Anthropogene Spurenstoffe im Wasserkreislauf - DWA - Deutsche ...
Anthropogene Spurenstoffe im Wasserkreislauf - DWA - Deutsche ...
Anthropogene Spurenstoffe im Wasserkreislauf - DWA - Deutsche ...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
426 Berichte<br />
<strong>Anthropogene</strong> <strong>Spurenstoffe</strong><br />
<strong>im</strong> <strong>Wasserkreislauf</strong><br />
Politischer Workshop der <strong>DWA</strong> in Berlin<br />
Sabine Thaler (Hennef)<br />
Am 7. Februar 2011 fand in der Vertretung<br />
des Landes Rheinland-Pfalz in<br />
Berlin ein politischer Workshop zum<br />
Thema „<strong>Anthropogene</strong> <strong>Spurenstoffe</strong> <strong>im</strong><br />
<strong>Wasserkreislauf</strong>“ statt. Eingeladen waren<br />
Parlamentarier, Mitarbeiter aus<br />
den Bundes- und Landesbehörden, aus<br />
der Wissenschaft, Wasserwirtschaft sowie<br />
aus Unternehmen und Verbänden.<br />
Rund 100 Personen nahmen an der Veranstaltung<br />
teil. Die Veranstaltung wurde<br />
von Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Firk,<br />
dem Sprecher der <strong>DWA</strong>-Koordinierungsgruppe<br />
„<strong>Anthropogene</strong> <strong>Spurenstoffe</strong><br />
<strong>im</strong> <strong>Wasserkreislauf</strong>“, moderiert.<br />
Im Anschluss an die Fachvorträge erfolgte<br />
unter der Leitung von Dr. Frank<br />
Andreas Schendel, dem Leiter des <strong>DWA</strong>-<br />
Büros in Berlin, eine Aussprache mit<br />
den anwesenden Politikern.<br />
Forschen, Informieren und<br />
individuelle Lösungen finden<br />
<strong>Anthropogene</strong> <strong>Spurenstoffe</strong> sind aus der<br />
Gesellschaft nicht mehr wegzudenken.<br />
Otto Schaaf, Präsident der <strong>DWA</strong> und Vor-<br />
Regelung der Nitrifikation / Denitrifikation<br />
Nach- und Umrüstung bestehender Kläranlagen<br />
Kontrolle der Schlammstabilisierung<br />
Otto Schaaf eröffnete den Workshop.<br />
stand der Stadtentwässerungsbetriebe<br />
Köln, erläuterte in seinem einleitenden<br />
Statement, dass sie in nahezu allen Lebensbereichen<br />
der Gesundheit, dem<br />
Wohlergehen und dem Komfort der Menschen<br />
dienen. Die chemisch sehr unterschiedlichen<br />
Verbindungen sind dadurch<br />
gekennzeichnet, dass bereits kleinste<br />
Mengen negativen Einfluss auf aquatische<br />
Organismen und den Menschen<br />
ausüben können. Die schädliche Wirkung<br />
ist jedoch noch unzureichend bekannt.<br />
Auch die Frage, ob von den in<br />
Gewässern gemessenen Stoffkonzentrati-<br />
onen ein Risiko ausgeht, kann zum jetzigen<br />
Zeitpunkt nicht eindeutig beantwortet<br />
werden. In erster Linie ist es daher<br />
wichtig, eine einheitliche Methode zur<br />
Risikobewertung nach wissenschaftlichen<br />
Kriterien zu entwickeln. Diese soll,<br />
laut Schaaf, die Basis darstellen, um die<br />
Harmonisierung politischer Entscheidungen<br />
und des Chemikalien- und Wasserrechtes<br />
auf europäischer Ebene voranzutreiben.<br />
Aufgabe der technisch-wissenschaftlichen<br />
Verbände ist es, technische Lösungen<br />
und deren Kosten, aber auch die Vor-<br />
und Nachteile aufzuzeigen. Dabei sind<br />
auch mögliche Umweltauswirkungen zu<br />
berücksichtigen. Eine flächendeckende<br />
Vorgehensweise würde über das Ziel hinausschießen,<br />
so Schaaf. Gefragt sind<br />
stattdessen Einzelfallbetrachtungen, die<br />
die örtliche Gewässersituation einbeziehen.<br />
Ein wesentlicher Ansatzpunkt müssen<br />
Maßnahmen an der Quelle sein. End-ofpipe-Lösungen<br />
sind nicht nur teuer und<br />
verbrauchen Ressourcen, sondern können<br />
je nach Behandlungsverfahren mit<br />
der Bildung schädlicher Nebenprodukte<br />
einhergehen. „Es wird nicht gelingen, die<br />
betreffenden Stoffe vollständig aus dem<br />
Gewässer zu entfernen“, gab Schaaf zu<br />
bedenken.<br />
Auch wenn die Emission von best<strong>im</strong>mten<br />
Stoffen, wie zum Beispiel Arzne<strong>im</strong>itteln,<br />
nicht vermeidbar ist, kann<br />
man dennoch die Voraussetzungen schaffen,<br />
um das Verbraucherverhalten zu einer<br />
aktiven Steuergröße zu machen. Das<br />
Bewusstsein für eine gewässerschädigende<br />
Wirkung mancher pharmazeutischer<br />
Wirkstoffe fehlt sowohl bei Ärzten als<br />
auch bei Patienten noch fast vollständig.<br />
Durch entsprechende Aufklärung und<br />
Sensibilisierung kann das Verbraucherverhalten<br />
gegebenenfalls auf weniger<br />
schädliche Produkte umgelenkt werden.<br />
KA Korrespondenz Abwasser, Abfall · 2011 (58) · Nr. 5 www.dwa.de/KA
Wesentlich hierfür ist es, eine spezifische<br />
Kennzeichnung der Produkte durch<br />
die Industrie <strong>im</strong> Rahmen der Produktzulassung<br />
sicherzustellen. Das bedeutet,<br />
dass neue Stoffe einer Prüfung zu unterziehen<br />
sind. Als erheblich gewässergefährdend<br />
eingestufte Stoffe dürften nicht<br />
in den Verkehr gelangen, so Schaaf. Auch<br />
die Frage der ökonomischen Anreize sollte<br />
diskutiert werden. Produkte, die als<br />
gefährdungsrelevant für den <strong>Wasserkreislauf</strong><br />
eingestuft sind, könnten mit einer<br />
Herstellerabgabe belastet werden.<br />
Schaaf schloss seinen Beitrag mit der Erwartung,<br />
dass der <strong>DWA</strong>-Workshop eine<br />
Aktualisierung des Wissenstands zum<br />
Thema „<strong>Anthropogene</strong> <strong>Spurenstoffe</strong> <strong>im</strong><br />
Gewässer“ ermöglicht.<br />
Umweltpolitische<br />
Rahmenbedingungen<br />
„Die Gewässer sind umweltpolitisch von<br />
besonderer Relevanz“, erläuterte Dr.<br />
