Influenza: Influenza: - Pädiatrix
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4<br />
Das<br />
2012<br />
D 62146 – ISSN 1611-9258 EUR 9,– CHF 14,– (Schutzgebühr) November 2012 www.paediatrix.de<br />
Pädiatrix<br />
Magazin für Kinderheilkunde<br />
<strong>Influenza</strong>:<br />
Wer profitiert<br />
von der Impfung?<br />
Sexueller Missbrauch<br />
bei Kindern<br />
Bauchschmerzen<br />
Chronopharmakologie<br />
Pädiatrix 4/2012<br />
Pädiatrix 4/12 erscheint mit<br />
freundlicher Unterstützung von
Sexueller Missbrauch von Kindern<br />
Medizinischer Kinderschutz<br />
erfordert<br />
multiprofessionelle<br />
Zusammenarbeit<br />
Quelle: Dr. B. Herrmann<br />
von<br />
Angelika Bauer-Delto<br />
Sexueller Kindesmissbrauch<br />
bezeichnet<br />
nach § 176 StGB<br />
sexuelle Handlungen<br />
mit, an oder vor<br />
einer Person<br />
unter 14 Jahren.<br />
Sowohl ein nicht erkannter sexueller Kindesmissbrauch<br />
als auch falsche Anschuldigungen<br />
können verheerende Folgen für das betroffene<br />
Kind und die ganze Familie haben. Dem Kinder-<br />
und Jugendarzt kommt hier eine beträchtliche<br />
Verantwortung zu. Der medizinische<br />
Kinderschutz war daher Schwerpunkt des<br />
Symposiums „Evidenz des Vorgehens bei sexuellem<br />
Kindesmissbrauch“ anlässlich der 108.<br />
Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für<br />
Kinder- und Jugendmedizin im vergangenen<br />
September in Hamburg.<br />
Ärzte sind oft unsicher, wie sie weiter vorgehen<br />
sollen, wenn sie von Eltern oder Kind ins<br />
Vertrauen gezogen werden oder wenn sie selbst<br />
Anhaltspunkte für einen sexuellen Missbrauch<br />
sehen. Ein wichtiger erster Schritt ist dann eine<br />
Beratung des Arztes beim Jugendamt (siehe Kasten<br />
Seite 5).<br />
Bei Verdacht auf sexuellen Kindesmissbrauch<br />
sei stets ein multiprofessioneller Kinderschutz<br />
gefragt, betonte Dr. Bernd Herrmann,<br />
Leiter der Ärztlichen Kinderschutzambulanz<br />
am Klinikum Kassel. Die medizinische Diagnostik<br />
sei dabei ein wichtiger Baustein. Zur<br />
Abklärung des Verdachts und für die weitere<br />
Betreuung des Kindes sei eine interdisziplinäre<br />
Zusammenarbeit von Ärzten, Psychologen und<br />
sozialen Einrichtungen unerlässlich.<br />
Aussage des Kindes entscheidend<br />
Die Diagnosestellung eines sexuellen Missbrauchs<br />
sei sehr komplex, denn: „Es gibt kein<br />
spezifisches Missbrauchssyndrom und nur selten<br />
stark hinweisende und noch seltener beweisende<br />
Symptome“, betonte Herrmann.<br />
Hinweise auf einen möglichen Missbrauch<br />
können sexualisierte Verhaltensweisen und Äußerungen<br />
des Kindes oder eine Ablehnung des<br />
eigenen Körpers sein. Auch plötzliche Verhaltensänderungen<br />
wie Rückzug oder Aggression,<br />
Rückfall in Kleinkindverhalten, Essstörungen,<br />
Schlafstörungen, Angstzustände, Albträume<br />
oder nachlassende Schulleistungen können Folge<br />
einer Missbrauchssituation sein. Somatische Beschwerden<br />
im Anogenitalbereich oder Schmerzen<br />
bei der Miktion können hinzukommen. Solche<br />
Auffälligkeiten sind jedoch unspezifisch und<br />
müssen daher sorgfältig differenzialdiagnostisch<br />
abgeklärt werden, empfahl Herrmann. „Die Diagnose<br />
des sexuellen Missbrauchs basiert im<br />
Wesentlichen auf der qualifiziert und einfühlsam<br />
erhobenen Aussage des Kindes, die jedoch<br />
keinesfalls durch suggestive Fragen beeinflusst<br />
werden darf“, betonte der Experte.<br />
Eindeutige körperliche Befunde sind selten.<br />
Umfangreiche Studiendaten (z.B. [2]) belegen,<br />
dass 90 bis 95 Prozent der Kinder, die aufgrund<br />
