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WerbewocheJubiläumsausgabe 40 Jahre Werbewoche_001

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Torte: Dançoise Koechler, The Cake Lady/Foto: Isabel Imper und Thomas Häusermann<br />

werbewoche<br />

ZEITUNG FÜR MARKETING, WERBUNG & MEDIEN<br />

WWW.WERBEWOCHE.CH<br />

JUBILÄUMSAUSGABE <strong>40</strong> JAHRE WERBEWOCHE 30.8.2013


GRUEN LIFESTYLE<br />

Lifestyle-Magazin: mit der Schweizer Illustrierten: Erscheinung: Anzeigenschluss:<br />

SI GRUEN 5 43 21. 10. 2013 30. 09. 2013<br />

Zwischen Mate-Tee, Vollkornreis und Gucci liegt ungefähr die Mitte. Eine Mitte, die es wert<br />

ist, sie als Zielgruppe mit hohem Potenzial zu betrachten. SI GRUEN will die «Normalos»<br />

lustvoll grüner und umweltbewusster machen. SI GRUEN ist nachhaltig am Thema.<br />

SI GRUEN 5/13<br />

Erscheint am:<br />

21. Oktober 2013<br />

Verena Baumann, Leitung Marketing<br />

Tel. 044 259 61 44<br />

verena.baumann@ringier.ch<br />

Brigitte Gemperle, Anzeigendisposition<br />

Tel. 044 259 61 55<br />

brigitte.gemperle@ringier.ch<br />

Anzeigenpreise analog<br />

SCHWEIZER ILLUSTRIERTE:<br />

www.schweizer-illustrierte.ch<br />

II548722


Jubiläumsausgabe <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Werbewoche</strong> <strong>40</strong> | 30.8.2013 REIN 3<br />

ZUR SACHE: <strong>40</strong> JAHRE WERBEWOCHE<br />

Ein Editorial für eine Jubiläumsnummer zu<br />

schreiben, ist etwas ganz Schreckliches. Die Gefahr<br />

besteht, dass man in Nostalgie versinkt, und diese<br />

Gefahr ist bei einem <strong>40</strong>-Jahr-Jubiläum noch grösser.<br />

Einverstanden, etwas Nostalgie ist ja gut und<br />

gehört zu einem Jubiläum, aber ich habe das lieber<br />

einigen alten (sorry Kollegen!) Weggefährten überlassen.<br />

Kari Lüönd und Theophil Butz lassen, jeder<br />

auf seine Art, die Vergangenheit plastisch auferstehen.<br />

Bei einem Jubiläum darf auch ein Gedicht<br />

nicht fehlen. Anne-Friederike Heinrich ist unter<br />

die Dichterinnen gegangen.<br />

Ich wollte, dass alle ehemaligen Chefredaktoren<br />

etwas zur <strong>Werbewoche</strong> schreiben, und habe ihnen<br />

eine Carte blanche gegeben. Alle haben zugesagt.<br />

Das hat mich ungemein gefreut. Es ist auch nicht<br />

selbstverständlich, denn nicht alle haben sich – wie<br />

man so schön sagt – im gegenseitigen Einvernehmen<br />

von der <strong>Werbewoche</strong> getrennt. Ist ja auch<br />

nicht überraschend, denn die in der Vergangenheit<br />

ständig wechselnden Eigentumsverhältnisse der<br />

<strong>Werbewoche</strong> waren nicht ohne. Besonders freut es<br />

mich, dass der <strong>Werbewoche</strong>-Gründer, -Inhaber und<br />

langjährige Chefredaktor Detlef Thierling auch<br />

einen Beitrag leistete. Ich versuchte Thierling vor<br />

zwei <strong>Jahre</strong>n zu einem Interview zu überreden, aber<br />

er wollte nicht. Jetzt hat er sich geäussert.<br />

Ein Vergleich von heute zu gestern kann langweilig<br />

sein. Ein Gespräch mit zwei Exponentinnen<br />

der Werbeszene von früher und heute ist es sicher<br />

nicht. Doris Gisler Truog, die Grande Dame der<br />

Schweizer Werbeszene und Werberin des <strong>Jahre</strong>s<br />

1977, traf sich zu einem Gespräch mit Regula Fecker,<br />

Werberin des <strong>Jahre</strong>s 2010. Die beiden führten<br />

ein gegenseitiges Interview. Spannend und sehr<br />

lesenswert.<br />

Von einem Altmeister der Schweizer Werbung<br />

wollten wir wissen, welche Veränderungen sich in<br />

der Schweizer Werbeszene ergeben haben. Wer wäre<br />

dazu besser geeignet als Jost Wirz. Auch ein Interview<br />

mit einem Kreativen durfte nicht fehlen. Ernst<br />

Wirz, ursprünglich Fotograf und heute Werbe filmer<br />

und Musiker, kennt die Szene seit Urzeiten.<br />

Zu einem Jubiläum gehört aber auch ein Blick in<br />

die Zukunft. Anstatt den uns aus den Fingern zu<br />

saugen, haben wir elf Agenturen gebeten, sich mit<br />

der Zukunft zu befassen. Interessant, kreativ und<br />

amüsant sind die Ergebnisse.<br />

Ein Jubiläum ist aber auch immer ein Anlass,<br />

um danke zu sagen.<br />

Danken möchte ich zuerst allen unseren Abonnenten<br />

und Abonnentinnen, die zum Teil schon<br />

sehr lange der <strong>Werbewoche</strong> die Treue halten.<br />

Danken möchte ich auch unserem Verleger<br />

Hans-Peter Lebrument, der vor drei <strong>Jahre</strong>n verhinderte,<br />

dass wir wiederum einen neuen ausländischen<br />

Privat-Equity-Besitzer erhalten. Als<br />

ehemaliger Journalist ist für ihn die Unabhängigkeit<br />

der Redaktion wichtig.<br />

Auch dem CEO Andrea Masüger gebührt mein<br />

Dank. Er ist mein erster Vorgesetzter – auch er ehemaliger<br />

Journalist –, der wirklich beurteilen konnte,<br />

was wir überhaupt machen. Bis anhin waren es<br />

immer Manager oder Controller gewesen, ohne<br />

Bezug zum Journalismus.<br />

Danken möchte ich auch dem neuen Verlagsleiter<br />

Ralf Seelig. Dank ihm kann ich mich wieder<br />

voll auf die Redaktion konzentrieren. Danken<br />

möchte ich unserem Verkaufsleiter Thomas<br />

Stuckert und Daniela Hämmerle, beide seit <strong>Jahre</strong>n<br />

ein eingespieltes Team, das dafür sorgt, dass Anzeigen<br />

und Abos verkauft werden.<br />

Eine grosses Dankeschön geht auch an die<br />

Redak tion. Andreas Panzeri, mein Stellvertreter,<br />

Isabel Imper, Redaktorin, Annschy Bardill, Grafikerin,<br />

Thomas Häusermann und Ursina Maurer,<br />

Online-Redaktion. Dieses Team sorgt zusammen<br />

mit freien Mitarbeitern dafür, dass wir Ihnen täglich<br />

interessante News auf <strong>Werbewoche</strong>.ch und alle<br />

vierzehn Tage eine spannende <strong>Werbewoche</strong> bieten<br />

können. Auch unseren beiden langjährigen Korrektoren<br />

Bea Syz und Waldemar Ziegler, die akribisch<br />

für korrekte Texte sorgen, danke ich herzlich.<br />

Ich hoffe, diese spezielle Ausgabe der <strong>Werbewoche</strong><br />

gefällt Ihnen ebenso wie uns. In vierzehn<br />

Tagen erscheinen wir dann wieder mit den gewohnten<br />

Themen.<br />

Pierre C. Meier, Chefredaktor<br />

pc.meier@werbewoche.ch<br />

ETWAS<br />

NOSTALGIE<br />

IST GUT.“<br />

werbewoche<br />

30.08.<br />

4 <strong>Werbewoche</strong>-Layouts 1973–2013<br />

6 Die acht ehemaligen Chefredaktoren<br />

äussern sich zur <strong>Werbewoche</strong><br />

9 Journalisten, die in den letzten<br />

<strong>40</strong> <strong>Jahre</strong>n für die <strong>Werbewoche</strong><br />

schrieben und es zum Teil immer<br />

noch tun<br />

10 Opa erzählt vom Aktivdienst. Karl<br />

Lüönd erinnert sich<br />

11 <strong>Werbewoche</strong>: <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong> – ein Gedicht von<br />

Anne-Friederike Heinrich<br />

12 Statt zu motzen, erzählt Theophil Butz heute<br />

schräge Episoden aus der Werbung von früher<br />

14 Seit <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong>n werben Medien in der <strong>Werbewoche</strong><br />

um Inserenten. Die meisten mit<br />

nachhaltigem Erfolg. Andere wiederum sind<br />

von der Bildfläche verschwunden<br />

28<br />

18 Text-Transmitter, virtuelle Kunden, eine<br />

Fernbedienung für die Welt und eine Lebens-<br />

mittelreproduktionswellenmaschine.<br />

Wie sich Werber und<br />

Kommunikations spezialisten<br />

die Welt von morgen vorstellen<br />

Früher hat die Kontinuität eine<br />

grössere Rolle gespielt», meint<br />

Jost Wirz zum Verhältnis einer<br />

Werbeagentur zu ihren<br />

Kunden. Was sich sonst noch<br />

verändert hat in den letzten <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong>n, erklärt<br />

der Patron der Pionier-Agentur Wirz in einem<br />

rückblickenden Interview<br />

32 Was haben sich<br />

die «Werberin<br />

des <strong>Jahre</strong>s<br />

1977» und die<br />

«Werberin des<br />

<strong>Jahre</strong>s 2010» zu<br />

sagen?<br />

37 Ein paar Gedanken rund um die Entwicklung<br />

der Filmtechnik in den <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong>n der<br />

<strong>Werbewoche</strong>. Ein Gespräch mit Ernst Wirz,<br />

der mit der Firma Wirz Fraefel Paal in dieser<br />

Zeit zur Regie-Legende geworden ist<br />

<strong>40</strong> Seit der Lancierung der CD hat sich<br />

in der Musikindustrie vieles rasant<br />

entwickelt. David Guggenbühl findet<br />

in seiner Betrachtung zum Musikkonsum,<br />

es gebe nur eine Art, dieser Entwicklung<br />

zu begegnen


4<br />

Jubiläumsausgabe <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Werbewoche</strong> | 30.8.2013<br />

<strong>40</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Werbewoche</strong>-Layouts<br />

Wie jede Zeitschrift änderte auch die <strong>Werbewoche</strong> in den <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong>n einige Male ihr Erscheinungsbild. Beibehalten<br />

hat man seit 1988 das eigenständige Format.<br />

Ursprünglich im A4-Format kam dann im <strong>Jahre</strong><br />

1988 der Wechsel zum heutigen Format der <strong>Werbewoche</strong>.<br />

Man wollte sich mit dem für Schweizer<br />

Verhältnisse ungewöhnlichen Format der amerikanischen<br />

Fachzeitschrift Adage angleichen. Dieses<br />

Format wurde bis heute beibehalten, obwohl es<br />

deswegen immer wieder zu Diskussionen kam. In<br />

den vergangenen <strong>Jahre</strong>n gab es ständig Versuche,<br />

das Format zu ändern. Zu teuer, zu aufwändig, waren<br />

die Argumente des Verlages. Während der Tabloid-Euphorie<br />

2004 und nachdem auch noch der<br />

Blick ins Tabloid-Format wechseln musste, wurde<br />

der Druck des Verlags immer stärker. Wir produzierten<br />

sogar eine gedruckte Nullnummer im Tabloid-Format.<br />

Mit viel Überzeugungskraft und etwas<br />

Glück konnte ich diesen unseligen Schritt<br />

verhindern. Wer gibt schon freiwillig ein Alleinstellungsmerkmal<br />

auf?<br />

Auch der Schriftzug hat in den <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong>n einige<br />

Veränderungen erfahren. Der ursprünglich zweizeilige<br />

schwarze Schriftzug «Werbe-Woche» wurde<br />

1990 zur einzeiligen «WerbeWoche» in blau.<br />

Schreibweise und Farbe wurden dann auch mit anderen<br />

Schriften bis 2004 beibehalten.<br />

Mit dem ersten echten Relaunch 2004, der in<br />

Zusammenarbeit mit der Berliner Design-Agentur<br />

Kircher-Burkhardt erfolgte, wechselte man auf<br />

«werbewoche», und das zweifarbig.<br />

2008 erfolgte der bisher letzte Relaunch, diesmal<br />

mit der Heidelberger Design-Agentur Künkel-<br />

Lopka. Seitdem hat die <strong>Werbewoche</strong> auch ein Logo:<br />

das weisse W im roten Kreis.<br />

Pierre C. Meier


Jubiläumsausgabe <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Werbewoche</strong> | 30.8.2013 5<br />

Die <strong>Werbewoche</strong> ist seit <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong>n ein kritischer Beobachter der<br />

Schweizer Kommunikationsbranche.<br />

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A608075


6<br />

Jubiläumsausgabe <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Werbewoche</strong> | 30.8.2013<br />

Die Ehemaligen<br />

Die <strong>Werbewoche</strong> wurde in den letzten <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong>n von neun Chefredaktoren geleitet. Den bisherigen acht gaben wir<br />

eine Carte blanche und baten sie um einen kurzen Beitrag. Alle haben spontan zugesagt, was uns sehr freut. Besonders<br />

freut uns, dass sich auch Detlef Thierling, Gründer und bis 1984 auch Besitzer der <strong>Werbewoche</strong>, zum<br />

Jubiläum geäussert hat.<br />

Piero Schäfer<br />

Die Sache mit dem Storch<br />

Piero Schäfer<br />

Chefredaktor von 1985 –1990<br />

Heute Piero Schäfer & Partner<br />

GmbH, Publizistik und<br />

Kommunikationsberatung<br />

Vielleicht haben Sie sich auch schon<br />

einmal gefragt, wie man eigentlich<br />

Chefredaktor der WerbeWoche<br />

wird. Eine möglicherweise nicht<br />

eminent bedeutungsvolle, aber im<br />

Zusammenhang mit einem <strong>40</strong>-<strong>Jahre</strong>-Jubiläum<br />

durchaus aufschlussreiche<br />

Frage. Ich kann sie – wenigstens<br />

für meinen Fall – beantworten:<br />

rein zufällig. Entgegen meinen<br />

Gewohnheiten ging ich an einem herbstlichen Morgen<br />

1984 nicht über das Limmatquai, sondern durch<br />

die Storchengasse zu meinem Arbeitsplatz. Aus<br />

Haus Nummer 17 rief plötzlich jemand meinen Namen.<br />

Die Stimme gehörte Hans Hofmann, Geschäftsleiter<br />

des Media Daten Verlages, welcher die<br />

WerbeWoche herausgab. Das Gespräch begann gewissermassen<br />

über die Gasse und endete mit einem<br />

Vertragsabschluss. Der Erfinder der WerbeWoche,<br />

Dethlef Thierling, hatte sich mit dem Verlag überworfen,<br />

kurz nachdem er ihm seine pamphletartige<br />

Publikation verkauft hatte. So wurde der Stuhl des<br />

Chefredaktors frei und Hofmann bot ihn mir an.<br />

Über Werbung wusste ich zwar nichts, ausser, dass<br />

Wiener & Deville eine wunderbare Plakatkampagne<br />

für eine Zigarette namens Primeros kreiert hatte,<br />

aber als einigermassen wacher Geist mit langjähriger<br />

journalistischer Erfahrung (NZZ, Schweizer Illustrierte)<br />

traute ich mir zu, mich in die fremde Materie<br />

einzuarbeiten. Als Basis diente mir ein Register,<br />

in welchem ich die Namen, Agenturen, Verlage<br />

und Ereignisse eines ganzen WeWo-Jahrganges<br />

notierte. Bald fiel mir auf, dass sich die Protagonisten<br />

und Adressen wiederholten: Die Branche war<br />

überschaubar. Eine weitere Massnahme bildete die<br />

Lancierung der Rubrik «Im Storchen getroffen», welche<br />

mir ermöglichte, aus aktuellem Grund jede Woche<br />

eine Persönlichkeit aus der Kommunikationsbranche<br />

in der Bar des Hotels Storchen zu einem<br />

Gespräch zu treffen. Und hilfreich war ausserdem,<br />

dass die 80er-<strong>Jahre</strong> eine goldene Epoche für Werbung<br />

und Medien darstellte. Geld schien keine Rolle<br />

zu spielen: Es gab Pressekonferenzen in New York<br />

und Paris, David Marsden lud mich zu einer Vertragsunterzeichnung<br />

mit Leo Burnet nach Chicago<br />

ein, aus jeder Lancierung eines Magazins (und sei es<br />

noch so vorübergehend) wurde ein Riesenevent mit<br />

Hunderten von Geladenen und Special Guests. Kein<br />

Wunder, platzte die WerbeWoche umfangmässig<br />

aus allen Nähten, die Verlage und anderen Repräsentanten<br />

der kommerziellen Kommunikation wollten<br />

auf sich und ihre Titel im inzwischen erfolgreichen<br />

Heft aufmerksam machen. Die vierköpfige WeWo-<br />

Redaktion hatte jede Woche ein Magazin mit gegen<br />

80 Seiten Umfang abzuliefern. Die Hälfte davon<br />

Anzeigen. Media Daten muss es gend gegangen sein. Bloss merkte die Re-<br />

hervorradaktion<br />

nichts davon. Als ich mir nach fast<br />

fünf <strong>Jahre</strong>n erlaubte, einen en neuen Vertrag<br />

ins Gespräch zu bringen, n, kam es zum<br />

Bruch. Die ganze Redaktion kündigte.<br />

Trotz dieses unschönen Abschlusses: Die<br />

Zeit bei der WerbeWoche e war für mich<br />

und meine weitere Zukunft prägend.<br />

Schön, bin ich an jenem herbstlichen<br />

Morgen für einmal durch die<br />

Storchengasse gegangen.<br />

Die WerbeWoche-Chefredaktion<br />

als Freelance-Job<br />

Sarah Rieder<br />

Chefredaktorin 1990 – 1992<br />

Heute freie Journalistin<br />

Es war der zweitwärmste te Sommer<br />

seit 1864, als ich mich 1989<br />

mit Piero Schäfer, dem daktor der Werbe-Woche, im<br />

Chefre-<br />

Garten des Frascati im cher Seefeld zu einem Mittagessen<br />

traf. Was er wohl von<br />

mir wollte? – Eine Nachfolge<br />

suche er, denn fünf <strong>Jahre</strong><br />

jede Woche über die Werbebranche<br />

zu schreiben, seien en<br />

Zür-<br />

genug.<br />

Ich betreute damals für<br />

den Verein dipl. Werbeleiter<br />

und -assistenten die<br />

Monatszeitschrift idee..à<br />

jour und blickte gerade<br />

auf zehn <strong>Jahre</strong> Selbständigkeit<br />

als Texterin/Journalistin<br />

zurück.<br />

Mich mit 50 wieder anstellen zu lassen, schien<br />

mir ausgeschlossen, doch das sollte nicht Pieros Sorge<br />

sein. Ich sagte ihm zu und verhandelte mit einem<br />

Zürcher Anwalt, da der Verlag Media-Daten Schweiz<br />

damals dem kanadischen Verlag Maclean Hunter in<br />

Toronto gehörte. Für die Kanadier schien dies kein<br />

Problem zu sein; sie wiesen den Anwalt an, für mich<br />

einen Freelance-Vertrag auszuarbeiten.<br />

Kaum war diese Hürde geschafft, baute sich eine<br />

zweite auf: Mit Piero Schäfer nahmen auch seine<br />

drei Redaktoren den Hut. Es blieb wenig Zeit, noch<br />

Sarah Rieder<br />

vor dem <strong>Jahre</strong>sende<br />

1989 ein passendes Team sammenzustellen. Doch es klappte mit Christian<br />

Wapp, dem späteren Chefredaktor und dem Media-<br />

zujournalisten<br />

Daniel Sidler. Letzterer verliess uns<br />

zwar nach einem Jahr wieder, konnte jedoch rasch<br />

durch den Basler Journalisten Christian Mensch<br />

ersetzt werden. Als Verlags- und Redaktionssekretärin<br />

amtete die dipl. Werbeassistentin Gabriela<br />

Müller.<br />

Auf ging’s in ein neues Abenteuer und<br />

ein neues Jahrzehnt! Auf die goldenen<br />

80er-<strong>Jahre</strong> folgten mit den 90ern schwierigere<br />

Zeiten: Saddam Hussein eröffnete<br />

den 2. Golfkrieg, die Sozialistische Sowjetrepublik<br />

löste sich auf, ebenso die Sozialistische<br />

Republik Jugoslawien, was jahrzehntelange<br />

kriegerische Auseinandersetzungen<br />

nach sich zog. In der Schweiz<br />

ging die EWR-Abstimmung bachab,


Jubiläumsausgabe <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Werbewoche</strong> | 30.8.2013 7<br />

das Land blieb politisch blockiert und die Wirtschaft<br />

stockte.<br />

Nichtsdestotrotz wagten wir den Neubeginn mit<br />

einem neuen Layout. Als begeisterte Anhängerin<br />

des amerikanischen Zeitungsmachers Mario Garcia<br />

hatte ich konkrete Vorstellungen, die der Zürcher<br />

Gestalter Lars Klingenberg im Dezember 1989 flott<br />

umsetzte. Mit einem Blick in die Zukunft, die nach<br />

einer globaleren Kommunikation verlangte, bekam<br />

die WerbeWoche den Übertitel «Die Wochenzeitung<br />

der Kommunikationsbranche». Werbung konnte<br />

nicht mehr unser alleiniges Thema sein. Die Leserschaft<br />

war des Lobes voll, die Auflage erhöhte sich<br />

in Kürze von 2125 Ex. um einen Viertel auf 2642 Ex.<br />

Da ich Menschen mag, wollte ich Piero<br />

Schäfers «Storchengespräche»<br />

unbedingt weiterführen. Allerdings<br />

weg vom Storchen hin zur Mühle<br />

Tiefenbrunnen, gemeinsam mit dem<br />

Fotografen Michael Sieber. Nach 100<br />

Gesprächen mit Persönlichkeiten aus<br />

der Kommunikationsbranche verarbeitete<br />

der Verlag diese zu einem Buch.<br />

Dessen Vernissage fand mit weit über<br />

hundert Fachleuten bei schönstem Wetter<br />

unter freiem Himmel im Mühle-Areal<br />

im Sommer 1992 zufälligerweise mit<br />

«meiner» letzten Werbe-Woche-Ausgabe<br />

zusammen. Ein schöneres Abschiedsfest<br />

hätte ich mir nicht wünschen können!<br />

P.S. Bald danach übertrug mir der Verlag Media-Daten<br />

Organisation und Verfassung der Jubiläumsausgabe<br />

«1973-1993: 20 <strong>Jahre</strong> WerbeWoche» mit 184 Seiten.<br />

Ich klaue nochmals Ihre Zeit<br />

Markus Zürcher<br />

Chefredaktor 1992 – 1993<br />

Heute Zürcher Kommunikation<br />

Wäre ich militärdienstuntauglich gewesen, ich<br />

wäre vermutlich niemals Chefredaktor der «WerbeWoche»<br />

geworden. Nahkampffähigkeiten oder<br />

kühne Angriffsstrategien gehörten zwar nicht<br />

zwingend zum Jobprofil (hätten aber auch nicht<br />

geschadet...). Aber damals im Militärdienst lernte<br />

ich Hans Hofmann kennen. Eine ziemlich folgenschwere<br />

Bekanntschaft. Der begnadete Motivator<br />

und umtriebige Medienstellenbesetzer machte mir<br />

nämlich <strong>Jahre</strong> später, als ich mich aus der Geschäftsleitung<br />