Helge Wendenburg (Bundesumweltministerium,<br />
BMU) zu Beginn seines Beitrags.<br />
Gewässer sind vor allem Lebensraum für<br />
Tiere und Pflanzen, auf den wir vielfältig<br />
einwirken. Neben dem Menschen als<br />
Produzent von Abwasser sind es auch<br />
diverse Freizeitaktivitäten, aber vor allem<br />
auch die industrielle Produktion und<br />
die Anwendung von Produkten, die die<br />
Gewässer beeinträchtigen. Dazu kommen<br />
die Landwirtschaft und Binnenschifffahrt.<br />
Die umweltpolitische Herausforderung<br />
bestehe darin, die vielfältigen<br />
Nutzungen mit den Anforderungen an<br />
Dr. Helge Wendenburg stellte die Sicht des<br />
Bundesumweltministeriums dar.<br />
www.dwa.de/KA<br />
Berichte<br />
die Gewässerqualität in Einklang zu bringen,<br />
so Wendenburg.<br />
Noch unbeantwortet ist die Frage<br />
nach den Auswirkungen von Chemikalien,<br />
die durch die Anwendung alltäglicher<br />
Produkte in die Gewässer gelangen.<br />
Dazu zählen neben den Human- und<br />
Tierarzne<strong>im</strong>itteln auch Kosmetika,<br />
Wasch-, Reinigungs- und Flammschutzmittel,<br />
Isolationsmaterialien sowie Nanopartikel.<br />
Moderne analytische Methoden<br />
ermöglichen ihren Nachweis in Oberflächen-<br />
und Grundwässern und vor allem<br />
<strong>im</strong> Klärschlamm.<br />
Durch die Techniken zur Abwasserreinigung<br />
allein können sie nicht zu 100 %<br />
aus den Gewässern ferngehalten werden,<br />
da sie auch über diffuse Quellen eine Belastung<br />
verursachen. Ein Beispiel hierfür<br />
sind Tierarzne<strong>im</strong>ittel in landwirtschaftlich<br />
verwerteter Gülle, die durch Regen<br />
in die Gewässer gespült werden. Lösungen,<br />
die ausschließlich auf die Kläranlagen<br />
als Punktquellen abzielen, werden<br />
das Problem daher nicht vollständig lösen.<br />
Aufgabe des Bundes sei es daher<br />
laut Wendenburg, kohärente bundeseinheitliche<br />
Rechtsnormen zu schaffen, zum<br />
Beispiel mit der Abwasser-, Klärschlamm-<br />
und Trinkwasserverordnung. Dazu kommen<br />
die Regelungen der neuen Grundwasser-<br />
(GrwV), Oberflächengewässerverordnung<br />
(OGewV) und der Verordnung<br />
über Anlagen zum Umgang mit<br />
wassergefährdenden Stoffen.<br />
Das BMU schlage vor, so Wendenburg<br />
weiter, 24 zusätzliche Stoffe in die neue<br />
OGewV, aufzunehmen, die über die europäisch<br />
abgest<strong>im</strong>mte Liste hinausgehen,<br />
darunter die verbreiteten Arzne<strong>im</strong>ittelwirkstoffe<br />
Diclofenac (Schmerzmittel),<br />
Carbamacepin (Antiepileptikum) und<br />
Sulfamethoxazol (Antibiotikum). Die<br />
Stoffe dieser ergänzenden Liste wurden<br />
von den Ländern der Flussgebietsgemeinschaften<br />
als relevant hinsichtlich ihrer<br />
Gewässergefährdung benannt.<br />
Für den Vollzug hat dies die Konsequenz,<br />
dass relevante Stoffe, für die<br />
Überschreitungen in einem Gewässer bekannt<br />
sind, messtechnisch beobachtet<br />
werden müssen. Wenn möglich, sind an<br />
bekannten Punktquellen die Einträge zu<br />
min<strong>im</strong>ieren. Für Gewässer, in denen bislang<br />
noch keine relevanten Stoffe festgestellt<br />
wurden, sind keine Maßnahmen<br />
vorgesehen. Sie sind jedoch weiterhin<br />
durch ein vereinfachtes Gewässermonitoring<br />
zu überwachen.<br />
Wendenburg forderte, Arzne<strong>im</strong>ittel<br />
Die neue Produktlinie der<br />
Noggerath-<br />
Abwasserpumpen<br />
• Leistungsstark und zuverlässig<br />
• Tauchpumpen u. Trockenaufstellung<br />
• Wirbel-, Kanal- und Schneidräder<br />
• Wirbelrad- und Propeller-Rührwerke<br />
• ATEX-Ausführungen<br />
• Grauguss, Edelstahl und Bronze<br />
Ersatzteile für bisherige Baureihen weiterhin lieferbar.<br />
auf Umweltgefährdungen zu prüfen. Bei Passavant-Geiger GmbH<br />
Business Unit Noggerath<br />
Feldstraße 2 · 31708 Ahnsen<br />
info@passavant-geiger.de<br />
www.passavant-geiger.de
428 Berichte<br />
der Zulassung von Tierarzne<strong>im</strong>itteln ist<br />
es bereits ein gängiges Verfahren, Umweltaspekte<br />
bei der Zulassung zu prüfen.<br />
Bei Humanarzne<strong>im</strong>itteln ist die Umweltrelevanz<br />
dagegen kein Zulassungskriterium.<br />
Um Arzne<strong>im</strong>itteleinträge aus punktförmigen<br />
Quellen wie Krankenhäusern<br />
und Kliniken zu min<strong>im</strong>ieren, präferiert<br />
das BMU, spezielle Vorbehandlungsstufen<br />
in Krankenhäusern und medizinischen<br />
Einrichtungen vorzusehen.<br />
Als Maßnahme gegen diffuse Einträge<br />
von anthropogenen <strong>Spurenstoffe</strong>n<br />
sollen Gewässerrandstreifen gewährleistet<br />
werden, die die flächige Abschwemmung<br />
von landwirtschaftlich<br />
genutzten Flächen in nahegelegene<br />
Fließgewässer verhindern. Einen weiteren<br />
Ansatzpunkt stellt das Düngerecht<br />
und die Stallpflicht für Tiere dar, denen<br />
best<strong>im</strong>mte Arzne<strong>im</strong>ittel verabreicht<br />
wurden. Sofern die <strong>Spurenstoffe</strong> nicht<br />
aus dem Klärschlamm ferngehalten werden<br />
können, will das BMU auf alternative<br />
Entsorgungsstrategien setzen, die die<br />
landwirtschaftliche Verwertung ablösen<br />
bzw. ergänzen.<br />
Neben den Maßnahmen an der Quelle<br />
wird laut Wendenburg auch die Abwasserreinigung<br />
<strong>im</strong> begründeten Einzelfall<br />
Maßnahmen in Form zusätzlicher Behandlungsstufen,<br />
wie zum Beispiel Membranfiltration,<br />
Aktivkohleverfahren oder<br />
Ozonierung, ergreifen müssen. Auch die<br />
Trinkwasseraufbereitung wird über mögliche<br />
