schriftliche Lösungssprache - Reisetagebuch
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Vorlesungsübersicht WS 2013/14 Mi 08-10 Uhr Audimax<br />
8.1 Entwicklung mathematischen Wissens – am Beispiel der Arbeit mit<br />
Textaufgaben<br />
23. 10. V 1 Sach-und Textaufgaben im Überblick<br />
30. 10. V 2 Wissensentwicklung beim Sachrechnen<br />
06. 11. V 3 Textaufgaben, die Lehr- und Lernprozesse tragen – Kl. 1/2<br />
13. 11. V 4 Textaufgaben, die Lehr- und Lernprozesse tragen – Kl.3/4<br />
20. 11. V 5 Lehr- und Lernprozesse -Individuelles Aufgabenlösen<br />
27. 11. V 6 Lehr- und Lernprozesse – Aufgabenlösen mit Gleichaltrigen<br />
04. 12. V 7 Wie Schüler Aufgaben lösen (mdl. Lösungsleistung)<br />
11. 12. V 8 Wie Schüler Aufgaben lösen – Einsetzen eines <strong>Reisetagebuch</strong>es<br />
18. 12. V 9 Wie Schüler Aufgaben lösen (<strong>schriftliche</strong> Lösungsleistung)<br />
08. 01. V 10 Bewerten von Textaufgaben<br />
15. 01. V 11 Unterrichtsbeispiel<br />
22.01. V 12 Zusammenfassung<br />
29.01 Klausur (08-10 Uhr, Audimax , CIV 160, …)<br />
1
V8 Wie Schüler Aufgaben lösen-<br />
<strong>Reisetagebuch</strong><br />
• 1 Die <strong>schriftliche</strong> Lösungssprache<br />
• 2 Das Format „<strong>Reisetagebuch</strong>“<br />
• 3 Analyse der <strong>schriftliche</strong>n Einträge<br />
• 4 Wertschätzung und Bewertung<br />
2
1 Die <strong>schriftliche</strong> Lösungssprache<br />
• „Die <strong>schriftliche</strong> Sprache ist ein wesentliches Mittel der<br />
Denkprozesse. Da sie einerseits bewusste Operationen<br />
mit sprachlichen Kategorien einbezieht, verläuft sie in<br />
einem ganz anderen, bedeutend langsameren Tempo<br />
als die mündliche Sprache, und da sie andererseits eine<br />
mehrfache Hinwendung zu dem bereits Geschriebenen<br />
ermöglicht, garantiert sie auch eine bewusste Kontrolle<br />
der ablaufenden Operationen. Dies alles läßt die<br />
<strong>schriftliche</strong> Sprache zu einem wertvollen Werkzeug der<br />
Präzisierung und Vervollkommnung des Denkprozesses<br />
werden.“ (Lurija 1982, S. 244)<br />
3
• mathematische Sprache (symbolische Ebene)<br />
– Rechenaufgaben; Terme; Gleichungen<br />
– Zahlenskizzen<br />
– Tabellen (Zuordnungen)<br />
• Alltagssprache<br />
• Zeichnung/Skizze (ikonisch; symbolisch)<br />
4
„Es geht um Notizen. Umfangreiche Tests haben ergeben, dass Studenten, die<br />
sich in Vorlesungen Notizen machen und diese später lesen, sowie Studenten,<br />
die sich Notizen machen und diese nicht mehr lesen, deutlich mehr Wissen<br />
behalten als Studenten, die sich keine Notizen machen.“<br />
5
Gallin/Ruf 1993 zur Bedeutung der Schriftsprache<br />
• Eigenverantwortung<br />
Beim Schreiben verlangsamen sich Gedanken,<br />
nehmen Gestalt an und fordern zur Stellungnahme<br />
heraus (Verantwortung für die Gedanken<br />
übernehmen).<br />
• Individualisierung<br />
Individualisierung bei 25 Schülern in einer Klasse ist<br />
eigentlich nur mit dem Aufbau einer <strong>schriftliche</strong>n<br />
Sprachkompetenz (als Medium des Lernens) möglich.<br />
6
• Kommunikation<br />
Die Kinder schreiben ihren Lösungstext auch für den<br />
Lehrer, der ihn liest und mit Bemerkungen versieht.<br />
Sie schreiben auch für die Mitschüler, wenn die<br />
Lösungstexte öffentlich gemacht werden.<br />
Dieses kommunikative Schreiben lässt eine reflexive<br />
