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IRAN<br />
<strong>Info</strong>rmation<br />
Nr. <strong>36</strong> Dezember 2009<br />
I<br />
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A<br />
Teheran heute - 1. Teil<br />
Persische Gärten<br />
Die Rolle der Qanate<br />
bei der Gestaltung<br />
von Yasd<br />
DIE FAUNA DES IRANS<br />
1. TEIL<br />
Ibn Sina<br />
DIE ZEIT DER TIMURIDEN<br />
N <strong>Info</strong>rmation Nr. <strong>36</strong><br />
1
2 Nr. <strong>36</strong><br />
<strong>Info</strong>rmation<br />
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Inhalt<br />
inhalt<br />
4.......Editorial<br />
5.......Nachrichten<br />
<strong>Iran</strong>istik<br />
Tourismus<br />
15..... Teheran heute - 1. Teil<br />
24.....Die Fauna des <strong>Iran</strong>s - 1. Teil<br />
8 ........Persische Gärten - ein Handbuch aus<br />
dem 16. Jahrhundert; Prof. Dr. Rüdiger<br />
Lohlker<br />
12......Die Rolle der Qanate bei der<br />
architektonischen Gestaltung und beim<br />
Stadtbau von Yasd; Prof. Kazem Mondegari<br />
Dialog der Zivilisationen<br />
29 .... Ibn Sina<br />
Geschichte<br />
32....... Die Zeit der Timuriden<br />
Hinweis: Im Text kommen nach den Namen heiliger Personen folgende Abkürzungen in<br />
Klammern vor: „s. a. s.“, das bedeutet „Friede sei mit ihm und seinen Nachkommen“, und<br />
„a. s.“, das bedeutet „Friede sei mit ihm“.<br />
„H. q.“ nach Jahreszahlen kennzeichnet Angaben nach dem islamischen Mondkalender<br />
und „h. s.“ nach dem islamisch-iranischen Sonnenkalender.<br />
Umschlagsvorderseite: Blick über einen Teil von Teheran Richtung Norden<br />
Umschlagsinnenseite: Kache Sabs, d. h. Grüner Palast, Saadabad, Teheran<br />
Hintere Umschlagsinnenseite: Ansichten der Gohar Schad-Moschee, Maschhad<br />
Hintere Umschlagsseite: Fischadler (Pandion haliaetus), Falconiformes, Schirino, Buschehr<br />
Impressum<br />
Zeitschrift für Kultur, Kunst und Geschichte<br />
Heft <strong>36</strong>, 18. Jahrgang, Dezember 2009<br />
I<br />
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A<br />
Herausgeber:<br />
Redaktion:<br />
Kulturabteilung der Botschaft der Islamischen Republik <strong>Iran</strong> in Österreich<br />
Mohammad Keiarishi, Hassan Djavaher, Ali Mohammadi und<br />
Mitarbeiter<br />
Redaktionsanschrift: Schottenfeldgasse 8, 1070 Wien<br />
Tel.: 523 12 44<br />
Fax: 523 12 44/35<br />
eMail:<br />
vienna@icro.ir<br />
Homepage: http://vienna.icro.ir<br />
Abonnement: Die Zeitschrift wird Interessenten kostenlos zugeschickt.<br />
Alle Rechte vorbehalten.<br />
Namentlich gezeichnete Beiträge müssen nicht mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen.<br />
N <strong>Info</strong>rmation Nr. <strong>36</strong><br />
3
editorial<br />
Editorial<br />
Im Namen Gottes, des Allerbarmers, des Barmherzigen!<br />
Liebe Leserinnen und Leser!<br />
Es ist für uns eine Ehre, dass wir sie nach einigen Monaten wieder mit einer neuen Nummer der <strong>Iran</strong><br />
<strong>Info</strong>rmation begrüßen dürfen. Ich möchte dieses Editorial damit beginnen, dass diese Nummer der<br />
Zeitschrift <strong>Iran</strong> <strong>Info</strong>rmation zu einem Zeitpunkt erscheint, an dem der politische, propagandistische<br />
und kulturelle Druck vor allem der westlichen Länder auf die Islamische Republik <strong>Iran</strong> eine neue<br />
Qualität erreicht hat. Die Ereignisse im <strong>Iran</strong> in den letzten Monaten, deren wahre Hintergründe erst<br />
mit der Zeit klarer werden, zeigen dies auch. Mit einer kleinen Rückbesinnung auf die dreißig Jahre,<br />
die seit der Revolution vergangen sind, erkennt man aber, dass wir schon früher mit solchen Situationen<br />
konfrontiert waren. Die Bevölkerung des <strong>Iran</strong>s wehrte sich gegen die amerikanische Unterdrückung<br />
und die unbeschränkte Unterstützung der westlichen Länder für sie und die schreckliche Herrschaft<br />
ihrer Marionette in unserem Land.<br />
Das amerikanisch-westliche Machtsystem missachtet die oft gepriesenen Werte Demokratie, soziale<br />
Gerechtigkeit, Menschenrechte und die Rechte der Völker, wenn es um andere Länder geht. Dort<br />
werden unabhängige Freiheitsbewegungen, die aus dem Volk kommen und die auf nichtwestlichen<br />
Weltanschauungen und Kulturen beruhen, geschwächt oder zerstört, um ihre Verbreitung zu verhindern.<br />
Dabei wird das Image der Führer dieser Bewegungen zerstört, indem ihre Ansichten verfälscht<br />
dargestellt werden und man sie beschuldigt fundamentalistische Gedanken zu vertreten. Um dieses<br />
Ziel des Sturzes unabhängiger Regierungen zu erreichen, schrecken die unterdrückerischen Mächte<br />
nicht davor zurück, einen Staatsstreich zu unterstützen oder mit Hilfe ihrer Handlanger militärische<br />
Konflikte zu beginnen, wie der dem <strong>Iran</strong> auferlegte achtjährige Krieg. Militärische, wirtschaftliche<br />
und politische Boykottmaßnahmen werden ebenfalls dafür eingesetzt. Terroristen werden unterstützt,<br />
um führende Persönlichkeiten in unabhängigen Ländern zu ermorden, und antirevolutionäre<br />
Bewegungen werden mit einem Budget von hunderten Millionen Dollar unterstützt.<br />
Andererseits werden islamische Angelegenheiten, wie die Errichtung eines Gotteshauses für die<br />
Muslime, einer Kuppel oder eines Minaretts, in der westlichen Gesellschaft zu einem großen Problem<br />
hochstilisiert, die Islamophobie und sogar die Beleidung des islamischen Propheten und der Heiligtümer<br />
der Muslime als ein Zeichen für die notwendige Freiheit, die Tapferkeit und die intellektuelle<br />
Aufgeklärtheit dargestellt. Warum wird den Menschen fortwährend Angst vor dem Islam und der<br />
Islamischen Republik gemacht? Wodurch entstand das Ergebnis des Volksentscheids in der Schweiz,<br />
durch den dort das Verbot der Minarette in der Verfassung verankert wird? Warum wird jede Art der<br />
Verteidigung in der islamischen Welt als Terrorismus bezeichnet, während gleichzeitig große Verbrechen<br />
in anderen Ländern kaum wahrgenommen werden? Warum wurde Saddam erst verurteilt, als er<br />
Raketen auf Israel schoss, aber nie als er unser Land angriff und dabei chemischen Waffen sogar<br />
gegen die Zivilbevölkerung einsetzte?<br />
Jesus (a. s.), dessen gesegnete Geburt die Christen in diesem Monat feiern und zu der wir sie herzlich<br />
beglückwünschen, wurde Zeit seines Lebens auf der Erde unterdrückt. Auch der große islamische<br />
Führer Imam Hussein (a. s.), der Enkelsohn des Propheten, starb mit seinen Anhängern den<br />
Märtyrertod, dessen besonders die schiitischen Muslime in diesen Wochen gedenken, durch die<br />
damaligen Machthaber. Wir möchten Ihnen für das neue Jahr alles Gute wünschen und hoffen, dass<br />
in diesem die gerechtigkeits- und friedliebenden Menschen gemeinsam ihre Stimme gegen das Unrecht<br />
in der Welt erheben werden!<br />
Muhammad Keiarishi, Kulturattachee<br />
4 Nr. <strong>36</strong><br />
<strong>Info</strong>rmation<br />
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kunst<br />
Nachrichten<br />
Ausstellung iranischer Trachten und Gemälde in Wien<br />
nachrichten<br />
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Unter dem Titel „Persian Art in Vienna“ wurden vom 23. bis 28. Juni 2009<br />
in der Galerie time in Wien Trachten und moderne Gemälde durch die<br />
Kulturabteilung der iranischen Botschaft ausgestellt. Die ungefähr 40<br />
Frauenbekleidungen wurden vom Museum für traditionelle und historische<br />
Kleidung in Schiras zur Verfügung gestellt und wurden von dessen<br />
Direktorin Fr. Eshrat Badr präsentiert. Die farbenprächtigen Trachten<br />
stammten aus verschiedenen iranischen Gebieten und umfassten Kleider<br />
für verschiedene Zwecke, z. B. für den Alltag und für Hochzeiten. Fr.<br />
Mahvash Soheili, eine Malerin und Universitätslektorin in Teheran,<br />
präsentierte ungefähr 35 von ihren Gemälden. Sie stellte ihre Werke bereits<br />
bei über 70 Ausstellungen im <strong>Iran</strong> und im Ausland, z. B. in Dubai, China,<br />
Schweden, Norwegen und Frankreich aus und ist Mitglied in verschiedenen<br />
Künstlervereinigungen.<br />
Bei der Eröffnung mit einem kurzen musikalischen Rahmenprogramm<br />
traditioneller iranischer Musik sprachen Hr. Günther W. Wachtl von der<br />
Galerie time, Prof. Ulrich Gansert, der iranische Kulturattachee<br />
Muhammad Keiarishi und der iranische Botschafter Dr. Ebrahim Shaibany.<br />
Hr. Wachtel sagte, dass die Galerie time bereits in der Vergangenheit<br />
Werke aus verschiedenen Ländern der Welt präsentiert habe und<br />
äußerte die Überzeugung, dass die Kunst ein Mittel zur Verbindung<br />
der Völker sei. Er betonte, dass der <strong>Iran</strong> ein Land mit einer<br />
Jahrtausende alten Geschichte, Kultur und Zivilisation sei. Prof.<br />
Gansert sagte, dass der <strong>Iran</strong> ein großes Land sei und immer einen<br />
wichtigen Anteil an der Entwicklung der Kultur und Kunst hatte.<br />
Der iranische Kulturattachee Keiarishi stellte die Künstlerinnen und<br />
ihre Arbeiten vor. Der iranische Botschafter Dr. Shaibany sagte,<br />
dass die Kultur eine feste Brücke zwischen den Völkern sei und<br />
die besten Beziehungen die kulturellen seien. Der <strong>Iran</strong> habe eine<br />
reiche Kultur, die die drei Kontinente Europa, Asien und Afrika<br />
verbinde. Er<br />
habe im Bereich<br />
der Musik,<br />
Literatur und<br />
Malerei prachtvolle Werke und auch die Persische Sprache<br />
sei im Osmanischen Reich und in Indien lange Zeit<br />
Amtssprache gewesen. Der <strong>Iran</strong> habe lange und feste<br />
kulturelle Beziehungen mit Österreich, so unterrichteten<br />
bereits ab 1851 österreichische Professoren an der Dar<br />
ol-fonun Hochschule im <strong>Iran</strong>.<br />
Einige Trachten wurden von fünf Frauen live bei der gut<br />
besuchten Veranstaltung präsentiert und anschließend gab<br />
es ein Buffet.<br />
N <strong>Info</strong>rmation Nr. <strong>36</strong><br />
5
nachrichten<br />
dialog<br />
Friedenskonferenz auf der Burg Schlaining<br />
Vom 19. – 20. Juni 2009 wurden auf einer Konferenz, die vom iranischen „Islamischen Weltfriedensforum“,<br />
dem Institut für Orientalistik der Universität Wien, dem Österreichischen Studienzentrum für Frieden und<br />
Konfliktlösung und der Kulturabteilung der iranischen Botschaft auf der Burg Schlaining organisiert wurde,<br />
durch den Dialog von Professoren aus Österreich, Frankreich, Deutschland, Kroatien und dem <strong>Iran</strong><br />
Perspektiven einer friedlichen Weltordnung erörtert und entwickelt. In diesem Seminar wurden Aspekte der<br />
zeitgenössischen Friedens- und Konfliktforschung und auch Wege aus der krisenhaften aktuellen globalen<br />
Lage diskutiert.<br />
Das Seminar wurde von Dr. Mader, dem Präsidenten des Studienzentrums für Frieden und Konfliktlösung,<br />
und Dr. Ameri, dem Generalsekretär des „Islamischen Weltfriedensforums“, eröffnet. Es gab drei Panels zu<br />
den Themen „Möglichkeiten des Friedens – Philosophische und Rechtliche Überlegungen“, „Positionen der<br />
Friedensforschung“ und „Fallstudien zu aktuellen Friedensprozessen“. Das erste Panel beschäftigte sich<br />
damit, grundlegende Prinzipien einer international tragfähigen Friedensordnung zu formulieren. Ziel war es,<br />
die Bedingungen und Möglichkeiten einer solchen Ordnung zu reflektieren. Es wurden die philosophischen<br />
Grundlagen und die völkerrechtlichen Rahmenbedingungen diskutiert, aufgrund derer eine friedliche<br />
Weltordnung möglich ist. Das zweite Panel beschäftigte sich mit den in der aktuellen Friedensforschung<br />
entwickelten Konzeptionen der Vermeidung und Lösung kriegerischer Konflikte sowie der Rolle des Konzeptes<br />
der Sicherheit. Das dritte Panel beschäftigte sich mit aktuellen Konflikten im Nahen und Mittleren Osten<br />
sowie Afrika, ein Vortrag widmete sich Afghanistan und einer dem Sudan.<br />
wissenschaft<br />
RoboCup 2009 in Graz mit starker iranischer Beteiligung<br />
Insgesamt 41 iranische Teams von verschiedenen Universitäten, Forschungszentren und Gymnasien, wie<br />
der Schahid Beheschti Universität, der Technischen Universität Amir Kabir, der Technischen Universiät<br />
Isfahan, der Freien Islamischen Universität Qazwin und dem Pasargad Forschungszentrum, nahmen neben<br />
den Vertretern aus den USA, Japan, China, Deutschland, Brasilien, Großbritannien und anderen Ländern an<br />
den Wettbewerben teil.<br />
Das Team von der Freien Islamischen Universität Qazwin erreichte in der Kategorie Fußball der mittleren<br />
Größe den vierten Platz und qualifizierte sich damit für die Weltmeisterschaft 2010. Das Team vom<br />
Mechatronik Forschungszentrum MRL dieser Universität erlangte in verschiedenen Kategorien die meisten<br />
Erfolge im Bereich Robotik und künstlicher Intelligenz und wurde bereits weltweit bekannt. Das Team<br />
MRL gelangte in der Kategorie Mixed Reality durch Siege über Teams<br />
