02.11.2012 Aufrufe

Die Brücke Michaeli 2009 zum Download (pdf, 761

Die Brücke Michaeli 2009 zum Download (pdf, 761

Die Brücke Michaeli 2009 zum Download (pdf, 761

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Liebe Freunde!<br />

Mit größtem Vergnügen denke ich, wie Sie<br />

vielleicht auch, an unsere Pfingsttagung zurück.<br />

Sicher sind Sie, die Sie teilgenommen<br />

haben mit mir der Meinung: Das war Spitze!<br />

Eine völlig neue Form, hoch interessante<br />

Inhalte, tolle Projekte, schmackhaftes Essen<br />

in einem modernen Ambiente und eine perfekte<br />

Organisation, allen voran stellvertretend<br />

für das ganze Team Hannelore Fischer, der<br />

ich nicht genug danken kann für ihren unermüdlichen<br />

Einsatz. Ich kann nur sagen: Weiter<br />

so!<br />

<strong>Die</strong>ses Jahr hat vom 11. bis 13. Juni in der<br />

freien Hochschule für anthroposophische<br />

Pädagogik in Mannheim die gemeinsame<br />

Jahrestagung der BundesElternVereinigung<br />

mit dem Verband für anthroposophische<br />

Heilpädagogik, Sozialtherapie und soziale<br />

Arbeit e.V. stattgefunden. <strong>Die</strong>ses Treffen<br />

stand unter dem programmatischen Titel:<br />

„Chancen und Herausforderungen der UN-<br />

Konvention über die Rechte von Menschen<br />

mit Behinderungen“. <strong>Die</strong>ses Rechtswerk ist<br />

vor wenigen Wochen von der Bundesregierung<br />

ratifiziert worden und hat damit Rechtsverbindlichkeit<br />

erlangt.<br />

<strong>Die</strong> konkrete Umsetzung der Konvention in<br />

nationales Recht ist nicht in allen Dimensionen<br />

geklärt, jedoch hat ein Grundsatzreferat<br />

von Frau Stefanie Pagel, die für diese Konvention<br />

zuständige Referatsleiterin im Bundesministerium<br />

für Arbeit und Soziales in<br />

ihrem klaren und engagierten Beitrag ein hohes<br />

Maß an Gesprächsbereitschaft signalisiert<br />

und uns zuversichtlich gestimmt, dass<br />

2<br />

es möglich sein wird in einen konstruktiven<br />

Dialog einzutreten. Wir haben hier insbesondere<br />

Menschen mit hohem Hilfebedarf im<br />

Auge, die sich auf Grund der Schwere ihrer<br />

geistigen Behinderung nicht selbst bzw. nur<br />

eingeschränkt äußern können und deswegen<br />

auch in Behindertenselbsthilfeverbänden<br />

nicht so leicht Gehör finden. Es ist deswegen<br />

wichtig darauf hinzuwirken, dass diese Menschen<br />

die Möglichkeit haben, aktiv Entscheidungsprozesse<br />

zu gestalten. Frau Pagel hat<br />

Einladungen <strong>zum</strong> Besuch von Einrichtungen<br />

angenommen, so dass sie die Möglichkeit<br />

hat, sich selbst ein Bild von der Lebenswirklichkeit<br />

solcher Orte zu machen und es uns<br />

gelingen möge, ihr unser Anliegen so konkret<br />

wie möglich darzustellen.<br />

<strong>Die</strong> amtliche deutsche Übersetzung der Konvention<br />

sowie weitere nützliche Informationen<br />

zur UN-Konvention finden Sie unter<br />

www.behindertenbeauftragte.de/alle-inklusive<br />

<strong>Die</strong>sen kurzen Bericht möchte ich nicht beenden,<br />

ohne Sie ganz ausdrücklich auf den<br />

beigefügten Überweisungsträger aufmerksam<br />

zu machen. Wie Sie wissen, ist neben persönlichem<br />

Einsatz auch ein gewisser finanzieller<br />

Rahmen für die Realisierung von Maßnahmen<br />

nötig, die dem Wohle unserer Betreuten<br />

dienen.<br />

Ihnen und Ihrer Familie wünsche ich einen<br />

friedlichen Jahresausklang und verbleibe mit<br />

herzlichen Grüßen


Frau Gerlinde Kriese, langjähriges Redaktionsmitglied<br />

geht in den Ruhestand und verlässt<br />

auch die BRÜCKE-Redaktion. Wir wünschen<br />

Ihr in Ihrem neuen Lebensabschnitt<br />

alles Gute und danken Ihr für Ihren großen<br />

Einsatz!<br />

Hannelore Dabbert, Hannelore Fischer und<br />

Gerhard Meier<br />

Brief von Cristiane Regensburger<br />

und Christiane Saucke<br />

Liebe Gerlinde,<br />

nun ist die Zeit gekommen, dass Du Dich aus<br />

dem Schuldienst verabschiedest.<br />

Durch Deine Tochter Bettina wurdest Du zu<br />

Camphill geführt. Gemeinsam habt Ihr für<br />

Camphill gelebt. Bettina erst als Schülerin in<br />

Föhrenbühl und später als Erwachsene auf<br />

dem Hermannsberg.<br />

Du hast anfangs in Föhrenbühl Schüler betreut<br />

und bist dann später als Lehrerin dort<br />

tätig geworden, nachdem die Schulbehörde<br />

Dich für diesen besonderen <strong>Die</strong>nst von der<br />

Regelschule freigestellt hatte.<br />

Bei Deinem Engagement in verschiedenen<br />

lebenspraktischen Fächern und besonders<br />

als Werkstufenlehrerin haben Dich viele Eltern<br />

und Schüler kennen und schätzen gelernt.<br />

Christiane Saucke und ich haben Dich in unser<br />

Herz geschlossen als Eltern mit gleichem<br />

Anliegen. Du hattest immer ein offenes Ohr<br />

und wusstest so viel, was helfen konnte,<br />

wenn wir Verständnis nötig hatten.<br />

Wir können uns auch noch gut an Deinen<br />

Einsatz bei den „Pfingstseminaren“ erinnern,<br />

die wegen der guten inhaltlichen und organisatorischen<br />

Gestaltung immer von sehr vielen<br />

Angehörigen besucht waren. <strong>Die</strong> alten „Mitarbeiter-Urgesteine“<br />

zogen magisch an –<br />

man pilgerte da hin.<br />

Ein besonderer Platz unserer Begegnung war<br />

darüber hinaus das Organ „<strong>Die</strong> <strong>Brücke</strong>“, das<br />

Herzstück des Freundeskreises.<br />

In der <strong>Brücke</strong> wurde alles zur Sprache gebracht,<br />

was mit der Anthroposophie und unseren<br />

Erkenntnis-Wünschen zu tun hatte.<br />

Aber auch aktuelle Ereignisse, wie Berichte<br />

über den „ Arbeitskreis Schulentlassene“ und<br />

dessen Erfolg bei der Findung, Gründung<br />

und Einweihung neuer Plätze, wie der Königsmühle,<br />

von Sellen und Alt-Schönow, des<br />

Hausenhofes und von Hauteroda.<br />

<strong>Die</strong> Eltern wollten auch wissen, was es für<br />

uns in der Sozialpolitik Neues gab, wie das<br />

SGB IX und XII, die Globalisierung und die<br />

Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe.<br />

Viele bedeutende Mitarbeiter haben uns<br />

großzügig mit wertvollen Artikeln verwöhnt,<br />

so dass wir es eigentlich „leicht“ hatten die<br />

Ausgaben der <strong>Brücke</strong> zu gestalten.<br />

Wir waren ein gut aufeinander eingestimmtes<br />

Redaktionsteam, zu dem Du, liebe Gerlinde,<br />

dazugehörtest. Wir ließen jedem in seinem<br />

Aufgabenbereich freie Hand und kamen bei<br />

allen Diskussionen zu guten akzeptablen<br />

Entscheidungen. Jahrelang hast Du die <strong>Brücke</strong><br />

mit ansprechenden Titelblättern versehen,<br />

meist mit künstlerischen Arbeiten von<br />

3


Föhrenbühler Schülern, die Du zielsicher<br />

herausgefunden hast.<br />

Immer rechtzeitig hast Du den Postversand<br />

mit Deinen Schützlingen vorbereitet, so dass<br />

Verzögerungen durch andere Einflüsse aufgefangen<br />

werden konnten und die <strong>Brücke</strong> zu<br />

den bekannten Terminen, sogar mit echten<br />

Briefmarken, bei mehr als 1000 Empfängern<br />

ankam.<br />

Manche Artikel hast Du selber verfasst.<br />

Liebe Gerlinde, Christiane Saucke und ich<br />

sind nun schon ein Jahr aus der Redaktion<br />

ausgeschieden, und nun folgst Du. Wir sehen,<br />

dass der Freundeskreis unsere Arbeit an<br />

der <strong>Brücke</strong> in bewährte Hände gegeben hat.<br />

Wir hoffen, dass dies auch für Deine vielseitige<br />

und Einsatz fordernde Tätigkeit gelingt.<br />

Für Deine Zusammenarbeit in den vielen Jahren,<br />

auch als die Zeit nach dem Abschied von<br />

Deiner Tochter Bettina sehr schwer für Dich<br />

war, danken wir beide Dir von ganzem Herzen.<br />

Es bleiben Dir verbunden<br />

Christiane Saucke und<br />

Cristiane Regensburger<br />

4<br />

Aus der Einladung zur <strong>Michaeli</strong>-Tagung<br />

vom 24. - 27. September <strong>2009</strong>,<br />

am Goetheanum in Dornach, Schweiz<br />

Gemeinschaftsbildung im Lichte<br />

Michaels<br />

Liebe Mitglieder, liebe Freunde<br />

Gemeinschaftsbildung im Lichte Michaels ist<br />

das Thema, das wir in dieser <strong>Michaeli</strong>-<br />

Tagung vertiefen möchten.<br />

<strong>Die</strong> Idee zu dieser speziellen Tagung ist<br />

durch die jährlichen regelmäßigen Treffen der<br />

Mitglieder der Focus-Gruppe von Camphill<br />

und dem Vorstand am Goetheanum entstanden.<br />

Das Schaffen von bewussten, gemeinsamen,<br />

therapeutischen Lebens-Gemeinschaften als<br />

Form einer sozialen Erneuerung war die Aufgabe<br />

des Camphill-Verbandes seit seiner<br />

Gründung 1940 in Schottland durch den<br />

Wiener Arzt Dr. Karl König, politischer Flüchtling<br />

und Menschenfreund. Gemeinschaftsbildung<br />

ist heute eine zentrales Anliegen: einerseits<br />

versucht die individuell suchende Seele<br />

gemeinschaftsfähig zu werden um traditionelle<br />

Strukturen umwandeln zu können – andererseits<br />

muss die Gemeinschaftsbildung, im<br />

Zeitalter der Bewusstseinsseele, aus den Ich-<br />

Kräften gestaltet werden, da sie nicht mehr<br />

aus sich selbst entstehen kann.<br />

Bildung und Aufrechterhaltung von Gemeinschaft,<br />

aus dem Lichte des Zeitgeistes


Michael, Repräsentant der menschlichen<br />

Freiheit, soll die thematische Grundlage unserer<br />

Arbeit sein.<br />

Im Rahmen dieser Herbsttagung spricht Richard<br />

Steel über das <strong>Michaeli</strong>-Spiel von Karl<br />

König. Für die BRÜCKE hat Herr Steel vom<br />

Karl König Archiv in Berlin einen Artikel über<br />

das <strong>Michaeli</strong> Spiel von Karl König geschrieben.<br />

Zur Illustration ist die Skizze des Bühnenbildes<br />

beigefügt.<br />

Das <strong>Michaeli</strong>-Spiel von Karl König<br />

Wer schon Gelegenheit hatte, eins – oder<br />

auch mehrere – der Spiele Karl Königs zu<br />

sehen, oder gar mitzuspielen, weiß, dass<br />

man es hier nicht mit gewöhnlichen Theaterstücken<br />

zu tun hat. Doch was ist „gewöhnlich“?<br />

Wie viel ist gerade in den Jahrzehnten<br />

nach dem zweiten Weltkrieg experimentiert<br />

worden, um eine neue Entwicklung des Bühnendramas<br />

zu finden?! König hat einen Weg<br />

eingeschlagen, der wohl im Sinne eines modernen<br />

Suchens zu sehen ist, der aber sehr<br />

deutlich bestimmte Elemente aus alten Traditionen<br />

aufgreift.<br />

Es sind Spiele für die Jahresfeste: Ostern,<br />

Johanni, Pfingsten, <strong>Michaeli</strong>, Weihnachten.<br />

Durch Methode und Inhalt sind es Spiele für<br />

die Gemeinschaftsbildung, Spiele, die in einen<br />

Prozess der Festesvorbereitung hineingehören<br />

– nicht immer leicht zu verstehen,<br />

wenn wir „nichtsahnend hineingeraten“! Doch<br />

sollten sie gerade <strong>zum</strong> neuen Denken und zu<br />

inneren Fragen anregen; trotzdem sind sie<br />

gleichzeitig durch ihre Schlichtheit und Kürze,<br />

durch ihre bildhaft-imaginative und sprach-<br />

lich-rhythmische Gestaltung nicht „aufdringlich“,<br />

nicht intellektuell prätentiös … solange<br />

wir es schaffen, selbst offen und unbefangen<br />

diese Ebene auf uns wirken zu lassen. So<br />

können sie – vielleicht auch von Jahr zu Jahr<br />

durch die Wiederholung in der Stimmung des<br />

jeweiligen Jahresfestes – etwas Bestimmtes,<br />

etwas Tiefgreifendes in der Seele bewirken,<br />

aufleuchten lassen. Wir brauchen gerade<br />

heute einen neuen Bezug zu den Festen,<br />

wenn sie nicht gänzlich von ihrem menschen-<br />

und gemeinschaftsbildenden Sinn abkommen<br />

und zu reinen Konsum-Orgien entarten sollen!<br />

Zu <strong>Michaeli</strong> stehen wir alle vor dem Tor, das<br />

aus dem physisch-lebendigen Bereich in das<br />

Reich des Todes, aber auch des Geistes<br />

führt. Das <strong>Michaeli</strong>fest will uns deuten, dass<br />

jeder Mensch heute nah herankommt an die<br />

Schwelle zur Himmelswelt. Da steht aber ein<br />

Wächter, wie er für alle alten Kulturen in verschiedenster<br />

Weise dastand, den Zugang<br />

den nicht Vorbereiteten verwehrend. Christus<br />

lehrte uns, dass in unsrer Zeit der Ruf an alle<br />

geht „die auf dem Wege sind“. Der Wächter<br />

wandelt sich in unserer Zeit entsprechend<br />

und wird selbst zur „Tür“ - „niemand kommt<br />

<strong>zum</strong> Vater denn durch mich.“ Doch diesen<br />

Weg zur königlichen Hochzeit müssen wir<br />

auch in ganz moderner Weise selbst aufgreifen.<br />

Im Spiel kleidet Karl König diese Tatsache<br />

in ein großes, im richtigen Sinne märchenhaftes,<br />

aber fast schon mythisches Bild:<br />

das Volk will in den Tempel, doch wenn wir<br />

uns nur als Volk, als Masse uns verstehen,<br />

werden wir nicht die modernen Bedingungen<br />

5


des Individuellen erfüllen können. <strong>Die</strong> altgriechische<br />

Kultur mit ihrem Suchen nach<br />

neuen Formen für die erwachende Freiheit,<br />

mit ihrer Demokratie; sie ist die Mutter des<br />

jungen europäischen Ich-Wesens, das heute<br />

noch gar nicht reif ist, noch nicht weiß, wohin<br />

das Schicksal führt. <strong>Die</strong> „Vaterfigur“ im Spiel<br />

stellt der Ägypter dar – damals, mit dem Pyramidenbau,<br />

begannen die menschheitsführenden<br />

Mysterien zu schweigen, wurden die<br />

Tempel verschlossen, die Isis verschleiert.<br />

Wir dürfen nicht die Geheimhaltung dulden –<br />

das war und ist die Botschaft der Anthroposophie:<br />

Was früher verhüllt und verschlüsselt<br />

6<br />

wurde, muss heute offenbar werden – offen<br />

für alle, die es sehen wollen; für alle, die sich<br />

auf den Weg machen. Das Zeitalter der Freiheit<br />

ist endgültig da. Auch die Freiheit, uns zu<br />

irren, Fehler zu machen und an Eigenschaften<br />

festzuhalten, die uns nicht mehr wirklich<br />

weiterbringen.<br />

Zunächst sehen wir die großen Irrwege vor<br />

uns im Bilde von Herrschern der Vorzeit.<br />

Werden wir noch aus einer Vorzeit heraus<br />

getäuscht über die Aufgabe des heutigen<br />

Menschen? Leiten uns alte Bilder und Formen,<br />

die aber letztlich nur Unheil anrichten?


Das, was einmal recht und gut war, wird<br />

schädlich, wenn es zu lange herrscht. Im<br />

uralt-indischen Prinzen, der nun auftritt und<br />

Zugang <strong>zum</strong> Tempel verlangt, erleben wir<br />

etwas, was durchaus noch in unserem heutigen<br />

Gemüte „geistert“: Sehnsucht nach einem<br />

paradiesischen Zustand, der uns die<br />

Mühen und Leiden des Alltags vergessen<br />

lässt – Sehnsucht nach einer starken Führung,<br />

die uns befreien kann von unseren<br />

Sorgen … „Der Himmel auf Erden!“ beschwört<br />

er. Aber das ist nicht der Weg, der<br />

uns die Zukunft eröffnet! Wir müssen durch<br />

die Tiefen und Leiden hindurchgehen. Ging<br />

der Weg des Christus nicht sogar selbst<br />

durch Leiden, Erniedrigung und Tod? Dann<br />

tritt mit Macht der babylonische Ritter auf. Wir<br />

werden an die Kultur erinnert, die aus den<br />

verschlossenen Geistquellen der zu Ende<br />

gehenden Zeit der ägyptischen Priester-<br />

Könige entstand. Das soziale Leben konnte<br />

nicht mehr aus dem direkten Erleben des<br />

Geistigen gestaltet werden. Mit dem Turmbau<br />

zu Babel wird versucht, einen äußeren<br />

Weg <strong>zum</strong> Himmel zu finden, doch dabei<br />

bricht sogar auch die natürliche Verständigungsmöglichkeit<br />

zwischen den Menschen<br />

weg. War das vielleicht die Geburtszeit des<br />

heutigen Egoismus des <strong>Die</strong>sseitigen? „Im<br />

Himmel die Erde!“ ruft er. Doch auch dies<br />

führt nicht in die Zukunft.<br />

Erst der Mensch der Gegenwart kann die<br />

Lösung des Menschheitsdramas zeigen; derjenige,<br />

der seine Ohnmacht zugibt, der bereit<br />

ist, durch Leiden und Arbeit den dornigen<br />

Weg der wahren christlichen Nachfolgeschaft<br />

zu gehen – nicht durch „natürliche Selektion“<br />

und das „Überleben der Stärksten“ möchte<br />

ich noch in diesem Darwin-Jahr hinzufügen;<br />

sondern mit liebevollem Interesse für die<br />

Schwächen der Anderen und durch gegenseitige<br />

Hilfe nach einer neuen, menschen-<br />

und geistgemäßen Kultur zu streben. Er ist<br />

derjenige, der den Hüter der Geheimnisse<br />

erlösen und sich mit der reinen Tempelseele<br />

vereinen kann. <strong>Die</strong> mystische oder märchenhafte<br />

oder auch im Sinne des Christus „königliche“<br />

Hochzeit kann stattfinden.<br />

Der Mensch – das sind wir! Das ist die<br />

michaelische Botschaft. Wir sollen erleben,<br />

mitten in allem, was um uns herum abstirbt,<br />

dem Tode geweiht ist, dass der Auferstandene<br />

– wenn Gemeinschaft in seinem Sinne<br />

gesucht wird – mitten unter uns, beziehungsweise<br />

in uns ist und wirken will.<br />

<strong>Michaeli</strong> steht im Kreis der Jahreszeiten dem<br />

Osterfest gegenüber; wollen wir dieses neue<br />

Fest des Mutes und der Gemeinschaft feiern<br />

lernen, müssen wir nicht nur Ostern gedenken,<br />

sondern in uns wahr machen.<br />

Innerhalb der neuen Karl König Werkedition,<br />

sollen alle Spiele mit Begleittexten und einer<br />

ausführlichen Einleitung publiziert werden.<br />

Peter Beier von der Camphill Dorfgemeinschaft<br />

Hermannsberg hat schon die Texte<br />

anhand der Originale des Archivs neu redigiert;<br />

Ruth von Ledebur, die viele als eine der<br />

Gründungspersönlichkeiten des „Freundeskreises<br />

Camphill“ kennen und die viele Jahre<br />

in diesem Fach geforscht und doziert hat,<br />

wird über die geschichtlich-literaturgeschichtliche<br />

Bedeutung schreiben. Wir werden Sie<br />

7


auf dem Laufenden halten … oder Sie besuchen<br />

uns online: www.karl-koenig-archive.net<br />

Anmerkung der Redaktion: Über die Camphill<br />

Schulgemeinschaft Brachenreuthe sind<br />

noch Einzelausgaben der Karl-König-Spiele<br />

<strong>zum</strong> Stückpreis von 5 Euro zu bekommen.<br />

Telefon: 07551-8007-0 oder über das Internet:<br />

info@brachenreuthe.de<br />

Pfingsttagung<br />

am 29. und 30. Mai <strong>2009</strong><br />

im Ausbildungs- und Tagungszentrum,<br />

Frickingen<br />

<strong>Die</strong> folgenden Texte sind Schlaglichter aus<br />

verschiedenen Federn und Blickwinkeln<br />

Von Senta Steck-Poppeler<br />

Der Treffpunkt am Freitagabend im neuen<br />

Ausbildungszentrum in Frickingen war architektonisch<br />

beeindruckend, z.B.: das Rinnsal,<br />

das vom Freien ins Gebäude führt; die Sitztreppe<br />

und die nach Westen angelegte Terrasse,<br />

auf der ich nach langer Anfahrt von<br />

Frau Fischer empfangen wurde. Ein kleiner<br />

Imbiss stand bereit und ich konnte gleich mit<br />

anderen Eltern ins Gespräch kommen.<br />

So gegen 19.00 Uhr zeigten Föhrenbühler<br />

Jugendliche aus einem Musicalprojekt "<strong>Die</strong><br />

schwarzen Brüder" einen Tanz. Ein Tagungsteilnehmer<br />

hat mir aus dem Herzen gesprochen:<br />

„… bei dieser Aufführung wurden die<br />

„schwachen“ von den „starken“ jugendlichen<br />

Tänzern selbstverständlich mitgetragen und<br />

alle konnten ihre Freude am Tanz <strong>zum</strong> Ausdruck<br />

bringen.“<br />

8<br />

Am Samstag traf man sich gegen 9.00 Uhr<br />

wieder im Tagungszentrum. Dr. Gerhard<br />

Meier (Vorsitzender des Freundeskreises)<br />

sprach Begrüßungsworte und führte ins Tagungsthema<br />

ein.<br />

<strong>Die</strong> aufgezeigte Statistik über „ambulant betreutes<br />

Wohnen" und „gemeindeintegriertes<br />

Wohnen" war interessant aber trocken.<br />

Mutig berichteten Jugendliche vom Haus<br />

Amann über ihr Zusammenleben in einer 6er<br />

Gruppe/ Wohngemeinschaft.<br />

Prof. Dr. Schwinger begann seinen Vortrag<br />

mit dem Satz: „Mit einer Behinderung bzw.<br />

einem behinderten Kind ist man leichter verwundbar,<br />

aber damit muss man leben. Ja so<br />

ist es.“ <strong>Die</strong>se Aussage macht mir die seelische<br />

Verwundbarkeit bewusst und zugleich<br />

Mut. Er warf die Frage auf: „Leben wir in einer<br />

Gesellschaft, die in Feindschaft mit Behinderung<br />

steht?" Ist Menschenwürde nur<br />

gegeben über eine Leistung, die mit Geld


ausgeglichen wird – das nannte er "tote Objekte"<br />

-? Sollte unsere Gesellschaft dorthin<br />

tendieren, - das tut sie ja <strong>zum</strong> Teil, oder –<br />

und dies als höchsten Wert ansehen, dann<br />

hat es Folgen für die Integration unserer Kinder.<br />

Zum Schluss zitierte er Khalil Gibran:<br />

"<strong>Die</strong> Eltern sind der Bogen und die Kinder der<br />

Pfeil".<br />

Nach dem Mittagessen, das sehr lecker war,<br />

fuhren wir mit dem Bus <strong>zum</strong> Haus Amann in<br />

einer Wohnsiedlung von Überlingen mit Blick<br />

auf den See. Hier wohnen 6 Jugendliche mit<br />

einer stundenweisen Betreuung tagsüber und<br />

fahren mit dem Bus <strong>zum</strong> Arbeitsplatz.<br />

Anschließend ging es ins „Naturatelier". Auf<br />

einem grünen, teilweise wild bewachsenen<br />

Areal können Jugendliche zu jeder Jahreszeit<br />

im Freien kreativ tätig sein. Ein alter Omnibus<br />

dient als Vesperstube bzw. Unterschlupf bei<br />

schlechtem Wetter.<br />

Dann ging es <strong>zum</strong> „Lagerhäusle". Ein Restaurant<br />

und Cafe mit einladender Atmosphäre,<br />

in dem Jugendliche Praktika absolvieren<br />

können. Von Montag bis Freitag wird von den<br />

Praktikanten Mittagessen zu moderaten Preisen<br />

angeboten und jeden zweiten Sonntag<br />

gibt’s Brunch. Von den Bewohnern der umliegenden<br />

Orte wird es auch gerne für Festlichkeiten<br />

gebucht.<br />

Anschließend fuhren wir zurück <strong>zum</strong> Tagungszentrum<br />

zu Kaffee und Kuchen und<br />

Gelegenheit <strong>zum</strong> Austausch.<br />

Abends beim Grillen in Föhrenbühl waren nur<br />

noch vereinzelte Teilnehmer dabei. <strong>Die</strong> Eltern<br />

der Kinder aus Föhrenbühl, so auch ich, hol-<br />

ten ihre Kinder dazu, die sich dann gleich<br />

zweimal ein Abendessen schmecken ließen.<br />

Zur Vorbereitung auf Pfingstsonntag nahm<br />

ich mit meiner Tochter noch am Bibelabend<br />

teil.<br />

Seit 4 Jahren bin ich regelmäßig bei der<br />

Pfingsttagung. Es ist jedes Jahr eine Bereicherung,<br />

einzutauchen in das jeweilige Thema<br />

und sich darüber auszutauschen.<br />

Ein herzliches Vergelt`s Gott für die Organisatoren<br />

– Hannelore Fischer, Claudio Lanza<br />

und Söhne, Küche Bruckfelden, Föhrenbühler<br />

GrillKüche – für diese geistige und physische<br />

Nahrung.<br />

Es war wunderbar!<br />

***<br />

Interview der Föhrenbühler Jugendlichen, die<br />

bei der Podiumsdiskussion mitgemacht hatten.<br />

Sarah, Georgius, Patrick und Stefan trafen<br />

sich nach der Pfingsttagung mit Hannelore<br />

Fischer.<br />

Hannelore Fischer: Was fandet ihr gut?<br />

Patrick: Ich fand das Grillen gut, fand alles<br />

gut. Der Vortrag war auch okay, er war nicht<br />

zu lang.<br />

Georgius: Ich fand alles gut, auch den Vortrag,<br />

er war nicht zu lang.<br />

Patrick: <strong>Die</strong> Podiumsdiskussion fand ich besonders<br />

gut. Ihr hättet mehr sagen können.<br />

Stefan: Ich fand alles okay.<br />

Sarah: Ich fand das Tanzen schön und dass<br />

meine Eltern dabei waren.<br />

9


Stefan: Das Grillen war auch toll.<br />

Sarah: Ich war aufgeregt, weil ich vor so vielen<br />

Menschen sprechen sollte.<br />

Stefan: <strong>Die</strong> Gäste hätten mehr Fragen stellen<br />

können.<br />

Sarah und Stefan sagten, dass sie nur die<br />

Hälfte vom Vortrag verstanden haben, die<br />

andere Hälfte nicht.<br />

Super fanden es alle vier Jugendlichen, die<br />

verschiedenen Einrichtungen anzuschauen.<br />

Sarah fände es toll bei SKID zu wohnen und<br />

dann auch da zu arbeiten.<br />

10<br />

***<br />

Interview der jungen Frauen Pascale<br />

Klockenbring, Melanie Bär und Stefanie<br />

Reihmudt, die bei SKID leben und arbeiten<br />

und die bei der Podiumsdiskussion mitgemacht<br />

hatten. Das Interview führte Agnes<br />

Kahl, Mitarbeiterin bei SKID.<br />

Wie war für euch die Pfingsttagung?<br />

Stefanie: Ich fand die Vorbereitung bei der<br />

Hannelore gut, aber schade, dass ihre Katzen<br />

nicht da waren.<br />

Melanie: Mir hat die Tagung gut gefallen,<br />

konnte aber nicht so viel dort erzählen, wegen<br />

den vielen Leuten.<br />

Stefanie: Ja, ich hatte auch ein bisschen<br />

Angst und konnte nicht so viel reden.<br />

Pascale: Mir hat es nichts ausgemacht.<br />

Warum wolltet ihr auf die Tagung gehen?<br />

Melanie: <strong>Die</strong> Tagung war, damit sich alle<br />

Camphill-Gemeinschaften kennen lernen und<br />

alle SKID kennen lernen. Wir haben deshalb<br />

unser Haus gezeigt.<br />

Pascale: Weil die Eltern sich anschauen können<br />

was es für Wohnmöglichkeiten für ihre<br />

Kinder gibt.<br />

Stefanie: Ich hätte dann dort gerne auch<br />

selbst etwas gespendet.<br />

Würdet ihr wieder auf die Pfingsttagung gehen?<br />

Stefanie und Pascale: Würden wieder hin<br />

gehen.


