EVANGELISCHES BERATUNGSZENTRUM - EBZ München
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JAHRES--------------<br />
-------<br />
<strong>EVANGELISCHES</strong> <strong>BERATUNGSZENTRUM</strong><br />
BERICHT 2010<br />
Pasing<br />
Landwehrstraße<br />
Neuperlach
Jahresbericht 2002<br />
Jahresbericht 2010<br />
Evangelisches Beratungszentrum München e.V.<br />
Evangelisches Pastoralpsychologische Beratungszentrum Beratung, München e.V.<br />
Landwehrstraße Supervision und 15/Rgb. Fortbildung<br />
80336 Landwehrstr.15 MünchenRgb/II<br />
80336 München<br />
Telefon (089) 5 90 48 – 0<br />
Telefax Telefon (089) 089/590 5 904848141<br />
– 190<br />
mail@ebz-muenchen.de<br />
ppa@ebz-muenchen.de<br />
www.ebz-muenchen.de<br />
Das Spendenkonto:<br />
Evangelische ACREDOBANK Kreditgenossenschaft e.G.<br />
e.G. Kassel<br />
Kto. 340 50 340 20 29 20 (BLZ 29 (BLZ 520760 604605 10) 61)
1<br />
Jahresbericht<br />
2010 2002
3<br />
Editorial<br />
Liebe Leserinnen, liebe Leser,<br />
Im Blick auf das vergangene Jahr beschäftigt mich ein Wort<br />
des Apostels Paulus an die Menschen in Korinth. Dort heißt<br />
es: „Gott sprach: Licht soll aus der Finsternis hervorleuchten,<br />
er hat einen hellen Schein in unsere Herzen gegeben – zur<br />
Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes.“ Und weiter: „ Wir haben<br />
diesen Schatz in irdenen Gefäßen, damit die überschwängliche<br />
Kraft von Gott ist und nicht von uns.“ (Die Bibel, 2. Kor .4)<br />
Nimmt man dieses Bild beim Wort erzeugt es Stirnrunzeln.<br />
Wie kann ein Licht, das in einem irdenen Gefäß, einem Tontopf<br />
steht, sichtbar werden? Das geht doch nur, wenn das<br />
Tongefäß Risse oder Durchbrüche hat. Dabei geht es nicht<br />
um die Schönheit wohlgeformter Tongefäße, sondern es geht<br />
um das Leben. Das Bild des Paulus wendet sich dem Fragmentarischen,<br />
Gebrochenen, Sehnsüchtigen, Unvollkommenen<br />
zu. Die Risse und Brüche gehören zum Menschsein. Es geht<br />
im Leben nicht darum, vollkommen zu sein, ganz zu sein oder<br />
heil. Auch allen Wegen gegenüber, die das versprechen ist<br />
Vorsicht geboten. Um mit Adorno zu sprechen: „Das Ganze<br />
ist das Unwahre.“ Es ist eher im Gegenteil: unser Leben ist<br />
ein Fragment.<br />
Paulus weist darauf hin, dass gänzlich unabhängig von unseren<br />
Rissen und Brüchen ein Licht von Gott in uns gestellt<br />
ist. Ein Licht, das leuchtet, gerade auch in und durch unsere<br />
Unvollkommenheit, unsere Fragmentarität, durch die Brüche<br />
unserer Existenz. Dieses Licht ist in jedem Herzen verborgen.<br />
In jedem unserer Herzen, in jedem Herzen unserer Klient/innen,<br />
im Herzen eines jedem Menschen hat Gott diesen hellen<br />
Schein gelegt.<br />
Sie halten den Jahresbericht 2010 des ebz in Händen. Ca.<br />
31.000 Menschen nutzen die Angebote des ebz im vergangenen<br />
Jahr, waren mit ihren Rissen und Brüchen bei uns präsent.<br />
Eine Vielzahl von Themen hat uns im vergangenen Jahr<br />
beschäftigt. Davon zeugen die Artikel in diesem Jahresbericht.<br />
Doch was wir hier in diesem Jahresbericht zeigen ist<br />
nur die Spitze eines Eisbergs. Auch unsere Präventionsangebote<br />
und ebz-Gespräche, die manche unserer Themen in der<br />
Öffentlichkeit bekannt machen, zeigen nicht die Vielfalt und<br />
Komplexität des Beratungsgeschehens. Die Beratungsgespräche,<br />
die 60 % unserer Arbeit ausmachen und unser Kerngeschäft<br />
sind, geschehen im Verborgenen. Verschwiegenheit<br />
und Anonymität sind unser Qualitätsmerkmal. Das, was uns<br />
schon bei unserem 50-jährigen Jubiläum beschäftigt hat,<br />
zieht sich weiter durch. Die Beratungen werden komplexer,<br />
verlangen danach, dass das ebz gut vernetzt ist mit anderen<br />
Hilfeeinrichtungen in München.<br />
Und vielleicht kann dann im Beratungsgeschehen die Erfahrung<br />
wachsen, dass ein Licht in uns gestellt ist, leuchtet<br />
durch all unsere Brüche und Risse, all unsere Unvollkommenheiten,<br />
Verwundungen und Verletzungen. Die Erfahrung,<br />
dass ich anders angeschaut werde, Wertschätzung erfahre,<br />
angenommen bin. Das heißt, dass ich meine Würde nicht<br />
selbst erschaffen muss. Sie ist einfach da, weil ein Licht in<br />
mich gestellt ist. Ich bin anerkannt von vornherein, mit den<br />
Rissen und Brüchen in meinem Leben. Gott weiß, dass das<br />
Licht in einem irdenen Gefäß steht, das brüchig ist. Und genau<br />
dadurch, im Verborgenen, Fragmentarischen wird die<br />
überschwängliche Kraft Gottes deutlich.<br />
Ich wünsche Ihnen und unseren Klient/innen die<br />
Entdeckung des Lichts, das in irdenen Gefäßen leuchtet,<br />
jeden Tag neu.<br />
Ihre<br />
Gerborg Drescher<br />
Vorstand
Inhaltsverzeichnis<br />
Seite<br />
I Editorial .............................................................................................................................................................................................3<br />
1. Rückblick 2010 und Kurzstatistik .............................................................................................................................................................. 5<br />
1.1 Beratung für Eltern, Kinder, Jugendliche und Familien ...................................................................................................................... 6<br />
1.2 Ehe-, Familien-, und Lebensberatung ...................................................................................................................................................... 8<br />
1.3 Telefonseelsorge ............................................................................................................................................................................................10<br />
1.4 Pastoralpsychologische Supervision, Beratung und Fortbildung...................................................................................................12<br />
1.5 Schwangerschaftsberatung .......................................................................................................................................................................14<br />
1.6 Präventionsangebote / ebz-Gespräche ..................................................................................................................................................16<br />
1.7 Das ebz ist vernetzt mit .............................................................................................................................................................................17<br />
1.8 Das ebz ist Mitglied in ... ............................................................................................................................................................................17<br />
1.9 Das ebz wird finanziert durch ... ..............................................................................................................................................................17<br />
1.10 Der Freundeskreis des ebz ..........................................................................................................................................................................18<br />
2. Aspekte aus der Arbeit der Abteilungen ................................................................................................................................ 19<br />
2.1 Es kommen härtere Tage – Demenz, die Herausforderung userer Zeit (TS) ...............................................................................20<br />
2.2 Sorgerecht für nichtverheiratete Väter - Die neue Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom<br />
21.07.2010 und unsere Erfahrungen in der Rechtsberatung (EFL)................................................................................................22<br />
2.3 Rechtsberatung in der Staatlich anerkannten Beratungsstelle für Schwangerschaftsfragen -<br />
Ein Interview mit Renate Mitleger, Fachanwältin für Familienrecht, seit 20 Jahren für das ebz tätig (SSB).................24<br />
2.4 Innenansicht der Multitalente – die Verwaltungskolleginnen (VT) ..............................................................................................26<br />
2.5 Beratung und Kooperation nach der FGG-Reform – Erfahrungen mit dem Münchner Modell<br />
bei Trennungs- und Scheidungsfamilien (EB NP) ...............................................................................................................................28<br />
2.6 Online Beratung - Mitarbeit in der virtuellen Beratungsstelle der Bundeskonferenz<br />
für Erziehungsberatung und beim evangelischen Beratungsportal (EB) ....................................................................................29<br />
3. Ökumenischer Kirchentag in München 2010 ....................................................................................................................... 33<br />
3.1 Mancher Knoten lässt sich lösen - Die evangelische Schwangerschafts(konflikt)-beratung<br />
auf dem ÖKT 2010 (SSB).............................................................................................................................................................................34<br />
3.2 Es ist gut, dass es euch gibt - TelefonSeelsorge auf dem ÖKT (TS)...............................................................................................34<br />
3.3 Beratungsstelle auf Zeit (EFL) ...................................................................................................................................................................35<br />
3.4 Meine Schuld erdrückt und lähmt mich und ich will doch leben (EFL NP) ................................................................................37<br />
3.5 Beiträge zur Geschichte der Ökumene in Neuperlach (EB NP) ......................................................................................................38<br />
3.6 Vom Telefon zum Internet (TS).................................................................................................................................................................38<br />
4. Pressespiegel ................................................................................................................................................................................. 39<br />
Ein Platz im Herzen .....................................................................................................................................................................................40<br />
Reden wir über Familienkrankheit Alzheimer – Interview mit Pfarrer Jürgen Arlt .................................................................43<br />
5 Fragen an Ulrike Buchner – Tipps für ein besinnliches Weihnachtsfest ................................................................................43<br />
Darf ich unter der Woche allein ausgehen? – Interview mit Helmut Brandmair ...................................................................43<br />
Demenz: Hilfe übers Telefon .....................................................................................................................................................................43<br />
Pränataldiagnostik und ihre Folgen ........................................................................................................................................................43<br />
Würdeloses Betteln um Kleidung und Nahrung .................................................................................................................................43<br />
Menschen glauben - Eine Reise zu den Religionen der Welt ........................................................................................... 44<br />
Impressum .......................................................................................................................................................................................................45
Rückblick 2010<br />
und Kurzstatistik<br />
5<br />
Erziehungsberatung<br />
Ehe-, Familien-,<br />
Lebensberatung<br />
TelefonSeelsorge<br />
Pastoralpsychologie<br />
Schwangerschaftsberatung<br />
Prävention<br />
Vernetzung<br />
Freundeskreis
6<br />
1.1 Die Beratung für Eltern, Kinder, Jugendliche und Familien im Jahr 2010<br />
Beratung und Beratungsanlässe<br />
Die Fallzahlen in der Erziehungsberatung (EB) sind gegenüber<br />
2009 annähernd gleichgeblieben, hingegen ist die<br />
durchschnittliche Beratungsdauer pro Fall auf über 9 Beratungsstunden<br />
weiter angestiegen. . Dies zeigt den hohen Beratungsbedarf<br />
der einzelnen Familien.<br />
In der Regel werden von den Ratsuchenden mehrere Gründe<br />
für die Inanspruchnahme von Beratung genannt, an erster<br />
Stelle das „Soziale Umfeld“. Am häufigsten wurden hier<br />
Erziehungsverhalten / familiäre Interaktion genannt, Partnerschaft<br />
/ Trennung und Scheidung und Belastungen der<br />
Familie. An zweiter Stelle steht der Bereich „Erleben und<br />
Verhalten“ Die Schwerpunkte sind hier Sozialverhalten und<br />
Gefühle. An dritter Stelle steht „Entwicklung und Leistung“<br />
mit den Schwerpunkten Arbeits- und Leistungsfähigkeit und<br />
Entwicklungsauffälligkeiten.<br />
Gruppen- und Präventionsarbeit<br />
EB Landwehrstraße: Der Kurs für Eltern in Trennung „Kinder<br />
im Blick“ (KIB) wurden auch 2010 in Kooperation mit unserer<br />
Ehe-, Familien- und Lebensberatung erfolgreich durchgeführt.<br />
Die regelmäßig stattfindenden Informations- und<br />
Elternabende zur Schulfähigkeit und zwei moderierte Gesprächsabende<br />
für Eltern und Jugendliche oder für Konfirmandeneltern<br />
werden nach wie vor gut nachgefragt. Die<br />
Sprechstunde in der evangelischen Familienbildungsstätte<br />
war immer ausgelastet. Bereits im 4. Jahr arbeitete die EB<br />
kontinuierlich bei der Virtuellen Beratung der Bundeskonferenz<br />
für Erziehungsberatung mit. Direkt über die Internetseite<br />
des ebz /EB ist das bundesdeutsche evangelische Beratungsportal<br />
zu erreichen. (siehe 2.3 ).<br />
Außenstelle Neuperlach: Der Regsam-Fachtag zum Thema<br />
„Gewaltfreie Konfliktlösung in pädagogischen Einrichtungen“<br />
wurde von einer Mitarbeiterin der EB mit ausgerichtet,<br />
da Ramersdorf münchenweit zum statistischen Spitzenreiter<br />
bei der Zahl sozial benachteiligter Kinder wurde. Um dem besonderen<br />
Hilfebedarf von Kindern psychisch kranker Eltern<br />
zu begegnen, wurde ein Konzept für eine Sozialtherapeutische<br />
Gruppe für Kinder psychisch kranker Eltern entwickelt.<br />
Zusammenarbeit mit Kindertagesstätten und Schulen<br />
Landwehrstraße: Der Info-Abend zur Schulfähigkeit sowie<br />
die fallbezogene Zusammenarbeit mit den Kindergärten der<br />
Sozialregion Stadtmitte waren Schwerpunkte der Zusammenarbeit.<br />
In der Förderschule Herrn-/Kirchenstraße fanden<br />
monatliche Sprechstunden für Jugendliche statt. Auch 2010<br />
führten wir die Zusammenarbeit mit den Schulpsychologen/<br />
innen der Sozialregion weiter und nahmen an dem vom Sozialbürgerhaus<br />
veranstalteten Treffen „Schule–Bezirkssozial-<br />
arbeit–Erziehungsberatung“ teil. Im krippenpsychologischen<br />
Fachdienst waren in 11 Kinderkrippen und 2 Kooperationseinrichtungen<br />
fünf Psychologinnen tätig.<br />
Neuperlach: Für den krippenpsychologischen Fachdienst in<br />
7 Kinderkrippen sind hier die 3 Diplom-Psychologinnen der<br />
Außenstelle zuständig. In der Städtischen Kindertagesstätte<br />
Brittingweg wurde mit Unterstützung des Schulreferates<br />
erstmals eine Elternbildungsmaßnahme durchgeführt, die<br />
speziell für die Anforderungen dieser Einrichtung konzipiert<br />
wurde. Die Ergebnisse dieser Pilotphase waren überraschend<br />
gut, so dass diese Elternbildungsmaßnahme im kommenden<br />
Jahr weiterentwickelt wird. Bedeutsam bei diesem Projekt ist<br />
die Schnittstelle zwischen der städtischen Kindertagesstätte<br />
als Einrichtung des Schulreferates und der Erziehungsberatungsstelle.<br />
Die präventiven Elternbildungsmaßnahmen vor<br />
Ort, in der Kindertagesstätte, als eine Form der zugehenden<br />
Beratung erleichtern den Zugang der Familien zur Erziehungsberatung<br />
und ggf. zu frühen Hilfeangeboten (Jugendamt/Sozialreferat).<br />
Erziehungsberatung für Gehörlose / Hörgeschädigte: Nach<br />
zweimaliger erfolgloser Suche konnte diese zielgruppenspezifische<br />
EB zum 1. Februar 2011 starten.<br />
Beratung und Logistik für die Beratung beim Ökumenischen<br />
Kirchentag (ÖKT) in München<br />
Während des ÖKT gab es im Messezentrum Riem die Psychologische<br />
Beratung, die an zwei Standorten, im „Geistlichen<br />
Zentrum“ und auf der Agora, vertreten war. Träger war der<br />
Ökumenische Kirchentag. Für Planung, Einrichtung, Betreuung<br />
während des ÖKT und Abbau der „Beratungsstelle auf<br />
Zeit“ im Geistlichen Zentrum, war eine kleine ökumenische<br />
Münchner Logistikgruppe zuständig unter der Federführung<br />
von Frau Dr. Alt-Saynisch (siehe 3.3).<br />
Dank<br />
Ich danke den Zuschussgebern der Landeshauptstadt München,<br />
der Regierung von Oberbayern und dem bayerischen<br />
Sozialministerium, der evang.-luth. Landeskirche und dem<br />
Diakonischen Werk Bayern sowie dem Landkreis München für<br />
die finanzielle Förderung und die ideelle Unterstützung auch<br />
im Jahr 2010. Den Mitarbeitenden der Erziehungsberatung<br />
danke ich für ihr Engagement und ihre Fachkompetenz in<br />
Beratung, Prävention, Vernetzung und Multiplikatorenarbeit.<br />
Dr. Barbara Alt-Saynisch<br />
Leitung der Beratung für Eltern, Kinder, Jugendliche und Familien
7<br />
Statistik<br />
Gesamtzahl: 1336 Personen aus 527 Familien<br />
Davon: Zahl der Kinder: 292 männlich 235 weiblich<br />
Zahl der Kinder und ihre Geschwister: 908<br />
Inhouse-Fortbildungen: Gesamtteam, Fall- und Organisationsteam,<br />
Teamsupervisionen, Konzepttage, Team-Fortbildungen,<br />
Anleitung von Praktikanten/innen. Darüber hinaus<br />
qualifizieren sich die Berater/innen freiwillig in externen<br />
Fortbildungen weiter.<br />
Aus: Stadt München 87.7 %<br />
Landkreis München 8.9 %<br />
Sonstige 3.4 %<br />
Beratungsanliegen (Mehrfachnennungen möglich, Angaben<br />
bei Beratungsaufnahme):<br />
Probleme im Körperbereich: 22.6 %<br />
(Psychosomatische Probleme, psychotrope Substanzen)<br />
Entwicklung und Leistung: 71.0 %<br />
(Entwicklungsauffälligkeiten, Arbeits- und Leistungsfähigkeit)<br />
Erleben und Verhalten: 119.4 %<br />
(Gefühle, Sozialverhalten, Sexualität, Körperbezogenes<br />
Verhalten, Posttraumatische Belastungen)<br />
Soziales Umfeld: 287.9 %<br />
(Erziehungsverhalten, familiäre Interaktion, Partnerschaft,<br />
Trennung, Scheidung, Missbrauch und Gewalt, Belastungen<br />
der Familie, außerfamiliäre Belastungen)<br />
Allgemeine Fragestellungen 48.2 %<br />
Das Team in der Landwehrstraße<br />
Durchschnittliche Beratungsstunden pro Fall: 9.1<br />
Beratungsform (in % der Fälle, Mehrfachnennungen möglich)<br />
Einzelberatung:<br />
junger Mensch allein: 17 %<br />
Elternberatung: 65 %<br />
Familienberatung : 39 %<br />
Kinder-Gruppen: 4 %<br />
Eltern-Gruppen: 5 %<br />
Telefonberatung: 30 %<br />
Online-Beratung: 265 Stunden/Jahr<br />
Sonstige Beratungsaktivitäten (Hilfeplan-, Helferkonferenzen,<br />
Fachkontakte, Hausbesuche): in 33 % der Fälle<br />
Präventionsarbeit (nur Vorträge, Seminare, Gruppenarbeit)<br />
Anzahl durchgeführte Maßnahmen: 16<br />
Anzahl Teilnehmer/innen: 292<br />
Öffentlichkeitsarbeit: insgesamt 3 Aktionen / Veranstaltungen<br />
/ Presseveröffentlichungen / Fachbeiträge<br />
Eigene Projekte: 6<br />
Mitwirkung bei Projekten anderer, z. B. Virtuelle Beratung,<br />
Ökumenischer Kirchentag: 4<br />
Das Team in Neuperlach<br />
Beratung für Eltern, Kinder, Jugendliche und Familien<br />
Landwehrstraße 15 Rgb. 3. Stock, 80336 München<br />
Leitung: Dipl.-Psych. Dr. Barbara Alt-Saynisch<br />
Tel.: (089) 590 48 - 130<br />
Fax: (089) 590 48 – 193<br />
eb@ebz-muenchen.de<br />
www.ebz-muenchen.de<br />
Außenstelle:<br />
Ökumenische Erziehungsberatungsstelle<br />
Lüdersstraße 10, 81737 München<br />
Tel.: (089) 678 202 - 24<br />
Fax: (089) 678 202 – 15<br />
eb-neuperlach@ebz-aussenstellen.de<br />
www.ebz-muenchen.de
8<br />
1.2 Die Ehe-, Familien- und Lebensberatung im Jahr 2010<br />
Beratung, Prävention und Vernetzung<br />
In der Beratungsarbeit – der Kernaufgabe der Stelle – machten<br />