aus Deutschland, Japan und Brasilien unter die vier besten.<br />
Bei einer wissenschaftlichen Konferenz zum RoboCup wurde auch<br />
der zweibeinige Roboter Archie vorgestellt, der vom Wiener<br />
Robotikexperten Peter Kopacek, seinem kanadischen Kollegen Jacky<br />
Baltes und dem aus dem <strong>Iran</strong> stammenden Doktoranden Ahmad<br />
Byagowi entwickelt wurde. Archie hat die Größe eines vierzehnjährigen<br />
Teenagers und soll in der Zukunft auch den Menschen unterstützen<br />
können. Er hat 33 eingebaute Computer und wird durch einen zentralen<br />
Controller gesteuert. Das Ziel bei der Konstruktion dieses autonom<br />
einsetzbaren Roboters war eine deutliche Kostensenkung auf 15 bis<br />
20000 Euro gegenüber den derzeit erhältlichen professionellen Robotern,<br />
die so viel kosten wie „ein mittelmäßig ausgestatteter Ferrari“, wie<br />
Kopacek sagte.<br />
6 Nr. <strong>36</strong><br />
<strong>Info</strong>rmation<br />
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iraner im ausland<br />
Ein iranischer Professor an der Universität von Kalifornien baute die schnellste Kamera<br />
der Welt<br />
Unter der Leitung von Dr. Bahram Jalali, einem Professor für Elektronik an der University of California,<br />
Los Angeles (UCLA), wurde eine Kamera hergestellt, die in einer Sekunde sechs Millionen Bilder<br />
macht. Sie soll für die Untersuchung von schnell fließenden Zellen im Blut verwendet werden, damit<br />
vereinzelte kranke Zellen, z. B. durch Krebs, in einer großen Zahl von gesunden entdeckt werden<br />
können. Dadurch kann man sozusagen eine „Nadel im Heuhaufen“ finden. Bisher konnte nur eine<br />
geringe Zahl von Blutzellen untersucht werden, weshalb einzelne erkrankte nicht gefunden wurden.<br />
Mit der Verwendung dieser Kamera kann man genauere <strong>Info</strong>rmationen über die Anzahl, Art und<br />
Größe der Blutzellen erhalten. Dr. Jalili sagte, dass man mit den Bildern dieser Kamera Krankheiten<br />
im Blut rasch feststellen kann. Außerdem können lebende Zellen und die Aktivitäten der Neuronen<br />
damit untersucht werden. Die Geschwindigkeit der Kamera, die mit einem speziellen Laser arbeitet,<br />
kann auf zehn Millionen Bilder pro Sekunde erhöht werden, was 200 000 Mal schneller als eine<br />
normale Kamera ist.<br />
Prof. Jalali erhielt im Jahre 2007 für seine Erfindung eines Raman-Lasers in Silizium den R. W. Wood<br />
Preis, der die höchste Auszeichnung in diesem Bereich ist, den die Optical Society of America (OSA)<br />
für Innovationen vergibt. Im Jahre 2005 wurde Jalili durch die Zeitschrift Scientific American zu den<br />
50 Top-Wissenschaftlern gewählt.<br />
nachrichten<br />
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ausstellung<br />
22. Internationale Buchmesse in Teheran<br />
An dieser Messe, die alljährlich statt findet, nahmen heuer 1400 Verlage mit 150 000 Buchtiteln aus 75<br />
Ländern der Welt z. B. aus Italien, Russland, der Türkei, Pakistan, Frankreich, Deutschland, dem Libanon<br />
und dem Irak teil.<br />
100 ausländische Gäste aus dem Verlagswesen wurden dafür nach Teheran eingeladen. Außerdem beteiligten<br />
sich 35 iranisch-ausländische Gesellschaften daran. Die Buchmesse fand vom 6. bis 16. Mai auf dem<br />
Gelände der „Musalla-je Imam Chomeini“ statt.<br />
iranistik<br />
Eines der ältesten Saiteninstrumente der Welt wird im <strong>Iran</strong> rekonstruiert<br />
Tschang, die iranische Harfe, ist eines der ältesten bekannte Saiteninstrument. Sie wird im Auftrag der<br />
UNO in Qazwin rekonstruiert. Seifullah Schukri, ein Instrumentenbauer, der dafür verantwortlich ist, sagte<br />
im Gespräch mit der iranischen Nachrichtenagentur ISNA, dass dieses Instrument, dessen alter Name<br />
Qisch war, 4000 Jahre vor Christus verwendet wurde. Die iranische Harfe wurde ungefähr 500 v. Chr. in<br />
Griechenland in Form und Größe verändert. In der Sassanidenzeit wurden rechtwinklige Harfen hergestellt.<br />
Prof. P. P. Delougaz und Dr. Helene J. Kantor haben auf den Tschoghamisch-Hügeln 40km südöstlich der<br />
Stadt Desful ein Siegel gefunden, das zeigt, dass es sich wahrscheinlich um das älteste bekannte<br />
Saiteninstrument der Welt handelt.<br />
Für die Rekonstruktion wurde sieben Jahre lang geforscht. Die Rekonstruierung erfolgt im Hakim-<br />
Wasserspeicher in Qazwin, da dort nach wissenschaftlichen Untersuchungen optimale Bedingungen bezüglich<br />
der Luftfeuchtigkeit und Temperatur herrschen. Bei der ersten Olympiade für Stadtplanung in Persepolis<br />
soll das Instrument der Öffentlichkeit präsentiert werden. Damit soll eine Hymne namens „Schöpfung“, die<br />
4000 Jahre alt ist, gespielt werden. Das Lied war auf einer Keilschrifttafel festgehalten worden und wurde<br />
durch eine Universität im Ausland mit heutigen Noten niedergeschrieben.<br />
N <strong>Info</strong>rmation Nr. <strong>36</strong><br />
7
iranistik<br />
Persische Gärten -<br />
ein Handbuch aus dem 16. Jahrhundert<br />
Von Univ. Prof. Dr. Rüdiger Lohlker<br />
Gärten sind nie Gegenstand der<br />
Diskussionen über Globalisierung<br />
oder die Verbindungen und die<br />
Grenzüberschreitungen zwischen<br />
verschiedenen Kulturen gewesen.<br />
Dabei sind es die Befunde der<br />
Geschichte der Garten- und<br />
Landschaftsarchitektur, die jenseits<br />
aller Ideologie eine Quelle für die<br />
Geschichte von Räumen bieten.<br />
Diese Quelle beginnt langsam zu<br />
fließen und bringt uns vielerlei<br />
<strong>Info</strong>rmationen über die Gärten<br />
persisch geprägter Gesellschaften und Kulturen,<br />
die wir ohne Zweifel als einen der vielen wichtigen<br />
Beiträge zur Weltkultur bezeichnen können.<br />
Die persische Gartenkultur geht – wie wir wissen<br />
– weit zurück bis in vorislamische Zeit, lässt sich<br />
sogar bis nach Mesopotamien zurück verfolgen.<br />
Den persisch geprägten Kulturen verdanken die<br />
europäischen den Begriff des Paradieses. Auch<br />
in semitische Sprachen ist das persische Wort für<br />
Garten eingegangen und in der koranischen<br />
Offenbarung eine innige Verbindung mit<br />
islamischen Paradiesvorstellungen eingegangen.<br />
In der Zeit der Achämeniden (685-330 v.Chr.)<br />
wird der Garten nicht nur zum integralen<br />
Bestandteil der Architektur, er wird direkt zum<br />
Fokus der Gestaltung des Raumes.<br />
Der Garten als Bild, als Konzept spielte immer<br />
eine wichtige Rolle in vielen Dimensionen persisch<br />
geprägter Kulturen. Wichtig für das Begreifen des<br />
Gartens als kulturelles Symbol sind nicht nur<br />
Prosaschriften oder Gedichte; auch<br />
Gartenteppiche oder die zahlreichen Miniaturen<br />
persischer Handschriften können uns helfen.<br />
Wir wollen die Endphase der Timuridenherrschaft<br />
(1<strong>36</strong>3-1506) im <strong>Iran</strong>, Zentralasien und Nordwesten<br />
der indo-pakistanischen Halbinsel und ihre Gärten<br />
betrachten.<br />
Das Modell der timuridischen Gärten hat auch nach<br />
ihrer Herrschaft großen Erfolg gehabt, so dass<br />
wir, wenn wir timuridische Gärten betrachten,<br />
8 Nr. <strong>36</strong><br />
einiges über den bedeutenden<br />
persischen Beitrag zur<br />
Kulturgeschichte allgemein und<br />
besonders zur Gartenkultur im<br />
erfahren. Diese Betrachtung wird<br />
dadurch erleichtert, dass wir aus der<br />
Timuridenzeit vielleicht eines der<br />
bedeutendsten persischen<br />
Gartenhandbücher überliefert haben:<br />
den Irshad az-zira’a („Leitfaden der<br />
Agrikultur“). Dieses Werk wurde 1515<br />
chr. Z. vollendet Es stützt sich auf<br />
etliche Vorgängerwerke, bezieht sich<br />
aber zugleich auf die gartenbauliche und<br />
landwirtschaftliche Tradition der Landschaft um<br />
Herat.<br />
Der Verfasser war Assistent des leitenden<br />
Agronomen und Hydrologen der Region um Herat<br />
im spättimuridischen Reich. Als hoher<br />
Verwaltungsbeamter fasst er die timuridische<br />
Gartenbaukunst zusammen. Es wird vermutet,<br />
dass das Werk zugleich ein Ratgeber für den<br />
Herrscher des zu dieser Zeit entstehenden<br />
Safawidenreiches ist.<br />
Irshad az-zira’a<br />
Der Irshad az-zira’a lässt sich in zwei Teile<br />
unterteilen: 1.) die Einleitung in einem recht<br />
pompösen offiziellen Stil, der zahlreiche<br />
<strong>Info</strong>rmationen u.a. zur Geistes- und<br />
Literaturgeschichte enthält. 2.) der Hauptteil mit<br />
acht Kapiteln: a) Beschreibung des Bodens und<br />
seiner Eignung für die Bebauung, b) über<br />
Astrologie und Kalender, Pflanzenschutz u.ä., c)<br />
Anbau von Feldfrüchten, d) Anbau von<br />
Weintrauben, e) Anbau von Gemüse, d) Anbau<br />
von Blumen, Duftpflanzen u.ä., e) über Bäume,<br />
Bienenzucht, Verarbeitung landwirtschaftlicher<br />
Produkte, f) Planung eines viergeteilten Gartens<br />
(tschahar bagh).<br />
Das Werk zeigt so einen Überblick über das<br />
Spektrum der Möglichkeiten, einen persischen<br />
<strong>Info</strong>rmation<br />
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iranistik<br />
Rekonstruktion eines Tschahar bagh (Subtelny 2002)<br />
I<br />
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Garten in timuridischer Zeit zu gestalten. Auffällig<br />
ist, dass entgegen landläufiger Meinung, auch im<br />
Plan, den wir im Irshad finden, eine Abweichung<br />
von der ‚klassischen‘ Form des viergeteilten<br />
Gartens finden. Es zeigt sich eine gewisse<br />
Asymmetrie im Gartendesign, die sich noch<br />
stärker in anderen zeitgenössischen<br />
Reiseberichten und Historikern findet. Die<br />
Beschreibung, die wir im Irshad finden, lässt sich<br />
am besten als Sammlung der Module, die für die<br />
timuridische Gartengestaltung vorhanden waren<br />
verstehen und nicht als ein strikt zu befolgendes<br />
Modell. Trotzdem vermag uns ein Blick auf eine<br />
Rekonstruktion eines Gartens nach dem letzten<br />
Kapitel des Irshad einen Einblick zu vermitteln.<br />
(Siehe Abbildung oben)<br />
Der Irshad az-zira’a ist nicht nur ein land- und<br />
gartenbauliches Handbuch. Er enthält auch eine<br />
Vielzahl von Versen, die sich auf das Thema der<br />
jeweiligen Abschnitte beziehen. Damit erweist<br />
sich zugleich als ein adab-Werk, ein Werk der<br />
schönen, aber zugleich lehrreichen Literatur.<br />
Literatur<br />
Der Garten ist immer wieder Gegenstand der<br />
persischen Literatur. Ganze Werke wie der<br />
„Rosengarten“, von Saadi, der im 19. Jahrhundert<br />
auch zum europäischen Bildungskanon gehörte,<br />
orientieren sich am Gartenthema. Die Elemente<br />
des Gartens treten uns immer wieder entgegen,<br />
in einer „Darstellungsweise, bei der der<br />
Vergleichsakt vollkommen verschwunden ist, und<br />
man unmittelbar an das Vergleichsobjekt<br />
herangeführt wird“, wie der Orientalist Hellmut<br />
Ritter (1927: 21) schreibt. So heißt es über den<br />
jungen Chosrau:<br />
„Noch ist ihm um die Rose (Wange) nicht<br />
gewachsen der Buchsbaum, von seiner freien<br />
Zypresse (schlanker Wuchs) ist die Zypresse frei<br />
(d.h. sie kann sich nicht damit messen).“ (Ritter<br />
1927: 30)<br />
Kommen wir aber zum Irshad az-zira’a zurück!<br />
Wie bereits erwähnt, bilden detaillierte<br />
Darstellungen einzelner Pflanzen einen wichtigen<br />
Bestandteil des Werkes.<br />
Maulbeere<br />
Betrachten wir ein Beispiel! Die Maulbeere wird<br />
in einem kleinen Abschnitt behandelt, der uns als<br />
Modell für diese Pflanzenbeschreibungen dienen<br />
kann:<br />
„Die Maulbeere<br />
Ihre süße Variante ist warm und feucht. Ihrer<br />
Natur nach ist sie weich; für den Magen ist sie<br />
schlecht [da in größeren Mengen abführend<br />
wirkend]. Ihr Gegenmittel ist Saures. Ihre saure<br />
Variante ist die Königsmaulbeere. Sie ist kalt und<br />
trocken. Gegen Beschwerden der Galle geeignet.<br />
Sie ist schwer verdaulich. Ihr Gegenmittel ist<br />
Süßes.<br />
Die Königsmaulbeere, gekommen aus dem<br />
Garten der Zufriedenheit [=Paradies],/als das<br />
Aug’ des Liebenden voller blut’ger Tränentropfen<br />
war<br />
N <strong>Info</strong>rmation Nr. <strong>36</strong><br />
9
iranistik<br />
– wir erinnern uns – nicht für einen Teil der<br />
Pflanzen des Paradieses steht; sie ist irdischer<br />
Ausdruck, direkt verbunden mit dem Paradies.<br />
In der Gestalt des Liebenden werden zugleich<br />
sufische Konzepte mit der Liebeslyrik verknüpft;<br />
sie erscheinen mit der Pflanze. Angespielt wird<br />
auf Gedichte u.a. eines Dichters aus Samarqand<br />
aus der Zeit der Entstehung des Irshad. Noch<br />
mehr: Mit Platon wird auf eine über den Islam<br />
hinausreichende Tradition referiert.<br />
Illustration von morus nigra, Maulbeeren<br />
(entnommen aus Wikipedia, Artikel „Maulbeere“)<br />
Für den Sprössling der süßen Variante gilt: Er kann<br />
auf drei Arten gewonnen werden: Die erste ist<br />
ein abgeschnittener Zweig vom ursprünglichen<br />
Baum, der zweite entspringt aus den Wurzeln des<br />
Baumes. Plato, der Weise, sagt: Wenn man ihn<br />