Maßnahmen nachdenken müssen<br />
und sich gegebenenfalls von der einfachen<br />
Aufbereitung lösen müssen. Wendenburg<br />
betont, dass es einen Widerspruch<br />
bedeuten würde, das Abwasser<br />
mit hohem Aufwand zu reinigen, um das<br />
Trinkwasser mit naturnahen Verfahren<br />
aufbereiten zu können.<br />
Standpunkt der Bundesländer<br />
uneinheitlich<br />
Peter Fuhrmann vom Ministerium für<br />
Umwelt, Naturschutz und Verkehr in Baden-Württemberg<br />
begann seinen Beitrag<br />
mit einer Darstellung der <strong>im</strong> Rhein gemessenen<br />
Konzentrationen an Diclofenac,<br />
einem schmerzhemmenden Arzne<strong>im</strong>ittel,<br />
und Isoproturon, einem Pflanzenschutzmittel.<br />
Die Situation sei trotz Verdünnung<br />
durch die Nebenflüsse alamierend,<br />
so Fuhrmann. Isoproturon ist ein<br />
prioritärer Stoff gemäß EU-Wasserrahmen-Richtlinie<br />
(WRRL), die betreffende<br />
Umweltqualitätsnorm ist in der<br />
Peter Fuhrmann erläuterte den Standpunkt<br />
der Bundesländer.<br />
EU-Richtlinie 2008/105/EG festgelegt.<br />
Diclofenac wird derzeit auf europäischer<br />
Ebene diskutiert und ist einer der 16<br />
Kandidatenstoffe für die Erweiterung der<br />
Liste prioritärer Stoffe. National soll<br />
Diclofenac als einer der 24 neuen Stoffe<br />
in die neue OGewV aufgenommen werden.<br />
Bereits 2006 gab es den ersten Beschluss<br />
der Umweltministerkonferenz<br />
(UMK) zu Arzne<strong>im</strong>itteln <strong>im</strong> <strong>Wasserkreislauf</strong><br />
und Boden. In begründeten Einzelfällen<br />
hat sich die UMK für den Einsatz<br />
weitergehender Behandlungstechniken<br />
in Kläranlagen ausgesprochen. Dies sollte<br />
in erster Linie über Anreizsysteme und<br />
weniger über das Ordnungsrecht durchgesetzt<br />
werden. Ein flächendeckender<br />
Einsatz weitergehender Behandlungsverfahren<br />
wird auch von der UMK als nicht<br />
sinnvoll erachtet. Weiterhin wurde angeregt,<br />
dass die Bundesregierung auf europäischer<br />
und nationaler Ebene bei der<br />
Neu- oder Ersatzentwicklung von Wirkstoffen<br />
der Arzne<strong>im</strong>ittel verstärkt darauf<br />
hinwirkt, dass auch auf deren umweltverträgliche<br />
Eigenschaften Wert gelegt<br />
wird. Im Jahr 2010 hat sich die UMK<br />
zum Entwurf der OGewV positioniert.<br />
Sie sprach sich in ihrem Beschluss ausdrücklich<br />
dafür aus, nur dann zusätzliche<br />
Schadstoffe in die OGewV aufzunehmen,<br />
wenn diese in Deutschland relevant<br />
und die abgeleiteten Qualitätsnormen<br />
hinreichend belastbar sind.<br />
Die Absicht des BMU <strong>im</strong> Vorgriff auf<br />
laufende Diskussionen auf EU-Ebene,<br />
weitere Schadstoffe in die OGewV aufzunehmen,<br />
ist jedoch umstritten. Die Datenerhebungen<br />
der Länder seien laut<br />
Fuhrmann nicht repräsentativ, um daraus<br />
eine deutschlandweite Relevanz der<br />
Stoffe abzuleiten. Die Positionen der<br />
Länder dazu sind uneinheitlich und die<br />
beschlossenen Maßnahmen sehr individuell.<br />
Einen gemeinsamen Standpunkt<br />
der Länder gibt es in dieser Frage nicht.<br />
Bei der Umsetzung der Anforderungen<br />
der EU-Umweltqualitätsnormen-<br />
Richtlinie (UQN) sollte die Betrachtung<br />
der Flussgebiete über Ländergrenzen<br />
hinaus <strong>im</strong> Vordergrund stehen. Die<br />
UMK hat daher mit Beschluss von 2007<br />
die Internationale Kommission zum<br />
Schutz des Rheins (IKSR) beauftragt,<br />
eine Strategie zum Umgang mit Mikroverunreinigungen<br />
auszuarbeiten. Als<br />
Ergebnis ist bisher ein Bericht zu<br />
Human arzne<strong>im</strong>itteln, Bioziden und Korrosionsschutzmitteln<br />
veröffentlicht worden.<br />
Ein weiterer Bericht zu Röntgenkontrastmitteln<br />
und Östrogenen steht<br />
kurz vor der Fertigstellung, und eine<br />
Bestandsaufnahme zu Industriechemikalien,<br />
Komplexbildnern und Duftstoffen<br />
befindet sich in Arbeit. Neben der<br />
Bestandsaufnahme werden in den Berichten<br />
jeweils mögliche Maßnahmen<br />
dargestellt. Die Vertragsstaaten (Belgien,<br />
Deutschland, Frankreich, Luxemburg,<br />
Niederlande und Schweiz) können<br />
frei entscheiden, ob sie die empfohlenen<br />
Maßnahmen umsetzen wollen.<br />
In Deutschland ist die Spurenstoffproblematik<br />
besonders in Nordrhein-<br />
Westfalen von Relevanz, da über 40 %<br />
des Trinkwassers aus Uferfiltrat gewonnen<br />
werden. Dazu kommt die hohe Besiedlungsdichte.<br />
Der Ruhr fließen über<br />
Kläranlagen täglich die Abwässer von 2,2<br />
Millionen Menschen aus privaten Haushalten<br />
und zusätzlich aus gewerblichen<br />
Betrieben zu. Mehr als vier Millionen<br />
Menschen beziehen ihr Trinkwasser<br />
mittelbar aus der Ruhr. Als Konsequenz<br />
wurde das Programm „Reine Ruhr“ aufgelegt,<br />
das Maßnahmen auf verschiedenen<br />
Ebenen von der Quelle bis zur Ertüchtigung<br />
kommunaler Kläranlagen <strong>im</strong><br />
Sinne eines Multi-Barrieren-Schutzes<br />
aufzeigen soll.<br />
In Baden-Württemberg werden derzeit<br />
sechs Projekte zur El<strong>im</strong>ination von<br />
<strong>Spurenstoffe</strong>n mittels Aktivkohleadsorption<br />
realisiert. Den Schwerpunkt bildet<br />
dabei das Bodenseegebiet, das der Trinkwassergewinnung<br />
dient. Das Land setzt<br />
dabei auf finanzielle Anreize für freiwil-<br />
KA Korrespondenz Abwasser, Abfall · 2011 (58) · Nr. 5 www.dwa.de/KA
lige Maßnahmen der Kommunen, um<br />
Kläranlagen mit weitergehenden El<strong>im</strong>inationstechniken<br />
auszustatten. Zu diesem<br />