Melanie: Ich würde es das nächste Mal jemand<br />

anderem überlassen, da ich jetzt schon<br />

zwei Mal dort war.<br />

***<br />

Von Karin Junginger<br />

SKID - ein Begriff den ich als Mutter eines<br />

Föhrenbühler Werkstufenschülers in letzter<br />

Zeit immer wieder hörte.<br />

In sehr eindrücklicher und praktischer Weise<br />

bot sich die diesjährige Pfingsttagung an, um<br />

mehr von SKID zu erfahren.<br />

Mit einem Bus fuhren wir nach dem leckeren<br />

Mittagessen nach Überlingen zu SKIDs-<br />

Laden in der Altstadt, wo Menschen mit unterschiedlichem<br />

Begleitungsbedarf einen<br />

Platz für die tägliche Arbeit haben.<br />

Vom Laden mit einem breiten Angebot an<br />

frischen Lebensmitteln aus der Region ergänzt<br />

durch ein Angebot von Bio- und<br />

Demeterqualität geht es über eine Treppe<br />

nach oben <strong>zum</strong> BISTRO, wo täglich Tagesessen<br />

serviert werden und leckere Kuchen in<br />

der Vitrine stehen.<br />

Ein gemütliches Ambiente das da entstanden<br />

ist - wir hätten uns gerne von einem Tässchen<br />

Kaffee verwöhnen lassen oder gar mit<br />

der interessanten Murmelbahn, die am Treppengeländer<br />

hochgeht, gespielt - doch wir<br />

mussten weiter <strong>zum</strong> Haus Amann.<br />

Vorbei an Altstadthäusern ging es bergauf zu<br />

einem freundlich wirkenden Zweifamilienhaus,<br />

wo wir Tagungsteilnehmer ganz selbstverständlich<br />

empfangen wurden und einen<br />

Eindruck vom Alltag der jungen Menschen<br />

mitnehmen konnten. Ein Haus, das für die<br />

jungen Erwachsenen von der Arbeitsstelle<br />

aus zu Fuß erreicht werden kann und ein<br />

Haus, das eher weiter weg ist vom pulsierenden<br />

Leben der Stadt. So beschrieb ein SKID<br />

Mitarbeiter einen konzeptionellen Hintergrund.<br />

Man spürte, wie wichtig auf der einen Seite<br />

das Thema „Loslassen" und auf der anderen<br />

Seite das Thema „Ich bin ausgelastet mit<br />

meiner Arbeitsstelle" für die Bewohner und<br />

uns alle ist.<br />

Und nun ging es wieder zurück nach<br />

Frickingen <strong>zum</strong> NATURATELIER. Interessant,<br />

was durch der Hände Arbeit aus dem<br />

unwegsamen Gelände einer ehemaligen<br />

Müllhalde entstehen kann. Hier können Betreute<br />

und Betreuer gleichermaßen einen<br />

intensiven Zugang zu "Natur pur" finden,<br />

indem aktive, körperliche Arbeit dran ist um<br />

z. B. einen begehbaren Weg anzulegen, der<br />

zu einem Kunstwerk eines Künstlers aus der<br />

Region führt. Auch wir Tagungsteilnehmer<br />

wurden aufgefordert aktiv zu sein, indem wir<br />

11


mit den Fingern „Räuber und Gendarm" spielten.<br />

Das NATURATELIER bietet jedem<br />

und für alle Sinne einen Impuls an - auch für<br />

das leibliche Wohl. In einem Bus aus England<br />

wird derzeit ein BISTRO eingerichtet.<br />

Für mich hat sich der Begriff SKID mit vielen<br />

bunten Eindrücken an diesem Nachmittag<br />

gefüllt - es bleibt spannend, was sich bei<br />

SKID weiter entwickelt.<br />

Auch von der Dorfgemeinschaft Hausenhof,<br />

bei Nürnberg, nahmen Dörfler, Mitarbeiter<br />

und Angehörige teil. Klaus-<strong>Die</strong>ter und Carmen,<br />

die am Hausenhof leben und arbeiten,<br />

haben an der Tagung von Ihrer Wohn- und<br />

Lebenssituation berichtet und für die <strong>Brücke</strong><br />

ihre Tagungseindrücke in Stichworten zusammengefasst:<br />

Von Klaus-<strong>Die</strong>ter Wagner<br />

Tagung hat mir gut gefallen<br />

Podiumsdiskussion war interessant<br />

Hab gehört wie andere leben<br />

Was Markus erzählt hat war spannend<br />

Frauen & Männer leben getrennt<br />

12<br />

Einer kommt und schaut immer mal<br />

nach – der wohnt aber nicht da und ist<br />

auch nicht immer da!!<br />

Beim Vortrag hab ich nicht alles verstanden,<br />

ist nicht so richtig angekommen<br />

Grillen war sehr schön<br />

Habe eine ehemalige Dörflerin getroffen<br />

War schön alte Bekannte wieder zu sehen<br />

Der eine Dörfler hat sich immer hingestellt<br />

und Mundharmonika gespielt und mit den<br />

Händen geklatscht und mit dem Kopf genickt<br />

Eisessen am See<br />

von Carmen Renner<br />

Vortrag war nicht so gut<br />

War zu lang<br />

Hab ich nicht so verstanden<br />

Podiumsdiskussion war ein bisschen zu<br />

leise<br />

<strong>Die</strong> (SKID) müssen ihre Wäsche selber<br />

waschen und arbeiten gehen<br />

Musical „<strong>Die</strong> schwarzen Brüder“ war sehr<br />

schön<br />

Schön war, dass ich viele Bekannte getroffen<br />

habe<br />

<strong>Die</strong> Leute waren sehr nett<br />

War schön mit Andrea in einem Zimmer<br />

zu schlafen<br />

Am besten hat mir der Bodensee gefallen<br />

***


Von Gisela von Olshausen<br />

Was greife ich heraus aus der Fülle lebendiger<br />

und bewegender Eindrücke?<br />

<strong>Die</strong> von Hannelore Fischer geschaffene Atmosphäre,<br />

die die Tagung immer wieder zu<br />

einer herzlichen Begegnung werden lässt?<br />

<strong>Die</strong> Spannung unter uns Zuhörern, wenn die<br />

jungen Menschen auf dem Podium über sich<br />

erzählen, eine Spannung, die zwischen Heiterkeit,<br />

Rührung, Staunen, Respekt und Bewunderung<br />

wechselt und immer zu einer gehobenen<br />

Stimmung führt?<br />

Oder das Nachdenken über den von Professor<br />

Schwinger gezeigten „Tunnelblick“ der<br />

Eltern und seine Auswirkungen: Wenn ich die<br />

Haltung der anderen gegenüber meiner<br />

Tochter feindlicher sehe als sie ist, wie viele<br />

Begegnungen nehme ich dann nicht wahr,<br />

schließe ich aus, versperre ich auch ihr? Und:<br />

Wie oft ist meine Fürsorge die Nabelschnur,<br />

durch die ich nach meinen Vorstellungen<br />

über sie bestimme?<br />

Aber und nicht zuletzt doch auch: das luftige<br />

Haus, der Sonnenschein, die immer offener<br />

werdenden Menschen, das leckere Essen,<br />

die Mahlzeiten im Garten – eigentlich war die<br />

Tagung auch ein Fest.<br />

***<br />

Von Hannelore Dabbert<br />

Das Tagungsthema: Lebensorte - Zukunft<br />

gestalten, „Ich bin nicht dazu da, um so zu<br />

sein, wie Du mich denkst!“ konnte auf vielfältigste<br />

Weise erfahren werden.<br />

Besonders beeindruckt haben mich die jungen<br />

Menschen: Angefangen mit dem jungen<br />

Redaktionsteam von Föhrenbühl, das seine<br />

Schülerzeitung verkaufte, die sich mit dem<br />

Leben und Werk von Astrid Lindgren beschäftigt,<br />

da ein neues Haus in Föhrenbühl<br />

ihren Namen trägt.<br />

<strong>Die</strong> Werkstatt-Aufführung des Musicals „<strong>Die</strong><br />

schwarzen Brüder“ durch Werkstufenschüler,<br />

unterstützende Mitarbeiter (Chor) der Schulgemeinschaft<br />

Föhrenbühl unter der künstlerischen<br />

Leitung von Barbara Dintinger stimmte<br />

uns auf die Pfingsttagung ein. (s. a.: Gedicht<br />

auf der ersten Seite der BRÜCKE)<br />

<strong>Die</strong> „schwarzen Brüder“ waren Mitte des 19.<br />

Jahrhunderts ein geheimer Zusammenschluss<br />

der „spazzacamini“, der<br />

Kaminfegerjungen, die von ihren Eltern, armen<br />

Bergbauern aus dem Tessin nach Mailand<br />

verkauft wurden, um dort als lebendige<br />

Kaminbesen die heißen Kamine mit bloßen<br />

Händen vom Ruß zu reinigen. In Giorgio,<br />

einem spazzacamini, erwächst die Hoffnung<br />

und der Wille, sein Schicksal nicht als gegeben<br />

zu akzeptieren und zurück in die Heimat<br />

zu finden. Bei einem geheimen Treffen beschließen<br />

"<strong>Die</strong> Schwarzen Brüder" die Flucht<br />

zu wagen...<br />

13


<strong>Die</strong> Einblicke, die wir durch die Übfragmente<br />

der Föhrenbühler Werkstufenschüler in das<br />

Musical und das Thema erhielten, bewegten<br />

und ergriffen durch ihre Darbietung sehr. <strong>Die</strong><br />

Songs wie auch die Tänze waren mit Hingabe<br />

und Freude gestaltet.<br />

Deutlich wurde, dass der Einzelne in der<br />

Gemeinschaft Halt und Hilfe finden und durch<br />

die Gemeinschaft und in der Gemeinschaft<br />

Großes erreichen kann.<br />

Mit angeregten Gesprächen und Begegnungen<br />

klang der Freitagabend aus.<br />

Am Samstagmorgen erhielten wir von einigen<br />

jungen, mutigen Frauen und Männern mit<br />

Hilfebedarf aus Föhrenbühl, von SKID, vom<br />

Hausenhof und anderen Einrichtungen durch<br />

ihre Erzählungen Einblick in ihre jeweilige<br />

Wohn- und Arbeitssituation. So individuell<br />

wie jeder Einzelne ist, so individuell kann und<br />

sollte auch sein Leben gestaltet sein.<br />

„Ich bin nicht dazu da, so zu sein, wie du<br />

mich denkst“<br />

Am Nachmittag waren wir alle eingeladen das<br />

Haus Amann (sowie die Arbeitsstätten SKIDs<br />

Laden und Bistro, Naturatelier und Lagerhäusle)<br />

zu besichtigen. Herzlichen Dank –<br />

denn es ist nicht selbstverständlich über 90<br />

Gästen die eigene Wohnung und auch das<br />

Herz zu öffnen!<br />

<strong>Die</strong> Vorbereitungsgruppe bestehend aus<br />

Christoph Boes, Peter Dempfle, Hannelore<br />

Fischer, Martin Grünn, Martin Henrich, Claudio<br />

Lanza, Joachim Scholz und Bruno Wegmüller,<br />

aber besonders auch die vielen fleißigen<br />

und helfenden Hände vor, an und bei der<br />

14<br />

Tagung ermöglichten ein wahrhaft pfingstliches<br />

Erleben und Ereignis. DANKE!<br />

Zwischenruf von Alexander Karsten<br />

Wo warst Du? Du warst nicht da.<br />

Glaube mir, Du hast mir und den anderen<br />

Freunden gefehlt. Das, was Dich, mich und<br />

uns ausmacht, bleibt Dir deswegen verborgen.<br />

Alle Versuche, die Pfingsttagung <strong>2009</strong> ins<br />

Wort zu bringen, sind meines Erachtens <strong>zum</strong><br />

Scheitern verurteilt, weil Du durch das geschriebene<br />

Wort nicht erfahren und empfinden<br />

wirst, was Dein Dabeisein mit Dir und mir<br />

und der Gemeinschaft der Freunde gemacht<br />

hätte.<br />

<strong>Die</strong> Menschen, die da waren, haben sich und<br />

die anderen im gemeinsamen Erleben als<br />

Mensch erfahren können, getragen durch<br />

den anderen, der Freund sein will, trotz aller<br />

eigenen Ängste, Nöte und Wunden.<br />

Komm, mach mit; bring Dich ein, öffne Dich<br />

und lass mich an Deinem Menschsein teilhaben!


