AH_S41_Friesische Heimat_20130518 - Anzeiger für Harlingerland
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9. Beilage ANZEIGER FÜR HARLINGERLAND 18. Mai 2013<br />
Friedrich II. und die Nordseeküste<br />
PREUßENKÖNIG Friedrichsschleuse und Friedrichsgroden wurden nach ihm benannt<br />
1744 nahm Hauptmann<br />
von Treskow mit einem<br />
Kommando von 80 Mann<br />
Aurich in Besitz.<br />
VON KARL-HEINZ DE WALL<br />
CAROLINENSIEL – 2012 war <strong>für</strong><br />
das historische Preußen ein<br />
besonderes Jubiläumsjahr.<br />
Ausstellungen zum Beispiel im<br />
Deutschen Historischen Museum<br />
in Berlin, Geschichtsmagazine<br />
und andere Publikationen<br />
erinnerten an den 300. Geburtstag<br />
Friedrich II. (des Großen),<br />
der am 24. Januar 1712<br />
das Licht der Welt erblickte. Als<br />
Preußenkönig in den Jahren<br />
1740 bis 1786 war er in erster<br />
Linie der Regent der Landstriche<br />
östlich der Elbe mit dem<br />
sich entwickelnden Zentrum<br />
Berlin.<br />
Aber wie kaum an einen anderen<br />
Staatsmann der Neuzeit<br />
erinnert man sich an ihn als<br />
den „ersten Diener seines Staates“.<br />
Eckpunkte seines politischen<br />
Lebens waren die Eroberung<br />
Schlesiens, die Einbeziehung<br />
von Teilen Polens in sein<br />
Reich und die Entwicklung<br />
Preußens zu einer europäischen<br />
Großmacht. Die langen<br />
Friedensjahrzehnte waren geprägt<br />
von der Förderung der<br />
Wirtschaft, dem Aufbau eines<br />
umfassenden Bildungs- und<br />
Rechtswesens und dem sorgsamen<br />
Umgang mit der Finanzkraft<br />
des Staates.<br />
Aber der Preußenkönig und<br />
die Nordseeküste? „…Kaum<br />
war das Gerüchte von dem Absterben<br />
des Fürsten erschollen,<br />
so sah man schon an dem<br />
nächsten nämlichen Tage die<br />
preußischen Adler an den<br />
Wachthäusern, Thoren und<br />
Posthäusern, erst in Emden<br />
und dann in dem ganzen Lande<br />
angeschlagen. Der Ostfriese<br />
staunte sie an. Es war ihm ein<br />
unauflösliches Räthsel, woher<br />
Die Schleuse innerhalb der Harle zwischen Carolinensiel und Harlesiel erhielt nach Friedrich<br />
dem Großen die Bezeichnung „Friedrichsschleuse“.<br />
BILD: DETLEF KIESÉ<br />
in so kurzer Zeit die schwarzen<br />
Adler gekommen seyn möchten….“,<br />
notierte der ostfriesische<br />
Geschichtsschreiber Tileman<br />
Dothias Wiarda zu den<br />
hektischen Tagen im Mai und<br />
Juni 1744.<br />
Ostfriesland preußisch<br />
Nun, was sich bereits hinter<br />
den Kulissen abgespielt hatte,<br />
erfuhren die einfachen Städter<br />
und Landleute kaum. Die fast<br />
300-jährige Herrschaft der<br />
Cirksena über Ostfriesland endete<br />
mit dem Tode des Fürsten<br />
Carl Edzard in der Nacht vom<br />
25. auf den 26. Mai 1744. Weil<br />
es an einem Nachkommen als<br />
Herrschaftsnachfolger fehlte,<br />
musste das Land einem neuen<br />
Regenten zufallen. Der Übergang<br />
Ostfrieslands an Preußen<br />
im Frühjahr 1744 war nun aber<br />
keine spontane Entscheidung,<br />
sondern seit Jahrzehnten vorbereitet<br />
worden. Preußen war<br />
auch nicht der einzige Anwärter<br />
auf das „herrenlos“ gewordene<br />
Ländchen an der Nordseeküste,<br />
denn auch das Königreich<br />
England-Hannover,<br />
die Gräfin von Kaunitz-Rietberg,<br />