Zweck wurden entsprechende Förderrichtlinien<br />
geschaffen, die die Vergabe<br />
der Landesmittel regeln. Auch Fördermittel<br />
der EU spielen eine Rolle sowie<br />
die Verrechnung mit der Abwasserabgabe<br />
über den CSB. Alle Maßnahmen werden<br />
durch ein Monitoringprogramm zur<br />
Erfolgskontrolle überwacht.<br />
Als technische Lösung hat das Land<br />
der Aktivkohlefiltration den Vorzug gegeben.<br />
Nach Realisierung der derzeit elf<br />
in Planung und Bau befindlichen Reinigungsstufen<br />
können insgesamt ca. 10 %<br />
des Abwassers mit Aktivkohle behandelt<br />
werden. Die Kosten liegen bei etwa 100<br />
Millionen € und 4 bis 8 €/ Person und<br />
Jahr. Nicht enthalten ist die gegebenenfalls<br />
erforderliche Infrastruktur für die<br />
Aktivkohlebehandlung. Es könne ein<br />
nennenswerter Effekt auf die Stoffel<strong>im</strong>ination<br />
verzeichnet werden, so Fuhrmann,<br />
die Energiebilanz sei jedoch<br />
schlecht. Der Energiebedarf kann durch<br />
eine vierte Reinigungsstufe (Aktivkohleadsorption,<br />
Ozonierung) bis zu 100 %<br />
höher liegen als bei einer herkömmlichen<br />
Anlage.<br />
Für flächendeckende nationale Anforderungen<br />
zur Nachrüstung von Kläranlagen<br />
wird in Baden-Württemberg keine<br />
Veranlassung gesehen. Maßnahmen sollen<br />
nur in begründeten Einzelfällen getroffen<br />
werden – sogenannte „No-regret-<br />
Maßnahmen“.<br />
Unbekannte Risiken durch<br />
Transformationsprodukte<br />
Viele in der Umwelt nachgewiesene<br />
Schadstoffe liegen gelöst vor und werden<br />
über die Wasserphase ausgetragen.<br />
Dr. Thomas Ternes betonte die Problematik<br />
der Transformationsprodukte.<br />
Berichte<br />
Dr. Thomas Ternes von der Bundesanstalt<br />
für Gewässerkunde in Koblenz<br />
machte in seinem Beitrag die besondere<br />
Relevanz dieser Stoffe <strong>im</strong> Hinblick auf<br />
mögliche Umwelt- und Trinkwasserprobleme<br />
deutlich. Zu den wasserlöslichen<br />
Stoffgruppen zählen Arzne<strong>im</strong>ittelwirkstoffe,<br />
perfluorierte Substanzen (PFT),<br />
Tenside, Korrosionsschutz- und Flammschutzmittel,<br />
Pestizide und Biozide, die<br />
zum Beispiel als Konservierungsmittel<br />
eingesetzt werden. Schlechter löslich<br />
und damit leichter sorbierbar sind dagegen<br />
kosmetische Inhaltsstoffe, PAK, PCB<br />
und Dioxine.<br />
Die meisten Stoffe werden ohne zusätzliche<br />
Maßnahmen in der Kläranlage<br />
nur unzureichend el<strong>im</strong>iniert. Stattdessen<br />
bilden sie zum Teil stabile Transformationsprodukte,<br />
das heißt, sie werden nicht<br />
el<strong>im</strong>iniert, sondern in andere Stoffe mit<br />
oft noch unbekannter Toxikologie umgewandelt.<br />
Am Beispiel des Iopromids, einem<br />
Röntgenkontrastmittel, zeigte Ternes<br />
dass 50 % des Ausgangsstoffs lediglich<br />
umgewandelt wurde. Durch die Beprobung<br />
von Vor- und Nachklärbecken<br />
der Kläranlage Frankfurt am Main wurde<br />
ein Anstieg der Transformationsprodukte<br />
<strong>im</strong> Lauf des Abwasserreinigungsverfahrens<br />
nachgewiesen.<br />
Transformationsprodukte werden in<br />
der Regel nicht analytisch erfasst und mit<br />
dem Kläranlagenablauf in das aufnehmende<br />
Gewässer emittiert. Best<strong>im</strong>mte<br />
polare, also gut wasserlösliche, Stoffe<br />
können sogar bis in das Trinkwasser<br />
durchbrechen. Aufgrund der Vielzahl der<br />
entstehenden Transformationsprodukte<br />
ist eine toxikologische Bewertung jedoch<br />
nicht zu leisten.<br />
Für die EU-Liste der prioritären Stoffe<br />
gemäß WRRL sind verschiedene Stoffe<br />
als Ergänzung vorgesehen, für die Umweltqualitätsnormen<br />
festgelegt werden<br />
sollen. Es ist bereits absehbar, dass einige<br />
Stoffe den Normwert <strong>im</strong> Jahresmittel<br />
überschreiten werden, darunter das<br />
Schmerzmittel Diclofenac, aber auch<br />
17�-Ethinylestradiol und 17�-Estradiol,<br />
die Wirkstoffe der Kontrazeptiva und<br />
Menopausepräparate.<br />
Für diese Stoffe werden laut Ternes<br />
weitergehende Maßnahmen ergriffen<br />
werden müssen, um den guten ökologischen/chemischen<br />
Zustand gemäß<br />
WRRL zu erreichen. Als Hauptemittenten<br />
stellen die Kläranlagen voraussichtlich<br />
einen wesentlichen Ansatzpunkt dar.<br />
Als zusätzliche Reinigungsstufe kommen<br />
drei Verfahrenstypen in Frage:<br />
Aktuelle Seminare der TAW<br />
aus dem Bereich Abwasser<br />
3. Woche des Regenwassers<br />
Kanalnetzberechnung<br />
16.5.2011 in Wuppertal<br />
Anmelde-Nr.: 51136Z04P1<br />
Regenwasserbehandlung<br />
<strong>im</strong> Misch- und Trennsystem<br />
17.5.2011 in Wuppertal<br />
Anmelde-Nr.: 51165Z01P1<br />
Regen- und Mischwassereinleitungen<br />
in Oberflächengewässer<br />
18.5.2011 in Wuppertal<br />
Anmelde-Nr.: 51136Z05P1<br />
Naturnahe Regenwasserbewirtschaftung<br />
19.-20.5.2011 in Wuppertal<br />
Anmelde-Nr.: 51165Z02P1<br />
Fachkunde Explosionsschutz<br />
18.5.2011 in Wuppertal<br />
Anmelde-Nr.: 51171Z11P1<br />
Sytematische Schadenfeststellung und<br />
Sanierung in Abwasserkanälen<br />
25.-26.5.2011 in Altdorf b. Nürnberg<br />
Anmelde-Nr.: 81136Z02P1<br />
Arbeitsschutz von A bis Z –<br />
damit Sie wissen was Sie tun!<br />
28.6.2011 in Altdorf b. Nürnberg<br />
Anmelde-Nr.: 81171Z23P1<br />
Grundstücksentwässerungsanlagen nach<br />
DIN 1986 und DIN EN 12056<br />
4.-5.7.2011 in Wuppertal<br />
Anmelde-Nr.: 51136Z01P1<br />
Verfahrenstechnische Erfahrungsregeln bei<br />
der Auslegung von Apparaten und Anlagen<br />
