Zeit schenken – - Evangelisches Diakoniewerk Gallneukirchen
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Porträt <strong>–</strong> Menschen im <strong>Diakoniewerk</strong> Porträt<br />
„Wir brauchen keine Anerkennung aus Rom!“<br />
Ab 2008 wird Michael Bünker sein Amt als neuer Bischof der<br />
Evangelischen Kirche A.B. in Österreich antreten. Michael Bünker<br />
ist seit 1999 Oberkirchenrat, seit 2006 Generalsekretär der<br />
Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) und derzeit<br />
noch Mitglied im Kuratorium des <strong>Diakoniewerk</strong>es. Als Bischof will<br />
sich der 53-Jährige für eine schlanke, offene und reformbereite<br />
Kirche einsetzen, die deutlich für das Evangelium eintritt.<br />
Astrid Schweighofer<br />
führte das<br />
Gespräch mit Dr.<br />
Michael Bünker<br />
für die „Supernews“<br />
der<br />
Evangelischen<br />
Diözese Niederösterreich.<br />
„Den Evangelischen<br />
wird man nie<br />
nachsagen können,<br />
dass sie die Augen<br />
vor der Realität<br />
verschließen.“<br />
18 Diakonie 6|2007<br />
Evangelische Verantwortung für Bildung:<br />
was ist das? Wie bewerten Sie<br />
den Trend Ausbildung statt Bildung“?<br />
In unserer Tradition ist ganzheitliche<br />
Bildung zentral. Seit Beginn<br />
der Reformation war es wichtig,<br />
umfassende Bildung anzubieten<br />
und allen Mädchen und Buben den<br />
gleichen Zugang zu allen Schulen<br />
ohne soziale Schranken zu ermöglichen.<br />
Heute würde das bedeuten,<br />
dass man versucht, ein aus evangelischer<br />
Sicht möglichst integratives<br />
Schulsystem zu befürworten<br />
<strong>–</strong> natürlich immer mit einer inneren<br />
Differenzierung, denn das Eingehen<br />
auf die einzelne Persönlichkeit<br />
ist ebenso wichtig.<br />
Hat Religionsunterricht noch Platz in<br />
den Schulen?<br />
Religionsunterricht ist nach österreichischem<br />
Recht ein ordentliches<br />
Pflichtfach. Durch die Entwicklungen<br />
der letzten Jahre wird Religion<br />
im öffentlichen Raum zunehmend<br />
diskutiert. Damit<br />
das nicht nur unter der<br />
Überschrift des Terrorismus<br />
und Fanatismus<br />
geschieht, ist es notwendig,<br />
dass die positiven<br />
Wirkungen von Religion<br />
zur Sprache kommen. In<br />
Österreich geben derzeit<br />
etwa 700 Personen evangelischen<br />
Religionsunterricht. Diese 700 Personen<br />
haben Woche für Woche mit<br />
rund 46.000 Kindern und Jugend-<br />
lichen Kontakt. Das stellt eine hohe<br />
Verpflichtung für die Kirche dar.<br />
Welchen Themen werden Sie sich als<br />
Bischof widmen?<br />
Es gibt einen steten, zwar nicht immer<br />
dramatischen, auf die Dauer<br />
aber sehr unerfreulichen Schwund<br />
an Mitgliedern. Da geht es vor<br />
allem um die Akzeptanz der ganz<br />
herkömmlichen Formen, wie Kirche<br />
lebt, also zum Beispiel um den normalen<br />
Sonntagsgottesdienst. Mein<br />
wichtigstes Thema wird wohl sein,<br />
dass wir uns damit nicht abfinden,<br />
sondern hier gegensteuern, um von<br />
einer immer kleiner werdenden Kirche<br />
zu einer wachsenden Kirche zu<br />
werden, die klarer und deutlicher<br />
für das Evangelium eintritt. Zuerst<br />
muss man aufzeigen, wofür die<br />
evangelische Kirche eintritt.<br />
Unmittelbar nach Ihrer Wahl sprachen<br />
Sie von einer „offenen und reformbereiten<br />
Kirche“. Gibt es schon<br />
konkrete Pläne?<br />