der Graf von Wied-Runkel<br />
und die Prinzessin Friederike-Wilhelmine<br />
bemühten sich<br />
um die Nachfolge. Daneben<br />
wurden noch Sonderansprüche<br />
auf das <strong>Harlingerland</strong> geltend<br />
gemacht.<br />
Preußen hatte bereits in<br />
Emden Fuß gefasst und sich im<br />
Laufe der Zeit zahlreiche Rechte<br />
zusichern lassen. Eine brandenburgische<br />
Garnison stand<br />
in Emden und Kur<strong>für</strong>st Friedrich<br />
III. erlange schließlich im<br />
Jahre 1694 – weil der Kaiser in<br />
einer anderen Sache auf seine<br />
Hilfe angewiesen war – das seit<br />
Jahren angestrebte Anwartschaftsrecht<br />
auf Ostfriesland.<br />
Das ostfriesische Fürstenhaus<br />
wehrte sich, indem es mit den<br />
Regenten Hannovers einen<br />
Erbverbrüderungsvertrag<br />
schloss. Verhandlungen, Verträge<br />
und vieles andere mehr,<br />
die sich meist im Verborgenen<br />
abspielten. In Emden lagen allerdings<br />
in diesem Frühjahr<br />
1744 schon die gedruckten Besitzergreifungspatente<br />
und<br />
Wappenschilder bereit, alles<br />
wartete auf den Tod Carl Edzards.<br />
Bei der Besitzergreifung<br />
brachte Preußen auch sogleich<br />
seine militärische<br />
Macht ins Spiel. Am 1. Juni<br />
1744 nahm der aus Emden heranrückende<br />
Hauptmann von<br />
Treskow mit einem Kommando<br />
von 80 Mann Aurich in Besitz.<br />
Die ganze Aktion ging ohne<br />
Blutvergießen vor sich, die<br />
<strong>für</strong>stlichen Soldaten traten in<br />
den preußischen Dienst über.<br />
König Friedrich II. weilte in<br />
Pyrmont zur Kur, als ihn am<br />
28. Mai 1744 die Nachricht<br />
vom Tode Carl Edzards erreichte.<br />
FORTSETZUNG SEITE 2<br />
Ist’s im Mai recht kalt und naß, haben die Maikäfer wenig Spaß.<br />
ALTE BAUERNREGEL
FORTSETZUNG VON SEITE 1<br />
Um sich notfalls gegen hannoversche<br />
Ansprüche auf Ostfriesland<br />
behaupten zu können,<br />
ließ er ein Kontingent von<br />
460 Soldaten aus Wesel in<br />
Marsch setzen. Sie überschritten<br />
am 7. Juni 1744 die südliche<br />
Landesgrenze und erreichten<br />
Tags darauf Aurich. Fremde<br />
Soldaten, die sich noch im<br />
Lande aufhielten, zogen nun<br />
ab, Verwaltungsspitzen wurden<br />
ausgewechselt.<br />
Am 20. Juni 1744 eröffneten<br />
die Stände ihren ersten Landtag<br />
unter preußischer Regierung.<br />
Die Verhandlungen mit<br />
den preußischen Bevollmächtigten<br />
verliefen zügig, so dass<br />
bereits am 23. Juni 1744 die<br />
Huldigung des neuen Landesherrn<br />
förmlich vollzogen werden<br />
konnte. „Als man an diesem<br />
Punkte stand“ schreibt<br />
Heinrich Reimers in seinem<br />
Geschichtswerk „Ostfriesland<br />
bis zum Aussterben seines<br />
Fürstenhauses“ über die hektischen<br />
Tage im Mai/Juni 1744,<br />
„war das ostfriesische Staatswesen<br />
bis in seine Tiefen hinein<br />
erschüttert. Das, was ihm<br />
der Anschluß an jeden starken<br />
Staat an Lösendem und Befreiendem<br />
bringen mußte,<br />
wurde ihm nunmehr durch<br />
den Staat Friedrichs des Großen<br />
vermittelt…“.<br />
Friedrich II. führte in der<br />
langen Reihe seiner Titel – so<br />
ist in allen förmlichen Urkunden<br />
nachzulesen – sorgsam<br />
den Titel eines „Fürsten zu<br />
Ostfriesland“ und unter dem<br />
„etc“ in den gedruckten<br />