Sei mir Schwester/ Bruder, so wie ich Dir<br />

Bruder sein will in der Gemeinschaft der<br />

Freunde.<br />

Du warst nicht da, Du hast gefehlt. Wir haben<br />

Dich vermisst!<br />

Eigentlich sollte ich etwas <strong>zum</strong> abschließenden<br />

Grillabend in Föhrenbühl schreiben. Das<br />

kam nun raus. Was soll´s?<br />

Weil wohl die „Qualität der Begegnung tagsüber<br />

stimmte“, versammelten sich mehr<br />

Freunde als angemeldet in Föhrenbühl, um<br />

gemeinsam zu grillen (was nur einige liebe<br />

Menschen taten), zu essen und zu trinken (da<br />

waren natürlich alle dabei) und gemeinsam<br />

den Tag ausklingen zu lassen.<br />

Da hättest Du auch meine andere Seite kennenlernen<br />

können. Das hast Du nun leider<br />

verpasst. Aber dann vielleicht beim nächsten<br />

Mal?!<br />

Verschweigen möchte ich nicht, dass ich am<br />

Pfingstsonntag angenehm überrascht war,<br />

mehrere Teilnehmer der Pfingsttagung im<br />

Gottesdienst in Überlingen wieder zu sehen.<br />

Der Bodensee ist offensichtlich immer eine<br />

Reise wert.<br />

Herzlich möchte ich den vielen Freunden<br />

danken, die sich der Vorbereitung und Durchführung<br />

der Tagung angenommen haben und<br />

uns diese gelungene Pfingsttagung <strong>zum</strong> Geschenk<br />

gemacht haben.<br />

Mein besonderer Dank gilt Hannelore, Georg<br />

und Karl (Fischer), die Julia und Thomas<br />

(Kranig) und mich am Sonntagabend bei allerbester<br />

Stimmung mit einem köstlichen<br />

Mahl verabschiedet haben, die sogar Karls<br />

Trauer über den Weggang des Mario Gomez<br />

vom VfB Stuttgart zu Bayern München vergessen<br />

ließ.<br />

Hier durfte ich wieder diese besondere Qualität<br />

des Freundseins erleben, die uns ausmacht,<br />

die nach Möglichkeit alle erfahren<br />

sollen.<br />

Nun ja, was sag´ ich da: ihr kennt ja Hannelore.<br />

Dank an die Förderer<br />

des Freundeskreises<br />

Von Hannelore Dabbert<br />

Wir bedanken uns ausdrücklich bei den vielen<br />

Menschen, die uns <strong>zum</strong> Teil seit vielen<br />

Jahren mit größeren oder kleineren Beträgen<br />

finanziell unterstützen!<br />

Einen wichtigen Anteil an der Finanzierung<br />

stellen darüber hinaus die Selbsthilfe-<br />

Förderungen der gesetzlichen Krankenkassen<br />

nach § 20c SGB V dar. Ohne die erhaltenen<br />

Gelder könnten wir unsere Aktivitäten<br />

(wie z.B.: die Pfingsttagung) nicht im gewünschten<br />

Umfang durchführen.<br />

Herzlichen Dank an alle Förderer<br />

des Freundeskreises!<br />

15


Eine Reise ins Land von 1001<br />

Nacht<br />

oder Eine Woche Kairo für Königsmühler<br />

Weltenbummler<br />

Von Rike Ehmke<br />

Reiseführer Tony, Arno, Catherina, Nils, Maria,<br />

Wolfram und Rike mit Katrin, Claudia,<br />

Erika, Georg, Swen, Roman, Johannes, Rüdiger<br />

und Thomas.<br />

Am 14. Februar <strong>2009</strong> abends war es so weit:<br />

Voller Vorfreude, aber auch etwas aufgeregt,<br />

stiegen wir in Frankfurt ins Flugzeug, umhüllt<br />

noch mit warmen Pullis, erwartungsvoll den<br />

ägyptischen Frühling und all das Neue herbeisehnend.<br />

Leider wurde der Abflug noch etwas verzögert<br />

wegen eines Schadens am Triebwerk,<br />

aber nach ca. 1 Stunde war die Reparatur<br />

gelungen (Gott Lob und Dank, denn unsere<br />

Krankenschwester Catherina war mit hochrotem<br />

Gesicht kurz vor dem Aussteigen)! So<br />

verließen wir deutschen Boden, um uns der<br />

afrikanischen Erde zu nähern!<br />

Im Morgengrauen erreichten wir Kairo, ein<br />

Bus brachte uns zu unserem Hotel in Gizeh.<br />

Wir waren zu verschlafen, um die erwachende<br />

Stadt wirklich wahrzunehmen.<br />

Da wir jeden Moment auskosten wollten,<br />

gönnten wir uns nur eine kleine Pause, frühstückten<br />

dann in der Sonne in der gepflegten<br />

Hotelanlage und los ging es!<br />

Mit vier Taxis erreichten wir die Pyramiden<br />

von Gizeh, die Mutigen bestiegen Kamele,<br />

16<br />

eine kleine Gruppe machte es sich in Pferdekutschen<br />

bequem.<br />

Nun ging es auf diesen schwankenden „Wüstenschiffen“,<br />

deren Rhythmus aber schnell<br />

vom eigenen Körper aufgenommen wurde,<br />

ca. 1,5 Stunden über Wüstensand zu der<br />

Cheops, der Chephren und der Mykerinos-<br />

Pyramide.<br />

Voller Ehrfurcht und Dankbarkeit, dieses Erlebnis<br />

haben zu dürfen, standen wir fassungslos<br />

vor diesen Bauwerken.<br />

Um 2600 v. Chr. unterwarf Pharao Cheops<br />

das ganze Land einem Ziel: ihm eine perfekte<br />

Pyramide zu bauen. Und so errichteten hunderttausende<br />

Arbeiter innerhalb weniger Jahre<br />

(ca. 20) aus Millionen tonnenschwerer<br />

Kalksteinquader ein Weltwunder, gewaltige<br />

Stätten kosmischer Ordnungen.<br />

<strong>Die</strong> je 230 Meter langen Grundseiten der<br />

Cheops-Pyramide weisen genau in die vier<br />

Himmelsrichtungen. Kein Bauwerk sonst auf<br />

der Erde ist so perfekt errechnet. Eine Pyramide<br />

wächst aber nicht nur in die Höhe, sondern<br />

auch in die Tiefe. Ob in dieser Tiefe von


30 Metern die Grabkammer des mächtigen<br />

Herrschers geplant war, ist bis heute eine<br />

ungeklärte Frage.<br />

Jeder von uns ist in sich gekehrt, als wir zu<br />

Fuß diese Stätte erobern.<br />

Wie viel menschliche Kraft, wie viel Schweiß<br />

und wahrscheinlich auch Tränen hat dieser<br />

Bau die Arbeiter gekostet, als sie dieses<br />

Weltwunder errichteten?<br />

Aufgewühlt und erschüttert gingen wir über<br />

das Felsplateau zurück, um noch den Sphinx<br />

zu grüßen, der wie ein mächtiger Beschützer<br />

über die Pyramiden wacht.<br />

An diesem Tag besuchten wir noch eine Moschee<br />

und spazierten durch Kairos Gässchen,<br />

beeindruckt von dem orientalischen<br />

bunten Treiben, das sich hier abspielt.<br />

Kairo - die Mutter der Welt wird sie in den<br />

Erzählungen von 1001 Nacht genannt, ist<br />

Orient pur! Im Laufe dieser Woche kamen wir<br />

aus dem Staunen nicht heraus- Meisterwerke<br />

islamischer Baukunst, frühchristliche Kirchen,<br />

Moscheen, die Zitadelle, Kaffeehäuser, lebendige<br />

Märkte.<br />

Aber überall ist es staubig und eine fortwährende<br />

Dunstglocke hängt über der Stadt. Das<br />

bunte Treiben ist begleitet von einer nicht zu<br />

beschreibenden Lärmkulisse. Das Überqueren<br />

einer Straße, es gibt keine Ampeln, ist<br />

eine Mutprobe, verlangt Entschlossenheit und<br />

ist nahezu lebensgefährlich! Wie wir das geschafft<br />

haben, ist mir ein Rätsel, denn niemand<br />

fährt in der Spur, sondern kreuz und<br />

quer, dazwischen bewegen sich Eselskarren<br />

oder Fahrradfahrer mit riesigen Gestellen auf<br />

dem Kopf, um Waren zu befördern!<br />

Und dieser Lärm - einfach unbeschreiblich!<br />

Das wichtigste Autoteil in Kairo ist nämlich<br />

die Hupe, die pausenlos im Einsatz ist. Ansonsten<br />

sind die Autos zusammengeflickte<br />

Vehikel, die gefahren werden, bis sie am Ende<br />

nur noch von Schweißnähten zusammengehalten<br />

werden. Sie bieten einen nahezu<br />

alarmierenden Anblick und schwanken und<br />

ruckeln oder müssen vor Antritt der Fahrt<br />

schwungvoll angeschoben werden.<br />

Unsere 4 Taxis, den Preis hatte Tony immer<br />

vorher schon ausgehandelt, lieferten sich<br />

meist ein Wettrennen und auch in rasanter<br />

Fahrt gestikulierten die Fahrer lautstark<br />

durchs offene Fenster oder es wurden Zigaretten<br />

ausgetauscht. Es war wie eine Verfolgungsjagd,<br />

aufregend wie in einem Gangsterfilm<br />

- wegen der zahllosen Schlaglöcher und<br />

der ständig die Straße überquerenden Menschen!<br />

Einmal fuhren wir in einem verrosteten Kleinbus<br />

(bei uns in Deutschland ein 9-Sitzer), wie<br />

die Sardinen zusammengepfercht saßen wir<br />

auf kaputten zerschlissenen Sitzen zu Achtzehnt<br />

in dieser Rostbeule, die Türe ging sowieso<br />

nicht mehr zu, aber mit einem Dauerdruck<br />

auf die Hupe kamen wir - inschala - an<br />

unserem Ziel an ! -<br />

Natürlich besuchten wir den berühmten<br />

Khan-el-Khalili Markt, den größten Basar des<br />

Landes, auf dem seit dem 14. Jahrhundert<br />

Handel betrieben wird. Das Kaufen und Verkaufen<br />

beruht auf uralten Traditionen in diesem<br />

Konglomerat von kleinen Läden und<br />

Geschäften in unzähligen verwinkelten, engen<br />

und staubigen Gässchen. Dort übten wir<br />

17


uns im Ritual des Feilschens. Das Angebot<br />

ist nicht zu beschreiben! Bestickte Gewänder<br />

in allen Farben, mit Goldflitter verzierte Tücher,<br />

Wolldecken, Waschpulver, Zaubertücher,<br />

Edelsteine, fein ziselierte Metallwaren,<br />

Glas in allen Farben von honiggelb bis tiefblau,<br />

geschnitzte und mit Intarsien versehene<br />

Holzarbeiten, Parfümläden, Lederwaren und<br />

dazwischen werden die exotischsten Gewürze<br />

des Orients gleich säckeweise angeboten.<br />

<strong>Die</strong> Händler sitzen in Männergesellschaften<br />

dazwischen und ziehen an ihren Wasserpfeifen,<br />

die apfelsüßen Geruch verströmen.<br />

Auf schlichten Brettern liegen rohes Fleisch<br />

und Fisch und natürlich werden in meist<br />

schmutzigem Geschirr unterschiedlichste<br />

Speisen angeboten; diese Gerüche vermischen<br />

sich zu etwas Undefinierbarem, man<br />

bekommt aber Gelüste! Und wir saßen auch<br />

mal in einer Eckkneipe und haben „lokale<br />

Kost“ genossen und siehe da - keiner hat<br />

gelitten!<br />

Im Fishawi´s Cafe, Kairos ältestem Kaffeehaus<br />

(es ist seit ca. 400 Jahren durchgehend<br />

Tag und Nacht geöffnet!) waren wir öfters<br />

und tranken Pfefferminztee, hier wurde auch<br />

uns die Sheesha, die Wasserpfeife, gereicht.<br />

Ja, Kairo beeindruckt in jeder Hinsicht!<br />

Am Rand von Ägyptens Hauptstadt entstehen<br />

Siedlungen für Hunderttausende, Millionen<br />

von Menschen quartieren sich auf den Friedhöfen<br />

ein. Es war für uns etwas seltsam, als<br />

wir durch diese Totenstadt schlenderten, die<br />

aber doch von Leben erfüllt ist und kilometerlang<br />

in jede Richtung nichts anderes als<br />

sandfarbene Grabstätten, die sich die Ange-<br />

18<br />

hörigen der Toten zu Wohnhäusern zurechtgezimmert<br />

haben.<br />

An einem Nachmittag machten wir eine<br />

Bootsfahrt auf dem Nil - Nahr el Kholoud, der<br />

Fluss der Ewigkeit, der Strom des Lebens.<br />

Frauen wuschen Wäsche in diesen braungrauen<br />

schlammigen Fluten und doch hat<br />

dieser Fluss eine Würde in seinem<br />

Dahinströmen.<br />

Auf dem Weg <strong>zum</strong> Fluss waren die Müllberge<br />

wieder nicht zu übersehen, die fast überall in<br />

Kairo die Straßenränder säumen und übelsten<br />

Geruch verströmen. Dann wieder die Stille<br />

einer Moschee, die nur mit Teppichen ausgelegt<br />

ist, die Wände geschmückt mit<br />

Kalligrafien, die Suren aus dem Koran beinhalten.<br />

Einen halben Tag verbrachten wir im Koptischen<br />

Viertel, dem christlichen Teil Kairos.<br />

Dort beeindruckt vor allem El-Moallaqua, die<br />

„Schwebende Kirche“, die auf den Seitenpfeilern<br />

eines ehemaligen römischen Stadttores<br />

errichtet ist, von mehreren Kapellen umgeben,<br />

die Christus, Johannes dem Täufer, dem<br />

Hl. Georg und Maria gewidmet sind.<br />

Der Stammvater der koptischen Kirche ist<br />

Markus, der Evangelist, dessen Spuren man<br />

in der Kirche Abu sergu in der Krypta begegnet.<br />

Dort soll er die Messe gelesen haben<br />

und Maria und Joseph mit dem Jesuskind<br />

sollen sich dort auf der Flucht versteckt haben.<br />

Erwähnenswert für unsere Stadtausflüge: Wir<br />

haben nicht nur Taxis benutzt, sondern sind<br />

auch Metro mit mehrmaligem Umsteigen gefahren.<br />

Es war sehr aufregend, ob sich unse-


e 16-köpfige Gruppe in den <strong>zum</strong> Teil überfüllten<br />

Waggons einen Platz erobern und all<br />

dem Gedränge und gnadenlosem Schubsen<br />

standhalten konnte! Inschala - bei jedem Abzählen<br />

am Zielort kamen wir auf 16!<br />

Eine lustige Episode ereignete sich, als wir<br />

alle überglücklich einen relativ leeren Wagen<br />

stürmten. Als wir realisierten, dass dieses<br />

Abteil nur für Frauen bestimmt war, war es zu<br />

spät! Eine Ägypterin machte uns sehr höflich<br />

darauf aufmerksam!<br />

Ein Halbtagesausflug ging nach Saqqara, 25<br />

km südlich von Gizeh, zur 6-stufigen Pyramide<br />

des Djoser, einer der größten Friedhöfe<br />

Ägyptens, gebaut um 2700 v. Chr. . Saqqara<br />

ist eine sehr bedeutende archäologische<br />

Fundstätte: am Eingang des Grabungsgeländes<br />

befindet sich das Imotep-Museum, das<br />

wir ausführlich besichtigten und aus dem<br />

Staunen und Wundern nicht herauskamen<br />

über all die Sarkophage und kostbaren Grabbeigaben.<br />

Am nächsten Tag fuhren wir 35 km nordwestliche<br />

Richtung <strong>zum</strong> Kamelmarkt in Birquash,<br />

dem größten Ägyptens. Dort wechseln täglich<br />

hunderte von Kamelen ihre Besitzer. Viele<br />

der Tiere werden von Kamelhirten über die<br />

40-Tage-Straße aus dem westlichen Sudan<br />

hierher gebracht. <strong>Die</strong> Tiere sind meist erschöpft<br />

und am Ende ihrer Kräfte und oft erwartet<br />

sie nach langem Handel harte Arbeit in<br />

der Landwirtschaft oder der Schlachthof.<br />

Für uns war der Anblick überwältigend - so<br />

viele Kamele! Kamele soweit das Auge reichte!<br />

Liegende Kamele, stehende Kamele, brüllende<br />

Kamele, galoppierende Kamele, dazwi-<br />

schen all die Kamelhändler in ihren landestypischen<br />

Galabijas und den Tüchern auf dem<br />

Kopf.<br />

Wir wurden dort auch sehr neugierig beäugt.<br />

Waren wir doch die einzigen Touristen in diesem<br />

lebendigen Treiben! Völlig verstaubt vom<br />

Wüstensand sehnten wir uns nach einer gepflegten<br />

Dusche, nach einem Ausruhen und<br />

Eindrücke verdauen am Pool im Hotel. Dort<br />

lagen wir dann auf weißen Liegen in der<br />

Sonne, einige schwammen sogar, andere<br />

tranken Kaffee, Postkarten wurden geschrieben,<br />

Bücher gelesen oder einfach ein bisschen<br />

gedöst.<br />

Um 19.00 Uhr trafen wir uns immer <strong>zum</strong> fürstlichen<br />

Abendessen im Salon und genossen<br />

die feinen Speisen und besonders das Nachtisch-Büffet<br />

mit einem gewaltigen Angebot an<br />

Kuchen, Sorbets, Früchten, Pudding, Mousse<br />

au chocolat, um nur Einiges zu nennen, hat<br />

es einigen von uns sehr angetan (gell, Claudia?).<br />

Sehr beeindruckend war unser Besuch auf<br />

der Sekem-Farm. Von 10.00 - 17.00 Uhr hatten<br />

wir eine tolle Führung, begegneten Ibrahim<br />

Abouleish persönlich, durften bei einer<br />

Feier im Saal dabei sein, bestaunten die riesigen<br />

Werkstätten und die wunderschönen<br />

Produkte, den medizinischen Bereich, die<br />

heilpädagogische Schule und das große<br />

Schulgebäude, die Landwirtschaft und die<br />

Kräuterverarbeitung zu Tees.<br />

Der Mittelpunkt war unsere Teilnahme am<br />

Abschlusskreis, in dem sich über 1000 Menschen<br />

sehr geordnet zusammenfinden, ein<br />

19


Spruch gesprochen wird, Abouleish die ver-<br />

schiedenen Werkstattleiter und Lehrer aufruft,<br />

damit sie kurz sagen, was geschaffen wurde<br />

und womit sie nach dem „Wochenende“ wieder<br />

beginnen (der nächste Tag war ein Freitag<br />

und insofern freier Tag!). Dann gibt er<br />

jedem Einzelnen die Hand und entlässt ihn!<br />

Auch wir wurden dann tief berührt „entlassen“<br />

mit gewaltigen Eindrücken und Bildern im<br />

Herzen.<br />

Ausführlicher diese Erlebnisse zu beschreiben<br />

würde den Rahmen unseres Berichts<br />

sprengen.<br />

Wer Interesse an der Sekem-Farm hat, empfiehlt<br />

es sich das Buch zu lesen:<br />

„<strong>Die</strong> Sekem-Vision, eine Begegnung von Orient<br />

und Okzident verändert Ägypten“ von<br />

Ibrahim Abouleish, Verlag Johannes Mayer,<br />

Berlin, € 19,80, ISBN 3-932386-77-9<br />

20<br />

Nun werden sich Ihnen die einzelnen Camphill<br />

Plätze in Deutschland in alphabetischer<br />

Reihenfolge vorstellen.<br />

Alt-Schönow<br />

Von Barbara Goos und Stefanie Marx<br />

Unsere Lebensgemeinschaft liegt am südlichen<br />

Stadtrand von Berlin an der Grenze zu<br />

Teltow. 1992 bezogen wir unser erstes Haus<br />

gemeinsam mit 8 Bewohnern, nach einer<br />

weiteren Bauphase zwischen 1995-1997 entstanden<br />

3 weitere Wohnhäuser, jetzt konnten<br />

31 Menschen hier leben. Seit 2007 steht nun<br />

auch unser letztes Wohnhaus welches 12<br />

Menschen beherbergt, so dass heute 60<br />

Menschen in Alt-Schönow leben, wovon 43<br />

Menschen Begleitung bei der Lebensgestaltung<br />

brauchen. Bedingt durch die Stadt wohnen<br />

die meisten Mitarbeiter außerhalb, viele<br />

davon nur in Fußwegnähe, einige aber auch<br />

bis 1,5 Stunden BVG-Fahrt entfernt. Ein Gemeinschaftshaus<br />

und ein Tagesstrukturgebäude<br />

samt Verwaltung wurden auch in den<br />

letzten 2 Jahren gebaut.<br />

Was haben wir nicht alles in all den Jahren<br />

geschafft …<br />

<strong>Die</strong>s kostete uns so manche ruhige Stunde<br />

und bedeutete immer wieder auch improvisieren.<br />

Aber es war auch spannend und was<br />

letztendlich entstand, ist noch schöner geworden,<br />

als wir es uns gedacht hatten. In<br />

diesen Jahren sind viele neue Bewohner und<br />

Mitarbeiter an den Platz gekommen. Es galt,<br />

das „Alte“ zu pflegen, ohne in ihm zu verharren.<br />

Mit den neuen Menschen sind viele


neue, kreative Impulse in der Gemeinschaft<br />

entstanden.<br />

Deshalb feierten wir vom 11.5.-16.5. eine<br />

Festwoche, alle Bewohner auch diejenigen<br />

die normalerweise außerhalb zur Werkstatt<br />

gehen, nahmen teil. Wir wollten uns begegnen<br />

und einmal unseren Tagesablauf völlig<br />

anders gestalten.<br />

Der folgende Bericht soll einen kleinen Einblick<br />

geben in diese besondere Woche, die<br />

am Freitag die offizielle Einweihung der Gebäude<br />

und am Samstag das Hoffest als<br />

Höhepunkte hatte.<br />

Austausch und Künstlerisches morgens im<br />

Gemeinschaftshaus<br />

Jeden Morgen trafen wir uns in unserem<br />

Gemeinschaftshaus, um uns zu begrüßen,<br />

den Tag mit seinen Aktionen zu besprechen<br />

und um gemeinsam zu singen. Lucia Hardorp<br />

führte die Morgenrunden und brachte so allerhand<br />

Künstlerisches mit.<br />

Den Auftakt am Montag bildete der Besuch<br />

des „Gemeinschaftsgeistes“ (Lucia Hardorp).<br />

Da es ja eine Gemeinschaftswoche war, ging<br />

es nicht ohne diesen. Dreigegliedert berichtete<br />

der Geist, wie wir uns Alt-Schönower sehen<br />

und verstehen können:<br />

Alt Ja, wir haben schon ein stolzes Alter -<br />

17 Jahre - und so mancher zeigt uns<br />

auch, dass er älter wird. Vieles wurde in<br />

Alt-Schönow veranlagt und läuft wie am<br />

Schnürchen, was beweist, dass wir<br />

schon ordentlich Erfahrung haben.<br />

Schön Ja, wir lieben das Schöne. Wir feiern<br />

schöne Feste, wir gestalten unsere<br />

Häuser und unseren Platz schön.<br />

Ow Ja, so manches ist noch oder immer mal<br />

wieder: O[h]W[eh]. Da ärgern wir uns<br />

über andere oder fragen uns: „OW, wie<br />

sollen wir denn das auch noch schaffen?“.<br />

Hier ist der Punkt, wo wir als<br />

Gemeinschaft am meisten gefragt sind,<br />

um diese Dinge zu verändern, zu verwandeln<br />

und voranzukommen.<br />

Wir übten Lieder ein, die uns über die Woche<br />

begleiteten. Bei der Vielzahl von engagierten<br />

Sänger und Sängerinnen gelang es uns<br />

schnell, in den Gesang einzuschwingen. Entsprechend<br />

positiv gestimmt gingen wir anschließend<br />

zu den Workshops/Aktivitäten.<br />

Am Freitag schauten wir auf die Woche zurück<br />

und erzählten uns gegenseitig von den<br />

Aktionen, die uns am besten gefallen haben.<br />

Kochteams<br />

Täglich konnten Kochbegeisterte unsere Köchinnen<br />

beim Zubereiten der Mittagmahlzeiten<br />

für ungefähr 70 Leute unterstützen. So<br />

fanden sich jeden Morgen viele Helfer ein, die<br />

gemeinsam gekocht haben. Zum Mittagessen<br />

versammelten sich dann alle in unserem<br />

Gemeinschaftshaus und aßen zusammen. So<br />

saß man jeden Tag mit anderen Alt-<br />

Schönowern am Tisch und konnte über das<br />

Erlebte plaudern. Für die Köchinnen war dies<br />

sicherlich eine große Herausforderung, welche<br />

sie mit Bravour bewältigten.<br />

Fußballturnier<br />

Am Montag ging es mit einem fulminanten<br />

Fußballturnier los. Drei Mannschaften fanden<br />

sich und haben auf der Wiese hinter dem<br />

Svärdström–Haus hart für ihre jeweilige<br />

21


Mannschaft gekämpft. <strong>Die</strong> Mannschaften<br />

hießen:<br />

22<br />

Eintracht Schönow<br />

Traktor Schönow<br />

<strong>Die</strong> Bären<br />

Alle Mannschaften wurden kräftig angefeuert<br />

von den begeisterten Fans. Am Ende waren<br />

alle Sieger – denn wie heißt es so schön:<br />

Dabei sein ist alles!<br />

Brennholzaktion (typisch für Berlin)<br />

In der Festwoche war es so weit: Der neu<br />

geschaffene Holzlagerplatz wurde aufgeräumt<br />

und einige Festmeter Holz mit der<br />

Handkarre aus dem unteren Teil des Grundstücks<br />

herausgezogen. Hier liegen sie jetzt<br />

gut sichtbar und warten auf die weitere Verarbeitung<br />

bis sie dann im kommenden Sommer<br />

für warmes Wasser sorgen.<br />

Aufbau der Überdachung des Brennholzplatzes<br />

Gut geplant von Reinhard Bräutigam, fest<br />

verankert durch Reiner Glor, und finanziell<br />

gefördert durch den Freundeskreis: Das war<br />

der Vorlauf für dieses Projekt. Anselm Kruse,<br />

Nick Rodger und Sebastian Bär erschienen<br />

pünktlich in voller Arbeitsmontur, um beim<br />

Aufbau zu helfen. Balken wurden vermessen<br />

und auf Länge gebracht, verschraubt, vernagelt<br />

und ausgerichtet. Eine Vielzahl von<br />

Handgriffen war erforderlich und nach zwei<br />

Tagen stand es da und konnte bestaunt werden.<br />

Ein richtiges Bauprojekt und es hat<br />

Spaß gemacht.<br />

Remisen – Cafe<br />

Endlich! Unser Cafe hat nach einer langen<br />

Winterpause wieder geöffnet. Dazu waren<br />

alle herzlich am Donnerstagnachmittag eingeladen.<br />

Der Tagesstrukturbereich „Remise“<br />

hatte alles gut vorbereitet und bot sommerliche<br />

Getränke und Eis an. Auf Grund der großen<br />

Nachfrage konnten nicht alle Alt-<br />

Schönower gleichzeitig ins Cafe gehen. Von<br />

15 -17 Uhr war das Cafe gut besucht. Das<br />

Wetter hielt sich und so genossen wir unter<br />

dem Sonnenschirm die Leckereien.<br />

Gestalten von Spendenboxen<br />

Am Mittwochnachmittag hatten wir die Möglichkeit,<br />

in der Remise schöne Spendenboxen<br />

zu gestalten. Am Schluss ist jede Box ein<br />

kleines Kunstwerk geworden und hat alle<br />

Stände während des Festes verschönert und<br />

<strong>zum</strong> ausgiebigen Spenden eingeladen. Ein<br />

Dank an die Spender.<br />

Musikimprovisation<br />

Clemens Bütje und Jarek Rzymanek hatten<br />

sich für uns etwas ganz Besonderes ausgedacht.<br />

Mit Trommeln, Schlagzeug, Waschbrettern,<br />

Pfeifen, Waschkörben, Kardiergerät<br />

(aus der Weberei) luden sie uns ein, mit ihnen<br />

zu musizieren. Alles war erlaubt und alles<br />

wurde ausprobiert.<br />

Sehr beeindruckt hat uns, wie schnell wir in<br />

einen Rhythmus gekommen sind und mit wie<br />

viel Freude alle dabei waren. Am Mittwoch<br />

und am Donnerstag probten wir. Zum Festakt<br />

und auf dem Hoffest haben wir folgendes<br />

aufgeführt:


Chaos – Rhythmus – Chaos<br />

eine improvisierte Samba, die sich langsam<br />

aufbaut, dann schneller wird und<br />

wieder langsam ausklingt.<br />

Thai Chi in Alt-Schönow<br />

Tamara Koryukina führte eine Gruppe Interessierter<br />

auf der Wiese hinter dem<br />

Svärdström-Haus in die Formen und Bewegungen<br />

des Thai-Chi ein. Alle fühlten sich<br />

anschließend erfrischt und ausgeruht.<br />

<strong>Die</strong> Begeisterung war derart groß, dass daraus<br />

die Idee entstand, zukünftig einmal wöchentlich<br />

eine Stunde Thai Chi in Alt-<br />

Schönow anzubieten.<br />

Tango in Alt-Schönow<br />

An drei Abenden konnten wir uns von Christopher<br />

Reubke in das Reich des Tangos einführen<br />

lassen. Christophers reguläre Tanzpartnerin<br />

Heike kam extra dazu jeden Abend<br />

nach Alt-Schönow. Auch hier waren die<br />

Nachfrage sowie der Spaß am Mitmachen<br />

groß.<br />

Wäschereiaktionen<br />

Ja, die Wäsche, die musste natürlich auch in<br />

der Festwoche bewältigt werden. Also warum<br />

nicht gleich daraus gezielte Aktionen machen?<br />

An drei Tagen konnte, wer wollte, mal<br />

so richtig loslegen und seine Künste im Bügeln,<br />

Falten, Körbe austragen beweisen. Und<br />

es kamen viele… So entstanden motivierte<br />

und interessierte Teams, die in „Null – Komma<br />

– Nichts“ die Wäsche mitversorgt hatten.<br />

Unkrautaktion / Platzpflege<br />

Unsere Gärtnerin Anja Mattersteig hatte<br />

reichlich für uns zu tun. Nun ist unsere Ge-<br />

meinschaft so gewachsen und wir haben viel<br />

Freude an den individuell gestalteten Plätzen,<br />

Ecken und Wiesen auf dem Gelände. Das ist<br />

viel Arbeit und wie jedes Jahr putzt sich Alt-<br />

Schönow extra für das Hoffest heraus. Dazu<br />

haben wir uns einen Vormittag lang unserem<br />

Platz gewidmet und gejätet, gefegt, Rasen<br />

gemäht…. Es hat sich gelohnt und die Arbeit<br />

im Freien - bei dem guten Wetter - hat viele<br />

motiviert mit<strong>zum</strong>achen. Auch gab es viele,<br />

die einfach nur gern zugeschaut haben.<br />

Der Drahtseilakt<br />

Von Montag bis Donnerstag fand unter der<br />

Anleitung von Lisa Wilke der Seiltanz statt.<br />

Das Wetter hat mitgespielt und so konnten<br />

die vielen „Artisten“ draußen unter dem<br />

Ahornbaum ihr Können versuchen. <strong>Die</strong> Teilnehmer<br />

wechselten meist, einige waren auch<br />

täglich auf dem Seil zu bestaunen.<br />

Tanz in den Mai<br />

Unter diesem Motto wurde <strong>zum</strong> ersten Mal in<br />

Alt-Schönow ein Maibaum aufgestellt und<br />

fleißig täglich ein Maitanz unter Anleitung von<br />

Jürgen Goos eingeübt. Viele kamen und<br />

machten mit. Immer gab es interessierte<br />

Zuschauer. Den Abschluss bildete die gelungene<br />

Aufführung beim Hoffest.<br />

Reif für die Insel<br />

Während unserer Festwoche hatte jeder von<br />

Montag bis Donnerstag jeweils ab 11 Uhr und<br />

ab 14:30 Uhr die Möglichkeit, sich auf die<br />

„Insel der Ruhe“ zu begeben. Barbara Goos<br />

und Kathrin Gerber luden dazu in den Therapiebereich<br />

des Lindenberg-Hauses ein. Mit<br />

entspannender Musik, bezaubernden Düften,<br />

Massagen und Entspannungsmethoden,<br />

23


konnte man hier die Seele baumeln lassen,<br />

die Ruhe auf sich wirken lassen, aber auch<br />

die Muskulatur stärken, also etwas Gutes für<br />

Körper, Seele und Geist tun. Das anschließende<br />

Gefühl der Entspannung und des<br />

Wohlfühlens konnte wohl jeder der vielen<br />

Teilnehmer spüren und genießen.<br />

Schneewittchen mal anders –<br />

<strong>zum</strong> Mitmachen<br />

Annemarie Schneider und Stephanie Marx<br />

hatten das Märchen „Schneewittchen“ mal<br />

unter dem Aspekt des Mitmachens gestaltet.<br />

Viele Interessierte kamen und wurden nun zu<br />

Königstochter, Jäger, Zwerg oder Spiegel.<br />

Durch Utensilien wie Kerzen, Tücher, Kronen<br />

und vielen Instrumenten (Klangschalen, Hölzern,<br />

Zimbeln etc.) wurde das Märchen optisch<br />

und klanglich untermalt. So entstand<br />

eine märchenhafte Atmosphäre und wir<br />

tauchten richtig in die Geschichte ein.<br />

Einführung in 1001 Nacht<br />

Hier hatte sich Christiane de Nardin für uns<br />

so einiges ausgedacht. Es wurde echt orientalisch<br />

mit Tüchern getanzt, eine Geschichte<br />

von dem Schriftsteller Rafik Schami vorgelesen<br />

(„Das Kamel aus Heidelberg“) und <strong>zum</strong><br />

Abschluss gab es orientalisches Gebäck.<br />

Insbesondere das Tanzen hat uns sehr gut<br />

gefallen.<br />

Kunstprojekt<br />

Beate Gerloff und Anna Parkin leiteten das<br />

Kunstprojekt der Festwoche. Dazu schufen<br />

sie in einem Nebenraum des Saales für die<br />

vielen Kunstliebhaber am Platz einen Raum,<br />

gefüllt mit den verschiedensten Materialien.<br />

<strong>Die</strong> Teilnahme an dem Projekt war rege, und<br />

24<br />

so entstanden über die Tage viele kleine<br />

Kunstwerke, die zu wunderschönen Collagen<br />

zusammengestellt wurden. <strong>Die</strong>se schmücken<br />

jetzt den Tagesstrukturbereich. An selber<br />

Stelle ausgestellt sind auch die besonders<br />

schönen Bilder unserer Alt-Schönow-<br />

Künstlerin Andrea Pirschel.<br />

Steine bemalen<br />

Unsere Gärtnerin Anja Mattersteig hat in einem<br />

Schuppen noch kleine quadratische<br />

Steine entdeckt, die von der Scheune, die<br />

längst nicht mehr steht, übrig geblieben sind.<br />

<strong>Die</strong>se konnten wir verzieren und bemalen.<br />

Auch hier hielt sich das Wetter und es nahmen<br />

viele mit Interesse teil. Am Ende blieben<br />

jedoch noch einige übrig, sodass sich ein<br />

kleines Grüppchen bereiterklärte, diese auch<br />

fertig zu stellen, damit alle im Garten neu<br />

verlegt werden können. <strong>Die</strong> schönen Steine<br />

sind nun auf einer der hinteren Wiesen zu<br />

bestaunen.<br />

Bürgerversammlung<br />

In diese Woche gab es eine außerordentliche<br />

Bürgerversammlung. Wir feierten Bergfest<br />

und berichteten uns von dem bisher Erlebten<br />

und resümierten, dass es bis dahin sehr<br />

schön war. Ruhige und aufregende, aktionsreiche<br />

Workshops wechselten sich ab. Für<br />

jeden war etwas dabei.<br />

Als weiteren Punkt ist an dieser Stelle noch<br />

zu erwähnen, dass wir zukünftig die Bürgerversammlung<br />

als solches auf den Prüfstand<br />

stellen wollen. Spricht sie in Form und Inhalt<br />

alle an? Werden wichtige Themen angesprochen?<br />

Sollte sich der Ablauf ändern? Wer<br />

bereitet die Bürgerversammlung mit vor? All


diese Fragen sollen in den kommenden Monaten<br />

erörtert werden.<br />

Filzen<br />

Am Freitag wurde am Vormittag unter dem<br />

Ahornbaum gefilzt. Viele begeisterte Mitstreiter<br />

kamen trotz kaltem Wetter dazu. Zunächst<br />

wurde dunkle Rohwolle (Wolle von Schafen<br />

aus dem Berliner Zoo) ineinander verwebt<br />

und glatt gestrichen. Danach wurde helle<br />

Wolle darüber gelegt. <strong>Die</strong> dritte Schicht bildete<br />

bunte Wolle. Alles zusammen wurde mit<br />

Seifenlauge „eingeseift“ und durchtränkt.<br />

Dann wurde eine Folie über die Wolle ausgebreitet.<br />

Alle Mithelfenden haben dann durch<br />

Klopfen mit der flachen Hand den Filz-<br />

Teppich noch einmal verdichtet. Anschließend<br />

wurde die Wolle eingerollt und gewalkt<br />

und gewalkt und gewalkt… Entstanden ist ein<br />

Filzteppich, der nun zu einem Wandteppich<br />

oder zu Untersetzern verarbeitet werden<br />

kann.<br />

Letzte Vorbereitungen am Freitag<br />

Da gab es noch so einiges zu tun: Platz fegen,<br />

die Info-Tafeln fertig stellen, das Gemeinschaftshaus<br />

vorbereiten, die gelieferten<br />

Stände mussten aufgebaut werden.<br />

Ja, und dann folgte am Freitag der Festakt<br />

mit Prominenz und am Samstag, dank Petrus<br />

bei Sonnenschein, unser Hoffest mit vielen<br />

Freunden und Bekannten.<br />

Insgesamt war es eine sehr gelungene Woche,<br />

mit viel Spaß, Begegnung und vielen<br />

Überraschungen. Während der ganzen Woche<br />

war deutlich spürbar, dass der Alt-<br />

Schönow Gemeinschaftsgeist tüchtig am<br />

Werk ist (auf allen 3 Ebenen). Dankbar für all<br />

das Schöne freuten wir uns auch wieder auf<br />

unseren gewohnten Alltag.<br />

Von Ulrike Sachse und Joachim Scholz<br />

Neue Schulgenehmigung für die Camphill<br />

Schulgemeinschaften<br />

In den vergangenen Jahren wurden im Gesamtvorstand<br />

der Camphill Schulgemeinschaften<br />

e. V. Maßnahmen erörtert, die die<br />

Überwindung der einschränkenden Schulgenehmigung<br />

von Brachenreuthe (keine Werkstufe,<br />

keine Schule für Körperbehinderte)<br />

<strong>zum</strong> Ziel hatten. <strong>Die</strong>ser Prozess führte letztlich<br />

