WerbewocheJubiläumsausgabe 40 Jahre Werbewoche_001
WerbewocheJubiläumsausgabe 40 Jahre Werbewoche_001
WerbewocheJubiläumsausgabe 40 Jahre Werbewoche_001
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Torte: Dançoise Koechler, The Cake Lady/Foto: Isabel Imper und Thomas Häusermann<br />
werbewoche<br />
ZEITUNG FÜR MARKETING, WERBUNG & MEDIEN<br />
WWW.WERBEWOCHE.CH<br />
JUBILÄUMSAUSGABE <strong>40</strong> JAHRE WERBEWOCHE 30.8.2013
GRUEN LIFESTYLE<br />
Lifestyle-Magazin: mit der Schweizer Illustrierten: Erscheinung: Anzeigenschluss:<br />
SI GRUEN 5 43 21. 10. 2013 30. 09. 2013<br />
Zwischen Mate-Tee, Vollkornreis und Gucci liegt ungefähr die Mitte. Eine Mitte, die es wert<br />
ist, sie als Zielgruppe mit hohem Potenzial zu betrachten. SI GRUEN will die «Normalos»<br />
lustvoll grüner und umweltbewusster machen. SI GRUEN ist nachhaltig am Thema.<br />
SI GRUEN 5/13<br />
Erscheint am:<br />
21. Oktober 2013<br />
Verena Baumann, Leitung Marketing<br />
Tel. 044 259 61 44<br />
verena.baumann@ringier.ch<br />
Brigitte Gemperle, Anzeigendisposition<br />
Tel. 044 259 61 55<br />
brigitte.gemperle@ringier.ch<br />
Anzeigenpreise analog<br />
SCHWEIZER ILLUSTRIERTE:<br />
www.schweizer-illustrierte.ch<br />
II548722
Jubiläumsausgabe <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Werbewoche</strong> <strong>40</strong> | 30.8.2013 REIN 3<br />
ZUR SACHE: <strong>40</strong> JAHRE WERBEWOCHE<br />
Ein Editorial für eine Jubiläumsnummer zu<br />
schreiben, ist etwas ganz Schreckliches. Die Gefahr<br />
besteht, dass man in Nostalgie versinkt, und diese<br />
Gefahr ist bei einem <strong>40</strong>-Jahr-Jubiläum noch grösser.<br />
Einverstanden, etwas Nostalgie ist ja gut und<br />
gehört zu einem Jubiläum, aber ich habe das lieber<br />
einigen alten (sorry Kollegen!) Weggefährten überlassen.<br />
Kari Lüönd und Theophil Butz lassen, jeder<br />
auf seine Art, die Vergangenheit plastisch auferstehen.<br />
Bei einem Jubiläum darf auch ein Gedicht<br />
nicht fehlen. Anne-Friederike Heinrich ist unter<br />
die Dichterinnen gegangen.<br />
Ich wollte, dass alle ehemaligen Chefredaktoren<br />
etwas zur <strong>Werbewoche</strong> schreiben, und habe ihnen<br />
eine Carte blanche gegeben. Alle haben zugesagt.<br />
Das hat mich ungemein gefreut. Es ist auch nicht<br />
selbstverständlich, denn nicht alle haben sich – wie<br />
man so schön sagt – im gegenseitigen Einvernehmen<br />
von der <strong>Werbewoche</strong> getrennt. Ist ja auch<br />
nicht überraschend, denn die in der Vergangenheit<br />
ständig wechselnden Eigentumsverhältnisse der<br />
<strong>Werbewoche</strong> waren nicht ohne. Besonders freut es<br />
mich, dass der <strong>Werbewoche</strong>-Gründer, -Inhaber und<br />
langjährige Chefredaktor Detlef Thierling auch<br />
einen Beitrag leistete. Ich versuchte Thierling vor<br />
zwei <strong>Jahre</strong>n zu einem Interview zu überreden, aber<br />
er wollte nicht. Jetzt hat er sich geäussert.<br />
Ein Vergleich von heute zu gestern kann langweilig<br />
sein. Ein Gespräch mit zwei Exponentinnen<br />
der Werbeszene von früher und heute ist es sicher<br />
nicht. Doris Gisler Truog, die Grande Dame der<br />
Schweizer Werbeszene und Werberin des <strong>Jahre</strong>s<br />
1977, traf sich zu einem Gespräch mit Regula Fecker,<br />
Werberin des <strong>Jahre</strong>s 2010. Die beiden führten<br />
ein gegenseitiges Interview. Spannend und sehr<br />
lesenswert.<br />
Von einem Altmeister der Schweizer Werbung<br />
wollten wir wissen, welche Veränderungen sich in<br />
der Schweizer Werbeszene ergeben haben. Wer wäre<br />
dazu besser geeignet als Jost Wirz. Auch ein Interview<br />
mit einem Kreativen durfte nicht fehlen. Ernst<br />
Wirz, ursprünglich Fotograf und heute Werbe filmer<br />
und Musiker, kennt die Szene seit Urzeiten.<br />
Zu einem Jubiläum gehört aber auch ein Blick in<br />
die Zukunft. Anstatt den uns aus den Fingern zu<br />
saugen, haben wir elf Agenturen gebeten, sich mit<br />
der Zukunft zu befassen. Interessant, kreativ und<br />
amüsant sind die Ergebnisse.<br />
Ein Jubiläum ist aber auch immer ein Anlass,<br />
um danke zu sagen.<br />
Danken möchte ich zuerst allen unseren Abonnenten<br />
und Abonnentinnen, die zum Teil schon<br />
sehr lange der <strong>Werbewoche</strong> die Treue halten.<br />
Danken möchte ich auch unserem Verleger<br />
Hans-Peter Lebrument, der vor drei <strong>Jahre</strong>n verhinderte,<br />
dass wir wiederum einen neuen ausländischen<br />
Privat-Equity-Besitzer erhalten. Als<br />
ehemaliger Journalist ist für ihn die Unabhängigkeit<br />
der Redaktion wichtig.<br />
Auch dem CEO Andrea Masüger gebührt mein<br />
Dank. Er ist mein erster Vorgesetzter – auch er ehemaliger<br />
Journalist –, der wirklich beurteilen konnte,<br />
was wir überhaupt machen. Bis anhin waren es<br />
immer Manager oder Controller gewesen, ohne<br />
Bezug zum Journalismus.<br />
Danken möchte ich auch dem neuen Verlagsleiter<br />
Ralf Seelig. Dank ihm kann ich mich wieder<br />
voll auf die Redaktion konzentrieren. Danken<br />
möchte ich unserem Verkaufsleiter Thomas<br />
Stuckert und Daniela Hämmerle, beide seit <strong>Jahre</strong>n<br />
ein eingespieltes Team, das dafür sorgt, dass Anzeigen<br />
und Abos verkauft werden.<br />
Eine grosses Dankeschön geht auch an die<br />
Redak tion. Andreas Panzeri, mein Stellvertreter,<br />
Isabel Imper, Redaktorin, Annschy Bardill, Grafikerin,<br />
Thomas Häusermann und Ursina Maurer,<br />
Online-Redaktion. Dieses Team sorgt zusammen<br />
mit freien Mitarbeitern dafür, dass wir Ihnen täglich<br />
interessante News auf <strong>Werbewoche</strong>.ch und alle<br />
vierzehn Tage eine spannende <strong>Werbewoche</strong> bieten<br />
können. Auch unseren beiden langjährigen Korrektoren<br />
Bea Syz und Waldemar Ziegler, die akribisch<br />
für korrekte Texte sorgen, danke ich herzlich.<br />
Ich hoffe, diese spezielle Ausgabe der <strong>Werbewoche</strong><br />
gefällt Ihnen ebenso wie uns. In vierzehn<br />
Tagen erscheinen wir dann wieder mit den gewohnten<br />
Themen.<br />
Pierre C. Meier, Chefredaktor<br />
pc.meier@werbewoche.ch<br />
ETWAS<br />
NOSTALGIE<br />
IST GUT.“<br />
werbewoche<br />
30.08.<br />
4 <strong>Werbewoche</strong>-Layouts 1973–2013<br />
6 Die acht ehemaligen Chefredaktoren<br />
äussern sich zur <strong>Werbewoche</strong><br />
9 Journalisten, die in den letzten<br />
<strong>40</strong> <strong>Jahre</strong>n für die <strong>Werbewoche</strong><br />
schrieben und es zum Teil immer<br />
noch tun<br />
10 Opa erzählt vom Aktivdienst. Karl<br />
Lüönd erinnert sich<br />
11 <strong>Werbewoche</strong>: <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong> – ein Gedicht von<br />
Anne-Friederike Heinrich<br />
12 Statt zu motzen, erzählt Theophil Butz heute<br />
schräge Episoden aus der Werbung von früher<br />
14 Seit <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong>n werben Medien in der <strong>Werbewoche</strong><br />
um Inserenten. Die meisten mit<br />
nachhaltigem Erfolg. Andere wiederum sind<br />
von der Bildfläche verschwunden<br />
28<br />
18 Text-Transmitter, virtuelle Kunden, eine<br />
Fernbedienung für die Welt und eine Lebens-<br />
mittelreproduktionswellenmaschine.<br />
Wie sich Werber und<br />
Kommunikations spezialisten<br />
die Welt von morgen vorstellen<br />
Früher hat die Kontinuität eine<br />
grössere Rolle gespielt», meint<br />
Jost Wirz zum Verhältnis einer<br />
Werbeagentur zu ihren<br />
Kunden. Was sich sonst noch<br />
verändert hat in den letzten <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong>n, erklärt<br />
der Patron der Pionier-Agentur Wirz in einem<br />
rückblickenden Interview<br />
32 Was haben sich<br />
die «Werberin<br />
des <strong>Jahre</strong>s<br />
1977» und die<br />
«Werberin des<br />
<strong>Jahre</strong>s 2010» zu<br />
sagen?<br />
37 Ein paar Gedanken rund um die Entwicklung<br />
der Filmtechnik in den <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong>n der<br />
<strong>Werbewoche</strong>. Ein Gespräch mit Ernst Wirz,<br />
der mit der Firma Wirz Fraefel Paal in dieser<br />
Zeit zur Regie-Legende geworden ist<br />
<strong>40</strong> Seit der Lancierung der CD hat sich<br />
in der Musikindustrie vieles rasant<br />
entwickelt. David Guggenbühl findet<br />
in seiner Betrachtung zum Musikkonsum,<br />
es gebe nur eine Art, dieser Entwicklung<br />
zu begegnen
4<br />
Jubiläumsausgabe <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Werbewoche</strong> | 30.8.2013<br />
<strong>40</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Werbewoche</strong>-Layouts<br />
Wie jede Zeitschrift änderte auch die <strong>Werbewoche</strong> in den <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong>n einige Male ihr Erscheinungsbild. Beibehalten<br />
hat man seit 1988 das eigenständige Format.<br />
Ursprünglich im A4-Format kam dann im <strong>Jahre</strong><br />
1988 der Wechsel zum heutigen Format der <strong>Werbewoche</strong>.<br />
Man wollte sich mit dem für Schweizer<br />
Verhältnisse ungewöhnlichen Format der amerikanischen<br />
Fachzeitschrift Adage angleichen. Dieses<br />
Format wurde bis heute beibehalten, obwohl es<br />
deswegen immer wieder zu Diskussionen kam. In<br />
den vergangenen <strong>Jahre</strong>n gab es ständig Versuche,<br />
das Format zu ändern. Zu teuer, zu aufwändig, waren<br />
die Argumente des Verlages. Während der Tabloid-Euphorie<br />
2004 und nachdem auch noch der<br />
Blick ins Tabloid-Format wechseln musste, wurde<br />
der Druck des Verlags immer stärker. Wir produzierten<br />
sogar eine gedruckte Nullnummer im Tabloid-Format.<br />
Mit viel Überzeugungskraft und etwas<br />
Glück konnte ich diesen unseligen Schritt<br />
verhindern. Wer gibt schon freiwillig ein Alleinstellungsmerkmal<br />
auf?<br />
Auch der Schriftzug hat in den <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong>n einige<br />
Veränderungen erfahren. Der ursprünglich zweizeilige<br />
schwarze Schriftzug «Werbe-Woche» wurde<br />
1990 zur einzeiligen «WerbeWoche» in blau.<br />
Schreibweise und Farbe wurden dann auch mit anderen<br />
Schriften bis 2004 beibehalten.<br />
Mit dem ersten echten Relaunch 2004, der in<br />
Zusammenarbeit mit der Berliner Design-Agentur<br />
Kircher-Burkhardt erfolgte, wechselte man auf<br />
«werbewoche», und das zweifarbig.<br />
2008 erfolgte der bisher letzte Relaunch, diesmal<br />
mit der Heidelberger Design-Agentur Künkel-<br />
Lopka. Seitdem hat die <strong>Werbewoche</strong> auch ein Logo:<br />
das weisse W im roten Kreis.<br />
Pierre C. Meier
Jubiläumsausgabe <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Werbewoche</strong> | 30.8.2013 5<br />
Die <strong>Werbewoche</strong> ist seit <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong>n ein kritischer Beobachter der<br />
Schweizer Kommunikationsbranche.<br />
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A608075
6<br />
Jubiläumsausgabe <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Werbewoche</strong> | 30.8.2013<br />
Die Ehemaligen<br />
Die <strong>Werbewoche</strong> wurde in den letzten <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong>n von neun Chefredaktoren geleitet. Den bisherigen acht gaben wir<br />
eine Carte blanche und baten sie um einen kurzen Beitrag. Alle haben spontan zugesagt, was uns sehr freut. Besonders<br />
freut uns, dass sich auch Detlef Thierling, Gründer und bis 1984 auch Besitzer der <strong>Werbewoche</strong>, zum<br />
Jubiläum geäussert hat.<br />
Piero Schäfer<br />
Die Sache mit dem Storch<br />
Piero Schäfer<br />
Chefredaktor von 1985 –1990<br />
Heute Piero Schäfer & Partner<br />
GmbH, Publizistik und<br />
Kommunikationsberatung<br />
Vielleicht haben Sie sich auch schon<br />
einmal gefragt, wie man eigentlich<br />
Chefredaktor der WerbeWoche<br />
wird. Eine möglicherweise nicht<br />
eminent bedeutungsvolle, aber im<br />
Zusammenhang mit einem <strong>40</strong>-<strong>Jahre</strong>-Jubiläum<br />
durchaus aufschlussreiche<br />
Frage. Ich kann sie – wenigstens<br />
für meinen Fall – beantworten:<br />
rein zufällig. Entgegen meinen<br />
Gewohnheiten ging ich an einem herbstlichen Morgen<br />
1984 nicht über das Limmatquai, sondern durch<br />
die Storchengasse zu meinem Arbeitsplatz. Aus<br />
Haus Nummer 17 rief plötzlich jemand meinen Namen.<br />
Die Stimme gehörte Hans Hofmann, Geschäftsleiter<br />
des Media Daten Verlages, welcher die<br />
WerbeWoche herausgab. Das Gespräch begann gewissermassen<br />
über die Gasse und endete mit einem<br />
Vertragsabschluss. Der Erfinder der WerbeWoche,<br />
Dethlef Thierling, hatte sich mit dem Verlag überworfen,<br />
kurz nachdem er ihm seine pamphletartige<br />
Publikation verkauft hatte. So wurde der Stuhl des<br />
Chefredaktors frei und Hofmann bot ihn mir an.<br />
Über Werbung wusste ich zwar nichts, ausser, dass<br />
Wiener & Deville eine wunderbare Plakatkampagne<br />
für eine Zigarette namens Primeros kreiert hatte,<br />
aber als einigermassen wacher Geist mit langjähriger<br />
journalistischer Erfahrung (NZZ, Schweizer Illustrierte)<br />
traute ich mir zu, mich in die fremde Materie<br />
einzuarbeiten. Als Basis diente mir ein Register,<br />
in welchem ich die Namen, Agenturen, Verlage<br />
und Ereignisse eines ganzen WeWo-Jahrganges<br />
notierte. Bald fiel mir auf, dass sich die Protagonisten<br />
und Adressen wiederholten: Die Branche war<br />
überschaubar. Eine weitere Massnahme bildete die<br />
Lancierung der Rubrik «Im Storchen getroffen», welche<br />
mir ermöglichte, aus aktuellem Grund jede Woche<br />
eine Persönlichkeit aus der Kommunikationsbranche<br />
in der Bar des Hotels Storchen zu einem<br />
Gespräch zu treffen. Und hilfreich war ausserdem,<br />
dass die 80er-<strong>Jahre</strong> eine goldene Epoche für Werbung<br />
und Medien darstellte. Geld schien keine Rolle<br />
zu spielen: Es gab Pressekonferenzen in New York<br />
und Paris, David Marsden lud mich zu einer Vertragsunterzeichnung<br />
mit Leo Burnet nach Chicago<br />
ein, aus jeder Lancierung eines Magazins (und sei es<br />
noch so vorübergehend) wurde ein Riesenevent mit<br />
Hunderten von Geladenen und Special Guests. Kein<br />
Wunder, platzte die WerbeWoche umfangmässig<br />
aus allen Nähten, die Verlage und anderen Repräsentanten<br />
der kommerziellen Kommunikation wollten<br />
auf sich und ihre Titel im inzwischen erfolgreichen<br />
Heft aufmerksam machen. Die vierköpfige WeWo-<br />
Redaktion hatte jede Woche ein Magazin mit gegen<br />
80 Seiten Umfang abzuliefern. Die Hälfte davon<br />
Anzeigen. Media Daten muss es gend gegangen sein. Bloss merkte die Re-<br />
hervorradaktion<br />
nichts davon. Als ich mir nach fast<br />
fünf <strong>Jahre</strong>n erlaubte, einen en neuen Vertrag<br />
ins Gespräch zu bringen, n, kam es zum<br />
Bruch. Die ganze Redaktion kündigte.<br />
Trotz dieses unschönen Abschlusses: Die<br />
Zeit bei der WerbeWoche e war für mich<br />
und meine weitere Zukunft prägend.<br />
Schön, bin ich an jenem herbstlichen<br />
Morgen für einmal durch die<br />
Storchengasse gegangen.<br />
Die WerbeWoche-Chefredaktion<br />
als Freelance-Job<br />
Sarah Rieder<br />
Chefredaktorin 1990 – 1992<br />
Heute freie Journalistin<br />
Es war der zweitwärmste te Sommer<br />
seit 1864, als ich mich 1989<br />
mit Piero Schäfer, dem daktor der Werbe-Woche, im<br />
Chefre-<br />
Garten des Frascati im cher Seefeld zu einem Mittagessen<br />
traf. Was er wohl von<br />
mir wollte? – Eine Nachfolge<br />
suche er, denn fünf <strong>Jahre</strong><br />
jede Woche über die Werbebranche<br />
zu schreiben, seien en<br />
Zür-<br />
genug.<br />
Ich betreute damals für<br />
den Verein dipl. Werbeleiter<br />
und -assistenten die<br />
Monatszeitschrift idee..à<br />
jour und blickte gerade<br />
auf zehn <strong>Jahre</strong> Selbständigkeit<br />
als Texterin/Journalistin<br />
zurück.<br />
Mich mit 50 wieder anstellen zu lassen, schien<br />
mir ausgeschlossen, doch das sollte nicht Pieros Sorge<br />
sein. Ich sagte ihm zu und verhandelte mit einem<br />
Zürcher Anwalt, da der Verlag Media-Daten Schweiz<br />
damals dem kanadischen Verlag Maclean Hunter in<br />
Toronto gehörte. Für die Kanadier schien dies kein<br />
Problem zu sein; sie wiesen den Anwalt an, für mich<br />
einen Freelance-Vertrag auszuarbeiten.<br />
Kaum war diese Hürde geschafft, baute sich eine<br />
zweite auf: Mit Piero Schäfer nahmen auch seine<br />
drei Redaktoren den Hut. Es blieb wenig Zeit, noch<br />
Sarah Rieder<br />
vor dem <strong>Jahre</strong>sende<br />
1989 ein passendes Team sammenzustellen. Doch es klappte mit Christian<br />
Wapp, dem späteren Chefredaktor und dem Media-<br />
zujournalisten<br />
Daniel Sidler. Letzterer verliess uns<br />
zwar nach einem Jahr wieder, konnte jedoch rasch<br />
durch den Basler Journalisten Christian Mensch<br />
ersetzt werden. Als Verlags- und Redaktionssekretärin<br />
amtete die dipl. Werbeassistentin Gabriela<br />
Müller.<br />
Auf ging’s in ein neues Abenteuer und<br />
ein neues Jahrzehnt! Auf die goldenen<br />
80er-<strong>Jahre</strong> folgten mit den 90ern schwierigere<br />
Zeiten: Saddam Hussein eröffnete<br />
den 2. Golfkrieg, die Sozialistische Sowjetrepublik<br />
löste sich auf, ebenso die Sozialistische<br />
Republik Jugoslawien, was jahrzehntelange<br />
kriegerische Auseinandersetzungen<br />
nach sich zog. In der Schweiz<br />
ging die EWR-Abstimmung bachab,
Jubiläumsausgabe <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Werbewoche</strong> | 30.8.2013 7<br />
das Land blieb politisch blockiert und die Wirtschaft<br />
