Unternehmensnachfolge verbessern und Sachsens ... - FDP Sachsen
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<strong>FDP</strong> <strong>Sachsen</strong> BESCHLUSS<br />
30. Landesparteitag am 26. April 2008 in Belgern Seite 1/4<br />
<strong>Unternehmensnachfolge</strong> <strong>verbessern</strong> <strong>und</strong> <strong><strong>Sachsen</strong>s</strong> Zukunft sichern –<br />
neue Impulse für den sächsischen Mittelstand<br />
Unternehmen zwischen demographischen Wandel <strong>und</strong> Nachfolgedilemma<br />
Mittelständische Unternehmen bilden das Rückgrat unserer Wirtschaft. Mittelständische<br />
Unternehmer tragen dabei eine hohe soziale Verantwortung, da sie sich deutlich enger mit<br />
ihren Beschäftigten verb<strong>und</strong>en fühlen als das in Großunternehmen der Fall ist. Mittelständler<br />
sind zudem stark an ihren Standort geb<strong>und</strong>en. K<strong>und</strong>en <strong>und</strong> Lieferanten befinden sich<br />
größtenteils mit in der Region.<br />
<strong>Sachsen</strong> verfügt im Vergleich der ostdeutschen Länder über eine der höchsten<br />
Industriedichten. 99,91 Prozent aller sächsischen Unternehmen sind dem Mittelstand zu<br />
zurechnen. 86 Prozent aller sächsischen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten sind in<br />
klein- <strong>und</strong> mittelständischen Unternehmen beschäftigt. In <strong>Sachsen</strong> existiert eine kleingliedrige<br />
Unternehmensstruktur, die über dem B<strong>und</strong>esdurchschnitt liegt. 69,5 Prozent der sächsischen<br />
KMUs bezeichnen sich zudem als Familienunternehmen.<br />
Die sächsischen Klein- <strong>und</strong> Mittelständler stehen jedoch einem großen Problem gegenüber. Bis<br />
zum Jahr 2020 müssen 25.000 Unternehmer einen Nachfolger für ihren Betrieb finden. Gelingt<br />
dies nicht, sind nach bisherigen Schätzungen 330.000 Beschäftigungsverhältnisse in Gefahr,<br />
ein Umsatz von 16,1 Mrd. Euro würde in <strong>Sachsen</strong> plötzlich wegfallen. Die Risiken für die<br />
Zulieferbetriebe sind darin noch nicht berücksichtigt <strong>und</strong> bergen ein weiteres Risiko für den<br />
Wirtschaftsstandort <strong>Sachsen</strong>. 25 Prozent der 64-jährigen Unternehmer in <strong>Sachsen</strong> haben<br />
immer noch keine Vorsorge für ihre Nachfolge im Unternehmen getroffen <strong>und</strong> jedes fünfte<br />
betroffene Unternehmen plant derzeit die Schließung! Verschärft wird dieses Problem durch<br />
den demographischen Wandel. Aufgr<strong>und</strong> dessen wird die Altersgruppe der 26 bis 46-jährigen<br />
um 25 % sinken. Jene Gruppe kommt jedoch vorrangig als Nachfolger in Betracht. Die<br />
familieninterne <strong>Unternehmensnachfolge</strong> über den Sohn, die Tochter oder Verwandte nimmt<br />
zudem stetig ab, was die Herausforderungen bei der Suche nach geeigneten <strong>und</strong> fähigen<br />
Nachfolgern weiter verschärft.<br />
<strong>Unternehmensnachfolge</strong> als deutsches <strong>und</strong> europäisches Problem<br />
<strong>Sachsen</strong> ist mit dem Problem der <strong>Unternehmensnachfolge</strong> nicht allein. Alle anderen deutschen<br />
B<strong>und</strong>esländer <strong>und</strong> auch europäische Nachbarländer, wie Österreich <strong>und</strong> die Schweiz, stehen<br />
vor ähnlichen Problemen. 1 Doch <strong>Sachsen</strong> hat einen viel größeren Nachholbedarf. In <strong>Sachsen</strong><br />
wurde das Problem erst im Jahr 2005 mit der Erarbeitung des Mittelstandsberichts offenbar.<br />
Im Vergleich zu anderen B<strong>und</strong>esländern, wie Baden-Württemberg, hinkt <strong>Sachsen</strong> bei der<br />
Problemlösung fast 10 Jahre hinterher.<br />
1 In den Jahren von 2004 bis 2013 stehen 51.500 österreichische KMUs vor dem Problem der<br />
Nachfolge. In der Schweiz sind es 50.000-70.000 KMUs ab dem Jahr 2005.