zu einem Besuch von Vertretern der oberen<br />

und unteren Schulaufsichtsbehörde am<br />

07.11.2006. Dort wurde abschließend vereinbart,<br />

die bestehende Schulgenehmigung von<br />

Föhrenbühl und Bruckfelden auf den Schulstandort<br />

Brachenreuthe auszuweiten. Somit<br />

wurde Föhrenbühl aufgrund der neuen<br />

Schulgenehmigung vom 08.01.2007 zur<br />

Stammschule der Camphill Schulgemeinschaften.<br />

25


<strong>Die</strong> Schulgemeinschaften in Bruckfelden und<br />

Brachenreuthe nehmen ab 1. September<br />

2007 formal den Status von Außenstellen an.<br />

<strong>Die</strong> Schulleitung wurde mit Zustimmung des<br />

Gesamtvorstandes auf Joachim Scholz und<br />

Ulrike Sachse (Stellvertretung) übertragen.<br />

An allen drei Schulstandorten werden z. Z.<br />

266 Schüler in den Bereichen Schulkindergarten,<br />

Unter-, Mittel-, Ober- und Werkstufe<br />

beschult. Davon sind 102 Schüler körperbehindert.<br />

<strong>Die</strong> Frühförderung der Camphill<br />

Schulgemeinschaften wird weiterhin in<br />

Brachenreuthe geleistet.<br />

Mit dieser schulrechtlichen Veränderung ist<br />

ein Zuwachs an Flexibilität bei der bedarfsorientierten<br />

Schüler- und Lehrerverteilung<br />

26<br />

zwischen den drei Standorten erreicht worden.<br />

Seit geraumer Zeit ist eine Häufung der<br />

Aufnahmeanfragen von jugendlichen Schülern<br />

zu verzeichnen. Mittel- und langfristig<br />

rechnen wir mit einer Verstärkung dieser<br />

Entwicklung.<br />

<strong>Die</strong> Folge sind schon jetzt Doppel- und Dreifachklassen<br />

vor allem in der Ober- und Werkstufe.<br />

Dagegen nehmen die Schülerzahlen in<br />

der Unterstufe tendenziell ab. Weiter erfordern<br />

einzelne Schüler immer öfter eine besondere<br />

Förderumgebung, sei es pädagogisch,<br />

verhaltens- oder pflegebedingt. An den<br />

drei Schulstandorten sind bereits, am Bedarf<br />

orientiert, entsprechend unterschiedliche<br />

Förderschwerpunkte etabliert worden.<br />

<strong>Die</strong> wechselseitige Inanspruchnahme dieser<br />

Möglichkeiten zwischen Föhrenbühl und<br />

Bruckfelden war in der Vergangenheit kein<br />

Problem, da beide Schulstandorte durch eine<br />

Schulgenehmigung zusammengefasst waren.<br />

Sollten hingegen Schüler von oder nach<br />

Brachenreuthe wechseln, war dies formal ein<br />

kompletter Schul- und Einrichtungswechsel.<br />

Neben den formal-rechtlichen Aspekten ist<br />

mit diesem Schritt die Absicht verbunden,<br />

den Prozess der Schulentwicklung an allen<br />

drei Standorten zu intensivieren und den interkollegialen<br />

Austausch zu fördern.<br />

Brachenreuthe<br />

Von Ulrike Sachse<br />

Brachenreuthe blickt nun auf eine mittlerweile<br />

über 50jährige Geschichte zurück. 1958 wur-


de in diesem ersten Camphill-Platz in<br />

Deutschland bei Überlingen am Bodensee<br />

voller Enthusiasmus, aber auch entbehrungsreich<br />

mit einer kleinen Schar von Kindern und<br />

Mitarbeitern begonnen.<br />

Heute stehen mehr als 120 Mitarbeiter für die<br />

Begleitung von derzeit 80 Kindern und Jugendlichen<br />

in 9 Hausgemeinschaften, der<br />

dazugehörenden Schule, Kindergarten, ambulanter<br />

Frühförderung und Beratung, sowie<br />

dem Bauernhof und der Heilerziehungspflege-Ausbildung<br />

vor vollkommen anderen Voraussetzungen<br />

und Möglichkeiten.<br />

Das was einmal als kleine Gemeinschaft begründet<br />

wurde, hat sich zu einer Einrichtung<br />

entwickelt, die gleichermaßen innerhalb des<br />

Deutschen Verbandes für anthroposophische<br />

Heilpädagogik, sowie in zahlreichen Fachgruppen<br />

und überregionalen Arbeitszusammenhängen<br />

und Elternverbänden aktiv mitgestaltet.<br />

Den stetig wachsenden Herausforderungen<br />

der Gegenwart konnte man bisher gut begegnen.<br />

Dennoch war die nur bis zur Oberstufe<br />

ausgesprochene Betriebserlaubnis unter<br />

anderem ein Grund für Brachenreuthe,<br />

sich noch mehr auf die Anforderungen und<br />

Erscheinungen des gesellschaftlichen Wandels<br />

mit veränderten Bedingungen einzustellen.<br />

<strong>Die</strong> alte Form passte nicht mehr in die Zeit,<br />

und so kam es 2007 zu dem offiziellen Zusammenschluss<br />

von Brachenreuthe mit Föhrenbühl<br />

und Bruckfelden in die Camphill<br />

Schulgemeinschaften am Bodensee. Das<br />

was längst Realität in der Zusammenarbeit<br />

war, wurde nun auch in rechtlichem Schritt<br />

vollzogen und hat sich seither in gemeinsamen<br />

Gremien der Heim- und Schulleitungen,<br />

der Geschäftsführung bis hin zu gemeinsamen<br />

Fortbildungen und Begegnungen als<br />

starkes Netz für die Herausforderungen innerhalb<br />

des politischen und gesellschaftlichen<br />

Wandels erwiesen.<br />

Brachenreuthe selbst hat neben den ambulanten<br />

Angeboten für die ganz Kleinen, den<br />

Schulkindergarten und die Schule bis <strong>zum</strong><br />

Abschluss der Werkstufe eine damit einhergehende<br />

Erweiterung der Angebotsstruktur<br />

auch für die zunehmende Zahl an anfragenden<br />

Jugendlichen und jungen Erwachsenen<br />

bis <strong>zum</strong> Ende der Werkstufenzeit.<br />

Herausragend ist hier auch die vielfältige Erfahrungswelt<br />

der biologisch-dynamischen<br />

Landwirtschaft und des Gartens zu nennen,<br />

wo vor allem für die Jugendlichen Lernfelder<br />

in großer Bandbreite zur Verfügung stehen.<br />

27


Zusammen mit der Wohngruppe für Kinder<br />

und Jugendliche mit herausfordernden Verhaltensweisen<br />

im Akazienhaus bietet sich in<br />

Brachenreuthe hiermit eine doch recht erweiterte<br />

Flexibilität für die vorhandenen Bedürfnisse<br />

und Notlagen vieler Jugendlicher und<br />

ihrer Angehörigen.<br />

Was ist unser Auftrag?<br />

Es ist immer wieder ergreifend, wenn Eltern<br />

erzählen, wie sie in ihrer Not und Sorge um<br />

ihr besonderes Kind lange gesucht haben,<br />

und schließlich auf Brachenreuthe aufmerksam<br />

geworden sind. – „Endlich angekommen“,<br />

zeigen sich neue Wege für die Familie<br />

auf. Immer wieder wird berichtet, dass die für<br />

die Kinder wohltuende familiäre Struktur so<br />

besonders sei, auch die Haltung den Kindern<br />

und Jugendlichen gegenüber anders, deutlich<br />

spürbar...<br />

In der gegenwärtigen Diskussion über die<br />

UN-Rechtskonvention wird immer wieder auf<br />

das dort geforderte Recht auf Teilhabe, Bil-<br />

28<br />

dung, Gleichheit und Freiheit, etc. hingewiesen.<br />

Hierin wird seit Anfang an ein vorrangiger<br />

Auftrag für die Arbeit in unserer Schulgemeinschaft<br />

gesehen, der jedoch mehr den<br />

Bezug darin findet, ein für das Individuum<br />

geeignetes Umfeld zu gestalten, das auf die<br />

speziellen Bedürfnisse und leider nicht immer<br />

gesellschaftlich akzeptierten Eigenheiten von<br />

Kindern mit unterschiedlichstem Förderbedarf<br />

eingehen kann. Immer häufiger finden auch<br />

Kinder zu uns, die nicht das Privileg einer<br />

behüteten Familie erfahren dürfen, sondern in<br />

unendlicher Not und tiefsten Krisen zu uns<br />

kommen.<br />

So kann ein Platz wie Brachenreuthe ein Ort<br />

der Seelenpflege und Lernens sein, um unter<br />

anderem durch die Wahrnehmung von Stärken,<br />

erweitertes Selbstwertgefühl und damit<br />

einhergehende individuelle Entwicklung und<br />

wachsende Inklusionsbereitschaft zu ermöglichen.<br />

<strong>Die</strong>s kann bedeuten, dass ein Kind sich immer<br />

mehr befähigt, Gemeinschaft und Teilhabe<br />

innerhalb einer kleinen Gruppe, seiner<br />

Klasse, bis hin <strong>zum</strong> Besuch der städtischen<br />

Musikschule, Volkshochschule oder dem<br />

Fußballverein in der Nachbargemeinde zu<br />

bewältigen.<br />

<strong>Die</strong> Schulgemeinschaft bildet dabei im Äußeren<br />

ein heilpädagogisch-therapeutisches Umfeld.<br />

<strong>Die</strong>ses beinhaltet u. a. Überschaubarkeit<br />

der Hausgemeinschaften, immer wiederkehrende<br />

Rhythmen, Gebrauch von Ritualen, die<br />

nach dem Waldorflehrplan arbeitende schuli-


sche Bildung, das Angebot vielfältigster Therapien<br />

und Kommunikationsförderung sowie<br />

das kulturelle Angebot, z.B. im Erleben der<br />

christlichen Jahresfeste.<br />

Was sind Aufgaben der Zukunft?<br />

Gemeinsam mit den Vertretern von Föhrenbühl,<br />

Bruckfelden und den entsprechenden<br />

Behörden wird nach Wegen gesucht, die<br />

Nachhaltigkeit, Qualität und damit die Zukunft<br />

der Einrichtungen zu erhalten und zu erweitern.<br />

Dazu gehören neben vielen anderen Projekten<br />

auch die Planung und Umsetzung von<br />

neuen Wohnplätzen als Ersatz der nun doch<br />

sehr veralteten Häuser der Pionierphase. So<br />

wird derzeit in Brachenreuthe unter anderem<br />

am Neubau eines Wohnhauses, diversen<br />

Umbaumaßnahmen und der Neustrukturierung<br />

der Landwirtschaft gearbeitet.<br />

<strong>Die</strong>ser Bericht möge für diesmal reichen. Wer<br />

weitergehende Informationen und Termine,<br />

z.B. auch von aktuellen Festen, erfahren<br />

möchte, sei auf den jährlich erscheinenden<br />

Jahresbericht und natürlich die Homepage<br />

www.brachenreuthe.de verwiesen.<br />

Bruckfelden<br />

Von Claudio Lanza<br />

<strong>Die</strong> Camphill Schulgemeinschaft Bruckfelden,<br />

gegründet im Jahre 1965, ist dem Namen<br />

und ihrer Stellung nach eine Heimsonderschule<br />

für seelenpflegebedürftige Jugendliche<br />

und seit dem Schulzusammenschluss<br />

2007 Teil der Camphill Schulgemeinschaften<br />

am Bodensee.<br />

Im deutschsprachigen Raum stellt sie mit der<br />

ausschließlichen Beschulung von Schülern<br />

der Altersgruppe 16-22 (auch bis 25) Jahren<br />

eine Besonderheit unter den Camphill-<br />

Plätzen dar.<br />

<strong>Die</strong> Schüler erleben in diesem Alter die<br />

Schwellensituation vom Kind <strong>zum</strong> Erwachsenen,<br />

ohne eines von beidem zu sein. Und so<br />

begegnen und durchdringen sich zwangsläufig<br />

heilpädagogische Intentionen fortwährend<br />

mit mehr oder minder sozialtherapeutischen<br />

Ansätzen.<br />

Sind doch von den ca. 50 Schülern etwa die<br />

Hälfte schon über 20 Jahre alt.<br />

Spätestens hier lässt sich erkennen, dass<br />

Bruckfelden nicht als eine typische Schule zu<br />

verstehen ist, sondern sich vielmehr als eine<br />

Bildungseinrichtung erlebt, in der sowohl<br />

Schüler wie auch Mitarbeiter sich als Lernende<br />

begreifen. Eine entsprechend hohe Anzahl<br />

an Auszubildenden unterstreicht dieses<br />

Merkmal.<br />

29


Und doch bleibt die Zeit vom Jugendlichen<br />

<strong>zum</strong> Erwachsenen eine herausgehobene Zeit<br />

in der menschlichen Biographie und gerade<br />

viele Eltern unserer Schüler erleben dies sehr<br />

intensiv und gelegentlich auch schmerzhaft.<br />

Erkennen sie doch in ihrem Kind ein sich<br />

mehr und mehr loslösendes und sich abnabelndes<br />

Individuum, welches deutliche<br />

Merkmale eines jungen Erwachsenen in sich<br />

trägt. <strong>Die</strong> Rolle der Familie und sozialen Gemeinschaft<br />

gerät vorübergehend in den Hintergrund.<br />

<strong>Die</strong> Individualität und Selbstbestimmung<br />

gewinnt mehr und mehr Raum und<br />

der Versuch aus den Begrenzungen auszubrechen<br />

widerstrebt doch oft dem vermeintlichen<br />

Bedürfnis von Eltern und Betreuern<br />

nach Harmonie und emotionalem Gleichmaß.<br />

Aber sind wir ehrlich! Kennen wir das nicht<br />

aus unserer eigenen Jugendzeit? Sind das<br />

nicht die viel beschriebenen Jahre, welche<br />

berechtigt die Sturm- und Drangzeit genannt<br />

werden?<br />

Gerade hierin erleben wir den besonderen<br />

und individuellen Auftrag, welcher sich durch<br />

jeden einzelnen Jugendlichen und jungen<br />

Erwachsenen ausspricht.<br />

Daher bietet Bruckfelden ein sehr differenziertes<br />

schulisches, therapeutisches und<br />

heilpädagogisches Angebot auf der einen<br />

Seite, sowie eine der Individualität entsprechende<br />

Lebenssituation auf der anderen Seite,<br />

welche das Bedürfnis nach altersgemäßer<br />

Freizeitgestaltung sehr ernst nimmt.<br />

So haben sich in den letzten Jahren die besonderen<br />

Merkmale Bruckfelden’s, nämlich<br />

das Kulturcafe Lagerhäusle in Altheim, das<br />

30<br />

Berufskolleg als Ganztageswerkstatt, die Nische<br />

für Menschen mit mehr Betreuungsbedarf,<br />

die Straße des Lebens, als neuer Lern-<br />

und Lebensort, die Reittherapie, eine Trainingswohngruppe<br />

zur intensiven Förderung<br />

der Selbständigkeit, das schon traditionelle<br />

Bruckfelden-Open-Air-Festival, das Naturatelier<br />

als integratives Kunst- und Kulturprojekt,<br />

sowie unzählige Ferienfreizeiten im In- und<br />

Ausland entwickelt.<br />

Um diesen Angeboten auch zukünftig einen<br />

zeitgemäßen Raum zu bieten, haben wir damit<br />

begonnen, die vorhandenen Häuser nach<br />

modernen Wohnstandards zu sanieren.<br />

Ein weiterer markanter Umstand ist die doch<br />

relativ kurze Verweildauer in Bruckfelden<br />

(Ø 5 Jahre). Kaum haben die Jugendlichen /<br />

jungen Erwachsenen und deren Eltern hier<br />

richtig Fuß gefasst, so drängen sich schon<br />

wieder Gedanken und Planungen in den Vordergrund,<br />

welche das Leben nach<br />

Bruckfelden in den Blickpunkt ziehen. Und ab


diesem Zeitpunkt gehen Betreute und deren<br />

Eltern ganz individuelle Wege. Praktika werden<br />

absolviert, Probewohnen durchgeführt.<br />

Oft ist viel Energie für die Suche nach dem<br />

geeigneten Lebensplatz oder die entsprechende<br />

Lebensform nötig. Und ist dann der<br />

rechte Platz gefunden und der gelegentlich<br />

tränenreiche Abschied vollzogen, so bleiben<br />

zwei Dinge zurück: Ein leeres Bett und die<br />

spannende Frage, “Wer klopft als nächstes in<br />

Bruckfelden an?“<br />

Föhrenbühl<br />

Von Joachim Scholz<br />

<strong>Die</strong> Camphill Schulgemeinschaft Föhrenbühl<br />

ist eine Heimsonderschule für körper-, geistig-<br />

und mehrfachbehinderte Kinder und Jugendliche.<br />

<strong>Die</strong> heilpädagogische Arbeit orientiert<br />

sich am Modell einer Lebensgemeinschaft.<br />

Etwa 105 Seelenpflege bedürftige<br />

Kinder und Jugendliche leben in 10 Hausgemeinschaften,<br />

teilweise gemeinsam mit Mitarbeitern<br />

und Mitarbeiterinnen. Weitere 25<br />

Schüler kommen aus der näheren Umgebung<br />

tagsüber hinzu. Vom Kindergartenalter bis ins<br />

junge Erwachsenenalter können Menschen<br />

mit Behinderung in verschiedenen Zusammenhängen<br />

in ihrer altersgemäßen Entwicklung<br />

gefördert werden.<br />

Hausgemeinschaften und Wohnformen<br />

Kern dieses heilpädagogisch ausgerichteten<br />

Zusammenwirkens sind in Föhrenbühl die<br />

Hausgemeinschaften. In ihnen leben 6 bis 15<br />

seelenpflegebedürftige Kinder und Jugendliche<br />

unter einem Dach mit ihren Betreuern.<br />

Innerhalb der Hausgemeinschaft betreut jeweils<br />

ein Mitarbeiter eine Gruppe von 2 bis 3<br />

Kindern.<br />

In einer gemeinschaftsorientierten Struktur<br />

wird den dort lebenden Kindern und Jugendlichen<br />

ein schützender und gleichzeitig entwicklungsanregender<br />

Lebensraum zur Verfügung<br />

gestellt. Das Leben der Hausgemeinschaft<br />

ist bestimmt durch die Aufgaben des<br />

Alltags, dessen bloße Bewältigung viele Kinder<br />

vor große Probleme stellt.<br />

Unter dem Konzeptbegriff «Trainingswohnen»<br />

lernen Jugendliche und Heranwachsende<br />

die Gestaltung ihres Alltags in eigener<br />

Verantwortung. Derartige Wohngemeinschaften<br />

werden den Bedürfnissen entsprechend<br />

immer wieder neu zusammengestellt. <strong>Die</strong><br />

sozialpädagogische Begleitung erfolgt im<br />

Sinne von Assistenz und Beratung.<br />

Da eine Vielzahl von Kindern nicht über die<br />

grundlegende Sicherheit in Raum und Zeit<br />

verfügt, muss eine rhythmische Lebensführung<br />

gewährleistet sein, die Defizite ausgleichen<br />

kann und zugleich therapeutisch deren<br />

Bewältigung anregt. <strong>Die</strong> allgemeine atmo-<br />

31


sphärische Wirkung muss ergänzt werden<br />

durch spezielle heilpädagogische Handlungen<br />

und Haltungen, die der Problematik des<br />

Kindes entsprechen.<br />

Bereits aus solchen Andeutungen zeigt sich,<br />

dass die Wohnbereiche mehr als ein bloßes<br />

Internat sind, das in der Hauptsache dazu da<br />

ist, dem Kind den Schulbesuch außerhalb<br />

des elterlichen Wohnortes zu gewährleisten,<br />

sondern dass es sich hier um einen zentralen<br />

heilpädagogischen Bereichs mit eigenständig<br />

ausgebildeten Profilen handelt.<br />

Kindergarten<br />

Der Kindergarten von Föhrenbühl arbeitet<br />

nach dem Konzept der Intensivkooperation<br />

zwischen zwei Waldorf-Regelgruppen und<br />

dem Schulkindergarten. Neben den seelenpflegebedürftigen<br />

Kindern sind es Kinder aus<br />

den umliegenden Gemeinden, die hier eine<br />

ihrem Alter entsprechende Anregung und<br />

Förderung erfahren. <strong>Die</strong> Kindertagesstätte<br />

nimmt Kinder bereits ab dem zweiten Lebensjahr<br />

auf. In der täglichen Gemeinsamkeit<br />

nehmen die schwächeren Kinder von den<br />

geschickteren wertvolle Nachahmungs- und<br />

Entwicklungsimpulse auf. Letzteren hingegen<br />

wird es zur selbstverständlichen Gewohnheit,<br />

Rücksicht zu nehmen und Hilfen zu geben.<br />

Schule<br />

Neben dem Leben im Haus kommt der Schule<br />

große Bedeutung zu. Hier findet das Kind<br />

Förderung in jahrgangsorientierten Klassenstufen,<br />

in denen Unterrichtsinhalte und Lebensalter<br />

biographisch relevant auf der<br />

Grundlage des Waldorflehrplans zusammengeführt<br />

werden. Ziel ist es, die individuellen<br />

32<br />

Fähigkeiten eines jeden Kindes zu erweitern<br />

und im Zusammenhang damit seine Möglichkeit<br />

der Welterfahrung zu steigern.<br />

<strong>Die</strong> Lehrkräfte der Schule arbeiten auf der<br />

Grundlage der Pädagogik und Heilpädagogik<br />

Rudolf Steiners und verfolgen dementsprechend<br />

ein ganzheitliches, am Waldorfschul-<br />

Gedanken orientiertes Bildungskonzept. Neben<br />

der Entwicklung des kindlichen Erkenntnisvermögens<br />

kommt der Bildung des Gefühls<br />

und des Willens durch die Pflege künstlerischer<br />

und handwerklicher Tätigkeiten besonderes<br />

Gewicht zu.<br />

In den Klassen werden Kinder mit unterschiedlichen<br />

Behinderungen zusammen unterrichtet.<br />

Das oft erhebliche Leistungsgefälle<br />

der Schüler macht Differenzierungen im<br />

Lernangebot und in der Unterrichtsorganisation<br />

notwendig. So folgen auf den täglichen<br />

ca. anderthalbstündigen Hauptunterricht für<br />

die Gesamtklasse Förder- und Fachstunden<br />

für Schülergruppen, die aufgrund ähnlicher<br />

Leistungsbefähigung klassenübergreifend<br />

zusammengestellt sind.<br />

Übergangsstufe<br />

<strong>Die</strong> letzten drei bis fünf Jahre verbringen die<br />

Jugendlichen im Werkstufenbereich. An die<br />

Stelle des einen Klassenlehrers treten Fachlehrer<br />

und Tutoren. <strong>Die</strong> Welt der Arbeit ist<br />

wichtiger Unterrichtsinhalt, um die jungen<br />

Menschen auf ihr späteres Erwachsenendasein<br />

vorzubereiten. In über 10 Werkstätten<br />

werden die Schüler mit unterschiedlichen<br />

Materialien, den entsprechenden Bearbeitungstechniken<br />

und seriellen Arbeitsabläufen<br />

vertraut gemacht. Der Epochen- und Kunst-


unterricht sowie die Förderung der Kulturtechniken<br />

finden in modifizierter Form ihre<br />

Fortsetzung.<br />

Stellvertretend für die veränderte pädagogische<br />

Intention seinen einige Aufgabenstellungen<br />

genannt:<br />

Sich mit der Behinderung vor dem Hintergrund<br />

der eigenen Biografie auseinander<br />

setzen und Strategien der Bewältigung<br />

entwickeln<br />

Planung und Vorbereitung des eigenen<br />

Lebens- und Berufsweges<br />

Übernahme von Verantwortung in unterschiedlichen<br />

Aufgabenbereichen<br />

Annahme und Nutzung von kulturellen<br />

und integrativen Freizeitangeboten<br />

Durchführung von Arbeitsprojekten und<br />

Praktika<br />

Auseinandersetzung mit Freundschaft,<br />

Partnerschaft, Familie, Sexualität<br />

Hausenhof<br />

Von Ralf Hatz<br />

Steckbrief des Hausenhofes<br />

21 Jahre alt<br />

zur Zeit ca. 120 Bewohner in neun Hausgemeinschaften<br />

davon zur Zeit 65 Menschen, deren alltägliche<br />

Notwendigkeiten und besonderen<br />

Bedürfnisse durch einen Pflegesatz finanziert<br />

werden<br />

Hauselternmodell; d.h., alle Hauseltern<br />

bzw. Hausverantwortlichen leben in der<br />

Gemeinschaft<br />

Werkstätten: Landwirtschaft (ca. 50 ha;<br />

18 Milchkühe, Schweine, Hühner), Gemüsegärtnerei,<br />

Käserei, Bäckerei, Pferdewerkstatt,<br />

Anlagenpflege, Dorfmeisterei,<br />

Hauswirtschaft, Weberei, Wäscherei,<br />

Kerzenwerkstatt<br />

Eurythmie, Heileurythmie, Musiktherapie,<br />

Heilpädagogisches Reiten, Physiotherapie<br />

vielfältiges Angebot an gestalteten Freizeitmöglichkeiten<br />

das immer wieder erneute Bemühen, das<br />

christliche Leben im Tages-, Wochen-<br />

und Jahreslauf bewusst zu pflegen und<br />

zu gestalten<br />

Wir sehen unsere Aufgabe am Hausenhof im<br />

täglichen Versuch der gemeinsamen „Heimatbildung“.<br />

Der erwachsen werdende<br />

Mensch emanzipiert sich von seiner angeborenen<br />

Heimat, von seinem Elternhaus und<br />

versucht, sich einen eigenen Lebensmittelpunkt<br />

zu bilden. <strong>Die</strong>ser eigene Lebensmittel-<br />

33


punkt ist umgekehrt wiederum eine Bedingung<br />

des Erwachsenwerdens – Heimat ermöglichen<br />

im überschaubaren Rahmen der<br />

Dorfgemeinschaft, Heimat gestalten im Kreis<br />

der Hausgemeinschaften, Heimat finden in<br />

sich und in der Hinwendung <strong>zum</strong> höheren<br />

Selbst. <strong>Die</strong>se Bemühung äußert und gestaltet<br />

sich in unserem Lebensalltag in der gemeinsamen<br />

Arbeit, in dem gemeinsamen Wohnen<br />

und im gemeinsamen Feiern.<br />

<strong>Die</strong> vergangenen 21 Jahre haben auch gezeigt,<br />

dass dieser Versuch dieser Heimatbildung<br />

aus den verschiedensten Gründen immer<br />

wieder auch nicht gelingt. Wir müssen<br />

dadurch erfahren, dass unsere Möglichkeiten<br />

beim Verfolgen unserer Ziele begrenzt sind.<br />

Aktuell<br />

Neben vielen kleineren Erweiterungen und<br />

Ausbauten, heißt unser nächstes großes Projekt<br />

„älter werdende Menschen am Hausenhof“<br />

34<br />

.„Wohnraum mit entsprechenden Pflegemöglichkeiten,<br />

eine der Werkstatt angegliederte<br />

Förderstätte und die Voraussetzungen zu<br />

Tagesstrukturierenden Maßnahmen (wenn<br />

ein Werkstatt- oder Förderstättenbesuch nicht<br />

mehr möglich ist).“<br />

<strong>Die</strong>sem Vorhaben konnten die dafür zuständigen<br />

Behörden in verschiedenen Vorgesprächen<br />

bereits zustimmen. Zusammen mit<br />

dem für Herbst geplanten Bau einer Urnenstätte<br />

findet die äußere Entwicklung der Dorfgemeinschaft<br />

Hausenhof dann zunächst einen<br />

gewissen Abschluss.<br />

Info<br />

Wer sich für das alltägliche Treiben und die<br />

weitere Entwicklung in der Dorfgemeinschaft<br />

Hausenhof interessiert, bekommt gerne unsere<br />

„Hausenhof Zeitung“ zugesandt. <strong>Die</strong>se<br />

erscheint drei Mal im Jahr, jeweils vor Ostern,<br />

vor dem Augusturlaub und vor Weihnachten.<br />

Internetadresse: www.hausenhof.de<br />

Hauteroda<br />

Von Roswitha Daedlow<br />

Hauteroda ist ein Dorf in Thüringen mit 650<br />

Einwohnern, es liegt am Ende eines breiten,<br />

lieblichen Tales zwischen der Schmücke und<br />

der Hohen Schrecke, deren Höhenzüge mit<br />

dichten Laubwäldern begrenzt sind. In der<br />

näheren Umgebung befinden sich Bad Frankenhausen<br />

und der Kyffhäuser mit seinen<br />

Sehenswürdigkeiten. Erfurt und Weimar sind<br />

nur ca. 50 Kilometer entfernt.