partnerbezogene Anlässe mit 47% den Großteil der Beratungen<br />
aus. Personenbezogene Anlässe folgten mit knapp<br />
29% und familienbezogene mit 22%. Die Schwerpunkte der<br />
Beratungsanliegen betrafen das Soziale Umfeld mit dem<br />
Bereich Partnerschaft, Trennung, Scheidung an der Spitze,<br />
gefolgt von allgemeinen sozialen Faktoren. Eher personenbezogene<br />
Anliegen aus dem Bereich „Erleben und Verhalten“<br />
waren der zweite Schwerpunkt. Gegenüber dem Vorjahr<br />
konnten wir unsere Beratungszahlen leicht erhöhen. In der<br />
Rechtsberatung nahm - auch in Folge der Entscheidung des<br />
Bundesverfassungsgerichts zum Sorgerecht für nicht eheliche<br />
Väter – die Nachfrage nach Beratung von nicht ehelichen<br />
Partnerschaften weiter zu. (vgl. 2.2) Der sehr hilfreiche und<br />
unterstützende Kurs „Kinder im Blick“ (KiB) - ein Elternkurs<br />
für Paare, die sich trennen, aber als Eltern für ihre Kinder<br />
weiter gute Eltern sein wollen, wurde in Kooperation mit der<br />
Erziehungsberatung zwei mal im Jahr 2010 durchgeführt.<br />
Über das Training der Elternkompetenzen hinaus haben die<br />
Kurse die positive Folge, dass sich mehrere Teilnehmer/innen<br />
nach Abschluss des Trainings weiterhin gegenseitig unterstützen<br />
und ein intensives Selbsthilfe-Netzwerk entwickeln.<br />
Unsere Informationsabende zu Trennung / Scheidung, zu typischen<br />
Konflikten zwischen Eltern und Jugendlichen und zu<br />
„Kinder im Blick" führten wir im Rahmen der jeweils mittwochs<br />
stattfindenden „ebz-Gespräche“ durch, ergänzt durch<br />
die Themen „Lebenskunst“ und „Selbstliebe“. Schwerpunkte<br />
der Multiplikatorenarbeit waren ein Referat vor kirchlichen<br />
Mitarbeitenden zu „Ethik bei Trennung und Scheidung“ und<br />
die Fortbildung zu Trennung / Scheidung und Sorge- bzw.<br />
Umgangsrecht für Fachkräfte der Erziehungshilfen der Inneren<br />
Mission München, sowie für die Teams der hiesigen EFL<br />
und EB.<br />
Modellprojekt Ehe- und Familienberatung für Gehörlose /<br />
Hörgeschädigte<br />
Das Modellprojekt der Ehe- und Familienberatung startete<br />
zum 1. Februar 2011 mit den beiden Fachkräften Frau Dipl.<br />
Psychologin Rosmarie Hasenhütl und Frau Dipl. Sozialpädagogin<br />
Anna Brönner.<br />
Außenstelle Pasing-Obermenzing<br />
Im Juli feierte die Außenstelle ihr dreißigjähriges Jubiläum<br />
mit einem Tag der Offenen Tür und einer Feierstunde unter<br />
dem Motto „Wege gehen und Räume eröffnen“. Fotos<br />
und Erinnerungen an die fast 30 Jahre im Haus des Diakonievereins<br />
in der Fritz-Reuter-Straße 6 zeigten den Weg zur<br />
heutigen Beratungsstelle im Caritaszentrum München-West.<br />
Das Grußwort des „Mitgründers“ aus der Himmelfahrtskirche<br />
Pasing, Pfarrer i.R. Helmut Breit, gab wieder, was damals Auftrag<br />
der Stelle war und heute noch ist: „Menschen in ihrem<br />
Schmerz zu begleiten ..., Menschen an den Lebensübergängen<br />
nicht allein zu lassen und Menschen in den Krisen ihres<br />
Lebens zu beraten“.<br />
Außenstelle Neuperlach: Ökumenischen Ehe- und Lebensberatung<br />
Die Arbeit war im ersten halben Jahr durch die Unsicherheit<br />
geprägt, ob die katholische Eheberatung als ökumenischer<br />
Partner ausziehen würde. Die Entscheidung zu bleiben ist<br />
mit den Bestrebungen verbunden im Kirchlichen Sozialzentrum<br />
(KSZ) die Raum- und Beratungssituation für die Eheberatung<br />
zu verbessern. Hier konnten in Abstimmung mit<br />
allen Einrichtungen im KSZ zufriedenstellende Planungen in<br />
die Wege geleitet werden. Erste Maßnahmen betreffen den<br />
Schallschutz und die Wartemöglichkeiten für Ratsuchende<br />
der Ehe- und Lebensberatung.<br />
Beratung und Logistik für die Beratung beim Ökumenischen<br />
Kirchentag (ÖKT) in München<br />
In einer ökumenisch zusammengesetzten Logistikgruppe unter<br />
der Federführung von Dr. Barbara Alt-Saynisch wurde in<br />
Zusammenarbeit mit der Projektkommission und Programmverantwortlichen<br />
des ÖKT der Beratungsstandort im Zentrum<br />
für Psychologische Beratung, Seelsorge und Geistliche<br />
Begleitung (Messezentrum Riem) für ca. 60 Berater/innen<br />
geplant, eingerichtet, während des ÖKT betreut und wieder<br />
abgebaut. Zusätzlich war die Gruppe für die Verpflegung<br />
der Berater/innen im Zentrum und auf dem 2. Standort, der<br />
Agora (40 Mitarbeiter/innen) zuständig. Als Berater/innen<br />
während des ÖKT wurden von der Projektkommission auch 3<br />
Mitarbeiter/innen der EFL des ebz berufen. Während des ÖKT<br />
spielte das Thema Sexuelle Gewalt bzw. sexualisierte Gewalt<br />
in der Beratung eine erhebliche Rolle (vgl. 3.3).<br />
Dank<br />
Für die finanzielle Förderung und die ideelle Unterstützung<br />
der Ehe-, Familien- und Lebensberatung auch im Jahr 2010,<br />
danke ich den Zuschussgebern bei der evang.-luth. Landeskirche<br />
und dem Diakonischen Werk Bayern, der Landeshauptstadt<br />
München, dem bayerischen Sozialministerium sowie<br />
dem Landkreis München. Den Mitarbeitenden der Ehe-, Familien-<br />
und Lebensberatung danke ich für ihr Engagement<br />
und ihre Fachkompetenz in Beratung, Prävention, Vernetzung<br />
und Multiplikatorenarbeit.<br />
Dr. Barbara Alt-Saynisch<br />
Leitung der Ehe-, Familien- und Lebensberatung
9<br />
Statistik<br />
Gesamtzahl der beratenen Personen: 1001<br />
Davon: männlich: 437 weiblich: 564<br />
Erwachsene: 989 Kinder: 12<br />
Beratungsfälle gesamt: 664<br />
Davon:<br />
Stadt München 460<br />
Landkreis München 61<br />
Sonstige 143<br />
Beratungsanliegen<br />
(Mehrfachnennungen möglich, Angaben bei<br />
Beratungsaufnahme):<br />
Probleme im Körperbereich 16,8 %<br />
Entwicklung und Leistung 6,7 %<br />
Erleben und Verhalten 67,5 %<br />
Soziales Umfeld 117,7 %<br />
Allgemeine soziale Faktoren 21,5 %<br />
Partnerschaft, Trennung, Scheidung 67,8 %<br />
Missbrauchs- und Gewalterfahrung 7,7 %<br />
Belastung durch Herkunftsfamilie 14,5 %<br />
Erfahrungen in der Gesellschaft 6,3 %<br />
Sinnfragen 4,7 %<br />
Allgemeine Fragestellungen 20,9 %<br />
Das Team in der Landwehrstraße<br />
Das Team in Neuperlach<br />
Durchschnittliche Beratungseinheiten pro Fall: 7,2<br />
Beratungsinhalte:<br />
Personenbezogene Anlässe 28,8 %<br />
Partnerbezogene Anlässe 47,1 %<br />
Familienbezogene Anlässe 22,0 %<br />
Gesellschaftsbezogene Anlässe 2,1 %<br />
Präventionsarbeit (Vorträge, Seminare):<br />
Anzahl durchgeführte Maßnahmen: 20<br />
Anzahl Teilnehmer/innen: 243<br />
Öffentlichkeitsarbeit: 10 Aktionen / Veranstaltungen /<br />
Maßnahmen / Presseveröffentlichungen / Fachbeiträge<br />
3 eigene Projekte, Mitwirkung bei 3 Projekten anderer<br />
Inhouse-Fortbildungen: Gesamtteam, Fall- und<br />
Organisationsteam, Team-Supervisionen, Konzepttage,<br />
Team-Fortbildungen, Anleitung von Praktikant/innen.<br />
Darüber hinaus qualifizieren sich die Berater/innen freiwillig<br />
in externen Fortbildungen weiter.<br />
Das Team in Pasing<br />
Ehe-, Familien- und Lebensberatung<br />
Landwehrstraße 15/Rgb. 3 Stock, 80336 München<br />
Leitung: Dr. Barbara Alt-Saynisch, Dipl.-Psych.<br />
Tel.: (089) 590 48 – 120 Fax: (089) 590 48 – 190<br />
efl@ebz-muenchen.de www.ebz-muenchen.de<br />
Außenstellen:<br />
Ökumenische Ehe-, Partnerschaft- und Lebensberatung<br />
Lüdersstraße 10, 81737 München<br />
Tel.: (089) 678 202 – 24 Fax: (089) 678 202 – 15<br />
efl-neuperlach@ebz-aussenstellen.de<br />
www.ebz-muenchen.de<br />
Ehe-, Familien- und Lebensberatung<br />
Pippinger Straße 97, 81247 München<br />
Tel.: (089) 834 88 66 Fax: (089) 820 88 885<br />
efl-pasing@ebz-aussenstellen.de<br />
www.ebz-muenchen.de
10<br />
1.3 Das Jahr 2010 in der Evangelischen TelefonSeelsorge München (TS)<br />
Die Arbeit der TS geschieht im Verborgenen. Anrufende und<br />
Mitarbeitende bleiben anonym. Dies ermöglicht erst das vertrauliche<br />
Gespräch einer niederschwelligen Beratung bei Alltagssorgen<br />
und aktuellen Krisen. Der Schutz der Anonymität<br />
ist ein Qualitätsmerkmal der TS. Die folgende Aufstellung<br />
der Aktivitäten zeigt, wie vernetzt die Arbeit der TS ist. Diese<br />
Vernetzung hat für die TS doppelte Bedeutung: die Wirkung<br />
nach außen und die Zugehörigkeit zu einer stark ausdifferenzierten<br />
Beratungslandschaft. Die TS arbeitet sowohl im ebz<br />
als auch regional und überregional in größeren Kontexten.<br />
Januar<br />
Der Arbeitskreis Öffentlichkeit präsentiert die Arbeit der TS<br />
mit einem eigenen Stand auf der „Freiwilligen Messe“ im<br />
Gasteig und ist Ansprechpartner für Fragen zur Ausbildung<br />
als ehrenamtlicher Mitarbeiter/in.<br />
- An dem Polizei-Kurs „Training zur Gewaltprävention und<br />
Selbstsicherheit“ nehmen mehr als 2/3 aller Ehrenamtlichen<br />
teil.<br />
- Das Projekt „Gespräche auf der Grundlage von Traumawissen“<br />
wird abgeschlossen mit dem Vortrag über die Heilige<br />
Kümmernis und mit einer Exkursion zur alten Pfarrkirche St.<br />
Wilgefortis in Neufahrn. Diese Veranstaltungen fanden als<br />
Vorbereitung „Auf dem Weg zum Ökumenischen Kirchentag“<br />
zusammen mit der Katholischen TS statt.<br />
Februar<br />
- Langjährige Mitarbeiter/innen wurden für ihr ehrenamtliches<br />
Engagement ausgezeichnet, fünf von ihnen mit der Urkunde<br />
„München dankt“.<br />
März<br />
- regelmäßiger Austausch mit unseren Kooperationspartnern<br />
der örtlichen Krisendienste (Katholische TelefonSeelsorge,<br />
Münchener Insel, Arche, Atriumhaus, Frauennotruf, Krisen-<br />
Interventions-Team, Suchtnotruf, Frauennotruf, Notfallseelsorge)<br />
April<br />
- Die jährliche Stellenleitertagung zum Thema „Ein Netz, das<br />
uns verbindet“ vernetzt uns mit den anderen Stellen der TelefonSeelsorge<br />
auf Bundesebene.<br />
Mai<br />
- ETS und KTS vertreten gemeinsam mit anderen bayerischen<br />
TS-Stellen die TS beim 2. Ökumenischen Kirchentag in München<br />
mit einem Stand auf der Agora.<br />
- Start der TS mit der Seelsorge im Chat mit zehn speziell<br />
ausgebildeten Mitarbeitende. Damit ist die ETS München<br />
auch im Internet präsent: www.telefonseelsorge.de.<br />
Juli<br />
- 12 Ehrenamtliche reisen als Delegierte zum International<br />
Federation of Telephon Emergency Services (IFOTES) -Kongress<br />
nach Wien. Thema des internationalen TelefonSeelsorge-Kongresses<br />
ist „Listening for peace – Eine Alternative zu<br />
Gewalt entdecken” Dieser Kongress bietet eine Plattform für<br />
den kollegialen Austausch auf internationaler Ebene.<br />
September<br />
- Die Überarbeitung der Website der TS: www.telefonseelsorge.de<br />
Oktober<br />
- Der Benefiz Flohmarkt auf dem Hohenzollernplatz, unser<br />
größtes jährliches Fundraising Projekt bringt ca. 8300.- Euro<br />
an Spenden für die TS. Hier präsentiert sich die TS öffentlich,<br />
im wahrsten Sinn des Wortes auf dem Marktplatz.<br />
- Im Rahmen der „2. Münchner Woche für seelische Gesundheit“<br />
nimmt die TS mit zwei Veranstaltungen teil.<br />
- Die überregionale Ehrenamtlichen Vertretung, das Bayernforum,<br />
tagt in München.<br />
- Teilnahme von Ehrenamtlichen Mitarbeitern in der Chat-<br />
Seelsorge an der Fachtagung „TS im Internet“ in Berlin.<br />
November<br />
- Im Rahmen der Reihe „Die TS geht ins Museum“ findet eine<br />
Führung für Mitarbeitende durchs Museum Brandhorst statt.<br />
- Das „Bündnis gegen Depression“ stellt im Rahmen eines<br />
Jour fixe seine Arbeit vor und informiert über die Erkrankung<br />
und mögliche Therapieansätze als Hintergrundinformation<br />
für die Arbeit am Telefon.<br />
Dezember<br />
- Herbsttagung vom 3. - 5. 12. 2010 auf dem Petersberg zum<br />
Thema: „Demenz. Die Krankheit verstehen. Den Verlust betrauern.<br />
Hoffnung zulassen.“ Die ETS hat Kontakte zur Deutschen<br />
Alzheimer Gesellschaft geknüpft, ihr Spektrum um das<br />
Thema Alzheimer erweitert und ist nun auch kompetenter<br />
Ansprechpartner für Betroffene und Angehörige. (vgl. auch<br />
Pressebericht unter 4.)<br />
Jürgen Arlt<br />
Leitung der TelefonSeelsorge
11<br />
Statistik<br />
Gesamtzahl der Gespräche: 24.003<br />
Davon: männlich: 27,4 % weiblich: 72,6 %<br />
Erwachsene: 92,0 % Kinder und Jugendliche: 8 %<br />
Beratungsanliegen: (Mehrfachnennung möglich)<br />
Sinn und Orientierung 11,3 %<br />
Einsamkeit 15,1 %<br />
Krankheit, physisch 13,7 %<br />
Krankheit, psychisch 32,2 %<br />
Sucht 3,8 %<br />
Suizid 1,8 %<br />
Sterben und Trauer 4,6 %<br />
Gewalt 2,6 %<br />
Sexualität 8,5 %<br />
Schwangerschaft 0,5 %<br />
(Ehe-) Partner 18,3 %<br />
Familie und Verwandtschaft 20,5 %<br />
Freunde, Nachbarn und Kollegen 9,5 %<br />
Arbeit, Schule und Ausbildung 10,4 %<br />
Wohnen und Freizeit 4,8 %<br />
Geld und wirtschaftliche Fragen 7,2 %<br />
Gesellschaft und Politik 3,7 %<br />
Sonstiges 8,1 %<br />
Wiederholte Anrufe: 27,8 %<br />
Regelmäßige Anrufe: 10,8 %<br />
Das Team<br />
Lebenssituation:<br />
Alleinlebend: 38,0 %<br />
In Partnerschaft: 7,5 %<br />
In Familie: 7,7 %<br />
Alleinerziehend: 2,1 %<br />
In Gemeinschaft: 2,1 %<br />
Unbekannt: 42,5 %<br />
Inhouse-Fortbildungen: Gesamtteam, TelefonSeelsorge-<br />
Gruppen , Gruppensupervisionen, Fortbildungstage, Intervision,<br />
Unterstützung der Ehrenamtlichen durch die Hauptberuflichen.<br />
Darüber hinaus qualifizieren sich die Beraterinnen freiwillig<br />
in externen Fortbildungen weiter.<br />
Eine Gruppe ehrenamtlicher Mitarbeiter/innen<br />
Evangelische TelefonSeelsorge<br />
Landwehrstr. 15 / Rgb. 2. Stock, 80336 München,<br />
Leitung: Jürgen Arlt, Pfarrer<br />
Tel.: (089) 590 48-110, Fax: (089) 590 48-190<br />
Telefonische Beratung 24h: 0800 111 0 111<br />
ts@ebz-muenchen.de<br />
www.ev-telefonseelsorge-muenchen.de<br />
www.ebz-muenchen.de
12<br />
1.4 Das Jahr 2010 in der Pastoralpsychologie (PPA)<br />
Im Jahr 2010 nahmen 389 kirchliche Mitarbeiter/innen aus<br />
dem Kirchenkreis München und Oberbayern die Angebote<br />
der Pastoralpsychologie wahr. Dabei zeigt es sich, dass insgesamt<br />
mehr als 60 % von ihnen aus dem Dekanat München<br />
selbst kommen. Alle kirchlichen Berufsgruppen nutzten<br />
die Angebote der Pastoralpsychologie. Pfarrer/innen sind die<br />
größte Gruppe, aber auch Ehrenamtliche nutzten Supervision<br />
und ließen sich fortbilden. 45% aller Teilnehmenden<br />
unterrichten Religion, neben kirchlichen Mitarbeitenden finden<br />
sich auch staatliche Religionslehrkräfte unter ihnen. 10<br />
Gruppen/Teams wurden supervisorisch begleitet, 15 Fortbildungsveranstaltungen<br />
fanden statt. Die Statistik zeigt aber<br />
deutlich, dass Einzel-, Gruppen- und Teamsupervisionen das<br />
Kerngeschäft der PPA bilden.<br />
Mitarbeitenden weiter, so dass alle im Kirchenkreis München<br />
und Oberbayern Tätige davon erfahren können. Die PPA zeigt<br />
sich als ein stabiler Ort für kirchliche Mitarbeitende für persönliche<br />
Beratung, berufliche Reflektion und Weiterentwicklung.<br />
135 Personen suchten 2010 hier Beratung und Supervision,<br />
die PPA ist damit ein wichtiger Anbieter im Kirchenkreis.<br />
Die professionelle Erfahrung sowie die absolute Verschwiegenheit<br />
bilden den Rahmen der Arbeit der PPA. Dies aufrecht<br />
zu erhalten halten wir für wichtig und notwendig.<br />
Gerborg Drescher<br />
Leitung Pastoralpsychologie<br />
Das Angebot konnte aufgrund der Doppelaufgabe von Vorstand<br />
/ Pastoralpsychologie in der Situation einer fehlenden<br />
Verwaltungsleitung nur mit großen Mühen aufrecht erhalten<br />
werden. In vielen Bereichen musste Andreas Herrmann<br />
einspringen. Seit September 2010 hat die PPA einen Praktikanten:<br />
Victor Linn, Pfarrer aus Brasilien in einer Supervisionsausbildung<br />
in Deutschland, hat in der PPA sein Praxisfeld.<br />
Der Intensivkurs Seelsorge (Kurs für seelsorgerliche Praxis<br />
und Gemeindearbeit, KSPG) erfreut sich nach wie vor großer<br />
Nachfrage. 13 Teilnehmende aus allen Berufsgruppen<br />
und Tätigkeitsfeldern stellten sich der Aufgabe, ihre seelsorgerlichen<br />
Erfahrungen zu reflektieren, neue Impulse aus der<br />
Systemischen Seelsorge zu integrieren und an und mit der<br />
Gruppe zu lernen. Daneben fanden pastoralpsychologische<br />
Einzelkurse statt. Die PPA wurde auch immer wieder als Referenten<br />
angefragt zu verschiedenen pastoralpsychologischen<br />
Themen sowie zur Prozessbegleitung bei Zielfindungs- und<br />
Veränderungsprozessen oder Konfliktlösungen. Pfarrkapitel,<br />
Arbeitskreise, Kirchenvorstände nutzten diese Ressourcen der<br />
PPA.<br />
In den Supervisionen zeigen sich deutlich die Veränderungen<br />
in den Gemeinden. Es geht um Themen wie Überforderung,<br />
beginnender Burnout, gesunde Abgrenzung aber auch<br />
Konfliktklärungen v.a. in Teams. Supervision wird von vielen<br />
inzwischen – v.a. als Teilnehmende in Gruppensupervisionen<br />
– als selbstverständliches Handwerkszeug gesehen. Es wäre<br />
wünschenswert, wenn das auch Bedeutung bei der Bezuschussung<br />
der Landeskirche finden könnte.<br />
Die Angebote der PPA wurden gut wahrgenommen. Die Dekanate<br />
geben den Flyer und die Newsletter an die kirchlichen
13<br />
Statistik<br />
Supervision und Beratung<br />
Gesamtzahl der Personen in Supervision und Beratung: 135<br />
Supervision: 74,8 %<br />
Beratung: 25,2 %<br />
Davon:<br />
männlich: 53 (39 %) weiblich: 82 (61 %)<br />
Aus:<br />
Dekanat München: 109 (81 %)<br />
Kirchenkreis München: 25 (19 %)<br />
Supervision: insgesamt 101 Personen, davon in<br />
Einzelsupervision: 34,6 %<br />
Teamsupervision: 19,8 %<br />
Gruppensupervision: 45,6 %<br />
Beratung: insgesamt 34 Personen, davon in<br />
Einzelberatung: 17,5 %<br />
Paarberatung: 17,5 %<br />
Mediation: 59,0 %<br />
Telefonberatung: 6,0 %<br />
Geistliche Begleitung: 0.0 %<br />
Supervisions- und Beratungsanliegen:<br />
(Mehrfachnennungen)<br />
Konflikte 72,6 %<br />
Berufliche Neuorientierung 20,7 %<br />
Umgang mit Belastungen, Burn-out 41,5 %<br />
Rollenklärung 53,3 %<br />
Verbesserung berufliche Kommunikation 44,4 %<br />
Verstehen von beruflich relevanten<br />
systemischen Bedingungen 53,3 %<br />
Persönliche Muster erkennen und verändern 68,9 %<br />
Fortbildung<br />
Insgesamt 254 Teilnehmer/innen<br />
Teilnehmertage insgesamt: 495<br />
Anzahl durchgeführte Fortbildungen: 15<br />
Inhouse-Fortbildungen: Gesamtteam, Fallteam, Team-<br />
Supervisionen, Konzepttage.<br />
Darüber hinaus qualifizieren sich die Berater/innen freiwillig<br />
in externen Fortbildungen weiter.<br />
Das Team<br />
Pastoralpsychologische Supervision, Beratung und<br />
Fortbildung<br />
Landwehrstr. 15/ Rgb. 2. Stock, 80336 München<br />
Leitung: Gerborg Drescher, Pfarrerin<br />
Tel.: (089) 590 48-141<br />
Fax: (089) 590 48-190<br />
ppa@ebz-muenchen.de<br />
www.ebz-muenchen.de
14<br />
1.5 Die Schwangerschaftsberatung im Jahr 2010<br />
Beratung vor, während und nach pränataler Diagnostik<br />
2010 konnten wir das Angebot der Beratung rund um Pränataldiagnostik<br />
weiter ausbauen. Unsere Erwartung, dass<br />
sich die Nachfrage nach Beratung rund um Pränataldiagnostik<br />
mit dem neuen Gendiagnostikgesetz und dem erweiterten<br />
Schwangerschaftskonfliktgesetz erhöhen würde, wurde allerdings<br />
enttäuscht. Einen Hauptgrund hierfür sehen wir in der<br />
weiterhin sehr verbreiteten, generellen Skepsis gegenüber<br />
psychosozialer Beratung und den Konkurrenzbefürchtungen<br />
der Ärzte. Wir werden im Jahr 2011 unsere Informations- und<br />
Kooperationsbemühungen nochmals intensivieren.<br />
Schwangerschaftskonfliktberatung<br />
Vergleicht man unsere statistischen Zahlen aus den letzten<br />
10 Jahren, so fällt auf, dass sich in allen betrachteten Kategorien<br />
(Gründe, Alter, Familienstand etc.) nicht wesentlich<br />
viel geändert hat, mit einer Ausnahme: Die Zahl der Beratungen<br />
im Schwangerschaftskonflikt ist um mehr als die Hälfte<br />
gesunken. Gründe dafür sind der allgemeinen Rückgang der<br />
Frauen im gebärfähigen Alter und der Erfolg jahrelanger Präventionsarbeit.<br />
Eine verbindliche Beratung zu gesetzlichen Regelungen und<br />
erwartbaren finanziellen Leistungen wurde 2010 durch die politischen<br />
Debatten und Gesetzesänderungen, besonders zum<br />
Thema „Regelsätze beim Arbeitslosengeld II“außerordentlich<br />
erschwert. Aber auch die angekündigte Gesetzesänderung<br />
im Bereich des Sorgerechts von nichtehelichen Kinder verunsicherte<br />