an einem Ort einpflanzt und er grün wird, versetzt<br />
man ihn an einen anderen Ort, der hell ist. Die<br />
dritte Art ist die des Ziehens aus dem Samen [...]<br />
Auf diese Weise wird sie süß und<br />
wohlschmeckend, so dass man aus ihr Sirup<br />
kochen kann. Aus den anderen Maulbeerarten,<br />
die süß sind, kann man auch Sirup kochen. [...]“<br />
(Qasim b. Yusuf 1968:194)<br />
Der kleine Auszug aus dem Irshad az-zira’a<br />
zeigt, dass die Pflanzen auf vielfältige Weise<br />
verwoben sind nicht nur in das (land-)<br />
wirtschaftliche Leben, auch die medizinische<br />
Verwendung spielt eine Rolle. Die Beziehung zum<br />
Paradies wird mitgedacht, wobei die Maulbeere<br />
10 Nr. <strong>36</strong><br />
Eingebunden ist dies in eine genaue Kenntnis der<br />
Erfordernisse land- und gartenwirtschaftlicher<br />
Arbeit und der Verwertungsmöglichkeiten der<br />
Gartenfrüchte. Und dies verweist uns darauf, dass<br />
„der Garten“ in persisch geprägten Kulturen nicht<br />
nur Lustgarten ist; er ist auch Nutzgarten. Diesen<br />
vielfältigen Garten zu pflegen, ist Aufgabe des<br />
Herrschers.<br />
Grtner<br />
In persischen Miniaturen können wir immer<br />
wieder Gärtner sehen, die ihrer Tätigkeit<br />
nachgehen. Diese für das europäische Auge<br />
ungewöhnlichen Bilder verweisen uns darauf, dass<br />
die Idee des königlichen Gärtners seit langem Teil<br />
der persischen Herrschaftsideologie ist – nicht nur<br />
der persischen, gewiss auch über den <strong>Iran</strong> hinaus.<br />
Engelbert Kaempfer, ein Reisender des<br />
siebzehnten Jahrhunderts, schrieb über Abbas I.<br />
(1587-1629):<br />
„Bei der Planung des Tschahâr Bâgh habe er,<br />
so heißt es, mit eigener Hand das Lineal geführt<br />
– darin sich als echter zu lobender Nachfahre des<br />
großen Kyros erweisend, der, wie man bei<br />
Xenophon lesen kann, das Entwerfen<br />
gärtnerischer Anlagen als eine königliche<br />
Beschäftigung ansah und sogar nicht selten mit<br />
eigener Hand Pflanzen gesetzt oder Baumzeilen<br />
abgesteckt haben soll.“ (Kaempfer 1977: 226)<br />
In dieser Tradition ist es nicht verwunderlich, sich<br />
intensiv mit Gärten zu beschäftigen. Der Autor<br />
des Irshad az-zira’a stellt selber die Herrscher<br />
seiner Zeit in die vorislamische Tradition. Er<br />
bezeichnet den Herrscher, dem das Werk<br />
gewidmet ist, als „Pflüger des Reiches“.<br />
Die Figur des Gärtners führt uns wiederum auch<br />
<strong>Info</strong>rmation<br />
I<br />
R<br />
A<br />
N
zur religiösen<br />
Dimension der<br />
Gärten in persisch<br />
geprägten<br />
Kulturen. Der<br />
sufische Dichter<br />
Dschalaladdin<br />
Rumi sagt z.B.,<br />
wenn er von der<br />
Gottesliebe<br />
spricht: „Man<br />
sagt, der Meister<br />
ist der Liebende<br />
jenes Gärtners<br />
geworden./Such<br />
ihn in den Gärten<br />
oder am Ufer<br />
des Baches.“<br />
iranistik<br />
I<br />
R<br />
A<br />
Ein wichtiger<br />
Schritt zur<br />
Erfassung der<br />
persischen<br />
Gartenkultur<br />
wäre eine genaue<br />
Untersuchung<br />
des<br />
Irshad azzira’a,<br />
die auch<br />
eine genaue<br />
Identifikation der<br />
darin beschriebenen<br />
Pflanzen<br />
einschließt.<br />
Damit könnte<br />
der persische Beitrag zur Gartenkultur der Welt<br />
viel besser gewürdigt werden als bisher<br />
geschehen. Der Garten könnte als integraler<br />
Bestandteil persisch geprägter Kulturen in seinen<br />
unterschiedlichen Dimensionen begriffen werden.<br />
Darüber hinaus kann die Figur des Gärtners ein<br />
wichtiges Symbol für zeitgenössische<br />
Bestrebungen ökologischen Umgangs mit der<br />
Natur werden.<br />
Literatur<br />
Miniatur aus der Moghulzeit (Titley 1979)<br />
Engelbert Kaempfer: Am Hofe des persischen<br />
Großkönigs 1684-1685. Tübingen/Basel 1977<br />
Qasim b. Yusuf Abu Nasri Harawi: Irshad azzira’a.<br />
Ed. Mohammad Moshiri. Teheran 1346/<br />
1968<br />
Hellmut Ritter: Über die Bildersprache Nizamis.<br />
Berlin/Leipzig 1927<br />
Maria E. Subtelny: Le monde est un jardin.<br />
Aspects de l’histoire culturelle de l’<strong>Iran</strong><br />
médévale. Paris 2002<br />
Norah M. Titley: Plants and Gardens in Persian,<br />
Mughal and Turkish Art. London 1979<br />
Wir danken Herrn Univ. Prof. Dr.<br />
Rüdiger Lohlker für seinen Beitrag!<br />
N <strong>Info</strong>rmation Nr. <strong>36</strong><br />
11
iranistik<br />
Die Rolle der Qanate bei der architektonischen<br />
Gestaltung und beim Stadtbau von Yasd<br />
Von Prof. Dr. Kazem Mondegari<br />
Aus dem Persischen von Susanne Baghestani<br />
Gekürzt von der Redaktion der <strong>Iran</strong> <strong>Info</strong>rmation.<br />
Qanate dienen in Wüstengebieten seit<br />
Jahrtausenden für die Wasserversorgung. Ein<br />
Qanat besteht aus einem leicht geneigten,<br />
unterirdischen Kanal, dessen Einfluss am Fue<br />
eines Berges ist und der bei den Ackerflchen<br />
hervortritt. Am Anfang gibt es einen<br />
Mutterbrunnen, der 150 m bis 200 m tief ist<br />
und einen Durchmesser von 1 m bis 2 m hat,<br />
um das Grundwasser zu erreichen. In<br />
regelmigen Abstnden werden auf einem<br />
abschüssigen Gelnde weitere, immer kürzere<br />
Brunnen gegraben. Diese werden dann mit<br />
einem unterirdischen Kanal verbunden. Die<br />
Brunnen dienen zur Entlüftung und um das<br />
Gerll auszurumen. Wenn der Qanat verstopft<br />
wird, kann er von den ffnungen aus gereinigt<br />
und instand gesetzt werden. Die ersten Qanate<br />
gab es wahrscheinlich schon vor4000 Jahren<br />
im <strong>Iran</strong>. Von dort verbreiteten sie sich vor allem<br />
über die Seidenstrae bis nach Indien und<br />
China, sowie nach Syrien, gypten und den<br />
gesamten Maghreb bis nach Spanien und<br />
Sizilien. Die Qanattechnik übte ihren Einfluss<br />
sogar bis ins rmische Reich hinein und bis<br />
nach Südamerika aus.<br />
Die Städte und Dörfer der Wüstenregionen <strong>Iran</strong>s,<br />
insbesondere die Stadt Yasd, waren in ihrer<br />
Entstehung, Entwicklung und Überlebensfähigkeit<br />
immer schon existentiell abhängig von verfügbaren<br />
Wasserressourcen. Zu einer der wichtigsten und<br />
außerordentlichsten Methoden der Wassergewinnung<br />
in dieser Region zählt dabei die<br />
Nutzung von Qanaten.<br />
In Yasd bestimmte die Infrastruktur zur<br />
Wasserversorgung, d. h. die Nutzung der Qanate,<br />
die Art der Anordnung der Wasserreservoirs, der<br />
öffentlichen Bäder und kleiner Kanäle, die zu den<br />
Hauptelementen der Wohnviertel zählen. Eigentlich<br />
waren es die unterirdischen Wasservorräte der<br />
Stadt, die die darüber liegenden Flächen gestaltet<br />
haben.<br />
12 Nr. <strong>36</strong><br />
Die Kultur der Qanate<br />
Die Lage der Stadt Yasd an der iranischen Wüste,<br />
Kawir, und der damit einhergehende Mangel an<br />
ausreichendem Oberflächenwasser, verlangte<br />
seit alters her die Errichtung von unterirdischen<br />
Bewässerungskanälen. Und so finden sich bis<br />
heute Qanate, die zeitgleich oder sogar schon vor<br />
der Gründung von Yasd entstanden sind, wie<br />
beispielsweise der Qanat Firusabad<br />
Madschumard. Der Qanat ist aber nicht nur als<br />
Quelle zur Wasserversorgung, sondern auch<br />
aufgrund seiner besonderen Technologie, die im<br />
Gebiet von Yasd perfektioniert wurde, und wegen<br />
seines kulturellen Wertes bedeutsam. Deswegen<br />
sollte seine Erforschung und Bewahrung nicht nur<br />
ein nationales sondern ein internationales und<br />
interkulturelles Anliegen sein.<br />
Rund um die Qanate hat sich eine ganze<br />
Kulturform entwickelt, die besondere Merkmale<br />
aufweist und die mit der Nutzung dieser speziellen<br />
Bewässerungsform zu tun hat. Ganze Siedlungen<br />
und Städte entstanden im Laufe der Zeit rund<br />
um Qanate, die allerdings auf Grund ihrer weiten<br />
Zerstreutheit, der geringen Bevölkerungsdichte<br />
und der andauernden Wasserknappheit niemals<br />
Überschuss produzieren konnten. In Folge<br />
wurden so das Entstehen einer sozialen,<br />
wirtschaftlichen und politischen Einheit und die<br />
Entwicklung überregionaler Herrschaftsformen<br />
wie des Feudalismus verhindert und ein<br />
beständiges Kleinbauerntum konnte sich in jenen<br />
Gebieten entwickeln. Auch die Wasserverwalter<br />
und Verteilungsaufseher konnten wegen der<br />
komplizierten Strukturen und des geringen<br />
Wasservolumens der Qanate nicht genügend<br />
Macht erringen, um diese auch weitreichend<br />
politisch oder sozial nützen zu können, wie etwa<br />
bei pharaonischen Herrschaftsformen. Und so<br />
erfolgte die Errichtung von Qanaten auch selten<br />
durch Könige oder große Machthaber sondern<br />
in der Regel durch eine Gruppe gewöhnlicher<br />
<strong>Info</strong>rmation<br />
I<br />
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A<br />
N
Die Rolle der<br />
Qanate bei der<br />
Entwicklung<br />
grundlegender<br />
urbaner Strukturen<br />
iranistik<br />
I<br />
R<br />
A<br />
Bauern oder angesehener Persönlichkeiten der<br />
Stadt, die über besonderes Kapital verfügten.<br />
<strong>Info</strong>lgedessen hat sich auch die urbane Struktur,<br />
wie heutzutage noch ersichtlich, auf vollkommen<br />
volksnahe Weise jenseits von imperialem Prunk<br />
entwickelt. Aufgrund der beschränkten natürlichen<br />
Ressourcen hat sich die Bevölkerung am Rande<br />
der iranischen Wüste ihre Grundlagen zusätzlich<br />
durch Kunsthandwerk, Handel und Sparsamkeit<br />
gesichert und eine technologisch fortgeschrittene,<br />
friedfertige und dialogbereite Mentalität<br />
hervorgebracht. Deswegen konnten sich ihre<br />
Städte selbst in schwierigen Zeiten in<br />
angemessener Weise langsam, organisch und den<br />
Verhältnissen und Bedürfnissen der Bevölkerung<br />
entsprechend weiterentwickeln. Selbst während<br />
der Herrschaft der Qadscharen konnten die in<br />
Yasd eingesetzten Lokalverwalter mangels ihrer<br />
Kenntnisse bezüglich der örtlichen<br />
Produktionsbedingungen und der Bedeutung der<br />
Qanate kaum etwas ausrichten und die<br />
wirtschaftliche und politische Macht blieb bei jenen<br />
Mitgliedern der Gemeinschaft, die seit jeher für<br />
die Instandhaltung der Qanate zuständig waren.<br />
So haben die durch die Qanate bedingten<br />
Umstände tatsächlich zur Entstehung einer<br />
spezifischen Kultur am Rande der iranischen<br />
Wüste geführt.<br />
Die Streckenführung<br />
der Qanate und deren<br />
Einfluss auf die<br />
strukturelle<br />
Entwicklung der Stadt<br />
sind bis zu einem<br />
gewissen Grad<br />
verborgen geblieben,<br />
weil sie an der<br />
Oberfläche nicht<br />
sichtbar sind. Die<br />
wichtigsten Qanate<br />
von Yasd wurden mit<br />
dem Ziel gegraben, die<br />
umliegenden Dörfer<br />
mit Wasser für die Landwirtschaft zu versorgen,<br />
aber auch für die allgemeine Versorgung mit<br />
Trinkwasser, wie beispielsweise der Qanat von<br />
Waqf-Abad, der aus Richtung der Stadt Taft kam<br />
und die meisten Wasserreservoirs von Yasd<br />
auffüllte. Eine zusätzliche Funktion der Qanate,<br />
die von entscheidender Bedeutung für die urbane<br />
Struktur ist, ist auch ihre Rolle als Kanalisation,<br />
die für Wüstenstädte mit Lehmziegelbauten im<br />
Falle von Überschwemmungen äußerst wichtig<br />
ist.<br />
In Yasd stehen alle Anlagen, die im<br />
Zusammenhang mit Wasser zu finden sind, in<br />
Verbindung mit den Qanaten. Der Standort jeder<br />
Anlage wurde durch den Wasserpegel des Qanats<br />
bestimmt, der diese bewässerte. Die spezifischen<br />
klimatischen Bedingungen von Yasd erforderten<br />
außerdem die Existenz öffentlicher Orte zur<br />
Benutzung von Wasser, die sich allmählich in<br />
markante Elemente der Stadt verwandelten und<br />
großen Einfluss auf die Gestaltung der Zentren,<br />
der Wohnviertel und der Basare ausübten. Als<br />
weitere Anlagen, die von den Qanaten abhängig<br />
sind, seien auch öffentliche Bäder oder Mühlen<br />
erwähnt, deren örtliche Anordnung zahlreiche<br />
Besonderheiten des Streckenverlaufs der Qanate<br />
verdeutlicht.<br />
N <strong>Info</strong>rmation Nr. <strong>36</strong><br />
13
iranistik<br />
Die Rolle der Hauptmoschee als Verteiler<br />
der Qanate<br />
In Anbetracht der besonderen Bedeutung von<br />
Qanaten im Leben der Bevölkerung versuchte<br />
man zum Zwecke der Sicherung der damit<br />
verbundenen Rechte, auch die Unterstützung der<br />
Geistlichen zu gewinnen. So wurden beispielsweise<br />
Urkunden über Besitz und Nutzungsrechte<br />
der Qanate an den Wänden der Hauptmoschee<br />
angebracht. Der Verlauf der wichtigsten Qanate<br />
der Stadt durch die Hauptmoschee und die dort<br />
befindlichen Hauptverzweigungen sollten zusätzlich<br />
zur Gewährleistung eines leichten Zugangs<br />
zum Wasser beitragen und verwandelten die<br />
Moschee dabei auch in ein Zentrum des gesellschaftlichen<br />
Lebens und Austausches.<br />
Die Rolle des Wasserpegels für die Formen<br />
der Architektur<br />