von Wirz Public Relations<br />

verabschiedet hatte, den<br />

Chef-<br />

posten bei der WerbeWoche schmackhaft.<br />

Ich versuche, mich zu erinnern, wie das damals<br />

war, in der Redaktion an der Klausstrasse im Werbegravitationszentrum<br />

Zürich. Zwanzig <strong>Jahre</strong> ist<br />

das nun schon her. Vieles ist längst abgefallen von<br />

mir, wie alte Kleider, die man schnell vergisst – und<br />

denen man auch nicht nachtrauert. Was ist überhaupt<br />

geblieben, nach so langer Zeit? Wer hat mich<br />

nachhaltig beeindrucken können?<br />

Jean-Etienne Aebi, mit dem man sich vortrefflich<br />

über gute Werbung an sich sowie über den Auf- und<br />

Abbau von Agenturstrukturen unterhalten konnte.<br />

Hermann Stittmatter, der Stritti, der sich über jeden<br />

Buchstaben, der über ihn geschrieben wurde, göttlich<br />

aufregen konnte.<br />

Markus Zürcher<br />

Detlef Thierling<br />

Gründer und Inhaber der <strong>Werbewoche</strong><br />

1984 Verkauf an die damalige Media Daten AG<br />

Chefredaktor von 1973 – 1984<br />

Edi Andrist, ein feinfühliger Multikreativer, der<br />

schon damals näher bei der Kunst als der Werbung<br />

stand.<br />

Reini Weber, weil der sogar noch E-Gitarre spielen<br />

konnte.<br />

Ernst Wirz, weil der Starregisseur ohne Allüren locker<br />

Du zu mir sagte, bevor ich ihm überhaupt Sie<br />

sagen konnte.<br />

Peter Leutenegger, weil er nicht nur ein grosses Herz<br />

hat, sondern sich immer auch sehr offen und selbstkritisch<br />

äusserte.<br />

Frank Bodin, der musische Intellektuelle, vielfach<br />

beneidet für seine Talente, weniger für seine anachronistische<br />

Frisur.<br />

Irene Hiltpold, stets gut gelaunt und nicht zu übersehen<br />

mit ihrem Sex-Appeal.<br />

Mike Krüll mit seinen Ansichten und Hemden.<br />

Natürlich gab es noch mindestens 90 weitere Persönlichkeiten,<br />

die mir begegnet sind – immerhin bestand<br />

das Werberleben damals zu gefühlten zwei Dritteln<br />

daraus, sich sehen zu lassen –, darunter auch solche,<br />

die zu kennen oder sich zu merken man heute glücklicherweise<br />

nicht mehr verpflichtet ist.<br />

Was ich glaube, über das Thema Werbung<br />

verstanden zu haben: Es gibt<br />

keine Formel<br />

für Kreativität.<br />

Gute Ideen sind<br />

alles – und äusserst<br />

rar. Deshalb<br />

besteht auch für<br />

viele Werber Kreativität<br />

vorwiegend in<br />

der Kunst, ihre Quellen<br />

zu verschleiern.<br />

Ein weiterer Punkt:<br />

Gerade in der Werbekommunikation<br />

ist<br />

Einfachheit die höchste<br />

Stufe der Vollendung; jedes<br />

Wort zu viel ist ein<br />

Gedanke zu wenig.<br />

Interessant an der Werbung<br />

finde ich bis heute,<br />

dass es immer um die beste Idee geht. Wer die hat,<br />

gewinnt die Aufmerksamkeit. Werber müssen gewissermassen<br />

Krieg führen: Wie klaut man den<br />

Menschen ihre kostbare Zeit? Und wenn man sie<br />

ihnen gestohlen hat – was macht man dann mit ihnen?<br />

Hoffentlich etwas Befriedigendes.<br />

Noch ein Letztes: Das Etikett soll nicht grösser<br />

sein als der Sack. Das ist nicht von mir, sondern vom<br />

alten Griechen Lukian von Samosata.<br />

Als Dompteur in der Arena<br />

Eugen Rieser<br />

Chefredaktor 1993<br />

Heute Eugen Rieser Report Produktion<br />

Anfang der neunziger <strong>Jahre</strong> etablierten sich einige<br />

neue Kooperationen in der Werbebranche; man<br />

sprach von «Elefanten-Hochzeiten»; Jean-Etienne<br />

lässt grüssen! Dieser Spuk war dann aber schnell wieder<br />

vorbei, und die Wirtschaftskrise traf auch viele<br />

Agenturen hart; Mitarbeitende wurden entlassen.<br />

In diesen Schicksalsjahren für die Werbung hatte<br />

sich ein verschworenes, journalistisches Triumvirat<br />

auf der WeWo-Redaktion gebildet; das eigentlich<br />

keinen Chef wollte und mir «offen den Krieg erklärte».<br />

Sie übten sich als verspätete<br />

«Achtundsechziger» im Widerstand<br />

gegen Oben.<br />

Mein Engagement als Chefredaktor<br />

beim Domizil des damals noch<br />

existierenden «Modeblatts» im Seefeld<br />

begann also unter einem schlechten<br />

Stern. Auch die ausländischen<br />

Besitzer des Werbemagazins wechselten<br />

oft und Amtssprache wurde<br />

Englisch. Mit solchen Fachmagazinen<br />

waren damals in unserem Land<br />

noch schöne Gewinne zu kassieren<br />

(«halbe Kiste und mehr….»). Mein<br />

Vorgänger blieb nur kurze Zeit, auch<br />

mein Gastspiel dauerte nur einige<br />

Eugen Rieser<br />

Monate. Die drei Redaktionsmitglieder<br />

waren aber kompetent und engagiert;<br />

sie machten später Karriere im Journalismus<br />

– bei Wochen- und Tageszeitungen sowie einem<br />

Wirtschaftsmagazin.<br />

So konnte ich getrost von dannen ziehen; einer<br />

der drei wurde auf meinen Vorschlag beim Verlag<br />

hin zum Chef gekürt. Als Episode bleibt: Einer der<br />

drei meinte bei meinem Abgang, es sei doch schade,<br />

wenn ich nun gehe, wegen meiner Kompetenz als<br />

integrer Journalist. Da war ich froh, den Stab in engagierte<br />

Hände übergeben zu haben.<br />

Aufbruch in ein neues Zeitalter<br />

Christian Wapp, Redaktor von 1990 –1994<br />

Chefredaktor von 1994–1998<br />

Heute Produktionsleiter Bilanz<br />

Eine Zeit des Umbruchs, eine Zeit des Aufbruchs: So<br />

würde ich meine <strong>Jahre</strong> bei der WerbeWoche beschreiben.<br />

Als ich Anfang 1994 Chefredaktor wurde,<br />

benutzten höchstens fünf Prozent der Schweizer<br />

Bevölkerung ein Natel, das Internet spielte noch<br />

keine Rolle. Ende 1998, als ich die WerbeWoche verliess,<br />

telefonierte fast jeder – zumindest in der Kommunikationsbranche<br />

– mit einem Handy, wie es inzwischen<br />

hiess, und fast jeder surfte im Internet.<br />

Kurz: Die mittleren neunziger <strong>Jahre</strong> des vergangenen<br />

Jahrhunderts veränderten unser Kommunikationsverhalten<br />

– und die Wirtschaftswelt –<br />

enorm. Zum Handy- und Internet-Boom kam eine<br />

Liberalisierungswelle vor allem in der Telekom- und


Jubiläumsausgabe <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Werbewoche</strong> | 30.8.2013<br />

Versicherungsbranche. Gleichzeitig<br />

veränderte sich die Fernsehlandschaft.<br />

Lokale Sender machten erste<br />

Gehversuche, deutsche Privatsender<br />

richteten erste Schweizer Werbefenster<br />

ein.<br />

Von dieser Umbruchphase profitierte<br />

die Kommunikationsbranche in<br />

hohem Masse. Neue Firmen mussten<br />

eingeführt, neue Angebote lanciert<br />

werden. Dazu kam, dass einige Grossunternehmen<br />

wie Migros, Coop oder<br />

die Post viel mehr Werbung betrieben<br />

als in früheren <strong>Jahre</strong>n und «Below the<br />

Line» zur neuen Zauberformel avancierte.<br />

Es gab kaum noch eine klassische<br />

Kampagne, die ohne flankierende<br />

Christian Wapp<br />

Massnahmen auskam. Das generierte<br />

zusätzliche Aufträge, zog aber auch<br />

Mittel von den klassischen Werbeagenturen ab –<br />

etwa hin zu PR-, Direktmarketing- oder Event-<br />

Agenturen.<br />

Dieses Neugeschäft war ein willkommener Ausgleich<br />

für verlorene Terrains, denn nicht in allen<br />

Märkten war Aufbruch angesagt. Die Schweizer<br />

Wirtschaft litt nach Mitte der neunziger <strong>Jahre</strong> unter<br />

sinkenden Wachstumsraten. Die Unternehmen<br />

übten sich im Sparen, das Drücken der Beratungshonorare<br />

wurde ein beliebter Sport, das Kürzen von<br />

Kommunikationsbudgets ebenso.<br />

Längst ausgeträumt war zudem der<br />

Traum der achtziger <strong>Jahre</strong>, Zürich würde<br />

sich dereinst zu einem internationalen Werbemekka<br />

entwickeln. Ausländische Konzerne<br />

zogen es immer öfter vor, ihre globalen<br />

Kampagnen von New York, London oder<br />

Paris aus zu steuern, und liessen – bestenfalls<br />

– ihre Werbung in der Schweiz adaptieren.<br />

Und immer mehr Schweizer Multis fanden,<br />

sie seien für ihre globale Werbung im<br />

Ausland besser bedient. Agenturen, die nicht<br />

nur das Binnengeschäft pflegen wollten,<br />

mussten sich international vernetzen.<br />

Und bei der WerbeWoche? Bei uns<br />

herrschte ebenfalls Aufbruchstimmung. Wir<br />

vergrösserten das Redaktionsteam, konnten<br />

uns mit mehr Themen befassen, führten im<br />

Blatt neue Gefässe ein (etwa die Klatschkolumne<br />

«Shortlist» u.a.), experimentierten<br />

mit Fernsehen («WerbeWoche-TV») oder Sponsoring<br />

(eigene Events, Unterstützung ADC/BSW-<br />

Kreativschule), führten für den «Werber des <strong>Jahre</strong>s»<br />

ein neues Nominationssystem ein. Und wir<br />

tasteten uns vor mit einem Online-Auftritt – und<br />

liebäugelten mit einer umfangreichen Web-Plattform<br />

mit ambitiösen Business-Zielen. Rückblickend<br />

ein kluger Entscheid, dass wir darauf verzichteten.<br />

Die Zeiten des Umbruchs und Aufbruchs hörten<br />

Ende der neunziger <strong>Jahre</strong> nicht auf. Doch der grassierenden<br />

Internet-Euphorie folgte bekanntlich<br />

bald Ernüchterung.<br />

Forza <strong>Werbewoche</strong>!<br />

Ursula Klein<br />

Chefredaktorin 1998–1999<br />

Heute Verlegerin und Herausgeberin des Klein<br />

Reports<br />

Gratulation! Vor allem, dass Du noch lebst, liebe<br />

«<strong>Werbewoche</strong>». Ein Branchenblatt, das sich vom A4-<br />

gehefteten Blatt zur Zeitschrift gemausert hat. Dein<br />

Übername war deshalb ja zeitweilig auch «Sterbewoche»<br />

– man wusste nie genau, je nach Besitzer und<br />

Machart, ob noch was kommt.<br />

Oft als Sprachrohr von Werbeverbänden und<br />

Einzelpersonen gebraucht und missbraucht, aber<br />

immer wieder mit guten Texten, Kommentaren,<br />

grandioser Werbung und dem Kitt an News, die es<br />

für eine funktionierende Branche braucht. Ist das<br />

heute noch so? Oder ist dieser aufklärerische Gedanke<br />

altmodisch und vorbei?<br />

Heute gehören die staatlichen Grosskonzerne<br />

Swisscom, Post und die SBB zu den grössten Werbetreibenden<br />

in der Schweiz, gefolgt von den vielen<br />

Fachhochschulen und Unis, die oft (inflationär) viele<br />

neue Studiengänge im Medienbereich anbieten...<br />

Und sie sind alle Kunden der Fachblätter im Kommunikationsbereich.<br />

Wagt da ein Medium, in die Hand, die es füttert,<br />

zu beissen? Als Watchdog müsste es das tun, wenn<br />

Ungereimtheiten, Machtmissbrauch oder anderes<br />

zu monieren sind.<br />

Wir beim Klein Report sind politische Menschen.<br />

Und ja, wir lassen die Einflussnahme auf die journalistische<br />

Arbeit nicht zu. Der Klein Report, als einzige<br />

unabhängige Kommunikationszeitung (im<br />

Netz und als Newsdienst), zeigt aber auch, dass die<br />

Leserschaft das will und nachfragt. Und wo der Leser<br />

ist, kommt auch ohne Verfilzung früher oder<br />

später die Werbung hinterher. Ausser: Der Markt ist<br />

in der Werbevermarktung monopolisiert oder die zu<br />

Beschreibenden sind auch gleich die Besitzer der<br />

Medien.<br />

Ursula Klein<br />

Unabhängigkeit ist alles! Sie kann auch von hauseigenen<br />

Journalisten nicht herbeigeschrieben werden<br />

– man sollte sie leben. Deshalb wundert uns,<br />

dass nicht mehr Journalisten den Sprung ins Verlegertum,<br />

ins Unternehmertum wagen.<br />

Wie dem auch sei, liebe «<strong>Werbewoche</strong>», vielleicht<br />

wäre es im erwachsenen Alter nun Zeit, ein Management-buy-out<br />

zu wagen? So ein Fachblatt können<br />

ein paar engagierte Journalisten und Werber alleine<br />

sicherlich besser machen. Forza «<strong>Werbewoche</strong>»!<br />

Von den Marken und der Werbung für<br />

das Leben lernen<br />

Samuel Helbling<br />

Chefredaktor 1999 – 2004<br />

Heute Kommunikationsleiter Departement<br />

Volkswirtschaft und Inneres, Kanton Aargau<br />

Als ich Mitte der 90er-<strong>Jahre</strong> bei der <strong>Werbewoche</strong><br />

anheuerte, geisterte ein Buchtitel des französischen<br />

Starwerbers Jacques Séguéla durch die Medien:<br />

«Sagt meiner Mutter nicht, dass ich in der<br />

Werbung arbeite, sie glaubt, ich sei Pianist in einem<br />

Bordell». Meine Eltern, die diesen Titel irgendwo<br />

aufgeschnappt hatten, runzelten die Stirn, als sie<br />

von meiner neuen Anstellung bei der <strong>Werbewoche</strong>,<br />

dem «Zentralorgan» der Werbebranche, erfuhren.<br />

Doch die Faszination für die Kommunikationsund<br />

Marketingbranche hatte mich gepackt, als ich<br />

entdeckte, welche Rolle Marken in unserem täglichen<br />

Leben spielen. Denn ähnlich wie wir in eine<br />

Landschaft oder in eine Sprache hineinwachsen,<br />

nehmen wir auch Marken als Teil unserer Umwelt<br />

wahr. Und so wie die Philosophie versuchen auch<br />

Werbung und Marketing,<br />

den Geist<br />

ihrer Zeit auf den<br />

Punkt zu bringen.<br />

Deshalb kann man<br />

über Marken und<br />

Marketing auf genau<br />

so hohem Niveau<br />

nachdenken<br />

wie über die Freiheit,<br />

das Schöne<br />

oder das Gute. Diesem<br />

Aspekt versuchten<br />

wir in der<br />

<strong>Werbewoche</strong> Rechnung<br />

zu tragen,<br />

Samuel Helbling<br />

indem wir aktuelle<br />

Strömungen und<br />

künftige Trends in der Marketingkommunikation<br />

thematisierten.<br />

Mit dem Bedeutungszuwachs in der Nachkriegszeit<br />

(«Mad Men» lässt grüssen) wurde die Werbung<br />

kontrovers diskutiert. Vorab ihre gesellschaftspolitische<br />

Wirkung wurde oft heftig kritisiert. Pauschal<br />

wurden die Werbebranche als Manipulationsindustrie<br />

und die Werbetreibenden als Durchlauferhitzer<br />

der Konsumwut gebrandmarkt. Einen ersten Höhepunkt<br />

erreichte die Debatte über die Funktionsweise<br />

der Werbung und ihre Gefahren in den 60er-<strong>Jahre</strong>n,<br />

nach der Veröffentlichung des Bestsellers «Die<br />

geheimen Verführer» von Vance Packard. Seine These,<br />

dass sich Werbung auf raffinierte Weise an das<br />

Unterbewusstsein der Leute richte, um sie zum Kauf<br />

von unnützen Dingen zu verführen, ist heute weitgehend<br />

überholt, hält sich aber beim Publikum hartnäckig.<br />

Ging es damals noch darum, die Konsumentinnen<br />

und Konsumenten zu überzeugen, ein Produkt<br />

zu erwerben, das sie bislang nicht besassen, geht es<br />

heute darum, dass sie aus dem Marktüberangebot<br />

die «richtige» Marke eines Autos, eines Haushaltgeräts<br />

oder eines Smartphones wählen. Die von der<br />

Werbung verwendeten Anreize zum Konsum sind<br />

dadurch vielfältiger und direkter geworden. Indem<br />

die Werbung sich klar als Verführungstechnik zu<br />

erkennen gibt, unterscheidet sie sich von ihren manipulativen<br />

Vorläufern. In dieser selbstreferentiellen<br />

Transparenz liegt ihr aufklärerisches Potenzial.<br />

Gleich wie uns die Mode gegen Langeweile oder<br />

der Konsumismus gegen Fanatismus immunisiert,<br />

immunisiert uns die Werbung gegen Naivität. Sie<br />

schult uns in dem, was die Systemtheoretiker die<br />

Beobachtung zweiter Ordnung nennen. Indem wir<br />

beobachten, wie andere die Welt beobachten, lernen<br />

wir, uns selber in der Welt zu orientieren. Keine andere<br />

Kommunikationsform vermittelt effizienter<br />

und nachhaltiger, was gesellschaftlich geht und welche<br />

Werte angesagt sind. Die Alternative zur Werbung<br />

ist die bessere Werbung. In diesem Sinne<br />

braucht die Kommunikationsbranche eine engagierte<br />

Fachpresse, die die Werbetreibenden und ihre<br />

Arbeit weiterhin kritisch begleitet und zum Thema<br />

macht.<br />

In diesem Sinne alles Gute für die nächsten vierzig<br />

<strong>Jahre</strong>.


Jubiläumsausgabe <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Werbewoche</strong> | 30.8.2013 9<br />

Redaktoren, freie Mitarbeiterinnen und Kolumnisten, die in den letzten <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong>n für die<br />

<strong>Werbewoche</strong> schrieben und es zum Teil heute noch tun (ohne Anspruch auf Vollständigkeit)<br />

Luca Aloisi<br />

Jürg Altwegg<br />

Bruno Amstutz<br />

Daniela Battaglia<br />

Marc Baumann<br />

Carlo Bernasconi<br />

Thomas Brenzikofer<br />

Evelyne Bucherer<br />

Heike Burkhard<br />

Theophil Butz<br />

Yves Carpy<br />

Oliver Classen<br />

Monica Danuser<br />

Peter Ehm<br />

Sandra Escher<br />

Kathrin Fischer<br />

Jürgen Franck<br />

Beat Fritsch<br />

Rona Grünenfelder<br />

Ueli Grüter<br />

Josefa Haas<br />

Thomas Häusermann<br />

Sophie Häusermann<br />

Anne-Friederike Heinrich<br />

Roland Hill<br />

Elisabeth Hörler<br />

Clemens Hörler<br />

Beat Hürlimann<br />

Isabel Imper<br />

Simone Keller<br />

Markus Knöpfli<br />

Carole Koch<br />

Michael Koller<br />

Chandra Kurt<br />

Katalin Leso<br />

Sonja Levy<br />

Kaspar Loeb<br />

Karl Lüönd<br />

Christian Lüscher<br />

Nick Lüthi<br />

Ursina Maurer<br />

Christian Mensch<br />

Yolanda Milz<br />

Stefano Monachesi<br />

Jean Pierre Müller<br />

Manuel Nappo<br />

Andreas Panzeri<br />

Giulia Pompeo<br />

Oliver Reichenstein<br />

Stephan Russ-Mohl<br />

Carole Scheidegger<br />

Daniel Schifferle<br />

Gerti Schön<br />

Adrian Schräder<br />

Constantin Seibt<br />

Daniel Sidler<br />

Imre Sinka<br />

Severine Spillmann<br />

Urs Steiner<br />

Iris Stucki<br />

Hans Stutz<br />

Anita Vaucher<br />

Enrico Violi<br />

Ernst Weber<br />

Claude Weill<br />

René Worni<br />

Adriana Zilic<br />

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10<br />

Jubiläumsausgabe <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Werbewoche</strong> | 30.8.2013<br />