<strong>Die</strong> Markus-Gemeinschaft ist eine Lebensgemeinschaft<br />

mit Familien und Einzelpersonen,<br />

die Menschen mit vorwiegend geistiger<br />

und seelischer Behinderung eine Heim- und<br />

Arbeitsstätte bietet. Sie ist ein Lebensplatz<br />

mit Behinderten und nicht in erster Linie für<br />

Behinderte. Ein wichtiges Ziel der Arbeit ist<br />

es, die betreuten Menschen so weit wie möglich<br />

in das normale Alltagsleben und das Leben<br />

im Dorf zu integrieren. Durch die Mitarbeit<br />

von Dorfbewohnern in den Betrieben<br />

ergeben sich vielfältige Berührungspunkte.<br />

Zu den öffentlichen Veranstaltungen (wie z.B.<br />

dem Hoffest) sind die Einwohner aus der näheren<br />

Umgebung eingeladen. Das Café bietet<br />

weitere Möglichkeiten der Begegnung.<br />

Wohnen<br />

Dem Heim stehen drei Neubauten (mit Aufzügen)<br />

und zwei Häuser aus dem Altbestand<br />

(ohne Aufzug) zur Verfügung. In diesen fünf<br />

Wohnhäusern, die fast nur Einzelzimmer haben,<br />

leben bis zu acht betreute Menschen<br />

gemeinsam mit den Mitarbeitern. In jedem<br />

Haus gibt es eine gemeinsam genutzte Küche<br />

sowie ein Wohnzimmer für alle Bewohner.<br />

<strong>Die</strong> Gruppen werden familienähnlich<br />

geführt. Der Tagesablauf wird bewusst gestaltet.<br />

<strong>Die</strong> Mahlzeiten werden gemeinsam<br />

eingenommen. Durch die Lage der im Dorf<br />

verteilten Häuser gehören Begegnungen mit<br />

den Dorfbewohnern <strong>zum</strong> Alltag.<br />

Arbeiten<br />

<strong>Die</strong> betreuten Menschen sind in den angegliederten<br />

Betrieben oder in den Häusern<br />

tätig. <strong>Die</strong> Einbindung der Betreuten in die<br />

Betriebe ist hier ein Leitgedanke. Das Erarbeitete,<br />

sei es ein Produkt oder eine <strong>Die</strong>nstleistung,<br />

wird als wirtschaftlich wichtiger und<br />

notwendiger Beitrag für das Fortbestehen der<br />

Gemeinschaft erlebt.<br />

Welche Werkstätten gibt es?<br />

Am Anfang war die Landwirtschaft mit ihren<br />

vielfältigen Aufgaben. <strong>Die</strong> tägliche Begegnung<br />

mit Kühen, Rindern und Schweinen und<br />

dem Acker (73 ha) ist nur ein kleiner Teil der<br />

täglichen Aufgaben in der Landwirtschaft. <strong>Die</strong><br />

Markus-Gemeinschaft betreibt eine ökologische<br />

Landwirtschaft (Demeter-Anerkennung)<br />

und tut somit etwas für die Menschen und die<br />

Umwelt.<br />

35


<strong>Die</strong> gemolkene Milch wird direkt in der Molkerei<br />

verarbeitet, wo Quark, Joghurt, Sahne,<br />

Butter oder Trinkmilch hergestellt werden.<br />

Dann gibt es die Gärtnerei, den Gemüsebau<br />

mit 5 ha und die Grünpflege. In der Veredelungswerkstatt<br />

werden die Ernteerträge weiter<br />

verarbeitet, es werden u. a. Salate zubereitet,<br />

Marmeladen hergestellt und sämtliche<br />

Lieferungen zusammengestellt.<br />

Dazu gehört auch die fahrbare Mosterei, die<br />

in der Region naturbelassene Säfte presst.<br />

<strong>Die</strong> Küche kocht täglich 600 Essen, für die<br />

Mitarbeiter und für Kunden in der Region. Der<br />

Küche ist ein Café angeschlossen. <strong>Die</strong> Bäckerei<br />

bietet einen warmen Arbeitsplatz, sie<br />

stellt aus dem eigenen Getreide Brot und<br />

Brötchen her, die am Platz benötigt werden<br />

und versorgt auch die Kunden.<br />

Weitere Arbeitsplätze gibt es in den Betrieben<br />

Hausmeisterei, Hauswirtschaft, Wäscherei,<br />

Herberge (Hotel) und der Tischlerei.<br />

In der Holzwerkstatt werden Grundfertigkeiten<br />

für den Umgang mit Werkzeugen, ein<br />

Gefühl für die verschiedenen Materialien und<br />

das Üben von Ausdauer und Kontinuität erworben.<br />

Auch der Berufsbildungsbereich ist<br />

dort angeschlossen.<br />

Der Förderbereich steht für die Tages-<br />

Betreuten aus der Region zur Verfügung. In<br />

den Werkstätten erhält der Betreute individuelle<br />

Anleitung und Förderung. Ziel dieser<br />

Maßnahme ist, die weitmöglichste Förderung<br />

der Selbständigkeit im Arbeitsleben, das Erlernen<br />

von berufsspezifischen Kenntnissen<br />

und Fertigkeiten und außerdem die sinnvolle<br />

36<br />

und strukturierte Gestaltung des Tagesablaufes.<br />

Freizeit<br />

Aktive Gestaltung der freien Zeit, Anregung<br />

von Kreativität und Phantasiekräften, Erhaltung<br />

und Weiterentwicklung von Kulturtechniken<br />

und künstlerischen Fähigkeiten stehen im<br />

Vordergrund.<br />

Das christliche Element im Tages-, Wochen-<br />

und Jahresrhythmus bildet einen festen Bestandteil<br />

im Gemein-schaftsleben, wie z.B.<br />

auch der Bibelabend in den Häusern und die<br />

sonntägliche Feier im Saal. Zweimal im Jahr<br />

werden die Eltern der Betreuten zu einem<br />

Treffen eingeladen, bei dem sie Gelegenheit<br />

haben, sich über alles zu informieren um an<br />

der weiteren Entwicklung der Markus-<br />

Gemeinschaft teilhaben zu können. Weitere<br />

Informationen erhalten Sie auch im Internet<br />

unter www.gutshof-hauteroda.de<br />

Hermannsberg<br />

Von Martin Henrich<br />

Aus der Geschichte des ehemaligen Klosters<br />

Hermannsberg<br />

Biegt der Besucher von der Landstraße 200 -<br />

einer ehemaligen staufischen Königsstraße -<br />

<strong>zum</strong> Hermannsberg ab, zeigt ihm die rechter<br />

Hand stehende Kapelle aus romanischer Zeit,<br />

dass dieser idyllisch gelegene Platz schon<br />

lange besiedelt ist.<br />

<strong>Die</strong> Ländereien des Hermannsberges - Mons<br />

S. Hermetis oder später Hermannsperge -<br />

sind 1254 das erste Mal urkundlich erwähnt.


