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Thöne Editorial- und Kommunikationsdesign PORTFOLIO #11_2014

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16 Geschichte<br />

Geschichte<br />

17<br />

es war ein ganz normaler tag, so normal wie ein Kriegstag<br />

sein kann. Kälte lag über Marburg. der himmel sollte<br />

aber blau werden. Senkrecht <strong>und</strong> schwer bahnten sich<br />

die Rauchsäulen der heizenden Öfen ihren Weg aus den<br />

Schornsteinen. früh morgens waren schon diejenigen unterwegs,<br />

die zur Arbeit mussten. hauptsächlich 14, 15,<br />

16-jährige Jungs wie Werner fischer, florenz Baumgarten<br />

oder Walter Weitzel, die eine lehre machten. Alte Männer<br />

wie der 71-jährige laborant langbein oder sein 66-jähriger<br />

Gehilfe Schäfer, die die jungen Männer ersetzten, die<br />

für „Volk <strong>und</strong> Vaterland“ kämpften. oder Krüppel wie der<br />

Schrankenwärter lenz, der einen Arm bereits im ersten<br />

Weltkrieg gelassen hatte <strong>und</strong> zu seinem Wärterhäuschen<br />

am Schülerpark ging. Aber auch junge kräftige Männer<br />

wie Medizinstudenten blieben aus nicht uneigennützigen<br />

Gründen des Regimes in Marburg, schließlich wurde ihr<br />

handwerk in dieser Zeit sehr gebraucht.<br />

Zuerst gemeinsames Mittagessen<br />

Weitzel <strong>und</strong> Baumgarten hatten schon einen anderthalb<br />

St<strong>und</strong>en langen fußmarsch aus Bauerbach hinter sich, wie<br />

jeden Morgen, als sie an ihren Arbeitsplätzen in der Chirurgie<br />

<strong>und</strong> bei optiker Böhler am pilgrimstein ankamen.<br />

„Wir verabredeten uns zum Mittagessen“, erinnert sich der<br />

heutige 83-jährige Walter Weitzel, der noch immer in Bauerbach<br />

lebt. er war im zweiten lehrjahr <strong>und</strong> stellte dienst<strong>und</strong><br />

Maskenbrillen her. „eine kriegswichtige produktion“,<br />

wie er sagt. ebenfalls kriegswichtig waren die produkte,<br />

die bei Kaphingst in der Uferstraße gefertigt wurden. dort<br />

lernte Werner fischer orthopädiemechaniker, nur ein paar<br />

Straßen weiter. er selbst wohnte im norden der Stadt, in<br />

der nähe des hauptbahnhofes.<br />

Als Weitzel, Baumgarten <strong>und</strong> fischer ihre Arbeit begannen,<br />

war die 15-jährige Jeanette pfister auf dem Weg zur<br />

Schule. Vorher hatte sie sich von ihrer Mutter paula am ortenberg<br />

verabschiedet. „Meine Mutter wollte, dass ich zunächst<br />

nach hause gehe, dort den Ranzen ablege <strong>und</strong> zum<br />

laden in die Bahnhofstraße komme <strong>und</strong> mit ihr zu Mittag<br />

esse“, sagt Jeanette pfister, die heute pieruschek heißt. „es<br />

sollte Brötchen <strong>und</strong> Kakao geben“, erinnert sich die jetzt<br />

82-Jährige. Sie aßen doch zu hause <strong>und</strong> nicht im lager ihres<br />

tabakwarenhandels, „warum auch immer“, fragt sich<br />

heute noch pieruschek. es sollte ihr leben retten.<br />

An diesem Morgen des 22. februar holten sich amerikanische<br />

piloten die letzten instruktionen für ihren einsatz<br />

über deutschland, während die vier Motoren ihrer B-17-<br />

<strong>und</strong> B-24-Bomber warm liefen. Von england aus hatten die<br />

Alliierten die „Big Week“, die „Große Woche“, ausgerufen.<br />

Seit Sonntag, 20. februar, flogen 6.000 Bomber <strong>und</strong> 3.700<br />

Jagdflugzeuge Angriffe auf Ziele der deutschen flugzeugindustrie.<br />

An diesem tag starteten 799 Bombermannschaften<br />

zu ihrer Mission. Unter ihnen war auch der Bombenschütze<br />

leutnant James ernest Casey an Bord einer B-24,<br />

die nach Gotha fliegen sollte. Schlechtes Wetter über dem<br />

Zielgebiet zwang sie zur Umkehr. Allerdings waren die Besatzungen<br />

der Bomber mit dem Auftrag ausgestattet, bei<br />

Gegenwehr zu bombardieren. So hatte es in Caseys persönlichen<br />

Aufzeichnungen gestanden. das galt für alle.<br />

Mit lautem Pfeifen fallen die Bomben<br />

Jeanette <strong>und</strong> ihre Mutter paula waren gerade in ihrer Wohnung<br />