Pädiatrix 4/2012
5<br />
Neue Rechtslage bei Verdacht auf<br />
sexuellen Missbrauch<br />
Das Bundeskinderschutzgesetz (BKiSchG), das<br />
am 1. Januar 2012 in Kraft getreten ist, regelt unter<br />
anderem das Vorgehen von Ärzten und anderen<br />
Berufsgeheimnisträgern bei Verdacht auf<br />
Kindeswohlgefährdung [1].<br />
Das vom Gesetz vorgeschriebene Vorgehen<br />
ist mehrstufig aufgebaut: Ergeben sich bei der<br />
Ausübung der beruflichen Tätigkeit gewichtige<br />
Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohles<br />
eines Kindes oder Jugendlichen, ist zunächst<br />
mit dem Betroffenen beziehungsweise dem Sorgeberechtigten<br />
die Situation zu erörtern und auf<br />
die Inanspruchnahme von Hilfsangeboten hinzuwirken,<br />
soweit der Schutz des Kindes oder<br />
Jugendlichen dies zulässt (BKiSchG §4, Absatz<br />
1). Gleichzeitig hat der Arzt einen Anspruch auf<br />
Beratung bei einer erfahrenen Fachkraft der öffentlichen<br />
Jugendhilfe und darf hierzu die erforderlichen<br />
Daten pseudonymisiert an das Jugendamt<br />
weitergeben (BKiSchG § 4, Absatz 2).<br />
Kann ein Gespräch mit den Betroffenen die<br />
Gefährdung nicht abwenden und/oder hält<br />
der Arzt ein Eingreifen der Behörden für notwendig,<br />
ist der Arzt befugt, das Jugend amt<br />
einzuschalten und die erforderlichen Daten zu<br />
übermitteln. Eltern und Kind beziehungsweise<br />
Jugendlicher müssen darüber vorab informiert<br />
werden, es sei denn, dass dadurch der Schutz<br />
des Kindes oder Jugendlichen gefährdet wird<br />
(BKiSchG § 4, Absatz 3).<br />
eines Verdachts auf sexuellen Missbrauch untersucht<br />
werden, körperliche Normalbefunde<br />
aufweisen. Selbst nach berichteter Penetration<br />
finden sich nur selten Befunde im Genitalbereich<br />
[3].<br />
Ein Missbrauch von Kindern findet sehr<br />
häufig ohne physische Gewalt, sondern unter<br />
psychischem Druck statt. Meist müssen die<br />
Kinder Berührungen über sich ergehen lassen,<br />
ohne dass es zu einer Penetration kommt, sie<br />
werden zu sexuellen Handlungen am Täter<br />
gezwungen oder für pornografische Zwecke<br />
missbraucht. Deshalb weisen nur einige der<br />
Opfer offensichtliche frische oder alte Verletzungen<br />
als Folge des Missbrauchs auf.<br />
Zudem wird die Mehrzahl der betroffenen<br />
Kinder nicht akut vorgestellt. Oberflächliche<br />
Verletzungen im Genitalbereich heilen jedoch<br />
rasch und sind schon nach wenigen Tagen nicht<br />
mehr nachweisbar.<br />
In Fällen, in denen eine medizinische Untersuchung<br />
hinweisende oder forensisch bedeutsame<br />
Befunde erbringt, können diese die Diagnose<br />
eines sexuellen Missbrauchs sichern helfen, indem<br />
sie die Aussagen des Opfers untermauern<br />
oder gar ersetzen. Verletzungen oder Infektionen<br />
müssen selbstverständlich behandelt werden, bei<br />
älteren Mädchen ist zudem die Möglichkeit einer<br />
Schwangerschaft zu überprüfen.<br />
Normalbefunde dagegen schließen einen<br />
Missbrauch keinesfalls aus und dürfen kein Anlass<br />
sein, an der Glaubwürdigkeit von klaren Aussagen<br />
des Kindes zu zweifeln, betonte Herrmann.<br />
Therapeutischer Wert der<br />
medizinischen Diagnostik<br />
Nicht selten befürchten Eltern oder zuweisende<br />
Institutionen, dass eine medizinische Untersuchung<br />
für das Kind eine zusätzliche Traumatisierung<br />
bedeuten könnte. Der emotionale<br />
Stress ist jedoch in der Regel geringer als angenommen<br />
[4]. Unter entsprechenden Voraussetzungen<br />
sei die körperliche Untersuchung nicht<br />
nur nicht traumatisierend, sondern besitze sogar<br />