Opa erzählt vom Aktivdienst...<br />

Liebe Kinder, jetzt erzählt euch der alte Mann einmal,<br />

wie es damals wirklich war, im Herbst 1973,<br />

als die WerbeWoche gegründet wurde. Sie erschien<br />

übrigens kurz nach der neuen, mit Sie + Er fusionierten<br />

Schweizer Illustrierten. Damals gab es in den<br />

Zeitungen noch Inserate, haufenweise Inserate,<br />

stellt euch das einmal vor! Das Werbefernsehen gab<br />

es eben erst seit acht <strong>Jahre</strong>n. Ringier bekam es als<br />

erster zu spüren: In diesen frühen Siebziger-<strong>Jahre</strong>n<br />

richtete er deshalb die ersten Anfänge von Anzeigenmarketing<br />

ein. Die Verleger begannen nett zu<br />

sein mit den Inserenten. Zuvor waren nicht selten<br />

die Inseratenvertreter von den Kunden zum Essen<br />

eingeladen worden, damit sie auch ganz sicher eine<br />

Zuteilung erhielten. In den 50er- und 60er-<strong>Jahre</strong>n,<br />

vor der farbigen Fernsehwerbung,<br />

hatten die<br />

Heftlifabriken während<br />

<strong>Jahre</strong>n am Rand der Kapazitätsgrenze<br />

gedruckt.<br />

Ein Text-Inserat-Verhältnis<br />

von<br />

50:50 war normal.<br />

Herbst 1973: Die<br />

Zeiten begannen sich<br />

gerade zu ändern. Eigentlich<br />

war es kein<br />

günstiger Augenblick<br />

für eine Neugründung.<br />

Im Nahen Osten wurde<br />

gerade der Jom-Kippur-<br />

Krieg abgehalten. Er<br />

dauerte drei Wochen,<br />

danach boten Strassenhändler<br />

in Manhattan Buttons in den israelischen<br />

Nationalfarben an, auf denen geschrieben stand:<br />

«See the pyramids – visit Israel!» Erstmals setzten<br />

die mächtigen Förderstaaten am Golf die Ölwaffe<br />

ein. Drei autofreie Sonntage genügten, um die Stimmung<br />

im Lande Schweiz und in der Folge die ganze<br />

schöne Hochkonjunktur kippen zu lassen. Die Party<br />

war zu Ende, und die Verlage wunderten sich über<br />

den Einbruch der Anzeigen.<br />

1974 in der Zeitungsprovinz: Beim Luzerner Tagblatt<br />

musste man den Chefredaktor fragen, wenn<br />

man ins Ausland telefonieren wollte. Dem Recherchierjournalismus<br />

waren damit enge Grenzen gesetzt.<br />

1974 in der Zeitungskapitale Zürich: Der frisch<br />

zugezogene Journalist rief die Abonnementsabteilung<br />

der NZZ an und bat<br />

um Umleitung des Abonnements<br />

von Kriens (LU)<br />

an eine Adresse in Zürich-Nord.<br />

Mit strafendem<br />

Unterton sagte das<br />

Fräulein am anderen<br />

Ende: «Aber Sie, das isch<br />

doch z Schwamendinge!»<br />

– «Ja, und?» – «Was meined<br />

Sie eigentlich? Das<br />

gaat nur mit de Poscht. D<br />

Zürizytig wird doch z<br />

Schwamendinge nöd vertreit!»<br />

Ihr müsst wissen, liebe<br />

Kinder, damals wurde<br />

auch bei der Schweizer<br />

Illustrierten auf die Rückseiten<br />

der Inserate noch Journalismus gedruckt,<br />

nicht bloss Uhren- und Hotel-PR und das Angebot<br />

des Ticketcorners. Gisela Blau fuhr im Panzer durch<br />

den Sinai und berichtete von der Front. Ronald Sonderegger<br />

kletterte mit dem verrückten Ski-Abfahrer<br />

Sylvain Saudan auf dem Dhaulagiri herum. «Schweizer<br />

sehen das Weltgeschehen», hiess der Slogan des<br />

bewussten Blattes. Fibo Deutsch jagte die Reporter<br />

durch die Geografie, denn ein anderer Slogan lautete:<br />

«Die schnellste Illustrierte der Welt». Manchmal<br />

musste sich ein Ringier-Reporter an einem Flughafen<br />

ein frisches Hemd kaufen. Man konnte es sogar<br />

auf die Spesenrechnung setzen. Ja, damals im Aktivdienst...!<br />

Und wenn wir schon beim Inhalt sind: Heinrich<br />

Oswald wirbelte bei Ringier die Bude durcheinander<br />

und stockte die Redaktionen auf. Wer damals<br />

keinen Job erhielt, schaffte es nimmermehr – so<br />

kam auch ich zum Blick, der unter Fridolin Luchsinger<br />

den ernsthaften Anspruch hatte, eine ernsthafte<br />

Zeitung zu werden. Wir liessen uns lustvoll auf<br />

das Abenteuer ein. Eine Serie über Atommüll war<br />

nicht gerade der Heuler, dafür durfte ich eine Seite<br />

über den toten Surrealisten Max Ernst machen –<br />

und nicht nur über dessen Frauengeschichten.<br />

Hans Erni zeichnete<br />

aus Anlass seines 65. Geburtstags<br />

eigens für uns ein<br />

Seite-3-Girl. Der Präsident der<br />

Bankgesellschaft gab dem Blick<br />

das erste Interview und liess sich<br />

als Bergsteiger auf einem Gipfel<br />

abbilden. Die Bahnhofstrasse<br />

staunte. Er hiess übrigens Philippe<br />

de Weck (ja, der Vater!).<br />

Oswald gründete 1974 die Ringier<br />

Journalistenschule. Damit<br />

beschämte er die ganze Corona<br />

der «seriösen» Verleger, die damals<br />

noch nichts für die Ausbildung<br />

taten. (Das MAZ wurde<br />

erst 1984 gegründet.) Dass Oswald<br />

damit zugleich dem verdienten<br />

langjährigen Chefredaktor der SI einen<br />

würdigen Abgang als Schulleiter verschaffte, war<br />

die erwünschte Nebenwirkung.<br />

Wenn eine Lawine am Lukmanier niederging,<br />

buchten wir einen Helikopter, und der unvergessliche<br />

Sigi Maurer schoss mit seiner lautlosen Leica<br />

Bilder von der Rettung der Bauernfrau, die um die<br />

Welt gingen. Als in Madeira eine Schweizer Caravelle<br />

ins Meer stürzte, charterten wir einen Lear-Jet<br />

und flogen hin. Auch die besten Überwachungskameras<br />

hätten keine so guten Bilder in den Newsroom<br />

geschickt.<br />

Reporter erlebten das Geschehen noch am Schauplatz<br />

und nicht am Bildschirm. Es war die Zeit, da<br />

Inhalt noch etwas kosten durfte.<br />

Aufhören! Jetzt spinnt er aber wirklich, der Alte!<br />

Karl Lüönd<br />

Erfolgreiche Auftritte brauchen Raum.<br />

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Wir planen und realisieren unverwechselbare Markenwelten<br />

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Unsere räumlichen Kommunikationslösungen überzeugen<br />

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Jubiläumsausgabe <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Werbewoche</strong> | 30.08.2013 11<br />

<strong>Werbewoche</strong>: <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong> – ein Gedicht<br />

Ein Mensch, der soll bald <strong>40</strong> werden<br />

denkt an alle Pein der Erden.<br />

An goldnen Schuss, Strick, Sprung und Stich<br />

denn <strong>40</strong> sein ist fürchterlich!<br />

Ein weisses W in rotem Kreis<br />

schwarz «werbe», weiss die «woche».<br />

So kennt man Dich, Du führst aufs Gleis<br />

jede zweite Woche.<br />

Ölkrisis und Chileputsch<br />

waren keine Gaudi.<br />

Doch wer etwas auf sich hielt<br />

fuhr einen 80er-Audi.<br />

All die Falten, alles hängt<br />

die Augen sehen schlechter<br />

und wenn man es ganz recht bedenkt<br />

hilft da nur noch der Schächter.<br />

Top 1, Top 2, Bericht, Kritik,<br />

werden schon erwartet.<br />

Gemotz und Köpfe, Überblick<br />

– ohne niemand startet.<br />

Knapp 20 <strong>Jahre</strong> warst Du alt<br />

bekam das Internet Gestalt.<br />

Nur mit papiernen Sachen<br />

war nicht mehr viel zu machen.<br />

Doch ist man eine kluge Zeitung<br />

mit einer anständgen Verbreitung<br />

stimmt Auflage nebst Leserzahl<br />

ist <strong>40</strong> nicht das Jammertal.<br />

Picasso starb, so auch der Lee<br />

und Du wurdest geboren.<br />

Erfolg brachten über die Jahr’<br />

Au-, Lek- und Redaktoren.<br />

So wirst Du heute noch gedruckt<br />

doch auch getwittert, facegebookt.<br />

Im Internet ist sowieso<br />

alles Wissen en plateau.<br />

Denn ist man voll mit Druckbuchstaben<br />

an denen sich die Leser laben<br />

ist jeder Tag der Existenz<br />

ein Fest, Gewinn – und Drucklizenz.<br />

Vor <strong>40</strong> Jahrn war Watergate<br />

Deutschland bekam «Die Maus»,<br />

Eröffnet wurde auch World Trade,<br />

das erste Handy kam heraus.<br />

Schwarz-weiss und Farbe, Ups und Downs<br />

hast alles überlebt.<br />

Wer weiss, was kommt, die nächsten Jahr’<br />

doch Qualität besteht.<br />

Man sieht Dein Alter keine Spur<br />

dafür aber das Wissen,<br />

die Falten sind vom Blättern nur<br />

und man will Dich nicht missen.<br />

Die Stones zeigten den Bernern<br />

wie rocken richtig geht,<br />

und Eltons «Krokodile»<br />

schnappten im Radiogerät.<br />

Ich wünsche Dir zum Wiegenfeste<br />

Energien ohne Ende,<br />

Ideen, Standkraft und viel Mut<br />

im journalistischen Gelände.<br />

Anne-Friederike Heinrich,<br />

freie Mitarbeiterin der<br />

<strong>Werbewoche</strong>, ist unter die<br />

Dichterinnen gegangen.<br />

SWA:<strong>Werbewoche</strong> = 63:<strong>40</strong><br />

Der 63-jährige SWA gratuliert der <strong>40</strong>-jährigen <strong>Werbewoche</strong> von Herzen.<br />

Bleibt dran an den News, Facts, VIPs und allem Weiteren über den Schweizer Werbemarkt.<br />

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Noch nicht Mitglied? E-Mail an info@swa-asa.ch − Informationen unter www.swa-asa.ch


12<br />

Jubiläumsausgabe <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Werbewoche</strong> | 30.8.2013<br />

Liebe <strong>Werbewoche</strong>,<br />

zum Geburtstag viel Glück!<br />

Statt zu motzen, was sonst die Idee meiner Kolumne ist, erzähle ich heute schräge Episoden aus der<br />

Werbung von früher.<br />

Theophil Butz vor <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong>n, CD bei TBWA in Paris. Heute<br />

Inspirator und seit über zwei <strong>Jahre</strong>n auch regelmässiger<br />

Motzer für die <strong>Werbewoche</strong>. In dieser Kolumne mit<br />

Erinnerungen an die damalige Werbewelt.<br />

Vor <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong>n veröffentlichte Herr Thierling mit<br />

Courier beschriebene, oben links mit Bostich<br />

zusammengeheftete A4-Blätter mit dem Titel «Werbe-Woche»,<br />

eine Fachzeitschrift über die Schweizer<br />

Werbung.<br />

Foto: Ernst Wirz<br />

Zu der Zeit war ich Creative Director Art bei<br />

TBWA in Paris. Nach Vertrag sollte ich alle zwei<br />

<strong>Jahre</strong> in einer andern Filiale arbeiten. Ich war damals<br />

schon im vierten Jahr glücklich tätig. Uli Wiesendanger<br />

hat das aber erst zwei <strong>Jahre</strong> später bemerkt.<br />

Die Werbewelt war auf vollen Touren. Ich drehte<br />

eine Woche lang einen Spot für Fidji Parfums weltweit<br />

mit zwei Kameramännern (unter Wasser und<br />

über Wasser) auf einer Karibik-Insel mit drei Palmen<br />

und einem US-Model zu $ 12 000/Tag.<br />

Zwei Commercials für Drakkar After Shave drehten<br />

wir mit Ridley Scott (ja der). Für einen Samsonite-Spot<br />

drehten wir mit dem US-Regisseur Lee Lacy<br />

in einem Zirkus in Genua mit speziell auf unsere<br />

Bedürfnisse hin dressierten Elefanten. Dafür gab’s<br />

in Cannes einen Silberlöwen. Die Shortlist-Präsentation<br />

dauerte damals höchstens zwei Stunden, also<br />

etwa so kurz wie die <strong>Werbewoche</strong> dünn war.<br />

Vor <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong>n war eben alles anders. Die Werberinnen<br />

und Werber trugen noch nicht schwarz. Der<br />

Art Directors Club existierte in der Schweiz noch<br />

nicht. Budgetprobleme dank 17,65 Prozent auch<br />

nicht. Und auch Angsthasen-Werbung nicht.<br />

Hier ein paar Erinnerungen aus der damaligen<br />

Zeit: Internationale Meetings für Fiat fanden am<br />

Hauptsitz in Turin statt. Ab 11 Uhr ging’s los mit<br />

Kaffee und Small Talk. Um 11.30 wurde präsentiert.<br />

Von TV-Spots über Blick-Doppelseiten bis<br />

zum Wimpel für die Händler. Keine Korrekturen.<br />

Alles i.O. Um 13 Uhr warteten die Autisti mit den<br />

neuesten Supermirafiori vor dem Gebäude, und ab<br />

ging’s in Ristorante Gatto Nero. 12 bis 15 Gänge,<br />

Weiss- und Rotwein, Kaffee und Grappa. Um 16.30<br />

Uhr Arrivederci und ab auf den Flieger von Linate<br />

nach Zürich. So war’s. Fragen Sie Pierre C. Meier, er<br />

war als Beratungs-Chef und Partner von BSSM mit<br />

von der Partie. Ausplaudern möchte ich noch, dass<br />

Pierre seinen Attaché-Koffer beim Check-in stehen<br />

liess. Am nächsten Tag erfuhren wir aus Milano,<br />

dass dadurch Linate wegen Bombenalarm für<br />

Stunden geschlossen war.<br />

In noch früheren Zeiten konnte ich bei GGK Düsseldorf<br />

mit Wolf Rogosky die Jägermeister-Kampagne<br />

gewinnen. Die ersten <strong>40</strong> «Ich trink Jägermeister<br />

weil...»-Sujets erschienen mit grünem Hintergrund.<br />

Underberg hat sich darauf beim Kräuterliqueur-<br />

Chef Günter Mast über den Missbrauch der Farbvereinbarungen<br />

(Underberg grün, Jägermeister orange)<br />

beschwert. Über Masts Sekretärin konnten wir<br />

dann erfahren, dass dieser farbenblind war. Also<br />

wählte ich anstelle des grünen Hintergrunds einen<br />

dunkelbraunen. «Ja, ja, jetzt entspricht dies genau<br />

dem CI der Hausfarbe knallorange.» Mast war zufrieden.<br />

Der zuständigen, sechsköpfigen Behörde von<br />

Hannover habe ich den Roten Faden an Ort und<br />

Stelle in der Innenstadt vorgezeichnet. Der Kommunarde<br />

Harry Rowohlt hat den Text dazu geschrieben<br />

(soll heute noch existieren).<br />

Für die Philip-Morris-Skyline-Kampagne fand<br />

ich bei einer «Image Bank» in New York unter Tausenden<br />

von Dias (das sind so 24x36 mm grosse<br />

durchsichtige Celluloidfelder in einem Kartonrahmen)<br />

ein Bild, aufgenommen mit einer Teleobjektivlinse<br />

hinter der Library, so dass sie zwischen den<br />

Twin Towers stand. Das Top-Management in New<br />

York beschwerte sich, dass die Werbung nicht der<br />

Realität entspreche. Der Marketing Director schickte<br />

mich nach New York, um das Dia – somit den<br />

Beweis für den «Nicht Fake» – zu holen. «Ich brauche<br />

es aber in drei Tagen.» Meine Chance: Ich flog<br />

mit der Concorde von Air France hin und mit der<br />

Swissair wieder zurück.<br />

Schaut man so zurück, dann hat sich in <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong>n<br />

tatsächlich viel verändert, oder vieles gibt es gar<br />

nicht mehr. Um doch noch einen Motz anzubringen:<br />

Es hat sich aber nichts ins Positive verändert.<br />

Ich wünsche der <strong>Werbewoche</strong> viele weitere erfolgreiche<br />

<strong>Jahre</strong>.<br />

Mein Aufsteller der Woche war das Überholmanöver<br />

von Heino Vettel in der Eau Rouge gegen Hamilton<br />

in der ersten Runde ohne DRS.<br />

Theophil Butz<br />

A608895<br />

Viel Erfolg!<br />

Tolle Leistung<br />

Hoch!<br />

Hoch!<br />

Hoch!<br />

Wir gratulieren der <strong>Werbewoche</strong> zum <strong>40</strong>-Jahr-Jubiläum<br />

Vergnügen Glückwunsch


ANN LUXUS<br />

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Luxe wird zur<br />

Männersache.<br />

Erscheinungsdatum:<br />

25.9.13<br />

Anzeigenschluss:<br />

4.9.13<br />

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mytamedia.ch


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Jubiläumsausgabe <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Werbewoche</strong> | 30.8.2013<br />

Werben und sterben<br />

Seit <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong>n werben Medien in der <strong>Werbewoche</strong> um Inserenten. Die meisten mit Erfolg. Andere wiederum sind<br />

trotz Werbung von der Bildfläche verschwunden. Zum Jubiläum laden wir Sie ins <strong>Werbewoche</strong>-Archiv ein: zu<br />

einem medialen Friedhofsbesuch und zu einer Jugendbilder-Ausstellung.<br />

Der Schweizer Medienfriedhof ist gross, die Liste<br />

der Titel entsprechend lang. Die Inserate auf diesen<br />

beiden Seiten zeigen eine kleine Auswahl davon<br />

und bilden einen willkürlichen Querschnitt. Wirklich<br />

gestorben sind nicht alle – einige haben fusioniert,<br />

bekamen neue Besitzer und neue Namen.<br />

So gehören beispielsweise die Luzerner Neuste<br />

Nachrichten, die National-Zeitung und das Aargauer<br />

Tagblatt eigentlich nicht auf einen Medienfriedhof<br />

im klassischen Sinne. Grösstenteils handelt es<br />

sich aber um echte «Medienleichen », deren Titel uns<br />

heute noch bestens präsent sind. Der betrachtete<br />

Zeitraum beschränkt sich dabei aus Platzgründen<br />

auf die 70er- und 80er-<strong>Jahre</strong>.<br />

Dass Inserieren in der <strong>Werbewoche</strong> in den vergangenen<br />

Jahrzehnten vielen Titeln aber Erfolg und<br />

Wachstum bescherte, zeigt die nächste Doppelseite.<br />

Die meisten unserer Werbekunden erfreuen sich<br />

heute den Umständen entsprechend guter Gesundheit,<br />

blicken auf ein langes Medienleben zurück und<br />

haben mittlerweile ein Alter erreicht, von dem die<br />

<strong>Werbewoche</strong> vorerst nur träumen kann. Wir freuen<br />

uns, mit Ihnen zusammen die nächsten <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong> in<br />

Angriff zu nehmen.<br />

Thomas Häusermann<br />

Die linksliberale National-Zeitung (1976) fusionierte 1977 mit den<br />

bürgerlich-konservativen Basler Nachrichten zur heutigen Basler<br />

Zeitung.<br />

Annette (1974): Der Ringier-Titel erschien lediglich zwei <strong>Jahre</strong>,<br />

von 1973 bis 1975. Das Bundesgericht bestätigte eine Klage der<br />

Annabelle, wonach der Name «Annette» Markenrecht verletzte.<br />

LNN (1974): Die Zeitung Luzerner Tages-Anzeiger wurde 1918 in<br />

Luzerner Neuste Nachrichten unbenannt und fusionierte 1995 mit<br />

der Luzerner Zeitung zur Neuen Luzerner Zeitung.<br />

Sport (1974): Fast 80 <strong>Jahre</strong> lang erschien das ehemalige Organ<br />

verschiedener Sportverbände, ehe es 1999 von der Basler Mediengruppe<br />

eingestellt wurde.<br />

Die Tat (1977): 1978 wurde die von der Migros herausgegebene<br />

Tageszeitung nach einem Streik, dem unter anderem die Absetzung<br />

von Chefredaktor Roger Schawinski vorausging, eingestellt.<br />

Frau/Flair (1979): Die Zeitrschrift Frau wurde im Zeitraum von 1947<br />

bis 1980 von der Albis Vertriebsgesellschaft herausgegeben.


Jubiläumsausgabe <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Werbewoche</strong> | 30.8.2013 15<br />

Züri Leu (1979): 1982 erwarb die Tages-Anzeiger AG die Titelrechte<br />

des erfolgreichen, kostenlosen Wochenblatts und stellte es ein.<br />

Unter dem Namen Züri Woche erschien die Zeitung weiter bis 1999.<br />

Und einige habens dennoch nicht geschafft: Meyer‘s Modeblatt<br />

(1982) wurde 2002 eingestellt. Es wurde 1924 unter dem Namen<br />

Meyer Schweizer Frauen- und Modeblatt gegründet.<br />

Das Gelbe Heft (1983): 1922 unter dem Namen Ringiers Unterhaltungsblätter<br />

gegründet, existierte Das Gelbe Heft ab 1979 und<br />

wurde 1996 unter dem Titel Schweizer Woche eingestellt.<br />

Voilà (1985): Gedacht als «Annabelle für Junge», wurde das 1983<br />

gegründete Frauenmagazin vom Tages-Anzeiger-Verlag nur zwei<br />

<strong>Jahre</strong> später wieder eingestellt.<br />

Magma (1986): Der Lifestyle-Titel existierte nur zweieinhalb<br />

<strong>Jahre</strong> und verschwand 1987 von der Bildfläche – trotz steigender<br />

Verkaufszahlen, wie es im Abschiedseditorial hiess.<br />

Neues Sonntags-Blatt (1986): Der Titel wurde 1986 gegründet und<br />

vereinte mehrere regionale Titel. 1987 war Schluss, weil die Berner<br />

Zeitung ausstieg und die Lücke nicht geschlossen werden konnte.<br />

PRO (1987): Die nach eigenen Angaben grösste Familienzeitschrift<br />

der Schweiz verschwand Ende 2004 von der Schweizer Medienbühne.<br />

Aargauer Tagblatt (1987): 1996 fusionierte die damals grösste<br />

Zeitung des Kantons mit dem Badener Tagblatt zur Aargauer<br />

Zeitung.<br />

Radio Z (1987): Die Zukunft gehörte einem anderen Sender: 2003<br />

wurde Radio Z zu Energy Zürich. Die Umbenennung erfolgte auf<br />

Grund der Beteiligung der Pariser NRJ Group.


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Jubiläumsausgabe <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Werbewoche</strong> | 30.8.2013<br />

Der SonntagsBlick (1974) war die erste Schweizer Sonntagszeitung<br />

mit eigenständiger Redaktion und separater Anzeigenbewirtschaftung.<br />

Erschienen ist der Titel zum ersten Mal 1969.<br />

Heinz und Vreni zogen erst 1975 <strong>Jahre</strong> nach Herrliberg -<br />

die Zürichsee-Zeitung bewohnt die Seeregion schon seit über<br />

160 <strong>Jahre</strong>n.<br />

Die Annabelle wurde 1938 gegründet und gilt als älteste typische<br />

Frauenzeitschrift im deutschsprachigen Raum. Daran ändert auch<br />

das Spargel-Sujet von 1978 nichts.<br />

Seit 1959 beglückt der Blick die Schweiz mit Boulevardjournalismus<br />

– seit 1979 die Werbewirtschaft mit vierfarbigen Inseraten.<br />

Die NZZ wies in vielen Inseraten von damals stolz auf ihre elitäre<br />

Leserschaft hin. Für einmal demonstrierte sie 1981 Volksnähe.<br />

1981 bedankte sich Der Landbote bei Herrn Gutenberg für die<br />

Drucktechnologie vergangener Tage und kündigte die Moderne an:<br />

Im Lichtsatz gesetzt, im Offset gedruckt.<br />

Die älteste Zeitung Graubündens feiert 2013 einen Relaunch und<br />

demonstrierte 1981 mit dem Claim «Ein Markt. Ein Medium», wer<br />

im Bünderland das Sagen hatte.<br />

Das Tages-Anzeiger-Magazin inserierte in der <strong>Werbewoche</strong> oft –<br />

und originell. 1983 beispielsweise mit der Kampagne, die<br />

bekannte Marken imitierte.<br />

Die kostenlose Wochenzeitung Baslerstab liess 1984 keine Zweifel<br />

aufkommen, dass alle Basler sie mögen. Erst seit 2002 wurde die<br />

ursprüngliche Inseratenzeitung um eine Redaktion erweitert.