stockte.<br />
Nichtsdestotrotz wagten wir den Neubeginn mit<br />
einem neuen Layout. Als begeisterte Anhängerin<br />
des amerikanischen Zeitungsmachers Mario Garcia<br />
hatte ich konkrete Vorstellungen, die der Zürcher<br />
Gestalter Lars Klingenberg im Dezember 1989 flott<br />
umsetzte. Mit einem Blick in die Zukunft, die nach<br />
einer globaleren Kommunikation verlangte, bekam<br />
die WerbeWoche den Übertitel «Die Wochenzeitung<br />
der Kommunikationsbranche». Werbung konnte<br />
nicht mehr unser alleiniges Thema sein. Die Leserschaft<br />
war des Lobes voll, die Auflage erhöhte sich<br />
in Kürze von 2125 Ex. um einen Viertel auf 2642 Ex.<br />
Da ich Menschen mag, wollte ich Piero<br />
Schäfers «Storchengespräche»<br />
unbedingt weiterführen. Allerdings<br />
weg vom Storchen hin zur Mühle<br />
Tiefenbrunnen, gemeinsam mit dem<br />
Fotografen Michael Sieber. Nach 100<br />
Gesprächen mit Persönlichkeiten aus<br />
der Kommunikationsbranche verarbeitete<br />
der Verlag diese zu einem Buch.<br />
Dessen Vernissage fand mit weit über<br />
hundert Fachleuten bei schönstem Wetter<br />
unter freiem Himmel im Mühle-Areal<br />
im Sommer 1992 zufälligerweise mit<br />
«meiner» letzten Werbe-Woche-Ausgabe<br />
zusammen. Ein schöneres Abschiedsfest<br />
hätte ich mir nicht wünschen können!<br />
P.S. Bald danach übertrug mir der Verlag Media-Daten<br />
Organisation und Verfassung der Jubiläumsausgabe<br />
«1973-1993: 20 <strong>Jahre</strong> WerbeWoche» mit 184 Seiten.<br />
Ich klaue nochmals Ihre Zeit<br />
Markus Zürcher<br />
Chefredaktor 1992 – 1993<br />
Heute Zürcher Kommunikation<br />
Wäre ich militärdienstuntauglich gewesen, ich<br />
wäre vermutlich niemals Chefredaktor der «WerbeWoche»<br />
geworden. Nahkampffähigkeiten oder<br />
kühne Angriffsstrategien gehörten zwar nicht<br />
zwingend zum Jobprofil (hätten aber auch nicht<br />
geschadet...). Aber damals im Militärdienst lernte<br />
ich Hans Hofmann kennen. Eine ziemlich folgenschwere<br />
Bekanntschaft. Der begnadete Motivator<br />
und umtriebige Medienstellenbesetzer machte mir<br />
nämlich <strong>Jahre</strong> später, als ich mich aus der Geschäftsleitung<br />
von Wirz Public Relations<br />
verabschiedet hatte, den<br />
Chef-<br />
posten bei der WerbeWoche schmackhaft.<br />
Ich versuche, mich zu erinnern, wie das damals<br />
war, in der Redaktion an der Klausstrasse im Werbegravitationszentrum<br />
Zürich. Zwanzig <strong>Jahre</strong> ist<br />
das nun schon her. Vieles ist längst abgefallen von<br />
mir, wie alte Kleider, die man schnell vergisst – und<br />
denen man auch nicht nachtrauert. Was ist überhaupt<br />
geblieben, nach so langer Zeit? Wer hat mich<br />
nachhaltig beeindrucken können?<br />
Jean-Etienne Aebi, mit dem man sich vortrefflich<br />
über gute Werbung an sich sowie über den Auf- und<br />
Abbau von Agenturstrukturen unterhalten konnte.<br />
Hermann Stittmatter, der Stritti, der sich über jeden<br />
Buchstaben, der über ihn geschrieben wurde, göttlich<br />
aufregen konnte.<br />
Markus Zürcher<br />
Detlef Thierling<br />
Gründer und Inhaber der <strong>Werbewoche</strong><br />
1984 Verkauf an die damalige Media Daten AG<br />
Chefredaktor von 1973 – 1984<br />
Edi Andrist, ein feinfühliger Multikreativer, der<br />
schon damals näher bei der Kunst als der Werbung<br />
stand.<br />
Reini Weber, weil der sogar noch E-Gitarre spielen<br />
konnte.<br />
Ernst Wirz, weil der Starregisseur ohne Allüren locker<br />
Du zu mir sagte, bevor ich ihm überhaupt Sie<br />
sagen konnte.<br />
Peter Leutenegger, weil er nicht nur ein grosses Herz<br />
hat, sondern sich immer auch sehr offen und selbstkritisch<br />
äusserte.<br />
Frank Bodin, der musische Intellektuelle, vielfach<br />
beneidet für seine Talente, weniger für seine anachronistische<br />
Frisur.<br />
Irene Hiltpold, stets gut gelaunt und nicht zu übersehen<br />
mit ihrem Sex-Appeal.<br />
Mike Krüll mit seinen Ansichten und Hemden.<br />
Natürlich gab es noch mindestens 90 weitere Persönlichkeiten,<br />
die mir begegnet sind – immerhin bestand<br />
das Werberleben damals zu gefühlten zwei Dritteln<br />
daraus, sich sehen zu lassen –, darunter auch solche,<br />
die zu kennen oder sich zu merken man heute glücklicherweise<br />
nicht mehr verpflichtet ist.<br />
Was ich glaube, über das Thema Werbung<br />
verstanden zu haben: Es gibt<br />
keine Formel<br />
für Kreativität.<br />
Gute Ideen sind<br />
alles – und äusserst<br />
rar. Deshalb<br />
besteht auch für<br />
viele Werber Kreativität<br />
vorwiegend in<br />
der Kunst, ihre Quellen<br />
zu verschleiern.<br />
Ein weiterer Punkt:<br />
Gerade in der Werbekommunikation<br />
ist<br />
Einfachheit die höchste<br />
Stufe der Vollendung; jedes<br />
Wort zu viel ist ein<br />
Gedanke zu wenig.<br />
Interessant an der Werbung<br />
finde ich bis heute,<br />
dass es immer um die beste Idee geht. Wer die hat,<br />
gewinnt die Aufmerksamkeit. Werber müssen gewissermassen<br />
Krieg führen: Wie klaut man den<br />
Menschen ihre kostbare Zeit? Und wenn man sie<br />
ihnen gestohlen hat – was macht man dann mit ihnen?<br />
Hoffentlich etwas Befriedigendes.<br />
Noch ein Letztes: Das Etikett soll nicht grösser<br />
sein als der Sack. Das ist nicht von mir, sondern vom<br />
alten Griechen Lukian von Samosata.<br />
Als Dompteur in der Arena<br />
Eugen Rieser<br />
Chefredaktor 1993<br />
Heute Eugen Rieser Report Produktion<br />
Anfang der neunziger <strong>Jahre</strong> etablierten sich einige<br />
neue Kooperationen in der Werbebranche; man<br />
sprach von «Elefanten-Hochzeiten»; Jean-Etienne<br />
lässt grüssen! Dieser Spuk war dann aber schnell wieder<br />
vorbei, und die Wirtschaftskrise traf auch viele<br />
Agenturen hart; Mitarbeitende wurden entlassen.<br />
In diesen Schicksalsjahren für die Werbung hatte<br />
sich ein verschworenes, journalistisches Triumvirat<br />
auf der WeWo-Redaktion gebildet; das eigentlich<br />
keinen Chef wollte und mir «offen den Krieg erklärte».<br />
Sie übten sich als verspätete<br />
«Achtundsechziger» im Widerstand<br />
gegen Oben.<br />
Mein Engagement als Chefredaktor<br />
beim Domizil des damals noch<br />
existierenden «Modeblatts» im Seefeld<br />
begann also unter einem schlechten<br />
Stern. Auch die ausländischen<br />
Besitzer des Werbemagazins wechselten<br />
oft und Amtssprache wurde<br />
Englisch. Mit solchen Fachmagazinen<br />
waren damals in unserem Land<br />
noch schöne Gewinne zu kassieren<br />
(«halbe Kiste und mehr….»). Mein<br />
Vorgänger blieb nur kurze Zeit, auch<br />
mein Gastspiel dauerte nur einige<br />
Eugen Rieser<br />
Monate. Die drei Redaktionsmitglieder<br />
waren aber kompetent und engagiert;<br />
sie machten später Karriere im Journalismus<br />
– bei Wochen- und Tageszeitungen sowie einem<br />
Wirtschaftsmagazin.<br />
So konnte ich getrost von dannen ziehen; einer<br />
der drei wurde auf meinen Vorschlag beim Verlag<br />
hin zum Chef gekürt. Als Episode bleibt: Einer der<br />
drei meinte bei meinem Abgang, es sei doch schade,<br />
wenn ich nun gehe, wegen meiner Kompetenz als<br />
integrer Journalist. Da war ich froh, den Stab in engagierte<br />
Hände übergeben zu haben.<br />
Aufbruch in ein neues Zeitalter<br />
Christian Wapp, Redaktor von 1990 –1994<br />
Chefredaktor von 1994–1998<br />
Heute Produktionsleiter Bilanz<br />
Eine Zeit des Umbruchs, eine Zeit des Aufbruchs: So<br />
würde ich meine <strong>Jahre</strong> bei der WerbeWoche beschreiben.<br />
Als ich Anfang 1994 Chefredaktor wurde,<br />
benutzten höchstens fünf Prozent der Schweizer<br />
Bevölkerung ein Natel, das Internet spielte noch<br />
keine Rolle. Ende 1998, als ich die WerbeWoche verliess,<br />
telefonierte fast jeder – zumindest in der Kommunikationsbranche<br />
– mit einem Handy, wie es inzwischen<br />
hiess, und fast jeder surfte im Internet.<br />
Kurz: Die mittleren neunziger <strong>Jahre</strong> des vergangenen<br />
Jahrhunderts veränderten unser Kommunikationsverhalten<br />
– und die Wirtschaftswelt –<br />
enorm. Zum Handy- und Internet-Boom kam eine<br />
Liberalisierungswelle vor allem in der Telekom- und
Jubiläumsausgabe <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Werbewoche</strong> | 30.8.2013<br />
Versicherungsbranche. Gleichzeitig<br />
veränderte sich die Fernsehlandschaft.<br />
Lokale Sender machten erste<br />
Gehversuche, deutsche Privatsender<br />
richteten erste Schweizer Werbefenster<br />
ein.<br />
Von dieser Umbruchphase profitierte<br />
die Kommunikationsbranche in<br />
hohem Masse. Neue Firmen mussten<br />
eingeführt, neue Angebote lanciert<br />
werden. Dazu kam, dass einige Grossunternehmen<br />
wie Migros, Coop oder<br />
die Post viel mehr Werbung betrieben<br />
als in früheren <strong>Jahre</strong>n und «Below the<br />
Line» zur neuen Zauberformel avancierte.<br />
Es gab kaum noch eine klassische<br />
Kampagne, die ohne flankierende<br />
Christian Wapp<br />
Massnahmen auskam. Das generierte<br />
zusätzliche Aufträge, zog aber auch<br />
Mittel von den klassischen Werbeagenturen ab –<br />
etwa hin zu PR-, Direktmarketing- oder Event-<br />
Agenturen.<br />
Dieses Neugeschäft war ein willkommener Ausgleich<br />
für verlorene Terrains, denn nicht in allen<br />
Märkten war Aufbruch angesagt. Die Schweizer<br />
Wirtschaft litt nach Mitte der neunziger <strong>Jahre</strong> unter<br />
sinkenden Wachstumsraten. Die Unternehmen<br />
übten sich im Sparen, das Drücken der Beratungshonorare<br />
wurde ein beliebter Sport, das Kürzen von<br />
Kommunikationsbudgets ebenso.<br />
Längst ausgeträumt war zudem der<br />
Traum der achtziger <strong>Jahre</strong>, Zürich würde<br />
sich dereinst zu einem internationalen Werbemekka<br />
entwickeln. Ausländische Konzerne<br />
zogen es immer öfter vor, ihre globalen<br />
Kampagnen von New York, London oder<br />
Paris aus zu steuern, und liessen – bestenfalls<br />
– ihre Werbung in der Schweiz adaptieren.<br />
Und immer mehr Schweizer Multis fanden,<br />
sie seien für ihre globale Werbung im<br />
Ausland besser bedient. Agenturen, die nicht<br />
nur das Binnengeschäft pflegen wollten,<br />
mussten sich international vernetzen.<br />
Und bei der WerbeWoche? Bei uns<br />
herrschte ebenfalls Aufbruchstimmung. Wir<br />
vergrösserten das Redaktionsteam, konnten<br />
uns mit mehr Themen befassen, führten im<br />
Blatt neue Gefässe ein (etwa die Klatschkolumne<br />
«Shortlist» u.a.), experimentierten<br />
mit Fernsehen («WerbeWoche-TV») oder Sponsoring<br />
(eigene Events, Unterstützung ADC/BSW-<br />
Kreativschule), führten für den «Werber des <strong>Jahre</strong>s»<br />
ein neues Nominationssystem ein. Und wir<br />
tasteten uns vor mit einem Online-Auftritt – und<br />
liebäugelten mit einer umfangreichen Web-Plattform<br />
mit ambitiösen Business-Zielen. Rückblickend<br />
ein kluger Entscheid, dass wir darauf verzichteten.<br />
Die Zeiten des Umbruchs und Aufbruchs hörten<br />
Ende der neunziger <strong>Jahre</strong> nicht auf. Doch der grassierenden<br />
Internet-Euphorie folgte bekanntlich<br />
bald Ernüchterung.<br />
Forza <strong>Werbewoche</strong>!<br />
Ursula Klein<br />
Chefredaktorin 1998–1999<br />
Heute Verlegerin und Herausgeberin des Klein<br />
Reports<br />
Gratulation! Vor allem, dass Du noch lebst, liebe<br />
«<strong>Werbewoche</strong>». Ein Branchenblatt, das sich vom A4-<br />
gehefteten Blatt zur Zeitschrift gemausert hat. Dein<br />
Übername war deshalb ja zeitweilig auch «Sterbewoche»<br />
– man wusste nie genau, je nach Besitzer und<br />
Machart, ob noch was kommt.<br />
Oft als Sprachrohr von Werbeverbänden und<br />
Einzelpersonen gebraucht und missbraucht, aber<br />
immer wieder mit guten Texten, Kommentaren,<br />
grandioser Werbung und dem Kitt an News, die es<br />
für eine funktionierende Branche braucht. Ist das<br />
heute noch so? Oder ist dieser aufklärerische Gedanke<br />
altmodisch und vorbei?<br />
Heute gehören die staatlichen Grosskonzerne<br />
Swisscom, Post und die SBB zu den grössten Werbetreibenden<br />
in der Schweiz, gefolgt von den vielen<br />
Fachhochschulen und Unis, die oft (inflationär) viele<br />
neue Studiengänge im Medienbereich anbieten...<br />
Und sie sind alle Kunden der Fachblätter im Kommunikationsbereich.<br />
Wagt da ein Medium, in die Hand, die es füttert,<br />
zu beissen? Als Watchdog müsste es das tun, wenn<br />
Ungereimtheiten, Machtmissbrauch oder anderes<br />
zu monieren sind.<br />
Wir beim Klein Report sind politische Menschen.<br />
Und ja, wir lassen die Einflussnahme auf die journalistische<br />
Arbeit nicht zu. Der Klein Report, als einzige<br />
unabhängige Kommunikationszeitung (im<br />
Netz und als Newsdienst), zeigt aber auch, dass die<br />
Leserschaft das will und nachfragt. Und wo der Leser<br />
ist, kommt auch ohne Verfilzung früher oder<br />
später die Werbung hinterher. Ausser: Der Markt ist<br />
in der Werbevermarktung monopolisiert oder die zu<br />
Beschreibenden sind auch gleich die Besitzer der<br />
Medien.<br />
Ursula Klein<br />
Unabhängigkeit ist alles! Sie kann auch von hauseigenen<br />
Journalisten nicht herbeigeschrieben werden<br />
– man sollte sie leben. Deshalb wundert uns,<br />
dass nicht mehr Journalisten den Sprung ins Verlegertum,<br />
ins Unternehmertum wagen.<br />
Wie dem auch sei, liebe «<strong>Werbewoche</strong>», vielleicht<br />
wäre es im erwachsenen Alter nun Zeit, ein Management-buy-out<br />
zu wagen? So ein Fachblatt können<br />
ein paar engagierte Journalisten und Werber alleine<br />
sicherlich besser machen. Forza «<strong>Werbewoche</strong>»!<br />
Von den Marken und der Werbung für<br />
das Leben lernen<br />
Samuel Helbling<br />
Chefredaktor 1999 – 2004<br />
Heute Kommunikationsleiter Departement<br />
Volkswirtschaft und Inneres, Kanton Aargau<br />
Als ich Mitte der 90er-<strong>Jahre</strong> bei der <strong>Werbewoche</strong><br />
anheuerte, geisterte ein Buchtitel des französischen<br />
Starwerbers Jacques Séguéla durch die Medien:<br />
«Sagt meiner Mutter nicht, dass ich in der<br />
Werbung arbeite, sie glaubt, ich sei Pianist in einem<br />
Bordell». Meine Eltern, die diesen Titel irgendwo<br />
aufgeschnappt hatten, runzelten die Stirn, als sie<br />
von meiner neuen Anstellung bei der <strong>Werbewoche</strong>,<br />
dem «Zentralorgan» der Werbebranche, erfuhren.<br />
Doch die Faszination für die Kommunikationsund<br />
Marketingbranche hatte mich gepackt, als ich<br />
entdeckte, welche Rolle Marken in unserem täglichen<br />
Leben spielen. Denn ähnlich wie wir in eine<br />
Landschaft oder in eine Sprache hineinwachsen,<br />
nehmen wir auch Marken als Teil unserer Umwelt<br />
wahr. Und so wie die Philosophie versuchen auch<br />
Werbung und Marketing,<br />
den Geist<br />
ihrer Zeit auf den<br />
Punkt zu bringen.<br />
Deshalb kann man<br />
über Marken und<br />
Marketing auf genau<br />
so hohem Niveau<br />
nachdenken<br />
wie über die Freiheit,<br />
das Schöne<br />
oder das Gute. Diesem<br />
Aspekt versuchten<br />
wir in der<br />
<strong>Werbewoche</strong> Rechnung<br />
zu tragen,<br />
Samuel Helbling<br />
indem wir aktuelle<br />
Strömungen und<br />
künftige Trends in der Marketingkommunikation<br />
thematisierten.<br />
Mit dem Bedeutungszuwachs in der Nachkriegszeit<br />
(«Mad Men» lässt grüssen) wurde die Werbung<br />
kontrovers diskutiert. Vorab ihre gesellschaftspolitische<br />
Wirkung wurde oft heftig kritisiert. Pauschal<br />
wurden die Werbebranche als Manipulationsindustrie<br />
und die Werbetreibenden als Durchlauferhitzer<br />
der Konsumwut gebrandmarkt. Einen ersten Höhepunkt<br />
erreichte die Debatte über die Funktionsweise<br />
der Werbung und ihre Gefahren in den 60er-<strong>Jahre</strong>n,<br />
nach der Veröffentlichung des Bestsellers «Die<br />
geheimen Verführer» von Vance Packard. Seine These,<br />
dass sich Werbung auf raffinierte Weise an das<br />
Unterbewusstsein der Leute richte, um sie zum Kauf<br />
von unnützen Dingen zu verführen, ist heute weitgehend<br />
überholt, hält sich aber beim Publikum hartnäckig.<br />
Ging es damals noch darum, die Konsumentinnen<br />
und Konsumenten zu überzeugen, ein Produkt<br />
zu erwerben, das sie bislang nicht besassen, geht es<br />
heute darum, dass sie aus dem Marktüberangebot<br />
die «richtige» Marke eines Autos, eines Haushaltgeräts<br />
oder eines Smartphones wählen. Die von der<br />
Werbung verwendeten Anreize zum Konsum sind<br />
dadurch vielfältiger und direkter geworden. Indem<br />
die Werbung sich klar als Verführungstechnik zu<br />
erkennen gibt, unterscheidet sie sich von ihren manipulativen<br />
Vorläufern. In dieser selbstreferentiellen<br />
Transparenz liegt ihr aufklärerisches Potenzial.<br />
Gleich wie uns die Mode gegen Langeweile oder<br />
der Konsumismus gegen Fanatismus immunisiert,<br />
immunisiert uns die Werbung gegen Naivität. Sie<br />
schult uns in dem, was die Systemtheoretiker die<br />
Beobachtung zweiter Ordnung nennen. Indem wir<br />
beobachten, wie andere die Welt beobachten, lernen<br />
wir, uns selber in der Welt zu orientieren. Keine andere<br />
Kommunikationsform vermittelt effizienter<br />
und nachhaltiger, was gesellschaftlich geht und welche<br />
Werte angesagt sind. Die Alternative zur Werbung<br />
ist die bessere Werbung. In diesem Sinne<br />
braucht die Kommunikationsbranche eine engagierte<br />
Fachpresse, die die Werbetreibenden und ihre<br />
Arbeit weiterhin kritisch begleitet und zum Thema<br />
macht.<br />
In diesem Sinne alles Gute für die nächsten vierzig<br />
<strong>Jahre</strong>.
