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Rede arminserwani kranzniederlegung - FDP Stuttgart

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<strong>Rede</strong> des Kreisvorsitzenden der <strong>FDP</strong> <strong>Stuttgart</strong>, Armin Serwani,<br />

auf der Gedenkfeier<br />

anlässlich des 60. Todestages von Elly Heuss-Knapp<br />

am 19. Juli 2012<br />

auf dem Waldfriedhof <strong>Stuttgart</strong><br />

Heute gedenken wir anlässlich ihres 60. Todestages Elly Heuss-Knapp. Sie verstarb am 19. Juli 1952.<br />

Viele Menschen erinnern sich an sie als Frau des ersten deutschen Bundespräsidenten, des Liberalen<br />

Theodor Heuss, der maßgeblich die Bundesrepublik Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg mitgestaltete<br />

und dem Amt die Würde, das Vertrauen und die Prägnanz verlieh, die es heute in den Augen der Republik<br />

und der Welt genießt.<br />

Aber es ist viel zu kurz gegriffen, wenn man Elly Heuss-Knapp auf das Format der Präsidentengattin<br />

verkürzt. An ihr zeigt sich das Gesicht Deutschland im 20. Jahrhundert und sie ist bis heute durch ihr<br />

unerschrockenes Wirken als moderne, selbständige und mutige Frau ein bleibendes Vorbild.<br />

Ihr Vater, Friedrich Georg Knapp, war renommierter Nationalökonom und später Rektor der Universität<br />

Straßburg, die Mutter Lydia stammte aus einem armenischen Adelsgeschlecht und war bereits im Alter von<br />

achtzehn Jahren nach Leipzig gekommen, um dort Nationalökonomie zu studieren. Grenzen und Kulturen<br />

waren im Elternhaus von Elly Knapp nicht maßgeblich, ebensowenig das festgefügte Rollenbild der Frau, wie<br />

es noch lange Zeit bestand. Grenzenlose Neugier auf die Welt und die Erkenntnis, dass Wissen auch für<br />

Frauen die Welt öffnen sollte, diese Eindrücke waren prägend. In dieser weltoffenen und geistig<br />

aufgeschlossenen Atmosphäre wuchs Knapp selbstbewusste Frau heran. Die wenigsten Menschen wissen<br />

wohl, dass die Frau des ersten Bundespräsidenten das blaue Blut einer armenischen Prinzessin in den Adern<br />

hatte.<br />

Nach der Höheren Mädchenschule besuchte sie das Lehrerinnenseminar und schloss das Examen ab. Mit<br />

knapp zwanzig Jahren war sie in ihrer Heimatstadt Straßburg als Lehrerin tätig und gründete dort eine<br />

Fortbildungsschule für schulentlassene Mädchen. Dies war in einer Gesellschaft, in der Bildung für Frauen<br />

kaum als wichtig erkannt worden war, ein wichtiger Impuls und ein Schritt, für den es ein großes<br />

Selbstbewusstsein benötigte. Lehrerinnen sollten zur damaligen Zeit ledig bleiben und Frauen hatten sich in<br />

ihre Rolle zu fügen. Bereits die junge Elly Knapp erweiterte mit diesen Schritten die Grenzen der<br />

gesellschaftlichen Normen.<br />

Zu Recht tragen viele Schulen heute ihren Namen. Sie kämpfte dafür, durch Bildung selbstbewusste<br />

Menschen zu erziehen, die in der Gesellschaft Verantwortung übernehmen. An dieser Stelle sei erwähnt,<br />

dass wir es als <strong>FDP</strong> in <strong>Stuttgart</strong> als besonderen Auftrag empfinden, gerade anlässlich dieses 60. Todestages<br />

den Neubau des Elly-Heuss-Knapp-Gymnasiums in Bad Cannstatt nachhaltig zu fordern.<br />

Verwaltungsbedenken sind aus unserer Sicht zu wenig, um nicht den Schülerinnen und Schülern in<br />

Cannstatt eine angemessene Stätte der Bildung und Begegnung zu geben. Eine neue Schule ist eine<br />

Investition für die Gesellschaft der Zukunft. Der Name Elly Heuss-Knapp sollte gerade für <strong>Stuttgart</strong><br />

Verpflichtung sein.<br />

Elly Knapp kümmerte sich um die Belange ihrer Mitmenschen. Ehrenamtlich widmete sie sich Anfang des<br />

20. Jahrhunderts Zeit der Armenpflege. Sie selbst ging ihren Bildungsweg weiter und studierte zunächst in<br />

Freiburg, später in Berlin Nationalökonomie. 1908 heiratete sie den zwei Jahre jüngeren Theodor Heuss. Sie<br />

wurden in Straßburg von Albert Schweitzer getraut.<br />

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Sie zogen nach Berlin und dort kam später der Sohn Ludwig zur Welt. Nach dem Ersten Weltkrieg arbeitete<br />

Elly Heuss-Knapp als Lehrerin an verschiedenen Schulen Berlins. In dieser Zeit wurde sie politisch aktiv und<br />

begann als Werbetexterin. 1919 durften die Frauen in Deutschland zum ersten Mal wählen. Von Elly Heuss-<br />