am ortenberg im früheren hute- <strong>und</strong> heutigen ludwig-Juppe-Weg<br />

mit den Brötchen <strong>und</strong> dem Kakao fertig.<br />

Sie standen auf dem Balkon in Richtung Stadt, als der fliegeralarm,<br />

eine Zwei-Stufen-Warnung, losging, eine Art<br />

Voralarm. die beiden frauen nahmen die Warnung nicht<br />

sonderlich ernst, „bisher passierte ja nichts“, so pieruschek.<br />

Und als sie die flugzeuge über ihre Köpfe hinweg<br />

fliegen sahen, sagte die Mutter, dass es eh zu spät sei, um<br />

im Keller Schutz zu suchen. Jeanette konnte neun Bomber<br />

genau erkennen, die in formation <strong>und</strong> in Richtung Westen<br />

flogen, wahrscheinlich nach hause. Sie standen unter<br />

flakfeuer aus Allendorf, die weißen Wölkchen der explodierenden<br />

Granaten waren vor dem blauen himmel deutlich<br />

sichtbar. das Mädchen sah die beiden nebelbomben,<br />

die den Bombenschützen signalisierten, ihre todbringende<br />

ladung abzuwerfen. Unter lautem pfeifen fielen die Bomben<br />

aus den Schächten der B-17-Bomber. „ich konnte nur<br />

noch sehen, dass die Bomben in höhe der Bahnhofstraße<br />

einschlugen, in der nähe des ladens“, erinnert sie sich.<br />

Werner Fischer (von links), Walter Weitzel <strong>und</strong> Walter otto sind Zeitzeugen.<br />

Sie haben als 15-jährige Jungs erlebt, wie die Bomben auf Marburg<br />

fielen.<br />

Foto: Andreas Schmidt<br />

Foto: privat<br />

Volltreffer. In der Nähe starben die Medizinstudenten.<br />

18<br />

Geschichte<br />

Geschichte<br />

19<br />

20<br />

Geschichte<br />

Geschichte<br />

21<br />

Explosionen<br />

Die neue Chirurgie ist völlig zerstört. Der damals 15-jährige Werner Fischer<br />

kam zum Helfen <strong>und</strong> hörte Schreie aus den Räumen, deren Fassaden fehlten.<br />

Jeanette <strong>und</strong> ihre Mutter gingen dann doch in deckung.<br />

der Abwurf war um 15.15 Uhr <strong>und</strong> dauerte nur eine Minute,<br />

ist später den Akten zu entnehmen.<br />

reißen Hausfassaden ein<br />

Schnell kamen Helfer zusammen, um Verletzte aus den trümmern der<br />

Chirurgie zu retten.<br />

in Richtung norden, ob er dort Staubwolken sah. Sein Gedanke<br />

galt der familie. es blieb aber wenig Zeit, „mit einem<br />

fre<strong>und</strong> lief ich zur gegenüberliegenden Chirurgie, um<br />

zu helfen“, wie er sagt. Überall hörte er Menschen weinen<br />

<strong>und</strong> stöhnen. eine frau lag noch in einem der oberen<br />

Stockwerke der völlig zerstörten Klinik in ihrem Bett. „Sie<br />

schrie um hilfe, aber lebte, ich fing an zu weinen“, so der<br />

damals 15-Jährige.<br />

Unter den trümmern der Chirurgie war auch florenz<br />

Baumgarten vergraben. tot, von einer Mauer erschlagen.<br />

nur 20 Minuten früher hatten sich er <strong>und</strong> Walter Weitzel<br />

nach der Mittagspause getrennt. „ich kann es heute noch<br />

nicht fassen“, senkt Weitzel den Kopf. Am 9. Juni hätte er<br />

seinen 15. Geburtstag gefeiert. er war ein todesopfer von<br />

29 allein dort. Auch für die alten Männer langbein <strong>und</strong><br />

Schäfer, die seit frühjahr 1943 den Stabsfeldwebel Cibulski<br />

im pathologischen institut vertraten, kam jede hilfe zu<br />

spät.<br />

Wo sind die Liebsten?<br />

Als die infernalisch lauten explosionen nachließen <strong>und</strong><br />

von den gewaltigen Staubwolken abgelöst wurden, begannen<br />

die beiden frauen zu rennen. Wie jeder in der Stadt.<br />

die einzige frage, die galt: „leben meine liebsten?“ paula<br />

<strong>und</strong> Jeanette liefen in Richtung laden, durch den Schülerpark,<br />