Haltung entstehen.<br />
Gallin, P., Ruf, U., Sprache und Mathematik in<br />
der Schule, Zürich 1991.<br />
7
• Man kann unterscheiden zwischen<br />
lösungsbegleitenden Darstellungen<br />
(Lösungsentwicklung; Entlastung des<br />
Arbeitsspeichers) und<br />
• dem Ver<strong>schriftliche</strong>n von<br />
Denkprozessen, die zu diesen<br />
Lösungen führten, im Anschluss an die<br />
Lösungsfindung.<br />
8
2 Das Format „<strong>Reisetagebuch</strong>“<br />
9
Das „<strong>Reisetagebuch</strong>“<br />
Die Textaufgabe<br />
• freie Bearbeitung durch<br />
die Lernenden<br />
Reflexion durch die Lehrperson<br />
10
• Die Idee für die Reisetagebücher im<br />
Mathematikunterricht stammt von Peter<br />
Gallin und Urs Ruf.<br />
• Quelle: Sprache und Mathematik. Seelze: Friedrich 1990 bis<br />
2003<br />
• Auf der folgenden Folie finden Sie Ideen aus diesem Konzept.<br />
11
• Beim Lernen auf eigenen Wegen spielt das Verfassen<br />
von Texten eine große Rolle.<br />
• Die Schüler erschließen sich den Stoff über das<br />
Schreiben eigenständig.<br />
• Weil das Schreiben den Gedankenfluss stark<br />
verlangsamt, erhält der Schüler Gelegenheit, seine<br />
eigenen Aktivitäten der Reflexion zugänglich zu machen.<br />
• Seine singuläre Art Probleme anzupacken und zu lösen,<br />
wird dadurch nicht nur aufgewertet, sondern auch<br />
fassbar und diskutierbar.<br />
• Individuelles Fragen und Handeln wird kultiviert.<br />
12
Peter Gallin, 2010<br />
• …“ dank der Spuren im Journal sieht man gleichsam in den<br />
Kopf des Kindes hinein.“<br />
• „Die Kinder dieser Klasse arbeiten in Zeichnungsheften, die<br />
durch ihre Strukturlosigkeit die Freiheit der individuellen<br />
Produktion noch zusätzlich unterstützen.“<br />
• „Die Aufzeichnungen sind offenbar so persönlich gestaltet,<br />
dass eine natürliche Hemmung das Abschreiben<br />
verhindert.“<br />
• „Entscheidend ist, dass die Lehrerin den Mut hat, den<br />
Kindern etwas zuzutrauen und nicht glaubt, alles vorgeben<br />
zu müssen.“<br />
Gallin. P., Dialogisches Lernen. Von einem pädagogischem<br />
Konzept zum täglichen Unterricht. In: Grundschulunterricht 57<br />
(2), S. 4-9, 2010.<br />
13
Kinder beim Arbeiten im <strong>Reisetagebuch</strong><br />
beobachtet<br />
14
Das <strong>Reisetagebuch</strong><br />
repräsentiert einen<br />
individuellen Denkund<br />
Arbeitsraum.<br />
(Beispiele März, Kl. 1: Kai<br />
ist traurig. Er hat Geld<br />
verloren …)<br />
15
Beispiel<br />
Fortsetzung<br />
16
Entwicklung der Einträge<br />
17
• Zu Schulbeginn:<br />
• Lesen und Schriftsprache stehen am<br />
Anfang der Entwicklung - die<br />
Denkfähigkeit des Kindes aber nicht!<br />
• Auch die mündliche Lösungssprache<br />
bleibt hinter den Denkfähigkeiten<br />
häufig noch zurück.<br />
18
• Je freier das Kind die Bearbeitung<br />
wählen kann, desto mehr kann es von<br />
seinen Fähigkeiten (zur<br />
Mathematisierung) zeigen.<br />
19
Alina, Aufgabe 4, Kl. 1 Alina, Aufgabe 11, Kl. 1<br />
Alina, Aufgabe 22, Kl. 2<br />
20
Verschriftlichung von Lösungsgedanken<br />
• Nach dem Hören/Lesen der Sachaufgabe beginnt das Nachdenken.<br />
In engem Zusammenhang damit erfolgt die Verschriftlichung der<br />
Gedanken – eine wichtige Fähigkeit, um auch bei schwierigen und<br />
komplexen Sachaufgaben erfolgreich zu sein.<br />