Schriftstücken verbirgt sich<br />
auch der „Herr von Esens, Stedesdorf<br />
und Wittmund“.<br />
Zwei Küsten-Besuche<br />
Zweimal hat er in seiner langen<br />
Regentschaft das kleine,<br />
fernab von den preußischen<br />
Kerngebieten gelegene Ländchen<br />
an der Nordseeküste besucht.<br />
1751 war er Emden, um<br />
dann nach Lingen weiter zu<br />
reisen. 1755 war wiederum<br />
Emden das Ziel mit einem kurzen<br />
Abstecher nach Aurich.<br />
Zahlreiche Rechtsvorschriften,<br />
die das innere Leben Ostfrieslands<br />
neu regelten, gehen<br />
auf den Preußenkönig zurück.<br />
Genannt seien hier das Forstund<br />
Jagd-Edict <strong>für</strong> Ostfriesland<br />
vom 28. September 1745, das<br />
Edict wider das Heyde-Brennen<br />
in Ostfriesland vom 20.<br />
Oktober 1747, die Brand- und<br />
Feuer-Ordnung <strong>für</strong> das Amt<br />
und Flecken Wittmund vom 7.<br />
Mai 1748, das Edict wegen Ausrottung<br />
der Sperlinge und Krähen<br />
im Fürstenthum Ostfriesund<br />
dem <strong>Harlingerland</strong>e vom<br />
14. Mai 1748, das Patent über<br />
den „Porto-Franco-Hafen“ zu<br />
Emden vom 15. November<br />
1751, das „Edict, wie die würklichen<br />
Armen in Ostfriesland<br />
versorget und verpfleget, die<br />
muthwilligen Bettler bestrafet<br />
und zur Arbeit angehalten und<br />
überhaupt keine Bettler geduldet<br />
werden sollen“ vom 4. Dezember<br />
1759, das General-<br />
Landschulreglement vom 12.<br />
August 1763, das Urbarmachungsedikt<br />
vom 22. Juli 1765<br />
und vieles andere mehr.<br />
Ostfriesland war aber auch<br />
in vielerlei Hinsicht anders als<br />
die übrigen preußischen Provinzen.<br />
Die Stände behielten<br />
das Recht der Steuerhoheit<br />
und -erhebung, mussten da<strong>für</strong><br />
aber jährlich 24 000 Reichstaler<br />
an den preußischen Staat abführen.<br />
Unter dem Aspekt, dass<br />
Bei der heutigen Friedrichsschleuse in Carolinensiel - Harlesiel<br />
erinnert ein Gedenkstein an das Erbauungsjahr der ersten<br />
Schleuse: 1765.<br />
BILD: KARL-HEINZ DE WALL<br />
Symbolträchtig im Jubiläumsjahr: Das Grab Friedrichs des Großen im Schlosspark Sancoussi,<br />
geschmückt mit einer Kartoffel.<br />
BILD: KARL-HEINZ DE WALL<br />
die Söhne freier Bauern nicht<br />
in die „soziale Erniedrigung<br />
einer Uniform …und die Disziplinierung<br />
einer Söldnertruppe<br />
herabgewürdigt werden<br />
könnten“ (so Heinrich Schmidt<br />
in seinem Werk Politische Geschichte<br />
Ostfrieslands) handelten<br />
die Stände gegen eine jährliche<br />
Geldzahlung von 16 000<br />
Reichstalern eine Befreiung<br />
von der Rekrutenstellung <strong>für</strong><br />
den preußischen Staat aus.<br />
Einkünfte aus Domänen<br />
Neben diesen Geldern standen<br />
Preußen künftig auch die<br />
Einnahmen aus zahlreichen<br />
Domänen zu, gleichzeitig waren<br />
aber die vom Hause Cirksena<br />
hinterlassenen Schulden<br />
abzutragen. Im Übrigen wurden<br />
alle nicht benötigten mobilen<br />
Werte (wie die Fürstenbibliothek)<br />
veräußert, ebenso<br />
die militärisch wertlos gewordenen<br />
Burgen im Lande aufgegeben,<br />
vielfach zum Abbruch<br />
verkauft, wie auch die Inventar-<br />
und Arsenalbestände.<br />
Ostfriesland war nun –<br />
wenn auch mit einer gewissen<br />
