Ministerpäsident a.D. als Redner gewonnen werden. Seinen Festvortrag stellte er unter die Überschrift „Vor der Krise, nach der Krise – Herausforderungen für Politik und Gesellschaft“. Nachdem Olaf Schwickert, Abteilungsdirektor der Debeka Krankenversicherung, im Hause der Debeka die über 400 Gäste begrüßt hatte, überbrachte der Vorsitzende Direktor Hans-Jörg Assenmacher die besten Wünsche zum neuen Jahr. Er führte vor Augen, welchen Wandel der Zeiten die Traditions-Gesellschaft überstanden habe und dass sie noch nach über zwei Jahrhunderten als lebendige Vereinigung im Mittelpunkt des bürgerlichen Lebens, in der Mitte der Stadt stehe. Er gratulierte daher gerne einer anderen Traditions-Gesellschaft in Koblenz, der sich das Casino zu Coblenz eng verbunden fühle, dem „Katholischen Leseverein“, zum 150-jährigen Bestehen. Einen eleganten Übergang auf den folgenden Vortrag von Jürgen Rüttgers fand der Casino-Direktor mit dem Hinweis, dass das Wort Krise aus dem Altgriechischen stamme und dort eine janusköpfi ge Doppeldeutigkeit besitze: Der Streit einerseits und die Entscheidung andererseits. Die Krise spüre man als Ringen im Konfl ikt um eine Lösung. Nach seiner Auffassung sei die jetzt seit Jahren durchlebte Krise nicht ein einziger Konfl ikt, sondern ein tiefgreifender Wandel. Confluere-01-2013-25.indd 12 12.04.13 16:52
Casino Gründungsfest 2013 Überzeugt davon, dass die Krise nicht vorbei sei, ein extremer Wandel noch bevorstehe, ist auch Rüttgers. Zu überwinden sei die Krise nur, wenn es der Zivilgesellschaft gelänge, sich ein gemeinsames Ziel in Europa zu setzen. Die Rheinländer schien er dafür besonders befähigt zu halten, denn er bezeichnete sie als offene Menschen, die ein Gefühl dafür haben, was wichtig ist und wofür es sich lohnt, sich einzusetzen. In den nächsten Jahren sieht der Politiker große Herausforderungen auf die Bürger Europas zukommen. So würden die Beziehungen der Staaten untereinander gänzlich neu ausfallen, die Karten würden neu gemischt. Sich auf die verändernden Beziehungen einzustellen, sei eine Notwendigkeit, fuhr er fort. Anhand von beeindruckenden Zahlen verdeutlichte er, wie sich die Bevölkerung Europas zu der der Weltbevölkerung entwickeln wird. Um 1900 habe noch rund 20 Prozent der Weltbevölkerung in Europa gelebt. Für 2050 würden nur noch gut vier Prozent prognostiziert. Was bleibe dann von Europa, fragte er provokativ. Eine weitere Herausforderung wird das große Thema Energiewende sein, stellte Rüttgers heraus. Sicher sei, dass die Energiewende teuer werde, teurer als gedacht. Auch wenn, anders als die Amerikaner, die er als Optimisten auch in Niederlagen bezeichnete, die Deutschen eher Pessimisten auch im Erfolg seien, sei er sicher, dass „wir es schaffen werden, wenn wir versuchen, es ordentlich in den Griff zu bekommen“. Schließlich hätten wir doch allein in der kurzen Zeit der letzten sechzig Jahre, eine große Anzahl von Veränderungen im Land geschafft. Er erinnerte u.a. an den Wiederaufbau, die Währungsreform, das Wirtschaftswunder, die soziale Marktwirtschaft und die Wiedervereinigung. Als zu bewältigende Herausforderung sieht Rüttgers auch den demografischen Wandel. Er fragte, warum Gesellschaft und Politik das Thema nicht endlich aufgreifen, obwohl doch eigentlich ein umfassendes Wissen dazu vorliegt, dass in den nächsten fünfzig Jahren die Bevölkerung Deutschlands um 15 bis 17 Millionen Einwohner zurückgehe. Aber trotz dieser Entwicklung seien die Deutschen kein sterbendes Volk, entwarnte Rüttgers. Dass es kein wirtschaftliches Wachstum mehr gebe, wenn die Bevölkerungszahlen abnehmen, sei falsch. Man müsse mehr darauf eingehen, dass sich auch die Form der Arbeit verändert habe. Mehr Flexibilität und Mobilität seien nötig. Rüttgers glaubt fest daran, dass das altgediente „Renteneintrittsalter“ bald abgeschafft werde. Jeder sollte für sich entscheiden dürfen, was, wie und wieviel er in welchem Alter arbeite. Das müsse nicht durch die Politik geregelt werden. Und wer sich durch eine weitere Tätigkeit etwas zu seiner Rente hinzuverdienen möchte, solle das in unbegrenzter Höhe tun dürfen. Natürlich kam Rüttgers zum Thema Krise nicht an dem vorbei, was die täglichen Nachrichten füllt: Die Euro-Krise. Als erstes zog er symbolisch den Hut vor den enormen Anpassungsleistungen, die die Menschen in den extremen Krisenländern wie Griechenland, Portugal und auch Spanien durch ihren Verzicht vollbracht hätten. Über die Fortschritte, die erzielt wurden, sollte eigentlich möglichst jede Woche gesprochen werden. Nach seiner Meinung gebe es eine Krise der Ziellosigkeit und der Mutlosigkeit. „Wir müssen uns trauen, etwas anzupacken“, rief Rüttgers auf. Schließlich sei Europa das beste Projekt, das es je gegeben habe. Die Idee Europas, seine Leitbilder seien Freiheit, Rechtsstaat und Solidarität. Es eine die Länder Europas keine gemeinsame Religion, keine gemeinsame Sprache, keine gemeinsame Geschichte, aber eine gemeinsame Kultur. Rüttgers rüttelte auf: Jetzt müsse man den Mut dazu haben, im deutschfranzösischen Verhältnis weiter zu gehen, damit der deutsch-französische Motor Europa weiter antreibe. Daran zu arbeiten sei aber nicht nur die Aufgabe der Politik, sondern erst einmal der Zivilgesellschaft, zu der auch die Gesellschaft gehöre, die an diesem Tag ihr Gründungsfest feiere. Nach dem einstündigen Vortrag von Jürgen Rüttgers bedankte sich Assenmacher für dessen außerordentlich facettenreiche Rede. Sein klares Plädoyer für Europa habe gutgetan. Er habe alle Probleme nicht nur gestreift, sondern sie so eingeordnet, dass sie nicht Probleme blieben, sondern dass sie zu lösen seien. Er stimmte zu, dass über Ziele nicht nur geredet werden dürfe, sondern der Wille diese zu erreichen, entscheidend sei. Musikalisch umrahmt wurde die Veranstaltung durch zwei Absolventen der 2007 gegründeten „Koblenz International Guitar Academy“, die Gitarristen Russell Poyner und Pavel Shamshura, die glänzend abgestimmt auf das Thema „deutschfranzösische Freundschaft“ das im Jahr 1828 komponierte Stück „L‘Encouragement“ von Fernando Sor zum Abschluss darboten. Gerne folgten die Gäste der Einladung zum abschließenden Weinempfang im Foyer wo noch viele gute Gespräche über Europa, Deutschland und Koblenz geführt wurden. Barbara Senger Seite 13 Confluere-01-2013-25.indd 13 12.04.13 16:52
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