Tumoren des oberen Gastrointestinaltrakts - ResearchGate
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Leitthema<br />
Chirurg 2010 · 81:103–110<br />
DOI 10.1007/s00104-009-1813-x<br />
Online publiziert: 16. Januar 2010<br />
© Springer-Verlag 2010<br />
A. Sendler<br />
Isar Medizin Zentrum, München<br />
<strong>Tumoren</strong> <strong>des</strong> <strong>oberen</strong><br />
<strong>Gastrointestinaltrakts</strong><br />
Indikation und Ausmaß<br />
der Lymphknotendissektion<br />
Indikation und Ausmaß der Lymphadenektomie<br />
(LA) bei <strong>Tumoren</strong> <strong>des</strong><br />
<strong>Gastrointestinaltrakts</strong> werden seit<br />
dem letzten Jahr nicht nur kritisch<br />
hinterfragt, die Indikation zur LA<br />
wird nun auch per se infrage gestellt.<br />
Ist es möglich, durch die Tumorfreiheit<br />
in der 3. Dimension die Prognose<br />
zu verbessern, oder wird der Patient<br />
durch eine höherer Morbidität<br />
und Letalität der erweiterten Operation<br />
nur unnötig belastet? Obwohl<br />
die Studienlage teilweise uneinheitlich<br />
ist, finden sich Hinweise, dass es<br />
eine Gruppe von Patienten gibt, die<br />
von der LA profitieren. Dies sind vor<br />
allem Patienten in frühen Tumorstadien.<br />
Die erweiterte Lymphknotendissektion<br />
führt zu einer deutlich verbesserten<br />
lokalen Kontrolle, dieses<br />
korrespondiert in lokal fortgeschrittenen<br />
Tumorstadien jedoch nicht mit<br />
einem verbesserten Überleben.<br />
Der Stellenwert der LA im Rahmen der<br />
onkologischen Chirurgie wird nach dem<br />
Artikel <strong>des</strong> Tumorregisters München im<br />
Zentralblatt für Chirurgie (2008) erneut<br />
kontrovers diskutiert [22]. Diese Kontroverse<br />
führte in der Laienpresse zu einem<br />
Artikel mit dem griffigen Titel „Sinnloser<br />
Kahlschlag“ (Der Spiegel 20/2009), in<br />
dem hinterfragt wird, wann die Tumorchirurgen<br />
das „100-jährige Dogma der<br />
Lymphadenektomie“ denn endlich fallen<br />
lassen und die Therapie evidenzbasiert<br />
ausrichten, d. h. die Lymphadenektomie<br />
unterlassen. Aber auch in internationalen<br />
Publikationen wird die „Basis der Tumorchirurgie“<br />
unterschiedlich bewertet. Eine<br />
aktuelle Studie zur D1- vs. D3-LA beim<br />
Magenkarzinom wurde in zwei Kommentaren<br />
in Lancet Oncology in Bezug auf den<br />
Sinn der LA vollkommen unterschiedlich<br />
bewertet [43].<br />
E Grundlage der teilweise dogmatisch<br />
geführten Kontroverse ist die<br />
Frage, ob sich das Tumorwachstum<br />
linear oder parallel ausbreitet.<br />
Besitzt ein Primärtumor erst ab einer bestimmten<br />
Größe und/oder Entwicklungszeit<br />
ausreichende genetische Alterationen,<br />
die eine lokoregionäre und spätere Fernmetastasierung<br />
ermöglichen (lineare Ausbreitung),<br />
oder wird die Fernmetastasierung<br />
bereits mit dem Auftreten der ersten<br />
Tumorzellen festgelegt. Der Lymphknotenbefall<br />
wäre dann nur ein Maß der<br />
Aggressivität und der Migrationsfähigkeit<br />
<strong>des</strong> Tumors.<br />
Das Problem der „stage migration“<br />
(„Will-Rogers-Phänomen“) wird momentan<br />
in allen Diskussionsbeiträgen zur LA<br />
angeführt [14]. Es bedeutet, dass mehr entfernte<br />
Lymphknoten (LK) gleichzeitig zur<br />
Entdeckung von mehr tumorbefallenen<br />
LK führen. Dies wiederum führt zu einer<br />
Verschiebung <strong>des</strong> Tumorstadiums, hin zu<br />
einem ungünstigeren Stadium. Auf der<br />
anderen Seite kommt es zu einer Bereinigung<br />
<strong>des</strong> nächst niedrigeren Tumorstadiums<br />
und damit zu einer relativen Verbesserung<br />
der Prognose dieses Tumorstadiums.<br />
Daraus entsteht ein Pseudogewinn<br />
an Prognose.<br />
Unumstritten ist die Bedeutung der LA<br />
für das Tumorstaging. Die pN-Kategorie<br />
bestimmt die Prognose <strong>des</strong> Patienten –<br />
nach der R0-Resektion. Dafür ist eine<br />
Min<strong>des</strong>tanzahl untersuchter LK notwendig.<br />
Die LA ist kein eigenständiges Therapieprinzip,<br />
sondern ein wichtiger Beitrag<br />
zur lokalen Tumorfreiheit, die entscheiden<strong>des</strong><br />
Ziel jeder onkologischen Operation<br />
sein muss (R0-Resektion). Der Lymphabfluss<br />
und damit der Metastasierungsweg<br />
ist durch den Sitz <strong>des</strong> Primärtumors<br />
geprägt. Jede Tumorlokalisation benötigt<br />
somit eine individuelle LA.<br />
Lymphadenektomie<br />
beim Ösophaguskarzinom<br />
Indikation<br />
Die LK-Metastasierung beim Ösophaguskarzinom<br />
geschieht bereits in frühen Tumorstadien.<br />
Da die Speiseröhre submukös<br />
und in der Adventitia über ein besonders<br />
ausgeprägtes longitudinales Lymphgefäßnetz<br />
verfügt, besteht eine enge Verbindung<br />
zwischen diesen beiden Lymphabflussrichtungen,<br />
sodass auch Metastasierungen<br />
in die jeweils andere Richtung<br />
auftreten.<br />
Bereits bei pT1b-<strong>Tumoren</strong> finden<br />
sich bis zu 14–50% LK-Metastasen, bei<br />
pT3-<strong>Tumoren</strong> sind es zwischen 78–85%<br />
(. Tab. 1, 2, . Abb. 1). Befallene LK<br />
können sich zervikal, thorakal oder abdominal<br />
befinden, unabhängig von der Lo-<br />
Der Chirurg 2 · 2010 |<br />
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