<strong>FDP</strong> <strong>Sachsen</strong> BESCHLUSS<br />
30. Landesparteitag am 26. April 2008 in Belgern Seite 2/4<br />
<strong>Sachsen</strong> konkurriert aber mit anderen B<strong>und</strong>esländern <strong>und</strong> europäischen Nachbarstaaten um<br />
potentielle Existenzgründer <strong>und</strong> <strong>Unternehmensnachfolge</strong>r. Diese werden zukünftig sorgfältig<br />
auswählen, wo sie die besseren Startbedingungen für eine Existenzgründung oder eine<br />
<strong>Unternehmensnachfolge</strong> vorfinden, wo sie bessere politische Rahmenbedingungen antreffen,<br />
wo sie einfachere <strong>und</strong> transparentere gesetzliche Regelungen erfahren <strong>und</strong> wo sie letztlich mit<br />
dem wenigsten Beratungsaufwand <strong>und</strong> den bestmöglichen Renditechancen tätig werden<br />
können.<br />
<strong>Unternehmensnachfolge</strong> sichern bedeutet Wirtschaftsstandortsicherung<br />
Jedes fünfte Unternehmen, das in <strong>Sachsen</strong> vor einer <strong>Unternehmensnachfolge</strong> steht, sieht<br />
bisher als einzige Möglichkeit die Schließung. Liberale Politik setzt es sich zum Ziel, jenen<br />
Unternehmern Perspektiven zu eröffnen, den Fortbestand ihres Unternehmens <strong>und</strong> nicht<br />
zuletzt ihres Lebenswerkes zu sichern.<br />
Gleichzeitig ist es im Rahmen der <strong>Unternehmensnachfolge</strong> sinnvoll, die existierende<br />
kleingliedrige Unternehmensstruktur in <strong>Sachsen</strong> durch Unternehmensübernahmen <strong>und</strong> –<br />
zusammenschlüsse hin zu großgliedrigeren Strukturen zu konsolidieren. Situationsabhängig<br />
sind somit Übergabe <strong>und</strong> Übernahme als gleichwertige Handlungsoptionen anzusehen.<br />
<strong>Unternehmensnachfolge</strong> sichern heißt, die Innovationskraft <strong><strong>Sachsen</strong>s</strong> erhalten<br />
Kleine <strong>und</strong> mittelständische Unternehmen können aufgr<strong>und</strong> ihrer üblicherweise flachen<br />
Hierarchien <strong>und</strong> der damit verb<strong>und</strong>enen kurzen Entscheidungswege schnell auf veränderte<br />
Marktbedingungen reagieren. Die Produktideen werden besonders k<strong>und</strong>ennah entwickelt <strong>und</strong><br />
erprobt <strong>und</strong> liefern neue Impulse für den Markt.<br />
Liberale Politik verfolgt deshalb das Ziel, kleine <strong>und</strong> mittelständische Unternehmen besonders<br />
zu unterstützen. Nur wenn es gelingt, in <strong>Sachsen</strong> innovative Produktideen zu entwickeln,<br />
können neue Arbeitsplätze geschaffen werden, nur so kann der Wohlstand gesichert werden.<br />
Besonders der Generationenwechsel bei der <strong>Unternehmensnachfolge</strong> bringt nachweislich einen<br />
Innovationsschub. Kleine <strong>und</strong> mittelständische Unternehmen entwickeln dabei<br />
„Nischenfähigkeiten“, wodurch sie erhebliche Wettbewerbsvorteile erreichen. <strong><strong>Sachsen</strong>s</strong><br />
Zukunft braucht Innovation, deshalb brauchen sächsische Klein- <strong>und</strong> Mittelständler<br />