Jubiläumsausgabe <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Werbewoche</strong> | 30.8.2013 17<br />

In die technologische Zukunft blickte die Schweizer Illustrierte<br />

1985 mit dem «Watch-Phone». Andere Sujets der Kampagne<br />

zeigten schwebende Autos und Weltraum-Kreuzfahrten.<br />

Der Tages-Anzeiger veröffentlichte 1985 zur Zürcher Informatik-<br />

Messe Logic das erste Computer-Extra – und suchte Inserenten,<br />

welche die «potenziellen Personal-Computer-Käufer» ansprechen<br />

wollten.<br />

Der Anfang der SonntagsZeitung 1987 war zum Glück nicht das<br />

Ende der <strong>Werbewoche</strong>. Das massgeschneiderte Inserat erschien im<br />

Jahr zuvor und kündigte ein Wochenende mit (Zeitungs-)<br />

Format an.<br />

HAPPY BIRTHDAY WERBEWOCHE!<br />

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18<br />

Jubiläumsausgabe <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Werbewoche</strong> | 30.08.2013<br />

Die Zukunft wird … famos!<br />

Text-Transmitter, eine Fernbedienung für die Welt, virtuelle Kunden und eine Lebensmittelreproduktionswellenmaschine.<br />

Wie sich Werber und Kommunikationsspezialisten die Welt von morgen vorstellen.<br />

Zum Geburtstag schwelgen wir nicht nur in Erinnerungen,<br />

sondern wagen auch einen Blick in die<br />

Zukunft. Oder besser gesagt: Wir haben andere für<br />

uns blicken lassen. Wenn jemand wissen sollte, wie<br />

die Werbe- und Kommunikationswelt in 10, 20, <strong>40</strong><br />

<strong>Jahre</strong>n aussehen wird, dann die Betroffenen selbst.<br />

Und es hat sich gelohnt. Wir wurden von intelligenten,<br />

witzigen, originellen und zuweilen etwas<br />

skurrilen Ideen überrascht. Ein wunderbares Geburtstagsgeschenk,<br />

vielen Dank! Bei diesen Aussichten<br />

freuen wir uns umso mehr darauf, die Branche<br />

auch künftig zu begleiten.<br />

Selbstverständlich werden wir in ferner Zukunft<br />

den Abgleich machen und die Prognosen auf ihre<br />

Treffgenauigkeit überprüfen. Die kühnsten Visionäre<br />

werden wir mit Lob überschütten.<br />

Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, wünschen wir<br />

bei der Zeitreise viel Spass!<br />

Isabel Imper<br />

Draftfcb/Lowe hat die Weltherrschaft übernommen<br />

80 <strong>Jahre</strong> <strong>Werbewoche</strong> und die Fernbedienung der Welt<br />

Hoi zämä! Hier sind Flavio und Dennis, und zu schen ins Gehirn einpflanzen konnte. Dieser<br />

Ehren des <strong>40</strong>-jährigen Jubiläums der <strong>Werbewoche</strong> Transmitter überträgt dann den Text, den man<br />

haben wir euch einen Artikel aus der Zukunft geschickt.<br />

Übrigens direkt von eurer Feier zum (ab 2017 kann man Handys mit dem Gehirn steu-<br />

denkt, grammatikalisch richtig auf das Brainphone<br />

80-jährigen Jubiläum (da lässt PCM ganz schön ern). Das Problem dabei war: Alles klingt plötzlich<br />

das Tanzbein schwingen!).<br />

so korrekt und man vermisste die Doofen.<br />

Also: Wir schreiben das Jahr 2053 und erzählen Der zweite Fehler im ersten Satz war das Wort<br />

euch gerne, wie der Alltag in den Agenturen in der «Agenturen». Es gibt keine Agenturen mehr. Es gibt<br />

Zukunft aussieht.<br />

nur noch eine Agentur auf der ganzen Welt.<br />

Und in diesem Satz waren schon zwei gravierende<br />

Fehler. Im Jahr 2053 schreibt niemand mehr. group in Wallisellen.<br />

Die Draftfcb Lowe Zurich Worldwide Super-<br />

Vor lauter Schreibhilfen auf ihren Smartphones Jetzt fragt ihr euch: Wie konnte so eine kleine,<br />

und Tablets und PCs sind die Menschen zu doof aber feine Agentur an solche Macht kommen? Ganz<br />

geworden, um selbst zu texten. Deshalb musste einfach: Wir haben die Fernbedienung für die Welt<br />

man Text-Transmitter erfinden, die man den Men-<br />

gefunden.<br />

Oder besser: Wir haben sie gedruckt. Das war so:<br />

Im <strong>Jahre</strong> 2016, also von eurer Zeitrechnung gar<br />

nicht so weit entfernt, haben wir mit unserem organischen<br />

3-D-Drucker ein Einhorn ausgedruckt.<br />

Was für ein kapitaler Fehler! Einhörner sind echte<br />

Arschlöcher. Das Vieh hat die ganze Agentur ruiniert<br />

und mit seinen Hufen sämtliche iMac-<br />

13-Computer in Staub verwandelt. Also haben wir<br />

wiederum das Einhorn in Salami verwandelt. Aber<br />

es befand sich noch Staub des Einhorns im 3-D-<br />

Drucker.<br />

Und das Nächste, was wir ausgedruckt haben, war<br />

eine Fernbedienung für einen alten Videorekorder,<br />

um alle Folgen von «Knight Rider» auf Video zu sehen<br />

(da ist die Qualität viel besser, das ist wie Schallplatte<br />

und CD!). Der magische Einhornstaub hat sich<br />

dann mit der Fernbedienung vermischt. Und heraus<br />

kam nun eben die Fernbedienung für die Welt.<br />

Was macht man jetzt mit so einem Ding? Ihr lest<br />

bestimmt in den anderen Artikeln hier, dass Online<br />

immer wichtiger wird. Ihr lest vom Untergang der<br />

Zeitung in zehn <strong>Jahre</strong>n oder so.<br />

Digital, digital, digital. Alles Quatsch. Im Jahr<br />

2019 hatten wir so die Schnauze voll vom Internet,<br />

dass wir es mit der Fernbedienung einfach abgeschaltet<br />

haben.<br />

Und plötzlich haben wir Menschen wieder Zeitung<br />

gelesen. Wir sassen morgens wieder in Cafés<br />

und wühlten uns durch die grossen Blätter. Kinder<br />

gingen wieder in den Wald und schnitzten sich Pfeil<br />

und Bogen selbst, statt auf einer App damit zu spielen.<br />

Man verliebte sich wieder am CD-Regal im Musikgeschäft.<br />

Menschen unterhielten sich plötzlich<br />

im Tram. Ein Jahr, nachdem das Internet abgestellt<br />

wurde, herrschte plötzlich … Weltfrieden (© Draftfcb<br />

Lowe Worldwide Supergroup)!<br />

Und ganz nebenbei, Agenturen verdienten wieder<br />

Geld. Was für ein herrlicher Zustand.<br />

Ihr könnt euch also auf die Zukunft freuen, und<br />

euch schon mal bei uns bewerben.<br />

Denn wir haben ja immer noch nicht geklärt, warum<br />

wir in <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong>n die einzige Agentur auf der<br />

Welt sind. Folgendes ist 2028 passiert: Ein Kunde<br />

wollte unbedingt mal die Fernbedienung ausprobieren.<br />

Dabei hat er leider alle anderen Agenturen ausgeknipst.<br />

Sorry.<br />

Lasst es krachen an eurem Jubiläum. Und da wir<br />

aus der Zukunft schreiben, wissen wir, ihr werdet<br />

euren Job auch weiterhin so gut machen! Herzliche<br />

Gratulation, Flavio & Dennis<br />

Text: Flavio Meroni und Dennis Lück (Draftfcb/Lowe)<br />

Illustration: Mich Hodler, Emptyage.ch


Jubiläumsausgabe <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Werbewoche</strong> | 30.08.2013 19<br />

Ein ganz normaler Tag bei Hinderling Volkart im Jahr 2053<br />

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Text und Foto: Michael Hinderling, Michael Volkart, Livio Dainese und Fernando Perez (Geschäftsleitung Hinderling Volkart)<br />

«An einem schönen Augusttag in gar nicht allzu ferner<br />

Zukunft stehe ich an meinem höhenverstellbaren Tablet-<br />

Pult von Jonathan Ive und wische durch das Webpaper der<br />

<strong>Werbewoche</strong>, die immer noch <strong>Werbewoche</strong> heisst, obwohl<br />

sie stündlich neu erscheint.<br />

Alles Gute zum Geburtstag, liebe <strong>Werbewoche</strong>.»<br />

Alexander Jaggy, Jung von Matt/Limmat


20<br />

Jubiläumsausgabe <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Werbewoche</strong> | 30.08.2013<br />

Ein kleiner Ausblick von Scholz&Friends<br />

Ein Tag wie jeder andere<br />

«Hast du die neue Pudding-Werbung von Bösch gesehen?»,<br />

fragt mich Sylvia.<br />

Da mir mein Therapeut zwei komplett medienfreie<br />

Tage verschrieben hat, habe ich das nicht. Sylvia zeigt<br />

mir das Hologramm:<br />

Eine junge Frau redet mit jemandem,<br />

den wir nicht sehen: Welch<br />

besonderes Vorbild sie war, und dass<br />

ihre Werte in der Familie bleiben.<br />

Bei diesen Worten kommt die kleine<br />

Tochter mit einer Packung Bösch-<br />

Pudding zur Mami. Die schüttet das<br />

Pulver in die Lebensmittelreproduktionswellenmaschine.<br />

Das Hologramm<br />

zeigt einen grösseren Ausschnitt,<br />

und wir sehen, wie die Oma<br />

vom Bildschirm ihrer Urne aus fröhlich<br />

winkt. Schliesslich holt die Mami den fertigen<br />

Pudding aus der LRW-Maschine, das Kind löffelt<br />

froh, Packshot.<br />

«Wer macht heute noch Hologramm-Werbung?»,<br />

fragt Sylvia.<br />

«In jeder anderen Form wäre das auch Mist», erwidere<br />

ich.<br />

Um 10:00 Uhr gehe ich hungrig in die Küche, aber<br />

natürlich sind schon alle Bananen weg. Stattdessen<br />

schütte ich Nektarinenpulver in die LRW-Maschine.<br />

Als ich die Frucht raushole und zubeisse, kommt die<br />

neue Strategin rein. Maria? Mia?<br />

«Guten Morgen, Jannik.»<br />

Marianne! Marianne muss es sein.<br />

«Morgen, Marianne.»<br />

Raúl kommt auch herein und begrüsst Marianne mit<br />

Lea. Zum Glück ist Lea eine Androidin der ersten<br />

Generation und deshalb nicht beleidigt.<br />

Später haben wir eine Konferenz. Statt über den bevorstehenden<br />

Pitch für YoDa-Lichtbrotmesser reden<br />

wir über die Pudding-Werbung.<br />

Victor, CD: «Die Idee hatte ich schon vor 20 <strong>Jahre</strong>n<br />

als Junior, und mein CD hat sie abgeschossen …»<br />

Raúl, Berater: «Früher war Werbung provokativ …»<br />

Sylvia, AD: «3-D ist ja so retro …»<br />

Lea, Androidin: «Aber es berührt mich schon emotional.»<br />

Ach, manche Dinge werden sich nie ändern, denke<br />

ich. Am Nachmittag steigen wir dann aber doch in<br />

den Pitch ein: Gemeinsames Brainstorming mit den<br />

Social-Sphere-Kollegen. Obwohl sie sich mit Bananen<br />

stärken, verläuft es etwas schleppend. Ich frage mich,<br />

warum. Bis sie kurz vor Ende des Meetings ihre<br />

Google Contact Lenses deaktivieren und fragen, ob<br />

es schon Ideen gibt.<br />

Kurz vor Feierabend haben wir eine Präsentation für<br />

Bio-Lebensmittel. Bio bedeutet, dass die Lebensmittel<br />

ohne LRW-Maschinen zubereitet werden. Es läuft<br />

sehr gut und wir haben ein gutes Gefühl. Zumal der<br />

Kunde positives Feedback gibt:<br />

«Das sind ein paar sehr gute Vorschläge», meint er.<br />

«Sie haben das wirklich gut gemacht.» Ich kann mir<br />

ein Lächeln nicht verkneifen.<br />

«Allerdings bin ich nicht sicher, ob die Verbraucher<br />

das verstehen. Machen Sie doch etwas, das emotionaler<br />

und familiärer wirkt.»<br />

«Was genau meinen Sie damit?», frage ich und versuche,<br />

mein Lächeln zu behalten.<br />

«Haben Sie diese neue Puddingreklame gesehen?»<br />

Avsar Yildiz und Wim Lanz (Scholz&Friends )<br />

Bereit für die Zukunft?<br />

Publicis macht die Probe aufs Exempel.<br />

Ammarkt bringt<br />

das WeWo-Abo an die Leser<br />

von Wim Roelfs, CD Publicis


37 <strong>Jahre</strong> musste Wirz<br />

auf die WerbeWoche<br />

warten.<br />

Seit <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong>n warten<br />

wir jede Woche* gespannt<br />

auf die nächste.<br />

*seit 2009 jede zweite<br />

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Seit 1936 und solange es noch Werbung gibt


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DIE AGENTUR<br />

FÜR SYNCHRONISIERTE<br />

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Die Zeitung der grössten Stadt der Schweiz*<br />

gratuliert zum Jubiläum.<br />

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1 Universität, 9 Fachhochschulen, 4 Flughäfen, 29 Theater,<br />

49 Kinos, 10 Zoos, 162 Museen, 2625 Restaurants und Bars.<br />

In der Nordwestschweiz leben 1,3 Millionen ziemlich<br />

urbane Menschen.<br />

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Jubiläumsausgabe <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Werbewoche</strong> | 30.08.2013<br />

25<br />

crBasel verspricht eine bombastische Zukunft<br />

80 <strong>Jahre</strong> WeWo – eine Vorschau ins Werbejahr 2053<br />

AIDS ist weltweit<br />

gestoppt.<br />

Geraucht wird<br />

eigentlich<br />

nicht mehr.<br />

Gedacht auch<br />

kaum. Geworben schon. crB<br />

bewirbt das neue Denkmal<br />

am Theater-Platz, das aus einer<br />

GROSSen, kahlen Schädelplatte<br />

besteht und dem einzigen Zürcher<br />

gewidmet ist, der es in Basel je zu etwas brachte:<br />

dem legendären FCB-Trainer der Jahrtausendwende.<br />

crB agiert weltweit und bewirbt die Fasnacht<br />

für ferne Heimweh-Basler – macht also für etwas<br />

Werbung, das gar keine braucht – eines der grossen<br />

Geheimnisse aller erfolgreichen Werbung. crB hat<br />

auch in der Grafik eine grosse Retro-Welle ausgelöst:<br />

Es wird wieder von Hand gezeichnet, gemalt, retouchiert,<br />

die Fast-Design-Welle ist vorbeigeschwappt.<br />

Eine herrliche Zeit für Werber. Nie zuvor waren<br />

die Zielpublika so klar segmentiert: Die grösste Zielgruppe<br />

bilden mit über 50% die Alten. All die künstlichen<br />

Gelenke, die Hörgeräte, die Seh-, Geh- und<br />

Steh-Hilfen für Beine und dazwischen Baumelndes!<br />

Dank Senkung des Rentenalters auf 50 und Anhebung<br />

des durchschnittlichen Sterbezeitpunkts auf<br />

120 konnte dieses ZP-Segment elegant vervielfacht<br />

werden. Die Schweiz hat sich geöffnet und erstmals<br />

einen Bundesrat, dessen Familie vor erst gerade 300<br />

<strong>Jahre</strong>n aus dem Elsass eingewandert ist. Basel, wie<br />

immer fortschrittlicher als der Rest der Schweiz, hat<br />

mit Eduardo sogar schon einen Obama-farbenen<br />

Grossrat, was die Farbdrucker der Werbetreibenden<br />

zu Höchstleistungen anspornt.<br />

Das zweitgrösste Segment des ZP-Kuchens sind<br />

mit 45% die Sozialhilfe-Empfänger. Ein wundervolles<br />

Publikum, das völlig unbelastet von Einkommenssorgen<br />

mit vollen Händen ausgeben kann, was<br />

die 5% Arbeitstätigen erwirtschaften. Endlich hat<br />

sich die gewerkschaftliche Sicht durchgesetzt, dass<br />

Arbeit etwas zu Vermeidendes ist und der wahre<br />

Mensch zu Höherem geboren ist: zum ruhigen, vor<br />

sich hindämmernden Dasein. Unser Traumkunde<br />

hat – wie die Alten – den ganzen Tag Zeit, unsere<br />

Werbung zu konsumieren. Da sein Verstand nicht<br />

mehr durch den Arbeitsalltag belastet wird, glaubt<br />

er auch eher, was wir Werber ihm erzählen. Er wird<br />

120, weil er unsere Tipps aus der Gesundheitskampagne<br />

sklavisch befolgt, Risiken scheut wie der Teufel<br />

das Weihwasser und es den Werbern überlässt,<br />

tief ins Glas zu schauen. Er eignet sich haufenweise<br />

Berufsbildung an, ohne je einen auszuüben. Und es<br />

käme ihm nicht im Traum in den Sinn, schwarz zu<br />

arbeiten – dafür gibt's ja Schwarze …<br />

Die Aussichten sind rosig und das einzige Wermutströpfchen<br />

ist vielleicht, dass weder die crB noch<br />

die <strong>Werbewoche</strong> dannzumal noch private Firmen<br />

sind – weil es 2053 keine privaten Firmen mehr gibt.<br />

Die Ironie liegt ja darin, dass der Sozialismus alle<br />

Privatfirmen verstaatlicht und dann pleite geht – und<br />

im Kapitalismus alle Privatfirmen pleite gehen und<br />

dann verstaatlicht werden. Es zeigt sich, dass Letzteres<br />

zuerst passieren wird. Wie auch immer: diese hübschen<br />

Zukunftsszenarien sind kein<br />

Grund, der WeWo nicht zum tapferen<br />

Erreichen der Halbwertszeit herzlich<br />

zu gratulieren.<br />

Peter Frey (Managing Director<br />

crBasel Werbeagentur)<br />

Maxomedia macht auf Endzeitstimmung<br />

Wirz fängt Protest aus der Zukunft ab<br />

Das Ende naht mal wieder.<br />

Es ist eine dramatische Entwicklung im Gange. So dramatisch, dass viele von uns die kommenden<br />

<strong>Jahre</strong> nicht überleben werden. Und das Dumme daran: Es gibt kein Zurück.<br />

Was ist passiert?<br />

Werbung hat in den vergangen Jahrzehnten stets versucht, einem Produkt – von dessen<br />

Existenz die Werber bis anhin oft nicht einmal ahnten – den Weg in den Besitz der Kunden<br />

zu erleichtern. Man hat geschaut, was an diesem Ding so dran war, hat etwas gefunden und<br />

davon erzählt; in der Tendenz leicht euphemistisch. Das war leicht. Nur leider ist dieses<br />

Modell längst aufgeflogen: Menschen wollen keine Werbung und sie misstrauen ihr. Und<br />

das Dumme daran: Es gibt kein Zurück.<br />

Wo stehen wir?<br />

Was tun? Es scheint, es wird schwieriger. Aber wir haben verstanden: Einzelne Menschen<br />

durch einen Produktvorteil überzeugen? Ein Anachronismus, so geht’s nicht weiter. Werbung<br />

muss dem Gegenüber etwas bringen. Es soll mit ihr spielen können. Darum haben wir<br />

damit begonnen, die Geschichte zum Produkt offen zu gestalten, keine mehr zu erzählen,<br />

sondern eine zu ermöglichen.<br />

Wer aber derlei Geschichten entstehen lassen will, braucht Erzähler – aktive und viele.<br />

Die gibt es dank Social Media natürlich längst. Fortan werben die Umworbenen mit uns und<br />

für uns. Aber nur so lange, bis sie merken, dass sie instrumentalisiert wurden. Und das<br />

werden sie.<br />

Darum ist die momentane Lösung bloss ein Pyr rhus sieg. Ein weiterer Schritt auf dem<br />

Weg, der uns unweigerlich ins Verderben führt. Die Retter von heute sind es, die uns morgen<br />

arbeitslos machen. Und das Dumme daran: Es gibt kein Zurück.<br />

Was können wir tun?<br />

Die neue Lösung: Zusammenrücken und radikale Offenheit. Hierarchiekrusten werden zerschlagen;<br />

innerhalb und ausserhalb der Agentur, die Tore gehören geöffnet. Jeder kann<br />

mitmachen, totale Partizipation. Werber setzen sich mit Produktentwicklern zusammen und<br />

erschaffen Produkte, die keine Werbung mehr brauchen, weil sie derart besitzenswürdig sind,<br />

dass sich das Produkt von selbst vermarktet. Co-Creation von Laien und Profis ist jetzt Alltag.<br />

Bloss, geniale Dinge partizipativ herstellen und vertreiben, das gibt es längst. Eine Herde<br />

von Open-Sourcelern und Fundraislern tut das bekanntermassen seit <strong>Jahre</strong>n – ganz ohne<br />

Agenturbombast. Leichtfüssiger, aktiver und bald besser. Die gelobte Partizipation ist des<br />

Werbers Grab von morgen. Und das Dumme daran? Es gibt kein Zurück.<br />

Urs Ander (Texter/Konzepter Maxomedia)<br />

Fiktives Statement von Alex (24),<br />

Student, 2024<br />

«Wir richten uns strickt gegen jegliche<br />

Arten des Social Network. Der<br />

Grund dafür sind die unhaltbaren<br />

Werbefluten auf virtuellen Plattformen,<br />

auf welchen wir uns immer<br />

gerne aufgehalten hatten. Gerade<br />

unsere Lieblingsseiten wie Facebook<br />

oder Youtube entwickeln sich<br />

immer mehr zur Zielscheibe wahlloser<br />

Produktplatzierungen. So<br />

haben wir begonnen, jede dieser<br />

werbeverseuchten Pages öffentlich<br />

zu boykottieren. Der Auslöser<br />

dieses Shitstorms war ein<br />

16- sekündiger Coca-Cola-Spot im Jahr 2013, welcher vor<br />

beinahe jedem YouTube-Video reingeschissen kam. Wir sind<br />

echt total angepisst! Wir fordern ein Umdenken der Werbung<br />

allgemein! Kampf der Werbefluten! Unsere Plattformen gehören<br />

uns!»<br />

#youtubesucks #bannerhater<br />

Katrin von Niederhäusern und Valentin Mattes<br />

(beide in Ausbildung bei Wirz)


A612845


Jubiläumsausgabe <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Werbewoche</strong> | 30.08.2013<br />

27<br />

Infel testet Ihre Zukunftstauglichkeit<br />

Notch Interactive schickt Werber Don Futuro ins Rennen<br />

Hilfe, mein bester Freund ist ein Kühlschrank.<br />

Spätestens im <strong>Jahre</strong> 2030 ist ein Chip so leistungsfähig wie das menschliche<br />

Gehirn. Outernet (Zusammenführung von virtueller und realer Welt) und das<br />

Web der Dinge (alle Objekte mit IP-Adresse) werden routinemässig in der<br />

Werbung eingesetzt. 5-D-Werbung (alle Sinne) wird von Kunden allgemein<br />

geschätzt, ebenso wie die Beachtung ethischer und umweltverträglicher Gesichtspunkte.<br />

Der Einsatz von Parallelwelten (Gamification) findet grosse<br />

Verbreitung.<br />

Schauen wir doch in den Alltag eines Werbers im <strong>Jahre</strong> 20<strong>40</strong> und nennen<br />

ihn Don Futuro: Don wird morgens durch sanfte Musik geweckt, in welcher<br />

zudem sein Mantra für Gesundheit und Geschäftserfolg mitschwingt. Er begibt<br />

sich ins Bad und wird von seinem Spiegel begrüsst. Dieser macht ihn darauf<br />

aufmerksam, dass heute mit starker Sonnenstrahlung zu rechnen ist und<br />

empfiehlt ihm die Gesichtscreme mit UV-Faktor 85. Nach Dons Morgentoilette<br />

begibt er sich zum Kühlschrank, welcher ihn sofort scannt und ihm rät,<br />

heute und in den nächsten Tagen ein proteinreiches Frühstück zu sich zu<br />

nehmen. Zudem hat er noch einen Diskussionspunkt betreffend Vorräte: Von<br />

drei verschiedenen Anbietern liegen ihm Birchermüesli-Angebote vor und das<br />

Device müsste heute noch nachbestellen. Don entscheidet sich für die lokale<br />

Marke.<br />

Schliesslich begibt er sich in sein Gefährt. Es gibt Neuigkeiten: die Fahrt<br />

wird staufrei und sein erster Termin hat sich um eine halbe Stunde verschoben.<br />

Im Meeting angekommen, widerfährt ihm ein Missgeschick und er schüttet<br />

Kaffee auf sein Hemd. Zum Glück trägt er das Smarte: dieses informiert ihn,<br />

wie der Fleck unmittelbar am Besten entfernt wird. Vor lauter Schreck hat er<br />

den Namen des Kunden vergessen. Seine Brille gibt ihm die nötigen Informationen<br />

und die Peinlichkeit bleibt ihm erspart. Das Thema der Sitzung ist die<br />

Zielgruppe für die Kampagne: Es handelt sich um ein heterogenes Klientel der<br />

besonderen Art, da die Hälfte der anzusprechenden Kunden virtuell ist und<br />

die Milieus stark variieren.<br />

Am Nachmittag erhält er eine Botschaft von seinem Sonnendach zu Hause:<br />

Lokaler Platzregen und starke Winde aus Westen in Sicht! Don beschliesst, das<br />

mit seinen Freunden geplante BBQ in ein Dinner umzuwandeln. Sein Kühlschrank<br />

beruhigt ihn, dass alles Nötige für ein gelungenes Gulasch vorhanden<br />

wäre. Gleichzeitig erfährt er von seinem Steamer, dass der Wildreis pünktlich<br />

um acht gar ist.<br />

Bevor er das Gebäude verlässt, stellt ihm sein Team die neue Kampagne für<br />

die Hotelkette Stratos vor. Grundsätzlich ist er mit der 5-D-Kommunikation<br />

zufrieden, wobei Haptik und Düfte noch verbessert werden müssen.<br />

Dann steigt er in sein Gefährt und wird nach Hause gefahren. Dons Vehikel<br />

macht ihn auf die Werbung der eigenen Automarke aufmerksam, welche neue<br />

Modelle mit grossem Eintauschrabatt anbietet. Sein Kühlschrank rät ihm davon<br />

ab.<br />

Peter A. & Willem G. van der Touw (Notch Interactive)