Der 5. März 1360 kann als der Gründungstag<br />

des damaligen Beginen-Klosters angesehen<br />

werden. Der Comthur Ulrich von Königsegg<br />

gestattete 4 Klausnerinnen, sich auf dem<br />

Hermannsberg niederzulassen.<br />

Im Jahre 1401 nahmen die Schwestern die<br />

Regel des Dritten Ordens des Hl. Franziskus<br />

von der Buße an.<br />

Während des dreißigjährigen Krieges wurde<br />

das Kloster 1633 von schwedischen Horden<br />

ausgeplündert und verwüstet. <strong>Die</strong> Schwestern<br />

waren daher gezwungen, den Gottesdienst<br />

in Altheim zu besuchen.<br />

Im Jahre 1746 sprach man von einem - verarmten<br />

Klösterlein - im Jahre 1790 lebten hier<br />

lt. Ämtertafel 12 Schwestern. 1808 wurde es<br />

aufgehoben. Im Jahre 1811 erfolgte der Abriss<br />

der Klosterkirche.<br />

Das schöne, drei Stock hohe Klostergebäude,<br />

das zwei Flügel bildete, kam in den Besitz<br />

von Georg Dreher aus Pfullendorf, der es in<br />

eine Bierbrauerei umwandelte. Später kam es<br />

noch in mehrere andere Hände. Der zweite<br />

östliche Flügel wurde 1872 abgebrochen.<br />

Später kam das Kloster in die Hand der Gemeinde<br />

Hattenweiler und wurde unter anderem<br />

als Bauernhof verwendet, dann auch als<br />

kleine Fabrik, bis Dr. Kurt Hahn, der Begründer<br />

der Schulen Schloß Salem es 1925 erwarb.<br />

Zuerst zogen 12 Salemer Kinder hier<br />

ein - im Jahre 1933 war die Höchstzahl von<br />

55 Schülern erreicht. Im Jahre 1953 kehrte<br />

Dr. Hahn nach seiner Internierung in England<br />

<strong>zum</strong> Hermannsberg zurück, wo er am<br />

14.12.1974 verstorben ist. Am 5. Juni 1986<br />

wurde Dr. Kurt Hahns 100. Geburtstag gedacht.<br />

Am 1. Juli 1976 erwarb der Verein Camphill<br />

Dorfgemeinschaften e. V. das ehemalige<br />

Kloster mit der Kapelle und den Baulichkeiten,<br />

die von der Schloss-Schule Salem errichtet<br />

waren.<br />

In den 33 Jahren, die der Hermannsberg<br />

jetzt als Camphill-Dorfgemeinschaft besteht,<br />

gab es natürlich viele Veränderungen. <strong>Die</strong><br />

Landschaft wurde anders gestaltet und Häuser<br />

neu gebaut.<br />

Kürzlich haben wir abends in unserer Hausgemeinschaft<br />

darüber gesprochen, was uns<br />

der Hermannsberg bedeutet. Hier ein kleiner<br />

Auszug aus den unterschiedlichen Bemerkungen:<br />

„Ich habe hier viel mehr Menschen kennengelernt,<br />

als früher“<br />

„<strong>Die</strong> Häuser sind individuell, haben eigenen<br />

Charakter und eigene Namen. Sie<br />

37


38<br />

sind keine Nummern, sondern tragen ein<br />

Gesicht.“<br />

„Es hat mir weitergeholfen in meiner Entwicklung,<br />

dass ich in intensiven Kontakt<br />

mit anderen Menschen gekommen bin.“<br />

„Wir müssen das Leben erst mal in die<br />

Tat umsetzen.“<br />

„Ich habe früher bei meiner Mutter gelebt.<br />

Das Leben wurde dann zu hektisch. Am<br />

Hermannsberg fühle ich mich ganz gut.“<br />

„Im Umgang miteinander zu lernen, dass<br />

die Menschen so sind, wie sie sind und<br />

nicht so, wie ich sie haben möchte.“<br />

„Ich fand es richtig gut, dass ich ohne<br />

Ahnung herkam und gleich eine Offenheit<br />

gespürt hab.“<br />

Wenn der Hermannsberg auch immer noch<br />

ein mons hermeticus, ein abgeschlossener<br />

Berg ist, so können wir uns doch auch darüber<br />

freuen, dass bei aller Abgeschlossenheit<br />

der Blick in die Ferne geht. Einige unserer<br />

Produkte werden europaweit vermarktet und<br />

unsere Mitarbeiter kommen aus aller Welt.<br />

Aus aller Welten Enden<br />

Von Johannes Haidt<br />

Hinter Namen, die einen geradezu legendären<br />

Klang haben, verbergen sich Menschen<br />

aus verschiedensten Ländern der Erde.<br />

Pulatov Elyor, Langguth Anna, Umarov<br />

Saidmurot, Batyrshina Lyaylya, Moya Diogo,<br />

Synthi, Diniz Jennifer, Khodjimatov Dilshod,<br />

Chaudhry Ali Adnan und Kuria David kommen<br />

aus Mexico, Brasilien, Usbekistan, Ke-<br />

nia, Pakistan, Indien und arbeiten für ein Jahr<br />

bei uns am Hermannsberg.<br />

Über die Freunde der Erziehungskunst absolvieren<br />

sie ein soziales Jahr im Ausland, in<br />

diesem Fall eben am Hermannsberg,- weit<br />

weit weg von der Heimat. Gewissermaßen<br />

hineingeworfen in eine völlig andere Kultur,<br />

Mentalität der Menschen und Umwelt. Natürlich<br />

wurden sie alle mit Freude und großem<br />

Interesse aufgenommen. Was liegt da mehr<br />

auf der Hand, als von ihren Heimatländern<br />

die so fern von hier liegen, etwas zu erfahren.<br />

Länder über die wir nichts wussten! Oder wer<br />

weiß schon etwas über Usbekistan- nicht mal<br />

der Name war uns geläufig? Taschkent, die<br />

Hauptstadt kannten wir vom Namen her aus<br />

den Medien.<br />

Auf jeden Fall waren die neuen Freunde bereit,<br />

im Rahmen unsere Miniatur- Volkshochschule<br />

und auch mal <strong>zum</strong> Montagmorgentreffen,<br />

über ihre Länder zu berichten.<br />

Von der prachtvollen uralten Kultur entlang<br />

der legendären Seidenstrasse durften wir von<br />

Saidmurot und Eyor einiges erfahren und


Bilder, auf eine Leinwand übertragen, bewundern.<br />

In Taschkent haben sie ihr Politikstudium<br />

abgeschlossen und werden anschließend<br />

an ihre Episode Hermannsberg<br />

ihre Doktorarbeit schreiben.<br />

Von ihrer Heimatstadt Sao Paulo, der fünftgrößten<br />

Stadt der Welt, sahen wir einen<br />

selbstaufgenommenen Film von Jennifer und<br />

Synthie. Auch das Haus sahen wir, wo sie<br />

Ballett studiert haben und Diogo seine Studien<br />

<strong>zum</strong> Betriebswirt fortsetzen wird. Und Mexico-<br />

City- meine Güte- doppelt so viele Einwohner<br />

wie ganz Bayern- da geht es vielleicht<br />

trubelig auf und zu- was für eine andere<br />

Welt als unsere so beschauliche Enklave<br />

Hermannsberg.<br />

Auch weit, weit in die entgegengesetzte Richtung<br />

ging die Bilderreise. David Kuria führte<br />

uns in die großen Wildparks nach Kenia und<br />

auch zu den Rifft Valeys bis hin <strong>zum</strong> Kilimandscharo.<br />

Wir durften auch seine Familie<br />

sehen, die in Äquatorial- Afrika unter völlig<br />

anderen Bedingungen ihr Leben zu meistern<br />

sucht, die als Kleinbauern. Auch Nairobi, die<br />

facettenreiche Hauptstadt von Kenia sahen<br />

wir und in die Touristenstadt Mombassa.<br />

Dann weiter nach Pakistan- dort wurden uns<br />

die Augen geöffnet für eine gewaltig andere<br />

Kultur und deren Gegensätze.<br />

Karl Wiedmann packte bei solchen Berichten<br />

gehörig das Reisefieber. Entsprechend engagiert<br />

waren auch seine Fragen. Wieder<br />

andere haben auch alles mit Interesse verfolgt-<br />

wie Stefan, Igor, Martina und Rudolf-<br />

ziehen es aber doch vor, hier am beschauli-<br />

chen Hermannsberg die relative Ruhe zu<br />

genießen.<br />

Von Djogo Jordio Moya<br />

Mein Name ist Djogo, ich bin 21 Jahre alt und<br />

ich komme aus Brasilien, aus Sao Paulo und<br />

bin am Hermannsberg seit September.<br />

Als ich hier angekommen bin, kannte ich<br />

niemand und nicht sehr viel Deutsch… Ich<br />

freue mich, dass ich die 5 Monate Erfahrung<br />

hier gehabt habe. Ich gehe in drei Wochen<br />

nach Brasilien zurück, nur mit guter Erinnerung<br />

an dieses Erlebnis und dem Wunsch<br />

Sozialtherapie und Anthroposophie zu studieren.<br />

Wenn ich in Brasilien bin, muss ich mein<br />

Universitätsstudium beenden und vielleicht<br />

liegt meine Zukunft in einer Gründung und<br />

Arbeit in einem Camphill in Brasilien. Der<br />

Camphill-Impuls und die Ideale beeindruckten<br />

mich sehr und ich denke, diese Form des<br />

Zusammenlebens sollte als Beispiel für die<br />

ganze Welt gelten.<br />

Ich werde nie Hermannsberg vergessen.<br />

Karl-König-Schule Nürnberg<br />

Von Stephan Iglisch<br />

Als Tagesschule mitten in einer mittelgroßen<br />

Stadt gelegen, hat die Karl-König-Schule sicher<br />

einen besonderen Status unter allen<br />

Camphill-Einrichtungen. Hier beginnt das<br />

Leben jeden Schultag gegen 7.45 Uhr, und<br />

nach 16.00 Uhr wird es wieder ganz still im<br />

Haus und auf dem Schulgelände. So ist es<br />

nun schon seit über 35 Jahren, wobei sich die<br />

39


Einrichtung in all diesen Jahren deutlich entwickelt<br />

hat.<br />

Heute besuchen ca. 115 Kinder, Jugendliche<br />

und junge Erwachsene die Karl-König-<br />

Schule, von der Schulvorbereitenden Einrichtung<br />

(SVE) über die Schule bis zur Berufsschulstufe,<br />

jeweils mit integrierter Tagesstätte.<br />

Sie leben bei uns in Gruppen und Klassen<br />

mit sieben bis zehn Schülern. Auffallend ist<br />

die große Zahl verschiedener Nationalitäten<br />

unter den Schülern – und auch unter den<br />

Mitarbeitern.<br />

Unser Kollegium umfasst etwa 35 festangestellte<br />

Mitarbeiter. Hinzu kommt eine große<br />

Zahl von Jahrespraktikanten und Zivis, dazu<br />

noch Personal in der Küche, in der Hausreinigung<br />

und der Hausmeisterei. Und auch das<br />

Personal der Fahrdienste gehört<br />

dazugedacht, denn ohne sie käme kein<br />

Schüler täglich in seine Karl-König-Schule.<br />

<strong>Die</strong> Pionierzeit mit einer Gründerpersönlichkeit<br />

liegt für unsere Einrichtung schon recht<br />

lange zurück. Wir denken diesbezüglich immer<br />

wieder in großer Anerkennung an Ursula<br />

Herberg. Sie hat es damals verstanden, all<br />

die Fragen, Sorgen, Bedürfnisse und Wünsche<br />

der Eltern von Seelenpflege-bedürftigen<br />

Kindern wie durch ein Brennglas hindurch zu<br />

sammeln und daraus etwas Reales zu formen<br />

und entstehen zu lassen: <strong>Die</strong> Karl-<br />

König-Schule.<br />

Heute führen wir uns in Selbstverwaltung,<br />

mehr oder weniger gut, immer wieder um die<br />

richtige und auch praktikable Form ringend.<br />

Mal wird daraus versehentlich zuviel „Verwal-<br />

40<br />

tung“, mal ganz unabsichtlich zuviel „Selbst“.<br />

Und so versuchen wir alle zusammen, das<br />

Schiff zwischen pädagogisch therapeutischen<br />

Bedürfnissen, verwaltungstechnischen Vorschriften<br />

und finanziellen Möglichkeiten einem<br />

guten Ziele entgegenzusteuern – natürlich<br />

immer das Kind im Blick und im Mittelpunkt.<br />

<strong>Die</strong> Leser werden sicher merken: Wollte man<br />

diesem Kollegium im Fach Selbstverwaltung<br />

ein Zeugnis ausstellen, würde dieses mit den<br />

Worten beginnen: Alle haben sich sehr bemüht...<br />

Doch es ist auch Vieles sehr schön an unserer<br />

Karl-König-Schule. Von Besuchern wird<br />

besonders hervorgehoben, dass eine auffallend<br />

gute Stimmung im Hause lebt, dass<br />

überall viele spontane und unbeschwerte<br />

Gespräche zu beobachten sind und dass<br />

man sich sogleich wohlfühlen kann. Ja, wir<br />

reden wirklich gerne und viel miteinander,<br />

auch donnerstags in entsprechend langen<br />

Konferenzen!<br />

Aktuell stehen wir vor großen Herausforderungen.<br />

Das „Ur-Haus“, welches die SVE<br />

beherbergt, hat ausgedient. Wir müssen und<br />

wollen neu bauen. Gleichzeitig wird immer<br />

deutlicher, dass zwar die Zahl der Schüler<br />

und auch die Zahl der Klassen im Laufe der<br />

Jahre deutlich gewachsen ist, nicht aber die<br />

Zahl der Klassenräume, Nebenräume,<br />

Essräume, Toiletten, Verwaltungsräume,<br />

Therapieräume etc. Also besteht auch hier<br />

großer Nachholbedarf, und so kommen zwei<br />

Bauprojekte zusammen. Und bei all dieser<br />

Planung wird deutlich, dass das Gesamt-


grundstück eigentlich zu klein ist für all die<br />

Bedürfnisse, besonders im Bereich der Freiflächen.<br />

Wir leben eben mitten in der Stadt.<br />

<strong>Die</strong> Arbeit mit den Kindern und Schülern, die<br />

erlebbaren Entwicklungsschritte, die ungeschminkte<br />

Offenheit der Betreuten und ihr<br />

großes Vertrauen können uns täglich viel<br />

Freude bereiten. So sind wir auch bereit, neben<br />

der Alltagsarbeit weiteren Einsatz zu<br />

leisten, um diese Bauprojekte und die damit<br />

verbundene Schulentwicklung zu meistern.<br />

Wir empfinden uns gerade an einem sehr<br />

entscheidenden Augenblick im Leben der<br />

Karl-König-Schule stehend. So sind wir auch<br />

von Herzen dankbar für jeden guten begleitenden<br />

Gedanken, den Menschen an uns<br />

richten und uns dadurch unterstützen in dem<br />

Bestreben, für die Seelenpflege bedürftigen<br />

Kinder und Jugendlichen eine gute Schule zu<br />

sein.<br />

Der folgende Artikel gibt einen kleinen Einblick<br />

in das Schulleben.<br />

„Bank“- Einweihung<br />

Von Cornelia Ravanelli<br />

Im Frühjahr 2006 stellten wir fest, dass die<br />

Föhre, die den Mittelpunkt unseres Schulhofes<br />

bildete, mit ihren Flachwurzeln die Steine<br />

des Hofes immer mehr nach oben wölbte. So<br />

entschieden wir uns, diesen Baum zu fällen<br />

und einen neuen Baum zu pflanzen. Wichtig<br />

war es, einen Pfahlwurzler zu finden. In einer<br />

Gärtnerei entschlossen wir uns für eine Winterlinde.<br />

<strong>Die</strong> Linde, die als Baum früher in vielen Dörfern<br />

als Mittelpunkt stand, hatte dort meist<br />

eine Bank <strong>zum</strong> Verweilen. Das regte auch<br />

uns an, über so eine Bank nachzudenken.<br />

Schnell stand fest, dass wir eine Rundbank<br />

brauchen, damit möglichst eine ganze Klasse<br />

darauf sitzen kann.<br />

So bestellten wir bei der befreundeten Nachbareinrichtung<br />

„Münzinghof“ eine sechseckige<br />

Bank, die uns dankenswerterweise der<br />

Freundeskreis Camphill schenkte.<br />

Im Frühjahr, am 27. März <strong>2009</strong>, war es soweit!<br />

<strong>Die</strong> wunderschöne, aus Lärchenholz<br />

gefertigte Bank wurde feierlich enthüllt. <strong>Die</strong><br />

ganze Schulgemeinschaft hatte sich im Hof<br />

versammelt, hörte Worte über die Linde und<br />

gedachte gemeinsam an Karl König, dessen<br />

Namen unsere Schule ja trägt und dessen<br />

Todestag just mit dieser Einweihung zusammenfiel.<br />

Hatte es zuvor noch getröpfelt, so hörte gerade<br />

im Moment der Enthüllung der Regen<br />

auf und die Sonne spitzte hervor. Eine Schulklasse<br />

hatte für alle gebacken. So konnte mit<br />

Gesang und Gebäck gefeiert werden. Und es<br />

wurde natürlich Probe gesessen! Tatsächlich<br />

passte immer eine ganze Klasse – ca. zehn<br />

41


Schüler und zwei bis drei Erwachsene – auf<br />

die Bank.<br />

Seitdem ist die Bank ein wirklicher Mittelpunkt<br />

geworden. Hier finden auch die Praktikanten<br />

in ihrer Mittagspause ein Plätzchen <strong>zum</strong> Ausruhen.<br />

Oft treffen sich dort Groß und Klein<br />

miteinander und führen schöne Gespräche.<br />

<strong>Die</strong> Linde spendete schon ihren ersten Schatten<br />

dazu. Allen, die uns zu diesem wahren<br />

Mittelpunkt verhalfen, sei nochmals herzlichst<br />

gedankt.<br />

Königsmühle<br />

Von Tony Foskett<br />

<strong>Die</strong> Königsmühle besteht aus 3 Hausgemeinschaften<br />

mit insgesamt 21 Plätzen für Erwachsene<br />

mit Hilfebedarf.<br />

Wir sind der „kleinste“ aller deutschen Camphill-Plätze,<br />

sitzen einsam und relativ abgeschieden<br />

– linksrheinisch - im Tal, in einer der<br />

wärmsten Gegenden Deutschlands.<br />

Wir dürfen im größten zusammenhängenden<br />

Waldgebiet Deutschlands leben. Ebenso findet<br />

man hier die größten Weinbau betreibenden<br />

Gemeinden Deutschlands mit mehr als<br />

2.000 Hektar Anbaufläche und 20 Millionen<br />

Liter Wein. Es gibt viele Feste rund um den<br />

Wein: Anfang Februar beginnend und mit der<br />

Krönung der Deutschen Weinkönigin im Oktober<br />

endend.<br />

Bekannt ist außerdem das Hambacher<br />

Schloss, das an die Entstehung unserer Demokratie<br />

erinnert. (Hambacher Fest 1832).<br />

42<br />

Klima, Weinbau und der endlose Wald beeinflussen<br />

sehr unser Leben. <strong>Die</strong> Pfälzer Offenheit,<br />

Gelassenheit und eine gewisse Sorglosigkeit<br />

lassen uns leicht Freundschaften und<br />

herzliche Beziehungen mit unseren Nachbarn<br />

schließen. So sind wir stark in das kommunale<br />

Leben integriert – sind an den Stammtischen<br />

der verschiedenen Vereine vertreten.<br />

Unsere Freunde aus der Königsmühle sind<br />

im Sportverein, im Kirchenchor und den Neustädter<br />

Geschäften immer herzlich willkommen.<br />

Unsere eigene Identität ist deutlich von diesem<br />

Umkreis geprägt und gestaltet.<br />

Das Königsmühler Kulturleben ist sehr bekannt.<br />

Unsere Feste werden durch einen stetig<br />

wachsenden Freundeskreis mit gestaltet.<br />

In der Pfalz sind alle anthroposophischen<br />

Bemühungen recht bescheiden und deshalb<br />

sehr davon abhängig, wie sie von der Umgebung<br />

positiv mitgetragen werden.<br />

<strong>Die</strong> Königsmühle hat dank dieses Umkreises<br />

bis <strong>zum</strong> heutigen Tag den gesamten Investitionsbereich<br />

ohne staatliche Zuwendungen,<br />

sondern nur durch Eigenleistungen und<br />

Spenden von Freunden der Königsmühle<br />

bewerkstelligen können. Das gesamte Anwesen<br />

- 3 große Wohnhäuser und ein Werkstattgebäude<br />

- sind schuldenfrei und Eigentum<br />

einer eigenen gegründeten Stiftung.<br />

Siehe auch den Reisebericht über Ägypten<br />

und den Artikel „Camphill bewegt sich“


Lehenhof<br />

Von Stefan Siegel-Holz<br />

Wer in Bremen den Lehenhof kennt, weiß um<br />

eine Marke, die verschiedene Käsesorten<br />

herstellt. In München wird im Naturkostladen<br />

Lehenhof-Brot verkauft. Und die Kunden sind<br />

überrascht, wenn sie einmal erfahren, dass<br />

es am Lehenhof auch um Sozialtherapie<br />

geht. In der hiesigen Tageszeitung sind wir<br />

einer der gängigen Veranstaltungsorte im<br />

Kreis. Der Bürgermeister nennt uns einen<br />

„Ortsteil mit besonderen Aufgaben“ im<br />

Deggenhausertal. Lehenhof – ein kleines<br />

Gemeinwesen mit 300 Seelen, drei Nachbarschaften<br />

in zwei Landkreisen, ein ländlicher<br />

Lebensort mit vielfältigen Bezügen.<br />

<strong>Die</strong> Camphill Dorfgemeinschaft Lehenhof<br />

wurde 1964 als letzte Initiative von Karl König<br />

selbst gegründet und in den Anfängen von<br />

ihm begleitet. Das ‚erste deutsche Dorf’, das<br />

Dr. König sehr am Herzen lag, wuchs schnell<br />

und wurde Modell für andere Lebensorte.<br />

Eine ganze Reihe von Mitarbeitern gründete<br />

wiederum eigene sozialtherapeutische Gemeinschaften.<br />

Bekannt wurde 1982 das große<br />

Sägewerk, in dem erstmals in größerem<br />

Stil in anspruchsvoller industrieller Arbeit<br />

Dörfler und Mitarbeiter gemeinsam Obstkisten,<br />

Paletten und Bauholz herstellten. Der<br />

Schauspiel-Impuls im Dorf brachte im Laufe<br />

der Zeit neben jahreszeitlichen Spielen verschiedene<br />

große klassische Aufführungen<br />

hervor.<br />

Bis heute wohnen bei uns unterschiedlichste<br />

Menschen unter einem Dach, gehen einer<br />

gemeinsamen Arbeit nach und gestalten ihr<br />

kulturelles Leben zusammen: Senioren und<br />

kleine Kinder, Familien und Alleinstehende,<br />

Erwachsene mit den unterschiedlichsten Begabungen<br />

und Behinderungen. Zum Dorf<br />

über dem Bodensee gehören Wohnhäuser<br />

und Werkstätten, Landwirtschaft, Gärtnerei<br />

und Käserei, ein Kulturzentrum und eine<br />

Krankenstation.<br />

In den umliegenden Ortschaften liegen weitere<br />

Häuser und Arbeitsstätten. Ein Einkaufsladen<br />

verkauft biologische Waren. Mit der Um-<br />

43


gebung verbinden den Lehenhof vielfältige<br />

nachbarschaftliche, wirtschaftliche und kulturelle<br />

Kontakte.<br />

Er betreibt auch den Versand des Internet-<br />

Shops „Ursprung Handelsverbund gGmbH“<br />

(www.ursprung-handels-verbund.de).<br />

Im letzten Jahr wurde die ‚Lehenhof-Stiftung’<br />

gegründet. Zunehmend wichtiger werden für<br />

uns die Fragen rund um das Thema ‚Älterwerden’.<br />

Einen eigenen Ruheplatz für die<br />

Verstorbenen haben wir allerdings schon<br />

sehr lange.<br />

Wir bieten eine Ausbildung <strong>zum</strong> staatlich anerkannten<br />

Heilerziehungspfleger an, außerdem<br />

auch Ausbildungsplätze in Hauswirtschaft<br />

und biologisch-dynamischer Landwirtschaft.<br />

Schließlich wird unser Leben bereichert<br />

durch eine stattliche Zahl von jungen<br />

Leuten aus dem In- und Ausland, die im<br />

Rahmen eines Jahrespraktikums, ihres Zivildienstes<br />

oder Waldorfschulpraktikums mit<br />

uns leben und arbeiten.<br />

In einer großen gemeinsamen Zukunftswerkstatt<br />

haben wir im Jahre 2003 über künftige<br />

Entwicklungen am Lehenhof nachgedacht.<br />

Manches an Veränderung konnte erstaunlich<br />

zeitnah umgesetzt werden. Aber noch viele<br />

Aufgaben stehen uns bevor. 1962 wurde der<br />

Lehenhof als Standort für eine Dorfgemeinschaft<br />

verworfen, weil die Straße aus dem Tal<br />

in einem desolaten Zustand war. Heute stehen<br />

wir vor einem ähnlichen Problem – und<br />

hoffen, dass der Sanierung der Straße wieder<br />

fruchtbare und zukunftsvolle Jahre folgen<br />

werden.<br />

44<br />

Sellen<br />

Von Jutta Kohaus, Reinhard Berger<br />

Sellen in Kürze:<br />

1991 Erwerb zweier Resthöfe<br />

1992 Offizieller Betrieb als Wohnheim<br />

1996 Anerkennung der WfbM<br />

1999 Eröffnung des neuen Werkstattgebäudes<br />

2004 Erwerb des Wohnhauses in der Innenstadt<br />

mit Cafe<br />

2007 Weiteres neues Wohnhaus in Werkstattnähe<br />

2008 Eröffnung eines Wohnhauses für ambulant<br />

betreutes Wohnen<br />

9 Wohnhäuser für 60 mehrfach behinderte<br />

(seelenpflegebedürftige) Erwachsene, 6 weitere<br />

Erwachsene im ambulant betreuten<br />

Wohnen.<br />

Werkstätten: Landwirtschaft, Käserei, Gärtnerei,<br />

Landschaftspflege, Textil- u. Kerzenwerkstatt,<br />

Hauswirtschaft, Bäckerei, Weberei<br />

Werkstattladen mit Cafe<br />

Hofladen<br />

Lage: in dörflicher Umgebung in Stadtnähe<br />

Gute Inklusion in die Gemeinde<br />

Herrliche Ausflugsmöglichkeiten ins schöne<br />

Münsterland<br />

Charakteristisch für die Dorfgemeinschaft ist<br />

ihre Vielfältigkeit und Lebendigkeit, sie ist<br />

besonders geprägt durch ihre dörfliche Lage<br />

bei gleichzeitiger Nähe zur Stadt und gewachsener<br />

Eingebundenheit und wertgeschätzter<br />

Integration in die Gemeinde.<br />

Das war nicht immer so. Aus anfänglichen<br />

Schwierigkeiten mit den Nachbarn aus den


umliegenden Höfen ist inzwischen eine gute,<br />

sich gegenseitig unterstützende Nachbarschaft<br />

geworden. Im Februar 1992 hat unsere<br />

Gemeinschaft offiziell den Betrieb als Wohnheim<br />

begonnen. Auf zwei Höfen an der<br />

Stadtgrenze von Burgsteinfurt entstand die<br />

Dorfgemeinschaft mit Wohnhäusern im<br />

münsterländischen Stil, Landwirtschaft und<br />

Gärtnerei.<br />

Inzwischen gibt es 9 unterschiedlich ausgerichtete<br />

Wohnhäuser verteilt in der Nachbarschaft<br />

liegend, die den individuellen Bedürfnissen<br />

der Dörfler vor dem Hintergrund des<br />

Gemeinschaftsgedankens Rechnung tragen.<br />

So gibt es bereits ein neues Wohnhaus, in<br />

dem 4 Dörfler ambulant betreut wohnen und<br />

trotzdem am Gemeinschaftsleben noch teilnehmen<br />

können, wenn gewünscht. 2 weitere<br />

Dörfler wohnen im ambulant betreuten Einzelwohnen.<br />

Das Zentrum der Gemeinschaft ist aber der<br />

ursprüngliche Hof mit Hofladen, wo immer<br />

wieder viele schöne Feste und bunte Feiern<br />

stattfinden, ein Ort der Begegnung und Ge-<br />

selligkeit mit Freunden und Nachbarn! Ein<br />

weiterer kommunikativer Treffpunkt ist unser<br />

Cafe mit der angegliederten Weberei. Dort<br />

arbeiten und servieren einige der Dörfler mit<br />

Begeisterung, denn sie stehen dort im öffentlichen<br />

Leben - mitten im Stadtzentrum von<br />

Burgsteinfurt. Neben dem Verkauf der Produkte<br />

aus den verschiedenen Werkstätten<br />

finden hier bei Kaffee und Kuchen interessante<br />

Gespräche und Begegnungen mit der<br />

Bevölkerung statt.<br />

Viele Dörfler nehmen auch schon seit Jahren<br />

an den kulturellen Angeboten der Gemeinde<br />

teil, u. a. am Breitensport, Reiten und einer<br />

integrativen Disco der AWO am Bahnhof von<br />

Burgsteinfurt. <strong>Die</strong>se Teilnahme wird ihnen<br />

natürlich auch erst durch die Stadtnähe ermöglicht.<br />

Das harmonische Zusammenspiel<br />

des Engagements aller und der guten räumlichen<br />

Rahmenbedingungen fördert Individualität<br />

sowie Gemeinschaft und prägt somit den<br />

vielseitigen „anthroposophischen“ und „weltlichen“<br />

Alltag der Dörfler.<br />

Freitagnachmittags finden Kurse für Dörfler<br />

statt, die von Mitarbeitern und Eltern organisiert<br />

werden. Dort können die Dörfler ihren<br />

Interessen nachgehen und sich weiterbilden<br />

u. a. in Englisch, Kunst, Sport und Bewegung,<br />

Backen, Tierschutz, Märchenstunde u.<br />

v. a. Oder sie können den korrekten Umgang<br />

mit Kunden in einem „Schnupperkurs im<br />

Werkstattladen und Cafe“ lernen, um dann<br />

auch in ihrer Freizeit am Samstag im Cafe<br />

bedienen zu können. <strong>Die</strong> Unterstützung<br />

durch Eltern ist nicht jahreszeitlich abhängig,<br />

sondern durchgängig und engagiert vorhan-<br />

45


den. Regelmäßig trifft sich der Initiativkreis<br />

des Freundeskreises Sellen, die<br />

Biographiegruppe <strong>zum</strong> Thema Karl König<br />

sowie der Sozialrat.<br />

Im Ganzen gibt es vier Organisationen, die<br />

für den Platz von Bedeutung sind: der Freundeskreis<br />

Camphill e.V., die Dorfgemeinschaft<br />

Sellen e.V. (sog. Trägerverein), der Unterstützungsfonds<br />

Camphill Sellen e.V. sowie<br />

die Gemeinschaftsstiftung Sellen.<br />

Neben tatkräftiger Unterstützung wurden<br />

auch durch Spenden der Eltern u. a. Geräte<br />

für den Spielplatz und Medien für den Begegnungsraum<br />

der Dörfler und Mitarbeiter<br />

angeschafft, z.B. ein viel frequentierter Kicker,<br />

ein Fernseher, ein PC mit Internetzugang.<br />

In unserer informativen Dorfzeitung<br />

„Dorfbrunnen“ kann man jeder Zeit einen guten<br />

Eindruck gewinnen über unser buntes<br />

Dorfleben, wem diese Kurzinfo nicht ausreicht!<br />

<strong>Die</strong> aktuelle Ausgabe ist auch auf unserer<br />

Internetseite unter www.camphill-steinfurt zu<br />

finden.<br />

Thomas-Haus Berlin<br />

Von Dr. Michael Steinke<br />

Das Thomas-Haus Berlin für Heilpädagogik<br />

und Sprachtherapie ist ein Tagestherapiezentrum<br />

zur Frühförderung von Kindern im<br />

Kleinkind- und Vorschulalter, bei denen die<br />

geistig/seelische und motorische Entwicklung<br />

durch eine Behinderung beeinträchtigt ist.<br />

Aufgenommen werden auch Kinder, die wegen<br />

der Schwere oder Kompliziertheit ihrer<br />

46<br />

Behinderung oder auf Grund von Verhaltensauffälligkeiten<br />

in Integrationskindertagesstätten<br />

oder anderen Einrichtungen nicht oder<br />

nur ungenügend gefördert werden können.<br />

Das Thomas-Haus liegt in Zehlendorf (Dahlem)<br />

im Südwesten Berlins, in einer kleinen<br />

Nebenstraße in unmittelbarer Nähe des Botanischen<br />

Gartens. Es befindet sich in einer<br />

alten herrschaftlichen Villa und in einem mit<br />

ihr verbundenen Neubau, den wir in den 80er<br />

Jahren speziell für unsere Arbeit erstellten.<br />

So haben wir ausreichend Räume für die<br />

heilpädagogischen Gruppen, die Therapien,<br />

die ärztliche Arbeit, eine geräumige Küche,<br />

einen Speisesaal und einen künstlerisch gestalteten<br />

großzügigen hellen Festsaal.<br />

Heilpädagogisch/therapeutisch können Kinder<br />

behandelt werden, die an unterschiedlichen<br />

Krankheiten oder deren Folgen leiden,<br />

beispielsweise an prä-, peri-, postnatalen<br />

Hirnschädigungen, genetisch bedingten<br />

Stoffwechselstörungen, Alkoholembryopathien,<br />

zerebralen Anfallsleiden, Postmeningi-


tis- und Postenzephalitissyndromen, Autismus,<br />

Morbus Down, Hyperkinetischem Syndrom<br />

(ADHS), Deprivationssyndrom u. a..<br />

Aufnahme finden bis zu 45 Kinder im Alter<br />

von zwei bis sieben Jahren aus allen Bezirken<br />

Berlins, täglich von 7.30 bis 16.30 Uhr.<br />

Sie erhalten unter fachärztlicher Leitung eine<br />

intensive heilpädagogische und therapeutische<br />

Förderung in sieben kindergartenähnlichen<br />

Kleingruppen, die unter der Leitung von<br />

fachlich voll qualifizierten Heilpädagogen stehen,<br />

sowie je nach Bedarf Einzeltherapien als<br />

Physiotherapie, logopädische Sprachtherapie,<br />

Musiktherapie, Eurythmie und Heileurythmie.<br />

Grundlage unserer heilpädagogischen<br />

und therapeutischen Arbeit sind die<br />

Waldorfpädagogik und die anthroposophische<br />

Heilpädagogik.<br />

Eltern, die für ihr Kind heilpädagogische Hilfe<br />

benötigen, unter ihnen zunehmend Pflege-<br />

und Adoptiveltern, viele mit Migrationshintergrund,<br />

kommen zu uns, auch weisen kinderpsychiatrische<br />

Kliniken, Jugendämter und<br />

integrativ arbeitende Kindertagesstätten uns<br />

Kinder zu, die besondere Förderung benötigen.<br />

Es besteht eine rege Zusammenarbeit mit<br />

unseren Eltern. Ihr dienen regelmäßige<br />

Gruppen- und Gesamtelternabende, Therapeutensprechstunden,<br />

Hausbesuche, sowie<br />

jederzeit mit unseren Heilpädagogen, Therapeuten<br />

und Ärzten zu vereinbarende Einzelgespräche,<br />

die vornehmlich der Beratung in<br />

Erziehungsfragen dienen. Unabhängig von<br />

einer etwaigen Aufnahme oder vor einer solchen<br />

bieten wir Eltern heilpädagogische Be-<br />

ratungen an über geeignete Fördermöglichkeiten,<br />

Einrichtungen, Hilfen. Auch können<br />

Eltern, die heilpädagogische Hilfe suchen,<br />

gern allein oder mit ihrem Kind informativ in<br />

einer unserer Gruppen hospitieren.<br />

Das „Thomas-Haus Berlin für Heilpädagogik<br />

und Sprachtherapie“ wurde 1975 von dem<br />

Arzt Dr. Michael Steinke, einem früheren ärztlichen<br />

Mitarbeiters Dr. Karl Königs zusammen<br />

mit der Heilpädagogin Eva Nitschke und einigen<br />

Heilpädagogen und Therapeuten mit<br />

bereits langjährigen Berufserfahrungen begründet.<br />

Aktuelles Motiv für die Gründung<br />

damals war auch die Notlage einer Gruppe<br />

von Eltern, die dringend für ihre Kinder Förderung<br />

suchten, die es zu dieser Zeit in Berlin<br />

überhaupt noch nicht gab.<br />

Das Thomas-Haus gehört heute in Berlin zu<br />

den Einrichtungen, die auf der Grundlage<br />

einer besonderen vertraglichen Vereinbarung<br />

mit der Senatsjugendverwaltung berechtigt<br />

sind, spezielle besondere Frühförderung für<br />

behinderte Kinder durchzuführen.<br />

.<br />

Werkstatt am Goldbach<br />

Von Agnes Kählke<br />

<strong>Die</strong> Goldbachwerkstatt Nürnberg ist seit<br />

Herbst 2008 eine anerkannte und eigenständige<br />

Werkstatt für Menschen mit Behinderung<br />

(WfbM).<br />

Wir sind eine Arbeitsgemeinschaft von ca. 40<br />

Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit und<br />

ohne Behinderungen, die sowohl in den<br />

Werkstätten als auch im <strong>Die</strong>nstleistungs- und<br />

47


Berufsbildungsbereich, in der Selbstverwaltung<br />

und Geschäftsführung, in der Planung<br />

und im Vertrieb unserer Produkte gemeinsam<br />

tätig sind. <strong>Die</strong> Arbeitsgemeinschaft Goldbachwerkstatt<br />

Nürnberg versucht, sich selber<br />

in Eigenverantwortung zu tragen und sich<br />

Ziele zu ihrer eigenen Verwirklichung zu setzen.<br />

Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />

sind Mitgestalter an diesem Prozess.<br />

<strong>Die</strong> Goldbachwerkstatt Nürnberg bietet Berufsbildung<br />

und Arbeitstherapie in den urhandwerklichen<br />

Tätigkeiten wie Schreinerei,<br />

Töpferei, Webwerkstatt und Textilverarbeitung.<br />

Sie ist im Ursprung Handelsverbund<br />

vertreten und Partner der Werkstätten der<br />

Camphill Dorfgemeinschaft Hausenhof und<br />

der Lebensgemeinschaft Münzinghof.<br />

Bei der Herstellung unserer Produkte achten<br />

wir auf natürliches Material. Wir verwenden<br />

48<br />

ökologische Rohstoffe wie Holz, Schafwolle<br />

und Ton. Alle Verarbeitungen werden in<br />

handwerklicher und funktionaler Qualität ausgeführt.<br />

Das Design wird von unserem Fachpersonal<br />

unter Kenntnis der jeweiligen Fähigkeiten<br />

der zu betreuenden Mitarbeiter entwickelt.<br />

So weit es geht, werden diese am gesamten<br />

Entwicklungsprozess von der ersten<br />

Idee bis <strong>zum</strong> Verkauf der Produkte beteiligt.<br />

Bei entsprechender Eignung gestalten sie<br />

ihre Stücke selbständig.<br />

Unsere zu betreuenden Mitarbeiter leben alle<br />

bei den Eltern bzw. Großeltern. Sie werden<br />

jeden Tag morgens und abends von einem<br />

privaten Bus-Unternehmen gebracht und<br />

wieder abgeholt. <strong>Die</strong> Goldbach-Werkstatt ist<br />

eng mit der Karl-König-Schule (die sich nur<br />

zwei Straßen weiter befindet) verbunden. So


werden viele Schüler nach Absolvierung eines<br />

Praktikums bei uns und bei Eignung, in<br />

unseren Berufsbildungsbereich aufgenommen.<br />

Werkstatt und Schule befinden sich in dem<br />

Nürnberger Stadtteil Zerzabelshof. Inzwischen<br />

ist unser Werkstatt-Neubau bekannt<br />

und unser Laden und unsere Sortimente<br />

werden gut angenommen.<br />

Eltern- und Platzvertretung in<br />

Brachenreuthe<br />

Von Ursula und Harald Schwieger<br />

Im letzten Jahr 2008 übernahmen wir, Harald<br />

und Ursula Schwieger, das Amt des Eltern-<br />

und Platzvertreters in Brachenreuthe von<br />

Frau Dabbert und Frau Haag-Müller.<br />

Als von den Eltern gewählter Vertreter ist<br />

Harald Ansprechpartner für die Eltern und<br />

Angehörigen und in Krisensituationen auch<br />

Vermittler zwischen Mitarbeitern und Eltern.<br />

Auch die Betreuung „neuer Eltern“, die Organisation<br />

regelmäßig stattfindender Elterntreffen<br />

und Gesprächskreise sowie die Förderung<br />

der Gemeinschaft der Eltern untereinander<br />

gehört zu diesen Aufgaben.<br />

Ursula vertritt, als von den Mitgliedern des<br />

Freundeskreises Camphill gewählte Platzvertreterin,<br />

den Platz Brachenreuthe nach Außen,<br />

nimmt an den Vorstandssitzungen teil<br />

und berichtet den Eltern davon.<br />

Da uns diese Aufgaben neben Beruf und<br />

Familie als sehr umfangreich und vielfältig<br />

erscheinen, teilen wir uns dieses Amt. Wir<br />

sehen uns jedoch als Teil einer Einheit, der<br />

sich gegenseitig bereichert, stützt und hilft.<br />

Harald wurde 1963 in Oberstdorf geboren<br />

und arbeitet, nach seinem Studium in München,<br />

seit 1990 als Vermessungsingenieur<br />

am Vermessungsamt Immenstadt.<br />

Ursula wurde 1960 in Immenstadt geboren,<br />

machte nach dem Abitur eine Ausbildung zur<br />

medizinisch-technischen Assistentin und ging<br />

dann <strong>zum</strong> Arbeiten nach München an die<br />

Ludwig-Maximilian-Universität in die Forschung.<br />

Wir heirateten 1987 und mit der Geburt unserer<br />

ersten Tochter Johanna im Jahr 1990<br />

kehrten wir wieder ins Allgäu zurück. Nach 12<br />

Jahren Kindererziehungszeit arbeitet Ursula<br />

seit 2002 halbtags in einem mikrobiologischen<br />

Labor in Sonthofen. Wir leben mit unseren<br />

4 Kindern auf dem Land in einem kleinen<br />

Holzhaus in Immenstadt/Stein im Allgäu.<br />

Als unsere Zwillinge Theresa und Antonia<br />

1992 zur Welt kamen, war unsere Tochter<br />

49


Johanna gerade 15 Monate alt. Da unsere<br />

Zwillinge Frühchen waren, durchlebten wir<br />

eine sehr schwere Zeit in verschiedenen Kliniken,<br />

mit vielen Höhen und Tiefen, Bangen<br />

und Hoffen. Im Laufe ihrer Entwicklung wurde<br />

offenbar, dass die beiden Mädchen, ganz<br />

besonders Antonia, intensiver Pflege, Fürsorge<br />

und Förderung bedürfen. 1998 wurde unser<br />

Sohn Michael geboren.<br />

Seit der 1. Klasse hat Antonia in<br />

Brachenreuthe eine zweite Heimat gefunden,<br />

während ihre Zwillingsschwester Theresa<br />

zusammen mit ihren Geschwistern die Waldorfschule<br />

in Kempten besucht. Mittlerweile<br />

ist Antonia 17 Jahre alt und geht in<br />

Brachenreuthe in die Werkstufe.<br />

Vom ersten Tag an fühlten wir uns mit unserer<br />

Tochter angenommen. Mit den unterschiedlichen<br />

Hausverantwortlichen des<br />

Ahornhauses, angefangen mit Frau Wegmüller<br />

bis <strong>zum</strong> heutigen Tag mit Frau Grimm,<br />

entstand ein vertrauensvolles, freundschaftliches<br />

Verhältnis. Auch in der Schule durfte<br />

Antonia durch ihre Lehrer, Herrn Gratza und<br />

Frau Hofer, eine optimale kontinuierliche Betreuung<br />

über 8 Jahre erfahren.<br />

Ganz besonders schätzen wir an<br />

Brachenreuthe das offene Gespräch mit den<br />

Mitarbeitern, Betreuern, Therapeuten und<br />

Lehrern und den Mut, Probleme nicht zu verdrängen,<br />

sondern anzugehen. Bei Festen<br />

und Veranstaltungen sind wir immer willkommen<br />

und nehmen gerne mit unseren Kindern<br />

teil.<br />

50<br />

Da wir es als großes Glück und Bereicherung<br />

empfinden, diesen besonderen Ort<br />

Brachenreuthe gefunden zu haben, ist es nun<br />

an der Zeit uns selber mehr einzubringen. Wir<br />

hoffen, dass sich Eltern sowie Mitarbeiter von<br />

Brachenreuthe nicht scheuen, unsere Hilfe<br />

und Unterstützung als Eltern- und Platzvertreter<br />

in Anspruch zu nehmen.<br />

Vorstandsitzung in Berlin<br />

Alt Schönow 3.-5. Juli <strong>2009</strong><br />

Von Hannelore Dabbert<br />

<strong>Die</strong>smal waren wir in Alt Schönow, einer noch<br />

jungen Dorfgemeinschaft am Stadtrand von<br />

Berlin. Wir wurden liebevoll empfangen, bekamen<br />

durch Barbara Gooß Einblicke in den<br />

Platz, wurden aufs köstlichste von vielen fleißigen<br />

Händen bekocht und bewirtet und hatten<br />

wunderbare Begegnungen.<br />

<strong>Die</strong> Themen, die wir diesmal bearbeitet haben<br />

und die in die jeweiligen Einrichtungen<br />

„ausstrahlen“, indem sie dort weiter bewegt<br />

werden lauteten:


Gewalt: Prävention und Grenzen in Theorie<br />

und Praxis<br />

Umgang mit Sexualität an den Plätzen<br />

Betreuung „schwieriger Menschen“ -<br />

Problematik und Lösungswege<br />

Wir hörten Berichte<br />

aus der BEV,<br />

vom Vertrauenskreis,<br />

von einzelnen Camphill Plätzen,<br />

vom Bildungsforum.<br />

<strong>Die</strong> Mitgliederversammlung wurde vorbereitet<br />

und einer Vorbereitungsgruppe zur Ausarbeitung<br />

übergeben.<br />

<strong>Die</strong> Mitgliederversammlung wird am Sonntag<br />

den 8. November <strong>2009</strong> in der Dorfgemeinschaft<br />

Hermannsberg stattfinden. Genaueres<br />

entnehmen Sie bitte der Einladung, die im<br />

Oktober verschickt wird.<br />

<strong>Die</strong> Pfingsttagung wurde nachbesprochen<br />

und ein Vorblick auf die nächste Pfingsttagung<br />

getan. Auch hier übernahm eine Vorbereitungsgruppe<br />

die Ausarbeitung und Gestaltung.<br />

Pfingsttagung am 21. und 22. Mai 2010 in der<br />

Lebensgemeinschaft Hermannsberg<br />

Am 14. bis 19.Oktober <strong>2009</strong> hat der Freundeskreis<br />

Camphill auf der Messe REHA-<br />

CARE in Düsseldorf (Bericht in der Oster-<br />

BRÜCKE) einen Stand, dessen aufwändige<br />

Betreuung ein wichtiger Beitrag zur Öffentlichkeitsarbeit<br />

ist.<br />

Durch unsere ehrenamtliche Arbeit versuchen<br />

wir, die Platzvertreter, die Mitarbeitervertreter<br />

und Delegierte eine gedeihliche Zu-<br />

kunft für die Menschen mit Hilfebedarf mit zu<br />

gestalten.<br />

Interview mit Richard Steel<br />

durch Gerhard Heiland in Berlin<br />

Richard Steel war 37 Jahre lang - wenn man<br />

das “Zwischenjahr“ in Camphill Village, USA<br />

mitzählt! - Mitarbeiter in den Camp-hill Schulgemeinschaften<br />

am Bodensee in Föhrenbühl.<br />

Das sind zwei „Mondknoten“, wenn man diese<br />

astrologisch-astronomische Zeiteinteilung<br />

anschaut, die seit dem Altertum mit inneren<br />

Entwicklungsphasen in Zusammenhang gesehen<br />

wurden. Unsere Freundschaft gründet<br />

sich auf den Schulaufenthalt unseres Sohnes<br />

Frank in den 70er und 80er Jahren, wo Richard<br />

sein letzter Hausvater war. Ende des<br />

letzten Schuljahres, Juli 2008, hat Richard<br />

Steel Föhrenbühl verlassen, um mit seiner<br />

Familie in Berlin ein neues Aufgabengebiet<br />

zu übernehmen. Mit ihm habe ich im Februar<br />

<strong>2009</strong> ein Gespräch geführt, das uns und den<br />

51


Lesern der BRÜCKE das näher bringen soll,<br />

was Richard jetzt tut.<br />

G. Heiland: Lieber Richard, Du warst über<br />

Jahrzehnte in der Heimsonderschule Föhrenbühl.<br />

Man kann sagen, Du gehörtest schon<br />

<strong>zum</strong> Inventar. Was hat Dich bewogen, Dich<br />

jetzt einem neuen Aufgabengebiet zu widmen?<br />

Und warum gerade in Berlin?<br />

R. Steel: Ganz neu ist die Aufgabe ja nicht!<br />

Für mich war die Verbindung zu dem Werk<br />

und zu den Impulsen Karl Königs von Anfang<br />

an im Vordergrund. Ich habe versucht, mich<br />

durchgehend darin zu vertiefen, was für das<br />

soziale Leben, für die konkrete Arbeit mit den<br />

Kindern und Jugendlichen, für den Aufbau<br />

der sozialen und pädagogischen Formen in<br />

Föhrenbühl – und nicht zuletzt für die Erwachsenen-Bildung<br />

im Camphill Seminar für<br />

mich ganz wesentlich war.<br />

Warum Berlin? <strong>Die</strong> Stadt ist natürlich sehr<br />

besonders, hat eine besondere Atmosphäre,<br />

die vielleicht helfen kann. Schließlich habe<br />

ich ja eine Berlinerin geheiratet! Da liegt der<br />

äußere Grund auch – Christiane möchte in<br />

der Nähe ihrer Mutter sein, die jetzt Hilfe und<br />

Begleitung braucht. So eine Chance musste<br />

ich doch auch anpacken und ins Ungewisse<br />

springen.<br />

Du wirst Dich auch an den Brief Karl Königs<br />

an die Eltern erinnern? Er war hier in der<br />

<strong>Brücke</strong> abgedruckt. Kann man jetzt in dem<br />

neuen König-Band „Das Seelenpflegebedürftige<br />

Kind“ nachlesen. Es hat mit Vertrauen<br />

zu tun. Hier sei kurz auf Karl Königs<br />

Brief an die Eltern von Brachenreuthe vom 1.<br />

52<br />

Mai 1965 verwiesen: ‚Es ist ein gegenseitiges<br />

Geben und Nehmen; eine Kraft kann daraus<br />

entstehen, die heute so selten geworden ist,<br />

die wir alle zu verlieren scheinen und die<br />

doch so wichtig ist im menschlichen Zusammensein:<br />

Vertrauen. Vertrauen in den anderen<br />

Menschen. Vertrauen in die göttliche<br />

Welt.<br />

Rudolf Steiner wurde einmal gefragt, was der<br />

heutigen Welt Not tut. Er antwortete: „Aus<br />

einem Vertrauen leben, ohne jede Daseinssicherung,<br />

aus dem Vertrauen in die immer<br />

gegenwärtige Hilfe der geistigen Welt.“’<br />

G. Heiland: Karl König, den Du nicht mehr<br />

persönlich kanntest, ist nun die Persönlichkeit,<br />

der Du Deine Aufmerksamkeit in erheblichem<br />

Maße widmest. Sind Georg und Erika<br />

von Arnim, mit denen Du viele Jahre gearbeitet<br />

hast und die ihrerseits Karl König gut<br />

kannten, Menschen gewesen, die Deine Motivation<br />

zur Annahme dieser Herausforderung<br />

gestärkt haben?<br />

R. Steel: Ja, sicher! Ich darf bei der Gelegenheit<br />

daran erinnern, dass ich zuerst das Werk<br />

Georg von Arnims herausgegeben habe, bevor<br />

ich mich an die Aufgabe mit Karl König<br />

gewagt habe!<br />

Und in der Zeit unseres Umzugs habe ich ein<br />

Gedenkbüchlein für Erika herausgegeben!<br />

Nun kommt die ganz große Aufgabe!<br />

G. Heiland: Wie gestaltet sich Deine Tätigkeit<br />

für das Karl-König-Archiv? Worin siehst Du<br />

hauptsächlich Deine Aufgaben?<br />

R. Steel: Da, wo ich sie schon immer gesehen<br />

habe – zu helfen, dass andere auch ihre


Aufgaben finden. Wie sich das gestaltet, werden<br />

wir sehen. Ich hoffe aber, dass immer<br />

mehr Menschen ihr Interesse für Karl König<br />

entdecken. Dazu müssen Bücher da sein. Ich<br />

mache aber auch viele Veranstaltungen, Vorträge,<br />

Ausstellungen und versuche, Menschen<br />

in diese Arbeit einzubeziehen. Es<br />

klingt komisch, aber ich finde es gut, etwas<br />

anzufangen, das ich eigentlich gar nicht bewältigen<br />

kann – so muss ich Freunde suchen,<br />

die mithelfen können.<br />

G. Heiland: Wie lange – denkst Du – wird es<br />

dauern, das zusammenzutragen, was über<br />

Dr. Karl König wissenswert und<br />

archivierenswert ist? Du kannst das sicher<br />

auch nicht alles allein machen. Gibt es Persönlichkeiten,<br />

mit denen Du die Arbeit teilst?<br />

R. Steel: Das sind gleich ganz verschiedene<br />

Themen!<br />

Zum Zeitlichen zuerst: Ich denke, dass wir<br />

(also schon vorweg gesagt; nicht ich alleine!)<br />

etwa 4 -5 Jahre brauchen, um die Karl König<br />

Werkausgabe gut genug auf den Weg zu<br />

bringen, dass wir uns dann – und ich nehme<br />

den weiteren Verlauf der spannenden Aufgabe<br />

mit – wieder richtig in eine Gemeinschaft<br />

hineinbegeben können; sozusagen wieder<br />

ganz eintauchen in die wirkliche, praktische<br />

Weiterentwicklung dessen, was Karl König<br />

begonnen hat. Du siehst – es geht nicht nur<br />

um das „Archivieren“ - es geht um Forschung<br />

und um das Umsetzen und Weiterbauen! Karl<br />

König war so weit seiner Zeit voraus, dass wir<br />

jetzt erst beginnen zu verstehen, was das<br />

alles bedeutet hat und wo es hinführen könnte.<br />

Das bedeutet aber ganz klar, dass ich auf<br />

Zusammenarbeit mit so vielen Menschen wie<br />

nur möglich angewiesen bin. Das ist ja die<br />

Natur des Werkes von Karl König. Wir wollen<br />

es nicht so sehr archivieren als erst richtig<br />

aus- und anpacken! Im Augenblick sind wir<br />

zu siebt in der Verantwortung. Der einzige,<br />

der außerhalb von Camphill ist (ich betrachte<br />

mich immer noch als „innerhalb“!) ist Professor<br />

Peter Selg aus Arlesheim; die anderen<br />

haben alle ihre Vielfach-Tätigkeiten an Camphill-Plätzen.<br />

Ich bin der einzige, der voll und<br />

ganz für die Aufgabe da ist. Das ist ein unglaubliches<br />

Privileg!<br />

G. Heiland: Haben die Aussagen Karl Königs<br />

für Deine persönliche Lebensführung einen<br />

Stellenwert? Wenn ja, welcher ist das?<br />

R. Steel: Erstmal einfach ja! König kann man<br />

nicht gerecht werden, ohne etwas davon ins<br />

eigene Herz aufzunehmen; die Fragen zu<br />

eigenen Herzensanliegen zu machen – und<br />

zu versuchen, etwas daraus zu machen. Das<br />

war dasjenige, was er selbst als Tragik im<br />

Leben von Rudolf Steiner sah – zu viele<br />

Menschen wollten nur genießen und vielleicht<br />

für sich selbst etwas aufnehmen. Steiner<br />

wollte aber mit der Anthroposophie etwas<br />

geben, was Werkzeug sein kann für das<br />

Bauen einer menschen- und geistgemäßen<br />

Gesellschaft. Da wäre aber viel Arbeit und<br />

viel Einsatz nötig, die damals nicht so viele<br />

auf sich nehmen wollten. Heute weiß man<br />

auch viele Gründe, warum die bequemeren<br />

Wege vorzuziehen sind! Man kann aber nur<br />

versuchen, mit sich selbst anzufangen.<br />

G. Heiland: <strong>Die</strong> Camphill-Bewegung hätte es<br />

ohne Herrn Dr. König nicht gegeben. Hat<br />

53


diese Bewegung eine Chance für die Zukunft?<br />

R. Steel: Meine Überzeugung ist, dass Königs<br />

Ideen und Ansätze reine Zukunft sind!<br />

Wir haben kaum angefangen, die Sachen<br />

umzusetzen. Ob diese Zukunft eine Chance<br />

hat – dass hängt von jedem Einzelnen ab. Ich<br />

hoffe, die Archivarbeit kann einen Beitrag<br />

leisten – Menschen erreichen, Menschen<br />

begeistern und ermutigen. Etwas Neues zu<br />

denken ist schon mal ein Anfang; König hat<br />

viel dafür getan, dass man Neues denken<br />

lernen kann. Er konnte aber auch ungeheuer<br />

motivieren. Heute muss der Einzelne viel<br />

mehr aus der Freiheit heraus schaffen - aus<br />

dem Nichts oft. Das ist schwer, kann aber<br />

durchaus auch anstecken!<br />

G. Heiland: Noch einmal zurück zu Eurem<br />

Hiersein in Berlin. Christiane arbeitet ja seit<br />

Oktober 2008 in der Camphill Lebensgemeinschaft<br />

Alt-Schönow, habt Ihr – dadurch –<br />

hier Menschen getroffen, die Ihr in Föhrenbühl<br />

begleitet habt?<br />

R. Steel: Oh, ja! Viele der Menschen, die wir<br />

als Kinder und Jugendliche in Föhrenbühl<br />

heranwachsen sahen, leben jetzt in Alt-<br />

Schönow. An viele Kontakte mit den Eltern<br />

konnte Christiane und auch ich anknüpfen.<br />

Frau Hoffmann wohnt fast neben uns. Es ist<br />

schön, diese Kontakte, die nie richtig abgebrochen<br />

sind, auffrischen zu können.<br />

G. Heiland: Richard, ich danke Dir für Deine<br />

Ausführungen und wünsche Dir eine erfolgreiche<br />

Arbeit!<br />

54<br />

R. Steel: Danke Dir ganz herzlich – es ist<br />

aber eine Arbeit, die uns schon lange miteinander<br />

verbindet und ich hoffe, das wird weiterhin<br />

so sein!<br />

Für weitere Informationen zur Arbeit Richard<br />

Steels sei hier noch die Web-Seite genannt:<br />

www.karl-koenig-archive.net,<br />

Richard Steel erreichen Sie über die e-mail-<br />

Anschrift: r.steel@karl-koenig-archive.net<br />

oder direkt: Finckensteinallee 1, 12205 Berlin.<br />

<strong>Die</strong> im Artikel erwähnten Bücher:<br />

".....Ohn' Mut sind wir nichts."<br />

Erika von Arnim zur Erinnerung, Biografische<br />

Beiträge von Dr. Michaela Glöckler, Prof. Dr.<br />

Peter Selg, Richard Steel und mit Gedichten<br />

von Erika von Arnim, Herausgeber: R. Steel,<br />

– erschienen in der „Persephone-Reihe“ der<br />

Medizinischen Sektion am Goetheanum. Eine<br />

Zusammenarbeit von Medizinischer Sektion,<br />

Ita Wegman Institut und Karl König Archiv.<br />

114 Seiten, €15,50, ISBN 978-3-905791-05<br />

Karl König:<br />

Das Seelenpflege-bedürftige Kind,<br />

Vom Wesen der Heilpädagogik,<br />

237 Seiten, € 24,90, Verlag Freies Geistesleben,<br />

Oktober 2008, ISBN-10: 3772524028,<br />

ISBN-13: 978-3772524028<br />

Camphill bewegt sich!<br />

Von Tony Foskett<br />

<strong>Die</strong> Aufgabe von Richard Steel, die Werke<br />

von Karl König zu archivieren und neu herauszugeben,<br />

benötigt Zeit, Mithilfe von ande-


en und natürlich auch eine finanzielle Rücklage.<br />

Damit die Finanzierung nicht nur eine trockene<br />

Angelegenheit bleibt, sondern sogar Spaß<br />

und Freude bereitet, wollen wir uns „gemeinsam<br />

bewegen“.<br />

Am 1. Mai 2010 (also bald!)<br />

werden wir einen Marathonlauf veranstalten.<br />

Da die Camphill Lebensgemeinschaft Königsmühle<br />

darin sehr geübt ist, kann sie ihre<br />

Erfahrung einbringen und Hilfestellung anbieten.<br />

Bei unseren Marathonläufen in den vergangenen<br />

Jahren in Neustadt an der Weinstraße<br />

hatten wir sehr viel Elan und Freude, begleitet<br />

von vielen Begegnungsmöglichkeiten, und<br />

natürlich war der finanzielle Erfolg ein nicht<br />

geringer Beitrag für die Weiterentwicklung<br />

unserer Lebensgemeinschaft Königsmühle.<br />

Immerhin haben die Bewohner der Königsmühle,<br />

ihre Familien und Freunde in den vergangen<br />

Jahren weit über 230.000,00 Euro im<br />

wahrsten Sinn des Wortes „erlaufen“, „gelaufen“,<br />

„gegangen“, „gekrabbelt“, oder wir<br />

haben uns gegenseitig „geschoben“.<br />

Zusammen kamen wir auf die stattliche Zahl<br />

von 8000 Kilometer!!!<br />

Nun blicken wir aber in die Zukunft, auf den<br />

1. Mai 2010!<br />

Wir suchen Läufer von allen Camphillplätzen<br />

(international), die an dieser Aktivität Freude<br />

haben und einen Beitrag für die Arbeit am<br />

Karl König Archiv leisten wollen.<br />

Herr Konrad Schilly wird als Gründungsmitglied<br />

und Schirmherr des Karl König Freundeskreises<br />

die Startschuss–Rede halten.<br />

Der Sportverein Neustadt an der Weinstraße<br />

und die Interessengemeinschaft Schöntal<br />

werden sich gemeinsam mit den Freunden<br />

der Königsmühle um die Organisation kümmern:<br />

denn musikalische Begleitung, gutes<br />

Essen und Pfälzer Traubensaft gehören natürlich<br />

dazu.<br />

Habt Mut – traut Euch!<br />

Es bleibt jedem Einzelnen überlassen wie viel<br />

er laufen möchte, es gibt keinen Zeitdruck.<br />

Wenn von jeder Gemeinschaft 2-10 Menschen<br />

(Mitarbeiter, Kinder, Dörfler, Eltern,<br />

Angehörige und Freunde) gefunden werden,<br />

haben wir schon viel geschafft.<br />

Weitere Auskünfte in Bezug auf Sponsoren,<br />

Trikots und eventuell Übernachtungsfragen<br />

oder ähnliches erhalten Sie durch die Königsmühle:<br />

Telefon: 06321-7289, oder über<br />

Email: koenigsmuehle@t-online.de<br />

Ebenso werden Fragen zur Mitgliedschaft im<br />

Karl König Freundeskreis gerne beantwortet.<br />

Herzlichen Dank in Voraus und eine<br />

mutvolle <strong>Michaeli</strong>zeit!<br />

Tony Foskett<br />

Anmerkung der Redaktion: Bitte beachten Sie<br />

beigefügten Flyer<br />

Wer ist die BAG S und was tut sie<br />

Von Cristiane Regensburger<br />

55


<strong>Die</strong> BAG Selbsthilfe ist die Dachorganisation<br />

von über 100 Selbsthilfeverbänden. <strong>Die</strong> Mitgliedsverbände<br />

zahlen jährlich einen Mitgliedsbeitrag,<br />

der zur Finanzierung der Aufgaben<br />

des Dachverbandes beiträgt.<br />

Der Sitz der BAG Selbsthilfe ist Düsseldorf.<br />

Vor 41 Jahren wurde die BAG Hilfe für Behinderte<br />

gegründet.<br />

<strong>Die</strong> Mitgliedsorganisationen der ersten Stunde<br />

waren die Arbeitsgemeinschaft Spina<br />

bifida, der Bundesverband für Körper- und<br />

Mehrfachbehinderte, die Bundesvereinigung<br />

Lebenshilfe, der Bund zur Förderung Sehbehinderter,<br />

die deutsche Gesellschaft der Hörgeschädigten<br />

und der Deutsche Blinden- und<br />

Sehbehindertenverband.<br />

Ziel des Zusammenschlusses in der BAG H<br />

war und ist die Verstärkung und Koordinierung<br />

gemeinsamer Interessen gegenüber der<br />

Politik und der Öffentlichkeit.<br />

Sehr bald trat auch der Freundeskreis Camphill<br />

in die BAG H ein, so dass wir uns fast<br />

als Gründungsmitglieder verstehen, da auch<br />

Herr Ernst-<strong>Die</strong>ter Berthold einige Zeit als<br />

Vorsitzender in der BAG und auch Herr Conradi<br />

im Vorstand der BAG tätig waren.<br />

In den vergangenen 40 Jahren hat die BAG<br />

aktiv bei der Gestaltung und Verbesserung<br />

von sozial- und gesundheitspolitischen Gesetzen<br />

mitgearbeitet: Zum Beispiel bei dem<br />

neuen Schwerbehindertengesetz und bei der<br />

Verabschiedung des SGB IX (Sozialgesetzbuch),<br />

das die Selbstbestimmung und Teilhabe<br />

behinderter Menschen regelt.<br />

56<br />

Das Grundgesetz wurde um den Artikel 3 mit<br />

dem Benachteiligungsverbot für unsere Angehörigen<br />

erweitert.<br />

<strong>Die</strong> Geschäftsstelle der BAG S besteht<br />

hauptsächlich aus dem Bundesgeschäftsführer,<br />

seinem Stellvertreter, den Referaten<br />

Recht, Gesundheitspolitik, Öffentlichkeitsarbeit<br />

und Selbsthilfeförderung. Zugeordnet<br />

sind mehrere Sachbearbeitungsreferate. Seit<br />

2008 hat die BAG ein kleines Büro in Berlin,<br />

in dem Frau Dr. Doka, in der Nähe der parlamentarischen<br />

Arbeit, ihre Aufgaben als<br />

Gesundheitsreferentin ausübt.<br />

Der Wohn- und Arbeitssitz in Berlin spart Zeit<br />

und Geld.<br />

Der Vorstand der BAG Selbsthilfe wird alle<br />

vier Jahre von der Mitgliederversammlung<br />

gewählt und besteht aus Delegierten der<br />

Verbänden, seit <strong>2009</strong> aus acht Vorstandsmitgliedern<br />

und dem Bundesvorsitzenden. Sie<br />

widmen sich verschiedenen Arbeitsfeldern,<br />

auf denen sie ihre Kompetenz einbringen<br />

können. Jedes Vorstandsmitglied ist Fachmann<br />

und Fachfrau in Fragen des eigenen<br />

Verbandes und vertritt bei den Sitzungen<br />

auch die Interessen seines Verbandes. Seit<br />

ich vor fünf Jahren vom Freundeskreis Camphill<br />

und der BundesElternVereinigung für<br />

den Vorstand vorgeschlagen wurde, setze ich<br />

mich besonders für ethische Fragen ein und<br />

versuche mitzuwirken an der Verhinderung<br />

ethisch nicht vertretbarer Gesetzesvorschläge<br />

und Formulierungen. Ich arbeite mit im<br />

Forum des Instituts „Mensch Ethik Wissenschaft“<br />

(IMEW). Hier ist es uns gelungen gegen<br />

„fremdnützige Tests“ bei Menschen mit


Behinderung und gegen die „Ausmerzung<br />

von angeborenen Erkrankungen“ zu intervenieren.<br />

Wir bemühen uns besonders, mit<br />

Stellungnahmen des Institutes die Abgeordneten<br />

der Regierungsparteien für die Gleichberechtigung<br />

und die Teilhabe von Menschen<br />

mit Behinderungen zu sensibilisieren. Im Institut<br />

haben wir in den letzten Jahren an den<br />

Themen: Pränatale Diagnostik, Spätabbrüche<br />

von Schwangerschaft, Gentest, Patientenverfügungen<br />

und vielem mehr gearbeitet.<br />

Gemeinsam mit anderen Spitzenverbänden<br />

ist der Vorstand der BAG S an folgenden<br />

Themen beteiligt:<br />

<strong>Die</strong> Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe<br />

ist ein wichtiges Arbeitsfeld. Mit dieser<br />

Weiterentwicklung soll erreicht werden, dass<br />

die Eingliederungshilfe für die Zukunft nachhaltig<br />

gesichert ist. <strong>Die</strong> Gleichbehandlung von<br />

Menschen mit und ohne Behinderung soll<br />

gesichert werden. Wünschenswert wäre es,<br />

die Eingliederungshilfe aus der Sozialhilfe<br />

herauszulösen und ein Bundes-Teilhabegeld<br />

zu schaffen mit einer selbst bestimmten Verwendung<br />

dieser Leistung durch den Leistungsnehmer.<br />

Leider ist die Bereitschaft hierzu vom Gesetzgeber<br />

immer noch sehr gering.<br />

Zu den zentralen Aufgaben der BAG S gehört<br />

die konzeptionelle Arbeit und die Interessenvertretung<br />

im Bereich der Gesundheitspolitik.<br />

Sehr kritisch beurteilt die BAG S den<br />

Gesundheitsfonds und die Einführung von<br />

Zusatzbeiträgen. Bei der Wettbewerbsorientierung<br />

der Kassen sind chronisch kranke<br />

und behinderte Menschen die Verlierer. <strong>Die</strong><br />

neu geplante Hilfsmittelversorgung ist für<br />

diese Menschen ein großes Problem. Zukünftig<br />

sollen Einzelverträge der Kassen mit Herstellern<br />

abgeschlossen werden, so dass jede<br />

Kasse ein anderes Angebot hat, was sich<br />

sehr <strong>zum</strong> Nachteil der Versicherten auswirken<br />

kann. Ein großes Anliegen der BAG S ist<br />

es, die Qualität und die Versorgung zu sichern.<br />

Alle Menschen müssen die gleiche<br />

medizinische Versorgung im Krankheitsfall<br />

erhalten unabhängig ihrer Behinderung und<br />

ihren wirtschaftlichen Vorbedingungen.<br />

Weiter hat die BAG S sich zur Aufgabe gemacht,<br />

sich künftig intensiver in die Bewertungsprozesse<br />

von Qualität und Leistung<br />

einzubringen. Nicht Leistungsausgrenzung<br />

und Rationalisierung, wie auf dem 112. Deutschen<br />

Ärztetag vorgeschlagen, ist der einzuschlagende<br />

Weg, sondern die Vermeidung<br />

von schlechter Leistung.<br />

<strong>Die</strong> geschilderten Aufgaben sind möglich<br />

durch die gesetzliche Verankerung des<br />

Mitberatungsrechts der Selbsthilfe in den<br />

Gremien des Gemeinsamen Bundesausschusses.<br />

<strong>Die</strong> Realisierung ist aber immer<br />

eine Frage der Ressourcen.<br />

In der laufenden Bearbeitung befindet sich<br />

die Reform der Pflegeversicherung. Hier arbeitet<br />

die BAG S mit an den Vorschlägen zur<br />

Verbesserung: Umsetzung der Förderung<br />

von Selbstbestimmung und Teilhabe im SGB<br />

IX. Der Begriff der Pflegebedürftigkeit soll<br />

teilhabeorientiert ausgestaltet werden. Neben<br />