14 Nr. <strong>36</strong><br />
Die Änderung des Wasserverlaufs auf<br />
unterschiedliche Niveaus während der Geschichte<br />
von Yasd hat unterschiedliche Formen der<br />
Wohnarchitektur erzeugt. So hat beispielsweise<br />
die Existenz von Oberflächengewässern neben<br />
unterirdischen Wasserquellen (etwa im 15.<br />
Jahrhundert) die Bewässerung von Gartenanlagen<br />
und Feldern innerhalb der Stadt ermöglicht und in<br />
urbaner wie auch in architektonischer Hinsicht zur<br />
Entstehung besonderer Bauformen geführt. Die<br />
Ausgestaltung von Yasd in mehreren Epochen als<br />
Garten-Stadt sorgte für besondere mikroklimatische<br />
Bedingungen. Als sich die Oberflächengewässer<br />
allmählich verringerten und die Gärten<br />
und Felder an den Stadtrand verlegt wurden,<br />
erhöhte sich die Dichte der Wohngebäude<br />
innerhalb der Stadt, die auf ehemaligen Gärten und<br />
Feldern errichtet wurden und die sich für<br />
gewöhnlich auf einem niedrigeren Niveau als die<br />
ursprünglichen Wohngebiete befanden. Weil der<br />
Zugang zum Qanatwasser auf dem Niveau der<br />
Untergeschoße aber immer noch verfügbar war,<br />
wurde die Entstehung einer anderen<br />
Architekturform in Gestalt von „Gruben-Gärtchen“<br />
begünstigt. Selbst in der Epoche der Qadscharen,<br />
in der der Zugang zum Wasser nur mehr auf<br />
niedrigerem Niveau möglich war, wurden kühle<br />
Bereiche durch die Kellerräume und ihre<br />
Verbindung zu fließendem Qanatwasser durch<br />
Brunnenhäuser ermöglicht. Diese architektonischen<br />
Merkmale trafen auf beinahe alle<br />
historischen Gebäude der Stadt Yasd zu.<br />
Die Auswirkungen der Wassernutzung in der<br />
Architektur<br />
Weil Qanate in der Regel mehrere Gebiete<br />
durchquerten, konnten sie der Bevölkerung<br />
niemals wirklich zuverlässig Trinkwasser zur<br />
Verfügung stellen. Deswegen wurde für<br />
gewöhnlich ein separater Brunnen gegraben,<br />
wegen der Verminderung des Wassers oft in<br />
große Tiefen, um die Versorgung mit Trinkwasser<br />
zu gewährleisten. Ein Beispiel ist der Brunnen von<br />
Tschehel Gas, der rund 50 Meter tief war. In<br />
Wohngebäuden wurde meist ein spezielles<br />
„Brunnenhäuschen“ auf einem höheren Niveau<br />
als dem der Orte der Wasserbenutzung errichtet.<br />
Das Wasser wurde dann mithilfe einer Winde und<br />
eines Dalw (ein Ledereimer, der das Wasser aus<br />
dem Brunnen hinaufbeförderte) in einen Tank<br />
gegossen und dann durch Tonröhren in<br />
verschiedene Bereiche des Gebäudes<br />
transportiert. Das Qanatwasser wurde zum<br />
Auffüllen des Wasserbeckens und für andere<br />
Zwecke und das Brunnenwasser für die Küche<br />
und als Trinkwasser verwendet.<br />
Die Verbindung des Qanats mit dem System<br />
der Windzufuhr der Wohngebäude<br />
Eines der spezifischen Merkmale der Architektur<br />
von Yasd sind die Windtürme. Die günstigen Winde<br />
der Region können dabei innerhalb des<br />
Wohnraums genützt werden, während bei<br />
ungünstiger Windlage feuchte und kühle Luft<br />
innerhalb des Gebäudes zirkulieren kann. Das<br />
System funktioniert nur durch extreme<br />
Temperaturunterschiede zwischen zwei Punkten.<br />
Die Windtürme werden dabei als höchstes<br />
Element des Gebäudes der starken Sonnenstrahlung<br />
ausgesetzt und heißer als dessen übrigen<br />
Punkte. Als Gegenpol dazu benützt man die<br />
feuchte und kühle Luft, die aus dem Keller von<br />
einem Wasserbecken kommt, das man unterhalb<br />
des Windturmes errichtet. Um dieses Wasserbecken<br />
des Windturmes mit einem Qanat zu<br />
verbinden, sind Brunnen notwendig, was zu<br />
architektonischer Sonderformen geführt hat.<br />
Wir danken Herrn Prof. Mondegari<br />
für seinen Beitrag!<br />
<strong>Info</strong>rmation<br />
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Teheran heute<br />
1. Teil<br />
tourismus<br />
I<br />
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N <strong>Info</strong>rmation Nr. <strong>36</strong><br />
15
tourismus<br />
In diesem Artikel werden allgemeine<br />
<strong>Info</strong>rmationen über Teheran in der<br />
heutigen Zeit gegeben und weitere<br />
Paläste und Museen vorgestellt.<br />
Aufgrund der Bedeutung dieser Stadt<br />
soll sie in einer weiteren Fortsetzung<br />
noch ausführlicher vorgestellt<br />
werden. Dort werden z. B. der<br />
Verkehr, weitere Museen und auch<br />
moderne Sehenswürdigkeiten<br />
beschrieben.<br />
Darband im Norden Teherans<br />
Der Artikel „Teheran bis zum 19. Jahrhundert“<br />
(<strong>Iran</strong> <strong>Info</strong>rmation Nr. 34) beschrieb die ältere<br />
Geschichte Teherans und einige historische<br />
Sehenswürdigkeiten. In der letzten Ausgabe der<br />
Zeitschrift (<strong>Iran</strong> <strong>Info</strong>rmation Nr. 35) wurde die<br />
Entwicklung Teherans bis zur Konstitutionellen<br />
Revolution und in der Zeit der Pahlavi Dynastie<br />
bis zur Islamischen Revolution 1979 sowie<br />
Gebäude aus dieser Zeit beschrieben.<br />
16 Nr. <strong>36</strong><br />
Die Entwicklung Teherans seit<br />
der Islamischen Revolution<br />
In der Zeit des vom Irak auferlegten<br />
Krieges wurde Teheran seit 1980<br />
immer wieder das Ziel von<br />
Luftangriffen der irakischen<br />
Luftwaffe. Ab 1985 kam es auch zu<br />
Raketenangriffen, bei denen vor<br />
allem Zivilisten getötet wurden. Als<br />
Folge des Krieges war die<br />
Entwicklung der Stadt in den achtziger<br />
Jahren des letzten Jahrhunderts stark<br />
eingeschränkt. Erst danach begann<br />
eine rege Bautätigkeit, die sowohl die<br />
Infrastruktur als auch den Wohnbau<br />
umfasste, wodurch sich Teheran<br />
rasch vergrößerte.<br />
Allgemeine <strong>Info</strong>rmationen über<br />
die Stadt<br />
Geographie<br />
Die Provinz Teheran liegt zwischen 35° und <strong>36</strong>,5°<br />
nördlicher Bereite sowie 50° und 53° östlicher<br />
Länge. Ihre Fläche beträgt 19 195 km², die Stadt<br />
selbst umfasst ungefähr 716 km². Teheran liegt<br />
in einer erdbebengefährdeten Zone. Mehrmals<br />
im Jahr kommt es zu leichteren Erdbeben, das<br />
letze große, mit einer Stärke von 7,0 auf der<br />
Richterskala, ereignete sich im Jahre 1830.<br />
Damals wurden fast alle Häuser zerstört und viele<br />
Menschen starben. Im Durchschnitt kommt es<br />
alle 150 Jahre zu einem solchen Ereignis. Die<br />
landwirtschaftlichen Produkte in dieser Provinz<br />
sind Weizen, Hafer, Mais, Bohnen, Linsen,<br />
Baumwolle, Erdäpfel, Zwiebeln, Tomaten,<br />
Wasser-, Zucker- und Honigmelonen, Gurken,<br />
<strong>Info</strong>rmation<br />
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A<br />
N
Äpfel, Birnen, Quitten und viele andere<br />
Obstsorten.<br />
Die Stadt liegt zwischen den Flüssen Karadsch<br />
im Westen und Dschadschrud im Osten, an denen<br />
in den letzten Jahren Staudämme errichtet wurden<br />
und die sich in der Nähe der Salzwüste südöstlich<br />
der Stadt vereinigen. Einige Wasserläufe in der<br />
Stadt führen nur im Frühjahr Wasser. Das<br />
Trinkwasser in der Stadt stammt von den Bergen<br />
und hat gute Qualität.<br />
Klima<br />
Der Süden der Stadt auf einer Höhe von ungefähr<br />
1000 m weist ein heißes und trockenes Klima auf,<br />
da er an die Wüste „Dascht-e Kavir“ grenzt, der<br />
nördliche Rand, der an den Abhängen des<br />
Elbursgebirges auf eine Höhe von über 1600 m<br />
reicht, ist um einige Grad kühler und feuchter. Der<br />
Totschal nördlich der Stadt erreicht eine Höhe von<br />
3933 m und der Damavand, der höchste Berg des<br />
<strong>Iran</strong>s, mit seinen 5610 m liegt nur ungefähr 70 km<br />
entfernt. Die Stadt weist also in ihren drei Zonen<br />
vom Norden, der an den Abhängen liegt, über die<br />
Gebiete am Fuße der Berge bis zu den<br />
wüstenhaften Regionen im Süden ein Gefälle auf.<br />
Die Berge nördlich, westlich und östlich von<br />
Teheran führen dazu, dass die Wetterlage meist<br />
stabil ist. Im Süden und Südwesten erstreckt sich<br />
die Stadt bis zu den Bergen von Ray und Bibi<br />
Schahrbanu und den Steppen von Schahriar und<br />
Waramin. Der durchschnittliche Jahresniederschlag<br />
beträgt 220 mm. Die durchschnittliche<br />
Monatstemperatur erreicht im<br />
Sommer (Juli) ungefähr 30 °C, die Höchstwerte<br />
betragen bis zu 43 °C, und sinkt im Winter<br />
(Jänner) auf ungefähr 2,5 °C, wobei auch eine<br />
Tiefsttemperatur von -15 °C gemessen wurde.<br />
Die Jahresdurchschnittstemperatur beträgt 16,5<br />
°C. An <strong>36</strong> Tagen im Jahr gibt es Frost. Die<br />
durchschnittliche Luftfeuchtigkeit beträgt 40 %.<br />
Leider ist die Luft besonders durch den starken<br />
Autoverkehr mit Smog stark verschmutzt.<br />
Bevölkerung<br />
Die Bevölkerung in der Provinz betrug 2006<br />
ungefähr 13,4 Millionen Personen. Diese Region<br />
tourismus<br />
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Am 13. Tag des neuen iranischen Jahres im Frühling begeben sich die Teheraner in die Natur.<br />
N <strong>Info</strong>rmation Nr. <strong>36</strong><br />
17
tourismus<br />
ist damit das am dichtesten besiedelte Gebiet im<br />
<strong>Iran</strong>. Der Anteil der in Teheran lebenden <strong>Iran</strong>er<br />
ist bis ungefähr 1976 auf 30, 4 % gestiegen. Seither<br />
blieb das Wachstum der Hauptstadt hinter anderen<br />
Landesteilen zurück und betrug 2006 19 %. In<br />
der Stadt selbst leben 7,8 Millionen Menschen.<br />
Vor ungefähr zehn Jahren waren 98,8 % der<br />
Stadtbevölkerung Muslime, 0,8 % Christen<br />
verschiedener Konfessionen, 0,2 % Juden und 0,1<br />
% Zoroaster. In der Stadt gab es 2002 ungefähr<br />
5500 Ärzte und 29 000 Krankenhausbetten. 88,4<br />
% der Teheraner waren vor zehn Jahren<br />
Alphabeten, bei den Männern waren es 91,2 %<br />
und bei den Frauen 85,5 %. Es gab 3 Millionen<br />
Schüler und 106 Bibliotheken. 3 % der<br />
Arbeitskräfte waren in der Landwirtschaft<br />
beschäftigt, in der Industrie 23,4 % und im<br />
Dienstleistungssektor 73,6 %.<br />
während sie in den nördlichen Stadtteilen bei nur<br />
40 bis 90 Personen pro Hektar liegt. Die Dichte<br />
im eigentlichen Stadtzentrum sank in den letzten<br />
Jahren, während sie in neu besiedelten Gebieten<br />
rasch anstieg.<br />
Weitere Sehenswürdigkeiten in Teheran<br />
Im Artikel „Teheran bis zum 19. Jahrhundert“<br />
wurden geschichtliche Gebäude, der Basar und<br />
Wallfahrtsorte in Teheran vorgestellt. In der letzten<br />
Ausgabe wurden von den Sehenswürdigkeiten in<br />
Teheran die Masdschide-Motahhari, Kirchen und<br />
einige Schlösser bzw. Paläste beschrieben.<br />
Weitere Schlösser bzw. Paläste<br />
Kache Marmar, d. h. Marmorpalast<br />
In der Provinz gibt es kaum besiedelte,<br />
steppenartige und nicht verbaute Gebiete sowie<br />
Bergregionen, dicht bevölkerte Wohngebiete und<br />
Industriezonen.<br />
In den letzten<br />
Jahrzehnten<br />
sind vor allem<br />
die Vorstädte<br />
rasch gewachsen,<br />
in<br />
denen ungefähr<br />
30 % der Bevölkerung<br />
leben. Die Zahl<br />
der Bewohner<br />
in Dörfern in<br />
der Umgebung<br />
der Stadt stieg<br />
oft rapide an,<br />
ohne dass es<br />
dort eine<br />
entsprechende<br />
Infrastruktur<br />
und Planung<br />
gab. Die Einwohnerdichte<br />
in den südlichen,<br />
ärmeren<br />
Stadtgebieten<br />
beträgt über<br />
400 Personen<br />
pro Hektar,<br />
Innenansicht des Kache Marmar (Marmorpalast)<br />
18 Nr. <strong>36</strong><br />
Dieses Schloss im Zentrum von Teheran wurde<br />
von Reza Schah Pahlavi in den Jahren 1934 bis<br />
1937 (1313 bis 1316 h. s.) erbaut und auch von<br />
<strong>Info</strong>rmation<br />
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Kache Sefid (Weier Palast)<br />
seinem Sohn benützt. Seine Fläche beträgt 2870<br />
m² und es liegt in einem Park. Es wurde bereits<br />
im Jahre 1976 (1355 h. s.) in ein Museum<br />
umgewandelt.<br />
Die Saadabad-Paläste<br />
Reza Schah im Sommer dem Empfang<br />
von Gästen und unter seinem Sohn<br />
ganzjährig für ausländische Gesandte.<br />
Der weiße Marmor für das Gebäude<br />
stammt aus Yasd und Chorasan. Dieser<br />
Palast umfasst 54 Räume und 10 Säle,<br />
dessen größter der Talar-e Kach ist.<br />
Dort befindliche Wandmalereien zeigen<br />
Szenen aus dem Schahname. Der<br />
größte Teppich im Weißen Palast hat<br />
eine Fläche von 145 m², ein Teil der<br />
Wände der Räume wurde mit<br />
Seidenstoffen geschmückt. In diesem<br />
Museum wird eine Kollektion von<br />
Keramiken, die bis zu 6000 Jahre alt<br />
sind, aufbewahrt. Der Palast wurde mit<br />
Leuchtern aus der Tschechoslowakei,<br />
Frankreich und Italien geschmückt,<br />
deren größte 108 Arme haben. Das<br />
Schloss hat eine Nutzfläche von 5 000<br />
m² auf zwei Geschossen.<br />
Kache Sabs, d. h. Grüner Palast, oder Kache<br />
Schahvand<br />
Dieses Schloss, das auch grünes Museum genannt<br />
wird, ist eines der schönsten in Saadabad und<br />
tourismus<br />