Das Erste ist, dass wir sicherlich Anstrengungen<br />
brauchen, um Frauen<br />
stärker für leitende Funktionen zu<br />
interessieren. Es soll nicht einfach<br />
übergangen werden, dass von den<br />
vier nominierten Frauen letztlich<br />
keine für das Bischofsamt kandidiert<br />
hat. Das Zweite ist, dass wir<br />
immer auch Proben ablegen müssen,<br />
wie wir mit unseren internen<br />
Konflikten umgehen <strong>–</strong> Stichwort<br />
Homosexualität. Derzeit ist zur Frage<br />
der öffentlichen Segnung von<br />
gleichgeschlechtlichen Paaren kein<br />
Konsens herstellbar. Wie gehen wir<br />
damit um, dass wir in bestimmen<br />
Fragen keinen Konsens haben?<br />
Das Dritte ist, dass wir Evangelischen<br />
einen guten Ruf dafür haben,<br />
wie wir mit der Schrift umgehen.<br />
Ich denke, wir sollten dieses Positive<br />
noch verstärken und nach außen<br />
tragen <strong>–</strong> nämlich, dass die evan-<br />
gelische Kirche eine Kirche ist, die<br />
sich ausschließlich von der biblischen<br />
Botschaft herleitet und deshalb auch<br />
einen besonderen Umgang mit der<br />
Heiligen Schrift entwickelt hat.<br />
Soll sich Kirche in Politik einmischen?<br />
Die Kirche wird sich dann in die Politik<br />
einmischen müssen, wenn sie meint,<br />
dass ihre prophetische Stimme und Kritik<br />
notwendig ist. Das war in den letzen<br />
Jahren hauptsächlich im Umgang<br />
mit Zuwanderern und Asylsuchenden<br />
der Fall. Dieses Thema wird uns auch<br />
in Zukunft stark beschäftigen, etwa<br />
im Zusammenleben mit Muslimen.<br />
Da wird unsere Kirche sicherlich nicht<br />
schweigen. Es ist vom Auftrag der Kirche<br />
her notwendig, allen Tendenzen,<br />
Menschen gegeneinander auszuspielen<br />
oder Ressentiments zu schüren,<br />
entgegen zu steuern. Der Islam ist eine<br />
europäische Realität. Wer davor die<br />
Augen verschließt, der verschließt sie<br />
also vor einem Gutteil unserer Realität.<br />
Den Evangelischen wird man nie<br />
nachsagen können, dass sie die Augen<br />
vor der Realität verschließen. Sie<br />
werden aber versuchen, diese Realität<br />
möglichst menschlich aus dem Geist<br />
des Evangeliums zu gestalten.<br />
Wie bewerten Sie die Aussage Joseph<br />
Ratzingers über das Kirche-Sein der<br />
reformatorischen Gemeinschaften?<br />
Die Aussage ist ja nichts Neues. Es ist<br />
eine bestimmte Interpretation aus der<br />
Stelle in der Kirchenkonstitution des<br />
Zweiten Vatikanums, die seit „Dominus<br />
Iesus“ in eine für den Protestantismus<br />
eher unerfreuliche Richtung<br />
ausgelegt wird. Das Zweite ist: Die<br />
Evangelischen Kirchen brauchen keine<br />
Anerkennung, keine Approbierung<br />
aus Rom. Wir sind approbiert vom<br />
Evangelium Jesu Christi.<br />
Welche Rolle spielt Ihr Beruf?<br />
Ich war immer der Meinung, dass wir<br />
im geistlichen Amt einen Traumberuf<br />
haben und würde mir wünschen, dass<br />
das auch alle Pfarrerinnen und Pfarrer<br />
so sehen können. Ich möchte mich<br />
als Bischof bemühen, an den Bedingungen<br />
so viel zu basteln und zu<br />
drehen, dass das leichter möglich ist.<br />
Aber es ist in der Tat ein Traumberuf,<br />
auch in der Schule, wo man mit<br />
Kindern und Jugendlichen in Kontakt<br />
steht und sich mit wesentlichen Fragen<br />
des Lebens beschäftigen darf.<br />
Astrid Schweighofer in „Supernews“ der<br />
Evangelischen Diözese Niederösterreich. (gekürzt)