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Entwicklungen in der Diagnostik

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Quelle: Luise Dorff/bmpvonLuise DorffKasten 1:Große Füße, kle<strong>in</strong>e Füße – sie alle möchten imSturm die Welt erobern. Doch es kann für manchee<strong>in</strong> holpriger Weg werden, wenn <strong>der</strong> Fußke<strong>in</strong>en festen Stand gibt. E<strong>in</strong>e Fußdeformitätwird häufig gleich nach <strong>der</strong> Geburt diagnostiziert,doch manchmal fällt es schwer, e<strong>in</strong>e Fehlstellung<strong>in</strong> jungen Jahren mit bloßem Auge zuerkennen: Je<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>fuß hat e<strong>in</strong> ausgeprägtesSohlenfettpolster, erhöhte Bandlaxität und e<strong>in</strong>abgeknicktes Fersenbe<strong>in</strong> – <strong>der</strong> Übergang zumPathologischen ist fließend.Dauerbrenner Knick-SenkfußE<strong>in</strong> wichtiges Thema <strong>in</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>arztpraxis ist<strong>der</strong> Knick-Senkfuß. Hamel for<strong>der</strong>t die Pädiaterauf, ihrer eigenen Erfahrung im Bereich <strong>der</strong> normalenk<strong>in</strong>dlichen Entwicklung voll zu vertrauenund <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e im Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>dalter den weitenBereich des Normalen speziell beim leicht- bismittelgradigen Knick-Senkfuß und dem Innenrotationsgangmit <strong>der</strong> bekannten hohen Spontanheilungstendenzzu berücksichtigen.Wolf fügt an: „Solange e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d gut <strong>in</strong> den Zehenstandkommt, sich dabei die Ferse sauberaufstellt und sich das Fußgewölbe ausbildet,kann man zuwarten – e<strong>in</strong>e alte Regel, die wirauch mit mo<strong>der</strong>nster Methodik nur bestätigenkönnen.“„Wie e<strong>in</strong>e Marionette ist <strong>der</strong> sich entwickelndeFuß vom Gleichgewicht <strong>der</strong> auf ihn e<strong>in</strong>wirkendenKräfte abhängig“, erklärt <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>orthopädeProf. Johannes Hamel. „Wenn <strong>der</strong>enSpannung nicht harmonisch ist, gerät auch e<strong>in</strong>Puppenkörper aus <strong>der</strong> Balance.“ Der K<strong>in</strong><strong>der</strong>fußverliert nicht nur durch muskuläre Dysbalancenund neurologische Erkrankungen den Halt.Auch viele an<strong>der</strong>e, zum Teil ungeklärte Ursachenkönnen letztlich „im Schuh drücken“. DieTabelle auf Seite 8 gibt e<strong>in</strong>en Überblick über diewichtigsten Fußdeformitäten.<strong>Entwicklungen</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Diagnostik</strong>Hamel betreibt e<strong>in</strong>e k<strong>in</strong><strong>der</strong>orthopädisch-operativePraxis <strong>in</strong> München, die auf schwere Fußdeformitätenspezialisiert ist. Er erklärt: „Vor <strong>der</strong>kl<strong>in</strong>ischen Untersuchung spielt zunächst e<strong>in</strong>egenaue Anamnese e<strong>in</strong>e große Rolle, etwa zumVerlauf, zu Voroperationen sowie zu Schmerzen.“Dabei sollte bedacht werden, dass auchübergeordnete neurologische Störungen zugrundeliegen können. In die kl<strong>in</strong>ische Untersuchungschließt Hamel die gesamten unterenExtremitäten e<strong>in</strong> und beurteilt z.B. das Rotationsprofil,eventuelle Muskelverkürzungenund das Gangbild. Zur Bestätigung e<strong>in</strong>es kl<strong>in</strong>ischenVerdachtes wird die bildgebende Dia-