am Wärter lenz vorbei über die Schienen <strong>und</strong> die<br />

lahnbrücke in die deutschhausstraße. dort traf Jeanette<br />

ihren Vater Wilhelm, der auf der Schreibstube einer Studentenkompanie<br />

in der Ketzerbach seinen dienst tat. „Als<br />

Junge hatte er einmal einen Bruch verschleppt, deshalb<br />

blieb er“, erklärt pieruschek. er hatte sich auch auf den<br />

Weg gemacht, erst im laden geschaut <strong>und</strong> dann wollte er<br />

nach hause. „Gott sei dank, ihr lebt“, waren seine ersten<br />

Worte, an die sich Jeanette noch heute gut erinnert. Sie<br />

fielen sich in der deutschhausstraße in die Arme. Was sie Durch engen Schacht gerettet<br />

nicht wissen konnten: eine Bombe hat ganz in der nähe<br />

eine Gruppe von Medizinstudenten getroffen. 18 junge<br />

Männer starben beim Appell. Viele wurden vermisst. eine<br />

Geldbörse mit 30 Reichsmark, lebensmittelkarten <strong>und</strong> ein<br />

einkaufsausweis, die später gef<strong>und</strong>en wurden, waren die<br />

letzten stummen Zeugen.<br />

Als Werner fischer das pfeifen hörte, rannte er vier<br />

Stockwerke von der Kaphingst-Werkstatt bis in den Keller,<br />

in der hoffnung, schneller als die Bomben zu sein.<br />

„ich hatte richtig, richtig Angst“, weiß er noch ganz genau.<br />

nur wenig später stand er auf der Straße <strong>und</strong> blickte<br />

Mehr Glück dagegen hatten zwei ältere frauen. die eine<br />

lag verschüttet im eckhaus Bahnhofstraße/Robert-Koch-<br />

Straße, in der der Schuhgroßhandel dörrlamm <strong>und</strong> hamel<br />

war, nur unweit von der Chirurgie, als Walter otto kam.<br />

der 14-Jährige war beim Jungvolk <strong>und</strong> wurde zum helfen<br />

gerufen. „die hausfront war weg, wir zogen die frau<br />

durch einen engen Schacht <strong>und</strong> retteten sie“, erinnert sich<br />

otto. Sie rief ständig „mein ofen, mein ofen“, noch heute<br />

hat er die Worte im ohr. Sie hatte wohl einen Schock, war<br />

aber am leben. ebenso wie die frau, die in einer Wohnung<br />

neben dem haus wohnte, in dem der lagerraum des<br />

Fotos: privat<br />

tabakwarenhandels pfister war. Jeanette <strong>und</strong> ihre eltern<br />

paula <strong>und</strong> Wilhelm standen nur noch vor trümmern. eine<br />

Bombe hatte voll getroffen. eine weitere schlug ins<br />

nachbarhaus ein. „Wir hörten, dass eine frau fürchterlich<br />

schrie“, sagt Jeanette pieroschek. Wie es sich herausstellte,<br />

war es die nachbarin, die mehrere Stockwerke durch ein<br />

loch fiel, das eine Bombe im haus durchschlagen hatte.<br />

„Sie hatte lediglich einen Schenkelhalsbruch“, so die Zeitzeugin.<br />

dagegen war der Raum, in dem sie eigentlich mit<br />

ihrer Mutter Brötchen essen <strong>und</strong> Kakao trinken sollte, völlig<br />

zerstört. ein Stuhl blieb heil <strong>und</strong> eine fußballgroße r<strong>und</strong>e<br />

weiße deckenlampe aus Glas, sonst nichts.<br />

in einem Bericht, der teil einer Mappe im Marburger<br />

Uniarchiv ist, sind die Schäden <strong>und</strong> daten des tages aufgeführt:<br />