Knapp stammt der überparteilich eingesetzte Spruch: „Frauen werbt und wählt,/ jede Stimme zählt, / jede<br />

Stimme wiegt, / Frauenwille siegt!“ Er fand im ganzen Land weite Verbreitung.<br />

Sie kandidierte in Berlin für die Deutsche Demokratische Partei für die Nationalversammlung in Weimar<br />

1919 und für den Reichstag 1920. Sie schaffte jedoch den Sprung ins Parlament nicht. 1923 zog sie sich aus<br />

inhaltlichen Gründen aus der Parteiarbeit zurück, auch hier war sie konsequent aber blieb der liberalen<br />

Politik weiter verbunden.<br />

Mit dem Beginn der NS-Zeit verlor sie ihre Lehrbefugnis und ihr Mann Theodor den Lehrstuhl für Politik und<br />

sein Reichstagsmandat. Da Theodor Heuss mit einem weitreichenden Publikationsverbot belegt wurde, kam<br />

auf sie die Aufgabe zu, für die Familie zu sorgen. Sie schaffte dies und arbeitete als Werbetexterin für große<br />

und bekannte Firmen und Marken wie Reemtsma, Knorr, Persil oder Nivea. Dabei war sie auf diese Idee<br />

eher zufällig gekommen, da ihr Vetter, ein Hustenpastillen-Fabrikant, sie 1933 um einen Spot für das damals<br />

noch neue Medium Radio bat. Sie kam auf die Idee des gesungenen Markennamens und ließ diese Idee<br />

patentieren. Elly Heuss-Knapp ist die Erfinderin des Radio-Jingles und damit eine der Gründungsmütter des<br />

medialen Marketings. Auch dies gehört dazu, wenn wir heute an diese moderne Frau denken.<br />

Nach 1945 waren Elly Heuss-Knapp und ihr Mann bereit, am demokratischen Wiederaufbau aktiv<br />

mitzuwirken. 1946 wurde Elly Heuss-Knapp in den Landtag von Württemberg-Baden gewählt. Hier konnte<br />

sie ihre Erfahrung im Bereich der Wohlfahrtsgesetzgebung und Kulturpolitik einbringen. Sie betonte in<br />

zahlreichen Ansprachen und Vorträgen den karitativen Geist der Wohlfahrt, der neben der staatlichen Hilfe<br />

greifen müsste. „Hilfe zur Selbsthilfe“ war in diesen Zeiten der Not ein grundlegend wichtiger Ansatz. Viele<br />

Deutsche, Vertriebene, Emigranten und Ausländer hörten auf ihre Stimme, verkörperte sie doch das<br />

andere, bessere Deutschland, das die Jahre des Unrechts unter den Nazis überdauern konnte.<br />

Sie selbst schrieb 1949 in einem Aufsatz über Parlamentarische Arbeit: „ Ich bin nicht naiv genug zu<br />

glauben, alles käme in Ordnung, wenn mehr Frauen in der Leitung der Dinge wären. Aber gewiss ist es die<br />

Aufgabe der Frau, sich ins öffentliche Leben einzuschalten.“ Diese Aufgabe erfüllte sie als Vorbild für viele<br />

Frauen im ganzen Land.<br />

Nach der Wahl ihres Mannes zum Bundespräsidenten gab sie ihr Mandat auf und wurde zur ersten<br />

Präsidentengattin in Deutschland. Auf die Bedenken aus der CDU, Theodor Heuss wäre nicht besonders<br />

kirchenfreundlich, sagte Konrad Adenauer: „Er hat eine christlich denkende Frau. Das genügt.“ In dieser<br />

Funktion schuf sie Maßstäbe, denn sie verstand ihr Amt keineswegs nur als „First Lady“ und repräsentative<br />

Begleiterin ihres Mannes, sondern legte einen Grundstein für soziales Engagement in dieser Funktion. 1950<br />

gründete sie die Elly-Heuss-Knapp-Stiftung, die bis heute unter dem Namen Müttergenesungswerk bekannt<br />

ist und Frauen wichtige Unterstützung gewährt.<br />

Anlässlich des 80. Geburtstags von Elly Heuss-Knapp schrieb der damalige <strong>FDP</strong>-Landesvorsitzende Wolfgang<br />

Haußmann 1961 einen Brief an Theodor Heuss, in dem er das Wirken seiner verstorbenen Frau würdigte. Er<br />

schrieb: „Ich möchte zum Ausdruck bringen, wie sehr Elly Heuss-Knapp in unseren Gedanken fortlebt und<br />

wie sehr ihr verständnisbereites, tief im Menschen wurzelndes Wesen unsere politische Arbeit befruchtet<br />

und unser soziales Gewissen geschärft hat.“<br />

Im Namen der <strong>FDP</strong> <strong>Stuttgart</strong> füge ich hinzu: Diese starke Frau trat mit kundigem Blick für die Sorgen und<br />

Nöte der Mitmenschen als engagierte Demokratin und Kämpferin für die Idee der Freiheit und<br />

Eigenverantwortung auf.<br />

Sie war für die liberale Sache und ganz Deutschland ein Glücksfall und ein Vorbild bis heute.<br />

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