hochgradig. Die Aussicht eines automatischen<br />
gemeinsamen Sorgerechtes, zusammen mit dem Kindesvater,<br />
ermutigt Frauen nicht zur Fortführung der Schwangerschaft,<br />
die z. B. nach einer kurzen Affäre ungeplant schwanger geworden<br />
sind oder deren Partner zu einer Abtreibung drängen.<br />
Allgemeine Schwangerschaftsberatung und Beratung nach<br />
der Geburt des Kindes<br />
Auch 2010 nahm die Beratung und Begleitung von Frauen<br />
und Paaren in finanziellen, rechtlichen und sonstigen existenziellen<br />
Fragen einen breiten Raum ein. Die gesetzlichen<br />
Veränderungen, insbesondere im Bereich Arbeitslosengeld II,<br />
führte bei vielen Klientinnen zu Unsicherheiten. Verbesserung<br />
in der interkulturellen Öffnung unser Beratungsstelle<br />
gelang uns 2010 mit Hilfe der großzügigen Unterstützung<br />
des Gesundheitsreferates der Landeshauptstadt München,<br />
die uns den Einsatz eines professionellen Dolmetscherdienstes<br />
ermöglichte. Viele wichtige Informationen und Themen<br />
konnten angesichts der bestehenden Kommunikationsprobleme<br />
bei einem Anteil von mehr als 40% Migrantinnen aus<br />
Nicht- EU- Ländern mit keinen Deutschkenntnissen nicht<br />
vermittelt oder thematisiert werden. Das Hinzuziehen von<br />
professionellen Dolmetschern erhöht das inhaltliche Spektrum<br />
und die Intensität von vielen Beratungen erheblich.<br />
Prävention und Öffentlichkeitsarbeit<br />
Mit mehr als 1200 Teilnehmer/innen in 56 Veranstaltungen<br />
waren die sexualpädagogischen Workshops in Schulen und<br />
andere Angebote, wie das Seminar „Frauenfragen/Frauenwissen“<br />
in Integrationsklassen, sowie Informationsveranstaltungen<br />
zu den unterschiedlichsten Themen auch 2010 wieder<br />
sehr gut nachgefragt. Ein besonderes Highlight war die<br />
Mitorganisation und Betreuung eines Standes der Evangelischen<br />
Schwangerschaftsberatung des Diakonischen Werkes<br />
Deutschland auf dem 2. Ökumenischen Kirchentag im Mai<br />
2010 mit mehr als 1500 Besucher/innen am Stand (vgl. 3.1).<br />
Ein weiteres außergewöhnliches Ereignis war zuvor die Mitgestaltung<br />
eines Gottesdienstes „Du hast einen Platz in meinem<br />
Herzen“ für Menschen nach einem Schwangerschaftsabbruch.<br />
Dieser Gottesdienst fand erstmalig in München<br />
statt und hatte eine gute Resonanz. Wir würden uns freuen,<br />
wenn dieses Angebot auch zukünftig, regelmäßig vom Dekanat<br />
München angeboten werden würde (vgl. Pressespiegel)<br />
Dank<br />
Den Mitarbeitenden in der Schwangerschaftsberatung danke<br />
ich für Ihren Einsatz und ihre hohe Fachlichkeit. Bei dem<br />
Familienministerium, der Regierung von Oberbayern, der<br />
Landeshauptstadt München und dem Diakonischen Werk<br />
Bayern bedanke ich mich für die finanzielle Förderung und<br />
ideelle Unterstützung der Arbeit. Besonderen Dank gilt dem<br />
Referat für Gesundheit und Umwelt für die Unterstützung<br />
des Dolmetscherservices und dem Sozialreferat der Landeshauptstadt<br />
München für die Ermöglichung der Teilnahme<br />
am interkulturellen Qualitätssicherungsprojekt, das wir 2010<br />
erfolgreich mit einem Zertifikat abschließen konnten. Die<br />
großzügigen Hilfen und Spenden des Diakonischen Werkes,<br />
der Landesstiftung „Hilfe für Mutter und Kind“ und SZ-Adventskalenders<br />
ermöglichten uns wieder zahlreiche Familien<br />
in Not unbürokratisch und schnell zu helfen. Auch dafür ein<br />
herzliches Dankeschön.<br />
Sabine Simon<br />
Leitung der Schwangerschaftsberatung
15<br />
Statistik<br />
Gesamtzahl der beratenen Personen: 1637<br />
Staatsangehörigkeit:<br />
Schwangerschaftskonfliktberatung:<br />
41,0% deutsch<br />
59,0% mit Migrationshintergrund<br />
Allgemeine Schwangerschaftsberatung:<br />
24,8% deutsch<br />
74,1% mit Migrationshintergrund<br />
1,1% keine Angaben<br />
Beratungsanliegen (Mehrfachnennungen):<br />
Schwangerschaftskonfliktberatung 18,76%<br />
Allgemeine Schwangerschaftsberatung 36,59%<br />
Nachgehende Betreuung ab Geburt 40,17%<br />
Beratung nach einem Schwangerschaftsabbruch 1,18%<br />
Sonstige Beratung (inkl. zu Pränataler Diagnostik) 3,30%<br />
Sexualpädagogische Präventionsarbeit:<br />
Anzahl durchgeführter Maßnahmen 56<br />
Anzahl Teilnehmer/innen 1220<br />
Vermittlung finanzieller Hilfen und Sachleistungen:<br />
473 Anträge an die Landesstiftung „Hilfe für Mutter und Kind“<br />
61 Anträge und 5 Soforthilfen über das Diakonische Werk<br />
Bayern<br />
207 Einkaufsgutscheine für den Penny Markt über den SZ-<br />
Adventskalender<br />
28 Ferienpässe über den SZ-Adventskalender<br />
41 Soforthilfen des SZ Adventskalenders<br />
und Ausgabe von insgesamt 25 Umzugskartons Bekleidungsund<br />
Spielzeugspenden<br />
Gründe für die Erwägung des Schwangerschaftsabbruchs<br />
(Mehrfachnennungen):<br />
Frau fühlt sich psychisch/<br />
physisch überfordert 76,50%<br />
Finanzielle Probleme 53,10%<br />
Angst vor der Verantwortung 57,90%<br />
Schwierigkeiten in der Partnerschaft 41,20%<br />
Häufigste Beratungsthemen in der allgemeinen Schwangerschaftsberatung<br />
(Mehrfachnennungen):<br />
Beratung zu finanziellen Hilfen 39,30%<br />
psychosoziale Beratung 15,80%<br />
Beratung zu Rechtsgebieten 10,60%<br />
Beratung zu Wohnungsfragen 10,00%<br />
Beratung zu Partnerschaft und Familie 6,60%<br />
Beratung im Kon<br />
text von pränataler Diagnostik 0,70%<br />
Häufigste Beratungsthemen in der nachgehenden Betreuung<br />
(Mehrfachnennungen):<br />
Beratung zu finanziellen Hilfen 38,90%<br />
psychosoziale Beratung 23,90%<br />
Beratung zu Partnerschaft und Familie 8,30%<br />
Beratung zu Rechtsgebieten 4,70%<br />
Beratung zu Wohnungsfragen 4,40%<br />
(Beratung im Kontext<br />
von pränataler Diagnostik) 0,30%<br />
Das Team<br />
Staatlich anerkannte Beratungsstelle für Schwangerschaftsfragen<br />
Landwehrstr. 15 / Rgb 4. Stock, 80336 München<br />
Leitung: Sabine Simon, Dipl.Soz.Arb. (FH)<br />
Tel.: (089) 590 48-150<br />
Fax: (089) 590 48-204<br />
ssb@ebz-muenchen.de<br />
www.ebz-muenchen.de
16<br />
1.6 Präventionsangebote und ebz-Gespräche<br />
• Sexualpädagogische Gruppenangebote, z. B. für Jugendgruppen<br />
und Schulklassen<br />
• Workshop „Frauenfragen-Frauenwissen“ für Migrantinnen<br />
aus Integrationskursen<br />
• Multiplikatorenschulungen zur Sexualpädagogik und kindlichen<br />
Sexualität<br />
• Information und Beratung zur Empfängnisverhütung<br />
• Partnerschule<br />
• Kinder im Blick. Ein Kurs für Eltern in Trennung<br />
• Wer Kinder hat – hat Fragen! Offene Gesprächsrunde und<br />
individuelle Einzelberatung in 3 Neuperlacher Kindertagesstätten.<br />
• Pädagogisches Elterncafé in einem Neuperlacher Kindergarten<br />
zu den Themen „Schulfähigkeit und Ihre Fragen“ und<br />
„Fernsehen und Ihrer Fragen“.<br />
• Thematische Infoabende für diverse Kinderkrippen und Kooperationseinrichtungen<br />
• Psychologische Sprechstunde in der Elly-Heuss-Familienbildungsstätte<br />
• Sprechstunde für Jugendliche in Förderschule Herrn-/<br />
Kirchenstaße<br />
• Konfirmanden- und Konfirmanden-Elternabende in Kirchengemeinden<br />
• „Abschied von Elternhaus und Kindheit“ Vortrag und Workshop<br />
in Akademie Tutzing<br />
• „Ethik bei Trennung und Scheidung“ Vortrag vor kirchlichen<br />
Mitarbeitenden<br />
• „Trennung, Scheidung. Sorge- und Umgangsrecht“ für<br />
Fachkräfte der Jugendhilfe der Inneren Mission München,<br />
Seminar<br />
• Infoveranstaltungen zum § 8a SGB VIII für Einrichtungen<br />
der Kinder- und Jugendhilfe (EB)<br />
• Informationsabende für Kirchengemeinden und Kooperationspartner,<br />
z. B. für Konfirmandengruppen, Schulklassen,<br />
Pfarrkonvente zum Thema Schwangerschaftskonflikt(-beratung),<br />
Information über die Arbeit und Besuch der Telefonseelsorge<br />
und der Erziehungsberatung, Information über das<br />
ebz.<br />
• Pastoralpsychologische Kurse<br />
Eine besondere Form der Bündelung der Präventionsangebote<br />
sind die ebz-Gespräche. Mittwoch Abends können Interessierte<br />
sich zu verschiedenen Themen informieren und miteinander<br />
ins Gespräch kommen. Die Themen der ebz-Gespräche<br />
2010-2011 waren:<br />
• „Wenn die Kinder klein sind, gib ihnen Wurzeln ...“ Vom<br />
biologisch verankerten Grundbedürfnis emotionaler Sicherheit.<br />
(EB)<br />
• Schulfähigkeit: Was bedeutet das heute? Eine Informationsveranstaltung<br />
für Eltern und Erzieher/innen. (EB)<br />
• 14, 16, 18, 20 fast erwachsen und doch noch Kind. Ein<br />
informativer und kommunikativer Abend für Eltern und<br />
Jugendliche. (EB/EFL)<br />
• KIB „Kinder im Blick“ - Vorstellung des Kurses für Eltern in<br />
Trennung. (EB/EFL)<br />
• Lebenskunst – Der Weg zum Glück. (EFL)<br />
• Infoabend Trennung/Scheidung (EFL)<br />
• Selbstfürsorge – Liebe Dich selbst wie Deinen Nächsten.<br />
(EFL)<br />
• „Simplify your life“ – Vortrag mit Werner „Tiki“ Küstenmacher<br />
(Freundeskreis)<br />
• „Im Anfang war das Wort“ – Lesung mit Rainer Unglaub<br />
(Freundeskreis)<br />
• „Winterlicht“ – Lesung mit Wolf Euba (Freundeskreis)<br />
Systemische Seelsorge (PPA)<br />
• „Mit Vollgas auf die Bremse?“ – Informationsabend zum<br />
Thema Burnout. (PPA)<br />
• Bibliolog ..., weil jeder etwas zu sagen hat. (PPA)<br />
• Eltern werden - viel zu wissen und zu erledigen. Informationsveranstaltung<br />
über gesetzliche Regelungen und<br />
Leistungen rund um Schwangerschaft und Elternzeit für<br />
werdende Eltern. (SSB)<br />
• „Lieber etwas Neues mit dem Alten als etwas Altes mit<br />
jemand Neuem“ – Die Partnerschule. (SSB)<br />
• Mein Kind und seine Sexualität - Infoabend für Eltern. (SSB)<br />
• Gute Hoffnung – jähes Ende?<br />
• Pränataldiagnostik und ihre Folgen. Wo kann psychosoziale<br />
Beratung da helfen? (SSB)<br />
• „Zeig mir deins, dann zeig ich dir auch meins“ – Sexualität<br />
im Kindesalter. (SSB)<br />
• Wenn die eigenen Eltern älter werden. (TS)<br />
• Eine Frau am Kreuz – die heilige Kümmernis. Ein Leitbild,<br />
den Kummer zu lindern. (TS)<br />
• Die Gleichnissprache der Träume - Vortrag. (TS)<br />
• „... du hast mir nicht zugehört!“ Die Kunst des Zuhörens als<br />
Grundlage gelingender Kommunikation. (TS)
17<br />
1.7 Das ebz ist vernetzt mit . . .<br />
Einrichtungen der psychosozialen Versorgung und der<br />
Kinder- und Jugendhilfe, z. B. Beratungsstellen, Projekten,<br />
Einrichtungen, niedergelassenen Therapeuten<br />
Institutionen der Gesundheitsversorgung, z. B. Ärzte, Kliniken,<br />
Hebammen, Kinderkrankenschwestern, Sozialpsychiatrische<br />
Dienste<br />
Kirchengemeinden<br />
Staatlichen und kommunalen Ämtern/Behörden, z. B.<br />
Sozialbürgerhäuser, Amt für Wohnen und Migration, ARGE<br />
München, Zentrum Bayern, Familie und Soziales<br />
Gerichten, z.B. Familiengericht<br />
Ausbildungsinstituten, Universitäten, Fachhochschulen<br />
Klinikseelsorge<br />
Notfallseelsorge<br />
Gehörlosenseelsorge<br />
der Katholischen Telefonseelsorge<br />
Einrichtungen der Gehörlosen- und Hörgeschädigtenberatung<br />
Einrichtungen der ambulanten Krisenintervention<br />
Familienbildungsstätten<br />
Einrichtungen der Erwachsenenbildung<br />
Stiftungen, z. B. Landesstiftung „Hilfe für Mutter und Kind“,<br />
SZ-Adventskalender, Hilfsfond des Diakonischen Werkes<br />
1.8 Das ebz ist Mitglied in . . .<br />
Evangelischer Fachverband für Beratung<br />
Diakonisches Werk Bayern<br />
Evangelisch-Lutherisches Dekanat München<br />
Landesarbeitsgemeinschaft für Erziehungsberatung<br />
Bundeskonferenz für Erziehungsberatung<br />
Netzwerk gegen Selektion durch Pränataldiagnostik<br />
Innere Mission München – Bezirksstelle des Diakonischen<br />
Werkes Bayern<br />
Evangelische Konferenz für Telefonseelsorge<br />
Landesarbeitsgemeinschaft der bayerischen Schwangerschaftsberatungsstellen<br />
in freier Trägerschaft<br />
Interseel<br />
Landesarbeitskreis für Ehe-, Partnerschafts-, Familien- und<br />
Lebensberatung in Bayern (LAK)<br />
Facharge „Familienangebote“ des Stadtjugendamtes<br />
(Facharge nach § 78 SGB VIII)<br />
Evangelische Konferenz für Familien- und Lebensberatung<br />
e.V. - Fachverband für Psychologische Beratung und<br />
Supervision (EKFuL)<br />
1.9 Das ebz wird finanziert durch . . .<br />
das Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und<br />
Sozialordnung, Familie und Frauen<br />
das Diakonisches Werk Bayern<br />
die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern<br />
das Dekanat München<br />
die Landeshauptstadt München: Sozialreferat<br />
(Stadtjugendamt) und Gesundheitsreferat<br />
den Landkreis München<br />
Spenden und Mitgliedsbeiträge, z. B. durch den<br />
Freundeskreis des ebz, den Förderverein der Evangelischen<br />
TelefonSeelsorge München e.V., der Stiftung der<br />
TelefonSeelsorge, weiteren Stiftungen sowie vielen<br />
Einzelspenden<br />
Kostenbeiträge bei Beratung in der Ehe-, Familien- und<br />
Lebensberatung und bei Supervision
18<br />
1.10 Der Freundeskreis engagiert sich für das ebz<br />
Eigentlich wissen nur die Insider darüber Bescheid, mit welch<br />
verständnisvoller Geduld und zupackender Hilfsbereitschaft<br />
die über 150 haupt- und ehrenamtlichen Berater/innen des<br />
Evangelischen Beratungszentrums München auf die ganz<br />
unterschiedlichen Sorgen und Nöte der Rat- und Hilfesuchenden<br />
eingehen. Die gebotene Diskretion erlaubt es nicht<br />
über die Inhalte der Gespräche, die Ratschläge und Erfolge<br />
zu berichten. Deshalb hat es sich der seit 2002 bestehende<br />
Freundeskreis des ebz zum Ziel gesetzt eine breitere Öffentlichkeit<br />
über das vielfältige Beratungsangebot des ebz zu informieren.<br />
Das geschieht am erfolgreichsten, indem man bei<br />
diversen Veranstaltungen an möglichst unterschiedlichen Orten<br />
die breite Angebotspalette des ebz präsentiert und Wege<br />
zur Kontaktaufnahme aufzeigt.<br />
stellen. Schließlich verdient auch das Engagement des Organisationsteams<br />
große Anerkennung, das sich unverdrossen<br />
und erfolgreich dafür einsetzt, für das ebz eine nachhaltige<br />
Werbung zu betreiben.<br />
Volker Carqueville<br />
Freundeskreis des ebz<br />
Die fünf Veranstaltungen des Freundeskreises im Jahr 2010<br />
verliefen recht erfolgreich:<br />
- „Simplify your life“ am 19. Mai 2010 mit Werner Tiki<br />
Küstenmacher im Gemeindesaal der Erlöserkirche<br />
- „Schlagabtausch“ am 11. Juni 2010 mit den jungen Schlagzeugern<br />
Peter Fleckenstein und Quirin Reichl im Gemeindesaal<br />
der Christuskirche<br />
- „Im Anfang war das Wort“ – Lesung von Texten aus der<br />
Bibel mit Rainer Unglaub und Orgelbegleitung durch Hayko<br />
Siemens am 29. September 2010 in der Matthäuskirche<br />
- Treffen von ehemaligen Mitarbeitenden des ebz am<br />
12. Oktober 2010 im Atelierhaus von Regine und Wolf Euba<br />
- „Winterlicht“ mit Wolf Euba und dem Quartett NONSORDI-<br />
NO am 1. Dezember 2010 in der Stefanuskirche<br />
Es konnten neue Freunde und Interessenten gewonnen sowie<br />
erfreuliche Einnahmen erzielt werden.<br />
Bei all den Aktivitäten hat sich wiederum deutlich gezeigt,<br />
dass es bei dem riesigen Veranstaltungsangebot in München<br />
sehr schwierig ist eine ausreichende Zahl an Besuchern anzulocken.<br />
Man muss sich schon etwas Außergewöhnliches<br />
einfallen lassen um die Kosten decken und auch noch einen<br />
respektablen Gewinn erzielen zu können. Zur Werbung<br />
und Information trägt zweifellos auch die ursprünglich vom<br />
Freundeskreis initiierte INFOPOST bei, die jährlich zweimal<br />
über das Neueste aus dem ebz berichtet.<br />
Ein ganz besonderer Dank gebührt den Kirchengemeinden<br />
in München, die dem ebz ihre Räume immer spontan und<br />
unentgeltlich für die Benefizveranstaltungen zur Verfügung
Aspekte aus der Arbeit<br />
19<br />
der Abteilungen des ebz<br />
Sorgerecht<br />
Onlineberatung<br />
Rechtsberatung<br />
Verwaltung<br />
Münchner<br />
Modell
20<br />
2.1 Es kommen härtere Tage – Demenz, die Herausforderung unserer Zeit<br />
Während sich die Europäer des 19. Jahrhunderts noch mit<br />
Cholera und Kindbettfieber herumplagten, heißen heute<br />
die Geißeln der Menschheit Aids und Krebs. Es scheint also<br />
zu stimmen, dass jede Zeit ihre eigenen Krankheiten hat.<br />
Dabei nehmen allerdings viele Leute Störungen des Gemüts<br />
oder des Gedächtnisses weniger ernst oder verschleiern<br />
sie: Depressionen und nicht zuletzt Demenz sind keine<br />
beliebten Gesprächsthemen. Auch wenn wir in einer<br />
Informationsgesellschaft leben, in der wir alles in Sekunden<br />
googeln können, ist über diese Krankheit des Vergessens<br />
zu wenig in der Öffentlichkeit bekannt. Hinzu kommt eine<br />
gewisse Scham bei den Angehörigen: Sie geben nur ungern<br />
zu erkennen, dass ein Familienmitglied verwirrt ist. In der<br />
Anonymität eines Anrufs mag es einem Patienten oder<br />
einer Ehefrau oder einem Sohn leichter fallen, den Schreck<br />
über erste Erinnerungslücken oder die Verzweiflung über<br />
den Sprachverlust zu zeigen. Dieses hat die Evangelische<br />
TelefonSeelsorge München dazu bewogen, ihr Spektrum zu<br />
erweitern. Die Evangelische TelefonSeelsorge München hat<br />
ihre 120 ehrenamtlichen Fachkräfte für das Problem Demenz<br />
sensibilisiert und qualifiziert, so dass Ansprechpartner nun<br />
auch zu diesem Tabuthema zur Verfügung stehen.<br />
Angst<br />
In meiner früheren Arbeit als Gemeindepfarrer vertraute<br />
eine ältere Frau mir ihre Sorgen angesichts der Demenz ihres<br />
Ehegatten an: Ich wurde daher Zeuge des langsamen Verfalls<br />
des einst so vitalen Mannes. Und ich begegnete immer wieder<br />
der Erschöpfung dieser tapferen Frau. Schon der Gedanke an<br />
Demenz weckt Ängste. Nur selten können die Menschen mit<br />
einsetzender Alzheimer-Krankheit und die Angehörigen mit<br />
jemandem reden.<br />
Krankheit<br />
Nach Schätzungen leiden drei Millionen Bundesbürger<br />
an irgendeiner Form von Hirnleistungsschwäche, für die<br />
meistens Morbus Alzheimer verantwortlich ist. Unter<br />
Demenz versteht man in der Regel ein klinisches Syndrom,<br />
das vorwiegend durch Störungen des Gedächtnisses,<br />
der Raumwahrnehmung, der Sprachfunktionen und der<br />
Verstandesleistungen gekennzeichnet ist. Dieser Verlust<br />
bereits erworbener Denkfähigkeiten ist nicht angeboren,<br />
sondern erfolgt im Laufe des Lebens. Vor allem die nach<br />
dem Psychiater und Neuropathologen Alois Alzheimer (1864<br />
– 1915) benannte Krankheit kann solche Schädigungen<br />
verursachen. Ihr liegt ein fortschreitender Nervenzellverlust<br />
zugrunde, der vorwiegend die für das kognitive<br />
Leistungsvermögen verantwortlichen Hirnregionen betrifft<br />
und mit Verklumpungen innerhalb des Zwischengewebes<br />
einhergeht. Aus neuropathologischen Untersuchungen<br />
ist bekannt, dass Demenz-typische Veränderungen im<br />
Gehirngewebe bereits bei jungen Erwachsenen auftreten.<br />
Deutlich zeigt sich Demenz jedoch erst, wenn ein großer<br />
Teil der Gehirnzellen zerstört ist, was mit zunehmendem<br />
Alter geschehen kann. Im Vorfeld lassen sich die psychischen<br />
Störungen kaum von denen einer Depression unterscheiden,<br />
zum Beispiel Reizbarkeit, Verstimmungen sowie der Verlust<br />
von Interessen und Eigeninitiative. Bei der Alzheimer-<br />
Krankheit ist die Ursache noch nicht ausreichend bekannt.<br />
Seit einigen Jahren stehen Medikamente gegen Demenz<br />
zur Verfügung, auf die manche Patienten allerdings nicht<br />
ansprechen. Gedächtnistraining hilft im Anfangsstadium der<br />
Erkrankung. Leider gibt es bislang kein Therapieverfahren,<br />
das unmittelbar an der Wurzel der Erkrankung angreift.<br />
Alltagsprobleme<br />
Engelsgeduld ermöglicht den Zugang zu Dementen. Ungeduld<br />
ist hingegen gefährlich: Wenn etwa an Alzheimer erkrankte<br />
Menschen ungeduldigen Angehörigen begegnen, verzweifeln<br />
sie an dem Eindruck, etwas falsch gemacht zu haben, aber die<br />
Ursache nicht zu kennen. Anhaltende Traurigkeit folgt daraus,<br />
denn die schlechten Gefühle bleiben erhalten, selbst wenn der<br />
Anlass nach wenigen Minuten vergessen ist. Schließlich sind<br />
die direkt Betroffenen aufgrund ihrer Gedächtnisstörungen<br />
nur bedingt lernfähig. Familienmitgliedern muss klar sein,<br />
dass sie nichts mit ihrem dementen Ehemann oder Vater<br />