„7 Wohngebäude total zerstört, 16 schwer beschädigt,<br />

100 leicht beschädigt. Augenklinik total zerstört, der<br />

Buchtipps<br />

neue frauenflügel der Chirurgie total zerstört, die Bahnstrecke<br />

für 22 St<strong>und</strong>en unterbrochen. 84 Bomben gefallen,<br />

r<strong>und</strong> 60 flüssigkeitsbrandbomben.“<br />

„das leben am nächsten tag ging einfach weiter“, erinnert<br />

sich fischer, „musste weiter gehen“, motiviert er sich<br />

noch heute. für etwa 100 Männer, frauen <strong>und</strong> Kinder war<br />

es in dieser Stadt beendet. exakt ein Jahr später, am 22. februar<br />

1945, fielen wieder Bomben auf Marburg. der Angriff<br />

galt dem hauptbahnhof. es gab wieder tote. Am 28. März<br />

1945 war für Marburg der Krieg vorbei. Weiße Bettlaken,<br />

die aus den fenstern hingen, signalisierten den einmarschierenden<br />

Amerikanern das friedensangebot. leutnant<br />

James ernest Casey erlebte diesen tag nicht mehr, wie viele<br />

seiner Kollegen. er <strong>und</strong> seine Crew wurden bereits ein<br />

Jahr zuvor, am 8. März 1944, irgendwo über deutschland<br />

abgeschossen. 39 tage nach seinem 22. Geburtstag.<br />

Marburg im Krieg – es gibt reichlich Literatur<br />

Wer sich über Marburg im Kriege informieren will, wird leicht fündig. Mit wachsendem abstand von den Ereignissen stieg die Bereitschaft, sich<br />

eingehender mit den Vorgängen <strong>und</strong> vor allem ihren Hintergründen auseinander zu setzen. Vom Kreis derjenigen, denen am Verbergen <strong>und</strong><br />

Vertuschen liegt, leben nur noch wenige, in Machtpositionen befinden sie sich, im Gegensatz zu den ersten nachkriegsjahrzehnten, nicht mehr.<br />