Sonderrolle – Teil Preußens<br />
und teilte dessen Schicksal.<br />
Das Land profitierte von einer<br />
größeren Rechtssicherheit und<br />
den zahlreichen Maßnahmen<br />
zur Wirtschaftsförderung (Freihafen<br />
Emden, Gründung von<br />
Handelskompanien, Fischereiwesen,<br />
innere Kolonisation,<br />
etc.), wurde aber auch früh in<br />
kriegerische Auseinandersetzungen<br />
einbezogen.<br />
Als 1756 mit dem dritten<br />
schlesischen Krieg der Siebenjährige<br />
Krieg ausbrach, gab<br />
Preußen sogleich den militärischen<br />
Schutz seiner Provinzen<br />
im Westen auf. Französische<br />
Truppen kamen an die Nordseeküste,<br />
später ein französisches<br />
Freikorps. Preußen stand<br />
also nicht rückhaltlos <strong>für</strong> den<br />
Schutz seiner Neuerwerbung<br />
ein – wie es ja überhaupt den<br />
Siebenjährigen Krieg beinahe<br />
verloren hätte.<br />
Die folgenden Jahrzehnte<br />
führten zu einer wirtschaftlichen<br />
Stabilisierung. Zahlreiche<br />
Fehnkolonien entstanden, die<br />
Torfproduktion vervielfachte<br />
sich, Neuland an der Küste<br />
wurde gewonnen, die Getreidepreise<br />
stiegen, Handel und<br />
Wandel florierten, kleine Fabriken<br />
und „fabrikähnliche Etablissements“<br />
gesellten sich hinzu.<br />
Eine Zeit der Blüte, getragen<br />
von einer guten Konjunkturentwicklung<br />
in ganz Europa.<br />
Friedrichsgroden<br />
An die Zeit Friedrichs des<br />
Großen erinnern der über 500<br />
Hektar große Friedrichsgroden<br />
und die Friedrichsschleuse bei<br />
Carolinensiel. Seinerzeit (1765)<br />
wurden die aus dem Grenzvergleich<br />
zwischen dem Jeverland<br />
und Ostfriesland gezahlten<br />
11 000 Reichstaler <strong>für</strong> diese<br />
Projekte verwendet. Die Eindeichung<br />
des Grodens erfolgte<br />
durch den preußischen Staat,<br />
der die Ländereien zunächst in<br />
Erbpacht ausgab. Schließlich<br />
erwarb die Ostfriesische Landschaft<br />
die gesamte Grodenfläche,<br />
später gingen die Ländereien<br />
in das Privateigentum der<br />
Landwirte über.<br />
Die 1765 erbaute Friedrichsschleuse<br />
war ein offenes<br />
Siel, so dass die Carolinensieler<br />
Hafenanlagen weiter genutzt<br />
werden konnten. Über die<br />
1801 erneuerte Friedrichsschleuse<br />
wurde zuletzt ein<br />
knapp 20 000 Hektar großes<br />
Gebiet entwässert, von dem<br />
große Teile nur etwa einen halben<br />
Meter über dem mittleren<br />
Hochwasser lagen. Weil dieser<br />
Zustand in längeren Regenperioden<br />
stets zu Überschwemmungen<br />
im Hinterland führte,<br />
war schon lange beabsichtigt,<br />
das alte Siel durch einen leistungsfähigen<br />
Neubau zu ersetzen.<br />
Ein Unglück trieb die alten<br />
Pläne entscheidend voran: In<br />
der Sturmflut am 31. Januar/1.<br />
Februar 1953 wurde die Friedrichsschleuse<br />
unterläufig –<br />
Seewasser drang unter ihre<br />
Sohle hindurch ins Binnenland<br />
ein. FORTSETZUNG SEITE 4
Im Boden Goldschalen entdeckt<br />
AUSSTELLUNG 1872 erregte der Fund zweier goldener Gefäße in Terheide Aufsehen<br />
Die Goldschalen von Terheide sind derzeit zur Ausstellung „Land der Entdeckungen“ im Landesmuseum Emden zu sehen –<br />
im Original.<br />
BILD: NIEDERSÄCHSISCHES LANDESMUSEUM HANNOVER, CHRISTINA KOHNEN, OSTFRIESISCHE LANDSCHAFT<br />