der Pflegebedürftigkeit soll der Begriff des<br />

Pflegebedarfs eingebracht werden. Der Begriff<br />

des Pflegebedarfs muss unabhängig<br />

57


vom Sozialleistungsträger gelten. Es muss<br />

sicher gestellt werden, dass der Bedarf bei<br />

der Beteiligung mehrere Leistungsträger aus<br />

Kompetenzstreitigkeiten weder ungedeckt<br />

noch doppelt vergütet wird.<br />

Bei all den Aufgaben ist die BAG S auf öffentliche<br />

Anerkennung und finanzielle Förderung<br />

angewiesen, damit sie die Bearbeitung nachhaltig<br />

<strong>zum</strong> Wohle der chronisch kranken und<br />

behinderten Menschen und der Förderung<br />

der Selbsthilfegruppen erfüllen kann.<br />

Um die Unabhängigkeit der Mitglieder der<br />

BAG S zu sichern, wurde in den letzten Jahren<br />

ein Sanktionsverfahren eingeführt. <strong>Die</strong>ses<br />

Monitoringverfahren überprüft die Einhaltung<br />

der Leitlinien zur Wahrung der Neutralität der<br />

in der BAG S zusammengeschlossenen Verbände.<br />

Ein großer Schritt in der Anerkennung der<br />

Rechte der chronisch kranken und behinderten<br />

Menschen war 2007 die Unterzeichnung<br />

des Übereinkommens der Vereinten Nationen<br />

über die Rechte behinderter Menschen und<br />

die Ratifizierung durch die Bundesregierung<br />

<strong>2009</strong>. Nun gilt es, die Ziele umzusetzen und<br />

den Begriff der „Integration“ zugunsten der<br />

„Inclusion“ zu verlassen. Der Begriff der Integration<br />

sagt aus, dass Menschen mit Behinderung<br />

die Teilhabe erst gewährt werden<br />

muss, der umfassendere Begriff der<br />

„Inclusion“ macht klar, dass Menschen mit<br />

Behinderungen von Anfang an in unserer<br />

Mitte stehen und nicht erst herein genommen<br />

werden müssen.<br />

58<br />

<strong>Die</strong> behandelten Themenfelder sowie die<br />

Beratungs- und Informationsaufgaben und<br />

die erreichten Verbesserungen zugunsten<br />

der Menschen mit Behinderung, also unseren<br />

Angehörigen, bestätigen die Notwendigkeit<br />

der Mitarbeit des Freundeskreises Camphill<br />

und der BundesElternVereinigung in dem<br />

Spitzenverband und Dachorganisation Bundesarbeitsgemeinschaft<br />

Selbsthilfe.<br />

„Runder Tisch T4“<br />

Brief von Frau Erika Lange, Berlin<br />

für die BRÜCKE, vom 8. 2. <strong>2009</strong><br />

Liebe Freunde,<br />

ich hoffe auf Ihre Erinnerung an meinen Bericht<br />

vom Sommer 2007 über den „Runden<br />

Tisch T 4“ <strong>zum</strong> Gedenken und zur Mahnung<br />

für die Euthanasie-Opfer des Dritten Reiches.<br />

<strong>Die</strong> Pläne für diese Verbrechen, übrigens<br />

Vorläufer der dann folgenden Massenmorde,<br />

entstanden in der Tiergartenstraße 4 auf dem<br />

heutigen Philharmoniegelände.<br />

Dort hat der „Runde Tisch“ erreicht, dass im<br />

Januar 2008 eine künstlerische Nachbildung<br />

eines „Grauen Busses“ (Transportauto in die<br />

Vernichtungslager) und im Juni 2008 eine<br />

Erinnerungsstele die Mahnung wach halten<br />

soll. Der „Graue Bus“ ist nun verabredungsgemäß<br />

im Januar <strong>2009</strong> weitergezogen nach<br />

Brandenburg an der Havel.<br />

Am 20. Januar <strong>2009</strong> trafen sich Fachleute<br />

und interessierte Menschen zu einem öffentlichen<br />

Symposium im Martin-Gropius-Bau<br />

<strong>zum</strong> Thema „Umgang mit dem historischen


Gelände Tiergartenstraße 4“ um die richtige<br />

Vorgehensweise für den künftigen Mahn- und<br />

Gedenkort zu finden. Eindeutig war unser<br />

abschließendes Votum:<br />

Auf dem T4-Gelände soll sowohl der Opfer<br />

gedacht werden als auch die Ächtung der<br />

Ideologie und der Täter stattfinden.<br />

Wir hoffen auf finanzielle Unterstützung des<br />

Bundes und des Landes Berlin. Letzteres hat<br />

sich in dem ganzen Prozess des „Runden<br />

Tisches“ sehr unterstützend verhalten. <strong>Die</strong>s<br />

gilt es jetzt weiter voran zu bringen.<br />

Wir, liebe Freunde, haben spätestens durch<br />

unser und unserer Kinder Schicksal gelernt,<br />

dass es kein unwertes Leben gibt. Darum<br />

engagiere ich mich am „Runden Tisch“ auch<br />

in Ihrer aller Namen und hoffe, dass diese<br />

böse Ideologie immer mehr erstickt und ausgemerzt<br />

wird.<br />

Ich grüße Sie in alter Verbundenheit!<br />

Erika Lange<br />

Neuer BEV-Vorsitzender<br />

Auf der Mitgliederversammlung am 12. Juni<br />

<strong>2009</strong> in Mannheim gab Herr Bernd Keicher<br />

seinen Rücktritt als Vorsitzender aus gesundheitlichen<br />

Gründen bekannt. Er bleibt<br />

jedoch noch ein Jahr lang Mitglied des Vorstandes.<br />

Zum neuen Vorsitzenden hat der Vorstand<br />

aus seiner Mitte Herrn Manfred Barth gewählt.<br />

Herr Barth ist sicherlich Vielen bekannt durch<br />

seine langjährige Vorstandstätigkeit (seit<br />

2002, davor war er dort schon als Gast) und<br />

als für den Bereich Finanzen Verantwortlicher.<br />

Zudem ist er aktiv in der BEV-Region<br />

Hessen.<br />

Stellvertreterinnen (im Sinne der rechtlichen<br />

Vertretung) sind Claudia Hackert und Uta<br />

Dreckmann.<br />

In PUNKT UND KREIS sowie den BEV Mitteilungen<br />

für Angehörige <strong>Michaeli</strong> wird darüber<br />

berichtet werden.<br />

UN-Konvention über die Rechte<br />

von Menschen mit Behinderungen<br />

Von der Internetseite der BundesElternVereinigung,<br />

Stand 17. Juni <strong>2009</strong><br />

Das Internationale Übereinkommen über die<br />

Rechte von Menschen mit Behinderungen<br />

wurde am 13. Dezember 2006 von der UNO-<br />

Generalversammlung einstimmig verabschiedet.<br />

Am 30. März 2007 wurde es von der deutschen<br />

Bundesregierung unterzeichnet. Sie<br />

hat sich damit verpflichtet, das Ratifikationsverfahren<br />

einzuleiten, d.h. die Zustimmung<br />

des deutschen Gesetzgebers (Deutscher<br />

Bundestag, Bundesrat) einzuholen.<br />

Am 4. Dezember 2008 hat der Bundestag in<br />

der abschließenden Lesung den "Entwurf<br />

eines Gesetzes zu dem Übereinkommen der<br />

Vereinten Nationen vom 13. Dezember 2006<br />

über die Rechte von Menschen mit Behinderungen<br />

sowie zu dem Fakultativprotokoll vom<br />

13. Dezember 2006 <strong>zum</strong> Übereinkommen der<br />

Vereinten Nationen über die Rechte von<br />

59


Menschen mit Behinderungen" einstimmig<br />

angenommen.<br />

Am 19. Dezember 2008 hat auch der Bundesrat<br />

dem Gesetz zugestimmt.<br />

Nach dem Inkrafttreten des Ratifikationsgesetzes<br />

<strong>zum</strong> 1. Januar <strong>2009</strong> hinterlegte der<br />

Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium<br />

für Arbeit und Soziales, Franz<br />

Thönnes MdB, am 24. Februar <strong>2009</strong> die Ratifikationsurkunde<br />

<strong>zum</strong> Übereinkommen über<br />

die Rechte von Menschen mit Behinderungen<br />

und <strong>zum</strong> Fakultativprotokoll im Hauptquartier<br />

der Vereinten Nationen in New York.<br />

Damit sind ab 26. März <strong>2009</strong> beide völkerrechtlichen<br />

Verträge für Deutschland verbindlich.<br />

Deutschland schließt so als einer der ersten<br />

EU-Mitgliedstaaten das Ratifikationsverfahren<br />

formell ab.<br />

Nachfolgend die offizielle zwischen Deutschland,<br />

Österreich, Liechtenstein und der<br />

Schweiz abgestimmte deutschsprachige<br />

Übersetzung. Völkerrechtlich verbindlich sind<br />

allerdings nur die Originaltexte in den Vertragssprachen<br />

der Vereinten Nationen, z.B.<br />

auf englisch.<br />

Sie können sich ein kostenfreies gedrucktes<br />

Exemplar der Konvention bestellen bei der<br />

Beauftragten der Bundesregierung für die<br />

Belange behinderter Menschen:<br />

Tel. 030 / 18 527 2944,<br />

Fax 030 / 18 527 1871<br />

info[at]behindertenbeauftragte.de<br />

www.behindertenbeauftragte.de<br />

60<br />

Alle inclusive!<br />

<strong>Die</strong> neue UN-Konvention Menschen-Rechte<br />

für behinderte Frauen, Männer und Kinder<br />

auf der ganzen Welt in leichter Sprache,<br />

Hrsg.: <strong>Die</strong> Beauftragte der Bundesregierung<br />

für die Belange behinderter Menschen<br />

www.behindertenbeauftragte.de/alle-inclusive<br />

Korrigierte Fassung /<br />

Schattenübersetzung<br />

NETZWERK ARTIKEL 3 e. V. hat im Januar<br />

<strong>2009</strong> eine so genannte Schattenübersetzung<br />

vorgelegt. <strong>Die</strong>s ist die korrigierte Fassung der<br />

zwischen Deutschland, Lichtenstein, Österreich<br />

und der Schweiz abgestimmten Übersetzung.<br />

Der Begriff der Schattenübersetzung<br />

wurde deshalb gewählt, weil die sogenannten<br />

"Schattenberichte" im Berichtswesen zur<br />

Umsetzung von unterschiedlichen UN-<br />

Konventionen <strong>zum</strong> Beispiel der Kinderrechtskonvention<br />

bereits Tradition haben. <strong>Die</strong> Vertragsstaaten<br />

sind verpflichtet regelmäßig zur<br />

Umsetzung der jeweiligen Konvention Berichte<br />

zu erstellen und diese dem überwachenden<br />

Komitee zur Verfügung zuzuleiten. Von<br />

den Nicht-Regierungsorganisationen werden<br />

parallel dazu diese Schattenberichte erstellt,<br />

die ebenfalls bei der Bewertung des Komitees<br />

berücksichtigt werden.<br />

<strong>Die</strong> korrigierte Fassung der Übersetzung ist<br />

somit Ausgangslage für die künftige Erstellung<br />

von Schattenberichten der Nichtregierungsorganisationen.<br />

Sie ist aber auch ein<br />

wesentlicher Bestandteil der Öffentlichkeitsarbeit<br />

für die Verbreitung des Geistes der


Konvention. <strong>Die</strong> korrekte Übersetzung der<br />

Begrifflichkeiten ist somit unerlässlich, da die<br />

Wortwahl Einfluss auf die Bewusstseinsbildung<br />

hat.<br />

<strong>Die</strong> UN-Konvention hat auch das Thema der<br />

Bewusstseinsbildung der Gesellschaft als ein<br />

Anliegen im Artikel 8 formuliert. <strong>Die</strong> Bewusstseinsbildung<br />

ist elementare Voraussetzung<br />

für die inhaltliche Ausgestaltung von künftigen<br />

Maßnahmen zur Umsetzung der Konvention<br />

z. B. in Deutsches Recht oder praktisches<br />

Handeln. Insofern begrüßt der<br />

PARITÄTISCHE die Aktivitäten des Vereins<br />

NETZWERK ARTIKEL 3 und wird sich für<br />

eine Verbreitung der "Schattenübersetzung"<br />

engagieren.<br />

<strong>Die</strong> Schattenübersetzung kann von der<br />

Homepage von NETZWERK ARTIKEL 3 heruntergeladen<br />

werden oder gegen eine<br />

Schutzgebühr von 1,00 Euro plus Versandkosten<br />

direkt beim Herausgeber bestellt werden:<br />

NETZWERK ARTIKEL 3, Krantorweg 1,<br />

13503 Berlin,<br />

www.netzwerk-artikel-3.de/dokum/schattenuebersetzung-endgs.<strong>pdf</strong><br />

Elisabeth Fischer von der BAGS<br />

(Bundesarbeitsgemeischaft Selbsthilfe von<br />

Menschen mit Behinderung und chronischer<br />

Erkrankung und ihren Angehörigen e.V.) hat<br />

uns diese Pressemitteilung des Deutschen<br />

Behindertenrates zugesandt<br />

Europäisches Parlament: Deutscher<br />

Behindertenrat begrüßt Entscheidung<br />

für Antidiskriminierungsrichtlinie<br />

„Wir begrüßen, dass das Europäische Parlament<br />

mit deutlicher Mehrheit für die Antidiskriminierungsrichtlinie<br />

gestimmt hat“, erklärt<br />

Hannelore Loskill, Sprecherin des Deutschen<br />

Behindertenrates, zur Entscheidung aus<br />

Brüssel, die Richtlinie zur Gleichbehandlung<br />

ungeachtet der Religion oder der Weltanschauung,<br />

einer Behinderung, des Alters<br />

oder der sexuellen Ausrichtung anzuerkennen.<br />

Mit 363 zu 266 stimmten die Abgeordneten<br />

dafür, die Gleichbehandlung in Zukunft<br />

auch außerhalb des Arbeitsplatzes zu europäischem<br />

Recht zu erheben.<br />

„Als Aktionsbündnis für die Rechte der Menschen<br />

mit Behinderungen ist es dem Deutschen<br />

Behindertenrat ein großes Anliegen,<br />

dass behinderte Menschen europaweit auf<br />

einheitlich hohem Niveau vor Diskriminierung<br />

geschützt werden. In Zusammenhang mit der<br />

gerade in Deutschland ratifizierten UN-<br />

Behindertenrechtskonvention werden die<br />

Chancen für behinderte Menschen immer<br />

besser, uneingeschränkt am Leben in der<br />

Gesellschaft teilzunehmen“, so Hannelore<br />

Loskill weiter.<br />

<strong>Die</strong> neue umfassende Richtlinie über Gleichbehandlung<br />

verbietet Diskriminierung in einer<br />

Reihe von Bereichen außerhalb des Arbeitsmarktes,<br />

unter anderem aufgrund einer Behinderung<br />

beim Zugang zu Sozialschutz, sozialen<br />

Vergünstigungen, Gesundheitsdiens-<br />

61


ten und Bildung sowie den Zugang zu und<br />

die Versorgung mit Gütern und <strong>Die</strong>nstleistungen.<br />

Auch Telekommunikation und elektronische<br />

Kommunikation, Finanzdienstleistungen,<br />

Kultur und Freizeit, Verkehrsmittel sowie<br />

sonstige öffentliche Räume und Einrichtungen<br />

sollen nach dem Willen der Abgeordneten<br />

darunter fallen.<br />

Der Deutsche Behindertenrat (DBR) ist das<br />

Aktionsbündnis der deutschen Sozialverbände,<br />

der BAG SELBSTHILFE und ihrer Mitgliedsorganisationen<br />

und der unabhängigen<br />

Behindertenverbände Deutschlands. Im Jahr<br />

<strong>2009</strong> führt die BAG SELBSTHILFE das Sekretariat<br />

des DBR. <strong>Die</strong> BAG SELBSTHILFE<br />

e.V. – Bundesarbeitsgemeinschaft SELBST-<br />

HILFE von Menschen mit Behinderung und<br />

chronischer Erkrankung und ihren Angehörigen<br />

– ist die Vereinigung der Selbsthilfeverbände<br />

behinderter und chronisch kranker<br />

Menschen und ihrer Angehörigen in Deutschland.<br />

Sie ist Dachverband von 104 bundesweit<br />

tätigen Selbsthilfeorganisationen, 14<br />

Landesarbeitsgemeinschaften und 4 Fachverbänden.<br />

Über ihre Mitgliedsverbände sind<br />

in der BAG SELBSTHILFE mehr als eine<br />

Million Menschen mit körperlichen, seelischen<br />

und geistigen sowie Sinnes-<br />

Behinderungen und Menschen mit unterschiedlichsten<br />

chronischen Erkrankungen<br />

zusammengeschlossen.<br />

BAGS, Kirchfeldstr.149, 40215 Düsseldorf,<br />

Fon: 0211/31006-25, Fax: 0211/31006-34<br />

mailto:elisabeth.fischer@bag-selbsthilfe.de<br />

62<br />

Versicherungsschutz für Menschen<br />

mit Behinderung<br />

Quelle: www.Versicherungsstelle-CCB.de<br />

Haftpflichtversicherungsschutz, Unfallversicherungsschutz,<br />

Sterbegeldvorsorge, Riester-Rente<br />

und Zahnersatz-Zusatzversicherung<br />

für Menschen mit geistiger Behinderung.<br />

Welche Versicherungen möglich und sinnvoll<br />

sind und was dabei zu beachten ist können<br />

Sie nachlesen im Internet unter:<br />

www.Versicherungsstelle-CCB.de<br />

oder über die Adresse: Union-Versicherungsdienst<br />

GmbH, Klingenberger-straße 4, 32785<br />

Detmold, Telefon: 05231 -6036260<br />

Informationen anfordern.<br />

Competence Centrum Behindertenhilfe –<br />

CCB<br />

Der Paritätische bündelt u. a. Eltern- und<br />

Selbsthilfeorganisationen, die sich <strong>zum</strong> Teil<br />

nach besonderen Krankheitsbildern zusammengeschlossen<br />

haben, z. B. Körper- und<br />

Mehrfach- bzw. Sehbehinderte, Multiple Sklerose<br />

auch verbunden über die lebensnahe<br />

Arbeit mit/in Werkstätten für behinderte Menschen,<br />

Pflegeeinrichtungen, Kindergärten etc.<br />

1961/1962 wurde Union als Versicherungsmakler<br />

des Paritätischen Gesamtverbandes,<br />

Frankfurt/Berlin und seiner Landesverbände<br />

gegründet. <strong>Die</strong> Union Versicherungsdienst<br />

GmbH betreut bundesweit rund 7.200 Mitgliedseinrichtungen<br />

des Paritätischen z. B.<br />

Pflegeeinrichtungen, Behinderteneinrichtungen,<br />

Kindergärten, Selbsthilfegruppen und /<br />

oder Beratungsstellen, Verbände etc.


Union verfügt über langjährige Erfahrungen in<br />

der Gestaltung von Versicherungsschutz für<br />

Behinderteneinrichtungen. In Zusammenarbeit<br />

mit dem Paritätischen hat Union die Versicherungsstelle<br />

für chronisch kranke und<br />

behinderte Menschen geschaffen. Unter der<br />

Leitung und Organisation von Union wird das<br />

Know-how für Menschen mit Behinderung<br />

oder chronischen Krankheiten ausgewertet<br />

und zusammengefasst, um es für die Mitgliedseinrichtungen<br />

des Paritätischen und<br />

alle in der Behindertenhilfe Tätigen nutzbar<br />

zu machen.<br />

In Zusammenarbeit mit dem Paritätischen hat<br />

Union die Versicherungsstelle für chronisch<br />

kranke und behinderte Menschen gegründet.<br />

Zur Weiterentwicklung der institutionellen<br />

Versicherungsarbeit von Union und der anderen<br />

Unternehmen innerhalb der Ecclesia<br />

Gruppe ist in Absprache mit dem Beirat der<br />

Union Versicherungsdienst GmbH das Competence<br />

Centrum Behindertenhilfe (CCB)<br />

geschaffen worden, in dem Mitglieder des<br />

Beirates neben Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern<br />

der Ecclesia Gruppe mitwirken und die<br />

Erfahrungen an den betreuenden Außen- und<br />

Innendienst weitergebeben. Neben dem Aufbau<br />

und der Installation einer Datenbank besetzt<br />

CCB derzeit folgende aktuelle Themen:<br />

Auswirkungen des AGG (Allgemeines<br />

Gleichbehandlungsgesetz)<br />

Versicherungsschutz für chronisch kranke<br />

und behinderte Menschen<br />

Sonderkonzepte im Bereich der Privat-<br />

Haftpflichtversicherung (inkl.<br />

Deliktsunfähigkeitsklausel) sowie der Un-<br />

fallversicherung als Gruppenvertrag für<br />

Einrichtungsträger<br />

Kfz und Technik (Maschinen), Leasingprodukte<br />

Versicherungsschutz für die Mitarbeiter<br />

von Einrichtungsträgern mit Sonderkonditionen<br />

für alle Bereiche des Privatversicherungsschutzes<br />

".....Ohn' Mut sind wir nichts."<br />

Erika von Arnim zur Erinnerung, Biografische<br />

Beiträge von Dr. Michaela Glöckler, Prof. Dr.<br />

Peter Selg, Richard Steel und mit Gedichten<br />

von Erika von Arnim, Herausgeber: R. Steel,<br />

– erschienen in der „Persephone-Reihe“ der<br />

Medizinischen Sektion am Goetheanum. Eine<br />

Zusammenarbeit von Medizinischer Sektion,<br />

Ita Wegman Institut und Karl König Archiv.<br />

114 Seiten, €15,50, ISBN 978-3-905791-05<br />

Karl König:<br />

Das Seelenpflege-bedürftige Kind,<br />

Vom Wesen der Heilpädagogik,<br />

237 Seiten, € 24,90, Verlag Freies Geistesleben,<br />

Oktober 2008, ISBN-10: 3772524028,<br />

ISBN-13: 978-3772524028<br />

"Gewusst wo"<br />

<strong>Die</strong> Bundesvereinigung der Lebenshilfe hat<br />

die Broschüre "Gewusst wo" für Familien mit<br />

Kindern mit Behinderungen veröffentlicht. <strong>Die</strong><br />

Broschüre soll den Familien helfen, sich im<br />

besser im Paragraphen-Dschungel des Leistungsrechts<br />

zu bewegen. Das 15-seitige Heft<br />

63


gibt in verständlicher Sprache. Tipps zur Eingliederungshilfe,<br />

Kranken- und Pflegeversicherung,<br />

<strong>zum</strong> Persönlichen Budget und <strong>zum</strong><br />

Ausgleich behinderungsbedingter Nachteile.<br />

<strong>Die</strong> Broschüre kann kostenlos im Internet<br />

unter folgendem Link herunter geladen werden:<br />

www.lebenshilfe.de/wDeutsch/aus_fachlicher<br />

_sicht/downloads/Gewusstwo.<strong>pdf</strong><br />

oder für 3,50 Euro plus Versand bestellt werden:<br />

Tel: 06421/449 123,<br />

„Das Persönliche Budget<br />

für Kinder, Jugendliche und<br />

junge Erwachsene“<br />

<strong>Die</strong> Broschüre mit o. g. Titel ist wieder gratis<br />

erhältlich: Paritätisches Kompetenzzentrum<br />

Persönliches Budget, Tel. 030/245 33-170,<br />

Fax 030/246 36-110, budget@paritaet.org.<br />

Oder <strong>zum</strong> <strong>Download</strong> im Internet:<br />

www.budget.paritaet.org<br />

Bücher der Stotterer-Selbsthilfe für<br />

Kinder und Jugendliche :<br />

L-l-lissi will d-d-dazugehören<br />

von Mona Jüntgen, ab 6-7 Jahren, 52 Seiten,<br />

€ 7,60, Verlag: Demosthenes Verlag / Bv<br />

Stotterer-Selbsthilfe, <strong>2009</strong>,<br />

ISBN-10: 3921897548,<br />

ISBN-13: 978-392189754<br />

Lissi, ein schlaues, aufgewecktes Mädchen,<br />

möchte auch dazugehören. Doch das ist gar<br />

64<br />

nicht so leicht, da sie stottert. Das ist auch<br />

der Grund, warum sie keine Freunde hat und<br />

sich in der Schule nicht traut, sich im Unterricht<br />

zu beteiligen, wie alle anderen Kinder.<br />

Doch plötzlich lernt sie Peter kennen und<br />

alles kommt ganz anderes...<br />

Hallo, hier ist Felix!<br />

von Margaret Klare, ab 10 Jahren, 128 Seiten,<br />

€ 6,90, Verlag: Demosthenes Verlag / Bv<br />

Stotterer-Selbsthilfe, 2008,<br />

ISBN-10: 3921897521<br />

ISBN-13: 978-3921897522<br />

Einfühlsam und engagiert erzählt die Autorin<br />

die Geschichte eines Jungen, der ein Stotterer<br />

ist und dem erst eine Therapie hilft, mit<br />

seinem Sprechproblem fertig zu werden.<br />

Mit Felix durchlebt man die Schwierigkeiten<br />

aber auch den Erfolg der Therapie.<br />

Impressum<br />

<strong>Die</strong> BRÜCKE ist die Mitgliederzeitschrift des<br />

Freundeskreises Camphill e.V. Sie erscheint<br />

zweimal im Jahr: Ostern und <strong>Michaeli</strong>.<br />

<strong>Die</strong> Artikel dieser Zeitschrift werden von den<br />

jeweiligen Autoren verantwortet. Sie müssen<br />

nicht die Meinung der Redaktion wiedergeben.<br />

<strong>Die</strong> Redaktion behält sich Sinn wahrende<br />

Änderungen und Kürzungen vor.<br />

Redaktion:<br />

Hannelore Dabbert, Hannelore Fischer,<br />

Gerlinde Kriese, Gerhard Meier


Anschriften der Redakteure:<br />

Siehe: Adressenblatt gegenüber<br />

Redaktion BRÜCKE via E-mail: bruecke.redaktion@gmx.de<br />

65

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!