5gnostik herangezogen, mit <strong>der</strong> darüber h<strong>in</strong>ausdie Pathologie quantifiziert und dokumentiertwerden kann. „Vor allem die Sonographie leistetbei kontrakten Fehlstellungen <strong>in</strong> den erstenzwei Lebensjahren hervorragende Dienste“,erklärt Hamel. So verwendet Hamel die Sonographiez.B. zur Verlaufskontrolle während <strong>der</strong>Klumpfuß-Redression. „Die Röntgendiagnostikmuss sparsam und standardisiert erfolgen, d.h.bei kontrakten Deformitäten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Korrektur-Endstellung, bei hypermobilen Zuständen <strong>in</strong><strong>der</strong> maximal möglichen Fehlstellung“, erläutert<strong>der</strong> Orthopäde.Hamel und se<strong>in</strong>e Kollegen entwickeln undprüfen radiologische Indizes u.a. zur Beurteilungbeispielsweise e<strong>in</strong>er schweren Knick-Senkfuß-Fehlstellung.„Durch e<strong>in</strong>en biomechanischbegründeten und <strong>in</strong> unserer täglichen Praxiserprobten Röntgen-Index (TMT-Index) könnenwir heute das Ausmaß <strong>der</strong> Fehlstellung mite<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>zigen Zahl objektiv benennen“, berichteter. Mo<strong>der</strong>ne Schnittbild-Verfahren bleibenspeziellen Fragestellungen vorbehalten, z.B. beiCoalitiones (Verschmelzung von Knochenkernen),Tumoren, Wachstumsfugen-Schädigungeno<strong>der</strong> auch zur Suche e<strong>in</strong>er Schmerzursache.Wie Hamel arbeitet auch Dr. Leonhard Dö<strong>der</strong>le<strong>in</strong>,Leiten<strong>der</strong> Oberarzt <strong>in</strong> <strong>der</strong> OrthopädischenUniversitätskl<strong>in</strong>ik Heidelberg, daran, die<strong>Diagnostik</strong> zu objektivieren und so Fehlstellungenquantifizieren zu können. Er untersucht,wie sich e<strong>in</strong>e Fehlstellung dynamisch beimGehen bemerkbar macht – mittels computergestützterGanganalyse.Abb. 1.:Abb. 2:Instrumentelle GanganalyseDie Instrumentelle Ganganalyse kam <strong>in</strong> den80ern <strong>in</strong> den USA auf und fasst seit gut zehnJahren auch <strong>in</strong> Deutschland Fuß. Hierbei werdendie Gelenke des Be<strong>in</strong>es beim Gehen vermessenund ihre Funktion als dreidimensionaleKurven sichtbar gemacht. „Drei Funktionsgrößenwerden gemessen“, erklärt Dr. SebastianWolf, Leiter des zu Dö<strong>der</strong>le<strong>in</strong>s Sektion gehörendenGanglabors. „Zum e<strong>in</strong>en die K<strong>in</strong>ematik, dieBewegung, wozu dem Patienten kugelförmigeMarker an bestimmten Punkten auf die Hautgeklebt werden. Diese reflektieren <strong>in</strong>frarotesLicht, das während des Ganges von Kamerasaufgezeichnet wird.“ Gleichzeitig werden k<strong>in</strong>etischeDaten über an den Gelenken wirkendeDrehmomente von Kraftmessplatten im Bodenaufgenommen. Als drittes kommt die dynamischeElektromyographie zum E<strong>in</strong>satz. „Dazuwerden Elektroden auf dem Be<strong>in</strong> platziert, dieInformationen über die Muskelaktivität liefern“,führt Wolf aus. Darüber h<strong>in</strong>aus werdenauch Standard-Videos aufgenommen sowie dieDruckverteilung unter <strong>der</strong> Fußsohle (Pedographie)und im E<strong>in</strong>zelfall auch <strong>der</strong> Sauerstoffverbrauchbeim Gehen erfasst.An etwa 20 Orten <strong>in</strong> Deutschland wirddie Instrumentelle Ganganalyse durchgeführt.