Jubiläumsausgabe <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Werbewoche</strong> | 30.8.2013 9<br />
Redaktoren, freie Mitarbeiterinnen und Kolumnisten, die in den letzten <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong>n für die<br />
<strong>Werbewoche</strong> schrieben und es zum Teil heute noch tun (ohne Anspruch auf Vollständigkeit)<br />
Luca Aloisi<br />
Jürg Altwegg<br />
Bruno Amstutz<br />
Daniela Battaglia<br />
Marc Baumann<br />
Carlo Bernasconi<br />
Thomas Brenzikofer<br />
Evelyne Bucherer<br />
Heike Burkhard<br />
Theophil Butz<br />
Yves Carpy<br />
Oliver Classen<br />
Monica Danuser<br />
Peter Ehm<br />
Sandra Escher<br />
Kathrin Fischer<br />
Jürgen Franck<br />
Beat Fritsch<br />
Rona Grünenfelder<br />
Ueli Grüter<br />
Josefa Haas<br />
Thomas Häusermann<br />
Sophie Häusermann<br />
Anne-Friederike Heinrich<br />
Roland Hill<br />
Elisabeth Hörler<br />
Clemens Hörler<br />
Beat Hürlimann<br />
Isabel Imper<br />
Simone Keller<br />
Markus Knöpfli<br />
Carole Koch<br />
Michael Koller<br />
Chandra Kurt<br />
Katalin Leso<br />
Sonja Levy<br />
Kaspar Loeb<br />
Karl Lüönd<br />
Christian Lüscher<br />
Nick Lüthi<br />
Ursina Maurer<br />
Christian Mensch<br />
Yolanda Milz<br />
Stefano Monachesi<br />
Jean Pierre Müller<br />
Manuel Nappo<br />
Andreas Panzeri<br />
Giulia Pompeo<br />
Oliver Reichenstein<br />
Stephan Russ-Mohl<br />
Carole Scheidegger<br />
Daniel Schifferle<br />
Gerti Schön<br />
Adrian Schräder<br />
Constantin Seibt<br />
Daniel Sidler<br />
Imre Sinka<br />
Severine Spillmann<br />
Urs Steiner<br />
Iris Stucki<br />
Hans Stutz<br />
Anita Vaucher<br />
Enrico Violi<br />
Ernst Weber<br />
Claude Weill<br />
René Worni<br />
Adriana Zilic<br />
Daniela Zivadinovic<br />
Höchste Eisenbahn<br />
für tiefe TKPs.<br />
sbb.ch/railposter<br />
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10<br />
Jubiläumsausgabe <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Werbewoche</strong> | 30.8.2013<br />
Opa erzählt vom Aktivdienst...<br />
Liebe Kinder, jetzt erzählt euch der alte Mann einmal,<br />
wie es damals wirklich war, im Herbst 1973,<br />
als die WerbeWoche gegründet wurde. Sie erschien<br />
übrigens kurz nach der neuen, mit Sie + Er fusionierten<br />
Schweizer Illustrierten. Damals gab es in den<br />
Zeitungen noch Inserate, haufenweise Inserate,<br />
stellt euch das einmal vor! Das Werbefernsehen gab<br />
es eben erst seit acht <strong>Jahre</strong>n. Ringier bekam es als<br />
erster zu spüren: In diesen frühen Siebziger-<strong>Jahre</strong>n<br />
richtete er deshalb die ersten Anfänge von Anzeigenmarketing<br />
ein. Die Verleger begannen nett zu<br />
sein mit den Inserenten. Zuvor waren nicht selten<br />
die Inseratenvertreter von den Kunden zum Essen<br />
eingeladen worden, damit sie auch ganz sicher eine<br />
Zuteilung erhielten. In den 50er- und 60er-<strong>Jahre</strong>n,<br />
vor der farbigen Fernsehwerbung,<br />
hatten die<br />
Heftlifabriken während<br />
<strong>Jahre</strong>n am Rand der Kapazitätsgrenze<br />
gedruckt.<br />
Ein Text-Inserat-Verhältnis<br />
von<br />
50:50 war normal.<br />
Herbst 1973: Die<br />
Zeiten begannen sich<br />
gerade zu ändern. Eigentlich<br />
war es kein<br />
günstiger Augenblick<br />
für eine Neugründung.<br />
Im Nahen Osten wurde<br />
gerade der Jom-Kippur-<br />
Krieg abgehalten. Er<br />
dauerte drei Wochen,<br />
danach boten Strassenhändler<br />
in Manhattan Buttons in den israelischen<br />
Nationalfarben an, auf denen geschrieben stand:<br />
«See the pyramids – visit Israel!» Erstmals setzten<br />
die mächtigen Förderstaaten am Golf die Ölwaffe<br />
ein. Drei autofreie Sonntage genügten, um die Stimmung<br />
im Lande Schweiz und in der Folge die ganze<br />
schöne Hochkonjunktur kippen zu lassen. Die Party<br />
war zu Ende, und die Verlage wunderten sich über<br />
den Einbruch der Anzeigen.<br />
1974 in der Zeitungsprovinz: Beim Luzerner Tagblatt<br />
musste man den Chefredaktor fragen, wenn<br />
man ins Ausland telefonieren wollte. Dem Recherchierjournalismus<br />
waren damit enge Grenzen gesetzt.<br />
1974 in der Zeitungskapitale Zürich: Der frisch<br />
zugezogene Journalist rief die Abonnementsabteilung<br />
der NZZ an und bat<br />
um Umleitung des Abonnements<br />
von Kriens (LU)<br />
an eine Adresse in Zürich-Nord.<br />
Mit strafendem<br />
Unterton sagte das<br />
Fräulein am anderen<br />
Ende: «Aber Sie, das isch<br />
doch z Schwamendinge!»<br />
– «Ja, und?» – «Was meined<br />
Sie eigentlich? Das<br />
gaat nur mit de Poscht. D<br />
Zürizytig wird doch z<br />
Schwamendinge nöd vertreit!»<br />
Ihr müsst wissen, liebe<br />
Kinder, damals wurde<br />
auch bei der Schweizer<br />
Illustrierten auf die Rückseiten<br />
der Inserate noch Journalismus gedruckt,<br />
nicht bloss Uhren- und Hotel-PR und das Angebot<br />
des Ticketcorners. Gisela Blau fuhr im Panzer durch<br />
den Sinai und berichtete von der Front. Ronald Sonderegger<br />
kletterte mit dem verrückten Ski-Abfahrer<br />
Sylvain Saudan auf dem Dhaulagiri herum. «Schweizer<br />
sehen das Weltgeschehen», hiess der Slogan des<br />
bewussten Blattes. Fibo Deutsch jagte die Reporter<br />
durch die Geografie, denn ein anderer Slogan lautete:<br />
«Die schnellste Illustrierte der Welt». Manchmal<br />
musste sich ein Ringier-Reporter an einem Flughafen<br />
ein frisches Hemd kaufen. Man konnte es sogar<br />
auf die Spesenrechnung setzen. Ja, damals im Aktivdienst...!<br />
Und wenn wir schon beim Inhalt sind: Heinrich<br />
Oswald wirbelte bei Ringier die Bude durcheinander<br />
und stockte die Redaktionen auf. Wer damals<br />
keinen Job erhielt, schaffte es nimmermehr – so<br />
kam auch ich zum Blick, der unter Fridolin Luchsinger<br />
den ernsthaften Anspruch hatte, eine ernsthafte<br />
Zeitung zu werden. Wir liessen uns lustvoll auf<br />
das Abenteuer ein. Eine Serie über Atommüll war<br />
nicht gerade der Heuler, dafür durfte ich eine Seite<br />
über den toten Surrealisten Max Ernst machen –<br />
und nicht nur über dessen Frauengeschichten.<br />
Hans Erni zeichnete<br />
aus Anlass seines 65. Geburtstags<br />
eigens für uns ein<br />
Seite-3-Girl. Der Präsident der<br />
Bankgesellschaft gab dem Blick<br />
das erste Interview und liess sich<br />
als Bergsteiger auf einem Gipfel<br />
abbilden. Die Bahnhofstrasse<br />
staunte. Er hiess übrigens Philippe<br />
de Weck (ja, der Vater!).<br />
Oswald gründete 1974 die Ringier<br />
Journalistenschule. Damit<br />
beschämte er die ganze Corona<br />
der «seriösen» Verleger, die damals<br />
noch nichts für die Ausbildung<br />
taten. (Das MAZ wurde<br />
erst 1984 gegründet.) Dass Oswald<br />
damit zugleich dem verdienten<br />
langjährigen Chefredaktor der SI einen<br />
würdigen Abgang als Schulleiter verschaffte, war<br />
die erwünschte Nebenwirkung.<br />
Wenn eine Lawine am Lukmanier niederging,<br />
buchten wir einen Helikopter, und der unvergessliche<br />
Sigi Maurer schoss mit seiner lautlosen Leica<br />
Bilder von der Rettung der Bauernfrau, die um die<br />
Welt gingen. Als in Madeira eine Schweizer Caravelle<br />
ins Meer stürzte, charterten wir einen Lear-Jet<br />
und flogen hin. Auch die besten Überwachungskameras<br />
hätten keine so guten Bilder in den Newsroom<br />
geschickt.<br />
Reporter erlebten das Geschehen noch am Schauplatz<br />
und nicht am Bildschirm. Es war die Zeit, da<br />
Inhalt noch etwas kosten durfte.<br />
Aufhören! Jetzt spinnt er aber wirklich, der Alte!<br />
Karl Lüönd<br />
Erfolgreiche Auftritte brauchen Raum.<br />
exhibits<br />
Wir planen und realisieren unverwechselbare Markenwelten<br />
und tragen damit zum Erfolg Ihres Unternehmens bei.<br />
Unsere räumlichen Kommunikationslösungen überzeugen<br />
durch gekonnte Marken- und Produktinszenierung. Damit<br />
Ihre Botschaft bei der Zielgruppe ankommt und sich Ihr<br />
Auftritt an Messen, Events oder am Verkaufspunkt bezahlt<br />
macht. Mehr dazu erfahren Sie auf www.messerli3D.com.<br />
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Jubiläumsausgabe <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Werbewoche</strong> | 30.08.2013 11<br />
<strong>Werbewoche</strong>: <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong> – ein Gedicht<br />
Ein Mensch, der soll bald <strong>40</strong> werden<br />
denkt an alle Pein der Erden.<br />
An goldnen Schuss, Strick, Sprung und Stich<br />
denn <strong>40</strong> sein ist fürchterlich!<br />
Ein weisses W in rotem Kreis<br />
schwarz «werbe», weiss die «woche».<br />
So kennt man Dich, Du führst aufs Gleis<br />
jede zweite Woche.<br />
Ölkrisis und Chileputsch<br />
waren keine Gaudi.<br />
Doch wer etwas auf sich hielt<br />
fuhr einen 80er-Audi.<br />
All die Falten, alles hängt<br />
die Augen sehen schlechter<br />
und wenn man es ganz recht bedenkt<br />
hilft da nur noch der Schächter.<br />
Top 1, Top 2, Bericht, Kritik,<br />
werden schon erwartet.<br />
Gemotz und Köpfe, Überblick<br />
– ohne niemand startet.<br />
Knapp 20 <strong>Jahre</strong> warst Du alt<br />
bekam das Internet Gestalt.<br />
Nur mit papiernen Sachen<br />
war nicht mehr viel zu machen.<br />
Doch ist man eine kluge Zeitung<br />
mit einer anständgen Verbreitung<br />
stimmt Auflage nebst Leserzahl<br />
ist <strong>40</strong> nicht das Jammertal.<br />
Picasso starb, so auch der Lee<br />
und Du wurdest geboren.<br />
Erfolg brachten über die Jahr’<br />
Au-, Lek- und Redaktoren.<br />
So wirst Du heute noch gedruckt<br />
doch auch getwittert, facegebookt.<br />
Im Internet ist sowieso<br />
alles Wissen en plateau.<br />
Denn ist man voll mit Druckbuchstaben<br />
an denen sich die Leser laben<br />
ist jeder Tag der Existenz<br />
ein Fest, Gewinn – und Drucklizenz.<br />
Vor <strong>40</strong> Jahrn war Watergate<br />
Deutschland bekam «Die Maus»,<br />
Eröffnet wurde auch World Trade,<br />
das erste Handy kam heraus.<br />
Schwarz-weiss und Farbe, Ups und Downs<br />
hast alles überlebt.<br />
Wer weiss, was kommt, die nächsten Jahr’<br />
doch Qualität besteht.<br />
Man sieht Dein Alter keine Spur<br />
dafür aber das Wissen,<br />
die Falten sind vom Blättern nur<br />
und man will Dich nicht missen.<br />
Die Stones zeigten den Bernern<br />
wie rocken richtig geht,<br />
und Eltons «Krokodile»<br />
schnappten im Radiogerät.<br />
Ich wünsche Dir zum Wiegenfeste<br />
Energien ohne Ende,<br />
Ideen, Standkraft und viel Mut<br />
im journalistischen Gelände.<br />
Anne-Friederike Heinrich,<br />
freie Mitarbeiterin der<br />
<strong>Werbewoche</strong>, ist unter die<br />
Dichterinnen gegangen.<br />
SWA:<strong>Werbewoche</strong> = 63:<strong>40</strong><br />
Der 63-jährige SWA gratuliert der <strong>40</strong>-jährigen <strong>Werbewoche</strong> von Herzen.<br />
Bleibt dran an den News, Facts, VIPs und allem Weiteren über den Schweizer Werbemarkt.<br />
A612814<br />
Noch nicht Mitglied? E-Mail an info@swa-asa.ch − Informationen unter www.swa-asa.ch
12<br />
Jubiläumsausgabe <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Werbewoche</strong> | 30.8.2013<br />
Liebe <strong>Werbewoche</strong>,<br />
zum Geburtstag viel Glück!<br />
Statt zu motzen, was sonst die Idee meiner Kolumne ist, erzähle ich heute schräge Episoden aus der<br />
Werbung von früher.<br />
Theophil Butz vor <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong>n, CD bei TBWA in Paris. Heute<br />
Inspirator und seit über zwei <strong>Jahre</strong>n auch regelmässiger<br />
Motzer für die <strong>Werbewoche</strong>. In dieser Kolumne mit<br />
Erinnerungen an die damalige Werbewelt.<br />
Vor <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong>n veröffentlichte Herr Thierling mit<br />
Courier beschriebene, oben links mit Bostich<br />
zusammengeheftete A4-Blätter mit dem Titel «Werbe-Woche»,<br />
eine Fachzeitschrift über die Schweizer<br />
Werbung.<br />
Foto: Ernst Wirz<br />
Zu der Zeit war ich Creative Director Art bei<br />
TBWA in Paris. Nach Vertrag sollte ich alle zwei<br />
<strong>Jahre</strong> in einer andern Filiale arbeiten. Ich war damals<br />
schon im vierten Jahr glücklich tätig. Uli Wiesendanger<br />
hat das aber erst zwei <strong>Jahre</strong> später bemerkt.<br />
Die Werbewelt war auf vollen Touren. Ich drehte<br />
eine Woche lang einen Spot für Fidji Parfums weltweit<br />
mit zwei Kameramännern (unter Wasser und<br />
über Wasser) auf einer Karibik-Insel mit drei Palmen<br />
und einem US-Model zu $ 12 000/Tag.<br />
Zwei Commercials für Drakkar After Shave drehten<br />
wir mit Ridley Scott (ja der). Für einen Samsonite-Spot<br />
drehten wir mit dem US-Regisseur Lee Lacy<br />
in einem Zirkus in Genua mit speziell auf unsere<br />
Bedürfnisse hin dressierten Elefanten. Dafür gab’s<br />
in Cannes einen Silberlöwen. Die Shortlist-Präsentation<br />
dauerte damals höchstens zwei Stunden, also<br />
etwa so kurz wie die <strong>Werbewoche</strong> dünn war.<br />
Vor <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong>n war eben alles anders. Die Werberinnen<br />
und Werber trugen noch nicht schwarz. Der<br />
Art Directors Club existierte in der Schweiz noch<br />
nicht. Budgetprobleme dank 17,65 Prozent auch<br />
nicht. Und auch Angsthasen-Werbung nicht.<br />
Hier ein paar Erinnerungen aus der damaligen<br />
Zeit: Internationale Meetings für Fiat fanden am<br />
Hauptsitz in Turin statt. Ab 11 Uhr ging’s los mit<br />
Kaffee und Small Talk. Um 11.30 wurde präsentiert.<br />
Von TV-Spots über Blick-Doppelseiten bis<br />
zum Wimpel für die Händler. Keine Korrekturen.<br />
Alles i.O. Um 13 Uhr warteten die Autisti mit den<br />
neuesten Supermirafiori vor dem Gebäude, und ab<br />
ging’s in Ristorante Gatto Nero. 12 bis 15 Gänge,<br />
Weiss- und Rotwein, Kaffee und Grappa. Um 16.30<br />
Uhr Arrivederci und ab auf den Flieger von Linate<br />
nach Zürich. So war’s. Fragen Sie Pierre C. Meier, er<br />
war als Beratungs-Chef und Partner von BSSM mit<br />
von der Partie. Ausplaudern möchte ich noch, dass<br />
Pierre seinen Attaché-Koffer beim Check-in stehen<br />
liess. Am nächsten Tag erfuhren wir aus Milano,<br />
dass dadurch Linate wegen Bombenalarm für<br />
Stunden geschlossen war.<br />
In noch früheren Zeiten konnte ich bei GGK Düsseldorf<br />
mit Wolf Rogosky die Jägermeister-Kampagne<br />
gewinnen. Die ersten <strong>40</strong> «Ich trink Jägermeister<br />
weil...»-Sujets erschienen mit grünem Hintergrund.<br />
Underberg hat sich darauf beim Kräuterliqueur-<br />
Chef Günter Mast über den Missbrauch der Farbvereinbarungen<br />
(Underberg grün, Jägermeister orange)<br />
beschwert. Über Masts Sekretärin konnten wir<br />
dann erfahren, dass dieser farbenblind war. Also<br />
wählte ich anstelle des grünen Hintergrunds einen<br />
dunkelbraunen. «Ja, ja, jetzt entspricht dies genau<br />
dem CI der Hausfarbe knallorange.» Mast war zufrieden.<br />
Der zuständigen, sechsköpfigen Behörde von<br />
Hannover habe ich den Roten Faden an Ort und<br />
Stelle in der Innenstadt vorgezeichnet. Der Kommunarde<br />
Harry Rowohlt hat den Text dazu geschrieben<br />
(soll heute noch existieren).<br />
Für die Philip-Morris-Skyline-Kampagne fand<br />
ich bei einer «Image Bank» in New York unter Tausenden<br />
von Dias (das sind so 24x36 mm grosse<br />
durchsichtige Celluloidfelder in einem Kartonrahmen)<br />
ein Bild, aufgenommen mit einer Teleobjektivlinse<br />
hinter der Library, so dass sie zwischen den<br />
Twin Towers stand. Das Top-Management in New<br />
York beschwerte sich, dass die Werbung nicht der<br />
Realität entspreche. Der Marketing Director schickte<br />
mich nach New York, um das Dia – somit den<br />
Beweis für den «Nicht Fake» – zu holen. «Ich brauche<br />
es aber in drei Tagen.» Meine Chance: Ich flog<br />
mit der Concorde von Air France hin und mit der<br />
Swissair wieder zurück.<br />
Schaut man so zurück, dann hat sich in <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong>n<br />
tatsächlich viel verändert, oder vieles gibt es gar<br />
nicht mehr. Um doch noch einen Motz anzubringen:<br />
Es hat sich aber nichts ins Positive verändert.<br />
Ich wünsche der <strong>Werbewoche</strong> viele weitere erfolgreiche<br />
<strong>Jahre</strong>.<br />
Mein Aufsteller der Woche war das Überholmanöver<br />
von Heino Vettel in der Eau Rouge gegen Hamilton<br />
in der ersten Runde ohne DRS.<br />
Theophil Butz<br />
A608895<br />
Viel Erfolg!<br />
Tolle Leistung<br />
Hoch!<br />
Hoch!<br />
Hoch!<br />
Wir gratulieren der <strong>Werbewoche</strong> zum <strong>40</strong>-Jahr-Jubiläum<br />
Vergnügen Glückwunsch
ANN LUXUS<br />
AENNLICH<br />
EIN?<br />
Die Informationsquelle bei Prestigefragen: Die Männer-Ausgabe<br />
von Luxe sorgt diesen Herbst mit der Wahl zum «Mann des<br />
<strong>Jahre</strong>s» für hitzige Diskussionen in den Schweizer Wohnzimmern.<br />
Mit Luxe erreichen Sie eine nationale Abdeckung sowie<br />
201 000 Leser/-innen pro Ausgabe. Wir erzählen Ihnen gerne mehr:<br />
Telefon +41 (0)44 251 35 75, publicite.zuerich@sr.tamedia.ch.<br />
<br />
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Luxe wird zur<br />
Männersache.<br />
Erscheinungsdatum:<br />
25.9.13<br />
Anzeigenschluss:<br />
4.9.13<br />
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mytamedia.ch
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Jubiläumsausgabe <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Werbewoche</strong> | 30.8.2013<br />
Werben und sterben<br />
Seit <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong>n werben Medien in der <strong>Werbewoche</strong> um Inserenten. Die meisten mit Erfolg. Andere wiederum sind<br />
trotz Werbung von der Bildfläche verschwunden. Zum Jubiläum laden wir Sie ins <strong>Werbewoche</strong>-Archiv ein: zu<br />
einem medialen Friedhofsbesuch und zu einer Jugendbilder-Ausstellung.<br />
Der Schweizer Medienfriedhof ist gross, die Liste<br />
der Titel entsprechend lang. Die Inserate auf diesen<br />
beiden Seiten zeigen eine kleine Auswahl davon<br />
und bilden einen willkürlichen Querschnitt. Wirklich<br />
gestorben sind nicht alle – einige haben fusioniert,<br />
bekamen neue Besitzer und neue Namen.<br />
So gehören beispielsweise die Luzerner Neuste<br />
Nachrichten, die National-Zeitung und das Aargauer<br />
Tagblatt eigentlich nicht auf einen Medienfriedhof<br />
im klassischen Sinne. Grösstenteils handelt es<br />
sich aber um echte «Medienleichen », deren Titel uns<br />
heute noch bestens präsent sind. Der betrachtete<br />
Zeitraum beschränkt sich dabei aus Platzgründen<br />
auf die 70er- und 80er-<strong>Jahre</strong>.<br />
Dass Inserieren in der <strong>Werbewoche</strong> in den vergangenen<br />
Jahrzehnten vielen Titeln aber Erfolg und<br />
Wachstum bescherte, zeigt die nächste Doppelseite.<br />
Die meisten unserer Werbekunden erfreuen sich<br />
heute den Umständen entsprechend guter Gesundheit,<br />
blicken auf ein langes Medienleben zurück und<br />
haben mittlerweile ein Alter erreicht, von dem die<br />
<strong>Werbewoche</strong> vorerst nur träumen kann. Wir freuen<br />
uns, mit Ihnen zusammen die nächsten <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong> in<br />
Angriff zu nehmen.<br />
Thomas Häusermann<br />
Die linksliberale National-Zeitung (1976) fusionierte 1977 mit den<br />
bürgerlich-konservativen Basler Nachrichten zur heutigen Basler<br />
Zeitung.<br />
Annette (1974): Der Ringier-Titel erschien lediglich zwei <strong>Jahre</strong>,<br />
von 1973 bis 1975. Das Bundesgericht bestätigte eine Klage der<br />
Annabelle, wonach der Name «Annette» Markenrecht verletzte.<br />
LNN (1974): Die Zeitung Luzerner Tages-Anzeiger wurde 1918 in<br />
Luzerner Neuste Nachrichten unbenannt und fusionierte 1995 mit<br />
der Luzerner Zeitung zur Neuen Luzerner Zeitung.<br />
Sport (1974): Fast 80 <strong>Jahre</strong> lang erschien das ehemalige Organ<br />
verschiedener Sportverbände, ehe es 1999 von der Basler Mediengruppe<br />
eingestellt wurde.<br />
Die Tat (1977): 1978 wurde die von der Migros herausgegebene<br />
Tageszeitung nach einem Streik, dem unter anderem die Absetzung<br />
von Chefredaktor Roger Schawinski vorausging, eingestellt.<br />
Frau/Flair (1979): Die Zeitrschrift Frau wurde im Zeitraum von 1947<br />
bis 1980 von der Albis Vertriebsgesellschaft herausgegeben.
Jubiläumsausgabe <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Werbewoche</strong> | 30.8.2013 15<br />
Züri Leu (1979): 1982 erwarb die Tages-Anzeiger AG die Titelrechte<br />
des erfolgreichen, kostenlosen Wochenblatts und stellte es ein.<br />
Unter dem Namen Züri Woche erschien die Zeitung weiter bis 1999.<br />
Und einige habens dennoch nicht geschafft: Meyer‘s Modeblatt<br />
(1982) wurde 2002 eingestellt. Es wurde 1924 unter dem Namen<br />
Meyer Schweizer Frauen- und Modeblatt gegründet.<br />
Das Gelbe Heft (1983): 1922 unter dem Namen Ringiers Unterhaltungsblätter<br />
gegründet, existierte Das Gelbe Heft ab 1979 und<br />
wurde 1996 unter dem Titel Schweizer Woche eingestellt.<br />
Voilà (1985): Gedacht als «Annabelle für Junge», wurde das 1983<br />
gegründete Frauenmagazin vom Tages-Anzeiger-Verlag nur zwei<br />
<strong>Jahre</strong> später wieder eingestellt.<br />
Magma (1986): Der Lifestyle-Titel existierte nur zweieinhalb<br />
<strong>Jahre</strong> und verschwand 1987 von der Bildfläche – trotz steigender<br />
Verkaufszahlen, wie es im Abschiedseditorial hiess.<br />
Neues Sonntags-Blatt (1986): Der Titel wurde 1986 gegründet und<br />
vereinte mehrere regionale Titel. 1987 war Schluss, weil die Berner<br />
Zeitung ausstieg und die Lücke nicht geschlossen werden konnte.<br />
PRO (1987): Die nach eigenen Angaben grösste Familienzeitschrift<br />
der Schweiz verschwand Ende 2004 von der Schweizer Medienbühne.<br />
Aargauer Tagblatt (1987): 1996 fusionierte die damals grösste<br />
Zeitung des Kantons mit dem Badener Tagblatt zur Aargauer<br />
Zeitung.<br />
Radio Z (1987): Die Zukunft gehörte einem anderen Sender: 2003<br />
wurde Radio Z zu Energy Zürich. Die Umbenennung erfolgte auf<br />
Grund der Beteiligung der Pariser NRJ Group.
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Jubiläumsausgabe <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Werbewoche</strong> | 30.8.2013<br />
Der SonntagsBlick (1974) war die erste Schweizer Sonntagszeitung<br />
mit eigenständiger Redaktion und separater Anzeigenbewirtschaftung.<br />
Erschienen ist der Titel zum ersten Mal 1969.<br />
Heinz und Vreni zogen erst 1975 <strong>Jahre</strong> nach Herrliberg -<br />
die Zürichsee-Zeitung bewohnt die Seeregion schon seit über<br />
160 <strong>Jahre</strong>n.<br />
Die Annabelle wurde 1938 gegründet und gilt als älteste typische<br />
Frauenzeitschrift im deutschsprachigen Raum. Daran ändert auch<br />
das Spargel-Sujet von 1978 nichts.<br />
Seit 1959 beglückt der Blick die Schweiz mit Boulevardjournalismus<br />
– seit 1979 die Werbewirtschaft mit vierfarbigen Inseraten.<br />
Die NZZ wies in vielen Inseraten von damals stolz auf ihre elitäre<br />
Leserschaft hin. Für einmal demonstrierte sie 1981 Volksnähe.<br />
1981 bedankte sich Der Landbote bei Herrn Gutenberg für die<br />
Drucktechnologie vergangener Tage und kündigte die Moderne an:<br />
Im Lichtsatz gesetzt, im Offset gedruckt.<br />
Die älteste Zeitung Graubündens feiert 2013 einen Relaunch und<br />
demonstrierte 1981 mit dem Claim «Ein Markt. Ein Medium», wer<br />
im Bünderland das Sagen hatte.<br />
Das Tages-Anzeiger-Magazin inserierte in der <strong>Werbewoche</strong> oft –<br />
und originell. 1983 beispielsweise mit der Kampagne, die<br />
bekannte Marken imitierte.<br />
Die kostenlose Wochenzeitung Baslerstab liess 1984 keine Zweifel<br />
aufkommen, dass alle Basler sie mögen. Erst seit 2002 wurde die<br />
ursprüngliche Inseratenzeitung um eine Redaktion erweitert.