4.-5.7.2011 in Wuppertal<br />
Anmelde-Nr.: 51161Z02P1<br />
Bürgerinformation zum Thema<br />
„Betrieb und Instandhaltung“<br />
von Grundstücksentwässerungsanlagen<br />
6.7.2011 in Wuppertal<br />
Anmelde-Nr.: 51136Z02P1<br />
Technische Zeichnungen nach<br />
aktuellen Normen erstellen<br />
6.-7.7.2011 in Wuppertal<br />
Anmelde-Nr.: 51211Z03P1<br />
Erwerb der Sachkunde für Befähigte<br />
Personen zur Prüfung von Anschlagmitteln:<br />
Seile, Ketten , Hebebändern<br />
12.-13.7.2011 in Wuppertal<br />
Anmelde-Nr.: 51171Z08P1<br />
Befähigte Person zur Prüfung von<br />
Leitern und Tritten<br />
14.9.2011 in Berlin<br />
Anmelde-Nr.: 11171Z10P1<br />
Kraftbetätigten Fenstern, Türen und Tore<br />
(Befähigte Person bzw. Sachkundiger)<br />
15.9.2011 in Berlin<br />
Anmelde-Nr.: 11171Z19P1<br />
Mehr über unsere Veranstaltungen finden<br />
Sie unter: www.taw.de<br />
Ihr Ansprechpartner: Dr.-Ing. Stefan Mähler<br />
0 202 7495 - 207 � stefan.maehler@taw.de<br />
WEITER DURCH BILDUNG<br />
Technische Akademie<br />
Wuppertal<br />
Hubertusallee 18<br />
42117 Wuppertal<br />
www.dwa.de/KA KA Korrespondenz Abwasser, Abfall · 2011 (58) · Nr. 5<br />
429
430 Berichte<br />
● chemische Oxidation/Desinfektion:<br />
zum Beispiel Ozon, AOP, Chlor, UV,<br />
● Sorption an speziellen Adsorbentien:<br />
zum Beispiel Aktivkohle (granulierte<br />
und Pulver-Aktivkohle),<br />
● Größenausschluss mittels dichter<br />
Membranen: zum Beispiel Nanofiltration,<br />
Umkehrosmose<br />
Einzig bei der Aktivkohleadsorption in<br />
Kombination mit einem Sandfilter entstehen<br />
keine Transformationsprodukte.<br />
Polare Stoffe werden allerdings nur unvollständig<br />
entfernt, wobei die Hintergrundbelastung<br />
zudem die Effizienz beeinflusst.<br />
Bei der Membranfiltration fallen<br />
Konzentrate an, in denen die Stoffe<br />
um das Vierfache aufkonzentriert vorliegen,<br />
was die Entsorgung erschwert. Die<br />
Ozonung führt zum oxidativen Abbau<br />
der anthropogenen <strong>Spurenstoffe</strong> zu ca.<br />
80 %. Es entstehen jedoch polare Oxidationsprodukte,<br />
deren Toxikologie unbekannt<br />
ist und die biologisch weiter abgebaut<br />
werden müssen.<br />
Vermeiden geht vor Behandeln<br />
Der Beitrag von Dr.-Ing. Bernhard<br />
Hörsgen, dem Präsidenten des DVGW<br />
und Vorstand der Gelsenwasser AG, reflektierte<br />
die Lösungsansätze bei der<br />
Trinkwasseraufbereitung. Laut Trinkwasserverordnung<br />
dürfen Stoffe <strong>im</strong> Wasser<br />
nicht in Konzentrationen vorkommen,<br />
die Gefahren für die menschliche Gesundheit<br />
besorgen lassen.<br />
Das Grundwasser als Trinkwasserressource<br />
ist – mit Ausnahme in Karstgebieten<br />
– durch Deckschichten in der Regel<br />
gut vor der Infiltration von Schadstoffen<br />
geschützt. Beeinträchtigungen<br />
seiner Qualität wirken jedoch langfris-<br />
Dr.-Ing. Bernhard Hörsgen schilderte die<br />
Position der Wasserversorger.<br />
tig. Dagegen können Oberflächenwasser,<br />
Uferfiltrat und angereichertes<br />
Grundwasser leichter in der Qualität<br />
schwanken, bei Schadstoffkontaminationen<br />
greifen Gegenmaßnahmen aber<br />
auch schneller.<br />
Die Risikoanalyse und -bewertung<br />
trinkwasserrelevanter Substanzen <strong>im</strong><br />
Einzugsgebiet der Gelsenwasser AG ist<br />
gemäß Hörsgen weitgehend umgesetzt.<br />
Die Bewertung erfolgt durch staatliche<br />
Stellen.<br />
Als nächster Schritt muss eine angemessene<br />
Risikokommunikation erfolgen.<br />
Mögliche Konsequenz sind gegebenenfalls<br />
strengere Grenzwerte für best<strong>im</strong>mte<br />
Mikroschadstoffe. Dabei müsse aber klar<br />
sein, dass Wasser nicht völlig frei von<br />
<strong>Spurenstoffe</strong>n sein kann und Nullkonzentrationen<br />
nicht erreichbar seien, so<br />
Hörsgen. Die technische Entwicklung <strong>im</strong><br />
Bereich der modernen Analytik ermöglicht<br />
den Nachweis <strong>im</strong>mer geringerer<br />
Stoffkonzentrationen, die nicht zwangsläufig<br />
schädlich sind.<br />
In erster Linie ist laut Hörsgen ein<br />
sinnvolles Stoffmanagement gefragt,<br />
das die Behandlung bzw. den Rückhalt<br />
von Belastungen am Ort der Entstehung<br />
vorsieht. Auch der Ersatz von oder Anwendungsbeschränkungen<br />
für problematische<br />
Stoffe seien zu erwägen. Für<br />
viele <strong>Spurenstoffe</strong>, wie zum Beispiel<br />
Arzne<strong>im</strong>ittelwirkstoffe, muss in einer<br />
gesellschaftlichen Diskussion zwischen<br />
Nutzen und Schaden der Stoffe abgewogen<br />
werden. Die Trinkwasserrelevanz<br />
sollte gemäß Hörsgen bereits bei der<br />
Zulassung von Stoffen ein Prüfkriterium<br />
sein.<br />
Für viele Problemstoffe sei über Vorbehandlungsmaßnahmen<br />
<strong>im</strong> Teilstrom<br />
nachzudenken, bevor das Abwasser einer<br />
zentralen Reinigung zugeführt wird. Dies<br />
gelte zum Beispiel für Arzne<strong>im</strong>ittel in<br />
Krankenhausabwässern, so Hörsgen.<br />
Neben punktförmigen Quellen, wie<br />
den Kläranlagen, gibt es diffuse Quellen,<br />
zu denen die Landwirtschaft zählt.<br />
Die Wasserversorger müssen sich dieser<br />
Herausforderung stellen und mit Landwirtschaft<br />
in Diskussion treten bzw. Kooperationen<br />
schließen. Die Aufbereitung<br />
<strong>im</strong> Wasserwerk kann nicht alle Probleme<br />
des Trinkwassers lösen. Sie greift<br />
speziell bei polaren Stoffen nur schwierig.<br />
Hörsgen plädierte daher für eine<br />
konsequente Umsetzung des Verursacherprinzips.<br />