Üblicherweise wird dabei <strong>der</strong> Fuß jedoch alsstarres Element behandelt. Sehr viel genauervermessen die Heidelberger vor allem starkeDeformitäten mit ihrem vor zwei Jahren entwickeltenFußanalysemodell [1]. „Damit könnenwir die Bewegung e<strong>in</strong>zelner Fußgelenke, dieMuskelaktivität im Unterschenkel- und Fußbereichsowie die dynamische Druckverteilungzeitsynchron messen“, betont Dö<strong>der</strong>le<strong>in</strong>. „Sowerden u.a. Auswirkungen auf Hüft- und Kniegelenksowie auf die Gegenseite untersucht.“Weltweit s<strong>in</strong>d die Heidelberger neben e<strong>in</strong>emKooperationslabor <strong>in</strong> Sydney/Australien,an das diese Methode weitergegeben wurde,die e<strong>in</strong>zigen, die Fußanalysen dieser Art durchführen.Doch Dö<strong>der</strong>le<strong>in</strong> hofft „auf e<strong>in</strong>e größereVerbreitung und vor allem e<strong>in</strong>en <strong>in</strong>dustriellenKooperationspartner, um diese Methode allgeme<strong>in</strong>verfügbar zu machen“. Sie ist <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>ezur Ermittlung <strong>der</strong> Evidenz von Therapien<strong>in</strong>teressant.Die Methode ist allerd<strong>in</strong>gs für erwachseneFüße konzipiert. Wolf merkt an: „Wir haben e<strong>in</strong>igenAufwand betrieben, um auch K<strong>in</strong><strong>der</strong>füßebis Schuhgröße 33 messbar zu machen. E<strong>in</strong> ver-FußdeformitätenAbb. 3:Die Bewegung desProbanten wird anhandreflektieren<strong>der</strong>Marker beim Gehenüber mehrere Kameraserfasst (typischerweise6), die es ermöglichenüber e<strong>in</strong>e3D-Rekonstruktionper Computer orthopädischrelevanteGelenkw<strong>in</strong>kel <strong>in</strong>drei Raumebenenzu erfassenQuelle:Orthopäd. Unikl<strong>in</strong>ikHeidelbergAbb. 1:Schwerer k<strong>in</strong>dlicherPlanovalgus-Fuß vorStabilisierung mitArthroriseQuelle:Prof. Johannes HamelAbb. 2:Schwerer k<strong>in</strong>dlicherPlanovalgus-Fußnach Stabilisierungmit ArthroriseQuelle:Prof. Johannes Hamel


6FußdeformitätenAbb. 4:unbehandelterKlumpfußQuelle:www.klumpfuss-<strong>in</strong>fo.deAbb. 5:Ponseti-Methode:GipskorrekturQuelle:www.klumpfuss-<strong>in</strong>fo.dee<strong>in</strong>fachtes Modell hat teilweise schon bei unterVierjährigen funktioniert.“ Da steckt die Forschung– im wahrsten S<strong>in</strong>ne des Wortes – noch<strong>in</strong> den K<strong>in</strong><strong>der</strong>schuhen.Orthopädietechnik gefragtZur Therapie weniger stark ausgeprägter Fehlstellungengibt es heute e<strong>in</strong> vielfältiges Sortimentan Fußorthesen (E<strong>in</strong>lagen) und Knöchelorthesen.Immer wie<strong>der</strong> wird <strong>der</strong> Nutzenklassischer E<strong>in</strong>lagen angezweifelt, die jedochoft statt Bewegungsmaßnahmen verordnet o<strong>der</strong>unzureichend angepasst werden. Und schlechtpassende E<strong>in</strong>lagen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>der</strong> Tat schädlicherals gar ke<strong>in</strong>e.