Jubiläumsausgabe <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Werbewoche</strong> | 30.8.2013 17<br />
In die technologische Zukunft blickte die Schweizer Illustrierte<br />
1985 mit dem «Watch-Phone». Andere Sujets der Kampagne<br />
zeigten schwebende Autos und Weltraum-Kreuzfahrten.<br />
Der Tages-Anzeiger veröffentlichte 1985 zur Zürcher Informatik-<br />
Messe Logic das erste Computer-Extra – und suchte Inserenten,<br />
welche die «potenziellen Personal-Computer-Käufer» ansprechen<br />
wollten.<br />
Der Anfang der SonntagsZeitung 1987 war zum Glück nicht das<br />
Ende der <strong>Werbewoche</strong>. Das massgeschneiderte Inserat erschien im<br />
Jahr zuvor und kündigte ein Wochenende mit (Zeitungs-)<br />
Format an.<br />
HAPPY BIRTHDAY WERBEWOCHE!<br />
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A608393
18<br />
Jubiläumsausgabe <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Werbewoche</strong> | 30.08.2013<br />
Die Zukunft wird … famos!<br />
Text-Transmitter, eine Fernbedienung für die Welt, virtuelle Kunden und eine Lebensmittelreproduktionswellenmaschine.<br />
Wie sich Werber und Kommunikationsspezialisten die Welt von morgen vorstellen.<br />
Zum Geburtstag schwelgen wir nicht nur in Erinnerungen,<br />
sondern wagen auch einen Blick in die<br />
Zukunft. Oder besser gesagt: Wir haben andere für<br />
uns blicken lassen. Wenn jemand wissen sollte, wie<br />
die Werbe- und Kommunikationswelt in 10, 20, <strong>40</strong><br />
<strong>Jahre</strong>n aussehen wird, dann die Betroffenen selbst.<br />
Und es hat sich gelohnt. Wir wurden von intelligenten,<br />
witzigen, originellen und zuweilen etwas<br />
skurrilen Ideen überrascht. Ein wunderbares Geburtstagsgeschenk,<br />
vielen Dank! Bei diesen Aussichten<br />
freuen wir uns umso mehr darauf, die Branche<br />
auch künftig zu begleiten.<br />
Selbstverständlich werden wir in ferner Zukunft<br />
den Abgleich machen und die Prognosen auf ihre<br />
Treffgenauigkeit überprüfen. Die kühnsten Visionäre<br />
werden wir mit Lob überschütten.<br />
Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, wünschen wir<br />
bei der Zeitreise viel Spass!<br />
Isabel Imper<br />
Draftfcb/Lowe hat die Weltherrschaft übernommen<br />
80 <strong>Jahre</strong> <strong>Werbewoche</strong> und die Fernbedienung der Welt<br />
Hoi zämä! Hier sind Flavio und Dennis, und zu schen ins Gehirn einpflanzen konnte. Dieser<br />
Ehren des <strong>40</strong>-jährigen Jubiläums der <strong>Werbewoche</strong> Transmitter überträgt dann den Text, den man<br />
haben wir euch einen Artikel aus der Zukunft geschickt.<br />
Übrigens direkt von eurer Feier zum (ab 2017 kann man Handys mit dem Gehirn steu-<br />
denkt, grammatikalisch richtig auf das Brainphone<br />
80-jährigen Jubiläum (da lässt PCM ganz schön ern). Das Problem dabei war: Alles klingt plötzlich<br />
das Tanzbein schwingen!).<br />
so korrekt und man vermisste die Doofen.<br />
Also: Wir schreiben das Jahr 2053 und erzählen Der zweite Fehler im ersten Satz war das Wort<br />
euch gerne, wie der Alltag in den Agenturen in der «Agenturen». Es gibt keine Agenturen mehr. Es gibt<br />
Zukunft aussieht.<br />
nur noch eine Agentur auf der ganzen Welt.<br />
Und in diesem Satz waren schon zwei gravierende<br />
Fehler. Im Jahr 2053 schreibt niemand mehr. group in Wallisellen.<br />
Die Draftfcb Lowe Zurich Worldwide Super-<br />
Vor lauter Schreibhilfen auf ihren Smartphones Jetzt fragt ihr euch: Wie konnte so eine kleine,<br />
und Tablets und PCs sind die Menschen zu doof aber feine Agentur an solche Macht kommen? Ganz<br />
geworden, um selbst zu texten. Deshalb musste einfach: Wir haben die Fernbedienung für die Welt<br />
man Text-Transmitter erfinden, die man den Men-<br />
gefunden.<br />
Oder besser: Wir haben sie gedruckt. Das war so:<br />
Im <strong>Jahre</strong> 2016, also von eurer Zeitrechnung gar<br />
nicht so weit entfernt, haben wir mit unserem organischen<br />
3-D-Drucker ein Einhorn ausgedruckt.<br />
Was für ein kapitaler Fehler! Einhörner sind echte<br />
Arschlöcher. Das Vieh hat die ganze Agentur ruiniert<br />
und mit seinen Hufen sämtliche iMac-<br />
13-Computer in Staub verwandelt. Also haben wir<br />
wiederum das Einhorn in Salami verwandelt. Aber<br />
es befand sich noch Staub des Einhorns im 3-D-<br />
Drucker.<br />
Und das Nächste, was wir ausgedruckt haben, war<br />
eine Fernbedienung für einen alten Videorekorder,<br />
um alle Folgen von «Knight Rider» auf Video zu sehen<br />
(da ist die Qualität viel besser, das ist wie Schallplatte<br />
und CD!). Der magische Einhornstaub hat sich<br />
dann mit der Fernbedienung vermischt. Und heraus<br />
kam nun eben die Fernbedienung für die Welt.<br />
Was macht man jetzt mit so einem Ding? Ihr lest<br />
bestimmt in den anderen Artikeln hier, dass Online<br />
immer wichtiger wird. Ihr lest vom Untergang der<br />
Zeitung in zehn <strong>Jahre</strong>n oder so.<br />
Digital, digital, digital. Alles Quatsch. Im Jahr<br />
2019 hatten wir so die Schnauze voll vom Internet,<br />
dass wir es mit der Fernbedienung einfach abgeschaltet<br />
haben.<br />
Und plötzlich haben wir Menschen wieder Zeitung<br />
gelesen. Wir sassen morgens wieder in Cafés<br />
und wühlten uns durch die grossen Blätter. Kinder<br />
gingen wieder in den Wald und schnitzten sich Pfeil<br />
und Bogen selbst, statt auf einer App damit zu spielen.<br />
Man verliebte sich wieder am CD-Regal im Musikgeschäft.<br />
Menschen unterhielten sich plötzlich<br />
im Tram. Ein Jahr, nachdem das Internet abgestellt<br />
wurde, herrschte plötzlich … Weltfrieden (© Draftfcb<br />
Lowe Worldwide Supergroup)!<br />
Und ganz nebenbei, Agenturen verdienten wieder<br />
Geld. Was für ein herrlicher Zustand.<br />
Ihr könnt euch also auf die Zukunft freuen, und<br />
euch schon mal bei uns bewerben.<br />
Denn wir haben ja immer noch nicht geklärt, warum<br />
wir in <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong>n die einzige Agentur auf der<br />
Welt sind. Folgendes ist 2028 passiert: Ein Kunde<br />
wollte unbedingt mal die Fernbedienung ausprobieren.<br />
Dabei hat er leider alle anderen Agenturen ausgeknipst.<br />
Sorry.<br />
Lasst es krachen an eurem Jubiläum. Und da wir<br />
aus der Zukunft schreiben, wissen wir, ihr werdet<br />
euren Job auch weiterhin so gut machen! Herzliche<br />
Gratulation, Flavio & Dennis<br />
Text: Flavio Meroni und Dennis Lück (Draftfcb/Lowe)<br />
Illustration: Mich Hodler, Emptyage.ch
Jubiläumsausgabe <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Werbewoche</strong> | 30.08.2013 19<br />
Ein ganz normaler Tag bei Hinderling Volkart im Jahr 2053<br />
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Text und Foto: Michael Hinderling, Michael Volkart, Livio Dainese und Fernando Perez (Geschäftsleitung Hinderling Volkart)<br />
«An einem schönen Augusttag in gar nicht allzu ferner<br />
Zukunft stehe ich an meinem höhenverstellbaren Tablet-<br />
Pult von Jonathan Ive und wische durch das Webpaper der<br />
<strong>Werbewoche</strong>, die immer noch <strong>Werbewoche</strong> heisst, obwohl<br />
sie stündlich neu erscheint.<br />
Alles Gute zum Geburtstag, liebe <strong>Werbewoche</strong>.»<br />
Alexander Jaggy, Jung von Matt/Limmat
20<br />
Jubiläumsausgabe <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Werbewoche</strong> | 30.08.2013<br />
Ein kleiner Ausblick von Scholz&Friends<br />
Ein Tag wie jeder andere<br />
«Hast du die neue Pudding-Werbung von Bösch gesehen?»,<br />
fragt mich Sylvia.<br />
Da mir mein Therapeut zwei komplett medienfreie<br />
Tage verschrieben hat, habe ich das nicht. Sylvia zeigt<br />
mir das Hologramm:<br />
Eine junge Frau redet mit jemandem,<br />
den wir nicht sehen: Welch<br />
besonderes Vorbild sie war, und dass<br />
ihre Werte in der Familie bleiben.<br />
Bei diesen Worten kommt die kleine<br />
Tochter mit einer Packung Bösch-<br />
Pudding zur Mami. Die schüttet das<br />
Pulver in die Lebensmittelreproduktionswellenmaschine.<br />
Das Hologramm<br />
zeigt einen grösseren Ausschnitt,<br />
und wir sehen, wie die Oma<br />
vom Bildschirm ihrer Urne aus fröhlich<br />
winkt. Schliesslich holt die Mami den fertigen<br />
Pudding aus der LRW-Maschine, das Kind löffelt<br />
froh, Packshot.<br />
«Wer macht heute noch Hologramm-Werbung?»,<br />
fragt Sylvia.<br />
«In jeder anderen Form wäre das auch Mist», erwidere<br />
ich.<br />
Um 10:00 Uhr gehe ich hungrig in die Küche, aber<br />
natürlich sind schon alle Bananen weg. Stattdessen<br />
schütte ich Nektarinenpulver in die LRW-Maschine.<br />
Als ich die Frucht raushole und zubeisse, kommt die<br />
neue Strategin rein. Maria? Mia?<br />
«Guten Morgen, Jannik.»<br />
Marianne! Marianne muss es sein.<br />
«Morgen, Marianne.»<br />
Raúl kommt auch herein und begrüsst Marianne mit<br />
Lea. Zum Glück ist Lea eine Androidin der ersten<br />
Generation und deshalb nicht beleidigt.<br />
Später haben wir eine Konferenz. Statt über den bevorstehenden<br />
Pitch für YoDa-Lichtbrotmesser reden<br />
wir über die Pudding-Werbung.<br />
Victor, CD: «Die Idee hatte ich schon vor 20 <strong>Jahre</strong>n<br />
als Junior, und mein CD hat sie abgeschossen …»<br />
Raúl, Berater: «Früher war Werbung provokativ …»<br />
Sylvia, AD: «3-D ist ja so retro …»<br />
Lea, Androidin: «Aber es berührt mich schon emotional.»<br />
Ach, manche Dinge werden sich nie ändern, denke<br />
ich. Am Nachmittag steigen wir dann aber doch in<br />
den Pitch ein: Gemeinsames Brainstorming mit den<br />
Social-Sphere-Kollegen. Obwohl sie sich mit Bananen<br />
stärken, verläuft es etwas schleppend. Ich frage mich,<br />
warum. Bis sie kurz vor Ende des Meetings ihre<br />
Google Contact Lenses deaktivieren und fragen, ob<br />
es schon Ideen gibt.<br />
Kurz vor Feierabend haben wir eine Präsentation für<br />
Bio-Lebensmittel. Bio bedeutet, dass die Lebensmittel<br />
ohne LRW-Maschinen zubereitet werden. Es läuft<br />
sehr gut und wir haben ein gutes Gefühl. Zumal der<br />
Kunde positives Feedback gibt:<br />
«Das sind ein paar sehr gute Vorschläge», meint er.<br />
«Sie haben das wirklich gut gemacht.» Ich kann mir<br />
ein Lächeln nicht verkneifen.<br />
«Allerdings bin ich nicht sicher, ob die Verbraucher<br />
das verstehen. Machen Sie doch etwas, das emotionaler<br />
und familiärer wirkt.»<br />
«Was genau meinen Sie damit?», frage ich und versuche,<br />
mein Lächeln zu behalten.<br />
«Haben Sie diese neue Puddingreklame gesehen?»<br />
Avsar Yildiz und Wim Lanz (Scholz&Friends )<br />
Bereit für die Zukunft?<br />
Publicis macht die Probe aufs Exempel.<br />
Ammarkt bringt<br />
das WeWo-Abo an die Leser<br />
von Wim Roelfs, CD Publicis
37 <strong>Jahre</strong> musste Wirz<br />
auf die WerbeWoche<br />
warten.<br />
Seit <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong>n warten<br />
wir jede Woche* gespannt<br />
auf die nächste.<br />
*seit 2009 jede zweite<br />
A612536w<br />
Seit 1936 und solange es noch Werbung gibt
A613126<br />
DIE AGENTUR<br />
FÜR SYNCHRONISIERTE<br />
KOMMUNIKATION
Die Zeitung der grössten Stadt der Schweiz*<br />
gratuliert zum Jubiläum.<br />
A612858<br />
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* Die Zeitung der grössten Stadt der Schweiz<br />
1 Universität, 9 Fachhochschulen, 4 Flughäfen, 29 Theater,<br />
49 Kinos, 10 Zoos, 162 Museen, 2625 Restaurants und Bars.<br />
In der Nordwestschweiz leben 1,3 Millionen ziemlich<br />
urbane Menschen.<br />
Jetzt buchen! Tel. 058 200 53 53 E-Mail: inserate@nordwestschweiz.ch<br />
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Jubiläumsausgabe <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Werbewoche</strong> | 30.08.2013<br />
25<br />
crBasel verspricht eine bombastische Zukunft<br />
80 <strong>Jahre</strong> WeWo – eine Vorschau ins Werbejahr 2053<br />
AIDS ist weltweit<br />
gestoppt.<br />
Geraucht wird<br />
eigentlich<br />
nicht mehr.<br />
Gedacht auch<br />
kaum. Geworben schon. crB<br />
bewirbt das neue Denkmal<br />
am Theater-Platz, das aus einer<br />
GROSSen, kahlen Schädelplatte<br />
besteht und dem einzigen Zürcher<br />
gewidmet ist, der es in Basel je zu etwas brachte:<br />
dem legendären FCB-Trainer der Jahrtausendwende.<br />
crB agiert weltweit und bewirbt die Fasnacht<br />
für ferne Heimweh-Basler – macht also für etwas<br />
Werbung, das gar keine braucht – eines der grossen<br />
Geheimnisse aller erfolgreichen Werbung. crB hat<br />
auch in der Grafik eine grosse Retro-Welle ausgelöst:<br />
Es wird wieder von Hand gezeichnet, gemalt, retouchiert,<br />
die Fast-Design-Welle ist vorbeigeschwappt.<br />
Eine herrliche Zeit für Werber. Nie zuvor waren<br />
die Zielpublika so klar segmentiert: Die grösste Zielgruppe<br />
bilden mit über 50% die Alten. All die künstlichen<br />
Gelenke, die Hörgeräte, die Seh-, Geh- und<br />
Steh-Hilfen für Beine und dazwischen Baumelndes!<br />
Dank Senkung des Rentenalters auf 50 und Anhebung<br />
des durchschnittlichen Sterbezeitpunkts auf<br />
120 konnte dieses ZP-Segment elegant vervielfacht<br />
werden. Die Schweiz hat sich geöffnet und erstmals<br />
einen Bundesrat, dessen Familie vor erst gerade 300<br />
<strong>Jahre</strong>n aus dem Elsass eingewandert ist. Basel, wie<br />
immer fortschrittlicher als der Rest der Schweiz, hat<br />
mit Eduardo sogar schon einen Obama-farbenen<br />
Grossrat, was die Farbdrucker der Werbetreibenden<br />
zu Höchstleistungen anspornt.<br />
Das zweitgrösste Segment des ZP-Kuchens sind<br />
mit 45% die Sozialhilfe-Empfänger. Ein wundervolles<br />
Publikum, das völlig unbelastet von Einkommenssorgen<br />
mit vollen Händen ausgeben kann, was<br />
die 5% Arbeitstätigen erwirtschaften. Endlich hat<br />
sich die gewerkschaftliche Sicht durchgesetzt, dass<br />
Arbeit etwas zu Vermeidendes ist und der wahre<br />
Mensch zu Höherem geboren ist: zum ruhigen, vor<br />
sich hindämmernden Dasein. Unser Traumkunde<br />
hat – wie die Alten – den ganzen Tag Zeit, unsere<br />
Werbung zu konsumieren. Da sein Verstand nicht<br />
mehr durch den Arbeitsalltag belastet wird, glaubt<br />
er auch eher, was wir Werber ihm erzählen. Er wird<br />
120, weil er unsere Tipps aus der Gesundheitskampagne<br />
sklavisch befolgt, Risiken scheut wie der Teufel<br />
das Weihwasser und es den Werbern überlässt,<br />
tief ins Glas zu schauen. Er eignet sich haufenweise<br />
Berufsbildung an, ohne je einen auszuüben. Und es<br />
käme ihm nicht im Traum in den Sinn, schwarz zu<br />
arbeiten – dafür gibt's ja Schwarze …<br />
Die Aussichten sind rosig und das einzige Wermutströpfchen<br />
ist vielleicht, dass weder die crB noch<br />
die <strong>Werbewoche</strong> dannzumal noch private Firmen<br />
sind – weil es 2053 keine privaten Firmen mehr gibt.<br />
Die Ironie liegt ja darin, dass der Sozialismus alle<br />
Privatfirmen verstaatlicht und dann pleite geht – und<br />
im Kapitalismus alle Privatfirmen pleite gehen und<br />
dann verstaatlicht werden. Es zeigt sich, dass Letzteres<br />
zuerst passieren wird. Wie auch immer: diese hübschen<br />
Zukunftsszenarien sind kein<br />
Grund, der WeWo nicht zum tapferen<br />
Erreichen der Halbwertszeit herzlich<br />
zu gratulieren.<br />
Peter Frey (Managing Director<br />
crBasel Werbeagentur)<br />
Maxomedia macht auf Endzeitstimmung<br />
Wirz fängt Protest aus der Zukunft ab<br />
Das Ende naht mal wieder.<br />
Es ist eine dramatische Entwicklung im Gange. So dramatisch, dass viele von uns die kommenden<br />
<strong>Jahre</strong> nicht überleben werden. Und das Dumme daran: Es gibt kein Zurück.<br />
Was ist passiert?<br />
Werbung hat in den vergangen Jahrzehnten stets versucht, einem Produkt – von dessen<br />
Existenz die Werber bis anhin oft nicht einmal ahnten – den Weg in den Besitz der Kunden<br />
zu erleichtern. Man hat geschaut, was an diesem Ding so dran war, hat etwas gefunden und<br />
davon erzählt; in der Tendenz leicht euphemistisch. Das war leicht. Nur leider ist dieses<br />
Modell längst aufgeflogen: Menschen wollen keine Werbung und sie misstrauen ihr. Und<br />
das Dumme daran: Es gibt kein Zurück.<br />
Wo stehen wir?<br />
Was tun? Es scheint, es wird schwieriger. Aber wir haben verstanden: Einzelne Menschen<br />
durch einen Produktvorteil überzeugen? Ein Anachronismus, so geht’s nicht weiter. Werbung<br />
muss dem Gegenüber etwas bringen. Es soll mit ihr spielen können. Darum haben wir<br />
damit begonnen, die Geschichte zum Produkt offen zu gestalten, keine mehr zu erzählen,<br />
sondern eine zu ermöglichen.<br />
Wer aber derlei Geschichten entstehen lassen will, braucht Erzähler – aktive und viele.<br />
Die gibt es dank Social Media natürlich längst. Fortan werben die Umworbenen mit uns und<br />
für uns. Aber nur so lange, bis sie merken, dass sie instrumentalisiert wurden. Und das<br />
werden sie.<br />
Darum ist die momentane Lösung bloss ein Pyr rhus sieg. Ein weiterer Schritt auf dem<br />
Weg, der uns unweigerlich ins Verderben führt. Die Retter von heute sind es, die uns morgen<br />
arbeitslos machen. Und das Dumme daran: Es gibt kein Zurück.<br />
Was können wir tun?<br />
Die neue Lösung: Zusammenrücken und radikale Offenheit. Hierarchiekrusten werden zerschlagen;<br />
innerhalb und ausserhalb der Agentur, die Tore gehören geöffnet. Jeder kann<br />
mitmachen, totale Partizipation. Werber setzen sich mit Produktentwicklern zusammen und<br />
erschaffen Produkte, die keine Werbung mehr brauchen, weil sie derart besitzenswürdig sind,<br />
dass sich das Produkt von selbst vermarktet. Co-Creation von Laien und Profis ist jetzt Alltag.<br />
Bloss, geniale Dinge partizipativ herstellen und vertreiben, das gibt es längst. Eine Herde<br />
von Open-Sourcelern und Fundraislern tut das bekanntermassen seit <strong>Jahre</strong>n – ganz ohne<br />
Agenturbombast. Leichtfüssiger, aktiver und bald besser. Die gelobte Partizipation ist des<br />
Werbers Grab von morgen. Und das Dumme daran? Es gibt kein Zurück.<br />
Urs Ander (Texter/Konzepter Maxomedia)<br />
Fiktives Statement von Alex (24),<br />
Student, 2024<br />
«Wir richten uns strickt gegen jegliche<br />
Arten des Social Network. Der<br />
Grund dafür sind die unhaltbaren<br />
Werbefluten auf virtuellen Plattformen,<br />
auf welchen wir uns immer<br />
gerne aufgehalten hatten. Gerade<br />
unsere Lieblingsseiten wie Facebook<br />
oder Youtube entwickeln sich<br />
immer mehr zur Zielscheibe wahlloser<br />
Produktplatzierungen. So<br />
haben wir begonnen, jede dieser<br />
werbeverseuchten Pages öffentlich<br />
zu boykottieren. Der Auslöser<br />
dieses Shitstorms war ein<br />
16- sekündiger Coca-Cola-Spot im Jahr 2013, welcher vor<br />
beinahe jedem YouTube-Video reingeschissen kam. Wir sind<br />
echt total angepisst! Wir fordern ein Umdenken der Werbung<br />
allgemein! Kampf der Werbefluten! Unsere Plattformen gehören<br />
uns!»<br />
#youtubesucks #bannerhater<br />
Katrin von Niederhäusern und Valentin Mattes<br />
(beide in Ausbildung bei Wirz)
A612845
Jubiläumsausgabe <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Werbewoche</strong> | 30.08.2013<br />
27<br />
Infel testet Ihre Zukunftstauglichkeit<br />
Notch Interactive schickt Werber Don Futuro ins Rennen<br />
Hilfe, mein bester Freund ist ein Kühlschrank.<br />
Spätestens im <strong>Jahre</strong> 2030 ist ein Chip so leistungsfähig wie das menschliche<br />
Gehirn. Outernet (Zusammenführung von virtueller und realer Welt) und das<br />
Web der Dinge (alle Objekte mit IP-Adresse) werden routinemässig in der<br />
Werbung eingesetzt. 5-D-Werbung (alle Sinne) wird von Kunden allgemein<br />
geschätzt, ebenso wie die Beachtung ethischer und umweltverträglicher Gesichtspunkte.<br />
Der Einsatz von Parallelwelten (Gamification) findet grosse<br />
Verbreitung.<br />
Schauen wir doch in den Alltag eines Werbers im <strong>Jahre</strong> 20<strong>40</strong> und nennen<br />
ihn Don Futuro: Don wird morgens durch sanfte Musik geweckt, in welcher<br />
zudem sein Mantra für Gesundheit und Geschäftserfolg mitschwingt. Er begibt<br />
sich ins Bad und wird von seinem Spiegel begrüsst. Dieser macht ihn darauf<br />
aufmerksam, dass heute mit starker Sonnenstrahlung zu rechnen ist und<br />
empfiehlt ihm die Gesichtscreme mit UV-Faktor 85. Nach Dons Morgentoilette<br />
begibt er sich zum Kühlschrank, welcher ihn sofort scannt und ihm rät,<br />
heute und in den nächsten Tagen ein proteinreiches Frühstück zu sich zu<br />
nehmen. Zudem hat er noch einen Diskussionspunkt betreffend Vorräte: Von<br />
drei verschiedenen Anbietern liegen ihm Birchermüesli-Angebote vor und das<br />
Device müsste heute noch nachbestellen. Don entscheidet sich für die lokale<br />
Marke.<br />
Schliesslich begibt er sich in sein Gefährt. Es gibt Neuigkeiten: die Fahrt<br />
wird staufrei und sein erster Termin hat sich um eine halbe Stunde verschoben.<br />