In einem Erlass des nordrhein-westfälischen<br />
Umweltministeriums vom 1. April<br />
2010 heißt es, dass die heutigen Randbedingungen<br />
(Mikroschadstoffe) eine Fortentwicklung<br />
der Trinkwasser-Aufbereitungsanlagen<br />
nach dem Stand der Technik<br />
gem. § 48 LWG NRW erfordern. Die<br />
Wasserversorgungsunternehmen sind<br />
aufgefordert, zwischen den drei Verfahrenskombinationen<br />
Ozonung, Ultrafiltration<br />
und Nanofiltration zu wählen und<br />
einen entsprechenden Anpassungsplan<br />
zu erstellen.<br />
Gewässerschutz sei oft erst mit der<br />
Angst der Bürger um ihr Trinkwasser<br />
durchsetz- und finanzierbar, so Hörsgen.<br />
Bei technologisch hoch entwickelten<br />
„Wasserfabriken“ nehme zwar der Druck<br />
auf den Gewässerschutz ab, aber die<br />
Störanfälligkeit des Aufbereitungsprozesses<br />
steige.<br />
Ozonung und Aktivkohlefiltration<br />
als vierte Reinigungsstufe<br />
Prof. Dr.-Ing. Matthias Barjenbruch von<br />
der TU Berlin machte in seinem Vortrag<br />
deutlich, dass die Abwasserreinigung nur<br />
ergänzend wirken kann, wo andere Vermeidungsstrategien<br />
von Gewässerverunreinigungen<br />
allein nicht ausreichen. Bisher<br />
durchgeführte Untersuchungen zeigten,<br />
dass konventionelle Abwasseranlagen<br />
<strong>Spurenstoffe</strong> nicht gezielt aus dem<br />
Abwasser entfernen können. Die Hauptprozesse<br />
zur Entfernung von Stoffen auf<br />
konventionellen Anlagen beschränken<br />
sich auf:<br />
Prof. Dr.-Ing. Matthias Barjenbruch stellte<br />
Verfahren zur El<strong>im</strong>ination von <strong>Spurenstoffe</strong>n<br />
vor.<br />
KA Korrespondenz Abwasser, Abfall · 2011 (58) · Nr. 5 www.dwa.de/KA
● Ausstrippen (zum Beispiel mit Prozessluft<br />
der Biologie; belüfteter Sandfang):<br />
Dabei werden nur leichtflüchtige<br />
Substanzen, wie zum Beispiel Duftstoffe,<br />
entfernt.<br />
● Sorption an Partikeln bzw. Flocken:<br />
Die Bindung an Partikel spielt vor allem<br />
bei schlecht wasserlöslichen Stoffen<br />
eine Rolle und ist für mehr als<br />
90 % der Pharmaka nicht relevant.<br />
● Biologischer Abbau (Mineralisierung,<br />
Transformation):<br />
Der biologische Abbau geschieht unter<br />
aeroben, anoxischen und anaeroben<br />
Bedingungen. Die Effizienz unterscheidet<br />
sich für jeden Spurenstoff<br />
und ist vom Schlammalter abhängig.<br />
Einige Stoffe, wie zum Beispiel das<br />
Schmerzmittel Ibuprofen, können mit<br />
hohen Abbaugraden <strong>im</strong> Rahmen des ungezielten<br />
Behandlungsverfahrens entfernt<br />
werden, andere Stoffe dagegen,<br />
wie zum Beispiel das Antiepileptikum<br />
Carbamazepin oder das Röntgenkontrastmittel<br />
Iopramidol, werden überhaupt<br />
nicht verringert. Die gezielte El<strong>im</strong>ination<br />
von <strong>Spurenstoffe</strong>n ist nur<br />
durch weitergehende Abwasserreinigungsverfahren<br />
möglich, für die noch<br />
kein Stand der Technik definiert wurde.<br />
Bislang liegen nur Erfahrungswerte aus<br />
Pilotversuchen für die Sorption an Aktivkohle<br />
und die chemische Oxidation<br />
vor. Mit beiden Verfahren kann ein<br />
Großteil der Mikroverunreinigungen<br />
mit einem Abbaugrad von über 80 %<br />
verringert werden. Um Zielwerte der<br />
Umweltqualitätsnormen zu erreichen,<br />
ist laut Barjenbruch ein 80%iger Abbau<br />
jedoch nicht ausreichend.<br />
Für das Verfahren der Ozonung werden<br />
drei Kompart<strong>im</strong>ente benötigt, eines<br />
für die Ozonerzeugung, eines als Reaktionsraum<br />
und eines für die Ozonvernichtung.<br />
Außerdem ist es wegen der entstehenden<br />
Transformationsprodukte sinnvoll,<br />
eine biologische Stufe zum Beispiel<br />
in Form eines Biofilters nachzuschalten.<br />
Bei der Aktivkohleadsorption werden<br />
große Volumina zur Abscheidung der<br />
pulverförmigen Aktivkohle sowie eine<br />
zusätzliche Filtrationsstufe benötigt. Um<br />
die Abscheidung zu verbessern, ist zudem<br />
ein Fällmittel erforderlich. Durch<br />
den Einsatz von Aktivkohle erhöht sich<br />
der Schlammanfall signifikant. Noch<br />
nicht geklärt ist die Frage, ob <strong>Spurenstoffe</strong><br />
<strong>im</strong> Verfahrensprozess, zum Beispiel<br />
unter anaeroben Bedingungen <strong>im</strong> Rah-<br />
Berichte<br />
men der Schlammfaulung, desorbieren<br />
können.<br />
In jedem Fall werden sowohl der Bau<br />
als auch der Betrieb zusätzlicher Reinigungsstufen<br />
die Kosten der Abwasserreinigung<br />
erhöhen. Barjenbruch plädiert<br />
daher dafür, den Effekt einer Teilstrombehandlung<br />
zu prüfen, das heißt, beispielsweise<br />
nur bis zu 90 % des Kläranlagenzuflusses<br />
weitergehend zu behandeln.<br />
Keine gesicherte Bemessung für<br />
weitergehende Verfahren<br />
Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Firk, Sprecher der<br />
<strong>DWA</strong>-Koordinierungsgruppe „<strong>Anthropogene</strong><br />
<strong>Spurenstoffe</strong> <strong>im</strong> <strong>Wasserkreislauf</strong>“<br />
und Vorstand des Wasserverbands Eifel-<br />
Rur in Düren, begann seinen Vortrag mit<br />
der Frage, woher die Spurenstoffproblematik<br />
stammt. Neben den kommunalen<br />
und industriellen Kläranlagen als punktförmigen<br />
Einleitern kommen zahlreiche<br />
<strong>Spurenstoffe</strong> aus anderen Quellen, die<br />
diffus in die Gewässer gelangen. Zu nennen<br />
sind neben landwirtschaftlichen Abschwemmungen<br />
und die Tierhaltung,<br />
Einträge aus Regenwasserkanälen,<br />
Mischwasserüberläufen, undichten Kanälen<br />
und Hausanschlüssen sowie die<br />