„Die Orthopädietechnik, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e dieE<strong>in</strong>lagen spielen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Mediz<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e eher untergeordneteRolle“, beklagt Alfons Fuchs, Leiter<strong>der</strong> Orthopädischen Werkstätten <strong>der</strong> Unikl<strong>in</strong>ikHeidelberg. So verwun<strong>der</strong>e es nicht, dass diewichtigste Entwicklung <strong>der</strong> letzten Jahre nichtvon e<strong>in</strong>em Arzt o<strong>der</strong> Techniker, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong>Physiotherapeut<strong>in</strong> Nancy Hylton angestoßenwurde. „Neben dem klassischen Weg, mit Kräftenund Hebeln das Fußgewölbe zu stützen,wurden vor zehn Jahren mit propriozeptiven,also die körpereigene Wahrnehmung för<strong>der</strong>ndenOrthesen neue Pfade beschritten“, weißFuchs. Darunter haben vor allem die dynamischenOrthesen, auch Nancy-Hylton-Orthesengenannt, e<strong>in</strong>e wahre Modewelle ausgelöst. Dieseverbessern deutlich die Koord<strong>in</strong>ation undTonuskontrolle bei Spastiken, bestätigt <strong>der</strong> Orthopädiemechaniker-Meister.Doch er hat Bedenken,ob bei an<strong>der</strong>en Indikationen die hohenMehrkosten gerechtfertigt seien.An<strong>der</strong>e Methoden z.B. die Plantarorthesenach Heili nutzen Reflexzonen und setzen Reizean <strong>der</strong> Fußsohle, um die Körperstatik zu verbessern.E<strong>in</strong>e <strong>in</strong>teressante Neuentwicklung, die e<strong>in</strong>eumfangreiche konventionelle Orthesenversorgungbeim Knick-Plattfuß ersparen kann, istdie TR-(Talus Repositions-)R<strong>in</strong>gorthese nachBaise/Pohlig. Beim Anziehen <strong>der</strong> Orthese wird<strong>der</strong> Rückfuß durch e<strong>in</strong>e Rotationsbewegungkorrigiert und von e<strong>in</strong>er r<strong>in</strong>gförmigen Fassunggehalten.Postoperativ f<strong>in</strong>den orthopädische Hilfsmittelwie Gipsverbände o<strong>der</strong> (Tag-)Nacht-Lagerungsschalenzur Ruhigstellung von Fuß undBe<strong>in</strong> Verwendung. Fuchs fügt an: „RedressierendeGipse werden u.a. beim Spitzfuß angelegt.Zusammen mit Botul<strong>in</strong>umtox<strong>in</strong> können soheute gute Erfolge erzielt werden“ (siehe Kastenrechts).Für die Zukunft for<strong>der</strong>t Fuchs e<strong>in</strong>e wissenschaftlicheÜberprüfung <strong>der</strong> Orthesenversorgungund dessen, was sich mit Hilfe von Impulsen,Reflexzonen und Propriozeption erreichenließe – und als Ergebnis e<strong>in</strong>e klare Leitl<strong>in</strong>ie. Bisdah<strong>in</strong> bemüht er sich selbst um e<strong>in</strong>e gesundeMischung aus allen Ansätzen.Operativ e<strong>in</strong>greifen?Ganz wichtig bei <strong>der</strong> Entscheidung zum operativenVorgehen sei die Kenntnis <strong>der</strong> Entwicklungspotentialeund des Spontanverlaufes, betontHamel. „Nicht selten ist es vorzuziehen,e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>griff noch h<strong>in</strong>auszuschieben, weilentwe<strong>der</strong> <strong>der</strong> Verlauf noch nicht abzusehen isto<strong>der</strong> e<strong>in</strong> operatives Verfahren optimal erst beie<strong>in</strong>em bestimmten Reifungsgrad des Fußes anzuwendenist.“ Allerd<strong>in</strong>gs sollten manche Füße<strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es bestimmten Zeitfensters korrigiertwerden, um die Wachstumsreserven vollauszunutzen.Je nach Lebensalter nimmt Hamel deshalbWeichteilkorrekturen, Osteotomien, Sehnentransferso<strong>der</strong> isolierte versteifende Maßnahmen vor– häufig aber auch Komb<strong>in</strong>ationse<strong>in</strong>griffe.„Bei neuromotorisch kranken K<strong>in</strong><strong>der</strong>n s<strong>in</strong>d