Im Meeting angekommen, widerfährt ihm ein Missgeschick und er schüttet<br />
Kaffee auf sein Hemd. Zum Glück trägt er das Smarte: dieses informiert ihn,<br />
wie der Fleck unmittelbar am Besten entfernt wird. Vor lauter Schreck hat er<br />
den Namen des Kunden vergessen. Seine Brille gibt ihm die nötigen Informationen<br />
und die Peinlichkeit bleibt ihm erspart. Das Thema der Sitzung ist die<br />
Zielgruppe für die Kampagne: Es handelt sich um ein heterogenes Klientel der<br />
besonderen Art, da die Hälfte der anzusprechenden Kunden virtuell ist und<br />
die Milieus stark variieren.<br />
Am Nachmittag erhält er eine Botschaft von seinem Sonnendach zu Hause:<br />
Lokaler Platzregen und starke Winde aus Westen in Sicht! Don beschliesst, das<br />
mit seinen Freunden geplante BBQ in ein Dinner umzuwandeln. Sein Kühlschrank<br />
beruhigt ihn, dass alles Nötige für ein gelungenes Gulasch vorhanden<br />
wäre. Gleichzeitig erfährt er von seinem Steamer, dass der Wildreis pünktlich<br />
um acht gar ist.<br />
Bevor er das Gebäude verlässt, stellt ihm sein Team die neue Kampagne für<br />
die Hotelkette Stratos vor. Grundsätzlich ist er mit der 5-D-Kommunikation<br />
zufrieden, wobei Haptik und Düfte noch verbessert werden müssen.<br />
Dann steigt er in sein Gefährt und wird nach Hause gefahren. Dons Vehikel<br />
macht ihn auf die Werbung der eigenen Automarke aufmerksam, welche neue<br />
Modelle mit grossem Eintauschrabatt anbietet. Sein Kühlschrank rät ihm davon<br />
ab.<br />
Peter A. & Willem G. van der Touw (Notch Interactive)
28<br />
Vom «geheimen Verführer»<br />
zum Rad der Wirtschaft<br />
«Früher hat die Kontinuität eine grössere Rolle gespielt», meint Jost Wirz zum Verhältnis einer Werbeagentur zu<br />
ihren Kunden. Was sich sonst noch verändert hat in den letzten <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong>n, erklärt der Patron der Pionier-Agentur<br />
Wirz in einem rückblickenden Interview.<br />
WW: Können Sie sich noch an Ihren ersten Job in der Werbung<br />
erinnern?<br />
Jost Wirz: Ja, denn dieser Auftrag hat damals einen<br />
ziemlichen Wirbel ausgelöst. In den 50er-<strong>Jahre</strong>n<br />
kam das erste Coca-Cola in die Schweiz. Die Agentur<br />
meines Vaters war mit der Einführungskampagne<br />
für unser Land beauftragt. Ich durfte als kleiner Bub<br />
in meiner Pfadfinderuniform und mit einem Coke<br />
in der Hand als Modell für ein Plakat posieren. Die<br />
Kampagne ist aber nicht überall gut angekommen.<br />
Es gab damals grosse Widerstände gegen dieses ungesunde<br />
«Amerikanerzeugs».<br />
Später haben Sie die Agentur von Ihrem Vater übernommen.<br />
Was waren Ihre Träume 1973, als die <strong>Werbewoche</strong><br />
gegründet wurde?<br />
Mein Traum war, dass es unserer Unternehmung<br />
weiterhin gut geht, dass wir unsere Position im<br />
Schweizer Markt festigen können oder ausbauen. In<br />
diesen <strong>Jahre</strong>n sind auch die ersten Ansätze entstanden<br />
für integrierte Kommunikation. Man konnte<br />
spüren: Eine Werbeagentur ist gut und recht, aber es<br />
gibt noch andere Disziplinen, die man berücksichtigen<br />
sollte. Es war sicher auch ein Traum von mir,<br />
dass wir aus dieser Ecke der Reklameberatung<br />
heraus kommen und zu einem umfassenden Anbieter<br />
von Kommunikationsdienstleistungen werden.<br />
Später folgte die Vision, dass auch ich einmal den<br />
Generationenwechsel erfolgreich hinter mich bringen<br />
kann. Mein Plan war, dass unser Geschäft mich<br />
selbst überlebt.<br />
Das war auch eine Verantwortung.<br />
Das ist etwas, was mich heute ausserordentlich befriedigt:<br />
dass es gelungen ist. Obwohl es nicht in der<br />
Familie möglich war, aber doch mit Menschen, die<br />
mir sehr nahe stehen. Für mich ist es sehr wesentlich,<br />
dass die Firmen jenen gehören, welche die tägliche<br />
Arbeit machen und in den verantwortungsvollen<br />
Positionen sind.<br />
Was würden Sie heute den Gründern einer Agentur raten?<br />
Gegründet habe ich unsere Agentur ja nicht. Aber<br />
ich habe das Geschäft weitergeführt und das würde<br />
ich sicher wieder machen. Man muss ein Stück weit<br />
angefressen sein. Man muss mehr als Freude haben<br />
an der Kommunikation und dem, was man macht.<br />
Das sagen zwar die Vertreter aller Berufe. Aber bei<br />
uns ist speziell wichtig, dass man sehr viele Interessen<br />
hat. Man muss sich für praktisch alles interessieren,<br />
was auf dieser Welt passiert, vor allem auch<br />
im kulturellen Bereich. All das sind Einflüsse, die<br />
auf die Kommunikation einwirken. Also man muss<br />
ins Theater gehen, ins Kino, man muss ein Newsjunkie<br />
sein im Sinne von Konsumieren von Medien.<br />
Man muss viel aufnehmen. Alles, was man nachher<br />
an neuen Ideen schafft, ist ja nur ein ungewohntes<br />
Arrangieren von bestehenden Elementen zu noch<br />
nie da gewesenen Lösungen.<br />
Gibt es auch etwas, das Sie lieber vergessen möchten?<br />
Ich habe ein traumatisches Erlebnis in Erinnerung.<br />
Das liegt zum Glück weit zurück. Ich war damals<br />
Berater für unseren Kunden Roco. Diese Konservenmarke<br />
hat jeweils vor Weihnachten eine Verkaufskonferenz<br />
organisiert. Dazu sind etwa 25 Vertreter<br />
aus der ganzen Schweiz zusammengekommen. Wir<br />
haben ihnen die neue Werbung für das nächste Jahr<br />
vorgestellt. Dabei hatten wir eine vermeintlich gute<br />
Idee. Warum weiss ich nicht mehr, aber auf jeden<br />
Fall haben wir eine kleine Show abgezogen. Zuerst<br />
liessen wir die «Kleine Nachtmusik» von Mozart ertönen.<br />
Das wäre noch gegangen. Aber anschliessend<br />
haben wir ein Fotomodell in einem leichten Negligé<br />
auf der Bühne tanzen lassen. Angezogen zwar, aber<br />
sexy. Das ist dem erzkatholischen Generaldirektor<br />
der Roco so wahnsinnig negativ eingefahren, dass er<br />
uns auf der Stelle zum Teufel jagte. Ein Riesendebakel.<br />
Aber typisch für die Zeit: der Patron hat uns<br />
noch einmal eine Chance gegeben. So mussten wir<br />
am 2. Januar erneut antraben mit einer überarbeiteten<br />
Präsentation.<br />
Sie haben also den Job von der Pike auf gelernt?<br />
Ausbildung, das ist ein wichtiges Stichwort. Früher<br />
sind die Berater von Wirz immer mit Aussendienstleuten<br />
eine Woche lang auf Piste gegangen. Auch ich<br />
bin mit einem Roco-Vertreter von Laden zu Laden<br />
gezogen und habe Ravioli verkauft. So konnte ich<br />
sehen, wie schwierig es ist, überhaupt in den Handel<br />
reinzukommen. Man lebt ja als Werber manchmal<br />
so weit weg von der Front. Man hat die folgende<br />
Vorstellung: Wir machen ein gutes Inserat oder einen<br />
guten Spot und dann klingeln die Kassen. Was<br />
1973–1980 ARBEITSPROBEN WIRZ<br />
1978<br />
1974<br />
1976 1978<br />
1978
Jubiläumsausgabe <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Werbewoche</strong> | 30.8.2013 29<br />
da alles für Voraussetzungen erfüllt werden müssen,<br />
bevor irgendwie ein Verkauf stattfindet, das wissen<br />
viele gar nicht.<br />
Hat man früher anders gearbeitet?<br />
Es hat viel weniger Spezialisierung gegeben. Der Berater<br />
hat fast alles selber gemacht. Es gab ja nur zwei<br />
Funktionen in der Werbeagentur: Berater und Grafiker.<br />
Was der Grafiker machte, ist klar. Den Rest hat<br />
der Berater übernommen. Er war Kundenbetreuer<br />
und Projektleiter,Texter, Produktiönler und Mediafachmann<br />
– alles in einem. Das ergab natürlich eine<br />
viel spannendere Aufgabe. Wir mussten viel mehr<br />
wissen und können. Was hingegen nicht anders war,<br />
war das Ziel der Werbung. Wir wollten unseren Kunden<br />
helfen, ihre Angebote zu verkaufen. Vom Vorgehen<br />
her war das meistens ein bisschen weniger systematisch.<br />
Der Berater hat dem Grafiker telefoniert<br />
und gesagt: Komm mal vorbei und mach etwas Lustiges.<br />
Heute geht das doch viel professioneller.<br />
Wie haben Sie damals das Image des Werbers empfunden?<br />
Es war zwiespältig. Die meisten Leute fanden den<br />
Beruf zwar lässig. Sie dachten: Das sind junge, kreative<br />
Leute, die sich bereits am Nachmittag ein kleines<br />
Bier genehmigen. Die haben es ständig lustig<br />
und da wird gefestet. Das ist der eine Teil vom Image.<br />
Uns störte das nicht, obwohl es überhaupt nicht<br />
stimmte. Wir hatten es fröhlich, aber wir arbeiteten<br />
auch viel. Problematischer ist das zweite Bild vom<br />
«geheimen Verführer», dem Titel des viel diskutierten<br />
Buches von Vance Packard 1957 entsprechend.<br />
Solche Anschuldigungen und Anfeindungen sind<br />
früher viel extremer gewesen. Das war hart. Mein<br />
Vater wurde einmal als «Verbrecher im weissen Kragen»<br />
bezeichnet. Das hat ihn – als anständigen Menschen<br />
– enorm verletzt. Mir ist das heute völlig egal,<br />
weil ich erstens weiss: Was ich mache, ist sinnvoll<br />
und die Art und Weise, wie wir es machen, ist absolut<br />
ethisch vertretbar. Was nicht geht, ist ja verboten<br />
und es gibt Standesregeln. Das Image hat sich somit<br />
tendenziell verbessert: Man nimmt uns als ein wichtiges<br />
Rad der Wirtschaft wahr, schätzt uns als unentbehrlich<br />
ein.<br />
In den letzten 5 <strong>Jahre</strong>n hat sich mehr verändert als in den<br />
letzten 50 davor, meint der Chef der Cannes Lions, Philip<br />
Thomas. Stimmt das?<br />
Das stimmt natürlich, vor allem wenn man die Medienseite<br />
betrachtet. Der Rest hat sich nicht sehr<br />
stark geändert. Wir hatten ja verschiedene Revolutionen<br />
in der Medienwelt. Gutenberg mit dem Erfinden<br />
des Buchdrucks war ein epochales Ereignis.<br />
Aber alle Revolutionen, die später gekommen sind<br />
– Radio, Fernsehen, Computer, Smart Phones –<br />
wirkten noch unglaublicher auf unser Leben und die<br />
kommerzielle Kommunikation. Ein typisches Beispiel<br />
der Beschleunigung: Zwischen Gutenberg und<br />
Marconi dauerte es 450 <strong>Jahre</strong>. Zwischen Radio und<br />
dem Chip noch etwas mehr als 50 <strong>Jahre</strong> und jetzt<br />
kommt praktisch alle 5 <strong>Jahre</strong> etwas Neues.<br />
Sie sagten selber: In den 80er-<strong>Jahre</strong>n sind immer mehr<br />
Sparten gekommen. Wie hat das die Arbeit verändert?<br />
Die Einsicht, dass man die gesamte Kommunikation<br />
aufeinander abstimmen muss – man kann auch von<br />
Integration sprechen – ist natürlich stark gewachsen.<br />
Das ist teilweise propagiert worden durch Professoren<br />
mit ihren Büchern. Auf der anderen Seite<br />
reifte aber auch in der täglichen Praxis die Überzeugung,<br />
dass es unbedingt nötig ist, dass alles zusammenpasst<br />
und wir mit einem «roten Faden» durch<br />
die verschiedensten Medien kommunizieren müssen.<br />
Das hat die Tätigkeit spannender gemacht und<br />
auch wirksamer als die bisherige «Tutti-Frutti-Werbung».<br />
Wie war es mit dem Pitchen damals?<br />
Früher hat die Kontinuität eine grössere Rolle gespielt.<br />
Die Lebensdauer von Patrons war länger als<br />
die von derzeitigen Managern. Heute ist die Verweildauer<br />
eines CEO vielleicht noch 5 <strong>Jahre</strong>. Anno dazumal,<br />
als viele grosse Firmen auch noch Familienunternehmen<br />
waren, blieben die Führungskräfte<br />
eine Generation lang mit dabei. Da gestaltet sich die<br />
Zusammenarbeit mit der Agentur natürlich viel einfacher.<br />
Da musste eine Agentur wirklich ganz viele<br />
Fehler machen, bis es zu einem Eklat kam. Die missglückte<br />
Show bei Roco war ein Zwischenfall, deshalb<br />
hat man uns nicht die Treue gekündigt. Heute kommen<br />
ständig «neue Besen» an die Macht, von denen<br />
erwartet wird, gleich alles umzukrempeln. Aber eigentlich<br />
ist das ein riesiger Verschleiss an Ressourcen<br />
und auch an Energie, wenn die Agenturen viel<br />
zu häufig gewechselt werden. Das ginge ja noch.<br />
Aber wenn parallel dazu auch noch die Strategie und<br />
das Konzept geändert werden, finde ich das extrem<br />
schlecht.<br />
War man früher auch mutiger?<br />
Irgendwie schon, weil der Firmeninhaber autoritär<br />
entscheiden konnte: das gefällt mir, das machen wir!<br />
Heute haben wir immer mehr mit grossen Gremien<br />
zu kämpfen. Viele Leute können zwar «nein», aber<br />
niemand getraut sich «ja» zu sagen. Deshalb wird an<br />
allen Ecken und Kanten geschliffen. Ich glaube, man<br />
hat früher schon mehr Mut gezeigt. Auf der anderen<br />
Seite ist vieles heute kreativer. Die Einfälle, die wir<br />
zurzeit präsentieren, sind frecher als früher. Es ist<br />
eindeutig mehr erlaubt, weil die Werbung nicht so<br />
ernst genommen wird. Man erwartet von der Werbung<br />
sogar das Spielerische, das Unterhaltsame. Wir<br />
dürfen ausgefallen sein und provozieren. Wenn man<br />
aber alles Ausgefallene eliminieren muss, dann landet<br />
man vielleicht auch wieder nur dort, wo man<br />
früher war punkto Originalität.<br />
Haben früher andere Leute in der Werbung gearbeitet?<br />
Ich habe das Gefühl, Werber waren früher braver.<br />
Wegen ihrer anderen Funktionen haben mehr Kaufleute<br />
in der Werbung gearbeitet und weniger Kreative.<br />
Heute, wo den Kundenberatern Text, Produktion<br />
und Media weggenommen worden sind, spielen zusätzliche<br />
Figuren eine Rolle. Früher war die Agenturwelt<br />
mehr in der Nähe der Betriebswirtschaft.<br />
Heute hat der kreative Teil einen viel grösseren Einfluss.<br />
Konnte man einen Geist von «Mad Men» spüren?<br />
Auf jeden Fall. Ich war ja in den 60er <strong>Jahre</strong>n selbst<br />
in New York bei BBDO an der Madison Avenue. Das<br />
war genau die Zeit, die in «Mad Men» beschrieben<br />
wird. Und den in der Serie skizzierten Lebensstil hat<br />
man auch in die Schweiz importiert. Man hat auch<br />
viel davon gesprochen und daran geglaubt, dass Zürich<br />
zur Madison Avenue von Europa werden könnte.<br />
Das war mal eine tolle Vision. Warum nicht wieder<br />
einmal darüber diskutieren, wieso es nie dazu<br />
gekommen ist? Aber immerhin gelang es, das Gehabe<br />
zu übernehmen. Es fällt mir ein: wir hatten bei<br />
Wirz Berater, die nahmen jeweils gegen 17 Uhr –<br />
noch während der letzten Sitzung des Tages – aus<br />
der untersten Pult-Schublade die Whisky- Flasche<br />
hervor … Let’s have a drink! Das waren keine Alkoholiker,<br />
nein, das hat einfach ein bisschen zum Habitus<br />
gehört.<br />
Es heisst: Früher konnte man noch richtig Geld verdienen<br />
in der Werbung. Waren die Margen grösser?<br />
Es ist dieser Tage sicher härter geworden, Geld zu<br />
verdienen. Ehemals hatten wir komfortable Prozent-Honorar-Abmachungen.<br />
Natürlich musste<br />
man immer viel leisten und Ergebnisse bringen.<br />
Aber heute wird viel mehr auf den Preis gedrückt.<br />
Oft ist es ja die Einkaufsabteilung eines Grosskunden,<br />
die mit uns über die Konditionen verhandelt.<br />
Wie wenn wir Dichtungen verkaufen würden oder<br />
ein Reinigungsinstitut wären. Damals hatte man<br />
das Gefühl: eine gute Leistung wird auch gut honoriert.<br />
Die Auftraggeber fragten manchmal sogar<br />
besorgt: «Kommt ihr durch mit diesem Honorar?»<br />
Wie Mäzene, die sich einen Künstler halten und sich<br />
verantwortlich fühlen: «Du musst sagen, was es kostet.<br />
Du sollst auch etwas zum Essen haben.» Tempi<br />
passati!<br />
Früher war alles besser?<br />
Besser war sicher, dass unsere Kunden, wie gesagt,<br />
Unternehmer waren. Verlässlichkeit, Ehrlichkeit und<br />
Aufrichtigkeit waren ausgeprägt. Da wurden nicht<br />
15-seitige Verträge abgefasst, sondern man hat sich<br />
die Hand gegeben, allenfalls im Protokoll etwas vermerkt,<br />
dann war alles in Ordnung. Heute unterschreiben<br />
wir detaillierte Abmachungen und zum<br />
Schluss macht der Kunde trotzdem das, was er will.<br />
1981–1990<br />
1985<br />
1988<br />
1983<br />
1988 1990<br />
1988
30<br />
Jubiläumsausgabe <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Werbewoche</strong> | 30.8.2013<br />
Hipphipphurra!<br />
Lust mitzufeiern?<br />
Die Torte dazu gibts auf www.mediafocus.ch/torte<br />
Werbeforschung Suchmaschinenforschung Medienbeobachtung<br />
Media Focus ist ein auf die unabhängige Messung von Kommunikation<br />
spezialisiertes Marktforschungsunternehmen, das Daten aus den<br />
Bereichen klassische Werbung, Medienpräsenz und Suchmaschinenmarketing<br />
empirisch erhebt. www.mediafocus.ch<br />
Sie haben die Wirz-Gruppe von 80 auf 150 Mitarbeitende<br />
hochgeschraubt. Was ist Ihre Erfolgsstrategie?<br />
Erstens habe ich das nicht alleine gemacht.<br />
Das Allerwichtigste ist, dass man immer<br />
ein Team um sich hat, Menschen, welche<br />
alle am gleichen Strick ziehen und gleiche<br />
Zukunftserwartungen haben. Zweitens:<br />
Wir haben als Erste die Expansionsschritte<br />
vorgenommen in andere Gebiete, sei das<br />
PR, Dialog, Branding, Identity, Publishing<br />
und ganz früher noch Marktforschung.<br />
Mein Vater hat 1968 ein Marktforschungsinstitut<br />
gegründet, weil er das Gefühl hatte,<br />
wir müssten mehr über den Markt und<br />
das Konsumverhalten wissen. Es war sicher<br />
entscheidend, dass wir die gemeinsame<br />
Vorstellung hatten von einem Angebot, das<br />
nicht nur klassische Werbung beinhaltet,<br />
sondern in allen Bereichen dem Kunden<br />
helfen kann. Ebenso wichtig war sicher unsere<br />
Idee der Architektur dieser Gruppe.<br />
Wir wollten nicht einfach eine Werbeagentur<br />
sein mit ein paar zugeordneten Units,<br />
an denen weitere Spezialisten sitzen. Wir<br />
haben aus jeder Disziplin ein Unternehmen<br />
machen wollen, bei dem die leitenden Mitarbeiter<br />
engagiert sind als Miteigentümer.<br />
Diese mussten ihre Bereiche als ihr eigenes<br />
Geschäft betrachten. Sie mussten ihre Ideen<br />
im Markt selber verkaufen. Dementsprechend<br />
waren sie auch motiviert und haben<br />
«ihr» Unternehmen mit aufgebaut. Die<br />
Struktur dieses kleinen «Konglomerates»<br />
mit seinem Holding-Konzept und den als<br />
Partner eingebundenen Kaderleuten hat<br />
sicher zum Erfolg der ganzen Wirz-Gruppe<br />
beigetragen.<br />
War es eine lange Überlegung, das Familienunternehmen<br />
aus der Hand zu geben?<br />
Ja, es hat natürlich am Familientisch während<br />
<strong>Jahre</strong>n Gespräche gegeben, bis wir alle<br />
merkten, dass der weitere Familienbesitz<br />
kein Weg ist. Das war die eine Voraussetzung:<br />
man weiss, dass es nicht geht. Die<br />
zweite Voraussetzung ist, dass man dann<br />
eine Alternative hat. Diese hatte ich schon<br />
eine Zeitlang im Hinterkopf mit mir herumgetragen.<br />
Erfreulicherweise habe ich relativ<br />
rasch gesehen, dass ich grosses Glück habe,<br />
indem in unserem Unternehmen engagierte<br />
und kompetente Leute vorhanden sind,<br />
die willens sind und auch in der Lage, die<br />
Mehrheit zu übernehmen. Ich spreche hier<br />
von Geri Aebi, meinem Nachfolger und<br />
Freund, und der heutigen Gruppenleitung.<br />
Eine ideale Lösung für alle!<br />
War es umgekehrt für Sie eine lange Überlegung,<br />
das Geschäft von Ihrem Vater zu übernehmen?<br />
Eigentlich habe ich mich relativ spät entschieden.<br />
Es ging mir wie vielen anderen,<br />
dass man a priori mal das ausschliesst, was<br />
der Vater macht. Nach meiner Matur hatte<br />
ich das Gefühl, ich möchte lieber Architektur<br />
studieren. Ich wäre nie auf die Idee gekommen,<br />
in die Werbung zu gehen. Auf den<br />
Wir wünschen der <strong>Werbewoche</strong> ein<br />
fro<br />
Vorschläge<br />
frohes<br />
frohgemutes<br />
fröhliches<br />
frohlockendes<br />
frommes<br />
frostfreies<br />
<strong>40</strong>. Geburtstagsfest.<br />
A612800
Jubiläumsausgabe <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Werbewoche</strong> | 30.08.2013<br />
31<br />
2<strong>001</strong>–HEUTE<br />
2005<br />
2<strong>001</strong> 2002<br />
2008<br />
2011<br />
Lehr- und Wanderjahren im Ausland merkte ich<br />
aber, was das für eine spannende Aufgabe sein könnte,<br />
und ich sagte mir, ich wäre ein Trottel, würde ich<br />
nicht JA sagen. Dann ist es relativ rasch gegangen<br />
und ich bin mit Volldampf eingestiegen – zuerst ins<br />
entsprechende Studium und dann in die Praxis.<br />
Sie waren auch aktiv im Vorstand Economiesuisse und Zürcher<br />
Handelskammer. Finden Sie es wichtig, dass ein Werber<br />
sich gesellschaftlich engagiert?<br />
An beiden Orten musste ich altershalber zurücktreten.<br />
Ich bedaure es sehr, dass diese Verbände eine<br />
solche Guillotine haben. Ich blicke aber dankbar auf<br />
meine aktive Zeit zurück. Ich bin ein sehr politischer<br />
Mensch und habe in diesen Gremien viel lernen<br />
können. Ich finde es tatsächlich wichtig, dass Wirtschaftsführer<br />
sich politisch engagieren.<br />
Sie sind auch kulturell engagiert, im VR von iMusicianDigital<br />