Diese Exponate sind derzeit<br />
unter dem Thema<br />
„Land der Entdeckungen“<br />
im Landesmuseum<br />
zu sehen.<br />
WESTERHOLT/EMDEN/DK – 1872<br />
erregte der Fund zweier goldener<br />
Gefäße in Terheide bei<br />
Westerholt großes Aufsehen.<br />
Der Straßenbauarbeiter J. B.<br />
Braams stieß am 15. Januar<br />
1872 bei der Arbeit unterhalb<br />
eines zuvor eingeebneten Hügels<br />
auf einen harten Gegenstand<br />
im Boden und wollte<br />
den vermeintlichen Stein aus<br />
dem Weg räumen. Der harte<br />
Gegenstand erwies sich allerdings<br />
nicht als Stein, sondern<br />
als Tongefäß.<br />
Braams fand zunächst eine<br />
goldene Schale. Ein weiteres<br />
fast identisches Gefäß entdeckte<br />
man wenig später an<br />
selber Stelle. Gleichzeitig<br />
konnten Scherben von einem<br />
Tongefäß, worin die beiden<br />
Goldschalen vermutlich vergraben<br />
wurden, sichergestellt<br />
werden. Beide Gefäße sind etwa<br />
sechs Zentimeter hoch und<br />
haben einem Randdurchmesser<br />
von etwa zehn Zentimetern.<br />
Sie sind gearbeitet aus<br />
fünf Millimeter starkem Goldblech,<br />
in das Elementen wie<br />
zeittypische Buckel und konzentrische<br />
Kreisen („Kreisaugen“)<br />
getrieben wurden. Beide<br />
Motive waren wahrscheinlich<br />
Symbole <strong>für</strong> die Sonne, die<br />
eine ähnliche kultische Bedeutung<br />
wie später das Kreuz<br />
der Christen gehabt haben.<br />
Unter Fachleuten ist bis heute<br />
unklar, ob es sich bei dem<br />
Fund um einen Opfer-,<br />
Schatz- oder Grabfund handelt.<br />
Die Schalen wurden<br />
eventuell bei kultischen<br />
Handlungen verwendet. Ob<br />
sie Grabbeigaben oder ein Opfer<br />
waren, ist nicht mehr zu ermitteln.<br />
Innerhalb von Dünen<br />
Die damals gebaute Straße<br />
verlief durch ein heute nicht<br />
mehr vorhandenes Dünengebiet.<br />
Vermutlich war an der<br />
späteren Fundstelle ein Sandhügel<br />
geschliffen worden. Eindeutige<br />
Hinweise auf einen<br />
ehemaligen Grabhügel fehlen<br />
jedoch. Auch, wenn es keine<br />
eindeutigen Datierungsmerkmale<br />
gibt und auch das Keramikgefäß<br />
nicht mehr erhalten<br />
ist, das zur Datierung hätte<br />
herangezogen werden können,<br />
kann die Herstellung der<br />
Schalen aufgrund ihrer Ähnlichkeit<br />
mit anderen Goldbechern<br />
und auch mit den sogenannten<br />
Goldhüten in der<br />
jüngeren Bronzezeit angenommen<br />
werden.<br />
Die Goldschalen von Terheide,<br />
die zu den spektakulärsten<br />
Funden im <strong>Harlingerland</strong><br />
gehören, wurden vom<br />
Provinzialmuseum Hannover<br />
angekauft. Sie wurden auf die<br />
jüngere Bronzezeit (1200 bis<br />
750 vor Christus) datiert und<br />
gehören zum Bestand des Niedersächsischen<br />
Landesmuseums<br />
Hannover.<br />
Die Goldschalen gehören<br />
zu den seltensten Funden der<br />
Bronzezeit und belegen eine<br />
kulturelle Anbindung Ostfrieslands<br />
an Südskandinavien, an<br />
den sogenannten „nordischen<br />
Kreis“. Dort fand man mit 60<br />
DIE AUSSTELLUNG<br />
„Land der Entdeckungen“<br />
ist ein grenzüberschreitendes<br />
Ausstellungsprojekt<br />
mit den Niederlanden.<br />
Thema ist die<br />
Archäologie des gesamten<br />
friesischen Küstenraumes.<br />
Die Ausstellung bis noch<br />