28<br />

Vom «geheimen Verführer»<br />

zum Rad der Wirtschaft<br />

«Früher hat die Kontinuität eine grössere Rolle gespielt», meint Jost Wirz zum Verhältnis einer Werbeagentur zu<br />

ihren Kunden. Was sich sonst noch verändert hat in den letzten <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong>n, erklärt der Patron der Pionier-Agentur<br />

Wirz in einem rückblickenden Interview.<br />

WW: Können Sie sich noch an Ihren ersten Job in der Werbung<br />

erinnern?<br />

Jost Wirz: Ja, denn dieser Auftrag hat damals einen<br />

ziemlichen Wirbel ausgelöst. In den 50er-<strong>Jahre</strong>n<br />

kam das erste Coca-Cola in die Schweiz. Die Agentur<br />

meines Vaters war mit der Einführungskampagne<br />

für unser Land beauftragt. Ich durfte als kleiner Bub<br />

in meiner Pfadfinderuniform und mit einem Coke<br />

in der Hand als Modell für ein Plakat posieren. Die<br />

Kampagne ist aber nicht überall gut angekommen.<br />

Es gab damals grosse Widerstände gegen dieses ungesunde<br />

«Amerikanerzeugs».<br />

Später haben Sie die Agentur von Ihrem Vater übernommen.<br />

Was waren Ihre Träume 1973, als die <strong>Werbewoche</strong><br />

gegründet wurde?<br />

Mein Traum war, dass es unserer Unternehmung<br />

weiterhin gut geht, dass wir unsere Position im<br />

Schweizer Markt festigen können oder ausbauen. In<br />

diesen <strong>Jahre</strong>n sind auch die ersten Ansätze entstanden<br />

für integrierte Kommunikation. Man konnte<br />

spüren: Eine Werbeagentur ist gut und recht, aber es<br />

gibt noch andere Disziplinen, die man berücksichtigen<br />

sollte. Es war sicher auch ein Traum von mir,<br />

dass wir aus dieser Ecke der Reklameberatung<br />

heraus kommen und zu einem umfassenden Anbieter<br />

von Kommunikationsdienstleistungen werden.<br />

Später folgte die Vision, dass auch ich einmal den<br />

Generationenwechsel erfolgreich hinter mich bringen<br />

kann. Mein Plan war, dass unser Geschäft mich<br />

selbst überlebt.<br />

Das war auch eine Verantwortung.<br />

Das ist etwas, was mich heute ausserordentlich befriedigt:<br />

dass es gelungen ist. Obwohl es nicht in der<br />

Familie möglich war, aber doch mit Menschen, die<br />

mir sehr nahe stehen. Für mich ist es sehr wesentlich,<br />

dass die Firmen jenen gehören, welche die tägliche<br />

Arbeit machen und in den verantwortungsvollen<br />

Positionen sind.<br />

Was würden Sie heute den Gründern einer Agentur raten?<br />

Gegründet habe ich unsere Agentur ja nicht. Aber<br />

ich habe das Geschäft weitergeführt und das würde<br />

ich sicher wieder machen. Man muss ein Stück weit<br />

angefressen sein. Man muss mehr als Freude haben<br />

an der Kommunikation und dem, was man macht.<br />

Das sagen zwar die Vertreter aller Berufe. Aber bei<br />

uns ist speziell wichtig, dass man sehr viele Interessen<br />

hat. Man muss sich für praktisch alles interessieren,<br />

was auf dieser Welt passiert, vor allem auch<br />

im kulturellen Bereich. All das sind Einflüsse, die<br />

auf die Kommunikation einwirken. Also man muss<br />

ins Theater gehen, ins Kino, man muss ein Newsjunkie<br />

sein im Sinne von Konsumieren von Medien.<br />

Man muss viel aufnehmen. Alles, was man nachher<br />

an neuen Ideen schafft, ist ja nur ein ungewohntes<br />

Arrangieren von bestehenden Elementen zu noch<br />

nie da gewesenen Lösungen.<br />

Gibt es auch etwas, das Sie lieber vergessen möchten?<br />

Ich habe ein traumatisches Erlebnis in Erinnerung.<br />

Das liegt zum Glück weit zurück. Ich war damals<br />

Berater für unseren Kunden Roco. Diese Konservenmarke<br />

hat jeweils vor Weihnachten eine Verkaufskonferenz<br />

organisiert. Dazu sind etwa 25 Vertreter<br />

aus der ganzen Schweiz zusammengekommen. Wir<br />

haben ihnen die neue Werbung für das nächste Jahr<br />

vorgestellt. Dabei hatten wir eine vermeintlich gute<br />

Idee. Warum weiss ich nicht mehr, aber auf jeden<br />

Fall haben wir eine kleine Show abgezogen. Zuerst<br />

liessen wir die «Kleine Nachtmusik» von Mozart ertönen.<br />

Das wäre noch gegangen. Aber anschliessend<br />

haben wir ein Fotomodell in einem leichten Negligé<br />

auf der Bühne tanzen lassen. Angezogen zwar, aber<br />

sexy. Das ist dem erzkatholischen Generaldirektor<br />

der Roco so wahnsinnig negativ eingefahren, dass er<br />

uns auf der Stelle zum Teufel jagte. Ein Riesendebakel.<br />

Aber typisch für die Zeit: der Patron hat uns<br />

noch einmal eine Chance gegeben. So mussten wir<br />

am 2. Januar erneut antraben mit einer überarbeiteten<br />

Präsentation.<br />

Sie haben also den Job von der Pike auf gelernt?<br />

Ausbildung, das ist ein wichtiges Stichwort. Früher<br />

sind die Berater von Wirz immer mit Aussendienstleuten<br />

eine Woche lang auf Piste gegangen. Auch ich<br />

bin mit einem Roco-Vertreter von Laden zu Laden<br />

gezogen und habe Ravioli verkauft. So konnte ich<br />

sehen, wie schwierig es ist, überhaupt in den Handel<br />

reinzukommen. Man lebt ja als Werber manchmal<br />

so weit weg von der Front. Man hat die folgende<br />

Vorstellung: Wir machen ein gutes Inserat oder einen<br />

guten Spot und dann klingeln die Kassen. Was<br />

1973–1980 ARBEITSPROBEN WIRZ<br />

1978<br />

1974<br />

1976 1978<br />

1978


Jubiläumsausgabe <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Werbewoche</strong> | 30.8.2013 29<br />

da alles für Voraussetzungen erfüllt werden müssen,<br />

bevor irgendwie ein Verkauf stattfindet, das wissen<br />

viele gar nicht.<br />

Hat man früher anders gearbeitet?<br />

Es hat viel weniger Spezialisierung gegeben. Der Berater<br />

hat fast alles selber gemacht. Es gab ja nur zwei<br />

Funktionen in der Werbeagentur: Berater und Grafiker.<br />

Was der Grafiker machte, ist klar. Den Rest hat<br />

der Berater übernommen. Er war Kundenbetreuer<br />

und Projektleiter,Texter, Produktiönler und Mediafachmann<br />

– alles in einem. Das ergab natürlich eine<br />

viel spannendere Aufgabe. Wir mussten viel mehr<br />

wissen und können. Was hingegen nicht anders war,<br />

war das Ziel der Werbung. Wir wollten unseren Kunden<br />

helfen, ihre Angebote zu verkaufen. Vom Vorgehen<br />

her war das meistens ein bisschen weniger systematisch.<br />

Der Berater hat dem Grafiker telefoniert<br />

und gesagt: Komm mal vorbei und mach etwas Lustiges.<br />

Heute geht das doch viel professioneller.<br />

Wie haben Sie damals das Image des Werbers empfunden?<br />

Es war zwiespältig. Die meisten Leute fanden den<br />

Beruf zwar lässig. Sie dachten: Das sind junge, kreative<br />

Leute, die sich bereits am Nachmittag ein kleines<br />

Bier genehmigen. Die haben es ständig lustig<br />

und da wird gefestet. Das ist der eine Teil vom Image.<br />

Uns störte das nicht, obwohl es überhaupt nicht<br />

stimmte. Wir hatten es fröhlich, aber wir arbeiteten<br />

auch viel. Problematischer ist das zweite Bild vom<br />

«geheimen Verführer», dem Titel des viel diskutierten<br />

Buches von Vance Packard 1957 entsprechend.<br />

Solche Anschuldigungen und Anfeindungen sind<br />

früher viel extremer gewesen. Das war hart. Mein<br />

Vater wurde einmal als «Verbrecher im weissen Kragen»<br />

bezeichnet. Das hat ihn – als anständigen Menschen<br />

– enorm verletzt. Mir ist das heute völlig egal,<br />

weil ich erstens weiss: Was ich mache, ist sinnvoll<br />

und die Art und Weise, wie wir es machen, ist absolut<br />

ethisch vertretbar. Was nicht geht, ist ja verboten<br />

und es gibt Standesregeln. Das Image hat sich somit<br />

tendenziell verbessert: Man nimmt uns als ein wichtiges<br />

Rad der Wirtschaft wahr, schätzt uns als unentbehrlich<br />

ein.<br />

In den letzten 5 <strong>Jahre</strong>n hat sich mehr verändert als in den<br />

letzten 50 davor, meint der Chef der Cannes Lions, Philip<br />

Thomas. Stimmt das?<br />

Das stimmt natürlich, vor allem wenn man die Medienseite<br />

betrachtet. Der Rest hat sich nicht sehr<br />

stark geändert. Wir hatten ja verschiedene Revolutionen<br />

in der Medienwelt. Gutenberg mit dem Erfinden<br />

des Buchdrucks war ein epochales Ereignis.<br />

Aber alle Revolutionen, die später gekommen sind<br />

– Radio, Fernsehen, Computer, Smart Phones –<br />

wirkten noch unglaublicher auf unser Leben und die<br />

kommerzielle Kommunikation. Ein typisches Beispiel<br />

der Beschleunigung: Zwischen Gutenberg und<br />

Marconi dauerte es 450 <strong>Jahre</strong>. Zwischen Radio und<br />

dem Chip noch etwas mehr als 50 <strong>Jahre</strong> und jetzt<br />

kommt praktisch alle 5 <strong>Jahre</strong> etwas Neues.<br />

Sie sagten selber: In den 80er-<strong>Jahre</strong>n sind immer mehr<br />

Sparten gekommen. Wie hat das die Arbeit verändert?<br />

Die Einsicht, dass man die gesamte Kommunikation<br />

aufeinander abstimmen muss – man kann auch von<br />

Integration sprechen – ist natürlich stark gewachsen.<br />

Das ist teilweise propagiert worden durch Professoren<br />

mit ihren Büchern. Auf der anderen Seite<br />

reifte aber auch in der täglichen Praxis die Überzeugung,<br />

dass es unbedingt nötig ist, dass alles zusammenpasst<br />

und wir mit einem «roten Faden» durch<br />

die verschiedensten Medien kommunizieren müssen.<br />

Das hat die Tätigkeit spannender gemacht und<br />

auch wirksamer als die bisherige «Tutti-Frutti-Werbung».<br />

Wie war es mit dem Pitchen damals?<br />

Früher hat die Kontinuität eine grössere Rolle gespielt.<br />

Die Lebensdauer von Patrons war länger als<br />

die von derzeitigen Managern. Heute ist die Verweildauer<br />

eines CEO vielleicht noch 5 <strong>Jahre</strong>. Anno dazumal,<br />

als viele grosse Firmen auch noch Familienunternehmen<br />

waren, blieben die Führungskräfte<br />

eine Generation lang mit dabei. Da gestaltet sich die<br />

Zusammenarbeit mit der Agentur natürlich viel einfacher.<br />

Da musste eine Agentur wirklich ganz viele<br />

Fehler machen, bis es zu einem Eklat kam. Die missglückte<br />

Show bei Roco war ein Zwischenfall, deshalb<br />

hat man uns nicht die Treue gekündigt. Heute kommen<br />

ständig «neue Besen» an die Macht, von denen<br />

erwartet wird, gleich alles umzukrempeln. Aber eigentlich<br />

ist das ein riesiger Verschleiss an Ressourcen<br />

und auch an Energie, wenn die Agenturen viel<br />

zu häufig gewechselt werden. Das ginge ja noch.<br />

Aber wenn parallel dazu auch noch die Strategie und<br />

das Konzept geändert werden, finde ich das extrem<br />

schlecht.<br />

War man früher auch mutiger?<br />

Irgendwie schon, weil der Firmeninhaber autoritär<br />

entscheiden konnte: das gefällt mir, das machen wir!<br />

Heute haben wir immer mehr mit grossen Gremien<br />

zu kämpfen. Viele Leute können zwar «nein», aber<br />

niemand getraut sich «ja» zu sagen. Deshalb wird an<br />

allen Ecken und Kanten geschliffen. Ich glaube, man<br />

hat früher schon mehr Mut gezeigt. Auf der anderen<br />

Seite ist vieles heute kreativer. Die Einfälle, die wir<br />

zurzeit präsentieren, sind frecher als früher. Es ist<br />

eindeutig mehr erlaubt, weil die Werbung nicht so<br />

ernst genommen wird. Man erwartet von der Werbung<br />

sogar das Spielerische, das Unterhaltsame. Wir<br />

dürfen ausgefallen sein und provozieren. Wenn man<br />

aber alles Ausgefallene eliminieren muss, dann landet<br />

man vielleicht auch wieder nur dort, wo man<br />

früher war punkto Originalität.<br />

Haben früher andere Leute in der Werbung gearbeitet?<br />

Ich habe das Gefühl, Werber waren früher braver.<br />

Wegen ihrer anderen Funktionen haben mehr Kaufleute<br />

in der Werbung gearbeitet und weniger Kreative.<br />

Heute, wo den Kundenberatern Text, Produktion<br />

und Media weggenommen worden sind, spielen zusätzliche<br />

Figuren eine Rolle. Früher war die Agenturwelt<br />

mehr in der Nähe der Betriebswirtschaft.<br />

Heute hat der kreative Teil einen viel grösseren Einfluss.<br />

Konnte man einen Geist von «Mad Men» spüren?<br />

Auf jeden Fall. Ich war ja in den 60er <strong>Jahre</strong>n selbst<br />

in New York bei BBDO an der Madison Avenue. Das<br />

war genau die Zeit, die in «Mad Men» beschrieben<br />

wird. Und den in der Serie skizzierten Lebensstil hat<br />

man auch in die Schweiz importiert. Man hat auch<br />

viel davon gesprochen und daran geglaubt, dass Zürich<br />

zur Madison Avenue von Europa werden könnte.<br />

Das war mal eine tolle Vision. Warum nicht wieder<br />

einmal darüber diskutieren, wieso es nie dazu<br />

gekommen ist? Aber immerhin gelang es, das Gehabe<br />

zu übernehmen. Es fällt mir ein: wir hatten bei<br />

Wirz Berater, die nahmen jeweils gegen 17 Uhr –<br />

noch während der letzten Sitzung des Tages – aus<br />

der untersten Pult-Schublade die Whisky- Flasche<br />

hervor … Let’s have a drink! Das waren keine Alkoholiker,<br />

nein, das hat einfach ein bisschen zum Habitus<br />

gehört.<br />

Es heisst: Früher konnte man noch richtig Geld verdienen<br />

in der Werbung. Waren die Margen grösser?<br />

Es ist dieser Tage sicher härter geworden, Geld zu<br />

verdienen. Ehemals hatten wir komfortable Prozent-Honorar-Abmachungen.<br />

Natürlich musste<br />

man immer viel leisten und Ergebnisse bringen.<br />

Aber heute wird viel mehr auf den Preis gedrückt.<br />

Oft ist es ja die Einkaufsabteilung eines Grosskunden,<br />

die mit uns über die Konditionen verhandelt.<br />

Wie wenn wir Dichtungen verkaufen würden oder<br />

ein Reinigungsinstitut wären. Damals hatte man<br />

das Gefühl: eine gute Leistung wird auch gut honoriert.<br />

Die Auftraggeber fragten manchmal sogar<br />

besorgt: «Kommt ihr durch mit diesem Honorar?»<br />

Wie Mäzene, die sich einen Künstler halten und sich<br />

verantwortlich fühlen: «Du musst sagen, was es kostet.<br />

Du sollst auch etwas zum Essen haben.» Tempi<br />

passati!<br />

Früher war alles besser?<br />

Besser war sicher, dass unsere Kunden, wie gesagt,<br />

Unternehmer waren. Verlässlichkeit, Ehrlichkeit und<br />

Aufrichtigkeit waren ausgeprägt. Da wurden nicht<br />

15-seitige Verträge abgefasst, sondern man hat sich<br />

die Hand gegeben, allenfalls im Protokoll etwas vermerkt,<br />

dann war alles in Ordnung. Heute unterschreiben<br />

wir detaillierte Abmachungen und zum<br />

Schluss macht der Kunde trotzdem das, was er will.<br />

1981–1990<br />

1985<br />

1988<br />

1983<br />

1988 1990<br />

1988


30<br />

Jubiläumsausgabe <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Werbewoche</strong> | 30.8.2013<br />

Hipphipphurra!<br />

Lust mitzufeiern?<br />

Die Torte dazu gibts auf www.mediafocus.ch/torte<br />

Werbeforschung Suchmaschinenforschung Medienbeobachtung<br />

Media Focus ist ein auf die unabhängige Messung von Kommunikation<br />

spezialisiertes Marktforschungsunternehmen, das Daten aus den<br />

Bereichen klassische Werbung, Medienpräsenz und Suchmaschinenmarketing<br />

empirisch erhebt. www.mediafocus.ch<br />

Sie haben die Wirz-Gruppe von 80 auf 150 Mitarbeitende<br />

hochgeschraubt. Was ist Ihre Erfolgsstrategie?<br />

Erstens habe ich das nicht alleine gemacht.<br />

Das Allerwichtigste ist, dass man immer<br />

ein Team um sich hat, Menschen, welche<br />

alle am gleichen Strick ziehen und gleiche<br />

Zukunftserwartungen haben. Zweitens:<br />

Wir haben als Erste die Expansionsschritte<br />

vorgenommen in andere Gebiete, sei das<br />

PR, Dialog, Branding, Identity, Publishing<br />

und ganz früher noch Marktforschung.<br />

Mein Vater hat 1968 ein Marktforschungsinstitut<br />

gegründet, weil er das Gefühl hatte,<br />

wir müssten mehr über den Markt und<br />

das Konsumverhalten wissen. Es war sicher<br />

entscheidend, dass wir die gemeinsame<br />

Vorstellung hatten von einem Angebot, das<br />

nicht nur klassische Werbung beinhaltet,<br />

sondern in allen Bereichen dem Kunden<br />

helfen kann. Ebenso wichtig war sicher unsere<br />

Idee der Architektur dieser Gruppe.<br />

Wir wollten nicht einfach eine Werbeagentur<br />

sein mit ein paar zugeordneten Units,<br />

an denen weitere Spezialisten sitzen. Wir<br />

haben aus jeder Disziplin ein Unternehmen<br />

machen wollen, bei dem die leitenden Mitarbeiter<br />

engagiert sind als Miteigentümer.<br />

Diese mussten ihre Bereiche als ihr eigenes<br />

Geschäft betrachten. Sie mussten ihre Ideen<br />

im Markt selber verkaufen. Dementsprechend<br />

waren sie auch motiviert und haben<br />

«ihr» Unternehmen mit aufgebaut. Die<br />

Struktur dieses kleinen «Konglomerates»<br />

mit seinem Holding-Konzept und den als<br />

Partner eingebundenen Kaderleuten hat<br />

sicher zum Erfolg der ganzen Wirz-Gruppe<br />

beigetragen.<br />

War es eine lange Überlegung, das Familienunternehmen<br />

aus der Hand zu geben?<br />

Ja, es hat natürlich am Familientisch während<br />

<strong>Jahre</strong>n Gespräche gegeben, bis wir alle<br />

merkten, dass der weitere Familienbesitz<br />

kein Weg ist. Das war die eine Voraussetzung:<br />

man weiss, dass es nicht geht. Die<br />

zweite Voraussetzung ist, dass man dann<br />

eine Alternative hat. Diese hatte ich schon<br />

eine Zeitlang im Hinterkopf mit mir herumgetragen.<br />

Erfreulicherweise habe ich relativ<br />

rasch gesehen, dass ich grosses Glück habe,<br />

indem in unserem Unternehmen engagierte<br />

und kompetente Leute vorhanden sind,<br />

die willens sind und auch in der Lage, die<br />

Mehrheit zu übernehmen. Ich spreche hier<br />

von Geri Aebi, meinem Nachfolger und<br />

Freund, und der heutigen Gruppenleitung.<br />

Eine ideale Lösung für alle!<br />

War es umgekehrt für Sie eine lange Überlegung,<br />

das Geschäft von Ihrem Vater zu übernehmen?<br />

Eigentlich habe ich mich relativ spät entschieden.<br />

Es ging mir wie vielen anderen,<br />

dass man a priori mal das ausschliesst, was<br />

der Vater macht. Nach meiner Matur hatte<br />

ich das Gefühl, ich möchte lieber Architektur<br />

studieren. Ich wäre nie auf die Idee gekommen,<br />

in die Werbung zu gehen. Auf den<br />

Wir wünschen der <strong>Werbewoche</strong> ein<br />

fro<br />

Vorschläge<br />

frohes<br />

frohgemutes<br />

fröhliches<br />

frohlockendes<br />

frommes<br />

frostfreies<br />

<strong>40</strong>. Geburtstagsfest.<br />

A612800


Jubiläumsausgabe <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Werbewoche</strong> | 30.08.2013<br />