AG.<br />
Mein älterer Sohn Tobias hat Musik studiert. Er arbeitet<br />
als Musiklehrer und spielt in verschiedenen<br />
Bands. Er hat überdies zusammen mit einem Kollegen<br />
die Firma iMusicianDigital gegründet. Über<br />
diese Plattform können unabhängige Musiker, daher<br />
das «i», ihre Werke in die weltweit rund 200<br />
Online-Shops hochladen und ihre Rechte vertreten<br />
lassen. Hier handelt es sich ja auch um eine dieser<br />
Revolutionen der letzten <strong>Jahre</strong>. Das Projekt hat<br />
mich von Anfang an neugierig gemacht, und ich<br />
habe mich deshalb als Berater und Investor engagiert<br />
– obwohl ich zu den wenigen gehöre, die immer<br />
noch mit Freude CDs kaufen …<br />
Was macht Ihr zweiter Sohn?<br />
Benno hat Philosophie studiert und eben seine Dissertation<br />
über Descartes fertiggestellt. Er ist Oberassistent<br />
an der Uni in Zürich und wird wohl in der<br />
akademischen Welt bleiben.<br />
Haben Werber einen Hang, sich musisch oder kulturell zu<br />
betätigen?<br />
Da bin ich ein bisschen enttäuscht. Viele Werber<br />
haben meiner Meinung nach zu wenig kulturelle<br />
Interessen. Ich gehe viel ins Theater, ins Kino, an<br />
Konzerte und Ausstellungen, aber ich treffe immer<br />
weniger Werber an. Ob das repräsentativ ist, weiss<br />
ich nicht, aber mir fällt es irgendwie auf. Und das<br />
finde ich schade. Das ist ja das Faszinierende an unserem<br />
Beruf, dass man von so vielen Dingen etwas<br />
aufnehmen und diese Elemente neu verwursten<br />
kann. Selber Bilder malen, Kurzgeschichten schreiben<br />
oder Videos produzieren wäre noch besser. Aber<br />
zumindest in der weiten Welt der Kunst ein bisschen<br />
verkehren, fände ich angebracht. Es tönt vielleicht<br />
überheblich, aber wenn ich in Locarno am Filmfestival<br />
bin, dann treffe ich dort keinen einzigen Werber,<br />
ausser einem, der im Tessin ein Ferienhaus besitzt.<br />
Es hat mehr Politiker als Werber auf der Piazza<br />
Grande. Da stimmt doch etwas nicht.<br />
Die Branche hat in den letzten <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong>n verschiedene Krisen<br />
durchlebt: Welches war die härteste?<br />
Die härteste war sicher 2<strong>001</strong>/2002: die Wirtschaftskrise<br />
ist kombiniert mit dem Platzen der Dotcom-<br />
Blase aufgetreten. Da sind viele Agenturen zum<br />
Schluss auf unbezahlten Rechnungen sitzen geblieben.<br />
Viele dieser Start-ups hatten vom grossen Geld<br />
geträumt. Auf die Übertreibungen folgte postwendend<br />
die Krise, und das hat die Branche extrem geschüttelt.<br />
Vorher waren die Einbrüche kürzer, glaube<br />
ich. Man hat sie viel weniger gespürt.<br />
Was haben Sie aus dem Auf und Ab gelernt?<br />
Gelernt habe ich sicher, dass man vorsichtig sein<br />
muss: nicht glauben, dass die Bäume in den Himmel<br />
wachsen. Man muss auch schnell reagieren auf Veränderungen,<br />
die sich abzeichnen, und eben halt<br />
auch Personal abbauen – was ich vorher nie wollte.<br />
In kritischen Phasen sollte man Pessimist sein und<br />
mit einer schlechten Entwicklung rechnen. Ich habe<br />
als geborener Optimist sträflich immer mit einer<br />
guten Konjunktur gerechnet.<br />
Es gab eine Polemik um den grossen Firmensitz von Wirz.<br />
War das vielleicht ein zu grosser Optimismus?<br />
Ja bestimmt. Zum Glück waren wir ja nicht Besitzer<br />
des Hauses, bloss Mieter. Wir hatten aber sicher zu<br />
Beginn zu viele Quadratmeter belegt. Ich habe kürzlich<br />
wieder einmal die Tabelle zur Hand genommen,<br />
mit der wir im Jahr 2000 unsere Quadratmeter-<br />
Bedürfnisse abgeschätzt hatten. Da haben die Geschäftsführer<br />
der einzelnen Gesellschaften überrissene<br />
Zahlen gemeldet. Ihre Wünsche haben wir aber<br />
schön brav aufaddiert und eingeplant. Das ist eben<br />
das, was man nicht machen darf. Ich hätte sagen<br />
müssen: Das können wir uns nicht leisten, wir reduzieren<br />
überall um 20 Prozent.<br />
Die Agenturlandschaft befindet sich im Wandel. Die Fragmentierung<br />
bringt immer mehr kleine Schnellboote.<br />
Wir haben die vielen Schnellboote im Haus. Wir versuchen<br />
ja, durch unsere Struktur nicht allzu grosse<br />
Einheiten zu bilden. Aber mit der stetig wachsenden<br />
Konkurrenz müssen wir leben. Viele Mitarbeitende<br />
wagen den Schritt in die Selbstständigkeit. In den<br />
Bereichen PR oder neu Digital gibt es eine Unmenge<br />
solcher Start-ups. Das soll uns herausfordern.<br />
Was sind Ihre weiteren Pläne?<br />
Arbeiten, solange die Lust dazu da ist. Ich habe<br />
nichts anderes und kann nichts anderes. Ich komme<br />
jeden Tag freudvoll und motiviert in die Agentur<br />
und schätze es sehr, unter engagierten und fähigen<br />
Menschen zu sein. Überdies beschäftige ich mich<br />
unverändert mit sinnvollen Aufgaben und Projekten.<br />
An dem möchte ich nichts ändern.<br />
Interview: Andreas Panzeri<br />
Jost Wirz hat die 1936<br />
gegründete Zürcher<br />
Werbeagentur Wirz von<br />
seinem Vater übernommen<br />
und schrittweise zu einer<br />
führenden Kommunikationsgruppe<br />
aufgebaut. Er<br />
ist heute Ehrenpräsident<br />
und Minderheitsaktionär<br />
der Wirz Partner Holding<br />
und wirkte bis zu diesem<br />
Jahr auch im Vorstand der<br />
Economiesuisse sowie der<br />
Zürcher Handelskammer.<br />
1991–2000<br />
2000<br />
1995<br />
1999 2000
Jubiläumsausgabe <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Werbewoche</strong> | 30.08.2013<br />
DGT: Ah, ist es schon so schlimm? (lacht)<br />
RF: Das Verkaufen einer Idee ist meiner Meinung<br />
nach beinah gleich wichtig wie die Idee selbst.<br />
DGT: Natürlich.<br />
RF: Es ist wichtig, sich im Voraus zu überlegen, wie<br />
man dem Kunden etwas schmackhaft macht – und<br />
auch, wie man ihm gewisse Ideen ausredet. Man<br />
muss sich Argumente zurecht legen, weshalb man<br />
dies oder jenes nicht macht.<br />
DGT: Ein Kunde hat mir einst bei einem Text gesagt:<br />
«Könnte man das nicht auch anders formulieren?» Da<br />
entgegnete ich: «Man könnte es auf hundert verschiedene<br />
Arten schreiben.» So ist es jedes Mal!<br />
Heute denke ich: Wir hatten in unserer Generation grosses<br />
Glück, viel mit den Unternehmern selbst zu tun zu<br />
haben.<br />
Rendezvous<br />
zweier<br />
Werbegrössen<br />
Was haben sich die «Werberin des <strong>Jahre</strong>s 1977» und die «Werberin des<br />
<strong>Jahre</strong>s 2010» zu sagen?<br />
Doris Gisler Truog und Regula Fecker. Zwei Frauen,<br />
die die Schweizer Werbung geprägt haben –<br />
beziehungsweise prägen. Auf der einen Seite die<br />
«Grande Dame der Schweizer Werbung», die mit<br />
ihrer Agentur Gisler & Gisler dem Frauenstimmrecht<br />
zum Durchbruch verhalf und das Fondue mit<br />
einem Werbestreich zum Klassiker avancieren liess.<br />
Auf der anderen Seite die junge Werbestrategin, Mitgründerin<br />
der Agentur Rod Kommunikation, die für<br />
Kampagnen wie «Slow down. Take it easy.» verantwortlich<br />
zeichnet. Wir haben die beiden Frauen zusammengebracht<br />
und das Gespräch mitverfolgt.<br />
Doris Gisler Truog (DGT): Frau Fecker, ich freue mich, Sie<br />
kennen zu lernen. Wissen Sie, als ich mich<br />
über Sie informiert habe und las, welche<br />
Ausbildung und Spezialisierung Sie haben,<br />
wurde mir klar, wie sich der Beruf<br />
verändert hat. «Strategische Planung»,<br />
ich musste zuerst nachlesen, was das überhaupt ist!<br />
Regula Fecker (RF): Ehrlich?<br />
DGT: Ja! Gemacht haben wir das früher natürlich auch.<br />
Gute Kampagnen entstehen nur auf Grund sehr guter<br />
Planung.<br />
RF: Das sehe ich auch so. Ihre Kampagne fürs Frauenstimmrecht<br />
ist sicherlich ein gutes Beispiel dafür.<br />
DGT: Der strategische Schachzug war damals, dass wir<br />
DGT: Käse-<br />
Werbung ist mir<br />
nie verleidet!»<br />
als Zielpublikum nicht die Gegner des Frauenstimmrechts<br />
wählten, sondern uns an jene Männer richteten,<br />
die noch unentschlossen waren. Ich glaube, die vorhergehenden<br />
Kampagnen waren alle daran gescheitert, dass<br />
die Frauen das Feindbild des «bösen Mannes» hatten,<br />
«der nicht will». Die Frauen, die jahrzehntelang für das<br />
Frauenstimmrecht gekämpft hatten, waren mit einem<br />
gewissen Recht etwas verbittert. Die Kampagnen waren<br />
entsprechend uncharmant.<br />
RF: Sie haben einen anderen Weg gewählt.<br />
DGT: Ich habe eine Charme-Kampagne lanciert: Wir<br />
wollten nicht wie frühere Kampagnen einfach fordern,<br />
sondern haben mit starken Argumenten gearbeitet,<br />
die wir aber liebenswürdig präsentierten.<br />
Wir baten die Männer um ihr Ja. Das<br />
kam bei vielen Frauen, die fürs Stimmrecht<br />
gekämpft hatten, nicht gut an. «Auf keinen<br />
Fall bitten wir um etwas, das unser Recht ist.» Es war<br />
schwierig, die Kampagne durchzusetzen.<br />
RF: Es ist hart, wenn man in den eigenen Reihen für<br />
die richtige Botschaft kämpfen muss.<br />
DGT: Das kennen Sie bestimmt auch aus Ihrem Alltag.<br />
Agenturen müssen ihre Kunden manchmal zu ihrem<br />
Glück zwingen.<br />
RF: Die Überzeugungsarbeit macht wohl die Hälfte<br />
unserer Arbeit aus.<br />
RF: Das hat sich geändert. Zum Teil herrscht bei<br />
Firmen ein Gatekeepertum. Es gibt Strukturen, die<br />
den direkten Zugang verhindern. Manchmal könnte<br />
man sich viel Arbeit ersparen, hätte man von Beginn<br />
weg Kontakt zum Unternehmer. Wir mussten schon<br />
feststellen, dass auch die direkten Ansprechpartner<br />
eine grosse Distanz hatten. Das führt zu Fehlinformationen.<br />
DGT: Das müsste vielleicht wieder etabliert werden.<br />
RF: Allerdings haben wir zu vielen Kunden einen<br />
sehr direkten Draht.<br />
DGT: Das merkt man Ihrer Werbung an. Ich schaue mir<br />
Ihre Arbeiten sehr gerne an. Ich finde, Rod hat als Agentur<br />
eine enorme Qualität. Und die «Werberin des <strong>Jahre</strong>s»<br />
kommt nicht ganz gratis.<br />
RF: Das ehrt mich sehr, auch wenn ich nicht denselben<br />
Erfahrungsschatz habe wie Sie.<br />
DGT: Wie lange sind Sie schon im Agentur-Business?<br />
RF: Ich bin 35 und habe mit 20 in der Werbung begonnen.<br />
DGT: Das ist schon ganz schön lang.<br />
RF: Das stimmt. Und vor allem: So viel wie wir alle<br />
arbeiten, hat man das Gefühl, man sei schon länger<br />
dabei.<br />
DGT: Man arbeitet viel in dieser Branche, das war schon<br />
zu unserer Zeit so.<br />
RF: Interessiert Sie Werbung heute noch?<br />
DGT: Ich schaue sie mir immer noch sehr gerne an. Und<br />
natürlich ärgere ich mich nach wie vor über schlechte<br />
Werbung.<br />
RF: Wie ist es mit Ihrer eigenen Arbeit?<br />
DGT: Ich bin derzeit daran, mein Archiv zu ordnen. Ich<br />
habe mich gefreut, meine eigenen Sachen wieder zu betrachten.<br />
Ich habe einen gewissen Stolz, dass ich zu allem<br />
noch stehen könnte. Das ist ein sehr schönes Gefühl.<br />
RF: Das glaube ich. Worauf schauen Sie am liebsten<br />
zurück?<br />
DGT: Ich habe über 30 <strong>Jahre</strong> Käse-Werbung gemacht.<br />
Das ist mir nie verleidet! Daneben habe ich wahnsinnig
Jubiläumsausgabe <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Werbewoche</strong> | 30.08.2013 33<br />
gerne Feldschlösschen betreut. Wir haben eng mit der<br />
Unternehmensführung zusammengearbeitet, das waren<br />
glatte Leute! Einer beispielsweise hatte ein Gesetz erlassen,<br />
dass eine Sitzung nicht länger dauern durfte als eine<br />
Stunde. Wie wunderbar! Bei der Präsentation hatte er<br />
immer das Briefing vor sich und überprüfte, ob die Arbeit<br />
dem entsprach. Eine Seltenheit, oder?<br />
Spannend war natürlich auch die Abstimmung<br />
über die Versetzung der Häuser<br />
an der Bärengasse. Oder der grosse<br />
Kredit fürs Opernhaus. Wenn ich heute<br />
ins Opernhaus gehe, habe ich das schöne Gefühl, dass<br />
dieses wunderbare Haus ohne meine Kampagne möglicherweise<br />
abgerissen worden wäre.<br />
RF: Das ist sicherlich eine riesige Befriedigung.<br />
DGT: Jaja, das sind die Höhepunkte! Daneben haben wir<br />
ganz viele kleine Dinge umgesetzt. Wir haben praktisch<br />
nichts abgelehnt. Jedenfalls nicht, weil etwas zu klein<br />
war. Durch einen Kleinkunden ist mehr als einmal ein<br />
grösserer hinzugekommen.<br />
RF: Wie viel Zeit hatten Sie jeweils für eine Kampagne<br />
zur Verfügung?<br />
DGT: Vereinzelt hatten wir Blitz-Aufträge. Eine Abstimmung<br />
zum Beispiel fürs Stadttheater Winterthur. Das<br />
Theater hatte sechs Wochen vor Abstimmung die Zusammenarbeit<br />
mit einer anderen Agentur gekündigt. Im Allgemeinen<br />
war jedoch viel Zeit vorhanden. Meine Spezialität<br />
waren 10-<strong>Jahre</strong>spläne. Das kann man sich nicht<br />
mehr vorstellen! Wenn ich ein Jahr präsentierte, habe ich<br />
immer schon angedeutet, wie es weitergehen könnte.<br />
RF: Ich denke, die Regel ist nach wie vor die gleiche.<br />
Man muss eine Idee haben, wie etwas auf mehrere<br />
<strong>Jahre</strong> hinaus geplant würde.<br />
DGT: Ach ja, macht Ihr das heute noch?<br />
RF: Sicher. Danach gefragt wird allerdings recht selten.<br />
DGT: Natürlich, fragen tut niemand!<br />
RF: Es gibt jedoch Unterschiede. Mit Gremienkunden<br />
haben wir die Erfahrung gemacht, dass sie langfristig<br />
denken wollen. Kunden aus dem Food-Bereich<br />
sind dagegen unglaublich kurzfristig geworden.<br />
Während die Sommersaison noch läuft, ist man<br />
schon an der Planung des nächsten<br />
Sommers. Da denke ich oft: Man müsste<br />
doch zuerst den laufenden Sommer<br />
abschliessen und die Learnings daraus<br />
ziehen, bevor man das Neue entwickelt.<br />
Der Kopf ist immer am falschen Ort.<br />
DGT: Welches sind Ihre Lieblingsgebiete?<br />
RF: Ich habe keine Branche, die mich besonders<br />
reizt. Das Lässige ist doch, dass man sich auf verschiedene<br />
Dinge «einschiessen» kann. Als Privileg<br />
empfinde ich es, für unseren grössten Kunden, die<br />
SBB, arbeiten zu dürfen. Wenn ich im Zug sitze,<br />
habe ich das Gefühl, Teil eines grossen Ganzen zu<br />
sein. Wenn es um die SBB geht, hat jeder das Gefühl,<br />
er wisse es am besten. Alle wollen mitreden. Wir als<br />
Agentur müssen begreifen, welche Stimmung in der<br />
breiten Bevölkerung herrscht und wie man sie verändern<br />
könnte. Das ist sehr spannend.<br />
DGT: Wie spürt Ihr diese Stimmung?<br />
RF: Zum Beispiel, indem wir mit den Kunden direkt<br />
RF: «Ich empfinde<br />
uns nicht mehr als<br />
eine Branche.»<br />
reden. Das tun viele Agenturen, ich weiss…<br />
DGT: Ja, aber nur wenige schaffen es, dass etwas dabei<br />
herausschaut...<br />
RF: Ein ehemaliger Chef von mir hat mal gesagt:<br />
«Das Problem ist, dass die meisten Leute<br />
in ein Gespräch gehen und bereits<br />
wissen, was sie hören wollen.» Bei mir<br />
ist es anders. Ich bin zuerst sehr offen<br />
und will alles hören. Erst wenn ich 20,<br />
30 Stimmen gehört habe, meine ich, relevante Muster<br />
zu erkennen.<br />
DGT: Schön, das gelingt vielen nicht. Sogar in der Marktforschung<br />
ist oftmals bereits im Vorfeld bekannt, was<br />
herausgefunden werden soll.<br />
RF: Das ist zuweilen eine Frage des Zeitpunkts.<br />
Wenn eine Umfrage erst durchgeführt wird, wenn<br />
die Kampagne schon entwickelt ist, will man hören,<br />
dass sie super ist.<br />
DGT: Klar!<br />
DGT: «Wir haben<br />
als erste Agentur<br />
Kaffee serviert.»<br />
RF: Doch viel spannender ist es doch zu erfahren,<br />
welche Meinungen wirklich da sind. Es werden immer<br />
mehr Leute in der Schweiz. Es ist nicht mehr so<br />
einfach zu sagen: So ist der Konsens. Wir als Agentur<br />
müssen verstehen, wie die Leute ticken, und sie<br />
abholen. Wir werden alle unterschiedlicher, und<br />
gleichzeitig ticken wird doch irgendwie alle gleich.<br />
DGT: Das stimmt… Ich habe am Schluss viel mit BBDO<br />
gearbeitet. Die haben die Zielgruppe stets genau definiert.<br />
An einer Sitzung habe ich mal gesagt: «Wäre es<br />
denn so schlimm, wenn jemand das Produkt kaufte, der<br />
nicht zur Zielgruppe gehörte?»<br />
Übrigens, ist Ihnen der Motiv-Forscher Doktor Ernest<br />
Dichter noch ein Begriff?<br />
RF: Ja, wir arbeiten manchmal mit Dichter Research<br />
zusammen.<br />
DGT: Doktor Dichter hat uns etwas Wichtiges beigebracht.<br />
Viele Agenturen gehen zum Kunden und sagen:<br />
«Wir sind die Grössten.» Dichter sagte: «Hört doch zuerst<br />
einmal, was der Kunde erwartet, bevor Ihr mit Euch<br />
beginnt.»<br />
RF: Unvoreingenommenes Zuhören empfinde ich<br />
als das Wichtigste. Man muss herausfinden,<br />
was die Aufgabe ist und wo das<br />
Problem liegt. Zumeist dauert es eine<br />
Weile, bis Kunden einem anvertrauen,<br />
wo der Schuh drückt. Am Anfang reden<br />
sie häufig um den heissen Brei: Bekanntheitssteigerung<br />
da und dort… Und man fragt sich: Ist das wirklich<br />
das Problem?<br />
DGT: Was tun Sie dann?<br />
RF: Ich frage: «Wenn du nachts wegen des Jobs nicht<br />
schlafen kannst, woran nagst du dann?» Das hilft<br />
meistens.<br />
DGT: Eine sehr gute Frage, ja… Die Beziehung zum Kunden<br />
ist sehr wichtig. Ich legte immer Wert darauf, dass<br />
sich der Kunde wohl fühlt. Wir haben in den 50er-<strong>Jahre</strong>n,<br />
als dies noch nicht üblich war, als erste Agentur Kaffee<br />
serviert.<br />
RF: Wirklich?<br />
DGT: Sicher. Als wir für einen Onkel von mir ein Inserat<br />
für eine Schreibmaschine gestalteten und darauf neben<br />
der Maschine eine Kaffeetasse hinstellten, war er entsetzt:<br />
«Kaffee im Büro, das gibt es vielleicht in der Werbung,<br />
aber sicher nicht in unseren Geschäften!»…<br />
Mit vielen Kunden entwickelten sich schöne Freundschaften<br />
über die <strong>Jahre</strong>. Diese Beziehungen haben sich<br />
sehr bewährt, als mein Mann starb. Es war nicht selbstverständlich,<br />
dass die Kunden fürs Erste alle bei uns blieben<br />
und uns die Chance gaben, uns zu beweisen. Auch<br />
aus der Branche erfuhren wir viel Solidarität. Es war eine<br />
Zusammengehörigkeit, etwas Spezielles.<br />
RF: Alleine so entstand überhaupt die Branche,<br />
oder?<br />
DGT: Ja.<br />
RF: Dort befinden wir uns heute meines Erachtens<br />
auf keinem guten Kurs. Ich empfinde uns nicht mehr<br />
als eine Branche, als etwas, das zusammenhält. Ich<br />
denke oft, man ist sich nicht bewusst, dass wir ein<br />
kleines Land mit wenigen Talenten sind und schauen<br />
müssen, dass uns diese erhalten bleiben. Die Talente<br />
sollen auch noch in zehn <strong>Jahre</strong>n Freude haben,<br />
in der Branche zu arbeiten und nicht überall herumhüpfen.<br />
DGT: Das kann ich nicht beurteilen, ich bin nicht mehr<br />
Teil davon. Bei uns herrschte damals ein besonderer<br />
Geist. Ein Grossteil war untereinander befreundet,<br />
wir haben uns privat gesehen und<br />
ausgetauscht – über die Konkurrenzsituation<br />
hinweg. Ich weiss noch als die Amerikaner auf<br />
Shopping-Tour in die Schweiz kamen, wunderten<br />
sie sich darüber, dass wir alle untereinander<br />
telefonierten. «Sag mal, war der schon bei dir?»<br />
Jaja, ich glaube, das gäbe es heute nicht mehr…<br />
RF: Das hat sich sicherlich verändert. Doch<br />
es besteht auch die Gefahr, die Vergangenheit<br />
zu romantisieren.<br />
DGT: Natürlich, das tut man gerne. Wir hatten<br />
auch harte Geschichten, ganz sicher. Trotzdem<br />
war da etwas…<br />
Was mich interessiert: Sie haben einen Teil Ihrer<br />
Ausbildung in den USA absolviert. Das war<br />
doch sicher schön?<br />
RF: Sehr, ich bin ein grosser USA-Fan.<br />
DGT. Schön, das bin ich auch!<br />
RF: Für mich ist es ein ungemein inspirierendes<br />
Land. Ich bewundere die Amerikaner<br />
für ihr «big thinking», für ihren Mut,<br />
zu sagen: Die Welt ist auf Gedanken und<br />
Ideen gebaut. Jedes Mal, wenn ich aus den<br />
USA zurückkomme, kehre ich mit einem<br />
offenen Kopf zurück.<br />
DGT: Ich war in den 50er-<strong>Jahre</strong>n zum ersten Mal dort.<br />
IN KÜRZE<br />
Doris Gisler Truog führte zusammen mit ihrem Mann Kaspar Gisler das Zürcher Werbebüro Gisler &<br />
Gisler. Die «Grande Dame der Schweizer Werbung» und «Werberin des <strong>Jahre</strong>s 1977» zeichnete für die<br />
Abstimmungskampagne fürs Frauenstimmrecht 1969 bis 1971 verantwortlich. Gisler & Gisler als damals<br />
grösste Agentur der Schweiz hat in den Sechziger- und Siebziger-<strong>Jahre</strong>n berühmte Kampagnen kreiert<br />
wie «Chästeilet» oder Fondue (F.i.g.u.g.e.g.l.: «Fondue isch guet und git e gueti Luune») für die<br />
Schweizerische Käseunion. Weitere Kampagnen wurden umgesetzt für Valser, Ovomaltine, Feldschlösschen,<br />
Thomi & Franck, Butter, Hero, Schweizerische Bankgesellschaft SBG, Modissa oder Mitsubishi. Nach<br />
dem Zusammenschluss mit BBDO war Gisler & Gisler Ende der Achtzigerjahre Teil der Grossfusion<br />
Aebi,Suter,Gisler,Studer,BBDO (ASGS/BBDO).