Perspektiven für die <strong>Unternehmensnachfolge</strong>!<br />
<strong>Unternehmensnachfolge</strong> sichern heißt, Arbeitsplätze erhalten<br />
Eine bestmögliche Unternehmensübergabe sichert die vorhandenen Arbeitsplätze in <strong>Sachsen</strong>.<br />
Frühzeitige <strong>und</strong> umfassende Beratungsangebote tragen dazu bei, Verunsicherungen bei den<br />
Beschäftigten zu vermeiden <strong>und</strong> die Mitarbeiter mit ihrem Know-How in den Unternehmen zu<br />
halten. Risiken <strong>und</strong> Probleme bei der Nachfolge, gescheiterte Übergabeprozesse, aufgr<strong>und</strong> des<br />
Fehlens von geeigneten Nachfolgern führen allerdings dazu, dass Unternehmen unnötig in<br />
Problemsituationen geraten, Wettbewerbsfähigkeit <strong>und</strong> Innovationskraft verlieren.
<strong>FDP</strong> <strong>Sachsen</strong> BESCHLUSS<br />
30. Landesparteitag am 26. April 2008 in Belgern Seite 3/4<br />
Gescheiterte oder verspätete <strong>Unternehmensnachfolge</strong>n sind damit das größte Risiko für die<br />
Beschäftigten in <strong>Sachsen</strong>.<br />
Die <strong>FDP</strong> <strong>Sachsen</strong> fordert deshalb:<br />
- Eine aktive Begleitung <strong>und</strong> frühzeitige Information der Unternehmen, die vor dem<br />
Problem der Nachfolge stehen.<br />
- Koordinierte Beratungsleistungen <strong>und</strong> kompetente Ansprechpartner. Vielfältige<br />
-<br />
Angebote verschiedenster Partner müssen gebündelt werden, um ein schnelles <strong>und</strong><br />
kostengünstiges Informationsangebot zu gewährleisten. Bei der Förderung von<br />
Beratungsleistungen sind Steuer- <strong>und</strong> Rechtsberatungen einzuschließen, die in<br />
unmittelbaren Zusammenhang mit einer <strong>Unternehmensnachfolge</strong> stehen.<br />
Da zukünftig zu erwarten ist, dass familieninterne Nachfolgelösungen tendenziell<br />
abnehmen oder zu spät diskutiert werden, ist eine Ausweitung der Informationen über<br />
familienexterne Nachfolgelösungen notwendig.<br />
- Bei familienexternen Lösungen sind die Hilfen bei der Suche <strong>und</strong> Auswahl geeigneter<br />
Nachfolger zu stärken. Es besteht gerade hierbei ein erhöhter Bedarf, um<br />
-<br />
Missverständnisse zwischen Übergeber <strong>und</strong> Nachfolger frühzeitig zu verhindern <strong>und</strong><br />
das beiderseitige Vertrauensverhältnis zu stärken. Hierzu müssen entsprechende<br />
Moderationsmechanismen zwischen Übergeber <strong>und</strong> Nachfolger unterstützt werden.<br />
Die <strong>Unternehmensnachfolge</strong> ist keinesfalls mit dem Abschluss der offiziellen Übergabe<br />
beendet. Gerade die Nachsorge ist wichtig. Coachingsysteme für Nachfolger, nach der<br />
Übergabe, müssen Anfangsschwierigkeiten reduzieren. Hierbei erweist es sich als<br />
hilfreich, wenn der Alteigentümer sich schrittweise aus dem Unternehmen zurückzieht<br />
<strong>und</strong> somit noch mit seinem Wissen <strong>und</strong> seinen Netzwerken hilfreich zur Seite stehen<br />
kann.<br />
- Um den Erfahrungsaustausch zu stärken, müssen Netzwerke zwischen Unternehmern,<br />