Schifffahrt, der Straßenverkehr und<br />
Bahntrassen.<br />
Vorrangige Maßnahmen sollten daher<br />
aus der Sicht der Betreiber Eintragsverbote<br />
und Einsatzbeschränkungen sein.<br />
Außerdem sollte die Substitution mit weniger<br />
problematischen Stoffen vorangetrieben<br />
werden. Da viele Produkte auch<br />
bei der Entsorgung <strong>Spurenstoffe</strong> freisetzen,<br />
sind umweltgerechte Entsorgungs-<br />
Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Firk beleuchtete<br />
das Thema aus der Sicht der Kläranlagenbetreiber.<br />
Klar doch!<br />
Inno-Clean +<br />
Mit DIBt-Zulassung<br />
Vollbiologische Kleinkläranlagen<br />
mit höchster Reinigungsleistung<br />
und geringstem Energieaufwand<br />
In den Größen EW 4 bis EW 50<br />
verfügbar<br />
Benutzerfreundliche Bedienung<br />
durch interaktives Steuergerät<br />
Geringes Gewicht, dadurch<br />
kostengünstiger Einbau ohne<br />
schwere Baumaschinen möglich<br />
Vereinfachter Einbau durch<br />
anschlussfertige Lieferung<br />
Absolut dicht und sicher gegen<br />
Wurzeleinwuchs<br />
Klärturm für Reinigung und<br />
Inspektion herausnehmbar<br />
Teleskopisches Aufsatzstück für<br />
stufenlosen Höhen- und Niveauausgleich<br />
als Zubehör<br />
Alterungs- und korrosionsbeständig<br />
www.kessel.de<br />
www.dwa.de/KA KA Korrespondenz Abwasser, Abfall · 2011 (58) · Nr. 5<br />
431
432 Berichte<br />
Podiumsdiskussion (v. l. n. r.): Wendenburg (BMU), Steiner (Grüne), Kaczmarek (SPD),<br />
Schendel (<strong>DWA</strong>), Liebing (CDU), Meierhofer (FDP), Fuhrmann (UVM Baden-Württemberg)<br />
wege wie die Wiederverwertung oder<br />
Rücknahme von Produkten zu fördern.<br />
Sofern möglich, sollten belastete Abwasserteilströme<br />
separat erfasst und aufbereitet<br />
werden, um eine verbesserte<br />
Vorbehandlung von industriellen bzw.<br />
gewerblichen Abwässern vor der Einleitung<br />
in die Kanalisation zu gewährleisten.<br />
Die Einflussmöglichkeiten des Abwasserentsorgers<br />
beschränken sich auf<br />
die opt<strong>im</strong>ierte Abwasserbehandlung in<br />
kommunalen und industriellen Kläranlagen<br />
und die verbesserte Misch- und Regenwasserbehandlung.<br />
Beides sind jedoch<br />
nur Sekundärmaßnahmen. Durch<br />
den Einsatz der vierten Reinigungsstufe<br />
ist mit Kostensteigerungen um 10 bis<br />
20 % zu rechnen. Es ist daher laut Firk<br />
eine gesellschaftliche Frage, ob man sich<br />
dies leisten will.<br />
Bislang existiert keine gesicherte Bemessungsgrundlage<br />
für technische Lösungen<br />
zur El<strong>im</strong>ination von <strong>Spurenstoffe</strong>n.<br />
Neben den Kosten stellt sich auch<br />
die Frage nach dem zu erzielenden Wirkungsgrad,<br />
den Bemessungsparametern<br />
und der Praktikabilität eines Verfahrens.<br />
Hierzu sind zunächst großtechnische Untersuchungen<br />
erforderlich. Dabei muss<br />
auch die Veränderung der Energie- und<br />
Kl<strong>im</strong>agasbilanz Berücksichtigung finden.<br />
Beispielsweise ist mit einer Kl<strong>im</strong>agaszunahme<br />
von ca. 30 % zu rechnen.<br />
Eine Gesamtlösung des Problems der<br />
anthropogenen <strong>Spurenstoffe</strong> <strong>im</strong> <strong>Wasserkreislauf</strong><br />
sei allein durch die weitergehende<br />
Abwasserbehandlung nicht zu erwarten,<br />
schloss Firk seinen Beitrag.<br />
Podiumsdiskussion mit<br />
Abgeordneten des Bundestags<br />
Im Anschluss an die Vorträge stellten sich<br />
Vertreter der politischen Parteien gemeinsam<br />
mit Dr. Helge Wendenburg als<br />
BMU-Vertreter und Peter Fuhrmann als<br />
Vertreter der Bundesländer der Diskussion<br />
und trugen ihre Positionen vor.<br />
Ingbert Liebing (MdB, CDU) sprach<br />
dem hohen Niveau des Gewässerschutzes<br />
in Deutschland seine Anerkennung<br />
aus. Wichtig sei es, die Forschung voranzutreiben,<br />
um die Herkunft und Wirkung<br />
der <strong>Spurenstoffe</strong> aufzuklären. Das<br />
Bundesministerium für Bildung und<br />
Forschung hat zu diesem Zweck ein<br />
neues Forschungsvorhaben auf dem Gebiet<br />
„Risikomanagement von neuen<br />
Schadstoffen und Krankheitserregern<br />
<strong>im</strong> <strong>Wasserkreislauf</strong>“ <strong>im</strong> Rahmen des<br />
Förderprogramms „Forschung für nachhaltige<br />
Entwicklungen“ aufgelegt. Die<br />
Auswahl der Projektvorschläge läuft<br />
derzeit.<br />
Weiterhin sprach sich Liebing dafür<br />
aus, das Thema der anthropogenen <strong>Spurenstoffe</strong><br />
in die laufenden Rechtsetzungsverfahren<br />
einzubeziehen. Der Bundesregierung<br />
seien die unterschiedlichen<br />
Interessenlagen auf diesem Gebiet<br />
durchaus bewusst. Die Lösung wird daher<br />
ein abgestuftes Konzept sein, in dem<br />
alle Ansatzpunkte Berücksichtigung finden<br />
– die verschiedenen Quellen, die Abwasser-<br />
und Trinkwasserbehandlung. Alle<br />
Beteiligten müssen sich der Verantwortung<br />
stellen, die über den Lebenszy-<br />
klus der Produkte hinausgeht, und ihren<br />
Teil zur Lösung des Problems beitragen.<br />
Oliver Kaczmarek (MdB, SPD) stellte<br />
fest, dass Wasser für viele Verbraucher<br />
gar kein problematisches Thema sei. In<br />
Deutschland ist <strong>im</strong>mer genügend Trinkwasser<br />
mit guter Qualität und zu vertretbaren<br />
Preisen verfügbar. Weltweit sieht<br />
dies jedoch ganz anders aus.<br />
Kaczmarek betonte, das Wasser sei<br />
keine Ware, sondern ein ererbtes Gut.<br />
Wir müssen uns daher die Frage stellen,<br />
was unser Lebensmittel Nummer eins,<br />