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Die Saadabad-Anlage liegt auf<br />
einem 410 ha großen Parkareal<br />
am Nordrand von Teheran am<br />
Fuße des Elbursgebirges. Dort<br />
befinden sich 18 Paläste aus der<br />
Qadscharen- und Pahlavizeit.<br />
Reza Schah lebte dort um 1921<br />
(1300 h. s.) und sein Sohn<br />
Muhammad Reza ab 1971<br />
(1350 h. s.). Dieser Komplex<br />
hat acht Tore.<br />
Kache Sefid, d. h. Weißer<br />
Palast<br />
Das Kache Sefid, das jetzt<br />
auch Mellat Museum genannt<br />
wird und in den Jahren 1931<br />
(1310 h. s.) bis 19<strong>36</strong> (1315 h.<br />
s.) errichtet wurde, war in der<br />
Schahzeit der größte Palast in<br />
dieser Anlage. Es diente unter<br />
Kache Sabs (Grüner Palast) Innenansicht<br />
N <strong>Info</strong>rmation Nr. <strong>36</strong><br />
19
tourismus<br />
wurde in den Jahren 1921 (1300 h. s.) bis 1928<br />
(1307 h. s.) erbaut. Es hat eine Fassade aus<br />
grünem Marmor aus der Stadt Sandschan und liegt<br />
im Nordwesten der Anlage. Die Fläche des<br />
Gebäudes mit zwei Etagen beträgt 1203 m². In<br />
diesem Palast gibt es mehrere Säle (pers. Talar).<br />
Im Erdgeschoss befinden sich der Spiegelsaal, der<br />
Empfangs- und Arbeitsraum und der Speisesaal.<br />
In der Zeit von Muhammad Reza Schah, wurden<br />
in diesem Gebäude internationale Staatsgäste<br />
empfangen. Im Grünen Palast gibt es<br />
außergewöhnliche Stuckaturen, Spiegelmosaike,<br />
Malereien und Einlegearbeiten.<br />
Kache Siah, d. h. Schwarzer Palast<br />
Das dreigeschossige Gebäude, in dem sich jetzt<br />
das Museum für Schöne Künste befindet, liegt an<br />
der Südseite des Saadabad Komplexes und hat<br />
eine Fläche von <strong>36</strong>00 m². Es stammt aus der Zeit<br />
von Reza Schah und in den Jahren vor der<br />
Revolution war dort das „Hofministerium“. Der<br />
Name des Palastes stammt von dessen<br />
schwarzem Marmor, der aus der Stadt Tschalus<br />
in der Provinz Masanderan kommt. Im Museum<br />
für Schöne Künste sind Gemälde iranischer und<br />
ausländischer Maler aus dem Besitz von Farah<br />
Diba ausgestellt. Im Erdgeschoss befinden sich<br />
Werke iranischer Künstler vom 16. bis zum<br />
Anfang des 20. Jahrhunderts. Im Tiefgeschoss<br />
wird eine Auswahl der Volkskunst der Teehausoder<br />
Kaffeehaus-Malerei präsentiert. Im ersten<br />
Stock gibt es Bilder europäischer Künstler, wie<br />
Salvatore Dali, und der iranischen Moderne.<br />
Kache Leila<br />
Dieser Palast wurde nach der jüngsten Tochter<br />
von Muhammad Reza Schah benannt. Seit 1994<br />
(1373 h. s.) werden dort 256 Werke der<br />
Miniaturmalerin Klara Abkar ausgestellt. Abkar<br />
(1915 – 1996 / 1294 h. s. – 1375 h. s.) malte<br />
sowohl Miniaturen als auch mit Wasserfarben.<br />
Bei ihren Miniaturen ließ sie sich von den<br />
Gedichten über Chosrow-o Schirin, Laili-o<br />
Madschnun und Yusof-o Suleiha inspirieren. Sie<br />
malte auch manchmal auf Elfenbein.<br />
Kache Waliahd, d. h. Palast des Kronprinzen<br />
Darin befindet sich das Behzad Museum seit dem<br />
100. Geburtstag des berühmten persischen<br />
Kache Schams<br />
20 Nr. <strong>36</strong><br />
<strong>Info</strong>rmation<br />
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tourismus<br />
Nationalmuseum (Die Fassade des Museums wurde im Stil des Kasra Schlosses der Hauptstadt<br />
Ktesiphon der Sassaniden errichtet.)<br />
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Malers 1994 (1373 h. s.) mit Miniaturen des<br />
Meisters.<br />
Kache Farahnaz wa Ali Reza<br />
Dieser Palast wurde nach zwei Kindern von<br />
Muhammad Reza Schah benannt. Dort befindet<br />
sich das Mir Emad Museum, das auf zwei<br />
Stockwerken Kalligraphien besonders von Mir<br />
Emad (1554 – 1615 / 961 h. q. – 1024 h. q.), dem<br />
wohl berühmtesten Kalligraphen des <strong>Iran</strong>s,<br />
präsentiert.<br />
Weitere Paläste im Saadabad Komplex sind:<br />
Kache Wische, in dem sich ein naturhistorisches<br />
Museum befindet, Kache Schams, das der Palast<br />
der Schwester des Schahs war und in dem sich<br />
derzeit das Museum für Völkerkunde befindet,<br />
Kache Aschraf, benannt nach der<br />
Zwillingsschwester von Muhammad Reza Schah,<br />
wo sich seit der Revolution das Geschirrmuseum,<br />
das Museum für historische Tontafeln und auch<br />
das Handwerksmuseum befinden, Kache Ahmad<br />
Reza, das im Jahre 2002 (1381 h. s.) in eine<br />
Bibliothek umgewandelt wurde, die 10000 Bücher<br />
z. B. aus den Bereichen Literatur, Geschichte,<br />
Geographie, Archäologie, Kunst und Architektur<br />
umfasst, Kache Golam Reza, Kache Abdur Reza,<br />
Kache Bahman, Kache Ahmad Schah, das der<br />
älteste Palast in dieser Anlage ist und im Jahre<br />
1918 (1297 h. s.) in der Regierungszeit von Ahmad<br />
Schah Qadschar errichtet wurde, und Kache<br />
Malake Madar, dem Palast der Schahmutter, in<br />
dem derzeit ausländische Gäste des iranischen<br />
Präsidenten empfangen werden.<br />
Museen<br />
Als Naser-ed-din Schah bei seiner zweiten Reise<br />
nach Paris die dortigen Museen besuchte,<br />
beeindruckte ihn dies sehr. Deshalb wurde nach<br />
seiner Rückkehr der Bau eines Museums geplant.<br />
Fünf Jahre später erhielten der Franzose Marcel<br />
Auguste Diew Lafoy und seine Frau die Erlaubnis<br />
in Persien Ausgrabungen durchzuführen. Im Jahre<br />
1907 (1286 h. s.) wurde ein Amt für alte<br />
Gegenstände im <strong>Iran</strong> geschaffen. Heute gibt es<br />
in Teheran ungefähr 30 Museen.<br />
Das Nationalmuseum<br />
Das Muse-ye Melli-ye <strong>Iran</strong> ist eine Sammlung<br />
von wertvollen prähistorischen und historischen<br />
Objekten. Es besteht aus zwei Bereichen über<br />
den alten <strong>Iran</strong> und die islamische Epoche und hieß<br />
N <strong>Info</strong>rmation Nr. <strong>36</strong><br />
21
tourismus<br />
früher Museum des alten <strong>Iran</strong>s. Es wurde<br />
ursprünglich im Jahre 1916 (1295 h. s.) eröffnet.<br />
Das derzeitige Gebäude stammt aus dem Jahre<br />
1937 (1316 h. s.). Es wurde vom französischen<br />
Archäologen A. Godard geplant, der lange Zeit<br />
im <strong>Iran</strong> arbeitete. Die<br />
Fassade des Museums<br />
wurde im Stil des Kasra<br />
Schlosses der Hauptstadt<br />
Ktesiphon der Sassaniden im<br />
heutigen Irak errichtet. Die<br />
Ziegel haben eine dunkelrote<br />
Farbe, die ein Symbol der<br />
damaligen Architektur war.<br />
Ein eigenes Gebäude für die<br />
Objekte aus der islamischen<br />
Zeit wurde im Jahre 1997<br />
(1375 h. s.) eröffnet. Das<br />
Museum des alten <strong>Iran</strong>s hat<br />
eine Fläche von 10000 m² und<br />
das islamische Museum<br />
ebenfalls 10000 m² auf vier<br />
Geschossen. Das Nationalmuseum<br />
ist mit mehr als<br />
500000 Stücken, zu denen<br />
noch 200000 Stücke im Lager<br />
kommen, nicht nur das größte<br />
Museum im <strong>Iran</strong> sondern<br />
zählt auch im Hinblick auf die<br />
Vielfalt und Qualität der<br />
Exponate zu den bedeutendsten<br />
Museen der<br />
Welt. Um das gesamte<br />
Museum zu besichtigen, sollte<br />
man sich drei Tage Zeit<br />
nehmen. Zahlreiche Exponate<br />
dieses Museums<br />
waren bei der Ausstellung<br />
„7000 Jahre Persische<br />
Kunst“ in Wien erstmals im<br />
Ausland zu sehen. Die<br />
Sammlung ist in folgende<br />
Abteilungen gegliedert: Die<br />
vorgeschichtliche Sammlung,<br />
die historische Sammlung und<br />
Lorestan, die Sammlung von<br />
Siegeln und Münzen und die<br />
Sammlung der islamischen<br />
Epoche. Unter den<br />
verschiedenen<br />
Fachabteilungen des<br />
22 Nr. <strong>36</strong><br />
Museums gibt es auch eine speziell für<br />
Schrifttafeln. Die ältesten Stücke in diesem<br />
Museum sind aus Quarz und 1 Million Jahre alt.<br />
Sie stammen vom Ufer des Kaschfrud östlich von<br />
Maschhad. Es gibt auch Fundstücke aus der<br />
Bronzestatue eines elymaischen Fürsten aus Schami, Chusistan,<br />
Südwestiran, 1. Jh. v./1. Jh. n. Chr. im Nationalmuseum<br />
<strong>Info</strong>rmation<br />
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tourismus<br />
Koran vom Schrein des Scheichs Safi ad-Din, Ardabil, Provinz Ardabil, Nordwestiran, 9. -10. Jh.,<br />
Islamisches Museum<br />
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A<br />
Provinz Gilan, die 400000 bis 800000 Jahre alt<br />
sind. In der vor- und frühgeschichtlichen Abteilung<br />
gibt es neben Steinwerkzeugen zahlreiche<br />
Keramiken vom 5. bis zum 1. Jahrtausend v. Chr.<br />
z. B. Tierfiguren und Gefäße, wie die<br />
charakteristischen Schnabelkannen. Die<br />
historische Abteilung ist in verschiedene Epochen<br />
eingeteilt: Die Zeit der Achaimeniden, die der<br />
Seleukiden, der Parter und der Sassaniden. Aus<br />
der achaimenidischen Zeit sind beispielsweise<br />
Reliefs, Plastiken und Inschriften ausgestellt. Aus<br />
den nachfolgenden Epochen gibt es neben<br />
verschiedenartigen Keramiken auch Gegenstände<br />
aus Metall zu sehen. Besonders zu erwähnen ist<br />
auch die Bronzestatue eines Partherfürsten. Aus<br />
Lorestan gibt es Kriegsgerät und Zaumzeug sowie<br />
Schmuck vom 3. bis zum 1. Jahrtausend vor<br />
Christus. Die Sammlung von Siegeln und Münzen<br />
dient ebenso wie die anderen Teile des Museums<br />
der Erforschung der Geschichte. Die<br />
gesammelten Münzen bestehen aus Bronze,<br />
Kupfer, Silber und Gold. Die meisten haben eine<br />
runde Form, manche sind ring- oder quaderförmig,<br />
andere haben die Gestalt einer Axt und einige sind<br />
wie ein Messer. Sie stammen aus der Zeit der<br />
Achaimeniden, der Seleukiden, der Sasssaniden<br />
oder aus der islamischen Epoche. Die Siegel und<br />
Stempel wurden in der Zeit vor der Erfindung der<br />
Schrift dazu verwendet, um das eigene Eigentum<br />
zu kennzeichnen. Sie wurden aus Stein, Marmor,<br />
Elfenbein, Gold, Silber oder Kupfer hergestellt.<br />
Die Bilder auf ihnen zeigen außer der<br />
künstlerischen Entwicklung auch welche Berufe<br />
es damals gab. Die ältesten Siegel sind<br />
sechstausend Jahre alt. Sie bestehen aus<br />
gebranntem Ton, Marmor- oder Eisenstein. Durch<br />
sie kann man auch Aufschlüsse über das Leben<br />
und die religiösen Auffassungen in der damaligen<br />
Zeit gewinnen. In der Sammlung der islamischen<br />
Epoche sind handgeschriebene Korane von der<br />
Frühzeit des Islams bis heute zu sehen. Darüber<br />
hinaus sind Miniaturmalereien, Textilien, Teppiche,<br />
glasierte Keramiken, Gegenstände aus Glas, Holz<br />
und Metall und astronomische Geräte ausgestellt.<br />
Außerdem findet man dort Gebetsnischen<br />
(Mihrab) und viele kunsthandwerkliche<br />
Gegenstände aus der islamischen Geschichte.<br />
Internet:<br />
http://www.tehran.ir/ Stadtverwaltung von<br />
Teheran (in persischer und englischer Sprache)<br />
http://www.nationalmuseumofiran.ir<br />
Nationalmuseum (derzeit nur in persischer<br />
Sprache)<br />
http://www.saadabadpalace.org/ Saadabad-<br />
Paläste (in persischer und englischer Sprache)<br />
N <strong>Info</strong>rmation Nr. <strong>36</strong><br />
23
Die Fauna des <strong>Iran</strong>s<br />
1. Teil<br />
24 Nr. <strong>36</strong><br />
<strong>Info</strong>rmation<br />
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Von den Tagfaltern im <strong>Iran</strong><br />
wurden bisher 358<br />
Schmetterlingsarten aus 8<br />
Familien bzw. Unterfamilien<br />
beschrieben, z. B. Ritterfalter<br />
(Papilonidae),<br />
Weißlinge (Pieridae),<br />
Bläulinge (Lycaenidae),<br />
Edelfalter (Nymphalidae)<br />
und Dickkopffalter<br />
(Hesperiidae).<br />
tourismus<br />
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A<br />
Danaus Raupe (Familie Edelfalter), Schirino,<br />
Buschehr, Südiran<br />
Die Vielfalt der iranischen Natur von den hohen,<br />
schneebedeckten Bergen bis zu den Tiefebenen<br />
am Persischen Golf und am Meer von Oman, von<br />
den Wäldern von Gilan und Masanderan bis zu<br />
den trockenen Wüsten von Lut mit<br />
unterschiedlichsten topographischen Formen und<br />
Klimaten hat dazu geführt, dass sich ein breites<br />
Spektrum von Lebewesen im Ökosystem des<br />
Landes entfalten konnte. Im <strong>Iran</strong> kann eine<br />
Mischung der Fauna und Flora von Europa, Asien<br />
und Afrika beobachtet werden. Im Rahmen dieses<br />
Artikels kann natürlich kein umfassender Überblick<br />
gegeben werden, weshalb nur Schmetterlinge und<br />
die wichtigsten Wirbeltiere in zwei Teilen kurz<br />
vorgestellt werden. Bisher wurden im <strong>Iran</strong> 25 000<br />
Insektenarten, davon 358 Schmetterlingsarten, 174<br />
Fischarten, 20 Amphibienarten, 206 Reptilienarten,<br />
514 Vogelarten und 168 Säugetierarten<br />
nachgewiesen.<br />
Insekten (Insecta)<br />
Schmetterlinge (Lepidoptera)<br />
Am häufigsten sind die<br />
Bläulinge (Lycaenidae) mit<br />
140 Arten im <strong>Iran</strong>. Ihre<br />
Farben sind meist bläulich<br />
glänzend aber auch violett,<br />
braun, rot und orange. Sie<br />