31<br />

2<strong>001</strong>–HEUTE<br />

2005<br />

2<strong>001</strong> 2002<br />

2008<br />

2011<br />

Lehr- und Wanderjahren im Ausland merkte ich<br />

aber, was das für eine spannende Aufgabe sein könnte,<br />

und ich sagte mir, ich wäre ein Trottel, würde ich<br />

nicht JA sagen. Dann ist es relativ rasch gegangen<br />

und ich bin mit Volldampf eingestiegen – zuerst ins<br />

entsprechende Studium und dann in die Praxis.<br />

Sie waren auch aktiv im Vorstand Economiesuisse und Zürcher<br />

Handelskammer. Finden Sie es wichtig, dass ein Werber<br />

sich gesellschaftlich engagiert?<br />

An beiden Orten musste ich altershalber zurücktreten.<br />

Ich bedaure es sehr, dass diese Verbände eine<br />

solche Guillotine haben. Ich blicke aber dankbar auf<br />

meine aktive Zeit zurück. Ich bin ein sehr politischer<br />

Mensch und habe in diesen Gremien viel lernen<br />

können. Ich finde es tatsächlich wichtig, dass Wirtschaftsführer<br />

sich politisch engagieren.<br />

Sie sind auch kulturell engagiert, im VR von iMusicianDigital<br />

AG.<br />

Mein älterer Sohn Tobias hat Musik studiert. Er arbeitet<br />

als Musiklehrer und spielt in verschiedenen<br />

Bands. Er hat überdies zusammen mit einem Kollegen<br />

die Firma iMusicianDigital gegründet. Über<br />

diese Plattform können unabhängige Musiker, daher<br />

das «i», ihre Werke in die weltweit rund 200<br />

Online-Shops hochladen und ihre Rechte vertreten<br />

lassen. Hier handelt es sich ja auch um eine dieser<br />

Revolutionen der letzten <strong>Jahre</strong>. Das Projekt hat<br />

mich von Anfang an neugierig gemacht, und ich<br />

habe mich deshalb als Berater und Investor engagiert<br />

– obwohl ich zu den wenigen gehöre, die immer<br />

noch mit Freude CDs kaufen …<br />

Was macht Ihr zweiter Sohn?<br />

Benno hat Philosophie studiert und eben seine Dissertation<br />

über Descartes fertiggestellt. Er ist Oberassistent<br />

an der Uni in Zürich und wird wohl in der<br />

akademischen Welt bleiben.<br />

Haben Werber einen Hang, sich musisch oder kulturell zu<br />

betätigen?<br />

Da bin ich ein bisschen enttäuscht. Viele Werber<br />

haben meiner Meinung nach zu wenig kulturelle<br />

Interessen. Ich gehe viel ins Theater, ins Kino, an<br />

Konzerte und Ausstellungen, aber ich treffe immer<br />

weniger Werber an. Ob das repräsentativ ist, weiss<br />

ich nicht, aber mir fällt es irgendwie auf. Und das<br />

finde ich schade. Das ist ja das Faszinierende an unserem<br />

Beruf, dass man von so vielen Dingen etwas<br />

aufnehmen und diese Elemente neu verwursten<br />

kann. Selber Bilder malen, Kurzgeschichten schreiben<br />

oder Videos produzieren wäre noch besser. Aber<br />

zumindest in der weiten Welt der Kunst ein bisschen<br />

verkehren, fände ich angebracht. Es tönt vielleicht<br />

überheblich, aber wenn ich in Locarno am Filmfestival<br />

bin, dann treffe ich dort keinen einzigen Werber,<br />

ausser einem, der im Tessin ein Ferienhaus besitzt.<br />

Es hat mehr Politiker als Werber auf der Piazza<br />

Grande. Da stimmt doch etwas nicht.<br />

Die Branche hat in den letzten <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong>n verschiedene Krisen<br />

durchlebt: Welches war die härteste?<br />

Die härteste war sicher 2<strong>001</strong>/2002: die Wirtschaftskrise<br />

ist kombiniert mit dem Platzen der Dotcom-<br />

Blase aufgetreten. Da sind viele Agenturen zum<br />

Schluss auf unbezahlten Rechnungen sitzen geblieben.<br />

Viele dieser Start-ups hatten vom grossen Geld<br />

geträumt. Auf die Übertreibungen folgte postwendend<br />

die Krise, und das hat die Branche extrem geschüttelt.<br />

Vorher waren die Einbrüche kürzer, glaube<br />

ich. Man hat sie viel weniger gespürt.<br />

Was haben Sie aus dem Auf und Ab gelernt?<br />

Gelernt habe ich sicher, dass man vorsichtig sein<br />

muss: nicht glauben, dass die Bäume in den Himmel<br />

wachsen. Man muss auch schnell reagieren auf Veränderungen,<br />

die sich abzeichnen, und eben halt<br />

auch Personal abbauen – was ich vorher nie wollte.<br />

In kritischen Phasen sollte man Pessimist sein und<br />

mit einer schlechten Entwicklung rechnen. Ich habe<br />

als geborener Optimist sträflich immer mit einer<br />

guten Konjunktur gerechnet.<br />

Es gab eine Polemik um den grossen Firmensitz von Wirz.<br />

War das vielleicht ein zu grosser Optimismus?<br />

Ja bestimmt. Zum Glück waren wir ja nicht Besitzer<br />

des Hauses, bloss Mieter. Wir hatten aber sicher zu<br />

Beginn zu viele Quadratmeter belegt. Ich habe kürzlich<br />

wieder einmal die Tabelle zur Hand genommen,<br />

mit der wir im Jahr 2000 unsere Quadratmeter-<br />

Bedürfnisse abgeschätzt hatten. Da haben die Geschäftsführer<br />

der einzelnen Gesellschaften überrissene<br />

Zahlen gemeldet. Ihre Wünsche haben wir aber<br />

schön brav aufaddiert und eingeplant. Das ist eben<br />

das, was man nicht machen darf. Ich hätte sagen<br />

müssen: Das können wir uns nicht leisten, wir reduzieren<br />

überall um 20 Prozent.<br />

Die Agenturlandschaft befindet sich im Wandel. Die Fragmentierung<br />

bringt immer mehr kleine Schnellboote.<br />

Wir haben die vielen Schnellboote im Haus. Wir versuchen<br />

ja, durch unsere Struktur nicht allzu grosse<br />

Einheiten zu bilden. Aber mit der stetig wachsenden<br />

Konkurrenz müssen wir leben. Viele Mitarbeitende<br />

wagen den Schritt in die Selbstständigkeit. In den<br />

Bereichen PR oder neu Digital gibt es eine Unmenge<br />

solcher Start-ups. Das soll uns herausfordern.<br />

Was sind Ihre weiteren Pläne?<br />

Arbeiten, solange die Lust dazu da ist. Ich habe<br />

nichts anderes und kann nichts anderes. Ich komme<br />

jeden Tag freudvoll und motiviert in die Agentur<br />

und schätze es sehr, unter engagierten und fähigen<br />

Menschen zu sein. Überdies beschäftige ich mich<br />

unverändert mit sinnvollen Aufgaben und Projekten.<br />

An dem möchte ich nichts ändern.<br />

Interview: Andreas Panzeri<br />

Jost Wirz hat die 1936<br />

gegründete Zürcher<br />

Werbeagentur Wirz von<br />

seinem Vater übernommen<br />

und schrittweise zu einer<br />

führenden Kommunikationsgruppe<br />

aufgebaut. Er<br />

ist heute Ehrenpräsident<br />

und Minderheitsaktionär<br />

der Wirz Partner Holding<br />

und wirkte bis zu diesem<br />

Jahr auch im Vorstand der<br />

Economiesuisse sowie der<br />

Zürcher Handelskammer.<br />

1991–2000<br />

2000<br />

1995<br />

1999 2000


Jubiläumsausgabe <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Werbewoche</strong> | 30.08.2013<br />

DGT: Ah, ist es schon so schlimm? (lacht)<br />

RF: Das Verkaufen einer Idee ist meiner Meinung<br />

nach beinah gleich wichtig wie die Idee selbst.<br />

DGT: Natürlich.<br />

RF: Es ist wichtig, sich im Voraus zu überlegen, wie<br />

man dem Kunden etwas schmackhaft macht – und<br />

auch, wie man ihm gewisse Ideen ausredet. Man<br />

muss sich Argumente zurecht legen, weshalb man<br />

dies oder jenes nicht macht.<br />

DGT: Ein Kunde hat mir einst bei einem Text gesagt:<br />

«Könnte man das nicht auch anders formulieren?» Da<br />

entgegnete ich: «Man könnte es auf hundert verschiedene<br />

Arten schreiben.» So ist es jedes Mal!<br />

Heute denke ich: Wir hatten in unserer Generation grosses<br />

Glück, viel mit den Unternehmern selbst zu tun zu<br />

haben.<br />

Rendezvous<br />

zweier<br />

Werbegrössen<br />

Was haben sich die «Werberin des <strong>Jahre</strong>s 1977» und die «Werberin des<br />

<strong>Jahre</strong>s 2010» zu sagen?<br />

Doris Gisler Truog und Regula Fecker. Zwei Frauen,<br />

die die Schweizer Werbung geprägt haben –<br />

beziehungsweise prägen. Auf der einen Seite die<br />

«Grande Dame der Schweizer Werbung», die mit<br />

ihrer Agentur Gisler & Gisler dem Frauenstimmrecht<br />

zum Durchbruch verhalf und das Fondue mit<br />

einem Werbestreich zum Klassiker avancieren liess.<br />

Auf der anderen Seite die junge Werbestrategin, Mitgründerin<br />

der Agentur Rod Kommunikation, die für<br />

Kampagnen wie «Slow down. Take it easy.» verantwortlich<br />

zeichnet. Wir haben die beiden Frauen zusammengebracht<br />

und das Gespräch mitverfolgt.<br />

Doris Gisler Truog (DGT): Frau Fecker, ich freue mich, Sie<br />

kennen zu lernen. Wissen Sie, als ich mich<br />

über Sie informiert habe und las, welche<br />

Ausbildung und Spezialisierung Sie haben,<br />

wurde mir klar, wie sich der Beruf<br />

verändert hat. «Strategische Planung»,<br />

ich musste zuerst nachlesen, was das überhaupt ist!<br />

Regula Fecker (RF): Ehrlich?<br />

DGT: Ja! Gemacht haben wir das früher natürlich auch.<br />

Gute Kampagnen entstehen nur auf Grund sehr guter<br />

Planung.<br />

RF: Das sehe ich auch so. Ihre Kampagne fürs Frauenstimmrecht<br />

ist sicherlich ein gutes Beispiel dafür.<br />

DGT: Der strategische Schachzug war damals, dass wir<br />

DGT: Käse-<br />

Werbung ist mir<br />

nie verleidet!»<br />

als Zielpublikum nicht die Gegner des Frauenstimmrechts<br />

wählten, sondern uns an jene Männer richteten,<br />

die noch unentschlossen waren. Ich glaube, die vorhergehenden<br />

Kampagnen waren alle daran gescheitert, dass<br />

die Frauen das Feindbild des «bösen Mannes» hatten,<br />

«der nicht will». Die Frauen, die jahrzehntelang für das<br />

Frauenstimmrecht gekämpft hatten, waren mit einem<br />

gewissen Recht etwas verbittert. Die Kampagnen waren<br />

entsprechend uncharmant.<br />

RF: Sie haben einen anderen Weg gewählt.<br />

DGT: Ich habe eine Charme-Kampagne lanciert: Wir<br />

wollten nicht wie frühere Kampagnen einfach fordern,<br />

sondern haben mit starken Argumenten gearbeitet,<br />

die wir aber liebenswürdig präsentierten.<br />

Wir baten die Männer um ihr Ja. Das<br />

kam bei vielen Frauen, die fürs Stimmrecht<br />

gekämpft hatten, nicht gut an. «Auf keinen<br />

Fall bitten wir um etwas, das unser Recht ist.» Es war<br />

schwierig, die Kampagne durchzusetzen.<br />

RF: Es ist hart, wenn man in den eigenen Reihen für<br />

die richtige Botschaft kämpfen muss.<br />

DGT: Das kennen Sie bestimmt auch aus Ihrem Alltag.<br />

Agenturen müssen ihre Kunden manchmal zu ihrem<br />

Glück zwingen.<br />

RF: Die Überzeugungsarbeit macht wohl die Hälfte<br />

unserer Arbeit aus.<br />

RF: Das hat sich geändert. Zum Teil herrscht bei<br />

Firmen ein Gatekeepertum. Es gibt Strukturen, die<br />

den direkten Zugang verhindern. Manchmal könnte<br />

man sich viel Arbeit ersparen, hätte man von Beginn<br />

weg Kontakt zum Unternehmer. Wir mussten schon<br />

feststellen, dass auch die direkten Ansprechpartner<br />

eine grosse Distanz hatten. Das führt zu Fehlinformationen.<br />

DGT: Das müsste vielleicht wieder etabliert werden.<br />

RF: Allerdings haben wir zu vielen Kunden einen<br />

sehr direkten Draht.<br />

DGT: Das merkt man Ihrer Werbung an. Ich schaue mir<br />

Ihre Arbeiten sehr gerne an. Ich finde, Rod hat als Agentur<br />

eine enorme Qualität. Und die «Werberin des <strong>Jahre</strong>s»<br />

kommt nicht ganz gratis.<br />

RF: Das ehrt mich sehr, auch wenn ich nicht denselben<br />

Erfahrungsschatz habe wie Sie.<br />

DGT: Wie lange sind Sie schon im Agentur-Business?<br />

RF: Ich bin 35 und habe mit 20 in der Werbung begonnen.<br />

DGT: Das ist schon ganz schön lang.<br />

RF: Das stimmt. Und vor allem: So viel wie wir alle<br />

arbeiten, hat man das Gefühl, man sei schon länger<br />

dabei.<br />

DGT: Man arbeitet viel in dieser Branche, das war schon<br />

zu unserer Zeit so.<br />

RF: Interessiert Sie Werbung heute noch?<br />

DGT: Ich schaue sie mir immer noch sehr gerne an. Und<br />

natürlich ärgere ich mich nach wie vor über schlechte<br />

Werbung.<br />

RF: Wie ist es mit Ihrer eigenen Arbeit?<br />

DGT: Ich bin derzeit daran, mein Archiv zu ordnen. Ich<br />

habe mich gefreut, meine eigenen Sachen wieder zu betrachten.<br />

Ich habe einen gewissen Stolz, dass ich zu allem<br />

noch stehen könnte. Das ist ein sehr schönes Gefühl.<br />

RF: Das glaube ich. Worauf schauen Sie am liebsten<br />

zurück?<br />

DGT: Ich habe über 30 <strong>Jahre</strong> Käse-Werbung gemacht.<br />

Das ist mir nie verleidet! Daneben habe ich wahnsinnig


Jubiläumsausgabe <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Werbewoche</strong> | 30.08.2013 33<br />

gerne Feldschlösschen betreut. Wir haben eng mit der<br />

Unternehmensführung zusammengearbeitet, das waren<br />

glatte Leute! Einer beispielsweise hatte ein Gesetz erlassen,<br />

dass eine Sitzung nicht länger dauern durfte als eine<br />

Stunde. Wie wunderbar! Bei der Präsentation hatte er<br />

immer das Briefing vor sich und überprüfte, ob die Arbeit<br />

dem entsprach. Eine Seltenheit, oder?<br />

Spannend war natürlich auch die Abstimmung<br />

über die Versetzung der Häuser<br />

an der Bärengasse. Oder der grosse<br />

Kredit fürs Opernhaus. Wenn ich heute<br />

ins Opernhaus gehe, habe ich das schöne Gefühl, dass<br />

dieses wunderbare Haus ohne meine Kampagne möglicherweise<br />

abgerissen worden wäre.<br />

RF: Das ist sicherlich eine riesige Befriedigung.<br />

DGT: Jaja, das sind die Höhepunkte! Daneben haben wir<br />

ganz viele kleine Dinge umgesetzt. Wir haben praktisch<br />

nichts abgelehnt. Jedenfalls nicht, weil etwas zu klein<br />

war. Durch einen Kleinkunden ist mehr als einmal ein<br />

grösserer hinzugekommen.<br />

RF: Wie viel Zeit hatten Sie jeweils für eine Kampagne<br />

zur Verfügung?<br />

DGT: Vereinzelt hatten wir Blitz-Aufträge. Eine Abstimmung<br />

zum Beispiel fürs Stadttheater Winterthur. Das<br />

Theater hatte sechs Wochen vor Abstimmung die Zusammenarbeit<br />

mit einer anderen Agentur gekündigt. Im Allgemeinen<br />

war jedoch viel Zeit vorhanden. Meine Spezialität<br />

waren 10-<strong>Jahre</strong>spläne. Das kann man sich nicht<br />

mehr vorstellen! Wenn ich ein Jahr präsentierte, habe ich<br />

immer schon angedeutet, wie es weitergehen könnte.<br />

RF: Ich denke, die Regel ist nach wie vor die gleiche.<br />

Man muss eine Idee haben, wie etwas auf mehrere<br />

<strong>Jahre</strong> hinaus geplant würde.<br />

DGT: Ach ja, macht Ihr das heute noch?<br />

RF: Sicher. Danach gefragt wird allerdings recht selten.<br />

DGT: Natürlich, fragen tut niemand!<br />

RF: Es gibt jedoch Unterschiede. Mit Gremienkunden<br />

haben wir die Erfahrung gemacht, dass sie langfristig<br />

denken wollen. Kunden aus dem Food-Bereich<br />

sind dagegen unglaublich kurzfristig geworden.<br />

Während die Sommersaison noch läuft, ist man<br />

schon an der Planung des nächsten<br />

Sommers. Da denke ich oft: Man müsste<br />

doch zuerst den laufenden Sommer<br />

abschliessen und die Learnings daraus<br />

ziehen, bevor man das Neue entwickelt.<br />

Der Kopf ist immer am falschen Ort.<br />

DGT: Welches sind Ihre Lieblingsgebiete?<br />

RF: Ich habe keine Branche, die mich besonders<br />

reizt. Das Lässige ist doch, dass man sich auf verschiedene<br />

Dinge «einschiessen» kann. Als Privileg<br />

empfinde ich es, für unseren grössten Kunden, die<br />

SBB, arbeiten zu dürfen. Wenn ich im Zug sitze,<br />

habe ich das Gefühl, Teil eines grossen Ganzen zu<br />

sein. Wenn es um die SBB geht, hat jeder das Gefühl,<br />

er wisse es am besten. Alle wollen mitreden. Wir als<br />

Agentur müssen begreifen, welche Stimmung in der<br />

breiten Bevölkerung herrscht und wie man sie verändern<br />

könnte. Das ist sehr spannend.<br />

DGT: Wie spürt Ihr diese Stimmung?<br />

RF: Zum Beispiel, indem wir mit den Kunden direkt<br />

RF: «Ich empfinde<br />

uns nicht mehr als<br />

eine Branche.»<br />

reden. Das tun viele Agenturen, ich weiss…<br />

DGT: Ja, aber nur wenige schaffen es, dass etwas dabei<br />

herausschaut...<br />

RF: Ein ehemaliger Chef von mir hat mal gesagt:<br />

«Das Problem ist, dass die meisten Leute<br />

in ein Gespräch gehen und bereits<br />

wissen, was sie hören wollen.» Bei mir<br />

ist es anders. Ich bin zuerst sehr offen<br />

und will alles hören. Erst wenn ich 20,<br />

30 Stimmen gehört habe, meine ich, relevante Muster<br />

zu erkennen.<br />

DGT: Schön, das gelingt vielen nicht. Sogar in der Marktforschung<br />

ist oftmals bereits im Vorfeld bekannt, was<br />

herausgefunden werden soll.<br />

RF: Das ist zuweilen eine Frage des Zeitpunkts.<br />

Wenn eine Umfrage erst durchgeführt wird, wenn<br />

die Kampagne schon entwickelt ist, will man hören,<br />

dass sie super ist.<br />

DGT: Klar!<br />

DGT: «Wir haben<br />

als erste Agentur<br />

Kaffee serviert.»<br />

RF: Doch viel spannender ist es doch zu erfahren,<br />

welche Meinungen wirklich da sind. Es werden immer<br />

mehr Leute in der Schweiz. Es ist nicht mehr so<br />

einfach zu sagen: So ist der Konsens. Wir als Agentur<br />

müssen verstehen, wie die Leute ticken, und sie<br />

abholen. Wir werden alle unterschiedlicher, und<br />

gleichzeitig ticken wird doch irgendwie alle gleich.<br />

DGT: Das stimmt… Ich habe am Schluss viel mit BBDO<br />

gearbeitet. Die haben die Zielgruppe stets genau definiert.<br />

An einer Sitzung habe ich mal gesagt: «Wäre es<br />

denn so schlimm, wenn jemand das Produkt kaufte, der<br />

nicht zur Zielgruppe gehörte?»<br />

Übrigens, ist Ihnen der Motiv-Forscher Doktor Ernest<br />

Dichter noch ein Begriff?<br />

RF: Ja, wir arbeiten manchmal mit Dichter Research<br />

zusammen.<br />

DGT: Doktor Dichter hat uns etwas Wichtiges beigebracht.<br />

Viele Agenturen gehen zum Kunden und sagen:<br />

«Wir sind die Grössten.» Dichter sagte: «Hört doch zuerst<br />

einmal, was der Kunde erwartet, bevor Ihr mit Euch<br />

beginnt.»<br />

RF: Unvoreingenommenes Zuhören empfinde ich<br />

als das Wichtigste. Man muss herausfinden,<br />

was die Aufgabe ist und wo das<br />

Problem liegt. Zumeist dauert es eine<br />

Weile, bis Kunden einem anvertrauen,<br />

wo der Schuh drückt. Am Anfang reden<br />

sie häufig um den heissen Brei: Bekanntheitssteigerung<br />

da und dort… Und man fragt sich: Ist das wirklich<br />

das Problem?<br />

DGT: Was tun Sie dann?<br />

RF: Ich frage: «Wenn du nachts wegen des Jobs nicht<br />

schlafen kannst, woran nagst du dann?» Das hilft<br />

meistens.<br />

DGT: Eine sehr gute Frage, ja… Die Beziehung zum Kunden<br />

ist sehr wichtig. Ich legte immer Wert darauf, dass<br />

sich der Kunde wohl fühlt. Wir haben in den 50er-<strong>Jahre</strong>n,<br />

als dies noch nicht üblich war, als erste Agentur Kaffee<br />

serviert.<br />

RF: Wirklich?<br />

DGT: Sicher. Als wir für einen Onkel von mir ein Inserat<br />

für eine Schreibmaschine gestalteten und darauf neben<br />

der Maschine eine Kaffeetasse hinstellten, war er entsetzt:<br />

«Kaffee im Büro, das gibt es vielleicht in der Werbung,<br />

aber sicher nicht in unseren Geschäften!»…<br />

Mit vielen Kunden entwickelten sich schöne Freundschaften<br />

über die <strong>Jahre</strong>. Diese Beziehungen haben sich<br />

sehr bewährt, als mein Mann starb. Es war nicht selbstverständlich,<br />

dass die Kunden fürs Erste alle bei uns blieben<br />

und uns die Chance gaben, uns zu beweisen. Auch<br />

aus der Branche erfuhren wir viel Solidarität. Es war eine<br />

Zusammengehörigkeit, etwas Spezielles.<br />

RF: Alleine so entstand überhaupt die Branche,<br />

oder?<br />

DGT: Ja.<br />

RF: Dort befinden wir uns heute meines Erachtens<br />

auf keinem guten Kurs. Ich empfinde uns nicht mehr<br />

als eine Branche, als etwas, das zusammenhält. Ich<br />

denke oft, man ist sich nicht bewusst, dass wir ein<br />

kleines Land mit wenigen Talenten sind und schauen<br />

müssen, dass uns diese erhalten bleiben. Die Talente<br />

sollen auch noch in zehn <strong>Jahre</strong>n Freude haben,<br />

in der Branche zu arbeiten und nicht überall herumhüpfen.<br />

DGT: Das kann ich nicht beurteilen, ich bin nicht mehr<br />

Teil davon. Bei uns herrschte damals ein besonderer<br />

Geist. Ein Grossteil war untereinander befreundet,<br />

wir haben uns privat gesehen und<br />

ausgetauscht – über die Konkurrenzsituation<br />

hinweg. Ich weiss noch als die Amerikaner auf<br />

Shopping-Tour in die Schweiz kamen, wunderten<br />

sie sich darüber, dass wir alle untereinander<br />

telefonierten. «Sag mal, war der schon bei dir?»<br />

Jaja, ich glaube, das gäbe es heute nicht mehr…<br />

RF: Das hat sich sicherlich verändert. Doch<br />

es besteht auch die Gefahr, die Vergangenheit<br />

zu romantisieren.<br />

DGT: Natürlich, das tut man gerne. Wir hatten<br />

auch harte Geschichten, ganz sicher. Trotzdem<br />

war da etwas…<br />

Was mich interessiert: Sie haben einen Teil Ihrer<br />

Ausbildung in den USA absolviert. Das war<br />

doch sicher schön?<br />

RF: Sehr, ich bin ein grosser USA-Fan.<br />

DGT. Schön, das bin ich auch!<br />

RF: Für mich ist es ein ungemein inspirierendes<br />

Land. Ich bewundere die Amerikaner<br />

für ihr «big thinking», für ihren Mut,<br />

zu sagen: Die Welt ist auf Gedanken und<br />

Ideen gebaut. Jedes Mal, wenn ich aus den<br />

USA zurückkomme, kehre ich mit einem<br />

offenen Kopf zurück.<br />

DGT: Ich war in den 50er-<strong>Jahre</strong>n zum ersten Mal dort.<br />

IN KÜRZE<br />

Doris Gisler Truog führte zusammen mit ihrem Mann Kaspar Gisler das Zürcher Werbebüro Gisler &<br />

Gisler. Die «Grande Dame der Schweizer Werbung» und «Werberin des <strong>Jahre</strong>s 1977» zeichnete für die<br />

Abstimmungskampagne fürs Frauenstimmrecht 1969 bis 1971 verantwortlich. Gisler & Gisler als damals<br />

grösste Agentur der Schweiz hat in den Sechziger- und Siebziger-<strong>Jahre</strong>n berühmte Kampagnen kreiert<br />

wie «Chästeilet» oder Fondue (F.i.g.u.g.e.g.l.: «Fondue isch guet und git e gueti Luune») für die<br />

Schweizerische Käseunion. Weitere Kampagnen wurden umgesetzt für Valser, Ovomaltine, Feldschlösschen,<br />

Thomi & Franck, Butter, Hero, Schweizerische Bankgesellschaft SBG, Modissa oder Mitsubishi. Nach<br />

dem Zusammenschluss mit BBDO war Gisler & Gisler Ende der Achtzigerjahre Teil der Grossfusion<br />

Aebi,Suter,Gisler,Studer,BBDO (ASGS/BBDO).