7Botul<strong>in</strong>umtox<strong>in</strong> (BTX) hilft dem Spitzfuß,auf den Boden zu kommenWann wird <strong>der</strong> Spitzfuß mit BTX behandelt?Dö<strong>der</strong>le<strong>in</strong>: International wird BTX seit mehr alszehn Jahren zur Spitzfuß-Therapie e<strong>in</strong>gesetzt,d. h. bei passiv noch korrigierbaren Fußfehlstellungenvor allem bei spastischer Lähmung, soauch beim spastischen Klumpfuß. Auch wir habensehr gute Erfahrungen damit gemacht.Wie lange wirkt BTX?Dö<strong>der</strong>le<strong>in</strong>: Die Wirkung von BTX alle<strong>in</strong> hältnur e<strong>in</strong>ige Monate an. Zusammen mit e<strong>in</strong>erkonservativen Behandlung – Gips o<strong>der</strong> Schienen– kann BTX aber e<strong>in</strong>e deutlich länger andauerndeWirkung entfalten. So verlängert sichdurch Komb<strong>in</strong>ation dieser Mehrfachbehandlungendie Wirkungsdauer z.T. sogar bis aufe<strong>in</strong> Jahr.Welche Nebenwirkungen werden beobachtet?Dö<strong>der</strong>le<strong>in</strong>: Bei guter Indikation kann lediglichim Bereich <strong>der</strong> <strong>in</strong>jizierten Muskulatur e<strong>in</strong>e längeranhaltende Schwäche auftreten. Nur beisehr hohen Dosisgaben kann es sehr selten zuvorübergehen<strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>er Schwäche kommen.Insgesamt ist die Behandlung sehr sicherund effektiv.Gibt es Verbesserungsbedarf?Dö<strong>der</strong>le<strong>in</strong>: Es gibt noch ke<strong>in</strong>e vernünftigen Behandlungsalgorithmen,z.B. ab welcher FehlstellungBTX nicht mehr wirkt. E<strong>in</strong>e <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>äreKonsensuskonferenz könnte sichere<strong>in</strong>iges erreichen.operative Korrekturen auf mehreren Ebenen<strong>der</strong> unteren Extremität (multi-level-surgery)heute die Regel“, ergänzt <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>orthopäde.Relativ neu ist die Arthrorise, e<strong>in</strong> quasi m<strong>in</strong>imal-<strong>in</strong>vasives,bewegungslimitierendes Verfahrenam unteren Sprunggelenkskomplex mittelsDübel o<strong>der</strong> Schraube. „Bei Knick-Senkfüßenerzielen wir zusammen mit gezielter Wadenmuskelverlängerungerstaunliche Ergebnisse“,betont Hamel.Während <strong>der</strong> idiopathische Klumpfuß heuteseltener operativ korrigiert wird als noch vore<strong>in</strong>igen Jahren, werden schwere Knick-Senkfüßeälterer K<strong>in</strong><strong>der</strong> heute vermehrt mit Arthroriseund Calcaneus-Verlängerungsosteotomie operativstabilisiert.AnschauungswandelHamel bemerkt: „Insgesamt ist man mit knöchernenFußkorrekturen im Schulk<strong>in</strong>dalter – ähnlichwie an <strong>der</strong> Hüfte – nicht mehr so zurückhaltend,da hierbei sehr präzise und ohne Schädigung<strong>der</strong> Gelenke vorgegangen werden kann.“Generell gilt heute nicht mehr die früherhäufig angetroffene Sichtweise, dass e<strong>in</strong>e Operationnur noch als letzte Möglichkeit <strong>in</strong> Betrachtkomme, stellt Hamel fest. Vielmehr werdedas beste Vorgehen zum optimalen Ergebnisgesucht. „Manches Paradigma musste dabeifallen.“E<strong>in</strong> weiteres Beispiel für den Anschauungswandelist die rasante E<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ung desPonseti-Verfahrens zur Behandlung des idiopathischenKlumpfußes <strong>in</strong> die Schulmediz<strong>in</strong>.