zuverlässig vereinbaren können. Fast immer übernehmen<br />
Angehörige die Pflege und vernachlässigen dabei eigene<br />
Sozialkontakte. In der Verdrossenheit über die Isolierung<br />
mutmaßen sie mangelnden guten Willen bei ihrem Patienten,<br />
wenn er sich vermeintlich unsinnig oder manchmal sogar<br />
verletzend verhält. Schließlich fürchten sie sich davor,<br />
irgendwann ähnlich zu erkranken. Die Unzufriedenheit kann<br />
Depressionen oder psychosomatische Beschwerden auslösen.<br />
Die Angehörigen und – sofern möglich – die Erkrankten<br />
können sich Unterstützung suchen, zum Beispiel bei einem<br />
Psychiater, bei einer Demenzberatungsstelle oder eben bei<br />
der TelefonSeelsorge.<br />
Auf Abruf gestundete Zeit<br />
„Es kommen härtere Tage. Die auf Abruf gestundete Zeit<br />
wird sichtbar am Horizont.“ In diesen Verszeilen Ingeborg
21<br />
Bachmanns ist von dem vierten und letzten Abschnitt des<br />
menschlichen Lebenszyklus die Rede, der dem jüngeren<br />
Alter folgt. Krankheiten wie Alzheimer markieren dann<br />
die härteren Tage, in denen uns die Endlichkeit des<br />
eigenen Daseins unabweisbar vor Augen tritt. Es fängt<br />
eher harmlos mit dem Verlust von Schlüsseln und leichten<br />
Wahrnehmungsschwierigkeiten an. Wenn eine große Leere<br />
langsam das Individuum zu verdrängen scheint, schwindet<br />
häufig bei Familienmitgliedern jegliche Hoffnung. Dabei<br />
übersehen sie leicht, dass die Erkrankten nach wie vor<br />
Gefühle haben und diese auf ungewohnte Weise äußern.<br />
Außerdem entwickeln Demente eine eigene Erlebnis- und<br />
Entwicklungswelt. Die Räume des Vergessens sind also<br />
keineswegs leer. Dies zeigen beeindruckend Bilder, die<br />
an Alzheimer erkrankte Menschen gemalt haben. Auch<br />
Musik dient als Begleiter in die innere Welt. Insofern ist die<br />
Bezeichnung Demenz (lateinisch: ohne Geist) irreführend.<br />
Eleonore von Rotenhan zeigt in ihrem anrührenden Buch<br />
„Paradies im Niemandsland“ (Stuttgart 2009) das erstaunliche<br />
und vielfältige Innenleben der Erkrankten.<br />
könnte dazu führen, die eigene Zurückhaltung gegenüber<br />
fremder Hilfe aufzugeben und die schleichende Einsamkeit<br />
bei der Betreuung zu überwinden. Selbsthilfegruppen für<br />
pflegende Angehörige, Einrichtungen der Tagespflege,<br />
Veranstaltungen der Alzheimer Gesellschaft schenken den<br />
Angehörigen kleine Oasen im Pflegealltag. Ein Gespräch<br />
kann helfen, dem Erkrankten und sich selbst das Leben zu<br />
erleichtern. Fürsorge und Selbstfürsorge ergänzen einander.<br />
Vielleicht sucht jemand Kontakt mit der TelefonSeelsorge und<br />
will über Alzheimer sprechen, auch wenn er oder sie nicht<br />
darunter leidet, sondern einfach nur über die Möglichkeit<br />
einer Demenz erschrocken ist. Anschließend kann ein Besuch<br />
beim Arzt helfen, den Verdacht abzuklären. Und dann ist<br />
die Gewissheit selbst einer schlechten Prognose leichter<br />
auszuhalten als ein Leben in ständiger Ungewissheit. Aber<br />
ob ein solcher Anrufender tatsächlich diesen Schritt geht –<br />
diese Entscheidung nimmt die TelefonSeelsorge nicht aus der<br />
Hand, sondern bietet Unterstützung.<br />
Abschiedsgedicht<br />
© TS<br />
Fürsorge und Selbstfürsorge<br />
Dass Würde und Individualität trotz des Gedächtnisverlustes<br />
erhalten bleiben – darauf können die Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter der TelefonSeelsorge hinweisen. Sie<br />
helfen, die Krankheit und ihre Folgen zu verstehen. Aber<br />
hauptsächlich hören sie in der Not zu. Ein Anruf kann die<br />
Ratlosigkeit durchbrechen. Nicht selten geraten Angehörige<br />
an die Grenzen ihrer Kraft und ihres Einfühlungsvermögens.<br />
So kann die TelefonSeelsorge auch ein Abladeplatz für<br />
unliebsame Gefühle sein. Ärger, Wut, Aggressionen können<br />
sich Luft machen. Die TelefonSeelsorge als Krisenhilfe ist Tag<br />
und Nacht erreichbar. Auch wenn man die beste Freundin<br />
nicht mehr stören mag, die bereits angedeutet hat, dass<br />
sie eigentlich das Thema nicht mehr hören mag. Ein Anruf<br />
Jürgen Arlt<br />
Leitung der TelefonSeelsorge
22<br />
2.2 Das Sorgerecht für nicht verheiratete Väter<br />
Die neue Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 21.07.2010 und unsere Erfahrungen in der Rechtsberatung<br />
Derzeit geltendes Recht<br />
Nach derzeit geltendem Recht hat die Mutter eines nicht<br />
ehelichen Kindes das alleinige Sorgerecht für dieses Kind (§<br />
1626 a II BGB). Der Vater des nicht ehelichen Kindes hat nur<br />
dann das gemeinsame Sorgerecht mit der Mutter, wenn das<br />
Paar ausdrücklich erklärt, dass es die Sorge gemeinsam übernehmen<br />
will (§ 1626 a BGB, Sorgeerklärung). Heiratet das<br />
Paar gilt automatisch ein gemeinsames Sorgerecht.<br />
Die Sorgeerklärung hat gemäß § 1626 c I BGB<br />
höchstpersönlichen Charakter und konnte bisher nur von<br />
der Mutter selbst abgegeben werden. Diese Erklärung durch<br />
einen richterlichen Beschluss zu ersetzen kam bislang nicht<br />
infrage. Ein Richter konnte selbst dann nicht dem Vater das<br />
Sorgerecht zusprechen, wenn die Weigerung der Mutter eine<br />
solche Erklärung abzugeben willkürlich erschien. Ohne ihre<br />
Zustimmung gab es bislang kein gemeinsames Sorgerecht.<br />
Notwendigkeit einer Neuregelung<br />
Im Dezember 2009 gab der Europäische Gerichtshof für<br />
Menschenrechte einem deutschen Vater damit Recht, dass<br />
das deutsche Gesetz Väter nicht ehelicher Kinder beim Sorgerecht<br />
diskriminiert. Das Bundesverfassungsgericht hat nun<br />
auch in seiner Entscheidung vom 21.07.2010 festgestellt, dass<br />
§1626 a BGB gegen das Grundgesetz verstößt. Damit ist die<br />
Regierung verpflichtet eine verfassungskonforme Gesetzesänderung<br />
vorzulegen. Diese wird für Ende 2011 erwartet.<br />
Wie die gesetzliche Neuregelung genau aussehen wird ist<br />
noch nicht ganz klar. Derzeit gibt es zwei Vorschläge: Die<br />
Mutter erhält zunächst weiterhin automatisch die alleinige<br />
elterliche Sorge, der Vater kann die Zustimmung der Mutter<br />
zur gemeinsamen elterlichen Sorge einklagen, wenn dies dem<br />
Kindeswohl entspricht. Oder: Die Eltern nicht ehelicher Kinder<br />
haben genauso wie die verheirateten Eltern von Geburt des<br />
Kindes an automatisch die gemeinsame elterliche Sorge. Nur<br />
wenn diese Regelung nicht dem Kindeswohl entspricht (z.B.<br />
permanente Streitereien der Eltern in Bezug auf das Kind)<br />
kann die Mutter bei Gericht die alleinige elterliche Sorge<br />
beantragen.<br />
Bis eine neue gesetzliche Regelung vorliegt gilt Richterrecht,<br />
d.h. das Familiengericht entscheidet über das gemeinsame<br />
Sorgerecht. Die persönliche Erklärung der Mutter wird durch<br />
die gerichtliche Entscheidung ersetzt. Das Familiengericht<br />
muss Eltern eines nicht ehelichen Kindes die gemeinsame<br />
elterliche Sorge übertragen, wenn angenommen werden<br />
kann, dass dies dem Kindeswohl am besten entspricht.<br />
Durch diese Entscheidung hat der Vater eines nicht ehelichen<br />
Kindes erstmals die Möglichkeit gerichtlich überprüfen zu<br />
lassen, ob die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl<br />
entspricht und kann diese – notfalls auch gegen den erklärten<br />
Willen der Mutter des Kindes – durchsetzen. In diesem Fall<br />
würde die persönliche Erklärung der Mutter durch eine<br />
gerichtliche Entscheidung ersetzt.<br />
Grund für diese Regelung ist, dass in einer Vielzahl von<br />
Fällen die Weigerung der Mutter, dem Vater die gemeinsame<br />
elterliche Sorge zuzubilligen, nicht primär im Kindeswohl<br />
begründet ist, sondern den Eigeninteressen der Mütter<br />
dienen. Oftmals werden Verletzungen, die die Mutter auf der<br />
Paarebene erfahren hat, auf die Elternebene übertragen.<br />
Erfahrungen aus der Beratungspraxis seit der Neuregelung<br />
Soweit die Theorie. Eigentlich sollte man denken, dass jetzt<br />
alle Väter, die kein gemeinsames Sorgerecht haben, aufatmen<br />
können und nur noch darauf warten müssen, dass die neue<br />
verfassungskonforme gesetzliche Regelung in Kraft tritt. Die<br />
Praxis sieht leider anders aus.<br />
Die Beratungspraxis zeigt, dass die Zahl der Ratsuchenden<br />
seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Juli<br />
2010 sehr zugenommen hat. Es kommen etwa gleich viele<br />
Mütter wie Väter, die in nicht ehelicher Lebensgemeinschaft<br />
leben. Die Väter möchten eine realistische, praxisnahe<br />
Einschätzung, wie gut denn ihre Chancen wirklich stehen<br />
das gemeinsame Sorgerecht zu bekommen, selbst wenn die<br />
Mutter dies total ablehnt. Die Mütter suchen ebenfalls eine<br />
Beratung in Bezug auf ihre verfahrensrechtlichen Risiken. Sie<br />
haben große Ängste das alleinige Sorgerecht zu verlieren. Sie<br />
befürchten sich zukünftig mit einem Vater auseinandersetzen<br />
zu müssen, der bei allen grundlegenden Erziehungsfragen ein<br />
50%iges Mitspracherecht hat. Viele wünschen sich auch eine<br />
Beratung dahin gehend, wie sie taktisch am besten vorgehen<br />
sollen um eine solche „Verurteilung zum gemeinsamen<br />
Sorgerecht“ (so wird es von ihnen empfunden und benannt)<br />
zu verhindern.<br />
Nach Einschätzung der Praktiker/innen wird die neue<br />
Regelung nur eine Veränderung und Verbesserung für die<br />
nicht ehelichen Lebensgemeinschaft geben, in die künftig<br />
Kinder hinein geboren werden. Hier sehe ich eine echte<br />
Chance für einen Neubeginn, insbesondere wenn sich<br />
die automatische gemeinsame Sorge von Geburt an als<br />
gesetzliche Lösung durchsetzt. Das hätte den großen Vorteil,<br />
dass das „auf die Probe stellen der Väter“ durch die Mütter ein<br />
Ende hat. In der Beratung wird immer wieder deutlich, dass
23<br />
viele Väter sich in der derzeitigen Situation machtlos und der<br />
Willkür der Mütter ausgeliefert fühlen. In der Beratung und<br />
Mediation kommt von den Müttern oft ein Satz wie: „Ich will<br />
mir erst einmal anschauen wie engagiert XY als Vater ist ...<br />
und ob er es gut macht mit dem Kind“ und manche Mütter<br />
sagen noch nicht einmal das, sondern wollen einfach keine<br />
gemeinsame elterliche Sorge um den anderen Elternteil auf<br />
der Elternebene etwas büßen zu lassen, was er ihnen auf der<br />
Paarebene schuldig geblieben ist.<br />
Bei der automatischen gemeinsamen elterlichen Sorge<br />
von Geburt an gibt es diese Bewährungsproben nicht. Der<br />
Gesetzgeber würde dadurch dokumentieren, dass er beide<br />
Elternteile für gleichermaßen befähigt hält die Elternrolle zu<br />
übernehmen. Es würde kein Gefälle mehr geben von einem<br />
Elternteil mit einer juristisch starken Position und einem<br />
Elternteil mit einer juristisch schwachen Position. Klappt<br />
es dann tatsächlich nicht mit der gemeinsamen elterlichen<br />
Sorge, kann immer noch ein Elternteil, wie auch bei<br />
Ehepaaren, die alleinige elterliche Sorge für sich beantragen.<br />
Bei den Altfällen (Kinder vor der gesetzlichen Neuregelung<br />
geboren) sieht die Realität in der Beratung aus wie folgt: Aus<br />
der Erfahrung unserer bisherigen Beratungspraxis lassen sich<br />
drei Gruppen unterscheiden, die mit dem Thema gemeinsame<br />
Sorge unterschiedlich umgehen.<br />
- Einvernehmen zur gemeinsamen Sorge<br />
Das sind die Eltern, die sich von Haus aus gut verstehen.<br />
Sie sind entweder verheiratet oder geben gleich bei der<br />
Geburt oder auch schon vor der Geburt die gemeinsame<br />
Sorgeerklärung ab. Für diese Gruppe ändert sich nichts.<br />
- Konflikte zur gemeinsamen Sorge<br />
Das sind die Eltern, die sich von Haus aus nicht gut verstehen,<br />
meist, weil sie schon getrennt lebend sind. Sie haben<br />
ohnehin nicht den Grundkonsens, den es braucht um die<br />
gemeinsame elterliche Sorge auszuüben. Vielfach haben<br />
sich beide schon öfter an das Familiengericht gewandt mit<br />
Anträgen zum Umgangsrecht, zur Unterhaltszahlung oder<br />
zur Auseinandersetzung von gemeinsamen Vermögen. Meist<br />
gibt es zahlreiche abgebrochene Versuche von Beratung und<br />
Mediation, initiiert von den machtlosen Vätern, die versuchen,<br />
zumindest auf diesem Weg eine Verbesserung ihrer Situation<br />
zu erreichen. Diese Beratungen und Mediationen werden<br />
meist von den Müttern abgebrochen, die in der Regel nicht<br />
wirklich motiviert sind, an ihrer rechtlich starken Position<br />
freiwillig etwas zu verändern.<br />
Die meisten Väter, die nach der Entscheidung des<br />
Bundesverfassungsgerichts bei Gericht versuchen ein<br />
gemeinsames Sorgerecht auch gegen den Willen der Mutter<br />
gerichtlich durchzusetzen, kommen aus dieser Gruppe von<br />
Eltern. Sie hoffen auf eine neue Chance. Fakt ist jedoch, dass<br />
in der Praxis die meisten Richter gerade bei diesen Paaren<br />
das gemeinsame Sorgerecht nicht anordnen werden. Denn<br />
Grundvoraussetzung für die gemeinsame elterliche Sorge ist<br />
nach wie vor, dass diese dem Kindeswohl entsprechen muss.<br />
Es entspricht aber nach Meinung vieler Richter nicht dem<br />
Kindeswohl, die gemeinsame elterliche Sorge an Eltern zu<br />
geben, die gegeneinander prozessieren, die es noch nicht<br />
einmal schaffen, Terminabsprachen miteinander zu treffen,<br />
die Gegenwart des anderen nicht mehr ertragen oder nur per<br />
Mail und SMS miteinander verkehren können.<br />
- Kooperation trotz getrennter Sorge<br />
Und dann gibt es noch die Elternpaare, bei denen zwar nur die<br />
Mutter die elterliche Sorge innehat, die aber ihr Elternsein so<br />
praktizieren, als hätten sie die gemeinsame elterliche Sorge.<br />
Das heißt, sie haben ein Modell kooperativer Elternschaft,<br />
besprechen sich, stimmen sich ab, treffen alle wichtigen<br />
Entscheidungen das Kind betreffend gemeinsam. Die Väter<br />
aus dieser Gruppe werden ebenfalls nicht von der neuen<br />
gesetzlichen Regelung Gebrauch machen. Sie brauchen gar<br />
kein gemeinsames Sorgerecht, da ihnen die Mutter auch<br />
ohne das gemeinsame elterliche Sorgerecht ein gleich starkes<br />
Mitbestimmungsrecht einräumt. Und wenn diese Väter es<br />
wollen würden würde die Partnerin voraussichtlich mit ihnen<br />
zusammen einer Sorgeerklärung zustimmen, ohne dass es der<br />
Mitwirkung des Gerichts bedarf.<br />
Fazit - Einschätzung der Praktiker<br />
Das neue Gesetz wird für die Kinder, die nach seinem in Kraft<br />
treten geboren werden, für eine bessere Ausgangssituation<br />
der Väter sorgen. Und das entspricht grundsätzlich erst<br />
einmal immer dem Kindeswohl, von Ausnahmen abgesehen.<br />
Für Altfälle wird es bis auf wenige Ausnahmen keine<br />
Verbesserung der Sorgerechtssituation durch das neue<br />
Gesetz geben. Der Ausnahmefall wird der sein, dass ein<br />
Vater einfach in all den Jahren vorher zu bequem war, in<br />
einer gut funktionierenden Elternschaft den Antrag auf<br />
Abgabe der gemeinsamen Sorgeerklärung zu stellen. Deshalb<br />
liegt die wesentliche Hilfestellung für die Altfälle nicht im<br />
juristischen Bereich, in Form des voraussichtlich erfolglosen<br />
Einklagens des gemeinsamen Sorgerechts, sondern weiterhin<br />
in der Beratung und Mediation, um mit dem Elternpaar<br />
die Voraussetzungen dafür zu schaffen, auch juristisch<br />
gemeinsam die Verantwortung für das Kind tragen zu können<br />
und sich dabei gegenseitig zu vertrauen.<br />
Ulrike Buchner<br />
Ehe-, Familien- und Lebensberatung
24<br />
2.3 Rechtsberatung in der Staatlich anerkannten Beratungsstelle für<br />
Schwangerschaftsfragen<br />
Ein Interview mit Renate Mitleger, Fachanwältin für Familienrecht, seit 20 Jahren für das ebz tätig<br />
Sabine Simon: Wie bist du eigentlich vor 20 Jahren zum<br />
ebz gekommen?<br />
Renate Mitleger: Ich glaube, dass mich die damalige Leiterin<br />
der Schwangerschaftsberatung, Ruth Cohen, angesprochen<br />
hatte. Zu der Zeit war ich neben meiner Kanzleitätigkeit in<br />
einer Frauenselbsthilfegruppe ehrenamtlich engagiert und<br />
hatte auch dort überwiegend zu familienrechtlichen Fragen<br />
beraten. Frau Cohen hatte dies wohl in Erfahrung gebracht.<br />
Sabine Simon: Renate, wie muss man sich deine Honorartätigkeit<br />
hier in der Schwangerschaftsberatungsstelle vorstellen?<br />
Renate Mitleger: Wer zu mir kommt, bestimmen die Beraterinnen<br />
und Berater. Wenn Sie meinen, dass eine juristische<br />
Beratung sinnvoll wäre und die Klärung der Fragen dringend<br />
erscheint, empfehlen sie eine Beratung bei mir. Das Sekretariat<br />
übernimmt dann die Terminvereinbarung. Oft sind die Klientinnen<br />
in einer Krise und aufgrund von unterschiedlichen<br />
Gründen nicht in der Lage sich einen Juristen zu suchen bzw.<br />
scheuen die Kosten eines Rechtsanwaltes. Daneben stehe ich<br />
den Berater/innen zur Verfügung, wenn diese fallbezogene<br />
juristische Fragen haben. Ein bis zwei Mal im Jahr komme ich<br />
auch ins Team und informiere über neue gesetzliche Bestimmungen<br />
und Verfahren.<br />
Sabine Simon: Haben sich die Themen im Laufe der Jahre<br />
verschoben oder geändert?<br />
Renate Mitleger: Ja, das Thema Geld und Geldnot wird seit<br />
einigen Jahren vermehrt angesprochen, das spielt eine wesentlich<br />
größere Rolle als vor 20 Jahren. Viele der Klientinnen<br />
sind verschuldet, kommen mit ihrem Einkommen nicht<br />
klar, haben Schwierigkeiten mit den Behörden und mit den<br />
Banken. Seit der Einführung des Sozialgesetzbuches II geht<br />
es zudem sehr häufig um die reine Existenzsicherung. Neben<br />
den Themen wie Kredite und Schulden sind der Unterhalt für<br />
das nicht eheliche Kind und der Betreuungsunterhalt für die<br />
nicht eheliche Mutter die zentralen Fragen der Frauen. Auch<br />
die Problematik zum Umgang des Kindes mit dem Kindesvater<br />
bleibt wichtig. Da sind die Befürchtungen manchmal<br />
sehr groß, wie viel Kontakt und auch finanzielle Abhängigkeit<br />
man zu einem Menschen zulassen muss, den man eigentlich<br />
komplett aus seinem Leben ausblenden möchte. Gerade in<br />
der Beratung von Frauen, die einen Schwangerschaftsabbruch<br />
erwägen, spielt das eine große Rolle. In jüngster Zeit<br />
gibt es auch viele Fragen nach der gemeinsamen elterlichen<br />
Sorge. Die Furcht von Frauen, die ein nicht eheliches Kind<br />
erwarten und keinen Partner (mehr) haben, womöglich das<br />
Sorgerecht automatisch ab Geburt mit dem Kindesvater teilen<br />
zu müssen, ist groß. Da besteht Aufklärungsbedarf. Eine<br />
Gesetzesänderung wird ja momentan dahingehend diskutiert.<br />
Sabine Simon: Welche<br />
familiengesetzlichen Änderungen<br />
der letzten 20<br />
Jahre hatten deiner Meinung<br />
nach große Auswirkungen<br />
auf die Belange<br />
unserer Klientinnen?<br />
Renate Mitleger: Meilensteine<br />
war mit Sicherheit<br />
die Änderungen beim<br />
Thema Nichtehelichkeit,<br />
also die Gleichstellung der<br />
nicht ehelichen Kinder mit<br />
ehelichen, die Möglichkeit<br />
der gemeinsamen elterlichen Sorge von nicht verheirateten<br />
Paaren und die Aufhebung der automatischen Pflegschaft<br />
für nicht eheliche Kinder durch das Jugendamt. Aber auch<br />
die Reform des Scheidungsrechts hat meines Erachtens überwiegend<br />
positive Auswirkungen gehabt. Gerade die gemeinsame<br />
elterliche Sorge als Regelfall nach einer Scheidung hat<br />
sich sehr bewährt, da ist viel Sprengstoff aus den Verfahren<br />
genommen worden. Ausnahmefälle, das heißt strittige und<br />
hochstrittige Fälle, wird es natürlich immer geben, aber die<br />
Regel sind sie nicht mehr. Was mit den Jahren immer komplizierter<br />
wurde und damit auch in der Beratung nie eindeutig<br />
klärbar ist, ist das Thema Ehegattenunterhalt.<br />
Sabine Simon: Erlebst du es denn auch, dass Klientinnen<br />
in einem Schwangerschaftskonflikt deine juristische Auskunft<br />
zum wesentlichen Entscheidungsaspekt für oder gegen<br />
eine Fortsetzung der Schwangerschaft machen?<br />
Renate Mitleger: Das ist in den Jahren nur ganz, ganz selten<br />
vorgekommen, Gott sei Dank. Vielleicht zwei oder drei<br />
Mal, aber in diesen Fällen war deutlich zu spüren, dass die<br />
juristische Thematik vorgeschoben war. Da stoße ich an meine<br />
Grenzen und bin dann froh, auf die Beraterin oder den<br />
Berater zur nochmaligen psychosozialen Beratung, bzw. zur<br />
psychologischen Beratung verweisen zu können.