die eine Nachfolge bereits absolviert haben <strong>und</strong> potentiellen Nachfolgern, denen dies<br />
noch bevorsteht, geschaffen <strong>und</strong> gefördert werden, beispielsweise in Form eines<br />
„Paten-Konzeptes“.<br />
- Besonders familiendominierte KMUs stehen im Fall von Nachfolgelösungen vor<br />
Liquiditätsproblemen, wenn z.B. Erbanteile ausgezahlt werden müssen. Ein einfaches<br />
<strong>und</strong> transparentes Steuersystem besonders bei Schenkungen <strong>und</strong> Erbschaft, welches<br />
Unternehmen bei der Übergabe nicht dem Risiko der Auflösung aussetzt, ist daher<br />
unabdingbar.<br />
- Deshalb sollte die Erbschaftssteuer abgeschafft werden.<br />
- Durch die Vielzahl von Förderprogrammen zur Existenzgründung, die in Teilen auch die<br />
<strong>Unternehmensnachfolge</strong> fördern, ist der Beratungsbedarf sehr hoch. Die<br />
Zusammenfassung der jeweiligen Teilaspekte der Förderprogramme zu einem<br />
einheitlichen Förderprogramm zur <strong>Unternehmensnachfolge</strong> kann diesen Umstand<br />
erleichtern.
<strong>FDP</strong> <strong>Sachsen</strong> BESCHLUSS<br />
30. Landesparteitag am 26. April 2008 in Belgern Seite 4/4<br />
- Im Rahmen der <strong>Unternehmensnachfolge</strong> sind die Übergabe an natürliche <strong>und</strong> die<br />
Übernahme (auch) durch juristische Personen als gr<strong>und</strong>sätzliche Handlungsoptionen<br />
-<br />
anzusehen. Dieser Sachverhalt muss beispielsweise bei der Ausgestaltung von<br />
Förderprogrammen entsprechend Berücksichtigung finden.<br />
Die Eigenkapitaldecke von ostdeutschen KMUs beträgt ca. 10 Prozent. Mindestens 30<br />
Prozent werden von Experten jedoch als notwendig erachtet, um den Unternehmen<br />
den nötigen Gestaltungsspielraum zu liefern <strong>und</strong> Liquiditätsengpässe zu vermeiden.<br />
Die Stärkung der Eigenkapitaldecke sächsischer Unternehmen ist damit vordringlich.<br />
- Die Verbesserung der Kreditvergabe für übernahmewillige natürliche Personen ist<br />
notwendig.<br />
- Eine frühzeitige Förderung potentieller <strong>Unternehmensnachfolge</strong>r <strong>und</strong> Existenzgründer<br />
muss umgesetzt werden.<br />
- Die Stärkung von Schülerfirmen, die besonders Jugendliche für wirtschaftliche Prozesse<br />
zu sensibilisieren <strong>und</strong> deren unternehmerische Engagement frühzeitig zu wecken<br />
helfen.<br />
- Die Gründung von Schülerfirmen muss stärker unterstützt werden, zum Beispiel durch<br />
Stiftungen oder Fonds.<br />
- Bessere Schnittstellen <strong>und</strong> Austauschprozesse zwischen Hochschulen <strong>und</strong> jenen<br />
Unternehmen etablieren, die vor Nachfolgeproblemen stehen.<br />
- Studiengänge mit dem Schwerpunkt der <strong>Unternehmensnachfolge</strong> (auch<br />
berufsbegleitend <strong>und</strong> gefördert durch den Freistaat). Die Absolventen können dazu<br />
auch als „Exportschlager“ für andere B<strong>und</strong>esländer oder europäische Nachbarstaaten<br />
fungieren. Deren Bindungen an die Heimat könnten zu neuen Kooperationen zwischen<br />
sächsischen KMUs <strong>und</strong> KMUs in anderen Ländern führen.