„Es besteht aus e<strong>in</strong>er geschickten Komb<strong>in</strong>atione<strong>in</strong>facher und im Grunde bekannter Behandlungsschritte“,erklärt Hamel. „E<strong>in</strong>er subtilen,eng an <strong>der</strong> Pathomorphologie orientiertenRedressionsgips-Behandlung folgt meist e<strong>in</strong>eAchillotenotomie per Stich<strong>in</strong>zision <strong>in</strong> örtlicherBetäubung. Nach weiterer Retention im Gipsverbandwerden beide Füße <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Schiene <strong>in</strong>starke Außenrotation geführt.“ Die <strong>in</strong>ternationalenErgebnisse s<strong>in</strong>d sehr viel versprechendund auch <strong>in</strong> Deutschland – obwohl hier erst seit2001 angewandt – hat die Methode bereits vieleAnhänger (siehe Abb. 4 und 5) [3].Zusammenarbeit för<strong>der</strong>n„Jenseits von Normgrenzbefunden“, hebt Hamelhervor, „ist bei Fußdeformitäten <strong>in</strong> jedemFall <strong>der</strong> Orthopäde <strong>der</strong> geeignete Ansprechpartner.“Und Dö<strong>der</strong>le<strong>in</strong> wünscht sich mehrZusammenarbeit zwischen Pädiatern und K<strong>in</strong><strong>der</strong>orthopäden,um noch deutlich früher gefährdeteK<strong>in</strong><strong>der</strong>füße erkennen und behandelnzu können. Da se<strong>in</strong>e Botul<strong>in</strong>umtox<strong>in</strong>-Ambulanzoft Monate im Voraus ausgebucht ist, werden <strong>in</strong>Heidelberg Hospitationen und Fortbildungenfür K<strong>in</strong><strong>der</strong>ärzte angeboten, damit diese selbstfrühzeitig e<strong>in</strong>e Botul<strong>in</strong>umtox<strong>in</strong>-Behandlungbeg<strong>in</strong>nen können.Hamel fasst zusammen: „K<strong>in</strong><strong>der</strong> mit kontraktenFehlstellungen, Schmerzen, Fehlstellungenim Zusammenhang mit neuromotorischenKrankheitsbil<strong>der</strong>n sowie ältere Schulk<strong>in</strong><strong>der</strong>mit persistierendem schweren Knick-Senkfußbedürfen e<strong>in</strong>e speziellen Betreuung durch denk<strong>in</strong><strong>der</strong>orthopädisch und fußchirurgisch versiertenOrthopäden.“Fußdeformitätenwww.klumpfuss-<strong>in</strong>fo.dewww.klumpfussk<strong>in</strong><strong>der</strong>.dewww.G-A-M-M-A.orgGesellschaft zurAnalyse menschlicherMotorik und ihrekl<strong>in</strong>ische Anwendunge.V. (bieten u.a. Kursezur Aus- und Weiterbildungauf demGebiet InstrumentelleGanganalyse)Literatur kann <strong>in</strong> <strong>der</strong>Redaktion erfragtwerden.


8FußdeformitätenName (mögl.) Ursachen Kennzeichen TherapieKlumpfuß(Pes equ<strong>in</strong>ovarus)Differentialdiagnose:KlumpfußhaltungSichelfuß(Pes adductus)- Serpent<strong>in</strong>enfußKnick-Plattfuß(Pes planovalgus)- Knickfuß(auch: Knick-Senk-Fuß,Pes valgus)- Plattfuß(Pes planus;meist erworben- Talus verticalis(kongenitalerPlattfuß, „echter“Plattfuß)- T<strong>in</strong>tenlöscherfuß(Schaukelfuß)Spitzfuß(Pes equ<strong>in</strong>us)Hohlfuß(Pes cavus)- Ballenhohlfuß(Pes excavatus- Hackenhohlfuß(Pes calcaneusexcavatus)- Hackenfuß(Pes calcaneus)Differentialdiagnose:HackenfußhaltungTalus verticalis- angeboren:- polygen-genetisch- Umwelte<strong>in</strong>flüsse- lagebed<strong>in</strong>gt- neuropathisch- traumatisch- Dysbalancezwischenadduzieren<strong>der</strong>und Peronäalmuskulatur- übergeordneteStörung (Lähmung,Arthrogryposismultiplexcongenita Syndrom)- Bandlaxität- Übergewicht- Muskelhypotonie- verkürzteWadenmuskulatur- angeboren,- <strong>in</strong> 50% <strong>der</strong> Fälleübergeordnete,meist neurologischeErkankung- meist