sind in der Sonne aktiv und sehr empfindlich<br />
gegenüber Temperaturveränderungen.<br />
Wirbeltiere (Vertebrata)<br />
Fische (Pisces)<br />
Knorpel- und Knochenfische (Chondrichthyes<br />
und Osteichthyes) leben im <strong>Iran</strong> in 19<br />
unterschiedlichen Lebensräumen, wie dem<br />
Urumijesee, dem Kaspischen Meer, dem<br />
Wüstengebiet im Zentraliran, dem Salzsee südlich<br />
von Teheran, dem Dschasmuriansee im Südosten<br />
des <strong>Iran</strong>s, der Straße von Hormus, dem<br />
Persischen Golf und anderen.<br />
Die Fische im <strong>Iran</strong> können in 16 Ordnungen und<br />
174 Arten eingeteilt werden. Die Ordnung der<br />
Sandfischartigen (Gonorhynchiformes) hat mit 80<br />
Arten die meisten Vertreter. Die zweitwichtigste<br />
Gruppe ist die Ordnung der Barschartigen<br />
(Perciformes). Die vielfältigen Fischarten leben<br />
unter unterschiedlichsten Bedingungen vom 38°C<br />
warmen Wasser, wie der Cyprinion watsoni, bis<br />
zum Eiswasser, wie die Zährte (Vimba vimba).<br />
Vorige Seite: (Von oben rechts nach unten links) Weischwanzkiebitz (Vanellus leucurus), Ordnung<br />
Charadriiformes, Maharlou See, Schiras, ‚Südiran; Kiebitz (Vanellus vanellus), Ordnung Charadriiformes,<br />
Taschk See, Fars, Südiran; Kuhreiher (Bubulcus ibis), Ordnung Ciconiiformes, Parischan See, Fars,<br />
Südiran; Paddyreiher, (Ardeola grayii), Ordnung Ciconiiformes, Hormosgan, Südiran; Seidenwürger<br />
(Hypocolius ampelinus), Ordnung Passeriformes, Nayband, Buschehr, Südiran; Hinduracke (Coracias<br />
benghalensis), Ordnung Coraciiformes, Belutschistan, Südostiran.<br />
N <strong>Info</strong>rmation Nr. <strong>36</strong><br />
25
tourismus<br />
nicht bestätigt.<br />
Diese Haie<br />
hatten eine<br />
maximale<br />
Länge von 3<br />
m.<br />
Graugnse (Anser anser), Ordnung Anseriformes,<br />
Kranich (Grus grus), Ordnung Gruiformes, Arschan,<br />
Fars, Südiran<br />
Für die Sportfischerei sind die Familie der<br />
Forellenfische (Salmonidae) am wichtigsten, die<br />
im Kaspischen Meer und manchen iranische<br />
Flüssen vorkommen. In früheren Zeiten wurden<br />
Exemplare gefangen, die bis zu 150 cm lang und<br />
bis zu 50 kg schwer waren, doch derzeit erreicht<br />
ihr Gewicht nur noch 10 kg.<br />
Zwei weitere wichtige Gruppen sind die Familie<br />
der Requiemhaie (Carcharhinidae), vor denen die<br />
Menschen immer Angst hatten, und<br />
die Familie der Echten Störe<br />
(Acipenseridae), die neben ihrem<br />
ökologischen auch einen<br />
ökonomischen Nutzen haben. Das<br />
Eindringen von Haien in den Schatt<br />
al-Arab sowie die Flüsse<br />
Arwandrud und Karun und<br />
Attacken auf Menschen wurden bis<br />
in die 1960er Jahre ohne eine<br />
genaue Angabe der Art berichtet.<br />
Später stellte sich heraus, dass nur<br />
die Bullenhaie (Charcharhinus<br />
Leucas) in den Süßwasser<br />
führenden Flüssen für die Angriffe<br />
verantwortlich waren. Derartige<br />
Vorfälle wurden im Salzwasser<br />
26 Nr. <strong>36</strong><br />
Von den<br />
Stören leben in<br />
den iranischen<br />
Gewässern im<br />
Kaspischen<br />
Meer 5 Arten,<br />
von denen<br />
auch verschiedene<br />
Kaviararten<br />
gewonnen<br />
werden: Z. B.<br />
der kleinere Ossietra des Russischen Störs<br />
(Acipencer Gueldenstaedtii) und der hellgraue<br />
Belugakaviar des Belugastörs (Huso Huso), von<br />
dem es eine besondere Sorte mit heller, goldener<br />
Farbe gibt, die sehr bekannt und teuer ist. Früher<br />
war der Kaviar im Kaspischen und Schwarzen<br />
Meer so verbreitet, dass er eine gewöhnliche<br />
Speise war, die sogar die armen Leute aßen! Die<br />
Länge der meisten Störe beträgt normalerweise<br />
1 m bis 2 m und ihr Gewicht 12 kg bis 25 kg. Die<br />
Belugastöre aber sind die größten Fische des <strong>Iran</strong>s<br />
und, was nur selten beachtet wird, auch die<br />
größten Süßwasserfische der Welt. In der<br />
Vergangenheit gab es Berichte von Exemplaren<br />
Zwergdommel (Ixobrychus minutus), Ordnung Ciconiiformes,<br />
Aserbaidschan, Nordwestiran<br />
<strong>Info</strong>rmation<br />
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mit einem<br />
Gewicht von bis<br />
zu 1500 kg und<br />
einer Länge von<br />
5 m bis 8 m. Die<br />
weiteren<br />
Störarten in<br />
iranischen<br />
Gewässern sind<br />
der Glatt-Stör<br />
oder Glattdick<br />
(Acipenser<br />
nudiventris), der<br />
Persische Stör<br />
(Acipenser<br />
persicus) und der<br />
Sternhausen<br />
(Acipenser<br />
stellatus).<br />
Vögel (Aves)<br />
Krauskopfpelikan (Pelecanus crispus), Ordnung Pelicaniformes, Parischansee,<br />
Fars, Südiran<br />
tourismus<br />
Nach den vorhandenen <strong>Info</strong>rmationen gibt es 514<br />
Vogelarten im <strong>Iran</strong>, 324 davon brüten im <strong>Iran</strong>, 81<br />
sind nur vorübergehend im <strong>Iran</strong>, 5 Arten kommen<br />
außerhalb der Paarungszeit an die Südküste des<br />
<strong>Iran</strong>s, 37 Arten werden nur gelegentlich im <strong>Iran</strong><br />
gesehen, bei 13 Arten ist es ihr Zustand noch nicht<br />
genügend bekannt, 4 Arten wurden von den<br />
Menschen nach <strong>Iran</strong> gebracht und verbreiteten<br />
sich in der Natur. Über die restlichen 50 haben<br />
wir keine Angaben.<br />
Die Vögel im <strong>Iran</strong> gehören zu 64 Familien von<br />
20 Ordnungen: Seetaucher (Gaviiformes),<br />
Lappentaucher (Podicipediformes), Röhrennasen<br />
(Procellariiformes), Ruderfüßer<br />
(Pelecaniformes), Schreitvögel (Ciconiiformes),<br />
Gänsevögel (Anseriformes), Greifvögel<br />
(Falconiformes), Hühnervögel (Galliformes),<br />
Kranichvögel (Gruiformes), Regenpfeiferartige<br />
(Charadriformes), Sperlingsvögel<br />
(Passeriformes), Eulen (Strigiformes),<br />
Taubenvögel (Columbiformes), Papageienvögel<br />
(Psittaciformes), Kuckucksvögel (Cuculiformes),<br />
Schwalmartige (Caprimulgiformes),<br />
Seglervögel (Apodiformes),<br />
Rackenvögel (Coraciiformes),<br />
Spechtvögel (Piciformes) und<br />
Flamingos (Phoenicopteriformes).<br />
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Kragentrappe (Chlamydotis undulata), Ordnung Gruiformes,<br />
Belutschistan, Südostiran<br />
Manche Vogelarten sind in den<br />
warmen Steppengebieten in<br />
Zentralasien und Südrussland<br />
beheimatet und kommen auch im<br />
Norden und Nordosten des <strong>Iran</strong>s vor<br />
wie die Bergkalanderlerche<br />
(Melanocorypha bimaculata) und die<br />
Kappenammer (Emberiza<br />
melanocephala).<br />
N <strong>Info</strong>rmation Nr. <strong>36</strong><br />
27
tourismus<br />
Bergvögeln, deren Herkunftsgebiete<br />
die Gebirgsketten von Südeuropa bis<br />
zum Himalaya sind, z. B. der<br />
Bartgeier (Gypaetus Barbatus) und<br />
die Alpendohle (Pyrrhocorax<br />
graculus).<br />
Smaragdspint (Merops orientalis), Ordnung<br />
Coraciiformes, Nayband, Buschehr, Südiran<br />
Ungefähr drei Viertel des <strong>Iran</strong>s umfassen trockene<br />
und halbtrockene Gebiete mit Wüsten und Bergen<br />
mit geringer Vegetation. Dort leben Vogelarten,<br />
die sich an die Trockenheit angepasst haben, wie<br />
der Rennvogel (Cursorius cursor), die<br />
Kragentrappe (Chlamydotis undulata) und die<br />
Trauermeise (Parus lugubris).<br />
Die Höhen des Elburs- und teilweise des<br />
Zagrosgebirges sind der Lebensraum von 15 Arten<br />
Im Süden des <strong>Iran</strong>s gibt es 20<br />
Vogelarten, die aus Afrika oder<br />
Indien stammen und sich an der<br />
Küste des Meeres von Oman und des<br />
Persischen Golfes bis zu den<br />
Ausläufern des Zagrosgebirges<br />
verbreitet haben, wie der<br />
Küstenreiher (Egretta gularis), der<br />
Haussegler (Apus affinis) und der<br />
Smaragdspint (Merops orientalis).<br />
Manche Zugvogelarten kommen aus der Tundra<br />
und Taiga, einige kommen aus anderen Teilen von<br />
Sibirien und wieder andere aus den<br />
zentralasiatischen Steppen in den <strong>Iran</strong>. Die<br />
Mehrheit davon überwintert im <strong>Iran</strong>, manche<br />
fliegen nach Afrika oder Indien um die kalte<br />
Jahreszeit dort zu verbringen. Ein Beispiel für<br />
diese Zugvögel ist der Nonnenkranich (Grus<br />
leucogeranus).<br />
Nonnenkranich (Grus leucogeranus), Ordnung Gruiformes, Feridunkenar, Masanderan, Nordiran<br />
28 Nr. <strong>36</strong><br />
<strong>Info</strong>rmation<br />
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Ibn Sina, der im Westen<br />
als Avicenna bezeichnet<br />
wird, ist der berühmteste<br />
Arzt, Philosoph und<br />
Wissenschaftler der<br />
islamischen Welt. Er<br />
verfügte in Medizin,<br />
Logik und Mathematik<br />
über auergewhnliche<br />
Fhigkeiten.<br />
Leben<br />
IBN SINA (AVICENNA)<br />
Abu Ali Hussein Ibn Sina,<br />
sein Vater stammte aus<br />
Balch und war ein ismaelitischer<br />
Beamter der<br />
Regierung, wurde im Jahre<br />
980 (370 h. q.) im Dorf Afschana, aus dem seine<br />
Mutter stammte, geboren. Nach seiner Geburt<br />
zogen die Eltern nach Buchara, das damals zu<br />
Chorasan gehörte. Seine Muttersprache war<br />
Persisch. Bis zu seinem 10. Lebensjahr studierte<br />
er den Quran, lernte ihn auswendig und<br />
beschäftigte sich mit verschiedensten Büchern.<br />
Seine außer-gewöhnlichen Begabungen<br />
erstaunten seine Umgebung. In dieser Zeit wurde<br />
sein jüngerer Bruder Mahmud geboren. Sein erster<br />
Lehrer war Nateli, der ihn besonders die<br />
aristotelische Philosophie lehrte aber auch die<br />
Grundlagen der euklidischen Geometrie und die<br />
Astronomie von Ptolemäus. Dabei erarbeitete er<br />
sich selbst einen Großteil der Werke.<br />
Anschließend studierte Ibn Sina<br />
Rechtswissenschaft, Philosophie, Logik und<br />
Physik. Als er 16 Jahre alt war, zog sein Lehrer in<br />
die Stadt Gorgandsch in der Nähe von Buchara.<br />
Ibn Sina erlernte in eineinhalb Jahren theoretische<br />
und praktische Medizin. Er hatte bereits im Alter<br />
von 17 Jahren seine eigene Praxis und behandelte<br />
den Samanidenherrscher Nuh ibn Mansur. Danach<br />
wurde er zu dessen Leibarzt und durfte auch seine<br />
Bibliothek benützen.<br />
Als er 18 Jahre alt war, hatte er die gesamte<br />
Wissenschaft seiner Zeit erlernt. Nachdem er im<br />
980 – 1037<br />
Alter von 22 Jahren<br />
seinen Vater 1002 (392 h.<br />
q.) verlor, verließ er bald<br />
wegen der politischen<br />
Unruhen Buchara und zog<br />
durch verschiedene<br />
Provinzen. Vor Sultan<br />
Mahmud Ghasnawi, der<br />
die Region eroberte,<br />
flüchtete Ibn Sina, da der<br />
Herrscher ein Gegner der<br />
Philosophie war. Er reiste<br />
weiter umher, bis er sich<br />
schließlich in Gorgan am<br />
Kaspischen Meer niederließ,<br />
da dort Qabus ibn<br />
Voschmgir (978 - 1012,<br />
<strong>36</strong>7 h. q. – 402 h. q.)<br />
herrschte, der als ein Förderer der Wissen-schaft<br />
bekannt war. In Gorgan traf er seinen Schüler<br />
Abu Obeid Dschosdschani, der ihn sein ganzes<br />
weiteres Leben begleitete und seine erste<br />
Biographie schrieb. Qabus wurde von seinen<br />
Soldaten bei einem Aufstand festgenommen und<br />
ins Gefängnis gesteckt, wo er 1013 (403 h. q.)<br />
starb. Sein Nachfolger war sein Sohn<br />
Manutschehr, der sich zum Gouverneur von Sultan<br />
Mahmud ausrief und dessen Tochter heiratete.<br />
Deshalb zog Ibn Sina 1014 (404 h. q.) von Gorgan<br />
nach Rey. Dort heilte er den Buyiden Madschdud-Douleh.<br />
Als die Stadt von Sultan Mahmud<br />
bedroht wurde, zog Ibn Sina weiter nach<br />
Hamedan, wo er blieb. Der dortige Herrscher<br />
Schamsu-d-Douleh Deilami litt an Koliken. 40<br />
Tage lang behandelte ihn Ibn Sina in seinem Palast,<br />
bis er gesund wurde. Danach wurde Avicenna<br />
mit vielen Geschenken belohnt, zum Minister des<br />
Gouverneurs von Hamedan berufen und in seinen<br />
engen Vertrautenkreis aufgenommen. Doch es<br />
kam zu einem Streit zwischen Ibn Sina und den<br />
Soldaten von Schamsu-d-Douleh. Bei einem<br />
Aufruhr griffen sie das Haus des Gelehrten an,<br />
verhafteten ihn und raubten sein Eigentum. Sie<br />
verlangten sogar seine Hinrichtung. Der<br />
Gouverneur entmachtete Ibn Sina, um seine<br />
Soldaten zu beruhigen. Dieser flüchtete und<br />
dialog der zivilisationen<br />
N <strong>Info</strong>rmation Nr. <strong>36</strong><br />
29
dialog der zivilisationen<br />
versteckte sich 40 Tage lang. Doch als Schamsud-Douleh<br />
wieder an einer Kolik erkrankte, ließ<br />
er den Gelehrten holen, entschuldigte sich und<br />
machte ihn wieder zu seinem Minister. In<br />
Hamedan verfasste Ibn Sina sein bedeutendstes<br />
Werk über Medizin „Al-Qanun fi-t-Tib“, d. h.<br />
Gesetze in der Medizin, oder einfach „Qanun“.<br />
Schamsu-d-Douleh forderte Ibn Sina auf, ein Buch<br />
über die aristotelischen Schriften zu verfassten.<br />
Doch der Gelehrte lehnte dies ab, erklärte sich<br />
jedoch bereit ein Werk über das philosophische<br />
Wissen zu verfassen. So begann er mit dem Buch<br />