bis zum 16. Juni im Ostfriesischen<br />
Landesmuseum<br />
Emden im Rathaus<br />
am Delft zu sehen.<br />
Die Öffnungszeiten sind<br />
dienstags bis sonntags<br />
von 10 bis 18 Uhr. Der<br />
Eintritt beläuft sich auf<br />
sechs Euro (ermäßigt drei<br />
Euro), Kinder und Jugendliche<br />
bis 15 Jahre sind<br />
frei.<br />
P @ www.land-derentdeckungen.de<br />
Exemplaren die größte Anzahl<br />
dieser Gefäße. Mit dem Fund<br />
vor den Toren der Ortschaft<br />
Westerholt ist daher<br />
auch ein unschätzbarer kulturgeschichtlicher<br />
Wert verknüpft.<br />
Experten schließen<br />
aufgrund fehlender Gebrauchsspuren<br />
eine Funktion<br />
als Trinkgefäße aus.<br />
Weitere Geheimnisse<br />
Im Marsch-, Geest- und<br />
Moorboden zwischen Jadebusen<br />
und Zuiderzee verbergen<br />
sich noch weitere Geheimnisse<br />
und Spuren einer vielschichtigen<br />
Vergangenheit.<br />
Das Ausstellungsprojekt<br />
„Land der Endeckungen – Die<br />
Archäologie des friesischen<br />
Küstenraums“ lüftet daher<br />
erstmals einige dieser Geheimnisse<br />
und lädt zu einer<br />
grenzübergreifenden archäologischen<br />
Expedition in die<br />
Geschichte der Region ein. In<br />
Ostfriesland und den Niederlanden<br />
präsentieren 2013 und<br />
2014 vier Sonderausstellungen<br />
die wichtigsten Forschungsergebnisse<br />
des friesischen<br />
Küstenraums und ziehen eine<br />
Bilanz der letzten 50 Jahre.<br />
Mit diesem Ausstellungsprojekt<br />
der Ostfriesischen<br />
Landschaft soll die archäologische<br />
Forschungsarbeit <strong>für</strong> Besucher<br />
nachvollziehbar werden<br />
und darüber hinaus <strong>für</strong><br />
die Themen Denkmalschutz<br />
und Denkmalpflege sensibilisieren.
FORTSETZUNG VON SEITE 2<br />
So musste unverzüglich ein<br />
Neubau in Angriff genommen<br />
werden. Im August 1953 begannen<br />
die Arbeiten, und<br />
schon 1955 konnten Siel,<br />
Schöpfwerk sowie ein Teil des<br />
Außen- und Binnenhafens im<br />
weiter nördlich gelegenen<br />
Harlesiel in Benutzung genommen<br />
werden. Die Friedrichsschleuse<br />
ist seither<br />
ständig geöffnet und kann von<br />
Sportbooten und anderen<br />
Wasserfahrzeugen durchfahren<br />
werden. Der Ort selbst<br />
entwickelte sich in den letzten<br />
Jahrzehnten zu einem interessanten<br />
Ziel im Fremdenverkehrsraum<br />
Carolinensiel –<br />
Friedrichsschleuse – Harlesiel.<br />
Emden ehrte seine brandenburgisch-preußischen<br />
Gönner durch große Statuen,<br />
die heute an der Knock zu bewundern<br />
sind. Preußen hatte<br />
jetzt erstmals Fuß an der<br />
Nordsee gefasst. Und auch das<br />
oldenburgische Regierhaus<br />
stand sich gut mit den Preußen,<br />
zumal einer der Regenten<br />
mit einem Bruder Friedrichs<br />
II. verschwägert gewesen sein<br />
soll.<br />
Großer Staatsschatz<br />
Als Friedrich II. am 17. August<br />
1786 auf Sanssouci starb,<br />
hinterließ er einen in der Bevölkerung<br />
und unter den<br />
europäischen Nachbarn hoch<br />
angesehenen Staat. Preußen<br />
hatte sich von einem kleinen<br />
Landstrich im Osten zu einer<br />
der stärksten Mächte des Kontinents<br />
entwickelt. Der Staatsschatz<br />
belief sich auf mehr als<br />
70 Millionen Reichstaler, die<br />
Heeresstärke auf 200 000<br />
Mann, Handel und Wandel<br />