ein „quasi-therapeutisches Potenzial“ und<br />
könne zur psychischen Gesundung des Kindes<br />
beitragen, erklärte Herrmann: Betroffene Kinder<br />
weisen als Folge des Missbrauchs häufig<br />
ein verzerrtes und gestörtes Körperselbstbild<br />
auf. Für sie kann es sehr entlastend sein, wenn<br />
der Kinderarzt ihnen als glaubwürdige Autorität<br />
versichert, dass ihr Körper normal, physisch<br />
unbeschädigt und intakt ist oder dass Aussicht<br />
auf Heilung besteht.<br />
Mit Zeit, Geduld und Einfühlsamkeit<br />
Die medizinische Diagnostik setzt profunde<br />
Kenntnisse über das korrekte Vorgehen und die<br />
richtige Interpretation der Befunde voraus [5].<br />
Die Befunderhebung sollte auch den Anforderungen<br />
an ein gerichtsverwertbares Gutachten<br />
aus forensischer Sicht entsprechen [6].<br />
Die Anamnese von Kind und Begleitperson<br />
sollte getrennt erfolgen und auch vom Missbrauch<br />
unabhängige pädiatrische Aspekte umfassen,<br />
um den Fokus nicht allein auf die sexuelle<br />
Gewalt zu lenken und körperliche Befunde<br />
differenzialdiagnostisch einordnen zu können.<br />
Oft sei es jedoch nicht erforderlich oder ratsam,<br />
sämtliche missbrauchspezifischen Details zu<br />
erfragen, sagte Herrmann. Fragen an das Kind<br />
dürfen nicht suggestiv sein; bewährt haben sich<br />
hier strukturierte Fragebogen.<br />
Ein körperlicher<br />
Normalbefund<br />
schließt sexuelle<br />
Übergriffe keinesfalls<br />
aus.<br />
Missbrauch<br />
Pädiatrix 4/2012
6<br />
Missbrauch<br />
Ein „Nein“ des<br />
Kindes muss sofort<br />
respektiert werden.<br />
Abbildung 1:<br />
Die Demonstration<br />
des Untersuchungsgangs<br />
an einer Puppe<br />
kann dem Kind<br />
helfen, Ängste zu<br />
bewältigen<br />
Quelle: Dr. B. Herrmann<br />
Eine ruhige Atmosphäre und eine offene,<br />
einfühlsame, akzeptierende Einstellung des Untersuchers<br />
sind wesentliche Voraussetzungen<br />
für das Gelingen des Gesprächs. Botschaften<br />
wie „Es war gut von dir zu sagen, was passiert<br />
ist“ oder „Kinder sind nicht schuld an den Taten<br />
der Erwachsenen“ können einen therapeutischen<br />
Effekt haben und dem Kind helfen, das<br />
Trauma zu bewältigen, erklärte Herrmann.<br />
Die körperliche Untersuchung müsse ohne<br />
Zeitdruck, ohne Störungen und mit viel Geduld<br />
durchgeführt werden. Eine sofortige Untersuchung<br />
aus forensischen Gründen ist nur erforderlich,<br />
wenn der letzte sexuelle Kontakt weniger<br />
als 72 Stunden zurückliegt. Akute, blutende<br />
Verletzungen stellen einen medizinischen Notfall<br />
dar, der ebenfalls sofort ärztlich versorgt<br />
werden muss. Ansonsten kann die medizinische<br />
Diagnostik den Bedürfnissen des Kindes<br />
und seinem Rhythmus angepasst werden.<br />
Dem Kind muss jederzeit die Kontrolle über<br />
die Situation und die Möglichkeit zu Pausen<br />
oder einem Abbruch der Untersuchung eingeräumt<br />
werden. Jeder Druck oder Zwang sei zu<br />
unterlassen und ein „Nein“ des Kindes sei sofort<br />
zu respektieren, damit es sich nicht erneut<br />
in der Opferrolle fühlt, betonte Herrmann.<br />
Jeder Untersuchungsschritt sollte kindgerecht<br />
erklärt werden. An der Kinderschutzambulanz<br />
Kassel hat es sich bewährt, den Untersuchungsgang<br />
an einer lebendig wirkenden, aber<br />
nicht anatomischen Puppe vorwegzunehmen<br />
(Abbildung 1). Das Kind assistiert dem Arzt aktiv<br />
bei der Untersuchung der Puppe und hilft<br />
mit, deren – und damit indirekt die eigenen –<br />
Ängste zu mindern.<br />
Eine Sedierung oder Narkose ist nur bei<br />
schwerwiegenden anogenitalen Verletzungen<br />
indiziert. Statt Stress und emotionale Belastung<br />