25<br />
Sabine Simon: Welches Thema ist aus deiner Erfahrung<br />
sehr schwierig für die Klientinnen?<br />
Renate Mitleger: Beim Thema Umgangsrecht hakt es immer<br />
wieder. Ich hatte viele Beratungen, in denen Frauen bereits in<br />
der Schwangerschaft große Ängste äußerten, überhaupt ein<br />
Umgangsrecht zuzulassen. Auf dem Hintergrund einer gerade<br />
erst beendeten Beziehung, des Verlassenwerdens oder einer<br />
flüchtigen Affäre, ist die Abwehr weiterer Kontakte zu dem<br />
Kindesvater ja verständlich. Ich habe aber auch die schwierige<br />
Aufgabe die Frauen darauf vorzubereiten, dass sie einen<br />
Umgang des Vaters mit dem Kind grundsätzlich zulassen<br />
sollten, ja sogar müssen. Die Frauen können zwar mit allen<br />
möglichen Mitteln versuchen, dies zu verhindern, aber vor<br />
dem Hintergrund der Gesetzesänderungen und dem langsamen<br />
Umdenken bei den Richtern im Laufe der vergangenen<br />
10 Jahre haben die Mütter immer weniger Möglichkeiten das<br />
Umgangsrecht letztendlich zu vereiteln.<br />
Ein zweiter Punkt, der in den letzten Jahren sehr viel mehr<br />
in den Vordergrund gerückt ist, obwohl es hierzu keine wesentlichen<br />
gesetzlichen Veränderungen gegeben hat, ist die<br />
Umsetzung des Paragrafen 1615l BGB, der den Unterhaltsanspruch<br />
der nicht ehelichen Mutter gegenüber dem Kindesvater<br />
regelt. Erst seit einigen Jahren wird von öffentlicher<br />
Seite vermehrt auf die Durchsetzung dieser Ansprüche gedrängt.<br />
Sozialleistungsträger, die ansonsten Regelleistungen<br />
für die Frau erbringen müssten, setzen Frauen unter Druck,<br />
ihre möglichen Ansprüche gegenüber den Männern geltend<br />
zu machen. Sehr viele Frauen möchten aber am liebsten nicht<br />
von dem Ex-Partner finanziell abhängig sein. Dass sie schon<br />
Unterhalt für das Kind einfordern müssen und das manchmal<br />
als Betteln oder Hinterherjagen empfinden, reicht ihnen<br />
schon. In der Beratung der Frauen geht es darum, Mut zu<br />
machen, die möglichen Ansprüche gegenüber dem Kindesvater<br />
dennoch anzumelden und durchzusetzen, um nicht über<br />
längere Zeit in finanzielle Not zu geraten. Die Frauen müssen<br />
sich einfach mit dem Thema auseinandersetzen, es bleibt ihnen<br />
nichts anderes übrig.<br />
Sabine Simon: Welche zukünftigen familienrechtlichen Änderungen<br />
siehst du in den nächsten Jahren auf die Frauen<br />
und Männer, die uns zu Beratung aufsuchen, zukommen?<br />
Renate Mitleger: Momentan sehe ich mit etwas Skepsis auf<br />
das Urteil des Europäischen Gerichtshofes, wonach auch in<br />
Deutschland ein vereinfachter Zugang von nicht ehelichen<br />
Vätern zu einem gemeinsamen Sorgerecht verlangt wird.<br />
Zurzeit ist es ja so, dass mit der Geburt des nicht ehelichen<br />
Kindes die Mutter das alleinige Sorgerecht für das Kind hat.<br />
Der Vater kann mit Zustimmung der Mutter zur gemeinsamen<br />
elterlichen Sorge gelangen. In vielen Ländern erhält sie der<br />
Vater, der die Vaterschaft zuvor anerkannt hat, automatisch<br />
ab Geburt, genauso wie die Mutter. Diese Regelung halte ich<br />
für äußerst problematisch, denn nicht wenige Väter ziehen<br />
sich schon während der Schwangerschaft komplett aus der<br />
Verantwortung und sind nicht greifbar. Manchmal hatte die<br />
Frau nur eine kurze Affäre und soll nun mit einem eigentlich<br />
Fremden alltägliche Fragen der Kindererziehung erörtern. Bei<br />
binationalen Paaren droht manchmal, dass der nicht eheliche<br />
Vater aufgrund der gemeinsamen elterlichen Sorge ohne<br />
Zustimmung der Mutter einen Pass für das Kind beantragen<br />
kann. Bei den Müttern entsteht dadurch die Angst vor einer<br />
Verschleppung des Kindes ins Ausland. Ich befürchte, dass<br />
Frauen im Schwangerschaftskonflikt diese mögliche neue<br />
Regelung als bedrohlich und massiv einschränkend empfinden<br />
werden, wenn sie den Kindesvater nicht näher kennen<br />
oder mit ihm eigentlich nichts mehr zu tun haben möchten.<br />
Es liegt nahe, dass diese Zukunftsaussichten sie noch einmal<br />
eher einen Abbruch erwägen lassen werden.<br />
Sabine Simon: Hältst du die juristische Beratung in der<br />
Schwangerschaftsberatung weiterhin für sinnvoll, wo es<br />
doch eigentlich auch die kostenreduzierte Rechtsberatung<br />
in juristischen Kanzleien gibt?<br />
Renate Mitleger: Ich halte dieses Angebot für sehr wichtig.<br />
Ein Beratungszentrum wie das ebz ist einfach niederschwelliger.<br />
Hier kann man sich in der juristischen Beratung die Zeit<br />
nehmen, zunächst sehr unzusammenhängende Erzählungen<br />
zu entwirren und zum Kern des Problems vorzudringen,<br />
Papiere können sortiert und Prioritäten festgelegt werden.<br />
Nicht wenige Klientinnen haben einfach sehr viele Probleme<br />
und Fragen. Und ich kann, wenn nötig, sogar mal einen Dolmetscher<br />
hinzuziehen. Der Austausch mit den Berater/innen<br />
und deren weitere Begleitung der Klientin oder der Familie<br />
sorgt auch dafür, dass etwas weitergeht, was sonst im Chaos<br />
des Alltags wieder ungelöst bleiben würde.<br />
Sabine Simon: Renate, ich danke dir für das Gespräch und<br />
für deine langjährige hervorragende Arbeit, auch im Namen<br />
der Kolleg/innen und vor allem der Klient/innen der<br />
Schwangerschaftsberatung.<br />
Sabine Simon<br />
Schwangerschaftsberatung
26<br />
2.4 Innenansicht der Multitalente - die Verwaltungskolleginnen<br />
In der Verwaltung des ebz arbeiten acht Mitarbeiterinnen<br />
in Teilzeit. Ihre Aufgaben sind unterschiedlich. Während die<br />
einen in der Geschäftsstelle dafür sorgen, dass der Rahmen<br />
(z.B. der technische, der finanzielle Rahmen) für Beratung<br />
steht, sind andere in der klientenbezogenen Arbeit in den<br />
einzelnen Abteilungen des ebz tätig.<br />
Die Sekretärinnen vertreten sich in Urlaubs- und Krankheitsfällen<br />
gegenseitig, was von ihnen hohe Flexibilität erfordert,<br />
um den reibungslosen Ablauf der Anforderungen der eigenen,<br />
sowie den der zusätzlichen Abteilung zu gewährleisten.<br />
Diesen Engpässen versuchen sie mit großer Einsatzbereitschaft<br />
zu begegnen. Sie erledigen in Eigenverantwortung die<br />
vielfältigen Verwaltungsaufgaben für die sehr unterschiedlichen<br />
Bedürfnisse der jeweiligen Abteilungen.<br />
Der Schichtplan in der TS<br />
Die Verwaltungskraft, die für die TelefonSeelsorge zuständig<br />
ist hat unter anderem die Aufgabe, Lücken und Ausfälle im<br />
Schichtenplan zu füllen. Damit Ratsuchende rund um die Uhr<br />
einen Ansprechpartner bei der TelefonSeelsorge finden können,<br />
sind monatlich 180 Schichten zu besetzen. Bei Krankheit<br />
von Telefonseelsorger/innen und in Notfällen wird sie für Ersatz<br />
sorgen. Sie berichtet:<br />
„Eine ehrenamtliche Mitarbeiterin ruft an, sie sei krank geworden<br />
und könne deshalb morgen die Nachtschicht nicht<br />
übernehmen. Ich nehme mir die Telefonliste der 115 Ehrenamtlichen<br />
zur Hand und versuche zuerst diejenigen zu erreichen,<br />
die nicht berufstätig sind, um mir nicht unnötige Absagen<br />
einzuholen, denn zum einen ist ein Arbeitstag nach einer<br />
Nachtschicht nur sehr schwer zu bewältigen, zum anderen ist<br />
es ungünstig in der jeweiligen Arbeitsstelle anzurufen.<br />
1. Anruf: „Tut mir leid, aber ich bin zum Geburtstag meiner<br />
Freundin eingeladen.“<br />
2. Anruf: „Ich würde gerne, aber morgen steht mein Theaterabo an.“<br />
3. Anruf: „Leider, aber meine Enkelkinder übernachten bei mir.“<br />
4. Anruf: „Ich habe gleich morgen früh einen Arzttermin,<br />
deswegen kann ich die Schicht nicht übernehmen.“<br />
Und so geht es weiter, alle haben verständliche Gründe abzulehnen.<br />
Ich telefoniere und telefoniere, mittlerweile schon<br />
über eine Stunde, der Druck wird stärker, denn ich muss ja<br />
jemanden finden, der die Nachtschicht übernimmt. Dann,<br />
ich wollte schon die Hoffnung aufgeben, habe ich Glück, die<br />
ehrenamtliche Mitarbeiterin, die ich anrufe sagt: „Einen Moment,<br />
ich schaue in meinen Kalender, ja, ich habe nichts vor,<br />
ich kann die Schicht übernehmen.“ Dankbar und erleichtert<br />
lege ich auf. Wieder einmal geschafft! Übrigens: Wenig später<br />
könnte sich diese Notsituation durchaus wiederholen.“<br />
Familienberatung<br />
Wir gehen in die Familienberatung.<br />
Die Sekretärinnen<br />
berichten: „Das Telefon<br />
klingelt. “Familienberatung<br />
im ebz guten Morgen!“<br />
Am anderen Ende<br />
der Leitung räuspert sich<br />
eine Frauenstimme. „Mein<br />
Mann hat eine Freundin.<br />
Ich brauche Hilfe.“ Die<br />
erste Hürde ist geschafft;<br />
der/die Ratsuchende hat<br />
sich getraut, eine Beratungsstelle<br />
um Hilfe zu bitten. Am anderen Ende der Leitung<br />
sind leise Stimmen, fordernde Stimmen, manchmal weinende<br />
Stimmen, verzweifelte Stimmen, manchmal schwer verständliche<br />
Stimmen, da des Deutschen nicht so mächtig.<br />
Ebenso vielschichtig ist die Problematik. Das Kind will plötzlich<br />
nicht mehr lernen, hat schlechten Umgang, hat Studium<br />
abgebrochen und sitzt nur noch vor dem PC, der Mann<br />
hat eine Freundin, Mobbing im Arbeitsleben, die Ehefrau ist<br />
ausgezogen, der Mann ist überrascht. „Wir unterstützen Sie<br />
gerne, lassen Sie uns gemeinsam eine Anmeldung machen,“<br />
so lautet mein häufigster Satz. Mit zaghafter Stimme beantwortet<br />
die Anruferin meine Fragen. Plötzlich herrscht Stille.<br />
„Sind Sie noch am Apparat?“ „Ich kann nicht mehr“, weint die<br />
Frau. „Ganz ruhig, lassen Sie sich Zeit“, versuche ich zu trösten.<br />
Nachdem sie sich die Nase geputzt hat, schildert sie mit<br />
leiser Stimme ihre Situation. Den ständigen Streit mit dem<br />
Partner, den Alltag mit drei kleinen Kindern, das wenige Geld.<br />
Viele Menschen sind traurig und fühlen sich hilflos, wenn sie<br />
bei uns im evangelischen Beratungszentrum anrufen. Nach<br />
der telefonischen Anmeldung klingen viele ruhig und zuversichtlich.<br />
„Vielen Dank. Wir warten auf Ihr Terminangebot,<br />
hoffentlich bald.“ Ich lege den Hörer auf und gehe meine<br />
Notizen nochmals durch, bevor ich sie in den Computer tippe.<br />
Das Telefon klingelt wieder. „Bitte helfen Sie uns. Unser<br />
15-jähriger Sohn ist frech, faul und schwänzt die Schule.“<br />
Sekretariatsarbeit<br />
Im Sekretariat der Familienberatung wie in der Schwangerschafts-<br />
und Sexualberatung des ebz bilden der Telefondienst<br />
und die Terminierung der Beratung den Schwerpunkt bei der<br />
anfallenden Sekretariatsarbeit. Neben den üblichen Bürotätigkeiten,<br />
wie das Bereitstellen von Materialien, Kopien und<br />
Geräten für die Mitarbeiter/innen, Korrespondenz, Verschikken<br />
von Post, Sortieren und Archivieren usw. stellt der Kontakt<br />
mit den Klient/innen eine lebendige Bereicherung dar.<br />
© ebz
27<br />
Im telefonischen und persönlichen Kontakt ist weniger die<br />
Routine, dafür sind mehr Präsenz und Empathie gefordert.<br />
Die Verwaltungskräfte sind die erste Anlaufstelle für die Klient/innen.<br />
Sie wollen sich auch in der Schwangerschaftsberatung<br />
i.d.R. nicht nur Informationen holen, sondern brauchen<br />
in erster Linie mitmenschliche oder finanzielle Hilfe. Das<br />
Empfangsbüro oder der Erstkontakt am Telefon ist für Klient/<br />
innen eine erste Hürde zur Beratung, an der sich der/die Betroffene<br />
eingeladen oder abgewiesen fühlt.<br />
Bei Anfragen für eine Konfliktberatung in der Schwangerschaftsberatung<br />
zeigt sich im Erstkontakt, dass Klientinnen<br />
überwiegend Hemmungen haben, ihr Anliegen klar zu formulieren<br />
(den männlichen Partnern fällt das oft viel leichter),<br />
manchmal stehen sie auch unter Rechtfertigungsdruck.<br />
Manchmal äußern sie Bedenken, ob sie auch in Anbetracht<br />
des evangelischen Hintergrunds unserer Einrichtung eine<br />
neutrale Beratung bekommen. Eine Muslima und vereinzelt<br />
auch andere Frauen bevorzugen eine weibliche Beraterin.<br />
Vereinzelt haben Klientinnen schon die Befürchtung geäußert,<br />
ob sie sich durch die Beratung verbindlich auf eine Entscheidung<br />
festlegen müssen. Wenn Klientinnen mit Migrationshintergrund<br />
bei einer Konfliktberatung einen Dolmetscher<br />
benötigen, müssen die Betroffenen, falls sie schon Kinder<br />
haben sehr schnell eine Betreuungsmöglichkeit für diese<br />
finden, da Kinder nicht zur Konfliktberatung mitgenommen<br />
werden können. Auch die Verwaltungskraft muss unter Zeitdruck<br />
handeln und mit viel Glück schnell einen Dolmetscher<br />
engagieren.<br />
Viele kommen durch Mundpropaganda ins ebz und haben<br />
demzufolge weniger Schwellenängste, sind offen, zuversichtlich<br />
und sehr freundlich. Klient/innen, die ihre Anliegen<br />
fordernd und energisch vorbringen sind selten. Meistens erleben<br />
die Verwaltungskräfte vor allem bei den ausländischen<br />
Frauen Zurückhaltung, die sicherlich auch darin begründet<br />
ist, dass sie nicht wissen, ob man ihnen vorurteilsfrei und<br />
verständnisvoll begegnet, sei es in Bezug auf ihre nationale<br />
Herkunft, sei es in Bezug auf ihre Sprachschwierigkeiten,<br />
ihren religiösen Hintergrund oder ihren Abtreibungswunsch.<br />
Schließlich gilt es auch noch die Hürde zu überwinden, einer<br />
völlig fremden Person gleich zu Anfang ein sehr persönliches<br />
Anliegen mitzuteilen.<br />
Renate Simeth, Brigitte Vas, Silvia Wernet, Barbara Wulf<br />
Verwaltungsteam<br />
Ein Dankeschön<br />
Nicht nur für die Klient/innen ist das Sekretariat eine wichtige<br />
Anlaufstelle, sondern auch für die Berater/innen, die es<br />
schätzen, sich an die Verwaltungskräfte wenden zu können.<br />
Der Berater Christian Rosendahl schildert:<br />
Während einer Beratungssituation, wenn ich nicht weiter<br />
weiß, eine Auskunft benötige, einen Rat oder schlichtweg<br />
jemand zum darüber reden brauche, schätze ich es seit vielen<br />
Jahren, mich auch an die Kolleginnen in der Verwaltung<br />
wenden zu können. Oft sind gerade alle Beratungsfachkräfte<br />
selbst in Beratung und nicht zu stören und ich erlebe einfach<br />
des Öfteren Situationen, in denen ich einen kurzen Abstand<br />
von der Beratungssituation brauche oder eine Frage habe,<br />
deren Antwort mir trotz Rechner und Internet nicht einfällt.<br />
Wenn meine Eindrücke von den Beratenen widersprüchlich<br />
und unklar sind, nutze ich es gerne, mir den ersten Eindruck<br />
vom Sekretariat über die Klienten oder die subjektive Einschätzung<br />
eines Telefonkontaktes schildern zu lassen. Um<br />
mich eines Gefühls, eines Eindrucks und vielleicht auch einer<br />
Entscheidung zu versichern, spreche ich auch gerne die<br />
Verwaltungskolleginnen an, bei denen ich mich auch einfach<br />
nur „mal eben“ aussprechen kann, wenn die Situation zu viel<br />
ist oder war.<br />
Ich bin dankbar für die Möglichkeit mit einer klugen lebenserfahrenen<br />
Person, die noch dazu einen anderen Beruf hat<br />
(und somit nicht ‚berufsblind’ ist) sprechen zu können – natürlich<br />
unter Einhaltung des notwendigen Datenschutzes<br />
und mit größtmöglicher Diskretion. Oft hat mir so ein Austausch<br />
zu wichtigen vollkommen anderen Aspekten, Sichtweisen<br />
verholfen, was in vielen Fällen einerseits meiner Entlastung<br />
und weiteren guten Arbeitsfähigkeit diente, als auch<br />
in der Situation direkt den Beratenen zugute kam und in die<br />
Beratungssituation oder in den Prozess hilfreich einfließen<br />
konnte.<br />
Zeitweise erweist es sich auch als günstig wenn zufällig gerade<br />
mehr als eine Person ansprechbar war, u.U. auch eine<br />
Rücksprachmöglichkeit (Kurzintervision) mit einem/einer<br />
Fachberater/in und einer Verwaltungskraft. Ich habe in<br />
meinen fünfzehn Jahren im ebz keine Kollegin in einer Verwaltungstätigkeit<br />
hier erlebt, die sich auf ihre Weise nicht<br />
– auch einem spontanen und manchmal ungewöhnlichen<br />
Belang – als hilfreich, entgegenkommend, menschlich klug<br />
und kompetent herausgestellt hat.<br />
Zudem bin ich froh und stets aufs Neue dankbar, dass ich<br />
mich auf die kompetente und zuverlässige Empfangs-, Sekretariats-<br />
und Verwaltungsarbeit meiner Kolleginnen verlassen<br />
kann. Die hohe Qualität, die dadurch entsteht, spiegelt sich<br />
nicht nur in korrekten und reibungslosen Abläufen in der Beratungsstelle<br />
wieder, sondern eben auch in meiner konkreten<br />
alltäglichen Entlastung und der hohen Zufriedenheit unserer<br />
Klient/innen, die sich einfach willkommen fühlen. Ich möchte<br />
auf diesem Wege einfach mal meinen Dank aussprechen!<br />
Christian Rosendahl<br />
Schwangerschaftsberatung
28<br />
2.5 Beratung und Kooperation nach der FGG-Reform<br />
Erfahrungen mit dem Münchner Modell bei Trennungs- und Scheidungsfamilien<br />
Mit der FGG-Reform ist das FamFG, das "Gesetz über das Verfahren<br />
in Familiensachen und in den Angelegenheiten der<br />
freiwilligen Gerichtsbarkeit", am 01.09. 2009 in Kraft getreten<br />
und hat das bisherige "Gesetz über die Angelegenheiten<br />
der freiwilligen Gerichtsbarkeit" (FGG) abgelöst. Die Gesetzesreform<br />
hat grundlegende Veränderungen im familiengerichtlichen<br />
Verfahren nach sich gezogen. Hier seien zwei<br />
wesentliche Änderungen genannt. Zum einen verpflichtet<br />
das Vorrang- und Beschleunigungsgebot in Kindschaftssachen<br />
(§155 FamFG) das Gericht spätestens einen Monat nach<br />
Beginn des Verfahrens einen ersten Anhörungstermin durchzuführen.<br />
Zum anderen soll das Familiengericht auf ein Einvernehmen<br />
der Eltern hinwirken (§156 FamFG).<br />
Diese neue Philosophie findet Ausdruck im sog. Münchner<br />
Modell (MüMo), dem Leitfaden des Familiengerichtes München<br />
für Verfahren, die den Aufenthalt des Kindes, das Umgangsrecht<br />
oder die Herausgabe des Kindes betreffen. Damit<br />
wird auch ein neues Verständnis bzgl. der Kooperation der<br />
beteiligten Institutionen, insbesondere des Familiengerichtes,<br />
des Jugendamtes und der Beratungsstellen, begründet.<br />
In der Bearbeitung unserer ersten MüMo-Fälle konnten wir<br />
feststellen, dass der frühe Anhörungstermin, der Zuwachs<br />
an Transparenz sowie die Klarheit über die verschiedenen<br />
