Ludwig Ganghofer Bergheimat - DokumentenDownload
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Erleichtert atmete er auf, als der Kleine verstummte. Sacht legte er ihn aufs Bett, streifte die Schuhe von den<br />
Füßen, holte die Wiege und huschelte das Kind in die Kissen. Als er draußen die Lampe ausgeblasen hatte,<br />
verhängte er mit seinem Radmantel das Kammerfenster, um den Mondschein auszusperren. Dann ging auch<br />
er zur Ruhe.<br />
Ruhe?<br />
Seine Augen waren heiß, und eine unerträgliche Schwüle quälte ihn. Mit Gewalt verhielt er sich unbeweglich<br />
und drückte die Lider zu. Der Schlaf wollte nicht kommen. Schließlich redete er sich ein, das Ticken der<br />
Wanduhr in der Stube wäre schuld daran, sprang aus dem Bett, verließ die Kammer und stellte den<br />
Perpendickel. Da hörte er, daß ein Schlüssel, und wie es schien, mit großer Vorsicht, in das Schloß der<br />
Haustür gesteckt wurde. "Der Wastl!" Lauschend blieb Jörg in der Stube stehen. Aus dem Geräusch, das er<br />
vernahm, konnte er schließen, daß der Gesell im Flur die Schuhe auszog. Die Stufen der hölzernen Treppe<br />
knarrten ein bißchen. "Wer kommt denn?" klang von droben, gerade noch verständlich, Vronis gedämpfte<br />
Stimme. Ein paar Worte noch, eine Tür ging, und alles war still.<br />
Jörg tastete nach der Klinke und riß die Stubentür auf. Die kalte Luft, die ihm entgegenwehte, erinnerte ihn<br />
an den Aufzug, in dem er sich befand. Er sprang in die Kammer zurück, fuhr in die Hose und zerrte eine<br />
Joppe über die Schultern. Als er wieder in die Stube trat, erschrak er vor seinem eigenen Schatten, den das<br />
Mondlicht schwarz an die weiße Mauer warf. Er blieb stehen und preßte den Arm vor die Stirne. "So was!<br />
Unter meinem rechtschaffenen Dach!" Sich aufraffend, strich er das Haar zurück und ging zur Tür. Als er mit<br />
nackten Füßen auf die eisigen Flursteine trat, schauerte ihn. In flinken Sätzen sprang er die dunkle Treppe<br />
hinauf und stand vor Vronis Tür. Aus den Fugen drang rnatter Lichtschimmer, und leise hörte er das Mädel<br />
wispern. Er drückte auf die Klinke. Weil er die Tür verschlossen fand, schlug er mit den Fäusten an die<br />
Bretter. "Wie, du! Mach auf!"<br />
"Was is denn?" klang Vronis erschrockene Stimme.<br />
"Mach auf!" keuchte Jörg und rüttelte wütend am Schloß.<br />
Er hörte das Rucken eines Stuhles, die Tür wurde aufgerissen, und vor ihm stand das Mädel, halb entkleidet,<br />
Brust und Schultern umwunden mit einem wollenen Tuch. "Was is denn passiert? Es wird doch dem Kindl nix<br />
fehlen?"<br />
Jörg fand keine Antwort. Verblüfft sah er an Vroni vorüber in das leere Stübl, auf das unberührte Bett, auf den<br />
Stuhl vor der Kommode und auf das Kerzenlicht, neben dem ein aufgeschlagenes Gebetbuch lag. "Vroni!"<br />
stammelte er. "Ganz verruckt war ich! Weil ich wen auffischleichen hab hören über d Stiegen. Der Mensch is<br />
schon so, daß er allweil lieber s Schlechte glaubt."<br />
Dem Mädel versagte im ersten Augenblick die Sprache. "So? Wen auffischleichen hast hören? Da is dirs<br />
gangen wie mir. Drum hab ich aussigschaut zur Tür. Der Wistl wars. Er hat gmeint, ich schlaf schon, und hat<br />
d Schuh auszogen, daß er mich net wecken möcht. Und du - - No also, jetzt kannst ja wieder gehn! Gut<br />
Nacht!" Vroni schloß die Tür, der Riegel klirrte, und es war finster um den sprachlosen Meister her. So stand<br />
er im Dunkel, lange, ohne sich zu regen. Kein Gedanke, keine Empfindung wollte ihm zur Klarheit kommen.<br />
An seinen Schläfen hämmerte das Blut, und in Kopf und Herz schwirrten ihm Beschämung, Liebe, Eifersucht<br />
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