blühten. Aber es gab auch Tadel.<br />
Mutige Worte fanden zum<br />
Beispiel die Autoren des<br />
Brockhaus’schen Conversationslexikons<br />
von 1884, die seine<br />
einseitige Verstandesausrichtung<br />
(gepaart mit Menschenverachtung<br />
und Argwohn),<br />
seine übertriebene<br />
Neigung zur französischen<br />
Bildung und Literatur (gepaart<br />
mit einer gänzlichen Unbekanntschaft<br />
des deutschen<br />
Geisteslebens). seine Geringschätzung<br />
der Religion und<br />
anderes mehr erwähnten.<br />
Friedrich der Große soll seinen<br />
letzten Lebensabschnitt<br />
in zunehmender Einsamkeit<br />
verbracht haben. „Unser Leben<br />
ist ein flüchtiger Übergang<br />
von dem Augenblicke der<br />
Geburt zu dem des Todes“,<br />
diktierte er in sein Testament.<br />
Die Welt da draußen war nach<br />
einer Regentenzeit von fast<br />
einem halben Jahrhundert<br />
schon wieder eine andere geworden.<br />
Hexenjagd auf Wohltäter der Stadt<br />
PERSONALIE Leeraner Bürgermeister Erich vom Bruch vor 80 Jahren gestorben<br />
Er glänzte durch Kompetenz,<br />
ungewöhnliche<br />
Zukunfts-Vorstellungen,<br />
Zivilcourage und<br />
Engagement <strong>für</strong> das<br />
Gemeinwohl.<br />
VON MARTIN STOLZENAU<br />
LEER – Im Rathaus der ostfriesischen<br />
Stadt Leer gehört zur<br />
Galerie der Bürgermeister<br />
auch ein Porträt von Erich<br />
vom Bruch. Außerdem trägt<br />
inzwischen die frühere Rathausbrücke<br />
der Stadt seinen<br />
Namen. Damit ehrt die Stadt<br />
endlich jenen Kommunalpolitiker,<br />
der in der Weimarer Republik<br />
viele Jahre selbstlos<br />
und unbestechlich <strong>für</strong> das<br />
Wohl der Stadt gesorgt hatte<br />
und dann durch eine von den<br />
Nazis inszenierte Hexenjagd<br />
in den Tod getrieben wurde.<br />
Zum 80. Todestag des ehemaligen<br />
Bürgermeisters möchte<br />
man an das einstige Fehlverhalten<br />
großer Teile der Stadtbevölkerung<br />
nicht mehr erinnert<br />
werden.<br />
Erich vom Bruch wurde am<br />
29. Oktober 1885 in Solingen<br />
geboren. Sein Vater war Kaufmann<br />
und förderte den Aufstieg<br />
seines vielseitig interessierten<br />
Sohnes nach Kräften.<br />
Bruch besuchte das Gymnasium<br />
in Solingen, studierte<br />
nach dem Abitur ab 1904<br />
nacheinander an den Universitäten<br />
in Marburg, Bonn sowie<br />
Tübingen vor allem Volkswirtschaftslehre<br />
und Rechtswissenschaften.<br />
Es folgten die<br />
Promotion, die Tätigkeit in<br />
verschiedenen Justizverwaltungen,<br />
das Gerichtsassessor-<br />
Examen und ab 1917 die<br />
Arbeit als Beigeordneter im<br />
Nachbarort Ohlig. Dann<br />
nahm seine Karriere Fahrt auf.<br />
Bruch wurde am 27. Oktober<br />
1920 durch das Bürgervorsteherkollegium<br />
der Stadt<br />
Leer in Ostfriesland zum Bürgermeister<br />
der Stadt gewählt.<br />
Zwei Tage vor seinem 35. Geburtstag.<br />
Aus heutiger Sicht<br />
erwies sich diese Wahl <strong>für</strong> die<br />
Stadt als Glücksgriff. Bruch<br />
glänzte schnell durch Kompetenz,<br />
ungewöhnliche Zukunfts-Vorstellungen,<br />
Zivilcourage<br />
und Engagement <strong>für</strong><br />
das Gemeinwohl. Er vollendete<br />
im ersten Schritt die begonnenen<br />
Arbeiten seiner Vorgänger.<br />
Das reichte vom Bau<br />
der Seeschleuse über ein neues<br />