Aufgaben und Rollen der Beteiligten eine verbesserte Kooperation<br />
ermöglichen und verbesserte Voraussetzungen zur<br />
Konfliktregulierung schaffen. Die Eltern werden in ihrer Verantwortung<br />
und Selbstbestimmung gestärkt. Dabei erlebten<br />
wir bei den Eltern verschiedene Reaktionen. Einerseits fühlten<br />
sie sich ernst genommen und ihre elterliche Kompetenz<br />
wertgeschätzt, andererseits auch sehr gefordert trotz der<br />
Trennungskrise mit all ihren emotionalen Auswirkungen, zum<br />
Wohle ihrer Kinder verhandlungs- und konsensfähig zu sein.<br />
In der Arbeit mit den Eltern und Kindern setzen wir unsere<br />
beraterischen, mediativen und therapeutischen Möglichkeiten<br />
so ein, dass die Eltern ihre Konflikte klären und einvernehmliche<br />
Regelungen erarbeiten können. Ob dies gelingen<br />
kann, ist nicht immer gleich im ersten Gespräch zu erkennen.<br />
Manchmal sind mehrere Sitzungen notwendig, manchmal<br />
auch ein Settingwechsel wie z.B. zusätzliche Einzelgespräche,<br />
um die Voraussetzungen und Motivation für ein zieldienliches<br />
gemeinsames Arbeiten zu klären. Dabei erlebten<br />
wir es in der Beratung als hilfreich, wenn wir über vorläufige<br />
Gerichtsbeschlüsse zur Umgangsregelung informiert waren.<br />
Darüber hinaus war es wichtig, am Anfang der Beratung abzuklären,<br />
welche zusätzlichen Streitthemen (z.B. Unterhalts-<br />
und Eigentumsfragen) bestanden. Solche offenen Streitfragen<br />
können sich oft kontraproduktiv auf das Bemühen, einen<br />
kooperativen Dialog zu etablieren, auswirken.<br />
Als bedeutsam erlebten wir es auch, wenn frühestmöglich im<br />
Verfahren (von Rechtsanwälten, Gericht, Richter, Jugendamt)<br />
wahrgenommen und berücksichtigt wurde, ob eine Gewaltproblematik<br />
vorliegt, da diese einer gemeinsamen Beratung<br />
der Eltern entgegenstehen oder sie sogar verunmöglichen<br />
würde. Für solche Fälle wurde ein „Sonderleitfaden“ entwikkelt.<br />
Im Alltag mussten wir leider erleben, dass darauf noch<br />
nicht genügend geachtet wird, und – mit mehr oder weniger<br />
Nachdruck - eine Beratungsoption nahegelegt wird, die nicht<br />
erfolgreich sein kann.<br />
Darüber hinaus hatten wir mit Eltern zu tun, die in der Verarbeitung<br />
und Akzeptanz der Trennung so weit auseinander lagen<br />
und bei denen Kränkungen noch so stark wirksam waren,<br />
dass das Bemühen, gemeinsam Lösungen zum Wohle der Kinder<br />
im Rahmen einer gemeinsamen Beratung zu erarbeiten,<br />
gegenwärtig blockiert war. Dann erarbeiteten wir mit den<br />
Eltern(teilen) alternative Hilfs- und Unterstützungsmöglichkeiten<br />
und / oder verwiesen an das Gericht zurück.<br />
Die Mehrheit der von uns beratenen Eltern zeigte das Bewusstsein,<br />
dass es für die kindliche Entwicklung bedeutsam<br />
ist zu beiden Eltern eine gute und tragfähige Beziehung<br />
leben zu können, und die Eltern das Anliegen hatten eine<br />
Regelung zu schaffen, die einen regelmäßigen Kontakt zu<br />
beiden Eltern ermöglicht.<br />
Wir erleben also sowohl Beratungsprozesse, in denen Eltern<br />
einvernehmliche Regelungen für ihre Kinder erarbeiten kön-<br />
© rico-kühnel_pixelio.de
29<br />
nen, als auch Klärungsprozesse, die zu dem Ergebnis kommen,<br />
dass dies – wie oben beschrieben - derzeit nicht möglich<br />
ist. Unserer Erfahrung nach sind beide Prozesse unseren<br />
fachlichen Einsatz wert. Auch wenn unsere Beratung in manchen<br />
Fällen zu keiner einvernehmlichen Umgangsregelung<br />
führte, konnte sie einen wertvollen Beitrag zur Klärung und<br />
Orientierung für die Eltern, aber auch für das Gericht und das<br />
Jugendamt leisten. Unsere Rückmeldung an das Gericht und<br />
an das Jugendamt ermöglicht diesen einzuschätzen, wie sie<br />
wieder mit ihren jeweils eigenen Möglichkeiten tätig werden<br />
müssen.<br />
Die Beratungsarbeit im Rahmen des Münchner Modells erfahren<br />
wir als eine, v.a. für die von Trennung/Scheidung be-<br />
troffenen Familien lohnende Aufgabe. Im besten Falle können<br />
auch zeit- wie kostenintensive und höchst belastende<br />
juristische Auseinandersetzungen vermieden oder verringert<br />
werden. Dadurch werden auch die betroffenen Kinder deutlich<br />
entlastet und die familiären Beziehungen gestärkt. Diese<br />
Arbeit beansprucht jedoch zweifellos zeitliche und personelle<br />
Ressourcen. Es bleibt zu wünschen, dass hierfür den Erziehungsberatungsstellen<br />
ausreichend Mittel zur Verfügung<br />
gestellt werden.<br />
Ilse Herath-Schugsties (ebz)<br />
Andreas Schwarz (Caritas)<br />
Ökumenische Erziehungs-, Jugend- und Familienberatungsstelle<br />
Neuperlach<br />
2.6 Onlineberatung - Mitarbeit in der virtuellen Beratungsstelle der Bundeskonferenz<br />
für Erziehungsberatung und beim evangelischen Beratungsportal<br />
Rückblick<br />
Seit dem 01.10.2006 beteiligt sich die Erziehungsberatung<br />
(EB) des ebz mit 5 Wochenstunden an der bundesweiten<br />
virtuellen Beratungsstelle der Bundeskonferenz für<br />
Erziehungsberatung (bke). Aus den ursprünglich geplanten<br />
18 Monaten Mitarbeit wurden inzwischen 4 Jahre. Die<br />
zunächst befristete Mitarbeit wurde von Seite des ebz in eine<br />
unbefristete umgewandelt. Durch diese Kontinuität kann<br />
weiterhin ein bundesweites Team von insgesamt 90 Berater/<br />
innen der virtuellen Beratungsstelle unterstützt werden.<br />
Unter den beiden Adressen www.bke-elternberatung.de und<br />
www.bke-jugendberatung.de werden Hilfe suchende Eltern<br />
und Jugendliche fachlich beraten. Ratsuchende als auch<br />
Berater/innen bleiben hierbei weitestgehend anonym, da<br />
die virtuelle Beratungsstelle unter einem selbst gewählten<br />
Pseudonym (Nickname) betreten wird. Hierdurch wird<br />
die Zugangsschwelle für die Ratsuchenden so niedrig wie<br />
möglich gehalten.<br />
Einblick<br />
Auf der Plattform der virtuellen Beratungsstelle stehen<br />
zwei unterschiedliche Beratungsformen zur Auswahl: die<br />
Einzelberatung und die Gruppenchats. Die Einzelberatung<br />
erfolgt über eine geschützte Mail oder Einzelchatkontakte.<br />
Hierbei wird zugesichert, dass eine Erstanfrage innerhalb<br />
von 48 Stunden beantwortet wird, Folgemails gehen dann<br />
jeweils an den/die Berater/in, der/die bereits die Erstanfrage<br />
beantwortet hat. Ein Gruppenaustausch mit anderen<br />
Ratsuchenden ist in Themenchats und offenen Chats möglich,<br />
die täglich angeboten werden, teilweise auch am Abend und<br />
an den Wochenenden. Inzwischen stehen täglich mindestens<br />
ein bis zwei Chats für Eltern und vor allem für Jugendliche<br />
zur Verfügung, die dieses Angebot sehr rege nutzen, sodass<br />
jeder Chat voll belegt ist. Darüber hinaus kann die Anfrage<br />
in Foren gepostet werden, die auch für nicht eingeloggte<br />
Besucher/innen einsehbar sind und 24 Stunden am Tag zur<br />
Verfügung stehen.<br />
Entwicklung<br />
Im Jahre 2000 wurde das Online-Beratungsangebot von<br />
der bke als Projekt ins Leben gerufen. Inzwischen hat es<br />
sich zu einer festen Institution in der Beratungslandschaft<br />
etabliert und gehört mit cirka 50.000 eingeloggten User/<br />
innen zum größten Angebot seiner Art. Ähnlich wie bei<br />
der anonymen Telefonberatung werden über das Internet<br />
Ratsuchende angesprochen, die zunächst nicht zum üblichen<br />
Beratungsstellenklientel gehören. Daher stellt die virtuelle<br />
Beratungsstelle eine wichtige Ergänzung zur Face-to-Face-<br />
Beratung dar. Mit fast 18.000 Zugriffen im Jahr 2010 steht<br />
München auf Platz 1 im bundesweiten Vergleich.<br />
Qualitätssicherung<br />
Als Mitarbeiter der EB führe ich neben der Einzelberatung von<br />
Jugendlichen und Eltern per Mail zweimal im Monat einen<br />
zweistündigen Gruppenchat für jeweils 10 Jugendliche durch<br />
und einmal im Monat mit einer Kollegin einer norddeutschen<br />
Beratungsstelle zusammen einen zweistündigen gemeinsamen<br />
Eltern-Jugendchat für 6 Jugendliche und 6 Eltern. Als<br />
virtueller Berater der zweiten Generation sehe ich eine<br />
Verantwortung, mich um die Qualitätssicherung zu kümmern.
30<br />
Beratungsstandards und Beratungsinterventionsformen<br />
werden von mir herausgearbeitet und allen Kolleg/innen zur<br />
Verfügung gestellt. Dadurch kann eine Weiterentwicklung<br />
dieser wichtigen Beratungsform erfolgen, die inzwischen aus<br />
ihren experimentellen Kinderschuhen herausgewachsen ist.<br />
Neben einer kontinuierlichen Öffnung für neue Mitarbeiter/<br />
innen macht ein wenigstens kleiner kontinuierlicher<br />
Mitarbeiter/innenstamm Sinn, um nicht immer wieder von<br />
vorne beginnen zu müssen, sondern die Beratungskriterien<br />
weiter zu entwickeln und auf bereits gemachten Erfahrungen<br />
aufzubauen und diese an die neuen Kolleg/innen weiter zu<br />
geben.<br />
Ergänzung<br />
Neben der bundesweiten Beratungsplattform beteiligt sich<br />
die EB auch an der stärker regional organisierten Plattform<br />
von Diakonie und evangelischer Kirche. Unter www.<br />
evangelische-beratung.info können sich Ratsuchende von<br />
der jeweils regionalen evangelischen Beratungsstelle per<br />
Mail beraten lassen. Diese Beratung erfolgt weniger anonym<br />
als dies bei der bke der Fall ist. Neben einer ausschließlichen<br />
Beratung per Mail ist es hier auch möglich eine Face-to-<br />
Face-Beratung mit einer Mail-Beratung zu koppeln, was<br />
insbesondere Jugendliche für sich nutzen. Sie schreiben<br />
aus der sie belastenden Situation heraus, um dann im<br />
nächsten Beratungstermin eine Reflexion mit dem Berater/<br />
der Beraterin vorzunehmen. Außerdem steht damit eine<br />
datengeschützte Beratungsplattform zur Verfügung, die<br />
auch dazu geeignet ist, einen Austausch mit Klient/innen der<br />
EB zu ermöglichen. Der Zugriff erfolgt über die Website des<br />
ebz. Die EB ist hierbei innerhalb des ebz in guter Gesellschaft,<br />
da sich die Schwangerschaftsberatung ebenfalls an diesem<br />
Angebot beteiligt und die Telefonseelsorge inzwischen über<br />
ihre eigene Plattform Sorgenchats anbietet.<br />
Ratsuchende<br />
Mit den genannten Angeboten<br />
werden niederschwellige<br />
Beratungsformen angeboten,<br />
die insbesondere benachteiligte<br />
junge Eltern, Alleinerziehende,<br />
aber auch Eltern<br />
im ländlichen Raum, sowie<br />
Jugendliche ansprechen,<br />
die von sich aus den Weg in<br />
die Beratungsstelle nicht so<br />
leicht finden würden. Über<br />
das Internet können diese<br />
Ratsuchenden erste Beratungserfahrungen<br />
machen<br />
oder bereits gemachte Erfahrungen mit anderen austauschen.<br />
Letztendlich wird durch die anonyme Online-Beratung<br />
eine Lücke in der Beratungslandschaft geschlossen. Dadurch<br />
werden nun alle möglichen Formen der Beratung gleichermaßen<br />
im ebz praktiziert, wobei jede Form der Beratung ein<br />
eigenes Klientel anspricht. Die Telefonberatung, die Online-<br />
Beratung und die klassische Face-to-Face-Beratung existieren<br />
nun nebeneinander und ergänzen sich gegenseitig. Von<br />
der praktischen Erfahrung mit diesen Formen der Beratung<br />
profitieren alle Mitarbeiter/innen der Beratungsstelle. Die Erfahrungen<br />
werden auch Kolleg/innen durch die Teilnahme an<br />
Symposien und Kongressen weitergegeben. Im letzten Jahr<br />
habe ich an den Kinderschutztagen zum Thema „Sexualisierte<br />
Gewalt“ und an einem städtischen Symposium zum Thema<br />
„Frühe Förderung“ über das Angebot berichtet.<br />
Fachlichkeit<br />
Wichtig erscheint mir, dass die Berater/innen der virtuellen<br />
Beratungsstelle der bke jeweils Mitarbeiter/innen einer Erziehungsberatungsstelle<br />
sind, da dadurch praktische Erfahrungen<br />
vorliegen, die den Abwägungsprozess unterstützen,<br />
welche Beratungsform für die Ratsuchende am geeignetsten<br />
erscheint. Unter keinen Umständen sollte dieses wichtige und<br />
zukunftsweisende Beratungsangebot dubiosen Beratungseinrichtungen<br />
im Internet überlassen werden. Letztendlich<br />
nutzt der Aufwand auch den Beratungsstellen vor Ort, da<br />
über die virtuelle Beratung die Zugangswege zur Beratungsstelle<br />
für Eltern und Jugendliche erleichtert werden. Um auch<br />
weiterhin unterschiedliche Medien der Beratung effektiv anbieten<br />
zu können, erscheint es sehr wichtig, dass die Berater/<br />
innen nicht ausschließlich eine Form der Beratung kennen<br />
und praktizieren, sondern ein Gespür dafür haben, welches<br />
Medium wann und für welche Themen und Ratsuchende das<br />
Passendste ist.<br />
Professionalität<br />
Eine differenzierte Betrachtung der einzelnen virtuellen<br />
Beratungsmöglichkeiten zeigt, dass die Beratung per Mail<br />
ähnlich anonym wie die Telefonberatung ist, jedoch einen<br />
kontinuierlicheren Beratungsverlauf zulässt und daher<br />
eine gewisse Ähnlichkeit mit der Face-to-Face-Beratung<br />
aufweist. Hingegen geht es in der Beratung via Chat vor<br />
allem um das gegenseitige Coaching der Teilnehmer/innen,<br />
um „Peergroup Empowerment“ und um Hilfe zur Selbsthilfe<br />
im klassischen Sinne. Nicht zu unterschätzen sind die<br />
professionelle Moderation und die fachlichen Beiträge<br />
vonseiten des Beraters/der Beraterin, was die meist positiven<br />
Rückmeldungen der Teilnehmer/innen deutlich machen.<br />
Sehr gewinnbringend erlebe ich den Austausch zwischen<br />
Eltern und Jugendlichen in den angebotenen Eltern-<br />
© ebz
31<br />
Jugendlichen-Chats. Hier outen sich auch minderjährige<br />
Eltern und lassen sich unterstützen. Die Chats mit offenen<br />
Themenangeboten werden ergänzt durch Themenchats,<br />
die sich intensiv einem aktuellen Thema widmen, wie etwa<br />
den Fragen zur Entwicklung, zu speziellen Fragen, die das<br />
Jugendalter oder spezielle Lebensumstände oder bestimmte<br />
Symptome betreffen. Hierbei wird versucht am Puls der Zeit<br />
zu sein, und den Anliegen der Ratsuchenden gerecht zu<br />
werden. Die Themenchats werden neben der herkömmlichen<br />
Moderation auch durch Expert/innen ergänzt, seit einiger<br />
Zeit gibt es daher auch extra Themen-Chat-Wochen. Wichtig<br />
bei den Chats ist, dass die Teilnehmer/innen auch die<br />
Möglichkeit haben, sich nur passiv zu beteiligen und so von<br />
den Erfahrungen der Aktiven zu partizipieren. Die offenste<br />
und damit niederschwelligste Form des Angebots stellt aber<br />
das Forum dar, dort können auch nicht angemeldete Gäste<br />
sich Informationen zu speziellen Themen holen, die andere<br />
in Frageform vorab gepostet haben. Die Fragestellungen<br />
der Ratsuchenden sind hierbei genauso vielfältig wie die<br />
Kommentare der Lesenden.<br />
Niederschwelligkeit<br />
Für jemanden, der Vorurteile oder Befürchtungen vor einer<br />
Beratung hat, sind die niederschwelligen Beratungsformen<br />
sicherlich die Hilfreichsten um Vorbehalte abzubauen. Die<br />
virtuelle Beratung wird daher z.B. von Jugendlichen genutzt,<br />
die im realen Leben einer Vielzahl von Gewalterfahrungen<br />
ausgesetzt waren und sich daher in eine anonyme Welt<br />
geflüchtet haben, in der sie sich geschützter fühlen, ohne<br />
auf ihre Sehnsucht nach Austausch und sozialer Teilhabe,<br />
verzichten zu müssen. Ein Blick auf deren Nicknames macht<br />
dies deutlich. Sie nennen sich „Blackangel“, „Lonelyflower“,<br />
„borderline“, „träne“, „cry“, „DeathSoul“, „lonelyheart“,<br />
„BloodyAngel“ oder „looser“ und machen dadurch deutlich,<br />
was in ihnen vorgeht bzw. auf welchem Erfahrungshintergrund<br />
die Hilfesuche erfolgt. Dementsprechend sind sie in den<br />
offenen Forenbereichen und in den Gruppenchats sehr<br />
vorsichtig, was das Thematisieren von Gewalterfahrungen<br />
durch andere Jugendliche anbetrifft, wohl wissend, dass<br />
sie sich sonst wieder angreifbar machen und erneut<br />
gewalttätigen Attacken ausgesetzt sein könnten. Dennoch<br />
ist ihre Sehnsucht gesehen und anerkannt zu werden so<br />
groß, dass sie immer wieder sehr viel Persönliches von sich<br />
preisgeben und die eigentlich gewählte Anonymität von<br />
sich aus verlassen, indem sie versuchen, auch reale Kontakte<br />
aufzubauen. Dementsprechend groß ist die Verantwortung<br />
der professionellen Moderator/innen der Chats und der Foren,<br />
höchst achtsam und sensibel zu prüfen, wann und wie sie<br />
bei Grenzverletzungen einschreiten müssen. Bei den Berater/<br />
innen und Moderator/innen in der virtuellen Beratungsstelle<br />
der bke handelt es sich daher ausschließlich um erfahrene<br />
Berater/innen, die diesbezüglich sehr gut fortgebildet wurden<br />
und in einem kontinuierlichen kollegialen Austausch stehen.<br />
Grenzerfahrung<br />
Die Ratsuchenden werden von vornherein darüber<br />
aufgeklärt, dass sie sich an die Regeln halten müssen. Hierzu<br />
gehört der achtsame Umgang mit persönlichen Daten, da<br />
außer im Bereich der Mail-Beratung und der Einzelchats<br />
kein absoluter Schutz möglich ist, da die Personen ihre<br />
Identität und ihren Account immer wieder ändern können.<br />
Außerdem hinkt man als Administrator/in einer solchen<br />
Beratungsplattform permanent hinterher, was das Editieren<br />
anbelangt, da die Datenfülle sehr groß und der Datenfluss<br />
sehr schnell vonstatten geht. Daher muss man immer sehr<br />
sensibel abwägen, wann man wie einschreitet, weil man<br />
sonst massiver Kritik im Hinblick auf Möglichkeit der freien<br />
Meinungsäußerung vonseiten der Jugendlichen ausgeliefert<br />
ist. Dies gilt auch für die Chat-Moderation, insbesondere<br />
für den Bereich des „Flüsterns“, d.h. der persönlichen<br />
Kontaktaufnahme im Chat, ohne dass die Kommunikation im<br />
öffentlichen Bereich sichtbar wird. Dennoch wird auch von<br />
den User/innen eingefordert, dass die Moderator/innen sich<br />
um eine adäquate Form der Grenzsetzung bemühen.<br />
Prävention<br />
Auch im Hinblick auf die Prävention scheint die virtuelle<br />
Form der Beratung sehr geeignet zu sein, da wichtige Aspekte<br />
erfüllt werden:<br />
- Die Teilnehmer/innen werden dort abgeholt, wo sie sind,<br />
im Internet.<br />
- Das Angebot ist anonym.<br />
- Das Angebot ist niederschwellig.<br />
- Es gibt einen leichten Zugang zu Informationen.<br />
- Auch die passive Teilhabe ist möglich.