zu reduzieren, könne eine Sedierung als erneuter<br />
Vertrauensbruch und Kontrollverlust empfunden<br />
werden, betonte Herrmann. Zudem bleibe<br />
der therapeutische Effekt einer bewältigten,<br />
selbstbestimmten Untersuchung ungenutzt.<br />
Befunde sorgfältig dokumentieren<br />
Zunächst ist grundsätzlich eine Ganzkörperuntersuchung<br />
obligatorisch, damit sich das Kind<br />
nicht auf den anogenitalen Bereich reduziert<br />
fühlt und damit keine extragenitalen Zeichen<br />
einer Misshandlung oder eines Missbrauchs<br />
übersehen werden. Die anogenitale Untersuchung<br />
erfolgt in Rückenlage bei abduzierten<br />
Beinen und ist bei jüngeren Kindern auch auf<br />
dem Schoß der Mutter möglich. Zur Untersuchung<br />
des Scheideneingangs und des Hymens<br />
werden die großen Labien mit leichtem Zug<br />
nach lateral (Separation) und zwischen Daumen<br />
und Zeigefinger vorsichtig nach außen<br />
und unten (Traktion) gezogen. Zudem sollte in<br />
Knie-Brust-Lage untersucht werden.<br />
Bei präpubertären Kindern sollte kein Spekulum<br />
eingesetzt werden. Sinnvoll sei dagegen<br />
ein Kolposkop, erklärte Herrmann, das zwar<br />
die Trefferquote positiver Befunde nur leicht<br />
erhöht, aber eine auch gerichtlich verwertbare<br />
Dokumentation erlaubt und dem Kind häufig<br />
eine Zweituntersuchung erspart.<br />
Die Befunde müssen sorgfältig dokumentiert<br />
werden. Eine Hilfe sind dabei Dokumentationsbogen,<br />
wie sie die Kinderschutzambulanz<br />
am Klinikum Kassel zur Verfügung stellt [7].<br />
Die große Vielfalt der Normvarianten im<br />
Genitalbereich mache eine Interpretation der<br />
Befunde jedoch äußerst schwierig, räumte<br />
Herrmann ein. Zudem müssen akzidentelle<br />
Verletzungen oder Differenzialdiagnosen wie<br />
ein anogenitaler Lichen sclerosus (Abbildung<br />
2) bedacht werden. Eine praktikable Hilfe, um<br />
die Bedeutung klinischer Befunde in ihrer diagnostischen<br />
Relevanz einzuordnen, ist die<br />
Klassifikation nach Adams in „Befunde bei<br />
Neugeborenen und nichtmissbrauchten Kindern“,<br />
„Unklare Befunde“ und „Diagnostische<br />
Befunde“ ([8, 9], siehe Kasten Seite 7).<br />
Forensische Spurensicherung<br />
Neben bestimmten Verletzungen und Infektionen<br />
spielen aus rechtsmedizinischer Sicht vor<br />
allem DNA-Spuren eine wesentliche Rolle, die<br />
bei einem Abstrich, auf Kleidung und Bettwäsche<br />
oder im Rahmen einer Schwangerschaft<br />
gewonnen werden können. DNA ist nicht nur<br />
ein beweisender Befund für einen sexuellen Kindesmissbrauch,<br />
sondern ermöglicht gleichzeitig<br />
einen direkten Täternachweis, betonte Dr. Sibylle<br />
Banaschak, Leiterin der Rechtsmedizinischen<br />
Ambulanz am Universitätsklinikum Köln.<br />
Pädiatrix 4/2012
7<br />
Medizinische Befunde bei Verdacht auf<br />
sexuellen Missbrauch von Kindern<br />
Unklare Befunde<br />
(untermauern klare Aussagen des Kindes)<br />
• tiefe Kerben oder Spalten am posterioren<br />
Randsaum des Hymens<br />
• Hymenalsaum mit 2 cm (Differenzialdiagnose<br />
z.B. chronische Obstipation,<br />
neuromuskuläre Erkrankungen)<br />
• anogenitale Condylomata acuminata<br />
• anogenitaler Herpes simplex Typ 1 oder 2<br />
Diagnostische Befunde<br />
(auch bei fehlender Aussage des Kindes)<br />
• akute Lazerationen oder Hämatome anogenital<br />
• akute Lazerationen des posterioren<br />
Frenulums der kleinen Labien<br />
• perianale Narben<br />
• Narben des posterioren Frenulums der kleinen<br />
Labien oder der Fossa navicularis<br />
• akute Lazerationen des Hymens<br />
• geheilte Durchtrennung (vollständige Spalte)<br />