neurogen- idiopathisch/habituell- kompensatorisch- posttraumatisch- post<strong>in</strong>fektiös- angeboren- neurogen- v. a. nachPoliomyelitis- Myelomen<strong>in</strong>gozele- meist Schwächeo<strong>der</strong> Ausfall <strong>der</strong>Wadenmuskulatur- Komb<strong>in</strong>ation aus Spitzfuß,Kletterfuß, Sichelfuß,Hohlfuß und Auswärtskrümmungdes Fersenbe<strong>in</strong>s- Achillessehne verkürzt- Wadenmuskulatur schwach- Vorfußadduktion(Scheitelpunkt:Tarsometatarsalgelenk)- bei Valgusstellung(E<strong>in</strong>wärtskrümmung desFersenbe<strong>in</strong>s) im Rückfuß= Serpent<strong>in</strong>enfuß- e<strong>in</strong>gefallenes Längsgewölbe- Lateralabweichung desRück- und VorfußesKnickfuß:- Rückfuß im Valgus- Fersenachse gegenüberUnterschenkel abgekipptPlattfuß:- Fehlstellung im Vorfuß- relativ normaler RückfußTalus verticalis:- Talus senkrecht- Ferse im Spitzfuß u. Valgus- Mittel- und Vorfuß nachdorsal auf Talus disloziert- bei konvex gewölbterSohle = T<strong>in</strong>tenlöscherfuß- E<strong>in</strong>schränkung <strong>der</strong> Dorsalflexionim oberenSprunggelenk auf wenigerals Neutralstellung- Wadenmuskulatur verkürzt- beim Gehen Vorfuß belastet- überhohes Längsgewölbe- Vorfuß adduziert- meist Klauen-, Krallenzehen- Vorfuß stark plantarflektiert- rel. normaler Fersenstand- meist plantar vorragen<strong>der</strong>Großzehenballen- Fersenbe<strong>in</strong> steil, z.T. varisch- Vorfuß zur Sohle abgekippt- verstärkte Dorsal-,e<strong>in</strong>geschränktePlantarflexion im oberenSprunggelenk- Fersenbe<strong>in</strong> steil- Gipse (z.B. nach Ponseti)- Nancy-Hylton-Orthese- Wickeltechnik n. Zukunft-Huber- Physiotherapie- evtl. OP: Achillotenotomie (beiPonseti-Beh.) bzw. pantalares Release- anschließend (Tag-) Nacht-Orthesen- evtl. ab 7. Lebensjahr: Fixateur externe- meist Spontanheilung bei aktiverKorrektur- Wickeltechnik nach Zukunft-Huber- Gipsschälchen- Nachtlagerorthesen- ggf. Dreipunkte<strong>in</strong>lagen- Kalkaneusrepositionsorthesen- OP erst ab Schulalter- sehr häufig Spontanheilung- Physiotherapie- E<strong>in</strong>lagen- sehr selten OP: Verlängerung <strong>der</strong>Wadenmuskulatur u. des Kalkaneus,Verriegelung des unteren Sprunggelenks(z.B. Arthorise)- evtl. R<strong>in</strong>gorthese nach Baise/Pohl<strong>in</strong>gbei übergeordneter Störung:Behandlung <strong>der</strong> Ursache durchSpezialisten- Gipsbehandlung- R<strong>in</strong>gorthesen nach Baise/Pohl<strong>in</strong>g- bei kontrakten Füßen: OP- anschl. Gipsbehandlung- Orthesenversorgung- ggf. Be<strong>in</strong>längendifferenz ausgleichen- Physiotherapie- Redressionsgipse/Orthesen- Botul<strong>in</strong>umtox<strong>in</strong>-Therapie- OP: Sehnenverlängerung- selten knöcherner E<strong>in</strong>griffZiele:- Wie<strong>der</strong>herstellung <strong>der</strong>Funktionalität- Erleichterung <strong>der</strong> Schuh- undOrthesenversorgung- bei älteren K<strong>in</strong><strong>der</strong>n: im Allgeme<strong>in</strong>enknöcherne Operationen erfor<strong>der</strong>lich- evtl. Fixateur externe- elastische B<strong>in</strong>den- evtl. Gipsschälchen- evtl. Redressionsgips- evtl. Orthesen- evtl. OperationÜbersicht über die häufigsten Fußdeformitäten im K<strong>in</strong>desalter (modifiziert nach Corell J, Berger N: K<strong>in</strong>dliche Fußfehlformen.Grenzen des Normalen – Behandlung des Pathologischen. Monatsschrift K<strong>in</strong><strong>der</strong>heilkunde 2004; 152: 1253-66

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