32<br />
- Es erfolgt eine soziale Anbindung.<br />
- Es gilt die Hilfe zur Selbsthilfe.<br />
- Es wird ein geschützter Raum auch für brisante<br />
Informationen und Themen zur Verfügung gestellt.<br />
- Es gibt eine professionelle Begleitung mit Kenntnis<br />
in Diagnostik und dem Wissen über weiterführende<br />
Unterstützungsmöglichkeiten.<br />
- Die Beratung erfolgt bedarfsorientiert.<br />
- Eine schnelle Erreichbarkeit ist möglich.<br />
- Es erfolgt eine sofortige Entlastung.<br />
- Es gibt ein breit gefächertes Angebot.<br />
- Die Beratung ist kostenfrei.<br />
Resümee<br />
Aufgrund der gemachten Erfahrung erscheint es nicht<br />
sinnvoll die unterschiedlichen Formen der Beratung<br />
gegeneinander abzuwägen, insbesondere was die<br />
Kosten- und Nutzenrechnung anbelangt, weil das die<br />
Beratungskomplexität ungünstig reduzieren würde und<br />
weder den Ratsuchenden, noch den Berater/innen gerecht<br />
werden würde. Eine kontinuierliche Weiterentwicklung<br />
und insbesondere die zunehmende Verzahnung der<br />
unterschiedlichen Beratungsangebote erscheint daher<br />
zukunftsweisender und letztendlich gewinnbringender zu<br />
sein.<br />
Jürgen Wolf<br />
Erziehungsberatung
2. Ökumenischer<br />
Kirchentag München<br />
33<br />
ÖKT
34<br />
3.1 „Mancher Knoten lässt sich lösen“<br />
Die evangelische Schwangerschafts-<br />
(konflikt)beratung auf dem ÖKT<br />
Vom 13.05.-15.05.2010 präsentierte sich die evangelische<br />
Schwangerschaftsberatung mit einem Stand auf dem<br />
2. Ökumenischen Kirchentag in München. Die Schwangerschaftsberatung<br />
im ebz hatte im Auftrag des Diakonischen<br />
Werkes Deutschlands und des bayerischen Landesverbandes<br />
die Planung und Organisation übernommen. Der Stand wurde<br />
mit mehr als 1500 aktiven Besucher/innen zu einem stark<br />
nachgefragtem Angebot in den drei Tagen. Jugendliche und<br />
Erwachsene konnten sich hier über das Thema „Schwangerschaftskonflikt“<br />
informieren und sich über ein interaktives<br />
Angebot mit der Bandbreite an Motiven und Einflussfaktoren<br />
für das Erwägen eines Schwangerschaftsabbruches auseinandersetzen<br />
und rechtliche, ethische und religiöse Standpunkte<br />
kennen lernen.<br />
- „Stimmt es, dass die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche<br />
stetig steigt, weil es immer mehr minderjährige Schwangere<br />
gibt?“ (Beide Behauptungen in der Frage treffen übrigens<br />
nicht zu)<br />
- „Woran merkt man, dass man verliebt ist?“ (Ein 5-jähriger<br />
Junge antwortete: „Wenn man das Mädchen besonders gerne<br />
ärgert“).<br />
- „Wie viele Paare erleben nach der Geburt eines gemeinsamen<br />
Kindes eine schwere Krise?“<br />
- „Was schätzen Sie, wie viele Frauen erkranken nach einer<br />
Geburt an einer Depression?“<br />
Mit Hilfe dieser und anderer Fragen gelang es uns, mit den<br />
Menschen ins Gespräch zu kommen und auch so manches<br />
Missverständnis oder Vorurteil auszuräumen bzw. für heikle<br />
Themen zu sensibilisieren.<br />
Die Berater/innen am Stand haben an diesen Tagen ein<br />
durchweg interessiertes und offenes Publikum erlebt. Sehr<br />
viele Besucher/innen äußerten allerdings auch, dass sie vorher<br />
noch nicht gewusst hätten, dass es Beratungsstellen gibt,<br />
die rund um die Themen Sexualität, Schwangerschaft und<br />
Elternzeit beraten. Oft wird Schwangerschaftsberatung immer<br />
nur mit der klassischen Konfliktberatung assoziiert.<br />
Manche äußerten sich ausdrücklich erfreut, dass sich hier<br />
„Evangelische Kirche mal nicht verstaubt, moralisierend und<br />
lustfeindlich gezeigt hat“ (so ein Teilnehmer).<br />
Sabine Simon<br />
Schwangerschaftsberatung<br />
Auf der anderen Seite konnten Kinder, Jugendliche und Erwachsene<br />
ihr Wissen rund um die Themenbereiche Sexualität,<br />
Schwangerschaft, Partnerschaft, Verhütung mit Hilfe<br />
eines „Glücksrades“ testen. Nach Drehen des Glücksrades<br />
konnte man nach Altersgruppen und Themen differenzierte<br />
Fragen beantworten oder den „Kondomführerschein“ machen.<br />
Als Belohnung gab es Süßes oder auch ein Kondom. So<br />
bestanden mehr als 570 Besucher/innen ihren „Kondomführerschein“,<br />
wobei sich zeigte, dass die Jugendlichen und jungen<br />
Erwachsenen oftmals besser die zu beachtenden Aspekte<br />
bei der Kondombenutzung kannten als ältere Erwachsene.<br />
Die Fragen am Glücksrad lauteten zum Beispiel:<br />
- „Wann ist die richtige Zeit für das 1. Mal?“<br />
- „Stimmt es, dass frühe Aufklärung auch zu immer früheren<br />
Sex bei Jugendlichen führt?“<br />
- „Welche zwei Aspekte sind Frauen und Männer am wichtigsten<br />
in der Partnerschaft?“<br />
© ebz<br />
3.2 „Es ist gut, dass es euch gibt!“ -<br />
TelefonSeelsorge auf dem ÖKT<br />
Mit einem eigenen Stand auf der Agora, dem Markt der Möglichkeiten,<br />
präsentierte die TelefonSeelsorge an drei Tagen<br />
ihre Arbeit. Erstmals kamen die neuen Materialien für Öffentlichkeitsarbeit<br />
zum Einsatz. Vor Ort von der evangelischen<br />
und der katholischen TelefonSeelsorge München vorbereitet,<br />
unterstützten ehrenamtliche und hauptamtliche Mitarbeiter<br />
aus ganz Bayern in der Standbesetzung. Im Vorfeld hatten<br />
wir uns für einen Besucherstand entschieden und damit gegen<br />
einen Stand, an dem auch Beratung stattfindet. Für Ratsuchende<br />
gab es auf dem Kirchentag ein eigens eingerichtetes<br />
Beratungszentrum, das den notwendigen Schutzraum<br />
bieten konnte, der an einem Stand nicht möglich ist.<br />
Viele Mitarbeitende aus anderen Telefonseelsorgen Deutschlands<br />
besuchten den Stand gezielt, um in der Fremde vertraute<br />
TS-Luft schnuppern zu können. Es kamen zahlreiche
35<br />
fenden Betrieb zu betreuen (Räume, Logistik, Verpflegung)<br />
und schlussendlich den Standort wieder abzubauen.<br />
© ebz<br />
Besucher/innen, die im Vorbeischlendern sich Bonbons holten<br />
um dann doch zu einem kleinen Informationsgespräch<br />
zu verweilen. So manches wurde dann unverhofft eine kleine<br />
Lebensberatung: „Es ist gut, dass es Euch gibt! Ich hatte<br />
mir auch schon überlegt, ob ich nicht anrufen sollte, wenn<br />
ich mit meinen erwachsenen Söhnen nicht klar komme“ und<br />
schon war’s passiert! Nachfrage, Interesse und Verständnis,<br />
ein offenes Ohr bereitetet den Boden zu manchem persönlichen<br />
Gespräch mit einer Lösungsidee am Ende. Mit dem<br />
Erfolg, dass die Besucher/innen leichter von dannen zogen,<br />
wieder Zuversicht fanden vor der nächsten Meditation. Die<br />
TelefonSeelsorger/innen blieben beglückt zurück, weil das<br />
Zuhören ihrem Selbstverständnis doch mehr entspricht als<br />
das Präsentieren und Werben. Die jungen Besucher/innen<br />
verweilten gern an unserem Stand, hier konnten sie mit dem<br />
rosa Kuscheltelefon spielen (auf dem Kirchentag darf man<br />
das!) und nebenbei erleben, dass TelefonSeelsorge auch Jugendliche<br />
in ihrem So-Sein ernst nimmt. Das miteinander<br />
Lachen tat allen gut.<br />
Jürgen Arlt<br />
TelefonSeelsorge<br />
3.3 Beratungsstelle auf Zeit<br />
Ein ökumenischer Kirchentag braucht ökumenische Gremien.<br />
Traditionell ist bei Deutschen Evangelischen Kirchentagen<br />
(DEKT) die evangelische Ehe- und Erziehungsberatungsstelle<br />
vor Ort zuständig, die Beratungsstelle auf Zeit einzurichten.<br />
Dies geschieht in Abstimmung mit dem Ständigen Ausschuss<br />
für Psychologische Beratung und Seelsorge, dem regionalen<br />
landeskirchlichen Beauftragten für Beratung sowie den<br />
Programmverantwortlichen und den Architekten des DEKT.<br />
Es gilt den Beratungsstandort während des Kirchentags die<br />
„Beratungsstelle auf Zeit“ zu planen, einzurichten, den lau-<br />
Für das Beratungsangebot beim 2. ÖKT in München – der<br />
Träger des Beratungsangebots war der ÖKT -war im Vorfeld<br />
eine neue übergeordnete ökumenische (aus evangelischen,<br />
katholischen und freikirchlichen Teilnehmer/innen zusammengesetzte)<br />
und möglichst paritätische Gremien- und Verantwortungsstruktur<br />
aufzubauen. Auf die Erfahrungen des<br />
1. Ökumenischen Kirchentags in Berlin konnte wegen der im<br />
Wesentlichen regionalen Verantwortlichkeiten kaum zurückgegriffen<br />
werden. Diese Prozesse im Vorfeld, die schließlich<br />
aufgrund des persönlichen Engagements der Beteiligten zufriedenstellend<br />
gelöst wurden, verzögerten den Beginn der<br />
direkten, operativen Planung des Beratungsangebots sehr.<br />
Die Leitung der für das Beratungsangebot zuständigen Projektkommission<br />
lag in einer Doppelspitze: auf evangelischer<br />
Seite bei Elisabeth Breer, Diakonisches Werk Bayern, und auf<br />
katholischer Seite bei Monika Kraus, Erzdiözese Passau. Mitglieder<br />
der Projektkommission waren Delegierte des Ständigen<br />
Ausschusses für Psychologische Beratung und Seelsorge<br />
des DEKT sowie von katholischer und freikirchlicher Seite benannte<br />
Fachkräfte der Einzel- und Gruppenberatung sowie<br />
der Geistlichen Begleitung.<br />
Die Entscheidung, dass ein Beratungsstandort im Messegelände<br />
in der Halle des Geistlichen Zentrums liegen sollte,<br />
erforderte im Vorfeld von den beiden ökumenischen Verantwortlichen<br />
der Beratung und von der Projektkommission<br />
vielfältige „strategische“ Abstimmungen mit den anderen<br />
„Anbietern“ in der Messehalle.<br />
Operative und logistische Aufgaben für das Beratungsangebot<br />
beim ÖKT<br />
Die direkte operative Planung und die logistische Umsetzung<br />
des Beratungsangebots in der Halle des Geistlichen Zentrums<br />
wurde sowohl von katholischer als auch von evangelischer<br />
Seite der ökumenisch zusammengesetzten Münchner Logistikgruppe<br />
übertragen. Die Gruppe bestand aus den drei Mitgliedern<br />
der Projektkommission: Alfred Haslbeck, dem Leiter<br />
der katholischen Eheberatung (mit den 2 von ihm benannten<br />
Mitarbeitenden der katholischen Eheberatung Claudia Thomas<br />
und Sabine Rusnak), der Leiterin der Eheberatung des<br />
ebz, Barbara Alt-Saynisch (mit den 2 von ihr benannten Mitarbeitenden<br />
der Erziehungsberatung Barbara Reiß und Theo<br />
Kornder) sowie einer Fachkraft mit freikirchlichem Hintergrund,<br />
Bettina Weidenbach, Ludwigsburg. Die Federführung<br />
lag aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung in Beratung und<br />
Schichtleitung bei Kirchentagen bei Barbara Alt-Saynisch.
36<br />
das übergeordnete gemeinsame Thema der Halle des Geistlichen<br />
Zentrums auf und gab ihm im Beratungszentrum Platz.<br />
Mit Unterstützung von Bettina Irschl aus der Telefonseelsorge<br />
waren schnell sehr engagierte Helfer/innen (jugendliche<br />
Kinder von Mitarbeitenden in der TS mit ihren Freunden) für<br />
die Arbeit in der Teeküche gefunden. Auch Ilse Pfeuffer und<br />
Tanja Doreth vom Diakonischen Werk Nürnberg halfen in der<br />
Teeküche mit.<br />
Martin Breer<br />
©<br />
Diese große Aufgabe wurde in insgesamt 6 Treffen vor dem<br />
ÖKT, mit viel Vorbereitungszeit zwischen den einzelnen Treffen<br />
(insbesondere in den Monaten unmittelbar vor dem ÖKT)<br />
und im Dauereinsatz während des ÖKT mit Erfolg bewältigt.<br />
Die Gruppe war vorwiegend für Logistik, Planung der Räumlichkeiten,<br />
Errichtung und Betreuung des Beratungsangebots<br />
von 60 Fachkräften im „Zentrum für Psychologische Beratung,<br />
Seelsorge und Geistliche Begleitung“ in Messehalle B2<br />
innerhalb des Geistlichen Zentrums (über 700qm) zuständig.<br />
Die „Beratungsstelle auf Zeit“ bestand aus 16 Beratungskojen,<br />
1 Familienberatungsraum, 6 Gruppenräumen, Empfangsund<br />
Wartebereich, Schichtleitungsraum, Abstellraum, Teeküche,<br />
Mitarbeiterraum. Die Planung der Einrichtung, der Bestellung<br />
beim ÖKT und schließlich die Aufstellung des Mobiliars<br />
am Mittwoch vor dem ÖKT bedurften vieler Absprachen<br />
und intensiver Planung. Zusätzlich war neben der Pausenverpflegung<br />
für die Berater/innen im Zentrum auch für die Verpflegung<br />
des zweiten Beratungsstandortes auf der Agora in<br />
einer anderen Messehalle mit ca. 40 Berater/innen zu sorgen.<br />
Dafür wurden für beide Standorte Helfer/innen engagiert.<br />
Von Barbara Alt-Saynisch wurden für die Beratungsstandorte<br />
und als Information für die ÖKT-Programmangebote zum<br />
aktuellen Thema Sexuelle Gewalt Adresslisten über die bundesweite<br />
und regionale Beratung zu dieser Thematik erstellen.<br />
Diese vor allem in diesem Umfang ungewohnten logistischen<br />
Aufgaben erfolgreich zu bewältigen war möglich, da<br />
in der Gruppe die Aufgaben nach persönlichen Kompetenzen,<br />
Interessen und praktischen Fertigkeiten verteilt waren, z.B.<br />
stand uns der Transporter von Theo Kornder für den Einkauf<br />
der Lebensmittel und für selbst zu beschaffendes Mobiliar<br />
zur Verfügung, seine Frau unterstützte ihn ehrenamtlich<br />
beim Einkauf. Barbara Reiß konnte auf ihre Erfahrung beim<br />
Münchner Kirchentag in der Marktberatung zurückgreifen.<br />
Bettina Weidenbach schmückte parallel ihre Beratungsstelle<br />
in Ludwigsburg neu mit Bildern von Wassermotiven und mit<br />
Blumengestecken und konnte diesen Schmuck für die Beratungskojen<br />
vorübergehend ausleihen. Das Thema Wasser griff<br />
Wer waren die Berater/innen?<br />
Berufen zur Beratung beim ÖKT wurden von den in der Projektkommission<br />
vertretenen Untergruppierungen Berater/<br />
innen von evangelischen, katholischen und freikirchlichen<br />
Beratungsstellen aus ganz Deutschland, wie auch Berater/<br />
innen mit orthodoxem Hintergrund. Aus der Ehe-, Familienund<br />
Lebensberatung des ebz wurden Gisela Appelt und Willi<br />
Frings als Berater/innen im Zentrum für Beratung, Seelsorge<br />
und Geistliche Begleitung berufen und Helmut Brandmair<br />
als Gruppenleitung zum Thema „Meine Schuld erdrückt und<br />
lähmt mich und ich will doch leben“. Aus der Erziehungsberatung<br />
des ebz arbeitete Jürgen Wolf bei der „zugehenden<br />
Beratung“ auf der Agora. Insgesamt waren beim ÖKT an den<br />
beiden Beratungsstandorten im Zentrum und auf der Agora<br />
von Donnerstagmorgen bis Samstagabend aufgeteilt in<br />
2 Schichten ca. 100 Fachkräfte (Berater/innen, Psychotherapeut/innen,<br />
Gruppentherapeut/innen, Pfarrer/innen und<br />
Geistliche Begleiter/innen) tätig.<br />
Inanspruchnahme der Beratung<br />
Das Beratungsangebot im Zentrum für Beratung erfuhr vom<br />
ersten Tag an einen relativ kontinuierlichen hohen Zuspruch.<br />
Das Thema der sexuellen bzw. sexualisierten Gewalt spielte<br />
natürlich auch hier eine erhebliche Rolle: War am 1. Tag noch<br />
etwa jeder 8. Ratsuchende davon betroffen, so war es am 2.<br />
Tag jeder 6. und am dritten Tag jeder 4. Insgesamt nahmen<br />
an den beiden Beratungsstandorten (Zentrum und Agora)<br />
1327 Besucher/innen für all ihre komplexen Lebens- und<br />
Beziehungsthemen die verschiedenen Angebote der Psychologischen<br />
Beratung, Seelsorge und Geistlichen Begleitung in<br />
Anspruch: Beratungsgespräche im engeren Sinne, Beratungsgespräche<br />
im Zusammenhang mit sexualisierter Gewalt,<br />
Kurzkontakte, Gruppengespräche, Beichten (aus dem Bericht<br />
von Frau Maria Dietzfelbinger für die Präsidialversammlung<br />
des DEKT vom 10.-12. Juni 2010 in Dresden). In vielfältigen<br />
schriftlichen Rückmeldungen mit sehr persönlichen und bewegenden<br />
Worten bedankten sich Ratsuchende in der anonymen<br />
Evaluation für die hilfreiche und professionelle Beratung.
37<br />
Persönliche Anmerkung<br />
Nach fast 10-jähriger Mitarbeit im Ständigen Ausschuss für<br />
Psychologische Beratung und Seelsorge des DEKT und zuvor<br />
als Beraterin bzw. später als Schichtleitung für die Beratung<br />
bei Deutschen Evangelischen Kirchentagen beendete ich im<br />
September 2010 meine Tätigkeit für die Kirchentage. Begonnen<br />
hatte ich diese 1993 beim Kirchentag in München. Mit<br />
dem Ökumenischen Kirchentag 2010 in München hat sich für<br />
mich die Tätigkeit, die ich sehr gerne getan habe, gerundet.<br />
Dr. Barbara Alt-Saynisch<br />
Ehe-, Familien- und Lebensberatung<br />
3.4 Meine Schuld erdrückt und lähmt<br />
mich und ich will doch leben<br />
Unter diesem Titel bot ich eine Gruppe auf dem 2. Ökumenischen<br />
Kirchentag in München an. Viele Teilnehmer/innen<br />
waren interessiert daran neben der theologischen Sichtweise<br />
des Themenkomplexes „Schuld“ auch die psychologischen<br />
Erklärungsmodelle rund um den Begriff „Schuld“ kennen zu<br />
lernen. Ich bezog mich hierbei vor allem auf den psychoanalytischen<br />
Begriff vom Über-Ich, der eng mit der Ausprägung<br />
einer Schuldempfindung verknüpft ist. Folgende Überlegung<br />
war für viele Teilnehmer/innen nachvollziehbar:<br />
Triebhafte Impulse aus dem Unbewussten (dem “Es“), oft gespeist<br />
durch Reste von Tagesempfindungen oder getriggert<br />
durch Erinnerungen aus der Vergangenheit, steigen auf: Das<br />
können z.B. Angst, Ärger, Wut, Sehnsucht, Trauer oder sexuelle<br />
Empfindungen sein. Diese Impulse werden damit bewusstseinsnah<br />
und müssen auf irgendeine Art und Weise von<br />
unserem bewussten „Ich“ gehalten, strukturiert und geordnet<br />
werden. Dieser Vorgang findet mehrmals am Tage statt und<br />
ist an sich völlig “normal“, denn die emotionale Triebhaftig-<br />
keit und Lebendigkeit sind uns angeboren. Schwierig wird es<br />
erst, wenn die Instanz des „Über-Ichs“ hinzukommt. Diese<br />
wird vom Kind erst erworben und ist nicht per se angeboren.<br />
Die Eltern-Instanzen sind hier bestimmend: Wertevorstellungen,<br />
die von den Eltern, der Familie, der Gesellschaft und der<br />
jeweiligen Religionsgemeinschaft vorgegeben werden, und<br />
an denen man sich orientieren und Halt finden kann. Nun<br />
geht es letztendlich darum die beiden Antipoden „Es“ und<br />
„Über-Ich“ gut verbindend in sich zu halten, wozu ein funktionierendes<br />
und stabiles „Ich“ notwendig ist. Stehen alle drei<br />
Instanzen in einem guten Einklang miteinander, so spricht<br />
man von einer ausgeglichenen Persönlichkeitsstruktur.<br />
Für viele Gruppenteilnehmer/innen war dieses psychoanalytische<br />
Regulationsmodell gut nachvollziehbar und hilfreich<br />
bei der Bewertung der eigenen Verstrickung in schuldbesetzte<br />
Prozesse. Im Gruppengespräch wurden die jeweils eigenen<br />
Erlebnisse, die schuldhaft verarbeitet wurden, vorgetragen.<br />
Im Schutz der Gruppe war es möglich, auf einer Ebene, die<br />
von Wohlwollen und gegenseitiger Wertschätzung getragen<br />
war, die jeweiligen Prägungen rund um den Schuldbegriff zu<br />
diskutieren und somit aufzulockern. Dieser Vorgang wurde<br />
von vielen als sehr druckmindernd erlebt („ach so kann man<br />
das auch sehen“). Besonders interessiert zeigten sich die Teilnehmer/innen,<br />
als ich auf den Vorgang der Verdrängung zu<br />
sprechen kam. Der Punkt, dass ein rigides Über-Ich-System,<br />
das nur Verdrängung vorsieht und keine Entlastungs- oder<br />
Sublimierungsmöglichkeiten zulässt, auch krankheitsfördernd<br />
sein kann und sich in psychosomatischen Beschwerden<br />
zeigen kann, war für viele sehr gut nachvollziehbar.<br />
Natürlich gab es auch lebhafte Diskussionen darüber, welche<br />
Vorstellung von Schuld (die evangelische, katholische,<br />
eine ganz private, die von Naturvölkern, eine psychoanalytische,<br />
pädagogische, philosophische oder andere) denn hier<br />
und jetzt auf dem Kirchentag die allgemein verbindliche<br />
und letztendlich gültige sei. In einer Gruppe kamen wir auf<br />
folgenden gemeinsamen Nenner: Es wurde still, eine Kerze<br />
wurde angezündet, und wir beteten gemeinsam das “Vater<br />
unser“.<br />
Helmut Brandmair<br />
Ehe-, Familien- und Lebensberatung<br />
©<br />
Martin Breer
38<br />
3.5 Beiträge zur Geschichte der Ökumene<br />
in Neuperlach<br />
Im Rahmen des Ökumenischen Kirchentages 2010 in München<br />
bot sich ein historisches Thema in München geradezu<br />
selbstverständlich an: die Geschichte des Ökumenischen<br />
Stephanszentrums in Neuperlach. Vier Referenten gaben<br />
dazu einen architektonischen, historischen, sozialpolitischen,<br />
kirchenpolitischen und sozialpsychologischen Überblick und<br />
konnten zudem alle an ihre persönlichen Erfahrungen mit<br />
der Entstehung dieses neuen Stadtteils anknüpfen.<br />
Vom Architekten Christoph Titze gab es einen interessanten<br />
historischen Überblick mit Bildern zur Entwicklung Neuperlachs<br />
aus städtebaulicher Sicht. Die Münchner Entlastungsstadt<br />
ist eines der größten Städtebauprojekte Deutschlands<br />
und in Fachkreisen international bekannt. Der Wohnring<br />
Neuperlach-Zentrum bekam in den 70er-Jahren den deutschen<br />
Architekturpreis.<br />
Der Sozialwissenschaftler Dr. Florian Straus konnte zur Entstehungsgeschichte<br />
Neuperlachs sowohl auf persönliche<br />
Truderinger Kindheitserinnerungen zurückgreifen als auch<br />
soziologische und sozialpsychologische Perspektiven der<br />
Entwicklung des Stadtteils markant beschreiben. So war in<br />
der Anfangsphase Ende der 60er-Jahre beispielsweise der<br />
bekannte Psychologe Alexander Mitscherlich beteiligt, da<br />
man eine Konzeption des verdichteten Wohnens unter humanen<br />
Aspekten wollte. Neuperlach wurde zu einem familienfreundlichen<br />
Stadtteil mit vielen Grünanlagen und verkehrsberuhigten<br />
Zonen. Außerdem erhielt Neuperlach von<br />
Anfang an eine der besten sozialen Infrastrukturen mit niedrigschwelligen<br />
sozialen Unterstützungs- und Beratungsangeboten<br />
sowie eine entsprechende frühzeitige professionelle<br />
Vernetzungsstruktur.<br />
Prälat Peter Neuhauser erlebt in den 70er-Jahren die Zeit des<br />
ökumenischen kirchlichen Aufbruchs. Seit dem zweiten Vatikanischen<br />
Konzil in den 70er-Jahren wurde die Kirche der<br />
Reformation anerkannt und damit die Hoffnung auf eine<br />
ökumenische Zusammenarbeit genährt. Die diakonisch-karitative<br />