A612990<br />
kreisvier gratuliert der <strong>Werbewoche</strong> zu ihrem vierzigsten Geburtstag.<br />
kreisvier.ch/<strong>40</strong>
Jubiläumsausgabe <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Werbewoche</strong> | 30.08.2013<br />
35<br />
Fotos: Isabel Imper<br />
DGT: Das war doch die mit<br />
dem schönen Engel, oder?<br />
RF: Genau.<br />
Foodstyling übernommen. Wir haben praktisch alles selber<br />
gemacht.<br />
RF: Das ist bei uns heute nicht anders.<br />
DGT: Ach, die liebe ich! Eine<br />
wunderbare Kampagne, auch<br />
optisch schön. Die kam sicherlich<br />
gut an.<br />
RF: Ja, das Bestechende an<br />
der Kampagne<br />
ist ihre<br />
Einfachheit.<br />
Der Engel<br />
sagt bloss:<br />
«Fahr langsam, lass dich<br />
nicht stressen.»<br />
DGT: Werbung kann nicht<br />
einfach genug sein.<br />
DGT: «Werbung<br />
kann nicht einfach<br />
genug sein.»<br />
DGT: Einmal mussten wir 30 Hausfrauenabende organisieren.<br />
Eine Mitarbeiterin sagte mir: «Ich kann das nicht,<br />
ich bin keine Hausfrau.» Ich sagte: «Ich kann das auch<br />
nicht, aber wir lernen es jetzt zusammen.» Nach diesem<br />
Prinzip haben wir die Agentur entwickelt. Es war alles<br />
«learning by doing». Wenn ein Kunde mit einem Problem<br />
kam, haben wir behauptet, wir lösen es.<br />
RF: Eine super Einstellung, an Dinge<br />
heranzugehen. Bei «Slow down. Take it<br />
easy.» war es ähnlich. Wir haben dem<br />
Kunden gesagt, ein Teil der Strategie sei es, einen<br />
Hitparaden-Song zu produzieren. Sie fragten uns:<br />
«Meinen Sie, das klappt?» Wir sagten ja, obwohl wir<br />
darin noch keine Erfahrung hatten. Erst jetzt wissen<br />
wir, wie man einen Hitparaden-Song macht.<br />
Als Schweizerin war ich ein Exot – aber angesehen. Die<br />
Schweiz, die Swissair, das hatte einen grossen Ruf. Danach<br />
ging ich praktisch jedes Jahr rüber. Und jedes Mal<br />
kam ich, wie Sie, voller Ideen zurück. Es war grandios!<br />
In den 50er-<strong>Jahre</strong>n war Amerika natürlich das Mekka<br />
der Werbung. Ich kam als «kleines Würstchen» mit den<br />
ersten Arbeiten – und rief David Ogilvy an. Ohne Referenz,<br />
ich habe einfach gesagt: «Ich bin aus der Schweiz<br />
angereist und möchte Ihnen gerne etwas zeigen.» Am<br />
nächsten Tag hatte ich einen Termin. Das ist typisch<br />
amerikanisch. Ich weiss nicht, ob man in der Schweiz an<br />
einen bekannten Werber so einfach herankäme.<br />
RF: Das ist der Unterschied. Als ich in New York<br />
arbeitete, war es gang und gäbe, jemanden anzurufen<br />
und zu fragen, ob er die Arbeiten anschaue. Man<br />
traute sich, auch wenn man wusste, dass die Arbeit<br />
verrissen werden konnte. In der Schweiz wagen sich<br />
die Leute zumeist erst hinaus, wenn sie etwas gut<br />
finden und die Bestätigung suchen. Es geht nicht um<br />
die Diskussionskultur, das finde ich schade. In den<br />
USA habe ich das Interesse an der Sache gespürt.<br />
DGT: Ich freue mich, wieder einmal einen Amerika-Fan<br />
gefunden zu haben! Das ist heute selten.<br />
RF: Was dagegen wunderschön ist an der Schweiz, ist<br />
ihre Mehrsprachigkeit. Das macht die<br />
Kommunikation sehr anspruchsvoll. Ein<br />
Witz muss in sämtlichen Landessprachen<br />
funktionieren. Die Kunden fragen immer<br />
als erstes: «Ginge das auch auf Französisch?»<br />
Ich denke oft, die Schweiz wäre prädestiniert,<br />
international noch mehr zu kommunizieren. Wir<br />
wissen, mit verschiedenen Sprachen umzugehen…<br />
DGT: Gerne habe ich auch öffentliche Kampagnen gemacht.<br />
Ich habe mich im Dorf engagiert, zum Beispiel<br />
erfolgreich für ein altes Schulhaus eingesetzt. Die Leute<br />
sagen heute noch: «Du mit deinem Schulhaus!» Es ist<br />
wunderbar, am Abstimmungstag zu erfahren, ob man’s<br />
geschafft hat oder nicht… Allerdings hat man noch mehr<br />
Leute, die mitreden wollen. Meine Kolleginnen hätten die<br />
Kampagne fürs Frauenstimmrecht nicht gewollt. Gerettet<br />
hat sie der damalige Regierungsrat Gilgen. Er hat sich<br />
für den neuen Ansatz stark gemacht. Häufig ist es in einer<br />
Sitzung eine einzelne Person, die den Ausschlag geben<br />
kann – für oder gegen eine Kampagne.<br />
RF: Die wichtigste öffentliche Kampagne, die wir<br />
umgesetzt haben, war sicherlich «Slow down. Take<br />
it easy.», die Kampagne, die Junglenker dazu animieren<br />
soll, sich ans Tempo zu halten.<br />
RF: «Geht das?<br />
Ich finde es<br />
heraus!»<br />
RF: Das glaube ich auch!<br />
DGT: Grosse Sprüche klingen gut. Etwas einfach zu sagen,<br />
braucht dagegen Mut. «Fondue isch guet und git e<br />
gueti Luune», das ist ein gewöhnlicher Satz.<br />
RF: Genial ist, wenn die Leute den Slogan in ihre<br />
Alltagssprache übernehmen können.<br />
DGT: «Milch macht manches wieder gut», das ist einer<br />
meiner Lieblinge. Wir haben den Spruch als Weihnachtsgeschenk<br />
auf Gläser gemalt. Ich habe eines davon einer<br />
Nachbarin geschenkt und sie sagte: «Das war schon immer<br />
ein gutes Sprichwort.» Und ich dachte: Ja, so sollte<br />
es sein. Nur braucht es dazu den Kunden. «S'isch guet,<br />
s'Valser Wasser.» Da würde mancher sagen: «Für so einen<br />
Spruch gebe ich doch kein Geld aus.»<br />
RF: Das ist genau der Punkt. Mut, sich auf etwas<br />
Einfaches einzulassen...<br />
Doch es ist nicht einfach, solche Sprüche zu finden.<br />
Ich empfinde es als sehr anspruchsvoll, bei einer<br />
Liste voller toller Sätze den richtigen zu erkennen.<br />
DGT: Haben Sie auch immer eine Liste? Ich hatte immer<br />
25 Slogans – auch wenn ich bereits beim zweiten das<br />
Gefühl hatte, der sei es.<br />
RF: Gerade wenn man denkt, man habe<br />
den richtigen, muss man nochmals ein<br />
paar hundert Sätze mehr machen. Das bestätigt.<br />
Man darf jedoch nicht den Fehler<br />
machen, den Kunden daran teilzuhaben.<br />
DGT: Ja nicht!<br />
RF: Viele Kunden wollen wissen: «Was habt ihr<br />
denn sonst noch?» Da muss man hart bleiben, ansonsten<br />
macht man als Agentur seine Arbeit nicht<br />
gut. Ich lasse mir nicht gerne in die Schubladen<br />
schauen. Aus irgendeinem Grund sind die Ideen<br />
dort gelandet.<br />
DGT: Da haben Sie Recht. Der Entstehungsprozess ist<br />
etwas Persönliches.<br />
RT: Würden Sie sich heute nochmals für denselben<br />
Beruf entscheiden?<br />
DGT: Ja, sofort. Ich finde den Beruf irrsinnig schön. Ich<br />
konnte alle meine Talente einbringen. Zum Beispiel das<br />
Kochen: Wir hatte jene Menge Food-Kunden. Mit grosser<br />
Freude habe ich Kochbücher geschrieben und auch das<br />
DGT: Man lernt viel im Job.<br />
RF: So kommt man weiter, indem man sagt:<br />
«Geht das? Ich finde es heraus!» Ich arbeite<br />
am liebsten mit Leuten zusammen, die bejahend<br />
durchs Leben gehen.<br />
DGT: Diese Einstellung ist in dieser Branche<br />
nötig. Ansonsten ist man fehl am Platz…<br />
Eine Frage hätte ich noch: Ich hatte neben der<br />
Agentur zwei Kinder. Das durfte man damals<br />
fast nicht sagen. Es war nicht in, als Mutter zu<br />
arbeiten. Ich musste mich immer verteidigen,<br />
auch bei Frauen von Kunden. Aber ich habe es<br />
ganz gut bewältigt.<br />
Haben Sie Familie<br />
oder konzentrieren<br />
Sie sich voll aufs Berufsleben?<br />
RF: Da steht eine<br />
Veränderung an:<br />
Bei mir ist das erste<br />
Kind unterwegs.<br />
DGT: Wie schön! Und wie gut, dass ich gefragt<br />
habe.<br />
RF: Es wird im Winter soweit sein.<br />
DGT: Ich gratuliere, das freut mich!<br />
RF: Ich glaube, es ist eine Frage, wie man das<br />
Umfeld organisiert.<br />
DGT: Ja, man muss es organisieren. Es ist nicht<br />
immer einfach, aber es ist schön<br />
RF: Das denke ich auch. Wir haben soeben davon<br />
gesprochen: Ich habe es noch nie gemacht. Und jetzt<br />
schaue ich mal, wie alles kommt. Ich freue mich riesig<br />
darauf!<br />
Verantwortlich: Isabel Imper<br />
IN KÜRZE<br />
Regula Fecker ist Mitgründerin der Zürcher Agentur Rod Kommunikation, Mitglied der Geschäftsleitung<br />
und Leiterin Strategie. Die «Werberin des <strong>Jahre</strong>s 2010» startete als 20-jährige Werbeassistentin.<br />
Danach hat sie sich als strategische Planerin bei Jung von Matt/Limmat, TBWA\CHIAT\DAY New York und<br />
TBWA\Berlin einen Namen gemacht. Seit 2007 führt sie zusammen mit den Partnern Oliver Fennel, David<br />
Schärer und Pablo Koerfer Rod, die als Lead-Agentur unter anderem die SBB, «Slow down. Take it easy»,<br />
20 Minuten, Sinalco und Hotelplan betreut.
A608866
Jubiläumsausgabe <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Werbewoche</strong> | 30.8.2013 37<br />
35mm, Video,<br />
Digitalfilm, HD...<br />
Ein paar Gedanken rund um die Entwicklung der Filmtechnik in den<br />
<strong>40</strong> <strong>Jahre</strong>n der <strong>Werbewoche</strong>. Ein Gespräch mit Ernst Wirz, der mit der Firma<br />
WirzFraefelPaal in dieser Zeit zur Regie-Legende wurde.<br />
WW: Wie ist man früher zum Film gekommen?<br />
Ernst Wirz: Ich bin zum Film gekommen über die<br />
Fotografie. Gut 20 <strong>Jahre</strong> von meinem Leben habe ich<br />
fotografiert, zum Schluss hauptsächlich Modefotos.<br />
Mein Stil war, dass meine Fotos meist wie in Bewegung<br />
wirkten. Ich versuchte auch in den Modefotos<br />
kleine Geschichten zu erzählen. Irgendwann kam<br />
das Bedürfnis, wirklich bewegte Bilder zu machen.<br />
Aber auch als arrivierter Fotograf konnte man nicht<br />
einfach sagen: Ich mache jetzt einen Film! In den<br />
90er-<strong>Jahre</strong>n habe ich viel für Swatch gearbeitet. Wir<br />
fotografierten regelmässig im Ausland und in den<br />
USA. Bei diesen Swatch-Shootings hat man mir<br />
meistens noch ein Filmteam hinterher geschickt.<br />
Unsere Begleiter sollten ein Making-of drehen. In<br />
diesem Zusammenhang kam ich auf die Idee, wir<br />
könnten parallel zu unseren Werbefotos auch Mood-<br />
Filme mit einer Videokamera drehen. Es war damals<br />
ein Trend, in den Shops solche Mood-Videos zu zeigen.<br />
So bin ich zum Film gekommen.<br />
Aus diesen Mood-Filmen sind Ihre ersten Spots<br />
entstanden?<br />
Der Zufall wollte es, dass der Auftrag für diese Making-ofs<br />
an Stefan Fraefel und seine damalige Produktion<br />
ging. Er kam aber nie richtig zum Zug auf<br />
dem Set, weil im ganzen Arbeitsprozess die Fotos<br />
immer Priorität hatten. Irgendwann fanden wir das<br />
unbefriedigend und kamen auf die Idee: Lass uns<br />
doch im Anschluss an das Shooting noch ein paar<br />
kleine Commercials drehen. So quasi als Bonus zu<br />
den bestellten Fotos. So sind unsere ersten gemeinsamen<br />
Werbefilme entstanden, auf dem gleichen<br />
Set wie die Fotos und mit den gleichen Models.<br />
Filmisch sind Sie also ein Autodidakt?<br />
Ich habe das Handwerk mit meinen Kollegen gelernt.<br />
Von Stefan Fraefel, der von der Filmtechnik<br />
kommt, habe ich die technischen Abläufe und<br />
Schnitt-Technik gelernt. Auch von den Cutterinnen<br />
habe ich sehr viel lernen können. Die sagen dir dann<br />
schon, was man wie zusammen hängen kann und<br />
was nicht. Eine gute Übung waren auch die vielen<br />
Modefilme, die ich für das Fernsehen realisieren<br />
durfte, im Team mit einem Kameramann, der auch<br />
mit mir zusammen an der Kunstgewerbeschule studiert<br />
hat. So hat sich das entwickelt, aber lange Zeit<br />
noch parallel zu meiner Fotografie.<br />
Und der Durchbruch als Regisseur?<br />
Nach den Swatch-Filmchen habe ich auch für T & C<br />
ein paar kleine Spots gedreht. Der grosse Durchbruch<br />
kam dann mit Advico Young & Rubicam. Diese<br />
Werbeagentur betreute damals eine sehr breit<br />
angelegte Post-Kampagne. Als CD wirkte der grossartige<br />
Matthias Bapst. Die Printsujets funktionierten<br />
nach dem Muster: «Meine Liebe ist rot u.s.w,<br />
mein Konto ist gelb.» Ich habe die Kampagne fotografiert.<br />
Nach zwei Wellen mit Fotos meinte Matthias<br />
Babst: «So, und jetzt machen wir noch einen<br />
Film.» Er wollte mit dem Auftrag aber nicht zu den<br />
damals angesagten Engländern gehen, sondern den<br />
Film in der Schweiz realisieren. So fiel die Wahl auf<br />
mich. Dieser Auftrag für die Post sollte mein erster<br />
grosser Film werden.<br />
Sie wurden gleichzeitig zum Produzenten?<br />
Das ist nicht unbedingt freiwillig erfolgt. Ich konnte<br />
als von der Agentur gesetzter Regisseur zwar aussuchen,<br />
mit welcher Firma ich drehen wollte. Aber<br />
alle bekannten Produzenten haben meine Anfragen<br />
abgelehnt. Einige hatten vielleicht Probleme mit der<br />
Agentur, andere wollten nicht die Verantwortung<br />
übernehmen, einen solch grossen Film mit einem<br />
«Anfänger» zu drehen. Auch Stefan Zürcher, der zu<br />
jener Epoche einen Film für James Bond in den Bergen<br />
betreute, winkte ab. Er meinte, Werbung sei<br />
nicht ganz sein Ding. So habe ich den Post-Film selber<br />
produziert mit meiner Fotocrew. Ich hatte ja mit<br />
meinem Studio an der Forchstrasse in Zürich eine<br />
grosse Infrastruktur. Als Produktionsleiter habe ich<br />
Stefan Fraefel dazu genommen. Und weil es funktionierte,<br />
meinten wir anschliessend, wir könnten<br />
doch gleich zusammen eine Firma gründen. Es war<br />
eine gute Ergänzung. Ich als kreativer Teil mit meinem<br />
visuellen Know-how und Stefan als der technisch<br />
Verantwortliche.<br />
Der Film wurde ein Erfolg?<br />
Der Post-Film hat ein paar Preise gewonnen. Das<br />
war ein Vignettenfilm mit verschiedenen Geschichten<br />
rund um solche Farb-Spielchen wie «Meine Liebe<br />
ist rot, das Konto ist gelb». Der Film lief im Kino und<br />
Fernsehen und war mein Durchbruch 1992 als Regisseur.<br />
Mit Wirz Fraefel haben wir anschliessend<br />
zuerst vorwiegend Spots mit einem kleinen Team<br />
gedreht. Ich wollte weiterhin unkompliziert<br />
arbeiten können, so wie beim Fotografieren.<br />
Wir merkten aber bald, dass wir auch<br />
im grossen Stil und mit entsprechenden<br />
Teams arbeiten mussten, wenn wir mit der<br />
Konkurrenz wie Condor, Glass oder T & C mithalten<br />
wollten.<br />
Grösse als Qualitätsgarantie?<br />
Bei den Fotos hast du eine Idee und gehst damit auf<br />
das Set. Dort siehst du etwas Besseres und drehst<br />
deine Kamera einfach in eine andere Richtung. Beim<br />
Film muss alles viel genauer vorbereitet werden und<br />
die Schnittfolgen aufeinander abgestimmt sein. Zufälligkeiten<br />
können bei den meisten Werbespots<br />
nicht mehr funktionieren, ausser man will eine solche<br />
Spontaneität als ein bewusstes Stilmittel. Im<br />
Normalfall braucht es für einen hochwertigen Werbespot<br />
bis zu <strong>40</strong> Leute auf dem Set. So sind auch wir<br />
mit der Zeit zu einer klassischen Filmproduktion<br />
geworden. Trotzdem versuche ich es immer noch so<br />
flexibel wie möglich zu halten. Ich suche nach wie<br />
vor gute Zufälle, die einem Film den entscheidenden<br />
Kick geben können.<br />
Was waren Ihre schönsten Erfolge?<br />
Den ersten Löwen in Cannes haben wir mit einem<br />
Spot für Wella gewonnen. Diesen Auftrag haben wir<br />
bereits aus Deutschland, also dem Ausland bekommen.<br />
In der Schweiz wurden die Filme für Die Mobiliar<br />
mit dem Claim «Liebe Mobiliar…» zu einer<br />
«ALLE PRODUZENTEN<br />
HABEN MEINE ANFRAGEN<br />
ABGELEHNT.»<br />
Seinen ersten Löwen in<br />
Cannes gewann Ernst Wirz<br />
mit einem schwarz-weissen<br />
Spot für Wella.