• Eine Stütze für die Denkprozesse ist die Verschriftlichung vor allem<br />
dann, wenn das Kind auf seine eigene Weise notieren und skizzieren<br />
kann. Das weiße Papier und der Platz im <strong>Reisetagebuch</strong> regen<br />
förmlich dazu an.<br />
• Besonders für junge Grundschulkinder (Kl. 1/2) ist es wichtig,<br />
parallel dazu die enaktive Ebene, das Operieren mit Material, zu<br />
nutzen.<br />
• Im Zusammenhang mit dem Notieren der Lösungsgedanken<br />
erwerben die Grundschulkinder Strukturierungsfähigkeiten für das<br />
Darstellen der Lösungswege und Lösungen.<br />
Quelle: Rasch, Mathematik differenziert, 3/2012<br />
21
Neulich wurde im Radio die folgende Aufgabe<br />
gestellt: Bei einem Festival treten 4<br />
Tanzgruppen nacheinander auf. Die<br />
nachfolgende Tanzgruppe ist immer doppelt so<br />
groß wie die vorhergehende. Die 4. Tanzgruppe<br />
bestand aus 80 Tänzern. Wie viele Personen<br />
gehörten zur Tanzgruppe, die zuerst<br />
aufgetreten ist? (Kl. 3)<br />
Valeria bringt zum<br />
Ausdruck, dass es die<br />
Lösungsidee, der<br />
Denkansatz ist, was<br />
mühevoll gesucht werden<br />
muss, um problemhaltige<br />
Textaufgaben erfolgreich<br />
lösen zu können.<br />
22
3 Analyse der <strong>schriftliche</strong>n Einträge<br />
23
• Die Analyse und Wertung der Einträge kann nach<br />
unterschiedlichen Gesichtspunkten erfolgen:<br />
– Man unterscheidet lösungsbegleitende Notizen und<br />
Notizen im Anschluss an das Lösen und macht den<br />
Lösenden die Vorteile der jeweiligen Art der<br />
Verschriftlichung bewusst.<br />
– Kommunikatives Schreiben durch das Kind – die<br />
Lehrperson antwortet: Man wertschätzt das Geleistete<br />
(singuläres Wissen) durch einen Vermerk unter dem<br />
Arbeitsprodukt des Kindes.<br />
– Man kann be – werten nach dem Modell „Verstehen-<br />
Strategie-Lösung“ (s. V2)<br />
– Man wird auf Aspekte aufmerksam, die man für die<br />
ganze Klasse ansprechen sollte und die man besonders<br />
fördern könnte.<br />
24
innere Sprache wird in äußere Lösungssprache überführt (s. Wygotski)<br />
• lösungsbegleitende<br />
Notizen<br />
– Strukturierungshilfe für<br />
das Denken<br />
– Entlastung des<br />
Arbeitsspeichers<br />
• Verschriftlichungen im<br />
Anschluss an die Lösung<br />
– Bewusstes<br />
Nachvollziehen des<br />
Lösungsweges<br />
– Entwickeln<br />
verschiedener Formen<br />
zum Darstellen der<br />
Lösung<br />
25
Nils, Kl. 3<br />
Die Aufgabe:<br />
Die Kinder der 3. Klasse freuen sich über den<br />
ersten Schnee. Luisa und Eric werfen ihre<br />
Schneebälle besonders weit. Addiert man<br />
beide Strecken sind es 18 m. Eric wirft 4 m<br />
weiter als Luisa. Wie weit wirft Eric? Wie weit<br />
wirft Luisa?<br />
Analysieren Sie das Lösungsdokument von Nils hinsichtlich<br />
lösungsbegleitender Notizen und nach Notizen, die im Anschluss an<br />
Denkprozesse im Kopf notiert wurden.<br />
26
Einordnen der Dokumente von Ludwig und Martin aus<br />
V7/8<br />
Welche Verschriftlichungen erfolgten<br />
lösungsbegleitend, welche im Anschluss an<br />
die Lösung?<br />
27
Ludwig und Martin beim Arbeiten im <strong>Reisetagebuch</strong>.<br />
• Wir haben die beiden Kinder im Lösungsgespräch<br />
beobachtet. Die unterschiedliche Herangehensweise<br />
und das unterschiedliche Arbeitstempo spiegelt sich<br />