„Asch-Schifa“, d. h. die Heilung, oder einfach<br />
„Schifa“.<br />
Ibn Sina war sehr kräftig und wurde kaum müde.<br />
So konnte er neben seiner Arbeit als Minister<br />
sowohl daheim als auch auf Reisen und<br />
Kriegszügen am Abend seine wissenschaftlichen<br />
Arbeiten durchführen und bis spät in die Nacht<br />
schreiben. In seiner Biographie wurde erwähnt,<br />
dass er, wenn er ein Problem nicht lösen konnte,<br />
zur Moschee ging, dort betete und ihm dann die<br />
Lösung eingegeben wurde. Am Abend versammelten<br />
sich auch seine Studenten bei ihm, sie<br />
lasen aus den Werken „Qanun“ und „Schifa“,<br />
diskutierten miteinander und stellten Fragen.<br />
Nachdem Schamsu-d-Douleh starb und dessen<br />
Sohn an die Macht kam, akzeptierte Ibn Sina kein<br />
Ministeramt mehr. Wegen Unruhen und<br />
Aufständen verbarg sich der Gelehrte im Haus<br />
von Abu Ghaleb Attar und setzte seine Arbeiten<br />
am Buch „Schifa“ fort. Er wurde beschuldigt, eine<br />
geheime Verbindung mit dem Herrscher von<br />
Isfahan zu haben und wurde für vier Monate im<br />
Gefängnis inhaftiert. Dort verfasste er drei<br />
Bücher. Nachdem er frei gelassen wurde, reiste<br />
er geheim, als Derwisch verkleidet, nach Isfahan.<br />
Er wurde dabei von seinem Bruder, seinem<br />
Schüler Abu Obeid Dschosdschani und zwei<br />
anderen Personen begleitet. Der dortige<br />
Gouverneur Ala’u-d-Doule begrüßte ihn<br />
warmherzig.<br />
Er lebte von da an in Isfahan und vervollständigte<br />
dort das Werk „Schifa“, indem er die Abschnitte<br />
über Logik, Geometrie, Mathematik und Musik<br />
vervollständigte. Im Jahre 1031 (421 h. q.) griff<br />
Sultan Mas’ud Ghasnawi Isfahan an, tötete viele<br />
Leute und besetzte es bis 1041 (432 h. q.) Das<br />
Vermögen von Ala’u-d-doule und auch das<br />
Eigentum von Ibn Sina wurden geraubt. Viele<br />
30 Nr. <strong>36</strong><br />
Bücher des Gelehrten wurden geplündert und<br />
nach Ghasna gebracht. Sie wurden dort im Jahre<br />
1150 (545 h. q.) von den Soldaten von Ala’u-ddin<br />
Ghouri verbrannt. Ala’u-d-doule war aber<br />
weiterhin der Gouverneur von Isfahan und auch<br />
Ibn Sina blieb in der Stadt. Im Jahre 10<strong>36</strong> (427 h.<br />
q.) begleitete er den Herrscher auf einem Feldzug<br />
nach Karach in der Nähe von Hamedan. Dabei<br />
erkrankte Ibn Sina und sie kehrten nach Isfahan<br />
zurück. Ibn Sina behandelte sich selbst, bis er<br />
wieder mit Ala’u-d-doule nach Hamedan zog. Auf<br />
der Reise führte er die Behandlung nicht weiter<br />
fort, bis er in Hamedan im Alter von 57 Jahren an<br />
einem Freitag im Juni 1037 (im Ramadan 428 h.<br />
q.) starb. Nach seinem Tod verfasste sein Schüler<br />
Abu Obeid Dschosdschani eine Biografie.<br />
Werke<br />
Heute sind 131 Werke zu verschiedenen Themen<br />
von Ibn Sina erhalten und 111 Werke, die ihm<br />
zugeschrieben werden. Die bekannteste Schrift<br />
von ihm ist „Al-Qanun fi-t-Tib“. Es ist eine<br />
Enzyklopädie über die traditionelle Medizin, die<br />
Anatomie, die Semiologie, die Symptomatologie,<br />
die Sektion, die Pharmazie und andere Themen,<br />
in der er das Wissen der griechischen, römischen,<br />
persischen und arabischen Medizin in seiner Zeit<br />
beschrieb. Dazu verwendete er z. B. die Werke<br />
von Ar-Rasi. In diesem Buch werden mehr als<br />
750 Heilmittel beschrieben, von denen die meisten<br />
pflanzlich aber auch manche mineralischen und<br />
tierischen Ursprungs sind. Es wurde in viele<br />
Sprachen übersetzt. Die erste Übersetzung in die<br />
lateinische Sprache wurde im 12. Jahrhundert von<br />
Gerhard von Cremona durchgeführt. „Qanun“<br />
wurde vom 13. bis zum 17. Jahrhundert auch an<br />
europäischen Universitäten unterrichtet. Ibn Sina<br />
war ein Arzt, der ständig selbst auch Kranke heilte<br />
und seine Ansichten in der Praxis testete. Er<br />
betonte die Notwendigkeit der Überprüfung der<br />
Wirksamkeit der Heilmittel durch die Erprobung.<br />
Im Bereich der Medizin sind weitere kleinere<br />
Werke z. B. „Risalatu Marifatu-t-Tanafus wa-n-<br />
Nabs“, d. h. Schrift über die Kenntnis der Atmung<br />
und des Pulses, und „Maqalatun fi Ahkami-l-<br />
Adwijati-l-Qalbijah“, d. h. Artikel über die Gesetze<br />
der Heilmittel für das Herz.<br />
Das zweite Hauptwerk von Avicenna war das<br />
Philosophiebuch „Asch-Schifa“. Darin<br />
beschäftigte er sich auch mit Musik,<br />
<strong>Info</strong>rmation<br />
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Naturwissenschaften, Astronomie, Logik und<br />
Mathematik, z. B. mit Trigonometrie. Der<br />
Geometrieteil des Buches wurde auch auf<br />
Deutsch übersetzt. Weitere philosophische Werke<br />
von Ibn Sina sind beispielsweise „An-Nadschah“,<br />
d. h. die Rettung, und „Al-Ischarat wa-t-<br />
Tambihat“, d. h. Hinweise und Erinnerungen,<br />
„Kitabu-l-Insaf“, d. h. Buch der Fairness, von dem<br />
leider ein Großteil vernichtet wurde, und<br />
„Mantiqu-l-maschriqijin“, d. h. Logik der<br />
Orientalen.<br />
Über die Musik gibt es Abschnitte in drei Werken<br />
von ihm, nämlich in „Asch-Schifa“, in „An-<br />
Nadschah“ und im „Daneschname Ala’i“. Zwei<br />
andere Schriften beschäftigen sich speziell mit<br />
Musik: „Al-Madchal ila Sana’ati-l-Musiqi“, d. h.<br />
Einführung in die Kunst der Musik, und „Kitabul-Lawahiq“,<br />
d. h. Buch der Anhänge. Er leistete<br />
mit Farabi wesentliche Beiträge zur<br />
Harmonielehre in der Musik. Ibn Sina verfasste<br />
die meisten Werke auf Arabisch, da es die<br />
offizielle Sprache der islamischen Welt in der<br />
damaligen Zeit war. Aber auch in seiner<br />
persischen Muttersprache stammen mehr als<br />
zwanzig Werke von ihm, wie das „Daneschname<br />
Ala’i“, in dem er sich z. B. mit Logik, der<br />
Naturphilosophie, der Musik und Metaphysik<br />
beschäftigt und das er dem Herrscher von Isfahan<br />
Ala’u-d-Douleh aus Dankbarkeit widmete. Er<br />
schrieb auch Gedichte in arabischer und<br />
persischer Sprache.<br />
Ibn Sina hatte auch eine Zuneigung zur Mystik.<br />
Viele Orientalisten, z. B. Henry Corbin,<br />
beschäftigten sich mit Ibn Sina und stellten fest,<br />
dass sein Interesse an Mystik am Ende seines<br />
Lebens zunahm. In seiner Zeit waren die<br />
Gedanken des Sufismus weit verbreitet und hatten<br />
auch einen gewissen Einfluss auf seine<br />
Philosophie.<br />
Lehren<br />
Die Philosophie von Ibn Sina ist aristotelisch und<br />
neoplatonisch geprägt. Er selbst nannte das neue<br />
philosophische System, das er vervollständigen<br />
wollte, die „östliche Philosophie“. Gott wird als<br />
der erste Grund und die notwendige Existenz<br />
gesehen. Ibn Sina schrieb auch über Kosmologie,<br />
er verfasste eine Theorie des Wissens und des<br />
Prophetentums. Von ihm stammt eine neue<br />
Definition der Wahrheit. In der Logik begründete<br />
er ein eigenes System. Ibn Sina schrieb über<br />
temporäre modale und induktive Logik. Er<br />
beschäftigte sich mit Epistemologie und der<br />
Philosophie des Geistes. Außerdem gibt es in<br />
seinen Werken Lehren zum Empirizismus, zu den<br />
Auswirkungen von Anlage und Umgebung, zur<br />
Neuropsychiatrie, zur Psychophysiologie und zur<br />
psychosomatischen Medizin. Er machte sogar ein<br />
Gedankenexperiment über das Bewusstsein.<br />
Ibn Sina beschäftigte sich auch mit Geophysik,<br />
mit Meteorologie und verschiedenen Bereichen<br />
der Physik. Weitere Gebiete, die in seinen Werken<br />
behandelt werden, sind die Erziehungsphilosophie,<br />
die Wissenschaftsphilosophie und die Theologie.<br />
Ibn Sina bildete vier besondere Schüler aus, die<br />
alle zu herausragenden Gelehrten wurden: Abu<br />
Obeid Dschosdschani, der Ibn Sina bis zu seinem<br />
Tod begleitete und danach dessen Werke<br />
sammelte, Abu-l-Hassan Bahmaniar, Abu Mansur<br />
Taher-e Isfahani und Abu Abdullah Muhammadibni-Ahmad<br />
Al-Ma’sumi.<br />
Obwohl Ibn Sina viele Schwierigkeiten zu<br />
ertragen hatte und auch nicht besonders lange<br />
lebte, war sein geistiges Schaffen sehr fruchtbar.<br />
Dies zeigen die Anzahl und Qualität seiner Werke<br />
und die herausragenden Schüler, die er ausbildete.<br />
Seine Konzentrationsfähigkeit war so gut, dass<br />
er manchmal, während er auf einem Pferd einen<br />
Herrscher bei einem Feldzug begleitete, seine<br />
Werke einem Schreiber diktierte. Mit seiner<br />
Gelehrsamkeit über alle Zweige des damaligen<br />
Wissens konnte er grundlegende Beiträge zur<br />
Philosophie des Mittelalters leisten. In der Medizin<br />
vereinigte er das Erbe von Hippokrates und<br />
Galenus in neuer Form. Auch bei den islamischen<br />
Wissenschaften leistete er großartige Beiträge.<br />
Ibn Sina war ein schiitischer Gelehrter, obwohl<br />
seine schiitische Rechtschule (Ismaelit oder<br />
Zwölferschiit) bis heute nicht ganz klar ist. Viele<br />
Fortschritte in den verschiedenen wissenschaftlichen<br />
Bereichen wurden durch seine<br />
Ansichten und Lehren begründet. Auch westliche<br />
Wissenschaftler halten Ibn Sina für den größten<br />
Denker aller Zeiten, wie George Sarton und Max<br />
Horten. Dieser hat auch die Abhandlung zur<br />
Metaphysik des Buches „Asch-Schifa“ auf<br />
Deutsch übersetzt. Die Auswirkungen der Werke<br />
von Ibn Sina sind bis heute im Orient und<br />
Okzident feststellbar.<br />
dialog der zivilisationen<br />
N <strong>Info</strong>rmation Nr. <strong>36</strong><br />
31
geschichte<br />
Die Zeit der Timuriden<br />
Die Timuriden waren die Nachfolger von Tamerlan<br />
(siehe <strong>Iran</strong> <strong>Info</strong>rmation 35). Sie bezeichneten sich als<br />
„Gurkani“, das wird vom mongolischen „kürügän“<br />
abgeleitet, was soviel wie Schwiegersohn bedeutet.<br />
Als Tamerlan seine Macht erweitert hatte, wurde<br />
behauptet, dass er ein Nachfahre eines Dschingis<br />
Chan nahestehenden Familienangehärigen und<br />
Generals sei. Am Ende seines Lebens umfasste sein<br />
Reich ein riesiges Gebiet, das einen Groäteil des<br />
heutigen Iraks, des <strong>Iran</strong>s, Pakistans, Afghanistans,<br />
Turkmenistans, Usbekistans, Tadschikistans,<br />
Kirgisistans, den Süden von Kasachstan und noch<br />
weitere angrenzende Gebiete umfasste. Tamerlan<br />
hatte 31 Sähne, Enkeln und Urenkeln und noch zu<br />
Lebzeiten seine Angehärigen als Gouverneure in<br />
verschiedenen Landesteilen eingesetzt. Im<br />
Unterschied zu den Sähnen von Dschingis Chan, die<br />
nach dessen Tod dem Thronfolger ihre Gefolgschaft<br />
schwuren, stritten die Nachfolger von Tamerlan<br />
(Teimur-e-Lang) um die Herrschaft. Tamerlan hatte<br />
noch vor seinem Tod 1405 (807 h. q.) seinen Enkel<br />
Pir Muhammad, den Sohn von Mirsa Dschahangir,<br />
zum Nachfolger bestimmt. Pir Muhammad war zu<br />
diesem Zeitpunkt der Befehlshaber von Kabul. Von<br />
den Sähnen Tamerlans waren noch Miran Schah,<br />
der nach einem Reitunfall geistig behindert war, und<br />
Schah Roch, den sein Vater für unfähig hielt zu<br />
herrschen, am Leben. Als der Eroberer starb, war Pir<br />
Muhammad weit von der Hauptstadt Samarkand im<br />
heutigen Usbekistan entfernt und Befehlshaber des<br />
Heeres bestimmten Chalil Sultan, einen Sohn von<br />
Miran Schah, provisorisch zum Herrscher und dieser<br />
erklärte sich auch selbst zum Machthaber. Sofort<br />
erhoben sich andere Enkeln von Tamerlan gegen<br />
ihn. In dieser Zeit war die Herrschaft in dem Teil des<br />
Reiches, der im Westen des heutigen <strong>Iran</strong>s lag, in der<br />
Hand des geistig behinderten Miran Schah und seiner<br />
anderen Sähne Mirza Abu Bakr und Muhammad<br />
Omar. Unter der Kontrolle von Schah Roch waren<br />
der ästliche Teil des Reiches mit Chorasan. Das<br />
historische Chorasan war jenes Gebiet, das sich über<br />
den Nordosten des heutigen <strong>Iran</strong>s, einen Groäteil von<br />
Afghanistan, Turkmenistan, Usbekistan und<br />
Tadschikistan erstreckte. Es umfasste die wichtigen<br />
Städte Nischabur im Nordosten des heutigen <strong>Iran</strong>s,<br />
Herat, Ghazni und Kabul in Afghanistan, Marw in<br />
Turkmenistan sowie Buchara und Samarkand in<br />
Usbekistan.<br />
32 Nr. <strong>36</strong><br />
Pir Muhammad erhob den Anspruch, dass er der<br />
rechtmääige Nachfolger von Tamerlan sei. Er erhob<br />
sich gegen Chalil Sultan, doch war er dabei erfolglos,<br />
deshalb zog er nach Chorasan und übergab sein<br />
Recht an Schah Roch. Schah Roch bestimmte<br />
seinerseits Pir Muhammad zum Gouverneur von<br />
Fars, einer Provinz im Süden des heutigen <strong>Iran</strong>s. Die<br />
Generäle von Chalil Sultan revoltierten gegen ihn,<br />
da er ein ausschweifendes Leben führte und die<br />
Staatsgeschäfte vernachlässigte und er wurde unter<br />
Hausarrest gestellt. Sie verlangten von Schah Roch,<br />
der friedliebend war, nach Samarkand zu kommen.<br />
Schah Roch brachte schlieälich das ganze ästliche<br />
Gebiet des Reiches unter seine Kontrolle und<br />