Zum ersten orientieren empfiehlt sich ein<br />

Blick in die „Geschichte der Universitätsstadt<br />

Marburg in Daten <strong>und</strong> Stichworten“,<br />

zusammengestellt von Wilhelm Kessler,<br />

erschienen in zweiter auflage 1984 in<br />

der Reihe „Marburger Stadtschriften zur<br />

Geschichte <strong>und</strong> Kultur“, herausgegeben<br />

vom Magistrat der Stadt Marburg. Gr<strong>und</strong>legend,<br />

unbeschadet aller seither erfolgten<br />

Forschungsfortschritte, ist der in der<br />

„Marburger Geschichte – Rückblick auf die<br />

Stadtgeschichte in Einzelbeiträgen“, herausgegeben<br />

von Erhart Dettmering <strong>und</strong> Rudolf<br />

Grenz 1980, enthaltene aufsatz von John R.<br />

Willertz „Marburg<br />

unter dem nationalsozialismus<br />

(1933 – 1945)“.<br />

Hierzu traten zu einzelnen Sachkomplexen<br />

inzwischen weitere, zum teil sehr umfangreiche<br />

Untersuchungen, erschienen in der oben<br />

genannten Reihe „Stadtschriften...“.<br />

Beispielhaft genannt seien die 1982 publizierte<br />

Schrift „Mit Stumpf <strong>und</strong> Stiel ausrotten<br />

- Zur Geschichte der Juden in Marburg <strong>und</strong><br />

Umgebung nach 1933“ von Günter Rehme <strong>und</strong><br />

Klaus Martin Haase, „alltagsleben im Krieg –<br />

Marburgerinnen erinnern sich an den Zweiten<br />

Weltkrieg“ von andreas Bimmer u.a. (1985),<br />

„Kirche <strong>und</strong> Schule im national-sozialistischen<br />

Marburg“ von Friedrich Dickmann <strong>und</strong> Hanno<br />

Schmitt (1985) sowie schließlich der 2005<br />

erschienene, von Karin Brandes redigierte<br />

Sammelband „Zwangsarbeit in Marburg<br />

1939 bis 1945 – Geschichte, Entschädigung,<br />

Begegnung“.<br />

In neueren Vereinschroniken finden sich<br />

häufig wertvolle nähere Hinweise auf das<br />

Geschehen in der Kriegszeit. In Chroniken<br />

Marburger Stadtteile, vielfach gleichfalls<br />

den „Stadtschriften...“ angehörig, wird der<br />

Zeit des Dritten Reiches <strong>und</strong> damit auch der<br />

Kriegszeit oft breiter Raum gewidmet. Informativ<br />

nicht nur hinsichtlich der Schulverhältnisse<br />

selbst sind häufig Schulchroniken,<br />

zum Beispiel die der Martin-Luther-Schule<br />

von 1988 („Martin-Luther-Schule 1838 –<br />

1988“) sowie die „Schulgeschichten“ der<br />

Elisabethschule Marburg, erschienen zu<br />

derem 125jährigen Jubiläum 2004. lm<br />

Bevor die Amerikaner kamen –<br />

Marburg in den letzten Monaten des Zweiten Weltkrieges 1945<br />

von dr. lutz Münzer<br />

Anfang 1945 lebten in Marburg 36.000 Als Anfang 1945 kein heizmaterial weitgehend zum erliegen. Ab Januar<br />

Menschen – 8.000 mehr als zu Beginn zum Beispiel in der Martin-luther- 1945 gab es Kälteferien, <strong>und</strong> ab 17. februar<br />

1945 diente das Schulgebäude<br />

des Krieges. es war eng in der Stadt. Schule, damals „Adolf-hitler-Schule“,<br />

in den ersten Kriegsjahren blieb die zur Verfügung stand, kam wie auch als lazarett.<br />

Stadt von luftangriffen fast verschont. an anderen Schulen der Unterricht in wachsendem Maße lebten in<br />

doch am 22. februar 1944 fielen Bomben<br />

aufs nordviertel <strong>und</strong> töteten fast<br />

allem Zwangsarbeiter, etwa 1.600<br />

Marburg Kriegsgefangene <strong>und</strong> vor<br />

100 Menschen. ein Jahr später forderte<br />

eine Serie weiterer luftangriffe<br />

wäre in Marburg in den späteren<br />

waren es Anfang 1945. ohne sie<br />

zwar nicht mehr so viele Menschenleben,<br />

verursachte aber umfangrei-<br />

Sie arbeiteten in einer Vielzahl ge-<br />

Kriegsjahren nichts mehr gegangen.<br />

che Schäden. die oberstadt blieb verschont.<br />

dennoch war jedes vierte der<br />

bei Behörden <strong>und</strong> in privathaushalwerblicher<br />

einrichtungen, aber auch<br />

etwa 3.000 häuser der Stadt zerstört<br />

ten – etwa als haushaltsgehilfinnen.<br />

oder beschädigt.<br />

Zur Beseitigung des allgemeinen Wohnraummangels<br />

sowie zur Unterbringung von Kriegsdienst<br />

ein.<br />

die Reichsbahn setzte sie im Bau-<br />

im februar <strong>und</strong> März 1945 gab es<br />

weder Kartoffeln noch Zucker. Brot gefangenen <strong>und</strong> Zwangsarbeitern entstanden Zwangsarbeiter <strong>und</strong> Kriegsgefangene<br />