A612990<br />

kreisvier gratuliert der <strong>Werbewoche</strong> zu ihrem vierzigsten Geburtstag.<br />

kreisvier.ch/<strong>40</strong>


Jubiläumsausgabe <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Werbewoche</strong> | 30.08.2013<br />

35<br />

Fotos: Isabel Imper<br />

DGT: Das war doch die mit<br />

dem schönen Engel, oder?<br />

RF: Genau.<br />

Foodstyling übernommen. Wir haben praktisch alles selber<br />

gemacht.<br />

RF: Das ist bei uns heute nicht anders.<br />

DGT: Ach, die liebe ich! Eine<br />

wunderbare Kampagne, auch<br />

optisch schön. Die kam sicherlich<br />

gut an.<br />

RF: Ja, das Bestechende an<br />

der Kampagne<br />

ist ihre<br />

Einfachheit.<br />

Der Engel<br />

sagt bloss:<br />

«Fahr langsam, lass dich<br />

nicht stressen.»<br />

DGT: Werbung kann nicht<br />

einfach genug sein.<br />

DGT: «Werbung<br />

kann nicht einfach<br />

genug sein.»<br />

DGT: Einmal mussten wir 30 Hausfrauenabende organisieren.<br />

Eine Mitarbeiterin sagte mir: «Ich kann das nicht,<br />

ich bin keine Hausfrau.» Ich sagte: «Ich kann das auch<br />

nicht, aber wir lernen es jetzt zusammen.» Nach diesem<br />

Prinzip haben wir die Agentur entwickelt. Es war alles<br />

«learning by doing». Wenn ein Kunde mit einem Problem<br />

kam, haben wir behauptet, wir lösen es.<br />

RF: Eine super Einstellung, an Dinge<br />

heranzugehen. Bei «Slow down. Take it<br />

easy.» war es ähnlich. Wir haben dem<br />

Kunden gesagt, ein Teil der Strategie sei es, einen<br />

Hitparaden-Song zu produzieren. Sie fragten uns:<br />

«Meinen Sie, das klappt?» Wir sagten ja, obwohl wir<br />

darin noch keine Erfahrung hatten. Erst jetzt wissen<br />

wir, wie man einen Hitparaden-Song macht.<br />

Als Schweizerin war ich ein Exot – aber angesehen. Die<br />

Schweiz, die Swissair, das hatte einen grossen Ruf. Danach<br />

ging ich praktisch jedes Jahr rüber. Und jedes Mal<br />

kam ich, wie Sie, voller Ideen zurück. Es war grandios!<br />

In den 50er-<strong>Jahre</strong>n war Amerika natürlich das Mekka<br />

der Werbung. Ich kam als «kleines Würstchen» mit den<br />

ersten Arbeiten – und rief David Ogilvy an. Ohne Referenz,<br />

ich habe einfach gesagt: «Ich bin aus der Schweiz<br />

angereist und möchte Ihnen gerne etwas zeigen.» Am<br />

nächsten Tag hatte ich einen Termin. Das ist typisch<br />

amerikanisch. Ich weiss nicht, ob man in der Schweiz an<br />

einen bekannten Werber so einfach herankäme.<br />

RF: Das ist der Unterschied. Als ich in New York<br />

arbeitete, war es gang und gäbe, jemanden anzurufen<br />

und zu fragen, ob er die Arbeiten anschaue. Man<br />

traute sich, auch wenn man wusste, dass die Arbeit<br />

verrissen werden konnte. In der Schweiz wagen sich<br />

die Leute zumeist erst hinaus, wenn sie etwas gut<br />

finden und die Bestätigung suchen. Es geht nicht um<br />

die Diskussionskultur, das finde ich schade. In den<br />

USA habe ich das Interesse an der Sache gespürt.<br />

DGT: Ich freue mich, wieder einmal einen Amerika-Fan<br />

gefunden zu haben! Das ist heute selten.<br />

RF: Was dagegen wunderschön ist an der Schweiz, ist<br />

ihre Mehrsprachigkeit. Das macht die<br />

Kommunikation sehr anspruchsvoll. Ein<br />

Witz muss in sämtlichen Landessprachen<br />

funktionieren. Die Kunden fragen immer<br />

als erstes: «Ginge das auch auf Französisch?»<br />

Ich denke oft, die Schweiz wäre prädestiniert,<br />

international noch mehr zu kommunizieren. Wir<br />

wissen, mit verschiedenen Sprachen umzugehen…<br />

DGT: Gerne habe ich auch öffentliche Kampagnen gemacht.<br />

Ich habe mich im Dorf engagiert, zum Beispiel<br />

erfolgreich für ein altes Schulhaus eingesetzt. Die Leute<br />

sagen heute noch: «Du mit deinem Schulhaus!» Es ist<br />

wunderbar, am Abstimmungstag zu erfahren, ob man’s<br />

geschafft hat oder nicht… Allerdings hat man noch mehr<br />

Leute, die mitreden wollen. Meine Kolleginnen hätten die<br />

Kampagne fürs Frauenstimmrecht nicht gewollt. Gerettet<br />

hat sie der damalige Regierungsrat Gilgen. Er hat sich<br />

für den neuen Ansatz stark gemacht. Häufig ist es in einer<br />

Sitzung eine einzelne Person, die den Ausschlag geben<br />

kann – für oder gegen eine Kampagne.<br />

RF: Die wichtigste öffentliche Kampagne, die wir<br />

umgesetzt haben, war sicherlich «Slow down. Take<br />

it easy.», die Kampagne, die Junglenker dazu animieren<br />

soll, sich ans Tempo zu halten.<br />

RF: «Geht das?<br />

Ich finde es<br />

heraus!»<br />

RF: Das glaube ich auch!<br />

DGT: Grosse Sprüche klingen gut. Etwas einfach zu sagen,<br />

braucht dagegen Mut. «Fondue isch guet und git e<br />

gueti Luune», das ist ein gewöhnlicher Satz.<br />

RF: Genial ist, wenn die Leute den Slogan in ihre<br />

Alltagssprache übernehmen können.<br />

DGT: «Milch macht manches wieder gut», das ist einer<br />

meiner Lieblinge. Wir haben den Spruch als Weihnachtsgeschenk<br />

auf Gläser gemalt. Ich habe eines davon einer<br />

Nachbarin geschenkt und sie sagte: «Das war schon immer<br />

ein gutes Sprichwort.» Und ich dachte: Ja, so sollte<br />

es sein. Nur braucht es dazu den Kunden. «S'isch guet,<br />

s'Valser Wasser.» Da würde mancher sagen: «Für so einen<br />

Spruch gebe ich doch kein Geld aus.»<br />

RF: Das ist genau der Punkt. Mut, sich auf etwas<br />

Einfaches einzulassen...<br />

Doch es ist nicht einfach, solche Sprüche zu finden.<br />

Ich empfinde es als sehr anspruchsvoll, bei einer<br />

Liste voller toller Sätze den richtigen zu erkennen.<br />

DGT: Haben Sie auch immer eine Liste? Ich hatte immer<br />

25 Slogans – auch wenn ich bereits beim zweiten das<br />

Gefühl hatte, der sei es.<br />

RF: Gerade wenn man denkt, man habe<br />

den richtigen, muss man nochmals ein<br />

paar hundert Sätze mehr machen. Das bestätigt.<br />

Man darf jedoch nicht den Fehler<br />

machen, den Kunden daran teilzuhaben.<br />

DGT: Ja nicht!<br />

RF: Viele Kunden wollen wissen: «Was habt ihr<br />

denn sonst noch?» Da muss man hart bleiben, ansonsten<br />

macht man als Agentur seine Arbeit nicht<br />

gut. Ich lasse mir nicht gerne in die Schubladen<br />

schauen. Aus irgendeinem Grund sind die Ideen<br />

dort gelandet.<br />

DGT: Da haben Sie Recht. Der Entstehungsprozess ist<br />

etwas Persönliches.<br />

RT: Würden Sie sich heute nochmals für denselben<br />

Beruf entscheiden?<br />

DGT: Ja, sofort. Ich finde den Beruf irrsinnig schön. Ich<br />

konnte alle meine Talente einbringen. Zum Beispiel das<br />

Kochen: Wir hatte jene Menge Food-Kunden. Mit grosser<br />

Freude habe ich Kochbücher geschrieben und auch das<br />

DGT: Man lernt viel im Job.<br />

RF: So kommt man weiter, indem man sagt:<br />

«Geht das? Ich finde es heraus!» Ich arbeite<br />

am liebsten mit Leuten zusammen, die bejahend<br />

durchs Leben gehen.<br />

DGT: Diese Einstellung ist in dieser Branche<br />

nötig. Ansonsten ist man fehl am Platz…<br />

Eine Frage hätte ich noch: Ich hatte neben der<br />

Agentur zwei Kinder. Das durfte man damals<br />

fast nicht sagen. Es war nicht in, als Mutter zu<br />

arbeiten. Ich musste mich immer verteidigen,<br />

auch bei Frauen von Kunden. Aber ich habe es<br />

ganz gut bewältigt.<br />

Haben Sie Familie<br />

oder konzentrieren<br />

Sie sich voll aufs Berufsleben?<br />

RF: Da steht eine<br />

Veränderung an:<br />

Bei mir ist das erste<br />

Kind unterwegs.<br />

DGT: Wie schön! Und wie gut, dass ich gefragt<br />

habe.<br />

RF: Es wird im Winter soweit sein.<br />

DGT: Ich gratuliere, das freut mich!<br />

RF: Ich glaube, es ist eine Frage, wie man das<br />

Umfeld organisiert.<br />

DGT: Ja, man muss es organisieren. Es ist nicht<br />

immer einfach, aber es ist schön<br />

RF: Das denke ich auch. Wir haben soeben davon<br />

gesprochen: Ich habe es noch nie gemacht. Und jetzt<br />

schaue ich mal, wie alles kommt. Ich freue mich riesig<br />

darauf!<br />

Verantwortlich: Isabel Imper<br />

IN KÜRZE<br />

Regula Fecker ist Mitgründerin der Zürcher Agentur Rod Kommunikation, Mitglied der Geschäftsleitung<br />

und Leiterin Strategie. Die «Werberin des <strong>Jahre</strong>s 2010» startete als 20-jährige Werbeassistentin.<br />

Danach hat sie sich als strategische Planerin bei Jung von Matt/Limmat, TBWA\CHIAT\DAY New York und<br />

TBWA\Berlin einen Namen gemacht. Seit 2007 führt sie zusammen mit den Partnern Oliver Fennel, David<br />

Schärer und Pablo Koerfer Rod, die als Lead-Agentur unter anderem die SBB, «Slow down. Take it easy»,<br />

20 Minuten, Sinalco und Hotelplan betreut.


A608866


Jubiläumsausgabe <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Werbewoche</strong> | 30.8.2013 37<br />

35mm, Video,<br />

Digitalfilm, HD...<br />

Ein paar Gedanken rund um die Entwicklung der Filmtechnik in den<br />

<strong>40</strong> <strong>Jahre</strong>n der <strong>Werbewoche</strong>. Ein Gespräch mit Ernst Wirz, der mit der Firma<br />

WirzFraefelPaal in dieser Zeit zur Regie-Legende wurde.<br />

WW: Wie ist man früher zum Film gekommen?<br />

Ernst Wirz: Ich bin zum Film gekommen über die<br />

Fotografie. Gut 20 <strong>Jahre</strong> von meinem Leben habe ich<br />

fotografiert, zum Schluss hauptsächlich Modefotos.<br />

Mein Stil war, dass meine Fotos meist wie in Bewegung<br />

wirkten. Ich versuchte auch in den Modefotos<br />

kleine Geschichten zu erzählen. Irgendwann kam<br />

das Bedürfnis, wirklich bewegte Bilder zu machen.<br />

Aber auch als arrivierter Fotograf konnte man nicht<br />

einfach sagen: Ich mache jetzt einen Film! In den<br />

90er-<strong>Jahre</strong>n habe ich viel für Swatch gearbeitet. Wir<br />

fotografierten regelmässig im Ausland und in den<br />

USA. Bei diesen Swatch-Shootings hat man mir<br />

meistens noch ein Filmteam hinterher geschickt.<br />

Unsere Begleiter sollten ein Making-of drehen. In<br />

diesem Zusammenhang kam ich auf die Idee, wir<br />

könnten parallel zu unseren Werbefotos auch Mood-<br />

Filme mit einer Videokamera drehen. Es war damals<br />

ein Trend, in den Shops solche Mood-Videos zu zeigen.<br />

So bin ich zum Film gekommen.<br />

Aus diesen Mood-Filmen sind Ihre ersten Spots<br />

entstanden?<br />

Der Zufall wollte es, dass der Auftrag für diese Making-ofs<br />

an Stefan Fraefel und seine damalige Produktion<br />

ging. Er kam aber nie richtig zum Zug auf<br />

dem Set, weil im ganzen Arbeitsprozess die Fotos<br />

immer Priorität hatten. Irgendwann fanden wir das<br />

unbefriedigend und kamen auf die Idee: Lass uns<br />

doch im Anschluss an das Shooting noch ein paar<br />

kleine Commercials drehen. So quasi als Bonus zu<br />

den bestellten Fotos. So sind unsere ersten gemeinsamen<br />

Werbefilme entstanden, auf dem gleichen<br />

Set wie die Fotos und mit den gleichen Models.<br />

Filmisch sind Sie also ein Autodidakt?<br />

Ich habe das Handwerk mit meinen Kollegen gelernt.<br />

Von Stefan Fraefel, der von der Filmtechnik<br />

kommt, habe ich die technischen Abläufe und<br />

Schnitt-Technik gelernt. Auch von den Cutterinnen<br />

habe ich sehr viel lernen können. Die sagen dir dann<br />

schon, was man wie zusammen hängen kann und<br />

was nicht. Eine gute Übung waren auch die vielen<br />

Modefilme, die ich für das Fernsehen realisieren<br />

durfte, im Team mit einem Kameramann, der auch<br />

mit mir zusammen an der Kunstgewerbeschule studiert<br />

hat. So hat sich das entwickelt, aber lange Zeit<br />

noch parallel zu meiner Fotografie.<br />

Und der Durchbruch als Regisseur?<br />

Nach den Swatch-Filmchen habe ich auch für T & C<br />

ein paar kleine Spots gedreht. Der grosse Durchbruch<br />

kam dann mit Advico Young & Rubicam. Diese<br />

Werbeagentur betreute damals eine sehr breit<br />

angelegte Post-Kampagne. Als CD wirkte der grossartige<br />

Matthias Bapst. Die Printsujets funktionierten<br />

nach dem Muster: «Meine Liebe ist rot u.s.w,<br />

mein Konto ist gelb.» Ich habe die Kampagne fotografiert.<br />

Nach zwei Wellen mit Fotos meinte Matthias<br />

Babst: «So, und jetzt machen wir noch einen<br />

Film.» Er wollte mit dem Auftrag aber nicht zu den<br />

damals angesagten Engländern gehen, sondern den<br />

Film in der Schweiz realisieren. So fiel die Wahl auf<br />

mich. Dieser Auftrag für die Post sollte mein erster<br />

grosser Film werden.<br />

Sie wurden gleichzeitig zum Produzenten?<br />

Das ist nicht unbedingt freiwillig erfolgt. Ich konnte<br />

als von der Agentur gesetzter Regisseur zwar aussuchen,<br />

mit welcher Firma ich drehen wollte. Aber<br />

alle bekannten Produzenten haben meine Anfragen<br />

abgelehnt. Einige hatten vielleicht Probleme mit der<br />

Agentur, andere wollten nicht die Verantwortung<br />

übernehmen, einen solch grossen Film mit einem<br />

«Anfänger» zu drehen. Auch Stefan Zürcher, der zu<br />

jener Epoche einen Film für James Bond in den Bergen<br />

betreute, winkte ab. Er meinte, Werbung sei<br />

nicht ganz sein Ding. So habe ich den Post-Film selber<br />

produziert mit meiner Fotocrew. Ich hatte ja mit<br />

meinem Studio an der Forchstrasse in Zürich eine<br />

grosse Infrastruktur. Als Produktionsleiter habe ich<br />

Stefan Fraefel dazu genommen. Und weil es funktionierte,<br />

meinten wir anschliessend, wir könnten<br />

doch gleich zusammen eine Firma gründen. Es war<br />

eine gute Ergänzung. Ich als kreativer Teil mit meinem<br />

visuellen Know-how und Stefan als der technisch<br />

Verantwortliche.<br />

Der Film wurde ein Erfolg?<br />

Der Post-Film hat ein paar Preise gewonnen. Das<br />

war ein Vignettenfilm mit verschiedenen Geschichten<br />

rund um solche Farb-Spielchen wie «Meine Liebe<br />

ist rot, das Konto ist gelb». Der Film lief im Kino und<br />

Fernsehen und war mein Durchbruch 1992 als Regisseur.<br />

Mit Wirz Fraefel haben wir anschliessend<br />

zuerst vorwiegend Spots mit einem kleinen Team<br />

gedreht. Ich wollte weiterhin unkompliziert<br />

arbeiten können, so wie beim Fotografieren.<br />

Wir merkten aber bald, dass wir auch<br />

im grossen Stil und mit entsprechenden<br />

Teams arbeiten mussten, wenn wir mit der<br />

Konkurrenz wie Condor, Glass oder T & C mithalten<br />

wollten.<br />

Grösse als Qualitätsgarantie?<br />

Bei den Fotos hast du eine Idee und gehst damit auf<br />

das Set. Dort siehst du etwas Besseres und drehst<br />

deine Kamera einfach in eine andere Richtung. Beim<br />

Film muss alles viel genauer vorbereitet werden und<br />

die Schnittfolgen aufeinander abgestimmt sein. Zufälligkeiten<br />

können bei den meisten Werbespots<br />

nicht mehr funktionieren, ausser man will eine solche<br />

Spontaneität als ein bewusstes Stilmittel. Im<br />

Normalfall braucht es für einen hochwertigen Werbespot<br />

bis zu <strong>40</strong> Leute auf dem Set. So sind auch wir<br />

mit der Zeit zu einer klassischen Filmproduktion<br />

geworden. Trotzdem versuche ich es immer noch so<br />

flexibel wie möglich zu halten. Ich suche nach wie<br />

vor gute Zufälle, die einem Film den entscheidenden<br />

Kick geben können.<br />

Was waren Ihre schönsten Erfolge?<br />

Den ersten Löwen in Cannes haben wir mit einem<br />

Spot für Wella gewonnen. Diesen Auftrag haben wir<br />

bereits aus Deutschland, also dem Ausland bekommen.<br />

In der Schweiz wurden die Filme für Die Mobiliar<br />

mit dem Claim «Liebe Mobiliar…» zu einer<br />

«ALLE PRODUZENTEN<br />

HABEN MEINE ANFRAGEN<br />

ABGELEHNT.»<br />

Seinen ersten Löwen in<br />

Cannes gewann Ernst Wirz<br />

mit einem schwarz-weissen<br />

Spot für Wella.


38<br />

Jubiläumsausgabe <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Werbewoche</strong> | 30.8.2013<br />

«HEUTE GEHT ES VIEL<br />

LÄNGER, BIS EINE STORY<br />

AKZEPTIERT WIRD»<br />

Stills aus dem ersten Vignetten-Film für die Post.<br />

schönen Aufgabe über mehrere <strong>Jahre</strong>. Ebenso die<br />

Filme für die Migros aus der klassischen Reihe mit<br />

der Auflösung «…kauft man besser in der Migros».<br />

Zum Beispiel der Toaster, der die Brotscheiben immer<br />

wieder zu früh rausspickt. Also stellt der Mann<br />

den Toaster auf den Kopf, damit die Scheiben nicht<br />

rausspicken können. Stattdessen hebt aber<br />

der Toaster ab wie eine Rakete und fliegt an<br />

die Decke. Text: «Toaster kauft man besser<br />

in der Migros.» Darauf fällt der Toaster wieder<br />

runter und dem Mann auf den Kopf.<br />

Text-Fortsetzung: «Versicherungen übrigens auch!»<br />

Nach diesem Muster der Doublette haben wir eine<br />

ganze Serie gedreht und damit fast alle möglichen,<br />

internationalen Preise gewonnen.<br />

Wie hat sich seit diesen Zeiten die Arbeit auf dem<br />

Set verändert?<br />

Auf dem Dreh hat sich wenig geändert. Man muss als<br />

Regisseur immer noch aus der Idee der Agentur eine<br />

gute Geschichte machen. Da ändert sich nichts, ob<br />

man das heute digital oder wie früher analog aufnimmt.<br />

Technik ist im Endeffekt wahrscheinlich einfacher<br />

als Kreation. Das ist beim Spielfilm auch so.<br />

Eine Zeitlang hat es dort nur «geklöpft und getätscht»<br />

mit den unglaublichsten Effekten. Solange es neu ist,<br />

Lang laufende Serien für die Migros («Toaster») sowie unten Die Mobiliar («The Photographer»).<br />