bestimmte seinen Sohn Mirsa Ulugh Beig in<br />
Samarkand zum Gouverneur.<br />
Im Westen des <strong>Iran</strong>s von Aserbaidschan bis Georgien<br />
und in einem Teil des heutigen Iraks herrschten<br />
weiter der behinderte Miran Schah und seine Sähne.<br />
Doch es kam zu Auseinandersetzungen unter den<br />
Brüdern Omar und Aba Bakr, der als Folge davon in<br />
Soltanije in der heutigen Provinz Sandschan im<br />
Westen des <strong>Iran</strong>s inhaftiert wurde. Miran Schah<br />
flüchtete angesichts der Auseinandersetzung unter<br />
seinen Sähnen zu seinem Bruder Schah Roch nach<br />
Chorasan. Omar starb im Jahre1407 (809 h. q.) und<br />
Miran Schah kehrte in den Westen des Reiches<br />
zurück.<br />
Gebiete im Nordwesten des Reiches und die Stadt<br />
Tabris, die im heutigen <strong>Iran</strong> liegt, wurden aber von<br />
den Qara Qoyunlu unter der Führung von Qara Yusuf<br />
Turkeman erobert und in den Kämpfen wurde Miran<br />
Schah 1408 (810 h. q.) getätet. Die Qara Qoyunlu (d.<br />
h. „die mit den schwarzen Hammeln“) und die Aq<br />
Qoyunlu (d. h. „die mit den weiäen Hammeln“) waren<br />
turkmenische Stämme, die am Ende des 14. und im<br />
Groäteil des 15. Jahrhunderts teilweise im Westen<br />
und Nordwesten des <strong>Iran</strong>s, im heutigen<br />
Aserbaidschan, Armenien, dem Osten der Türkei und<br />
Teilen des Iraks herrschten. Nach dem Sieg<br />
Tamerlans über den Osmanen Sultan Bayezid I. und<br />
dem Tod des Eroberers konnten sie ihre Macht<br />
vergrääern, indem sie selbst Eroberungszüge<br />
durchführten. Nach dem Tode vom Miran Schah<br />
wurde auch sein Sohn Aba Bakr auf der Flucht in<br />
Gorgan an der Südostküste des Kaspischen Meers<br />
getätet.<br />
<strong>Info</strong>rmation<br />
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Im Jahre 1410 (813 h. q.) erlangte Qara Yusuf<br />
schlieälich die Herrschaft im gesamten<br />
Aserbaidschan. Schah Roch wollte einerseits<br />
friedliche Beziehungen zu den Qara Qoyunlu<br />
andererseits aber seinen Bruder Miran Schah rächen.<br />
Bevor es aber zu einem Kampf kam, starb Qara Yusuf<br />
im Jahre 1420 (823 h. q.) überraschend. Unter seinen<br />
Sähnen kam es zum Streit um die Nachfolge. Dies<br />
nützte Schah Roch und griff mehrmals an. Die Stadt<br />
Tabris wurde abwechselnd von den Timuriden und<br />
den Qara Qoyunlu erobert. Schlieälich setzte Schah<br />
Roch Dschahan Schah, einen Sohn von Qara Yusuf<br />
1435 (838 h. q.) als Gouverneur ein, der ihn als<br />
Herrscher anerkannte. So wurde der Sohn Tamerlans<br />
bis zu seinem Lebensende zum Herrscher im ganzen<br />
Timuridenreich, das auch den <strong>Iran</strong> umfasste.<br />
Schah Roch war im Gegensatz zu seinem Vater<br />
friedliebend und konnte dreiäig Jahre nach dessen<br />
Tod seines Vaters wieder eine einheitliche und starke<br />
Regierung errichten. Im Gegensatz zu seinem Vater<br />
verfolgte er keine Eroberungspolitik und wechselte<br />
Gesandtschaften mit China. Er suchte auch friedliche<br />
Beziehungen zu Indien und schickte Geschenke und<br />
Botschafter in das Land, in dem sein Vater groäe<br />
Verwüstungen angerichtet hatte. Auäerdem gab es<br />
diplomatische Kontakte mit ägypten und dem Reich<br />
der Goldenen Horde im Norden. Es kam auch zu<br />
einem wirtschaftlichen Aufschwung. Schah Roch war<br />
im Gegensatz zu seinem Vater, der die Religion nur<br />
für seine Zwecke missbrauchte, religiäs eingestellt<br />
und nutzte jede Gelegenheit für Gottesdienste. Er<br />
versuchte die Zerstärungen aus der Zeit seines Vaters<br />
zu beseitigen. Die Sicherheit in seiner Zeit führte dazu,<br />
dass die Architektur, die Malerei, die Musik, die<br />
Dichtkunst und die Literatur aufblühten. Auch<br />
Wissenschaftler konnten sich entfalten. Er lud<br />
Künstler nach Herat ein, das er als Hauptstadt<br />
auswählte und das damals zu einem kulturellen<br />
Zentrum wurde.<br />
Die kunstbegeisterte Frau von Schah Roch, Gohar<br />
Schad Agha (Agha, mit dem arabischen Buchstaben<br />
Ghain geschrieben, bedeutet Frau und hat eine<br />
türkische Wurzel), lieä im Komplex des Mausoleums<br />
von Imam Reza (a. s.) in der Stadt Maschhad im<br />
Nordosten des <strong>Iran</strong>s eine groäe Moschee errichten,<br />
die nach ihr benannt wurde. (Siehe <strong>Iran</strong> <strong>Info</strong>rmation<br />
Nr. 32 und die Bilder auf Seite 35.) Sie stiftete auch<br />
zahlreiche andere Moscheen, wie die Masdschid-e<br />
Dschame‘ Gohar Schad in Herat und überredete<br />
ihren Mann dort eine groäe Bibliothek zu errichten,<br />
in der vierzig Schreiber beschäftigt waren. Gohar<br />
Schad färderte zahlreiche Dichter, z. B. den<br />
berühmten Dschami. In dieser Zeit war Herat das<br />
Zentrum einer künstlerischen Renaissance. Schah<br />
Roch starb im Altern von 72 Jahren in der Stadt Rey<br />
im Jahre 1447 (850 h. q.) Nach seinem Tod kam es<br />
wieder zu Kämpfen um die Nachfolge und das Land<br />
zerfiel in verschiedene Teile. Verschiedene<br />
Angehärige der Familie von Tamerlan<br />
beanspruchten in den folgenden Jahrzehnten die<br />
Macht und kämpften gegeneinander. Gohar Schad<br />
wurde auf Befehl eines der Nachfolger von Schah<br />
Roch, Abu Said, 1457 (861 h. q.) beim Aufstand von<br />
Abu-l-Qasim Babur ermordet, weil er sie<br />
beschuldigte den Aufständischen zu unterstützen.<br />
Von den Sähnen Schah Rochs war bei seinem Tod<br />
nur Ulugh Beig Mirsa Muhammad Tariq noch am<br />
Leben. Er war ein Wissenschaftler und als Herrscher<br />
wenig geeignet. Er widmete sich mehr der<br />
Mathematik und gründete in Samarkand, wo er von<br />
seinem Vater als lokaler Gouverneur eingesetzt<br />
worden war, eine Hochschule. Er lieä dort auch ein<br />
astronomisches Zentrum erbauen. Das Vorbild dafür<br />
war das Observatorium von Nasir-ud-Din Tusi in<br />
Maraghe in Ostaserbaidschan aus der Zeit der<br />
Ilchane, das in der Nummer 34 der <strong>Iran</strong> <strong>Info</strong>rmation<br />
erwähnt wurde. Der Sohn von Schah Roch stellte<br />
mit Hilfe der groäen Mathematiker und Astronomen<br />
seiner Zeit, wie Salah-ud-Din Musa bekannt als Qasi<br />
Zadeh Rumi, Ghias-ud-Din Dschamschid, Moin-ud-<br />
Din Kaschani und Ala’-ud-Din Ali Guschdschi, den<br />
Sternenkatalog „Sidsch-e Ulugh Beig“, auch „Sidsche<br />
Sultani“ genannt, im Jahre 1437 (841 h. q.) fertig.<br />
Er ist ein berühmtes Buch über Astronomie und die<br />
Genauigkeit der darin enthaltenen Werte übertrifft<br />
die in früheren Werken deutlich. Ulugh Beig übergab<br />
die Regierung in Samarkand an seinen Sohn Mirsa<br />
Abd-ul-Asis. Doch dies rief den Zorn seines älteren<br />
Sohnes Abd-ul-Latif hervor, der sich gegen seinen<br />
Vater erhob, ihn verhaftete, verurteilte und im Herbst<br />
1449 (853 h. q.) hinrichtete. Auäerdem tätete er auch<br />
seinen Bruder. Er wurde aber selbst innerhalb von<br />
sechs Monaten durch einen Diener seines Vaters<br />
getätet.<br />
Abu Said, ein Enkel von Miran Schah (siehe oben),<br />
war in Samarkand von Abd-ul-Latif inhaftiert worden,<br />
doch er konnte flüchten. Es gelang ihm in Buchara<br />
an die Macht zu kommen und er herrschte von 1451<br />
(855 h. q.) bis 1469 (873 h. q.). Abu Said eroberte mit<br />
der Unterstützung eines usbekischen Heerführers<br />
schlieälich auch Samarkand. Währenddessen<br />
regierte Abu-l-Qasem Baber, ein Enkel von Schah<br />
geschichte<br />
N <strong>Info</strong>rmation Nr. <strong>36</strong><br />
33
geschichte<br />
Roch, von 1452 (856 h. q.) bis 1457 (861 h. q.) in<br />
Herat. Er herrschte auch in Teilen des Iraks und von<br />
Fars, doch verlor er den Westen und Süden Persiens<br />
an die Qara Qoyunlu. Nach seinem Tod gelang es<br />
Abu Said sich gegen die uneinigen Nachkommen<br />
von Schah Roch durchzusetzen, Herat zu erobern,<br />
seinen Regierungssitz dorthin zu verlegen und auch<br />
die Qara Qoyunlu zu besiegen. Er eroberte<br />
Masanderan, eine Provinz an der Südküste des<br />
Kaspischen Meers, Sistan, eine Provinz im Südosten<br />
Persiens, Gaznah und Kabul im heutigen Afghanistan,<br />
Choresmien, das ästlich des Kaspischen Meeres in<br />
Zentralasien liegt, und andere Gebiete. Abu Said<br />
wurde bei einem Feldzug nach Aserbaidschan gegen<br />
die Aq Qoyunlu gefangen genommen und einem<br />
Timuriden ausgeliefert. Mit der Begründung, dass er<br />
Gohar Schad getätet hatte (siehe oben), wurde er<br />
hingerichtet. In Samarkand regierten danach<br />
mehrere Herrscher, doch schlieälich eroberte der<br />
Usbekenchan Mohammed Scheibani im Jahre 1500<br />
(905 h. q.) die Stadt.<br />
Sultan Hussein Baiqara, ein Urenkel von Omar<br />
Scheich, einem Sohn von Tamerlan, herrschte von<br />
1470 (875 h. q.) bis 1506 (912 h. q.) in Herat im<br />
heutigen Afghanistan. In seiner Regierungszeit gelang<br />
es ihm sich gegen die Angriffe der Aq Qoyunlu und<br />
später auch gegen die Machtansprüche seiner<br />
Sähne zu behaupten. Er war selbst ein Literat und<br />
Dichter und versammelte an seinem Hof<br />
herausragende Vertreter aller damaligen Künste.<br />
Unter seiner Regierung war der Hähepunkt der<br />
kulturellen Entwicklung der Timuridenzeit. Dafür<br />
stehen bekannte Kunstliebhaber wie der bekannte<br />
Dichter und Minister Amir Ali Schir Nava’i, der zur<br />
Prachtentfaltung und zum Aufblühen der Hauptstadt<br />
beitrug. Er lieä zahlreiche Schulen, Krankenhäuser<br />
und Moscheen errichten. Berühmt ist auch der<br />
Dichter Dschami. Die Kalligraphie machte groäe<br />
Fortschritte, z. B. durch den bekannten Meister Sultan<br />
Ali Maschhadi, und auch hervorragende Maler, wie<br />
Mirak Herawi, Amir Ruhollah Naqasch und sein<br />
Schüler der Miniaturmaler Behzad lebten damals am<br />
Hof. Der letztere wurde von Sultan Baiqara auch zum<br />
Leiter der käniglichen Bibliothek bestimmt. Ein Jahr<br />
nach dem Tod dieses Herrschers eroberte der Usbeke<br />
Mohammed Scheibani auch die Stadt Herat.<br />
Dadurch verloren die Timuriden die Herrschaft im<br />
Groäteil des Landes Chorasan im Nordosten des<br />
früheren Reiches von Tamerlan. In einem Teil von<br />
Indien gelangten sie aber wieder an die Macht: Die<br />
34 Nr. <strong>36</strong><br />
Dynastie wurde dort von Sahir ud-Din Baber, einem<br />
Enkel von Abu Said, fortgeführt, der 1526 (932 h. q.)<br />
das Sultanat von Delhi eroberte und dort das Reich<br />
der Groämoguln gründete.<br />
Am Ende der Timuridenherrschaft wurde Persien von<br />
den Usbeken im Norden und von den Osmanen in<br />
Kleinasien bedroht. In Chusestan im Südwesten an<br />
der Grenze zum heutigen Irak kam es zu Aufständen.<br />
Das Land war zersplittert: In manchen Teilen<br />
Chorasans herrschten noch immer verschiedene<br />
timuridische Fürsten, im Westen hatten die<br />
turkmenischen Aq Qoyunlu die Macht. Die<br />
Gegensätze zwischen verschiedenen Volksgruppen<br />
in Persien, zwischen Sunniten und Schiiten, zwischen<br />
Turkvälkern und Tadschiken, zwischen Usbeken und<br />
Qeselbasch, das waren ursprünglich schiitische<br />
Angehärige turkmenische Stämme, die nach<br />
besonderen roten Kopfbedeckungen benannt<br />
wurden, verschärften sich.<br />
Die Regierungszeit der Timuriden hatte<br />
gegensätzliche Auswirkungen auf den <strong>Iran</strong>: Mit ihnen<br />
begann eine der Blütezeiten der islamischen Kultur,<br />
die allerdings durch die Verschleppung von Künstlern<br />
und Handwerkern herbeigeführt wurde. Es wurde<br />
vielfältige Literatur in Persisch und anderen Sprachen<br />
geschaffen. In der bildenden Kunst der damaligen<br />
Zeit sind verschiedene kulturelle Einflüsse sichtbar,<br />
der persische Stil ist aber vorherrschend. Die<br />
Timuriden legten wie die Ilchane groäen Wert auf<br />
religiäse und profane Bauten, was besonders in<br />
Städten wie Herat, Maschhad und Samarkand<br />
sichtbar wird. Noch häufiger als Moscheen lieäen<br />
sie Hochschulen errichten. Die Verzierungen auf den<br />
Gebäuden wurden kunstvoll mit Fliesen mit<br />
vielfältigen Farben, z. B. türkis, dunkelblau und weiä,<br />
und geometrischen Formen gestaltet. Die Timuriden<br />
lieäen auch prachtvolle Kuppeln und Minarette<br />
errichten. Auch die Wissenschaft blühte in ihrer Zeit<br />
auf, z. B. unter der Regierung von Ulugh Beig.<br />
Andererseits waren die Timuriden ein Paradebeispiel<br />
für eine Gewaltherrschaft im Namen des Islams, was<br />
sich insbesondere durch die märderischen<br />
Machtkämpfe unter den verschieden Angehärigen der<br />
Familie zeigt. Durch die immer wieder auftretenden<br />
Streitigkeiten verschiedener Fürsten herrschte oft<br />
Unsicherheit im Land. In dieser Zeit gab es im Gebiet<br />
des heutigen <strong>Iran</strong>s meistens keine einheitliche<br />
Herrschaft, da Timuriden lokal in verschiedenen<br />
Landesteilen herrschten, während die Qara Qoyunlu<br />
und die Aq Qoyunlu Gebiete im Westen eroberten.<br />
<strong>Info</strong>rmation<br />
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