das Trinkwasser, wert ist. Die Politik dürfe<br />
daher be<strong>im</strong> Thema „Wasserpreise“<br />
nicht abtauchen und die Frage dem Wettbewerbsrecht<br />
überlassen, so Kaczmarek.<br />
Er erkenne den großen Beitrag der<br />
Wasserwirtschaft zur Erhaltung der Biodiversität<br />
an, so Kaczmarek weiter. Es sei<br />
aber Augenmaß wichtig. Die Vielfalt der<br />
Stoffe sei vermutlich nicht zu beherrschen,<br />
hierfür sei eine vernünftig ausgestattete<br />
staatliche Umweltverwaltung erforderlich.<br />
Die ganzheitliche Betrachtung der Lebenszyklen<br />
von Produkten steht auch mit<br />
ressourceneffizientem Wirtschaften <strong>im</strong><br />
Zusammenhang. Horst Meierhofer (MdB,<br />
FDP) sah eine politische Entscheidung<br />
darin, ob dem vorsorgenden Handeln<br />
Priorität eingeräumt wird oder End-ofpipe-Lösungen<br />
gewählt werden.<br />
Die derzeitig gute Trinkwasserqualität<br />
bedeute nicht, dass man keine Anstrengungen<br />
mehr unternehmen müsse<br />
und durch moderne Nachweismethoden<br />
gefundene neue Schadstoffe ignorieren<br />
könne, so Meierhofer. Es sei eine spannende<br />
politische Debatte, wer zur Verantwortung<br />
zu ziehen ist. Man dürfe<br />
auch nicht den technischen Fortschritt<br />
und die Innovationen zum Beispiel bei<br />
der Arzne<strong>im</strong>ittelentwicklung behindern.<br />
Es sei wichtig festzustellen, welche Stoffe<br />
relevant sind, man müsse aber auch<br />
die Kosten/Nutzen-Frage stellen. Er<br />
wünsche sich eine differenzierte Debatte<br />
ohne Schuldzuweisungen, die auch international<br />
zu einem vernünftigen Ergebnis<br />
kommt, so Meierhofer abschließend.<br />
Dorothea Steiner (MdB, Bündnis 90/<br />
Die Grünen) zeigte sich von der Entwicklung<br />
beunruhigt. Mehr als 400 gesundheitsgefährdende,<br />
krebserregende Produkte<br />
seien <strong>im</strong> Einsatz. Sie sieht dringenden<br />
Handlungsbedarf. Die Analytik der<br />
<strong>im</strong> Wasser vorkommenden Stoffe und deren<br />
Risikobewertung hinke hinter der<br />
Neuentwicklung von Produkten her, so<br />
KA Korrespondenz Abwasser, Abfall · 2011 (58) · Nr. 5 www.dwa.de/KA
Steiner. Sie forderte daher eine Risikobewertung<br />
durch unabhängige staatliche<br />
Stellen und die Offenlegung der Ergebnisse.<br />
Steiner vertrat die Ansicht, dass in<br />
erster Linie bei den Produzenten der<br />
Schadstoffe anzusetzen ist. Bei vorhandenen<br />
Schadstoffen sei auf Vermeidung<br />
oder Anwendungsbeschränkungen zu<br />
setzen. Auch in der Landwirtschaft bestehe<br />
dringender Handlungsbedarf, da ihr<br />
Anteil an den Gewässerbelastungen hoch<br />
sei. Eine besondere Problematik sieht<br />
Steiner aufgrund der langfristig wirkenden<br />
Prozesse be<strong>im</strong> Grundwasser. Es dauert<br />
zwar sehr lange (bis zu 30 Jahre) bis<br />
ein Schadstoff in die tieferen Schichten<br />
des Grundwassers vordringt, doch wird<br />
noch viel mehr Zeit benötigt, ihn wieder<br />
zu entfernen.<br />
Fazit<br />
Die abschließende lebhafte Diskussion<br />
mit den Teilnehmern des Workshops<br />
machte deutlich, dass Mikroverunreinigungen<br />
in erster Linie ein Problem der<br />
aquatischen Ökosysteme und der Biodiversität<br />
darstellen. Die Konzentration an<br />
Arzne<strong>im</strong>itteln <strong>im</strong> Trinkwasser ist so gering,<br />
dass derzeit keine Gefährdung des<br />
Menschen zu befürchten ist. Um stoffstromspezifisch<br />
vorgehen zu können, ist<br />
es zunächst notwendig, die Wirkschwellen<br />
der betreffenden Stoffe zu kennen.<br />
Erst dann macht die Auseinandersetzung<br />
mit den in Gewässern vorkommenden<br />
Konzentrationen Sinn.<br />
Otto Schaaf, Präsident der <strong>DWA</strong>,<br />
machte abschließend deutlich, dass die<br />
Berichte<br />
<strong>DWA</strong> aktiv dazu beiträgt, Klarheit über<br />
die Belastung unserer Gewässer zu schaffen.<br />
Die Betreiber von Abwasseranlagen<br />
sind aber auch für Kosteneffizienz verantwortlich.<br />
Deshalb darf sich die industrielle<br />
Produktion nicht auf den „Polizeifilter<br />
Kläranlage“ verlassen und muss<br />
ebenfalls Verantwortung übernehmen.<br />
Die Entscheidung über das richtige Vorgehen<br />
und den geeigneten Ansatzpunkt<br />
ist individuell und stoffbezogen zu treffen.<br />
Dr. Andreas Schendel dankte zum Abschluss<br />
den Referenten für ihre konstruktiven<br />
und informativen Beiträge zu der<br />
vielschichtigen Problematik der anthropogenen<br />
<strong>Spurenstoffe</strong> <strong>im</strong> <strong>Wasserkreislauf</strong>.<br />
Die Diskussion zu dieser schwierigen<br />
Thematik werde weitergeführt. Die<br />
<strong>DWA</strong> werde sich mit ihrer Koordinierungsgruppe<br />
aktiv an diesem Prozess beteiligen.<br />
In der <strong>DWA</strong>-Position „<strong>Anthropogene</strong><br />
<strong>Spurenstoffe</strong> <strong>im</strong> Gewässer“, die anlässlich<br />
der Veranstaltung in Berlin erschien,<br />
erklärt die <strong>DWA</strong> die Problematik auf allgemeinverständliche<br />
Weise und fasst ihre<br />
Sichtweise zu wesentlichen Aspekten<br />
der Thematik zusammen. Die <strong>DWA</strong>-Position<br />
kann von der Homepage der <strong>DWA</strong><br />
als pdf-Datei abgerufen werden: www.<br />
dwa.de, dort: Presse.<br />
Autorin<br />
Dipl.-Biol. Sabine Thaler<br />
<strong>DWA</strong>-Bundesgeschäftsstelle<br />
Theodor-Heuss-Allee 17<br />
53773 Hennef<br />
E-Mail: thaler@dwa.de A<br />
www.dwa.de/KA KA Korrespondenz Abwasser, Abfall · 2011 (58) · Nr. 5<br />
433