auch in der <strong>schriftliche</strong>n Darstellung wider.<br />
Ordnen Sie die folgenden Lösungsdokumente den beiden Kindern zu.<br />
28
Schriftliches<br />
Lösungsdokument 1, Kl. 4<br />
29
Schriftliches<br />
Lösungsdokument 2, Kl. 4<br />
30
4 Wertschätzung und Bewertung<br />
31
• Kommunikatives Schreiben – die Lehrperson „antwortet“<br />
Das singuläre Wissen des Kindes erfährt eine individuelle<br />
Wertschätzung.<br />
32
Kommentare der Lehrerin für Songyl in Kl. 1<br />
33
Kommentare der Lehrerin für Songyl Kl. 3<br />
34
• Einschätzen der Lösungskompetenz des Kindes<br />
- Verstehen des Problems (0-2 P)<br />
- nicht verstanden<br />
- teilweise verstanden<br />
- verstanden<br />
- Wahl und Ausführung einer zielführenden Strategie<br />
(0-2P)<br />
- keine Strategie bzw. nicht zielführend<br />
- teilweise zielführend<br />
- zielführend<br />
- Antwort/Lösung (0-2P)<br />
- keine/falsche Lösung/Antwort<br />
- Teillösung richtig<br />
- richtig gelöst<br />
s. auch vorangegangene<br />
Vorlesungen<br />
Quelle: I‘m not very good<br />
at solving problems … In:<br />
Mathematical Behavior.<br />
27/2008.<br />
35
Übung zur Analyse von Einträgen in<br />
Reisetagebüchern<br />
36
Die Bremer Stadtmusikanten (Kl. 3/4)<br />
• Der Esel ist bis zum Rücken 1,50 m hoch.<br />
Darauf steht der Hund. Die Katze ist 10cm<br />
kleiner als der Hahn und der Hahn ist<br />
dreimal kleiner als der Esel. Zusammen<br />
erreichen sie eine Höhe von 3 m.<br />
• Wie groß ist der Hund?<br />
leistungsstarke Schüler<br />
37
Ninas Leistung Kl. 4<br />
38
• Der Opa von Murks ist Kaninchenzüchter. Er<br />
besitzt Ställe für ein und für zwei<br />
Kaninchen. Insgesamt sind es 25 Ställe. Er<br />
kann darin 40 Tiere unterbringen.<br />
Wie viele Ställe sind es für ein Kaninchen?<br />
Wie viele Ställe sind es für zwei Kaninchen?<br />
Das <strong>Reisetagebuch</strong> bietet Gelegenheit zur<br />
Kommunikation mit der Lehrperson über<br />
das Lösen hinaus – wenn für die Schüler<br />
diese singuläre Form des Arbeitens<br />
vertraut und verlässlich ist.<br />
40
Kommunikatives Schreiben – Man<br />
weiß, dass es jemand liest und<br />
„wertet“.<br />
41
Analyse zu Schülerdokumenten in<br />
Reisetagebüchern (s. Anlage)<br />
• (1) Versuchen Sie an einigen Beispielaufgaben sich in die<br />
Lösungswege der Schülerin/des Schülers hineinzuversetzen.<br />
• (2) Können Sie die Vermerke der Lehrperson nachvollziehen oder<br />
würden Sie anderes kommunizieren?<br />
• (3) Wählen Sie eine Aufgabe aus, bei der Sie den Anteil von<br />
lösungsbegleitender Schriftsprache und von Notizen nach der<br />
Lösung vergleichen.<br />
• (4) Nehmen Sie sich das Heft eines Kindes und versuchen Sie das<br />
Lösungsprofil dieses Kindes genauer zu erfassen.<br />
42
Fazit<br />
• Inwiefern kann das <strong>Reisetagebuch</strong> die Entwicklung von<br />
Lösungskompetenzen unterstützen?<br />
– Eigene Denkprozesse können entfaltet werden, eigene<br />
Wege gegangen werden<br />
– Die Kinder werden angeregt, Strukturen zu entwickeln:<br />
Wie schreibe ich etwas auf, wie ordne ich meine Gedanken<br />
auf dem Papier?<br />
– Die Schüler können in ihrem eigenen Lerntempo arbeiten.<br />
– Sie werden durch die Offenheit zu weiteren<br />
Mathematisierungen angeregt.<br />
• Was wird darüber hinaus angeregt?<br />
43