des Hymens<br />
• Ekchymosen, Hämatome auf dem Hymen<br />
(Differenzialdiagnose infektiöse Prozesse,<br />
Gerinnungsstörungen)<br />
• tiefe perianale Einrisse<br />
• fehlendes Hymen oder Hymensegment<br />
• Infektion mit Neisseria gonorrhoe, Syphilis,<br />
Trichomonas vaginalis, Chlamydia trachomatis,<br />
HIV (bei Ausschluss perinataler Übertragung)<br />
• Nachweis von Sperma<br />
• Schwangerschaft<br />
Quelle: modifiziert nach [8, 9]<br />
Die Chancen, Speichel oder Sperma am<br />
Körper des Kindes zu finden, sind am größten,<br />
wenn seit der Tat nicht mehr als 24 Stunden vergangen<br />
sind. In Einzelfällen ist ein DNA-Nachweis<br />
aber noch nach drei bis vier Tagen möglich<br />
[10]. Liegt der Zeitraum zwischen Delikt<br />
und Untersuchung im Bereich von wenigen<br />
Tagen, sollte der Arzt daher einen Abstrich vornehmen,<br />
empfahl Banaschak – und zwar unabhängig<br />
davon, ob andere Befunde auf einen<br />
Missbrauch hinweisen oder ob das Kind eine<br />
Ejakulation des Täters berichtet.<br />
DNA-Spuren auf Kleidern oder Bettwäsche<br />
bleiben erhalten, solange diese nicht gewaschen<br />
werden. Die Spurensicherung am Ereignisort<br />
ist Aufgabe der Polizei, so Banaschak.<br />
Auch wenn beweisende Befunde selten<br />
sind, hat die medizinische Untersuchung einen<br />
wichtigen Stellenwert im Rahmen eines<br />
multiprofessionellen Kinderschutzes, so das<br />
Resümee der Experten. Einerseits sollte die<br />
Chance nicht ungenutzt bleiben, die Diagnose<br />
eines sexuellen Missbrauchs durch körperliche<br />
Befunde zu untermauern und eine Behandlung<br />
beispielsweise von sexuell übertragbaren Erkrankungen<br />
in die Wege zu leiten. Andererseits<br />
haben auch Normalbefunde durchaus einen<br />
therapeutischen Wert, da die Bestätigung körperlicher<br />
Unversehrtheit zur psychischen Gesundung<br />
des Kindes beiträgt.<br />
Literatur<br />
1. Gesetz zur Stärkung eines aktiven Schutzes von Kindern<br />
und Jugendlichen (Bundeskinderschutzgesetz –<br />
BKiSchG).<br />
2. Kelly P et al.: Diagnostic findings in alleged sexual<br />
abuse: symptoms have no predictive value. J Paediatr<br />
Child Health. 2006; 42(3): 112-117<br />
3. Anderst J et al.: Reports of repetitive penile-genital penetration<br />
often have no definitive evidence of penetration.<br />
Pediatrics. 2009; 124(3): e403-409<br />
4. Marks S et al.: Do no more harm: the psychological<br />
stress of the medical examination for alleged child sexual<br />
abuse. J Paediatr Child Health. 2009; 45(3): 125-132<br />
5. Herrmann B et al.: Sexual abuse in prepubertal children<br />
and adolescents. Endocr. Dev. 2012; 22: 112-137<br />
6. Debertin AS et al.: Forensisch-medizinische Untersuchung<br />
von Mädchen und Jungen bei Verdacht auf<br />
Misshandlung und Missbrauch. Rechtsmedizin. 2011;<br />
21: 479-482<br />
7. www.kindesmisshandlung.de/mediapool/<br />
32/328527/data/Doku-Boegen -Neu-2010.PDF<br />
8. www.kindesmisshandlung.de/mediapool/32/328527<br />
/data/Adams-Schema_Revision_2005-kurzfassung.<br />
pdf<br />
9. Adams JA: Medical evaluation of suspected child sexual<br />
abuse: 2011 update. J Child Sex Abus. 2011; 20(5):<br />
588-605<br />
10. Girardet R et al.: Collection of forensic evidence from<br />
pediatric victims of sexual assault. Pediatrics. 2011;<br />
128(2): 233-238<br />
Missbrauch<br />
Abbildung 2:<br />
Ein Lichen sclerosus<br />
kann als sexueller<br />
Missbrauch fehldiagnostiziert<br />
werden<br />
Quelle: Dr. Herrmann<br />
Weitere Infos, Fachliteratur<br />
und Fortbildungsmöglichkeiten:<br />
www.kindesmisshand<br />
lung.de<br />
Pädiatrix 4/2012