38<br />
Jubiläumsausgabe <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Werbewoche</strong> | 30.8.2013<br />
«HEUTE GEHT ES VIEL<br />
LÄNGER, BIS EINE STORY<br />
AKZEPTIERT WIRD»<br />
Stills aus dem ersten Vignetten-Film für die Post.<br />
schönen Aufgabe über mehrere <strong>Jahre</strong>. Ebenso die<br />
Filme für die Migros aus der klassischen Reihe mit<br />
der Auflösung «…kauft man besser in der Migros».<br />
Zum Beispiel der Toaster, der die Brotscheiben immer<br />
wieder zu früh rausspickt. Also stellt der Mann<br />
den Toaster auf den Kopf, damit die Scheiben nicht<br />
rausspicken können. Stattdessen hebt aber<br />
der Toaster ab wie eine Rakete und fliegt an<br />
die Decke. Text: «Toaster kauft man besser<br />
in der Migros.» Darauf fällt der Toaster wieder<br />
runter und dem Mann auf den Kopf.<br />
Text-Fortsetzung: «Versicherungen übrigens auch!»<br />
Nach diesem Muster der Doublette haben wir eine<br />
ganze Serie gedreht und damit fast alle möglichen,<br />
internationalen Preise gewonnen.<br />
Wie hat sich seit diesen Zeiten die Arbeit auf dem<br />
Set verändert?<br />
Auf dem Dreh hat sich wenig geändert. Man muss als<br />
Regisseur immer noch aus der Idee der Agentur eine<br />
gute Geschichte machen. Da ändert sich nichts, ob<br />
man das heute digital oder wie früher analog aufnimmt.<br />
Technik ist im Endeffekt wahrscheinlich einfacher<br />
als Kreation. Das ist beim Spielfilm auch so.<br />
Eine Zeitlang hat es dort nur «geklöpft und getätscht»<br />
mit den unglaublichsten Effekten. Solange es neu ist,<br />
Lang laufende Serien für die Migros («Toaster») sowie unten Die Mobiliar («The Photographer»).<br />
kann das faszinieren. Aber bald hat man es gesehen<br />
und dürstet wieder nach einer guten Geschichte.<br />
Früher kamen die Filmer vom Fotografischen her,<br />
heute von der Videotechnik?<br />
Es kommt immer darauf an, auf welchem Level man<br />
arbeitet. Video ist eine grossartige Sache, wenn man<br />
das kreativ nutzen kann. Man kann mehr und<br />
schneller arbeiten und kostengünstiger produzieren.<br />
Somit stimmt schon: Heute kann jeder einen<br />
Videofilm machen, so wie auch jeder fotografieren<br />
kann. Alles ist sehr einfacher geworden. Das ist sicher<br />
praktisch für Filme, die irgend etwas erklären<br />
müssen, zum Beispiel eine Gebrauchsanleitung. Bei<br />
einem «Highclass»-Werbefilm sind das Auge des Regisseurs<br />
und die Fantasie der Kreativen im Lauf der<br />
Entwicklung immer wichtiger geworden. Deshalb<br />
gibt es jetzt eine Aufsplittung. Billigfilme machen<br />
hauptsächlich Leute, die von der Technik kommen.<br />
Beim Computer ist es ja auch so. Da herrscht im Moment<br />
eine Welle, wo die Technik wichtiger ist und so<br />
kompliziert, dass nur diejenigen, welche diese ständig<br />
neue Technik beherrschen, sich auch einen Vorteil<br />
schaffen können. Die kultivieren das natürlich.<br />
Oftmals ohne künstlerischen Anspruch.<br />
Was waren andere Neuerungen?<br />
Die erste grosse Neuerung in meiner Zeit war die<br />
Video-Ausspiegelung. Früher hat man einfach gedreht,<br />
der Kameramann schaute durch den Sucher,<br />
und du standest daneben. Heute mit der Ausspiegelung<br />
gibt es mindestens drei Videomonitoren: für<br />
mich und den Schärfe-Puller. Aber dazu wird auch<br />
noch ein riesiges Zelt aufgebaut im Hintergrund mit<br />
einem grossen Flachbildschirm. Dort sitzt die ganze<br />
Agentur oder mindestens deren Verantwortliche<br />
sowie vier Leute vom Kunden. Und jeder will etwas<br />
sagen. Das ist das «Worst-Case-Szenario», aber man<br />
kann es erleben. Bei guten Kunden spielt das besser.<br />
Früher musste man dem Regisseur vertrauen. Er<br />
war der Einzige, der das Bild gesehen hatte. Mit<br />
der Videoausspiegelung können heute alle mitreden.<br />
Das ist eine andere Geschichte. Nicht nur auf dem<br />
Set, bereits bei der Vorproduktion sind die Strukturen<br />
völlig anders geworden.<br />
Wenn wir zum Beispiel von der Migros reden: Da gab<br />
es früher einen Mann, Paul Riesen,<br />
der hat über zig Millionen Budget<br />
verfügt und konnte weitgehend selber<br />
entscheiden. Die Agentur präsentierte<br />
ein paar Geschichten.<br />
Riesen sagte: «Ok, das machen wir.»<br />
Dann gab es noch ein PPM und anschliessend<br />
grünes Licht zum Drehen.<br />
Riesen war manchmal beim<br />
Dreh dabei, manchmal auch nicht.<br />
Und der CEO der Migros hat den<br />
fertigen Film erstmals am Samstag<br />
im TV zusammen mit seiner Familie<br />
gesehen. «Yeah, das ist unser<br />
Film!» Heute ist das total anders.<br />
Heute geht es unglaublich lange, bis<br />
überhaupt nur eine Story akzeptiert<br />
wird vom Kunden. Dann wird<br />
noch gepitched – nicht nur die<br />
Agenturen, auch die Produktionen.<br />
Es wird lange diskutiert.<br />
Hat die Entwicklung auch Vorteile<br />
gebracht?<br />
Die Technik hat uns viel erleichtert.<br />
Es war ein sehr wichtiger Schritt,<br />
als der Film digitalisiert wurde.<br />
Jetzt konnte man mit dem Filmmaterial arbeiten,<br />
ähnlich wie bei einer Fotografie im Photoshop. Früher<br />
mussten alle Effekte im Bild selber gemacht werden.<br />
So versuchte man eben das Filmmaterial zu<br />
überlisten, um spezielle Effekte zu erreichen. Mit<br />
dem digitalen Film kann man all diese Effekte am<br />
Schnittplatz machen. Das ist fantastisch im Vergleich<br />
zu früher. Dazu die Ausspiegelung. Mit dem<br />
Nachteil, dass alle zuschauen können, brachte diese<br />
Technik auch extreme Vorteile. Der nächste Schritt<br />
ist jetzt Volldigital. Das erlaubt noch einmal eine<br />
neue Dimension mit kreativen Spielereien.<br />
Waren die Budgets damals besser?<br />
Was sicher besser war aus unserer Sicht, ist, dass es<br />
diese Pitcherei noch weniger gab. Heute ist das wirklich<br />
gleich wie bei den Agenturen. Was da an Geld<br />
und Energie verloren geht… Geld, welches dann halt<br />
der Produktion fehlt. Mir geht es dabei nicht darum,<br />
dass wir mehr verdienen können. Ich möchte einfach<br />
ein bisschen mehr Zeit auf dem Set. In diesem<br />
Sinne waren die Budgets früher besser. Mit den Krisenzeiten<br />
haben logischerweise immer mehr Leute<br />
das Sagen bekommen, die dank ihren kommerziellen<br />
Fähigkeiten an ihren Job gekommen sind, überall.<br />
Wenn man aber Glück hat, trifft man nach wie<br />
vor auf einen CEO, der neben dem Finanzwissen<br />
auch noch ein Feeling hat für Kreationen und weiss,<br />
was gut oder schlecht ist.<br />
Gibt es ein echtes Horror-Erlebnis?<br />
Grosse Budgets sind schön, aber sie bringen auch<br />
den grossen Druck. Ich hatte einmal das Bedürfnis,<br />
eine «Riesenkiste» zu drehen. Ich wollte einen Film<br />
für eine Million machen. Tatsächlich hatten wir einen<br />
solchen Auftrag für L’Oréal Deutschland gewonnen.<br />
Wir drehten kurz vor der Fussballweltmeisterschaft<br />
in Paris im Stade de France. Der Spot war für<br />
mehrere Länder bestimmt. Und von allen fünf beteiligten<br />
sind Vertreter von L’Oréal sowie natürlich<br />
die Kreativen der Werbeagenturen nach Paris gekommen.<br />
Neben dem Set auf dem Rasen des Fussballstadions<br />
waren mindestens sieben Zelte mit<br />
Video-Ausspiegelung für die Kunden aufgebaut.<br />
Und nach jedem Take liefen diese Leute aufs Spielfeld,<br />
und es gab endlose Diskussionen in mehreren<br />
Sprachen um Änderungswünsche. Das Stade de<br />
France war eine geile Location. Ich war aber richtig<br />
froh, meinen nächsten Film wieder in der kleinen<br />
Schweiz drehen zu können.<br />
Von einem «richtigen» Spielfilm haben Sie nie geträumt?<br />
Spielfilme in der Schweiz sind ein schwieriges Business.<br />
Ich mache einfach gerne Filme, ob es Werbefilm<br />
ist oder ein Spielfilm. Ich will eine gute Geschichte<br />
inszenieren und daraus einen spannenden und interessanten<br />
Film machen. Ich habe Spass am Machen.<br />
Es gab ein paar Anfragen für einen Spielfilm. Ich war<br />
mal dran an einer Geschichte über den Velorennfahrer<br />
Hugo Koblet, nach einem Drehbuch von Walter<br />
Bretscher. Es war ein super Drehbuch, aber ich konnte<br />
damals nicht unsere Produktion für Monate verlassen.<br />
Ich habe immer mehr Anfragen gehabt aus<br />
dem Bereich Werbung, als ich bedienen konnte. Aber<br />
das ist eine andere Geschichte.<br />
Ihre Pläne?<br />
Filme drehen, die Spass machen. Mit Leuten die<br />
Spass machen. Ich fotografiere auch wieder, mehr<br />
redaktionell. Und zwischendurch mache ich Videos<br />
und Foots für die CDs meiner Musikerfreunde und<br />
spiele in deren Bands mein Funk-Sax.<br />
Interview: Andreas Panzeri
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A612537
<strong>40</strong><br />
Von der Plattensammlung<br />
zu… ja<br />
zu was eigentlich?<br />
Seit der Lancierung<br />
der CD hat<br />
sich vieles in der<br />
Musikindustrie<br />
rasant entwickelt.<br />
Plattensammler<br />
reagieren<br />
skeptisch.<br />
Musikgeschäfte<br />
pragmatisch.<br />
David Guggenbühl<br />
findet in<br />
seiner Betrachtung<br />
zum Musikkonsum,<br />
es gebe<br />
nur eine Art,<br />
dieser Entwicklung<br />
zu begegnen.<br />
Vor bald 60 <strong>Jahre</strong>n wurde Heinz Kobelt in Marbach<br />
geboren. Er hat eine Speditionslehre bei<br />
Jacky Mäder gemacht und dann bei der Swissair, bei<br />
Imholz, bei der Malaysia Airlines, wieder bei der<br />
Swissair und dann auch bei der Swiss gearbeitet. Bis<br />
zu dem Tag, wo es nicht mehr ging. Zuerst ein Burnout,<br />
dann ein Herzinfarkt. Vor vier <strong>Jahre</strong>n ist dann<br />
auch seine Mutter überraschend gestorben. In einem<br />
Restaurant in Engelburg, wo sein Vater noch heute<br />
lebt. Ein Bild von ihr steht auf dem Tisch beim Sofa,<br />
neben einem Bild seiner russischen Freundin Eugenia<br />
aus Tambov. Jeden Freitag skyped Heinz mit ihr.<br />
Heute ist Heinz zu 57 Prozent invalid und wohnt<br />
in einer kleinen Einzimmerwohnung in Kloten. Zusammen<br />
mit seinem Kater Tiger. «Achtung vor dem<br />
Tiger» steht an der Wohnungstür. Und zusammen<br />
mit seinen über 8 000 CDs. Denn die sind Heinz<br />
geblieben; seine CDs. «Jede CD», so Heinz, «ist für<br />
mich auch ein Memory- Stick; eine Erinnerung, eine<br />
Geschichte, ein Eindruck, ein Gefühl.»<br />
Die erste Platte, eine Single, hat sich Heinz 1965<br />
gekauft: Beach Boys, Barbara Ann. 1969 dann die<br />
erste LP: Abbey Road von den Beatles. «Wenngleich<br />
eigentlich» so Heinz, «habe ich nur die A-Seite gekauft,<br />
weil mir das Geld für die ganze LP gefehlt hat.<br />
Die B-Seite kaufte mein Bruder.»<br />
Mit der Plattensammlung so richtig angefangen<br />
hat Heinz dann 1972 mit dem Beginn seiner Lehre.<br />
Da hatte er etwas Geld und das hat er alles in LPs<br />
investiert; mindestens zwei LPs hat er pro Woche<br />
gekauft. Beatles, Rolling Stones, Uriah Heep, Black<br />
Sabbath, aber auch Glamour Rock wie Sweet, Slade<br />
oder T Rex. Aber wirklich verändert haben sein Leben<br />
die Led Zeppelin. Von ihnen hat er in seiner<br />
Sammlung eine eigene, kleine Sammlung. 800 CDs,<br />
nur Led Zeppelin. Als wäre es gestern gewesen, erzählt<br />
Heinz, wie er vor über 30 <strong>Jahre</strong>n mit einem<br />
Freund nach London reiste und dort seine erste<br />
«Schwarzpressung» einer Led-Zeppelin-Platte kaufte.<br />
«Schon beim ersten Stand hatte ich alles mein<br />
Geld verputzt.»<br />
1983 hat Heinz seine erste CD gekauft. Kim<br />
Crimson, In the court of the Crimson King. Und<br />
kurz darauf dann der fatale Fehlentscheid: Heinz<br />
setzte ganz auf die CDs und fing an, seine LPs zu<br />
«verscherbeln». An diese Zeit denkt Heinz in seiner<br />
Einzimmerwohnung in Kloten, mit CD-Gestellen an<br />
allen vier Wänden, nur ungern zurück: «Ich habe<br />
nicht mehr an die LP geglaubt und bis 1993 eine um<br />
die andere verkauft.» Es schmerzt Heinz noch heute.<br />
Nur gerade 300 konnte er «retten». Sie stehen heute<br />
im Gestell rechts vom Eingang, einsam, zusammen<br />
mit ein paar Büchern.<br />
Trotzdem, der Fehler ist passiert, und heute sind<br />
die CDs Heinz am wichtigsten. Jede CD seiner umfangreichen<br />
Sammlung findet er innerhalb von fünf<br />
Sekunden. Und er weiss heute noch immer, wo er die<br />
CD gekauft hat, was er bezahlt hat und wie ihm die<br />
CD gefällt. 7500 seiner über 8000 CDs hat Heinz in<br />
einem Katalog erfasst. Eigentlich wollte er alle erfassen,<br />
aber sein PC ist abgestürzt und alle Daten sind<br />
vernichtet worden. Retten konnte er einzig den einen<br />
Ausdruck. Darin stehen alle seine CDs, sauber<br />
erfasst und vor allem auch alle bewertet. Von mittelmässig<br />
– schlechter hat Heinz nie bewertet – über<br />
sehr gut bis hin zu «Hammer».<br />
Die Zukunft macht Heinz aber ein bisschen<br />
Angst. Heinz fragt sich nämlich, ob die CDs die Zeit<br />
auch überstehen werden. «LPs halten länger als CDs,<br />
200 <strong>Jahre</strong> sicher. Aber CDs könnten sich auch einfach<br />
auflösen, die Musik könnte einfach gelöscht<br />
werden und eines Tages nicht mehr drauf sein.» Für<br />
Heinz eine Horrorvorstellung.<br />
Abschied nehmen<br />
Lukas Sidler, ehemaliger Mitarbeiter bei Jecklin und<br />
heute Product Manager Tonträger der Musik Hug<br />
AG, erinnert sich gut daran, wie sich 1982 Hans<br />
Jecklin vehement gegen die CDs gewehrt hat: «Darum<br />
hat Jecklin 1984 auch nur mit einem kleineren<br />
CD-Sortiment angefangen. Ab 1985 wurden die CD-<br />
Sortimente dann stetig zu Lasten des Vinyls ausgebaut.<br />
So um 1990 haben die CDs dann ganz übernommen.»<br />
Zehn <strong>Jahre</strong> später dann aber haben Peter und<br />
Hans Jecklin goldrichtig entschieden. Denn im Jahr<br />
2000 haben sie, auf dem absoluten Höhepunkt der<br />
CD-Verkäufe, das CD-Geschäft an einen viel kleineren<br />
CD-Händler verkauft. Kurz darauf brachen die<br />
CD-Verkäufe ein, und 2003 musste der kleine Händler<br />
das Geschäft wieder verkaufen.<br />
Und heute, wieder zehn <strong>Jahre</strong> später? Nun, Ralf<br />
Niesel, Geschäftsführer der Jecklin & Co AG, möchte<br />
sich nicht ganz vom CD-Geschäft verabschieden,<br />
aber als Fachgeschäft steht für ihn die Fokussierung<br />
auf die Dienstleistungen rund um den CD-Verkauf<br />
ganz im Vordergrund. Ein breites Publikumsangebot<br />
wie iTunes kommt für ihn nicht in Frage: «Die<br />
Entwicklung geht in Richtung Downloads und Stre-
Fotos: Keystone<br />
aming, und da können wir als nationaler Musikhändler<br />
ganz einfach nicht mithalten.» Ralf Niesel<br />
ist überzeugt, dass hier für ein wirklich konkurrenzfähiges<br />
Angebot Investitionen im zweistelligen Millionenbereich<br />
notwendig wären.<br />
Mit Auswahl zum Erfolg<br />
Würde Ex Libris nur Musik verkaufen, dann würde<br />
sich Daniel Röthlin, Geschäftsführer der Ex Libris<br />
AG, wahrscheinlich wie Ralf Niesel entscheiden. Ex<br />
Libris bietet aber vier Produktgruppen an: Buch,<br />
Game, Musik und Film. Und während drei davon<br />
zusehends unter Druck geraten, entwickelt sich ausgerechnet<br />
der Bücherverkauf sehr erfreulich.<br />
Trotzdem möchte Daniel Röthlin am Gesamtsortiment<br />
festhalten: «Für uns ist die Auswahl absolut<br />
entscheidend. Wir möchten, dass unser Kunde in<br />
eine Medien-Welt des Ex Libris einsteigen kann und<br />
darin ein umfassendes Angebot findet. Wir möchten,<br />
dass er das Angebot über den Kanal beziehen<br />
kann, der ihm am liebsten ist: Laden, PC, Mobile, ja<br />
in Zukunft Fernsehen. Und nicht zuletzt möchten<br />
wir, dass unser Kunde unter verschiedenen Liefermöglichkeiten<br />
auswählen kann. Und das Ganze»,<br />
und darauf legt Daniel Röthlin ganz besonderen<br />
Wert, «einfach immer und immer einfach.»<br />
Erstaunlicherweise sieht Daniel Röthlin gerade<br />
in der Lieferung einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil.<br />
Denn heute lassen sich um die 25<br />
Prozent der Online-Besteller die Ware in eine Ex-<br />
Libris-Filiale liefern. «Zum einen gibt der persönliche<br />
Kontakt den Kunden Sicherheit», so Röthlin,<br />
«und diese Sicherheit ist vielen Kunden wichtig.<br />
Zum anderen ist aber auch hier der Auswahlgedanke<br />
entscheidend: Der Kunde kann wählen, in welcher<br />
Filiale er seine Bestellung wann abholen will.»<br />
Das gilt aber vor allem für Bücher und weniger für<br />
Musik.<br />
Nicht alles wird besser<br />
Für Lorenz Haas, Geschäftsführer der IFPI Schweiz,<br />
dem Branchenverband der Ton- und Tonbildträgerhersteller<br />
der Schweiz, ist das Jahr 2013 auch ein<br />
gutes Jahr. Im Jahr 2013 wird in der Schweiz erstmals<br />
mehr Musik legal übers Web bezogen als physisch<br />
verkauft. Das Digitalgeschäft wächst erfolgreich<br />
und ist auf dem Vormarsch.<br />
Das ist aber nur die eine Seite. Die andere Seite<br />
macht Lorenz Haas Sorgen. In den vergangenen<br />
zwei <strong>Jahre</strong>n haben sich die Umsätze der Schweizer<br />
Labels aus dem physischen CD-Geschäft fast halbiert<br />
– von 121 auf 67 Millionen. Ein Verlust, der<br />
durch das kräftige Wachstum des Digitalgeschäfts<br />
von 26 Millionen auf fast 38 Millionen nicht kompensiert<br />
werden konnte. Seit 1992, also seit über 20<br />
<strong>Jahre</strong>n, ist der Branchenumsatz in der Schweiz<br />
rückläufig. Wurden am Höhepunkt 2<strong>001</strong> und 2002<br />
noch fast 20 Millionen CDs verkauft, sind es heute<br />
noch knapp 5 Millionen. Arbeiteten 1997 noch 626<br />
Mitarbeiter in der Branche, sind es heute noch ganze<br />
245. Und ein Ende ist nicht absehbar.<br />
Es gibt aber auch gute Nachrichten. So können<br />
im wachsenden Digitalgeschäft die Musik-Labels<br />
die Backkataloge, also die «alten Sachen», nochmals<br />
neu verkaufen. Das gilt vor allem für die Streaming-<br />
Angebote wie Deezer, Simfy oder Spotify, wo die<br />
Musik-Labels nach Nutzung bezahlt werden. Der<br />
globale Musikmarkt ist 2012 auch nach <strong>Jahre</strong>n der<br />
rückläufigen Entwicklung endlich wieder, wenn<br />
auch nur um 0,2 Prozent und nach wie vor auf tiefem<br />
Niveau, gewachsen.<br />
Und noch eine gute Nachricht: Die LP-Verkäufe<br />
haben auf dem globalen Markt stark zugenommen;<br />
von 113 auf 171 Millionen US-Dollar. Verglichen mit<br />
dem globalen Gesamtumsatz von über 16 Milliarden<br />
Dollar, ist das zwar wenig, aber immerhin. Heinz wird<br />
sich über diese Entwicklung auf alle Fälle freuen.<br />
Nach Lorenz Haas liegt der eigentliche Hoffnungsschimmer<br />
aber darin, dass die Nachfrage nach<br />
Musik ungebrochen ist und dass es immer neue Formen<br />
von Nutzung und Vertrieb geben wird. Die daraus<br />
entstehenden Möglichkeiten sind sowohl für<br />
die Musikfreunde als auch für die Musik-Labels attraktiv.<br />
Mein Fazit<br />
Ich persönlich glaube, dass derartigen Systemwechseln,<br />
wie sie die Musikindustrie in den letzten <strong>Jahre</strong>n<br />
mehrmals erlebt hat, nur auf eine Art begegnet<br />
werden kann: Man muss sie «herzlich umarmen»<br />
und versuchen, sie kreativ ins Geschäftsmodell zu<br />
integrieren. Auf keinen Fall aber sollte man versuchen,<br />
sie zu bekämpfen. Derartige Entwicklungen<br />
lassen sich nicht aufhalten. Nicht überraschend<br />
leiden darum in der Musikindustrie vor allem die<br />
traditionellen Mitspieler unter den Systemwechseln,<br />
während neue Anbieter wie Apple und Spotify<br />
davon profitieren.<br />
David Guggenbühl<br />
David Guggenbühl leitet<br />
zusammen mit Boris<br />
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Exsider.com in Zürich.
Ihre Kunden möchten per Post<br />
informiert werden. Auch in Zukunft.<br />
Die Wirkung macht den Unterschied.<br />
Studien belegen: Kunden wünschen sich Geschäftskorrespondenz auch in Zukunft per Post.<br />
Im In- und Ausland wird der Brief nach wie vor sehr geschätzt – vor allem auch der Vertraulichkeit<br />
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A592342
Jubiläumsausgabe <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Werbewoche</strong> | 30.8.2013<br />
43<br />
IMPRESSUM<br />
werbewoche<br />
BILD DER WOCHE<br />
Zeitung für Marketing, Werbung<br />
und Medien<br />
<strong>40</strong>. Jahrgang<br />
Verteilte Auflage: 3134 Ex.<br />
(Wemf 2012)<br />
Druckauflage dieser Ausgabe:<br />
4800 Exemplare<br />
ISSN 1422-0202<br />
Ausgezeichnet mit dem Gütesiegel<br />
Q-Publikation des Verbandes Schweizer<br />
Medien.<br />
Redaktion und Verlag:<br />
Medien&Medizin Verlag MMV AG<br />
Neugasse 10, Postfach 1753,<br />
8031 Zürich, Tel. 044 250 28 00<br />
Fax 044 250 28 10<br />
E-Mail: info@werbewoche.ch<br />
www.werbewoche.ch<br />
Verlagsleitung: Ralf Seelig<br />
Tel. 081 255 54 56<br />
E-Mail: r.seelig@werbewoche.ch<br />
Chefredaktor:<br />
Pierre C. Meier (PCM)<br />
Redaktoren:<br />
Andreas Panzeri (pan), Chefredaktor-<br />
Stv. und Ressortleiter Marketing<br />
& Kommunikation, a.panzeri@<br />
werbewoche.ch; Isabel Imper (imp),<br />
Redaktorin, i.imper@werbewoche.ch;<br />
Pierre C. Meier (PCM), Ressortleiter<br />
Media & Medien a. i., pc.meier@<br />
werbewoche.ch<br />
Deutschlandkorrespondent:<br />
Peter Ehm, München<br />
Produktion:<br />
Anny Bardill, Grafik,<br />
a.bardill@werbewoche.ch<br />
Layout und Druckvorstufe:<br />
Medien&Medizin Verlag MMV AG<br />
Dokumentation:<br />
Daniela Hämmerle<br />
Korrektorat:<br />
Bea Syz; Waldemar Ziegler,<br />
korrektorat@korrektorat.ch<br />
Gestaltungskonzept:<br />
KünkelLopka GmbH, Heidelberg<br />
Erscheinungstag:<br />
14-täglich Freitag<br />
Inseratenschluss:<br />
Freitag der Vorwoche, 12 Uhr<br />
Abonnementspreise 2013:<br />
<strong>Jahre</strong>sabonnement Fr. 265.– inkl. MwSt.<br />
Ausland <strong>Jahre</strong>sabo 265.– plus Porto<br />
(Einzelexemplar Fr. 15.–)<br />
Inseratentarife:<br />
1/1 Seite sw/4c Fr. 6500.–<br />
1/2 Seite sw/4c Fr. 4470.–<br />
Alle Preise exkl. MwSt.<br />
Aboverwaltung:<br />
Daniela Hämmerle,<br />
Telefon 044 250 28 47,<br />
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Thomas Stuckert,<br />
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Daniela Hämmerle,<br />
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Druckdaten:<br />
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Druck:<br />
Südostschweiz Presse und Print AG,<br />
Kasernenstrasse 1, 7007 Chur<br />
Wiedergabe von Artikeln und<br />
Bildern, auch auszugsweise oder in<br />
Ausschnitten, nur mit Erlaubnis der<br />
Chefredaktion oder der Verlagsleitung.<br />
Reger Verkehr und Fahrzeugkolonnen auf der Autobahn (oben), gleiche Kreuzung ohne Verkehr aufgenommen am autofreien Sonntag vom 21. November 1973 in Zürich (unten).<br />
Foto: Photopress Archiv, Keystone.
Publicitas gratuliert<br />
der <strong>Werbewoche</strong> zum<br />
<strong>40</strong>-jährigen Bestehen!<br />
Publicitas blickt auf eine langjährige erfolgreiche Partnerschaft<br />
mit der <strong>Werbewoche</strong> zurück und dankt allen Mitarbeitenden<br />
für die engagierte und konstruktive Zusammenarbeit. Wir freuen<br />
uns auf ein weiterhin partnerschaftliches Miteinander!<br />
Wir stellen Kontakte her.<br />
publicitas.ch<br />
A606344