waren im Marburger Straßenbild<br />

wurde rationiert.<br />

zahlreiche Barackenlager, darunter eines auf<br />

Auch fahrraddecken waren nicht der Bürgerwiese bei Weidenhausen.<br />

allgegenwärtig.<br />

mehr zu bekommen. Schmiermittel,<br />

farben, Baustoffe aller Art wurden<br />

zur Mangelware.<br />

Kohlenmangel zwang zur Stilllegung<br />

des Gaswerkes am 28. februar<br />

1945. einen tag nach dem einmarsch<br />

der Amerikaner (28. März 1945) ging<br />

in Marburg buchstäblich das licht<br />

ganz aus – bis zum 7. April gab es keinen<br />

Strom.<br />

Schon im ersten Kriegsjahr hatte der<br />

Schulunterricht einschränkungen unterlegen:<br />

So fand vom 1. bis 10. Septem-<br />

des Bahnhofes diente<br />

nach der Zerstörung<br />

ber 1939 kein Unterricht statt, erneut<br />

das Häuschen des<br />

fiel er – wegen Kohlenmangel – vom 8.<br />

Verkehrsbüros vor<br />

Januar bis 5. März 1940 aus. Zum 1.<br />

dem Bahnhof einige<br />

September 1943 erfolgte die einberufung<br />

der Schüler der Geburtsjahrgänge<br />

gung der Fahrkarten-<br />

Jahre zur Unterbrin-<br />

1927 <strong>und</strong> älter als luftwaffenhelfer.<br />

ausgabe.<br />

Foto: Slg. Fachdienst Presse <strong>und</strong> öffentlichkeitsarbeit<br />

Foto: Andreas Schmidt<br />

der Kreis ist<br />

nach Jahrzehnten<br />

geschlossen.<br />

der Marburger<br />

Junge in einer Reihe mit<br />

dem amerikanischen präsidenten<br />

von Richard Kiefer<br />

Als Walter otto eines seiner präsente<br />

zum 82. Geburtstag vom seidenen<br />

Geschenkpapier befreite, musste er<br />

weinen. Auch bei seiner frau elisabeth<br />

flossen die tränen. ebenso bei<br />

den Kindern Karin <strong>und</strong> thomas, die<br />

ihm das Geschenk beschafft haben.<br />

das war 2011, <strong>und</strong> die Überraschung<br />

überwältigend. „der Kreis ist nach<br />

Jahrzehnten geschlossen. die Skulptur,<br />

für die ich als Jugendlicher Modell<br />

gesessen hatte, hielt ich in meinen<br />

händen“, sagt Walter otto. noch<br />

heute steigen dem alten Mann bei<br />

diesen Worten tränen auf. in seinen<br />

kühnsten träumen hätte er nicht daran<br />

geglaubt. eine figur, die kunstvoll<br />

seine Vergangenheit mit der ewigkeit<br />

verbindet, steht nach 66 Jahren in seinem<br />

Schrank. Sie ist zu hause.<br />

eigentlich haben Geschichten einen<br />

Anfang. diese aber hat zwei. 1945.<br />

Marburg nach dem Zweiten Weltkrieg.<br />

das leben in der Stadt starte-<br />

Walter otto<br />

Walter otto (vorne) hat seinem alten Fre<strong>und</strong> Karlheinz Schade zu verdanken,<br />

dass er seine Skulptur nach mehr als 60 Jahren in den Händen hält.<br />

te langsam. Alle hatten hunger. die<br />

Schulen waren geschlossen oder von<br />

der amerikanischen Armee besetzt.<br />

Somit hatten die Schüler nichts zu<br />

tun, außer vielleicht amerikanische<br />

lieder zu hören, die die nazis verboten<br />

hatten <strong>und</strong> zu erfahren, dass<br />

Amerikaner gar nicht böse sind, wie<br />

es ihnen die propaganda lange eingetrichtert<br />

hatte.<br />

Walter otto lebte in der nähe des<br />

Staatsarchivs in der Bismarckstraße<br />

30. er besorgte sich <strong>und</strong> seinen<br />

fre<strong>und</strong>en Werner haserodt, Willy<br />

trier <strong>und</strong> Karlheinz Schade beim „Art<br />

Collecting point“ der Amerikaner Arbeit.<br />

diese Stelle im Staatsarchiv verhalf<br />

den Kunstwerken aus deutschland<br />

<strong>und</strong> europa, wieder ihre alten<br />

plätze in den Museen <strong>und</strong> Galerien<br />

einzunehmen. die 15-Jährigen bekamen<br />

etwas Geld für ihre dienste. Aber<br />

was noch wichtiger war, sie bekamen<br />

ein warmes essen in der „Sonne“ am<br />

Marktplatz. Sie diente als Kantine.<br />

Zunächst halfen die Jungs neue<br />

fenster im Staatsarchiv einzusetzen,<br />

die nach dem letzten Bombenangriff<br />

am 12. März geborsten waren. danach<br />

aber begann ihre eigentliche Arbeit.<br />

Sie mussten die lastwagen abladen<br />

<strong>und</strong> die angelieferten Kunstwerke<br />

auspacken. „Wir sahen Gemälde von<br />

Cranach, Manet, Monet oder Renoir“,<br />

erzählt otto über die Menge an überwältigenden<br />

Bildern an einem ort.<br />

<strong>Thöne</strong> <strong>Editorial</strong>- <strong>und</strong><br />

Kommunik ationsDesign<br />

Hiltrud <strong>Thöne</strong> Dipl.-<strong>Kommunikationsdesign</strong>erin<br />

Telefon 0 62 46 / 68 91 03 www.thoene-design.de bureau@thoene-design.de

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