Hafenbecken bis zur Eindeichung<br />
der Ems.<br />
Alte Zöpfe abschneiden<br />
Bruch modernisierte parallel<br />
die Verwaltung, um mit ihr<br />
den wirtschaftlichen Fortschritt<br />
<strong>für</strong> den Ort zu erreichen,<br />
trennte sich von alten<br />
Gewohnheiten, die <strong>für</strong> Verluste<br />
verantwortlich waren, und<br />
sorgte auch gegen den Widerstand<br />
konservativer Kräfte in<br />
allen Amtsstuben <strong>für</strong> frischen<br />
Wind. Dann kamen die nächsten<br />
Schritte. Dazu zählten<br />
neue Dämme, die Errichtung<br />
der Kanalisation, der Bau<br />
einer Abwrackwerft, eine neue<br />
Muschelkalkmühle und die<br />
Umwandlung des Weidelandes<br />
an der Nesse in ein pulsierendes<br />
Wirtschaftszentrum<br />
mit einem modernen Viehhof.<br />
Dieser Viehhof, der den gewachsenen<br />
Erfordernissen<br />
des Viehhandels in Leer Rechnung<br />
trug, war mit seiner modernen<br />
Straßen- und Bahnanbindung<br />
bei seiner Inbetriebnahme<br />
1927 die modernste<br />
Bürgermeister Erich vom<br />
Bruch (1885 -1933) setzte<br />
sich <strong>für</strong> den Hafenausbau in<br />
Leer ein. BILD: STADTARCHIV LEER<br />
entsprechende Anlage in der<br />
ganzen Weimarer Republik.<br />
Das brachte Geld in die Kassen.<br />
Hafenausbau<br />
Inzwischen trug auch der<br />
Hafenausbau erste Früchte. In<br />
diesem Zusammenhang siedelte<br />
sich die Deutsche Libby<br />
in der Nähe an – eine bedeutende<br />
Investition, die zusätzliche<br />
Arbeitsplätze schuf. Bruch<br />
schwamm auf einer Welle des<br />
Erfolges. Er gedieh zum ungekrönten<br />
Wohltäter von Leer,<br />
der der SPD Stimmengewinne<br />
bei den Wahlen und den Nazis<br />
arge Verluste bescherte.<br />
Aber die Weltwirtschaftskrise<br />
machte auch um Leer<br />
keinen Bogen. 1932 wurde zur<br />
Zäsur. Die Wirtschaftslage<br />
verschlechterte sich auch in<br />
Leer. Die Nazis schoben da<strong>für</strong><br />
Bruch die Schuld in die Schuhe.<br />
Angesichts der wachsenden<br />
Nöte zeigte diese demagogische<br />
Propaganda erstaunlicherweise<br />
Wirkung.<br />
Die Nazis kamen nach vorher<br />
drei und vier nun auf mehr als<br />
40 Prozent der Stimmen. Die<br />
Saat der Demagogie ging auf.<br />
Die Mehrheit der Stadtbevölkerung<br />
vergaß offenbar allzu<br />
schnell die Verdienste ihres<br />
Wohltäters, den sie zuvor<br />
noch gefeiert hatten. Man beteiligte<br />
sich leichtgläubig an<br />
einer sprichwörtlichen<br />
Hexenjagd.<br />
Im Gefolge übler Verleumdungen<br />
wurde der Wohltäter<br />
Leers abgewählt, als Judensowie<br />
Sozifreund verunglimpft<br />
und Anfang 1933 auf<br />
der Grundlage von wagen Behauptungen<br />
mit einer gerichtlichen<br />
Voruntersuchung bedroht.<br />
Angesichts der ihn umgebenden<br />
Pogromstimmung<br />
erschoss sich Bruch in tiefer<br />
Verzweiflung am 7. Mai 1933<br />
in seiner Noch-Wohnung im<br />
Rathaus. Im anschließenden<br />
Prozess konnte ihm trotz großer<br />
Anstrengungen kein Fehlverhalten<br />
nachgewiesen werden.<br />
Aber eine Rehabilitierung<br />
erfolgte nicht. Erst nach<br />
1945 wurde das begangene<br />
Unrecht am Wohltäter <strong>für</strong><br />
Leer schrittweise korrigiert.<br />
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