kann das faszinieren. Aber bald hat man es gesehen<br />

und dürstet wieder nach einer guten Geschichte.<br />

Früher kamen die Filmer vom Fotografischen her,<br />

heute von der Videotechnik?<br />

Es kommt immer darauf an, auf welchem Level man<br />

arbeitet. Video ist eine grossartige Sache, wenn man<br />

das kreativ nutzen kann. Man kann mehr und<br />

schneller arbeiten und kostengünstiger produzieren.<br />

Somit stimmt schon: Heute kann jeder einen<br />

Videofilm machen, so wie auch jeder fotografieren<br />

kann. Alles ist sehr einfacher geworden. Das ist sicher<br />

praktisch für Filme, die irgend etwas erklären<br />

müssen, zum Beispiel eine Gebrauchsanleitung. Bei<br />

einem «Highclass»-Werbefilm sind das Auge des Regisseurs<br />

und die Fantasie der Kreativen im Lauf der<br />

Entwicklung immer wichtiger geworden. Deshalb<br />

gibt es jetzt eine Aufsplittung. Billigfilme machen<br />

hauptsächlich Leute, die von der Technik kommen.<br />

Beim Computer ist es ja auch so. Da herrscht im Moment<br />

eine Welle, wo die Technik wichtiger ist und so<br />

kompliziert, dass nur diejenigen, welche diese ständig<br />

neue Technik beherrschen, sich auch einen Vorteil<br />

schaffen können. Die kultivieren das natürlich.<br />

Oftmals ohne künstlerischen Anspruch.<br />

Was waren andere Neuerungen?<br />

Die erste grosse Neuerung in meiner Zeit war die<br />

Video-Ausspiegelung. Früher hat man einfach gedreht,<br />

der Kameramann schaute durch den Sucher,<br />

und du standest daneben. Heute mit der Ausspiegelung<br />

gibt es mindestens drei Videomonitoren: für<br />

mich und den Schärfe-Puller. Aber dazu wird auch<br />

noch ein riesiges Zelt aufgebaut im Hintergrund mit<br />

einem grossen Flachbildschirm. Dort sitzt die ganze<br />

Agentur oder mindestens deren Verantwortliche<br />

sowie vier Leute vom Kunden. Und jeder will etwas<br />

sagen. Das ist das «Worst-Case-Szenario», aber man<br />

kann es erleben. Bei guten Kunden spielt das besser.<br />

Früher musste man dem Regisseur vertrauen. Er<br />

war der Einzige, der das Bild gesehen hatte. Mit<br />

der Videoausspiegelung können heute alle mitreden.<br />

Das ist eine andere Geschichte. Nicht nur auf dem<br />

Set, bereits bei der Vorproduktion sind die Strukturen<br />

völlig anders geworden.<br />

Wenn wir zum Beispiel von der Migros reden: Da gab<br />

es früher einen Mann, Paul Riesen,<br />

der hat über zig Millionen Budget<br />

verfügt und konnte weitgehend selber<br />

entscheiden. Die Agentur präsentierte<br />

ein paar Geschichten.<br />

Riesen sagte: «Ok, das machen wir.»<br />

Dann gab es noch ein PPM und anschliessend<br />

grünes Licht zum Drehen.<br />

Riesen war manchmal beim<br />

Dreh dabei, manchmal auch nicht.<br />

Und der CEO der Migros hat den<br />

fertigen Film erstmals am Samstag<br />

im TV zusammen mit seiner Familie<br />

gesehen. «Yeah, das ist unser<br />

Film!» Heute ist das total anders.<br />

Heute geht es unglaublich lange, bis<br />

überhaupt nur eine Story akzeptiert<br />

wird vom Kunden. Dann wird<br />

noch gepitched – nicht nur die<br />

Agenturen, auch die Produktionen.<br />

Es wird lange diskutiert.<br />

Hat die Entwicklung auch Vorteile<br />

gebracht?<br />

Die Technik hat uns viel erleichtert.<br />

Es war ein sehr wichtiger Schritt,<br />

als der Film digitalisiert wurde.<br />

Jetzt konnte man mit dem Filmmaterial arbeiten,<br />

ähnlich wie bei einer Fotografie im Photoshop. Früher<br />

mussten alle Effekte im Bild selber gemacht werden.<br />

So versuchte man eben das Filmmaterial zu<br />

überlisten, um spezielle Effekte zu erreichen. Mit<br />

dem digitalen Film kann man all diese Effekte am<br />

Schnittplatz machen. Das ist fantastisch im Vergleich<br />

zu früher. Dazu die Ausspiegelung. Mit dem<br />

Nachteil, dass alle zuschauen können, brachte diese<br />

Technik auch extreme Vorteile. Der nächste Schritt<br />

ist jetzt Volldigital. Das erlaubt noch einmal eine<br />

neue Dimension mit kreativen Spielereien.<br />

Waren die Budgets damals besser?<br />

Was sicher besser war aus unserer Sicht, ist, dass es<br />

diese Pitcherei noch weniger gab. Heute ist das wirklich<br />

gleich wie bei den Agenturen. Was da an Geld<br />

und Energie verloren geht… Geld, welches dann halt<br />

der Produktion fehlt. Mir geht es dabei nicht darum,<br />

dass wir mehr verdienen können. Ich möchte einfach<br />

ein bisschen mehr Zeit auf dem Set. In diesem<br />

Sinne waren die Budgets früher besser. Mit den Krisenzeiten<br />

haben logischerweise immer mehr Leute<br />

das Sagen bekommen, die dank ihren kommerziellen<br />

Fähigkeiten an ihren Job gekommen sind, überall.<br />

Wenn man aber Glück hat, trifft man nach wie<br />

vor auf einen CEO, der neben dem Finanzwissen<br />

auch noch ein Feeling hat für Kreationen und weiss,<br />

was gut oder schlecht ist.<br />

Gibt es ein echtes Horror-Erlebnis?<br />

Grosse Budgets sind schön, aber sie bringen auch<br />

den grossen Druck. Ich hatte einmal das Bedürfnis,<br />

eine «Riesenkiste» zu drehen. Ich wollte einen Film<br />

für eine Million machen. Tatsächlich hatten wir einen<br />

solchen Auftrag für L’Oréal Deutschland gewonnen.<br />

Wir drehten kurz vor der Fussballweltmeisterschaft<br />

in Paris im Stade de France. Der Spot war für<br />

mehrere Länder bestimmt. Und von allen fünf beteiligten<br />

sind Vertreter von L’Oréal sowie natürlich<br />

die Kreativen der Werbeagenturen nach Paris gekommen.<br />

Neben dem Set auf dem Rasen des Fussballstadions<br />

waren mindestens sieben Zelte mit<br />

Video-Ausspiegelung für die Kunden aufgebaut.<br />

Und nach jedem Take liefen diese Leute aufs Spielfeld,<br />

und es gab endlose Diskussionen in mehreren<br />

Sprachen um Änderungswünsche. Das Stade de<br />

France war eine geile Location. Ich war aber richtig<br />

froh, meinen nächsten Film wieder in der kleinen<br />

Schweiz drehen zu können.<br />

Von einem «richtigen» Spielfilm haben Sie nie geträumt?<br />

Spielfilme in der Schweiz sind ein schwieriges Business.<br />

Ich mache einfach gerne Filme, ob es Werbefilm<br />

ist oder ein Spielfilm. Ich will eine gute Geschichte<br />

inszenieren und daraus einen spannenden und interessanten<br />

Film machen. Ich habe Spass am Machen.<br />

Es gab ein paar Anfragen für einen Spielfilm. Ich war<br />

mal dran an einer Geschichte über den Velorennfahrer<br />

Hugo Koblet, nach einem Drehbuch von Walter<br />

Bretscher. Es war ein super Drehbuch, aber ich konnte<br />

damals nicht unsere Produktion für Monate verlassen.<br />

Ich habe immer mehr Anfragen gehabt aus<br />

dem Bereich Werbung, als ich bedienen konnte. Aber<br />

das ist eine andere Geschichte.<br />

Ihre Pläne?<br />

Filme drehen, die Spass machen. Mit Leuten die<br />

Spass machen. Ich fotografiere auch wieder, mehr<br />

redaktionell. Und zwischendurch mache ich Videos<br />

und Foots für die CDs meiner Musikerfreunde und<br />

spiele in deren Bands mein Funk-Sax.<br />

Interview: Andreas Panzeri


Unsere ganze Leidenschaft<br />

gehört dem Medium mit<br />

der grössten Öffentlichkeit.<br />

Für eine Gratulation<br />

an die <strong>Werbewoche</strong><br />

zum <strong>40</strong>-Jahr-Jubiläum<br />

machen wir mit diesem<br />

Inserat gerne eine Ausnahme.<br />

Die APG|SGA ist das führende Aussenwerbeunternehmen der Schweiz – spezialisiert auf<br />

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A612537


<strong>40</strong><br />

Von der Plattensammlung<br />

zu… ja<br />

zu was eigentlich?<br />

Seit der Lancierung<br />

der CD hat<br />

sich vieles in der<br />

Musikindustrie<br />

rasant entwickelt.<br />

Plattensammler<br />

reagieren<br />

skeptisch.<br />

Musikgeschäfte<br />

pragmatisch.<br />

David Guggenbühl<br />

findet in<br />

seiner Betrachtung<br />

zum Musikkonsum,<br />

es gebe<br />

nur eine Art,<br />

dieser Entwicklung<br />

zu begegnen.<br />

Vor bald 60 <strong>Jahre</strong>n wurde Heinz Kobelt in Marbach<br />

geboren. Er hat eine Speditionslehre bei<br />

Jacky Mäder gemacht und dann bei der Swissair, bei<br />

Imholz, bei der Malaysia Airlines, wieder bei der<br />

Swissair und dann auch bei der Swiss gearbeitet. Bis<br />

zu dem Tag, wo es nicht mehr ging. Zuerst ein Burnout,<br />

dann ein Herzinfarkt. Vor vier <strong>Jahre</strong>n ist dann<br />

auch seine Mutter überraschend gestorben. In einem<br />

Restaurant in Engelburg, wo sein Vater noch heute<br />

lebt. Ein Bild von ihr steht auf dem Tisch beim Sofa,<br />

neben einem Bild seiner russischen Freundin Eugenia<br />

aus Tambov. Jeden Freitag skyped Heinz mit ihr.<br />

Heute ist Heinz zu 57 Prozent invalid und wohnt<br />

in einer kleinen Einzimmerwohnung in Kloten. Zusammen<br />

mit seinem Kater Tiger. «Achtung vor dem<br />

Tiger» steht an der Wohnungstür. Und zusammen<br />

mit seinen über 8 000 CDs. Denn die sind Heinz<br />

geblieben; seine CDs. «Jede CD», so Heinz, «ist für<br />

mich auch ein Memory- Stick; eine Erinnerung, eine<br />

Geschichte, ein Eindruck, ein Gefühl.»<br />

Die erste Platte, eine Single, hat sich Heinz 1965<br />

gekauft: Beach Boys, Barbara Ann. 1969 dann die<br />

erste LP: Abbey Road von den Beatles. «Wenngleich<br />

eigentlich» so Heinz, «habe ich nur die A-Seite gekauft,<br />

weil mir das Geld für die ganze LP gefehlt hat.<br />

Die B-Seite kaufte mein Bruder.»<br />

Mit der Plattensammlung so richtig angefangen<br />

hat Heinz dann 1972 mit dem Beginn seiner Lehre.<br />

Da hatte er etwas Geld und das hat er alles in LPs<br />

investiert; mindestens zwei LPs hat er pro Woche<br />

gekauft. Beatles, Rolling Stones, Uriah Heep, Black<br />

Sabbath, aber auch Glamour Rock wie Sweet, Slade<br />

oder T Rex. Aber wirklich verändert haben sein Leben<br />

die Led Zeppelin. Von ihnen hat er in seiner<br />

Sammlung eine eigene, kleine Sammlung. 800 CDs,<br />

nur Led Zeppelin. Als wäre es gestern gewesen, erzählt<br />

Heinz, wie er vor über 30 <strong>Jahre</strong>n mit einem<br />

Freund nach London reiste und dort seine erste<br />

«Schwarzpressung» einer Led-Zeppelin-Platte kaufte.<br />

«Schon beim ersten Stand hatte ich alles mein<br />

Geld verputzt.»<br />

1983 hat Heinz seine erste CD gekauft. Kim<br />

Crimson, In the court of the Crimson King. Und<br />

kurz darauf dann der fatale Fehlentscheid: Heinz<br />

setzte ganz auf die CDs und fing an, seine LPs zu<br />

«verscherbeln». An diese Zeit denkt Heinz in seiner<br />

Einzimmerwohnung in Kloten, mit CD-Gestellen an<br />

allen vier Wänden, nur ungern zurück: «Ich habe<br />

nicht mehr an die LP geglaubt und bis 1993 eine um<br />

die andere verkauft.» Es schmerzt Heinz noch heute.<br />

Nur gerade 300 konnte er «retten». Sie stehen heute<br />

im Gestell rechts vom Eingang, einsam, zusammen<br />

mit ein paar Büchern.<br />

Trotzdem, der Fehler ist passiert, und heute sind<br />

die CDs Heinz am wichtigsten. Jede CD seiner umfangreichen<br />

Sammlung findet er innerhalb von fünf<br />

Sekunden. Und er weiss heute noch immer, wo er die<br />

CD gekauft hat, was er bezahlt hat und wie ihm die<br />

CD gefällt. 7500 seiner über 8000 CDs hat Heinz in<br />

einem Katalog erfasst. Eigentlich wollte er alle erfassen,<br />

aber sein PC ist abgestürzt und alle Daten sind<br />

vernichtet worden. Retten konnte er einzig den einen<br />

Ausdruck. Darin stehen alle seine CDs, sauber<br />

erfasst und vor allem auch alle bewertet. Von mittelmässig<br />

– schlechter hat Heinz nie bewertet – über<br />

sehr gut bis hin zu «Hammer».<br />

Die Zukunft macht Heinz aber ein bisschen<br />

Angst. Heinz fragt sich nämlich, ob die CDs die Zeit<br />

auch überstehen werden. «LPs halten länger als CDs,<br />

200 <strong>Jahre</strong> sicher. Aber CDs könnten sich auch einfach<br />

auflösen, die Musik könnte einfach gelöscht<br />

werden und eines Tages nicht mehr drauf sein.» Für<br />

Heinz eine Horrorvorstellung.<br />

Abschied nehmen<br />

Lukas Sidler, ehemaliger Mitarbeiter bei Jecklin und<br />

heute Product Manager Tonträger der Musik Hug<br />

AG, erinnert sich gut daran, wie sich 1982 Hans<br />

Jecklin vehement gegen die CDs gewehrt hat: «Darum<br />

hat Jecklin 1984 auch nur mit einem kleineren<br />

CD-Sortiment angefangen. Ab 1985 wurden die CD-<br />

Sortimente dann stetig zu Lasten des Vinyls ausgebaut.<br />

So um 1990 haben die CDs dann ganz übernommen.»<br />

Zehn <strong>Jahre</strong> später dann aber haben Peter und<br />

Hans Jecklin goldrichtig entschieden. Denn im Jahr<br />

2000 haben sie, auf dem absoluten Höhepunkt der<br />

CD-Verkäufe, das CD-Geschäft an einen viel kleineren<br />

CD-Händler verkauft. Kurz darauf brachen die<br />

CD-Verkäufe ein, und 2003 musste der kleine Händler<br />

das Geschäft wieder verkaufen.<br />

Und heute, wieder zehn <strong>Jahre</strong> später? Nun, Ralf<br />

Niesel, Geschäftsführer der Jecklin & Co AG, möchte<br />

sich nicht ganz vom CD-Geschäft verabschieden,<br />

aber als Fachgeschäft steht für ihn die Fokussierung<br />

auf die Dienstleistungen rund um den CD-Verkauf<br />

ganz im Vordergrund. Ein breites Publikumsangebot<br />

wie iTunes kommt für ihn nicht in Frage: «Die<br />

Entwicklung geht in Richtung Downloads und Stre-


Fotos: Keystone<br />

aming, und da können wir als nationaler Musikhändler<br />

ganz einfach nicht mithalten.» Ralf Niesel<br />

ist überzeugt, dass hier für ein wirklich konkurrenzfähiges<br />

Angebot Investitionen im zweistelligen Millionenbereich<br />

notwendig wären.<br />

Mit Auswahl zum Erfolg<br />

Würde Ex Libris nur Musik verkaufen, dann würde<br />

sich Daniel Röthlin, Geschäftsführer der Ex Libris<br />

AG, wahrscheinlich wie Ralf Niesel entscheiden. Ex<br />

Libris bietet aber vier Produktgruppen an: Buch,<br />

Game, Musik und Film. Und während drei davon<br />

zusehends unter Druck geraten, entwickelt sich ausgerechnet<br />

der Bücherverkauf sehr erfreulich.<br />

Trotzdem möchte Daniel Röthlin am Gesamtsortiment<br />

festhalten: «Für uns ist die Auswahl absolut<br />

entscheidend. Wir möchten, dass unser Kunde in<br />

eine Medien-Welt des Ex Libris einsteigen kann und<br />

darin ein umfassendes Angebot findet. Wir möchten,<br />

dass er das Angebot über den Kanal beziehen<br />

kann, der ihm am liebsten ist: Laden, PC, Mobile, ja<br />

in Zukunft Fernsehen. Und nicht zuletzt möchten<br />

wir, dass unser Kunde unter verschiedenen Liefermöglichkeiten<br />

auswählen kann. Und das Ganze»,<br />

und darauf legt Daniel Röthlin ganz besonderen<br />

Wert, «einfach immer und immer einfach.»<br />

Erstaunlicherweise sieht Daniel Röthlin gerade<br />

in der Lieferung einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil.<br />

Denn heute lassen sich um die 25<br />

Prozent der Online-Besteller die Ware in eine Ex-<br />

Libris-Filiale liefern. «Zum einen gibt der persönliche<br />

Kontakt den Kunden Sicherheit», so Röthlin,<br />

«und diese Sicherheit ist vielen Kunden wichtig.<br />

Zum anderen ist aber auch hier der Auswahlgedanke<br />

entscheidend: Der Kunde kann wählen, in welcher<br />

Filiale er seine Bestellung wann abholen will.»<br />

Das gilt aber vor allem für Bücher und weniger für<br />

Musik.<br />

Nicht alles wird besser<br />

Für Lorenz Haas, Geschäftsführer der IFPI Schweiz,<br />

dem Branchenverband der Ton- und Tonbildträgerhersteller<br />

der Schweiz, ist das Jahr 2013 auch ein<br />

gutes Jahr. Im Jahr 2013 wird in der Schweiz erstmals<br />

mehr Musik legal übers Web bezogen als physisch<br />

verkauft. Das Digitalgeschäft wächst erfolgreich<br />

und ist auf dem Vormarsch.<br />

Das ist aber nur die eine Seite. Die andere Seite<br />

macht Lorenz Haas Sorgen. In den vergangenen<br />

zwei <strong>Jahre</strong>n haben sich die Umsätze der Schweizer<br />

Labels aus dem physischen CD-Geschäft fast halbiert<br />

– von 121 auf 67 Millionen. Ein Verlust, der<br />

durch das kräftige Wachstum des Digitalgeschäfts<br />

von 26 Millionen auf fast 38 Millionen nicht kompensiert<br />

werden konnte. Seit 1992, also seit über 20<br />

<strong>Jahre</strong>n, ist der Branchenumsatz in der Schweiz<br />

rückläufig. Wurden am Höhepunkt 2<strong>001</strong> und 2002<br />

noch fast 20 Millionen CDs verkauft, sind es heute<br />

noch knapp 5 Millionen. Arbeiteten 1997 noch 626<br />

Mitarbeiter in der Branche, sind es heute noch ganze<br />

245. Und ein Ende ist nicht absehbar.<br />

Es gibt aber auch gute Nachrichten. So können<br />

im wachsenden Digitalgeschäft die Musik-Labels<br />

die Backkataloge, also die «alten Sachen», nochmals<br />

neu verkaufen. Das gilt vor allem für die Streaming-<br />

Angebote wie Deezer, Simfy oder Spotify, wo die<br />

Musik-Labels nach Nutzung bezahlt werden. Der<br />

globale Musikmarkt ist 2012 auch nach <strong>Jahre</strong>n der<br />

rückläufigen Entwicklung endlich wieder, wenn<br />

auch nur um 0,2 Prozent und nach wie vor auf tiefem<br />

Niveau, gewachsen.<br />

Und noch eine gute Nachricht: Die LP-Verkäufe<br />

haben auf dem globalen Markt stark zugenommen;<br />

von 113 auf 171 Millionen US-Dollar. Verglichen mit<br />

dem globalen Gesamtumsatz von über 16 Milliarden<br />

Dollar, ist das zwar wenig, aber immerhin. Heinz wird<br />

sich über diese Entwicklung auf alle Fälle freuen.<br />

Nach Lorenz Haas liegt der eigentliche Hoffnungsschimmer<br />

aber darin, dass die Nachfrage nach<br />

Musik ungebrochen ist und dass es immer neue Formen<br />

von Nutzung und Vertrieb geben wird. Die daraus<br />

entstehenden Möglichkeiten sind sowohl für<br />

die Musikfreunde als auch für die Musik-Labels attraktiv.<br />

Mein Fazit<br />

Ich persönlich glaube, dass derartigen Systemwechseln,<br />

wie sie die Musikindustrie in den letzten <strong>Jahre</strong>n<br />

mehrmals erlebt hat, nur auf eine Art begegnet<br />

werden kann: Man muss sie «herzlich umarmen»<br />

und versuchen, sie kreativ ins Geschäftsmodell zu<br />

integrieren. Auf keinen Fall aber sollte man versuchen,<br />

sie zu bekämpfen. Derartige Entwicklungen<br />

lassen sich nicht aufhalten. Nicht überraschend<br />

leiden darum in der Musikindustrie vor allem die<br />

traditionellen Mitspieler unter den Systemwechseln,<br />

während neue Anbieter wie Apple und Spotify<br />

davon profitieren.<br />

David Guggenbühl<br />

David Guggenbühl leitet<br />

zusammen mit Boris<br />

Lautenbach das unabhängige<br />

Marketing-Institut<br />

Exsider.com in Zürich.


Ihre Kunden möchten per Post<br />

informiert werden. Auch in Zukunft.<br />

Die Wirkung macht den Unterschied.<br />

Studien belegen: Kunden wünschen sich Geschäftskorrespondenz auch in Zukunft per Post.<br />

Im In- und Ausland wird der Brief nach wie vor sehr geschätzt – vor allem auch der Vertraulichkeit<br />

wegen.<br />

www.post.ch/wirkung<br />

A592342


Jubiläumsausgabe <strong>40</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Werbewoche</strong> | 30.8.2013<br />

43<br />

IMPRESSUM<br />

werbewoche<br />

BILD DER WOCHE<br />

Zeitung für Marketing, Werbung<br />

und Medien<br />

<strong>40</strong>. Jahrgang<br />

Verteilte Auflage: 3134 Ex.<br />

(Wemf 2012)<br />

Druckauflage dieser Ausgabe:<br />

4800 Exemplare<br />

ISSN 1422-0202<br />

Ausgezeichnet mit dem Gütesiegel<br />

Q-Publikation des Verbandes Schweizer<br />

Medien.<br />

Redaktion und Verlag:<br />

Medien&Medizin Verlag MMV AG<br />

Neugasse 10, Postfach 1753,<br />

8031 Zürich, Tel. 044 250 28 00<br />

Fax 044 250 28 10<br />

E-Mail: info@werbewoche.ch<br />

www.werbewoche.ch<br />

Verlagsleitung: Ralf Seelig<br />

Tel. 081 255 54 56<br />

E-Mail: r.seelig@werbewoche.ch<br />

Chefredaktor:<br />

Pierre C. Meier (PCM)<br />

Redaktoren:<br />

Andreas Panzeri (pan), Chefredaktor-<br />

Stv. und Ressortleiter Marketing<br />

& Kommunikation, a.panzeri@<br />

werbewoche.ch; Isabel Imper (imp),<br />

Redaktorin, i.imper@werbewoche.ch;<br />

Pierre C. Meier (PCM), Ressortleiter<br />

Media & Medien a. i., pc.meier@<br />

werbewoche.ch<br />

Deutschlandkorrespondent:<br />

Peter Ehm, München<br />

Produktion:<br />

Anny Bardill, Grafik,<br />

a.bardill@werbewoche.ch<br />

Layout und Druckvorstufe:<br />

Medien&Medizin Verlag MMV AG<br />

Dokumentation:<br />

Daniela Hämmerle<br />

Korrektorat:<br />

Bea Syz; Waldemar Ziegler,<br />

korrektorat@korrektorat.ch<br />

Gestaltungskonzept:<br />

KünkelLopka GmbH, Heidelberg<br />

Erscheinungstag:<br />

14-täglich Freitag<br />

Inseratenschluss:<br />

Freitag der Vorwoche, 12 Uhr<br />

Abonnementspreise 2013:<br />

<strong>Jahre</strong>sabonnement Fr. 265.– inkl. MwSt.<br />

Ausland <strong>Jahre</strong>sabo 265.– plus Porto<br />

(Einzelexemplar Fr. 15.–)<br />

Inseratentarife:<br />

1/1 Seite sw/4c Fr. 6500.–<br />

1/2 Seite sw/4c Fr. 4470.–<br />

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Reger Verkehr und Fahrzeugkolonnen auf der Autobahn (oben), gleiche Kreuzung ohne Verkehr aufgenommen am autofreien Sonntag vom 21. November 1973 in Zürich (unten).<br />

Foto: Photopress Archiv, Keystone.


Publicitas gratuliert<br />

der <strong>Werbewoche</strong> zum<br />

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Publicitas blickt auf eine langjährige erfolgreiche Partnerschaft<br />

mit der <strong>Werbewoche</strong> zurück und dankt allen Mitarbeitenden<br />

für die engagierte und konstruktive Zusammenarbeit. Wir freuen<br />

uns auf ein weiterhin partnerschaftliches Miteinander!<br />

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A606344

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