Arbeit und der politische Einsatz für die Armen sollten<br />
nun gemeinsam gelingen, und Kirche und soziale Dienste<br />
sollten eines werden. Dies bildet sich noch heute im Stephanszentrum<br />
ab.<br />
Der einst langjährige Pfarrer der evangelischen Laetare-<br />
Kirche, Michael Göpfert, berichtet aus der Aufbruchsstimmung<br />
der Neuperlacher Gründerzeit, von der „ökumenischen<br />
Utopie“, vom kirchlichen Auftrag der Gemeinwesen-<br />
arbeit im Alltag wie auch vom gemeinsamen ökumenischen<br />
Abendmahl. Seit Ende der 90er-Jahre erleben die beiden<br />
Kirchen im Stadtbezirk allerdings einen bedeutenden demografisch<br />
bedingten Schrumpfungsprozess, der nun –<br />
40 Jahre nach der Stadtteilgründung – einen anstrengenden<br />
Rückbau von zu groß gewordenen Strukturen verlangt. Der<br />
neuen großen Bevölkerungsgruppe der Muslime in Neuperlach<br />
wünscht er ein sichtbares eigenes Gotteshaus und allen<br />
zusammen einen gelingenden interreligiösen Dialog. Die Vortragsreihe<br />
schließt er mit der Hoffnung auf eine Zukunft der<br />
Ökumene ganz nah am Menschen.<br />
Brigitte Manz-Gill (ebz)<br />
Ökumenische Erziehungsberatungsstelle<br />
München-Ramersdorf/Perlach<br />
3.6 Vom Telefon zum Internet<br />
Als Veranstaltung der TelefonSeelsorge in Deutschland gab es<br />
eine Podiumsdiskussion „Zukunft der Seelsorge: Vom Telefon<br />
zum Internet; Seelsorge in Neuen Medien“ in der Black Box<br />
im Gasteig. Auf dem Podium saßen zwei Leiter von Telefon-<br />
Seelsorgen, zwei Vertreter der katholischen und evangelischen<br />
Kirche, eine Wissenschaftlerin und eine Ehrenamtliche.<br />
Besonders die Beispiele, die die Ehrenamtliche aus ihrer Chatarbeit<br />
berichtete, berührten und hinterließen einen tiefen<br />
Eindruck. Wie etwa eine (nachempfundene) Aussage einer<br />
Ratsuchenden im Chat: „Ich habe mir einen Termin geholt,<br />
weil ich nicht sprechen kann, na ja, klar kann ich sprechen,<br />
aber irgendetwas ist in mir drin, das hindert mich.“ Petra<br />
Bosse-Huber, Vizepräses der Evangelischen Kirche im Rheinland<br />
skizzierte dazu in einer Pressemitteilung (aus der Presseerklärung<br />
des Landeskirchenamts der evangelischen Kirche<br />
im Rheinland, Präsidialkanzlei, 14. Mai 2010): „Seelsorge im<br />
Internet macht Angebote für Menschen, die sich dort aufhalten,<br />
dort leben. In gewisser Weise ähnelt dies auch wieder<br />
den Methoden des Paulus: die Kirche Jesu Christi dorthin zu<br />
bringen, wo es noch keine Gemeinden gibt ... weil es der Auftrag<br />
der Kirche ist.’ Auch die Anonymität des Web biete für<br />
viele Menschen Vorteile, die bei Problemen und Lebenskrisen<br />
keine kirchliche Beratungsstelle aufsuchen würden. Hier seien<br />
die anonymen Seelsorgerinnen und Seelsorger der Internetseelsorge<br />
... gute Anlaufstellen.“<br />
Bettina Irschl<br />
TelefonSeelorge
Pressespiegel<br />
39<br />
Pressemitteilung<br />
Sadt und<br />
Landkreis<br />
Münchner<br />
Merkur<br />
AZ<br />
SZ<br />
Sonntagsblatt
Pressespiegel<br />
4 Sonntagsblatt TITELTHEMA<br />
Nr. 11 • 14. März 2010<br />
40<br />
Ein Platz im Herzen<br />
Die Trauer nach einem Schwangerschaftsabbruch – ein besonderer Gottesdienst für Betroffene<br />
Die evangelische Kirche berät Schwangere in<br />
Konfliktfällen, auch wenn die Beraterinnen und<br />
Berater dabei selbst in ein ethisches Dilemma<br />
geraten. Ein besonderer Gottesdienst in der<br />
Markuskirche in München am 29. März wendet<br />
sich besonders an Menschen, die als Ärzte,<br />
Schwestern, Pfleger oder als Beraterinnen mit<br />
diesen Fragen befasst sind – und vor allem an<br />
Frauen und ihre Partner, die einen Abbruch hinter<br />
sich haben – aber auch an Begleiter und Freunde.<br />
Die Entscheidung, eine Schwangerschaft<br />
abzubrechen, fällt niemandem leicht. In<br />
der Regel ist eine Notlage der Grund, weshalb<br />
eine Frau sich nicht in der Lage fühlt, ihr ungeborenes<br />
Kind auszutragen. Nach dem Eingriff<br />
stellt sich oft zunächst Erleichterung ein.<br />
Manchmal melden sich aber auch Gefühle der<br />
Schuld und Trauer. Über solche Gefühle zu<br />
sprechen ist schwierig; sie sind schambesetzt<br />
und oft tabu. Manchmal tauchen solche Gefühle<br />
auch erst viel später auf und äußern sich<br />
durch seelische oder körperliche Belastungen.<br />
Wie ist Versöhnung mit dem Entschluss von<br />
damals möglich – und gegebenenfalls mit dem<br />
ungeborenen Kind?<br />
Diese Thematik ist der Hintergrund eines<br />
Gottesdienstes, zu dem das Evangelische Beratungszentrum,<br />
die Krankenhausseelsorge,<br />
das Spirituelle Zentrum St. Martin und das<br />
Dekanat München am 29. März um 19. 30 Uhr<br />
in die Münchner Markuskirche (Gabelsbergerstraße)<br />
einladen. Er wendet sich besonders<br />
an Menschen, die als Ärzte, Schwestern/Pfleger<br />
oder als Schwangerschaftskonfliktberater/<br />
Innen mit diesen Fragen befasst sind – und vor<br />
allem an Frauen (und ihre Partner), die einen<br />
Abbruch hinter sich haben. Das Anliegen ist<br />
seelsorgerlich: Es geht dabei um die vorbehaltlose<br />
Annahme und Begleitung von Betroffenen,<br />
nicht um nachträgliches Bewerten und<br />
Beurteilen.<br />
Im Jahr 2007 kamen die Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter der evangelischen Schwangerschaftsberatung<br />
in München erstmals zu<br />
einem geistlichen Tag ins Spirituelle Zentrum<br />
St. Martin. Es ging zunächst um eigene spirituelle<br />
Erfahrungen und Bedürfnisse. Aus dieser<br />
Begegnung erwuchs der Wunsch nach einem<br />
zweiten Treffen, das speziell die eigene<br />
Rolle bei Schwangerschaftsabbrüchen reflektieren<br />
sollte. Die staatlich anerkannte Beratungsstelle<br />
ist ja berechtigt und verpflichtet,<br />
Beratungsscheine auszustellen. Diese Scheine<br />
müssen beim Arzt vorgelegt werden, damit<br />
der Eingriff straffrei bleibt. Es zeigte sich beim<br />
zweiten Treffen, dass die Frage nach der eigenen<br />
ethischen (Mit-)Verantwortung die meisten<br />
Anwesenden auf die eine oder andere Weise<br />
bewegte. Es ging auch um die Belastung in<br />
der Arbeit durch die Vielfalt unterschiedlicher<br />
Situationen. Jedem zu Beratenden gegenüber<br />
gilt es neu, ungeachtet der persönlichen Wertmaßstäbe,<br />
die notwendige Offenheit aufzubringen.<br />
Dazu kam die Erfahrung aus der geistlichen<br />
Begleitung, dass Schwangerschaftsabbrüche<br />
psychische Spätfolgen haben können. Manchmal<br />
taucht das tabuisierte Thema im seelsorgerlichen<br />
Gespräch gleichsam »am Rande«<br />
auf. Wenn dann der Seelsorger oder die Seelsorgerin<br />
ein wenig nachhakt, kann es passieren,<br />
dass Gefühle ans Licht kommen, die mit<br />
Der Gottesdienst in der Münchner Markuskirche ist der Versuch eines Gottesdienstes, in dem Schuld und Trauer Platz haben.<br />
Foto: wodicka
Pressespiegel<br />
Nr. 11 • 14. März 2010<br />
TITELTHEMA Sonntagsblatt 5<br />
41<br />
diesen früheren Abtreibungen zusammenhängen.<br />
Häufig musste das Thema zunächst verdrängt<br />
werden, was jedoch verhindert hat, dass<br />
um ein ungeborenes Kind wirklich getrauert<br />
werden konnte – anders als etwa eine Frau, deren<br />
erwünschtes Kind tot geboren wird. Nicht<br />
verarbeitete Schuld und Trauer können psychische<br />
und physische Auswirkungen haben:<br />
Depressionen, körperliche Beschwerden und<br />
Fehlgeburten können die Folge sein.<br />
Die wenigen seelsorgerlichen Erfahrungen<br />
in diesem Themenumfeld geben Hinweise darauf,<br />
was die Verarbeitung von Schuld und<br />
Trauer unterstützen kann. Dazu eine (komprimierte<br />
und verfremdete) Fallgeschichte aus<br />
der evangelischen Seelsorge:<br />
Frau H. kommt in die geistliche Begleitung.<br />
Thema sind eine depressive Grundstimmung<br />
und das Gefühl der Gottferne sowie massive<br />
Beziehungsprobleme. In einem Nebensatz erwähnt<br />
sie, dass sie einen Schwangerschaftsabbruch<br />
hinter sich hat. Auf Nachfrage berichtet<br />
sie, das sei nach einem »One Night Stand« mit<br />
einem Mann geschehen, den sie sich als Vater<br />
ihres Kindes nicht vorstellen konnte und den<br />
sie später auch nie mehr gesehen hat.<br />
Der Seelsorger erkundigt sich behutsam<br />
nach weiteren Umständen und fragt dann:<br />
»Haben Sie je um ihr Kind getrauert!« Frau H.<br />
hat sofort Tränen in den Augen. Sie sagt, sie<br />
wollte das alles damals möglichst schnell vergessen.<br />
Aber jetzt spüre sie, dass da noch was<br />
ist. Auf die Frage: »Haben Sie ihrem Kind jemals<br />
einen Namen gegeben?« nickt sie heftig.<br />
»Ja, das habe ich… es heißt Phönix!«. Der<br />
Bezug zum mythologischen »Phönix aus der<br />
Asche« (»das wiedergeborene Kind«) ist offenkundig!<br />
Der Seelsorger fragt Frau H., ob sie bereit<br />
sei, mit Phönix noch einmal Kontakt aufzunehmen,<br />
ihn um Verzeihung zu bitten und<br />
ihn bewusst Gott anzuvertrauen. Frau H. nickt<br />
abermals. Der Vorschlag scheint sie zu erleichtern.<br />
Der Seelsorger lädt Frau H. in die Meditationskapelle<br />
ein.<br />
Vor einer Christusikone stehen zwei Meditationsschemel.<br />
Der Seelsorger entzündet eine<br />
Kerze und bittet Frau H., neben ihm zu knien.<br />
Er spricht ein kurzes Gebet, in dem er Gott<br />
für die Gabe der Versöhnung dankt, die uns in<br />
Christus geschenkt ist. Dann lädt er Frau H.<br />
ein, vor dem Angesicht des liebenden Gottes<br />
ihr Kind anzusprechen und ihm zu sagen, was<br />
sie ihm noch sagen will. Stammelnd und mit<br />
Tränen in den Augen spricht Frau H. mit Phönix,<br />
sagt etwas über die Umstände und bittet<br />
ihn um Verzeihung. Im Anschluss schlägt der<br />
Seelsorger Frau H. vor, auch Gott um Verge- <br />
ZUM THEMA<br />
Eine Krankenhausseelsorgerin erzählt:<br />
»Was geschieht mit Eltern, wenn ihnen mitgeteilt<br />
wird, dass ihr Kind schwerstbehindert sein<br />
wird oder so krank ist, dass es nicht oder nicht<br />
lange wird leben können? Die Eltern haben sich<br />
auf ihr Kind gefreut. Und nun diese Diagnose.<br />
Was sollen, was können sie tun?<br />
Familie D. erfuhr, dass ihr Kind Trisomie 13 hat,<br />
eine genetische Veränderung, die nicht heilbar<br />
und nicht behandelbar ist und zum Tod führt, mit<br />
großer Wahrscheinlichkeit schon in der Schwangerschaft.<br />
Ich lerne Frau D. kennen, als sie sich<br />
schon zum Abbruch entschieden hat. Im Gespräch<br />
wird deutlich, wie sehr sie Schuldgefühle<br />
quälen, dass sie, die Eltern, dem Leben des Kindes<br />
bewusst ein Ende setzen wollen. Frau D. hat<br />
nicht die Kraft, die Schwangerschaft zu Ende zu<br />
bringen und ständig mit der Frage zu leben, ob<br />
ihr kleines Mädchen noch lebt. Sie und ihr Mann<br />
möchten, dass ihr Baby nach der Totgeburt gesegnet<br />
und christlich beerdigt wird.<br />
Diese Mutter ist eng verbunden mit ihrem Kind,<br />
auch wenn sie diese Bindung im Moment nicht<br />
wahrhaben will und abspaltet. Und doch wird es ihr<br />
helfen, später mit dem Tod des Kindes besser leben<br />
zu können, wenn sie es jetzt ganz und gar als ihr geliebtes<br />
und ersehntes Kind an sich heranlässt.<br />
Schwangerenkonfliktberatung.<br />
Foto: wodicka<br />
Ich schaffe im Gespräch einen Raum, in dem die<br />
Mutter mit ihrem Kind sprechen kann. Sie sagt ihrer<br />
Tochter, wie sehr sie sie liebt, wie dankbar sie ist,<br />
dass sie zu ihnen gekommen ist, und wie sehr es sie<br />
quält, dass sie, die Eltern entschieden haben, dass<br />
sie nun sterben wird. Sie bittet ihre kleine Tochter<br />
um Vergebung. Und sie bittet Gott um Vergebung,<br />
dass sie keine andere Entscheidung treffen kann.<br />
In der Kirche treffe ich wenig später den Vater. Er<br />
sitzt weinend unter dem Kreuz. Auf meine Frage,<br />
ob sein Kind schon einen Namen hat, antwortet<br />
er ganz schnell und als sei er froh, dass ihn jemand<br />
danach fragt: »Ja, sie heißt Clara. Das ist<br />
der Name, der in mir von Anfang an für sie da<br />
war.« Wir zünden eine Kerze für Clara an. Zwei<br />
Tage später kommt Clara tot zur Welt. Die Eltern<br />
haben Zeit, sie zu halten, anzuschauen, sich von<br />
ihr zu verabschieden.<br />
Wir segnen sie. Es werden Bilder von Clara und<br />
den Eltern gemacht, sie bekommt ein kleines<br />
Kreuz, auf dem ihr Name, ihr Geburts- und Todestag<br />
stehen. Clara bekommt ein Kindergrab auf<br />
dem Friedhof und bei ihrer Beerdigung trägt sie<br />
der Vater auf ihrem letzten Weg. Es ist den Eltern<br />
ein großer Trost, dass sie durch die Beerdigung einen<br />
Ort haben, zu dem sie gehen können.<br />
Seit 2006 gibt es in Bayern ein neues Bestattungsgesetz,<br />
das bestimmt, dass alles (werdende)<br />
menschliche Leben bestattet werden muss. Man<br />
kann zu Schwangerschaftsabbruch unterschiedliche<br />
Meinungen haben. Aber diese Kinder können<br />
nichts für ihren frühen Tod und haben ein Recht,<br />
wie alle Menschen – auch kirchlich – bestattet zu<br />
werden.«
Pressespiegel<br />
6 Sonntagsblatt TITELTHEMA<br />
42<br />
Nr. 11 • 14. März 2010<br />
DIE POSITIONEN DER KIRCHEN<br />
Arbeit im ethischen Dilemma<br />
Die römisch-katholische Kirche hat sich<br />
1999 aus der Konfliktberatung zurückgezogen,<br />
die mit dem Ausstellen eines Beratungsscheins<br />
endet. Dem kirchlichen Lehramt<br />
erschien diese Art der Mitwirkung an<br />
diesem Vorgang, der als »verabscheuenswürdiges<br />
Verbrechen« galt und gilt, nicht<br />
mehr hinnehmbar. Nach dem Ausstieg der<br />
katholischen Bischöfe aus dem gesetzlichen<br />
Beratungssystem wurden von Laien<br />
donum vitae und andere Vereine gegründet,<br />
um das katholische Element in der Konfliktberatung<br />
zu erhalten. Das entsprang<br />
der Überzeugung, dass eine ergebnisoffene,<br />
aber zielgerichtete Beratung die beste<br />
Möglichkeit sei, um ungeborenes Leben zu<br />
schützen.<br />
Die Stellung der evangelischen Kirche<br />
zum Schwangerschaftsabbruch ist vielfältiger:<br />
Luther und Calvin lehnen den Schwangerschaftsabbruch<br />
ab. Erst zu Beginn des<br />
20. Jahrhunderts entwickelt die evangelische<br />
Sozialethik zum Teil eine nuanciertere<br />
Haltung – neben der weiterhin bestehenden<br />
radikalen Ablehnung des Schwangerschaftsabbruchs,<br />
etwa bei Dietrich Bonhoeffer<br />
oder dem Theologen Karl Barth, der<br />
von einem »heimlichen und offenen Massenmord«<br />
sprach. Viele evangelische Theologinnen<br />
und Theologen vertreten inzwischen<br />
die Meinung, ein Abbruch sei zwar<br />
eine Übertretung des biblischen Tötungsverbotes,<br />
könne aber unter Umständen als<br />
das geringere Übel in einem unlösbaren Dilemma<br />
(soziale Notlage, nach einer Vergewaltigung)<br />
ethisch vertretbar sein; der<br />
selbst verantwortete Gewissensentscheid<br />
der betroffenen Frau sei zu respektieren.<br />
Wir »sollen und dürfen die Betroffenen nicht<br />
alleine lassen. ... Eine verantwortlich getroffene<br />
Entscheidung schließt niemals aus, dass<br />
wir dabei schuldig werden« (aus der Rosenheimer<br />
Erklärung der bayerischen Landessynode<br />
zum Schutz des ungeborenen<br />
Lebens und Fragen des Schwangerschaftsabbruchs).<br />
Bischof Johannes Friedrich sagt:<br />
»Nur gemeinsam mit der Frau lässt sich<br />
das ungeborene Leben schützen.«<br />
Deswegen berät die evangelische Kirche<br />
Schwangere in Konfliktfällen, auch wenn<br />
die Beraterinnen und Berater dabei selbst<br />
in ein ethisches Dilemma geraten: Sie sollen<br />
einerseits den Schutz des ungeborenen<br />
Lebens fördern und Perspektiven aufzeigen,<br />
die auch in schwierigen Situationen eine<br />
Geburt möglich machen (z. B. Adoption, finanzielle<br />
Unterstützung von staatlicher<br />
und privater Seite) – und andererseits muss<br />
diese Beratung ergebnisoffen sein.<br />
Nach einem Schwangerschaftsabbruch bedürfen<br />
Frauen der Seelsorge .<br />
Foto: F1 online<br />
bung zu bitten. Sie tut das in einfachen<br />
Worten. Der Seelsorger betet ein Vaterunser,<br />
und Frau H. fällt leise ein. Bei der Bitte »Vergib<br />
uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben<br />
unseren Schuldigern« beginnt sie zu schluchzen.<br />
Im Anschluss legt ihr der Seelsorger die<br />
Hände auf und spricht ihr die Vergebung zu.<br />
Beide verweilen noch einen Augenblick vor<br />
der Ikone. Dann spricht der Seelsorger ein Segensgebet.<br />
Beide erheben sich. Frau H. wirkt<br />
Warum wollen Frauen abtreiben? Dazu Daten<br />
und Zahlen aus der Schwangerschaftskonfliktberatung<br />
im Evangelischen Beratungszentrum<br />
München aus dem Jahr 2007:<br />
1784 Menschen kamen zur Beratung, davon 608<br />
zur sogenannten Konfliktberatung. Etwa 47 Prozent<br />
waren ohne eigenes Einkommen, 70 Prozent<br />
der Frauen lebten in einer festen Beziehung.<br />
22 Prozent wurden vom »Erzeuger« zur Beratung<br />
begleitet. Mehr als 30 Prozent haben keine<br />
Verhütung zum Zeitpunkt der Empfängnis praktiziert;<br />
jeweils 17 Prozent sind trotz Verhütungsmitteln<br />
schwanger geworden.<br />
erschöpft und erleichtert. Der Seelsorger verabredet<br />
mit ihr, dass sie sich meldet, wenn sie<br />
nochmals sprechen möchte.<br />
Nach Wochen begegnet er ihr wieder nach<br />
einem Gottesdienst. Sie wirkt gelöst, als sie auf<br />
ihn zugeht. »Und?« fragt er. »Es geht mir viel,<br />
viel besser«, sagt sie. »Und Phönix auch…« ergänzt<br />
sie. Bei einem weiteren Gespräch unter<br />
vier Augen kurz danach ist es möglich, aktuelle<br />
berufliche und private Themen in viel größerer<br />
Freiheit anzusprechen und produktiv in<br />
Angriff zu nehmen.<br />
Der Gottesdienst in der Münchner Markuskirche<br />
ist ein erster Versuch, einen liturgischen<br />
Rahmen zu schaffen, in dem Schuld und Trauer<br />
Platz haben und Heilung und Versöhnung<br />
beginnen können. Neben Musik, Liedern,<br />
Fallgeschichten und einer biblischen Ansprache<br />
soll es eine Phase geben, wo die Gottesdienstbesucher<br />
entweder still nachdenken<br />
oder beten können, wo es aber auch mehrere<br />
Angebote gibt: das Angebot sich segnen und<br />
salben zu lassen (und dabei unter Umständen<br />
einem nicht geborenen Kind einen Namen zu<br />
geben); das Angebot eines kurzen Einzelgesprächs<br />
(wenn gewünscht mit Absolution); die<br />
Möglichkeit, Kerzen für Lebende und Tote zu<br />
entzünden oder schriftlich ein Gebet zu formulieren,<br />
das dann gegen Ende des Gottesdienstes<br />
öffentlich gebetet werden kann. Der Gottesdienst<br />
endet mit einer schlichten Agape-Feier<br />
mit Brot und Trauben, Segen und Musik.<br />
Andreas Ebert, Christian Rosendahl, Claudia Sommerauer<br />
DER GOTTESDIENST »Du hast einen Platz in meinem<br />
Herzen« wird am 29. März um 19.30 Uhr in der<br />
Münchner Markuskirche (Gabelsbergerstraße) gefeiert.<br />
Angst vor der Überlastung<br />
Angegebene Gründe für den Konflikt: psychische<br />
und physische Überlastung (mehr als 50<br />
Prozent); Schwierigkeiten in der Partnerbeziehung<br />
(37 Prozent); das Kind stört die weitere Lebensplanung<br />
(mehr als 32 Prozent); finanzielle<br />
Probleme (knapp 20 Prozent); Angst vor dem<br />
Alleinerziehen (knapp 18 Prozent); Angst vor der<br />
Verantwortung (knapp 17 Prozent); Angst vor einer<br />
Schädigung des Kindes (über 8 Prozent). Viele<br />
der ungewollt Schwangeren kommen aus der<br />
Gruppe von im Ausland sozialisierten, gering gebildeten<br />
und schlecht integrierten Frauen, die<br />
mit ihrem Partner das Thema Familienplanung<br />
nicht ansprechen würden, da es von Tabus belastet<br />
ist.<br />
Trotz vielfältiger Hilfsangebote für die meisten<br />
Frauen (abgesehen von Asylbewerberinnen, denen<br />
nur sehr eingeschränkt Hilfe zusteht!) spüren<br />
Frauen massiv die drohende oder längst<br />
existierende Überlastung und sehen in einem<br />
Schwangerschaftsabbruch den einzigen Weg,<br />
sich und ihre Familie vor dem Zusammenbruch<br />
zu schützen.<br />
Die Erfahrung bestätigt dagegen nicht das von<br />
Politik und Medien gern propagierte Bild der<br />
zahllosen Minderjährigen, die ungewollt, weil<br />
unwissend, schwanger geworden sind. Die meisten<br />
– gewollten und ungewollten – Schwangerschaften<br />
ereignen sich zwischen 20 bis 40 Jahren.<br />
Oft sind es sogar eher junge Schwangere,<br />
die verhütet haben, während oftmals Frauen<br />
über 40 gar nicht mehr verhüten, weil ihre Frauenärzte<br />
schon »Entwarnung« gegeben haben,<br />
oder über Jahre mit sehr unsicheren Methoden<br />
verhütet wurde.
Mont ag, 2<br />
7. De zemb er 2010<br />
<br />
<br />
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<br />
Stadt und Landkreis<br />
Reden wir über<br />
Münchner Merkur<br />
<br />
Pressespiegel<br />
AZ-INTERVIEW<br />
AZ 02./03.06.11<br />
43<br />
Familienkrankheit<br />
kheit<br />
Alzheimer<br />
Pfarrer Jürgen Arlt bietet Hilfe bei<br />
der Betreuung dementer Patienten<br />
Die Evangelische Telefonseelsorge München<br />
hat ihr Spektrum erweitert und widmet<br />
sich seit kurzem verstärkt dem The-<br />
ma Alzheimer, einer Krankheit, die beim<br />
zunehmenden Alter der Bevölkerung im-<br />
mer weiter verbreitet ist und auch in der<br />
Seelsorge wichtiger wird. Dafür absolvierten<br />
die rund 120 ehrenamtlichen Mit-<br />
arbeiter eine Fortbildung. Demenz gilt<br />
als „Familienkrankheit“, die alle Ange-<br />
hörigen betrifft. Unter der Nummer<br />
0800/111 0 111 können Betroffene rund<br />
um die Uhr kostenfrei und anonym anru-<br />
fen. Pfarrer Jürgen Arlt, 50, Leiter der<br />
Evangelischen Telefonseelsorge ist überzeugt,<br />
dass das Problem in den kommen-<br />
den Jahren stark zunehmen wird.<br />
ANZEIGE<br />
»Ein Licht<br />
mir aufgegangen«<br />
Lev Tolstoj<br />
oj<br />
und Deutschland<br />
Literatur München<br />
n<br />
haus<br />
Ausstellung<br />
bis zum 20.02.2011<br />
www.literaturhaus-muenchen.de<br />
Wen wollen Sie mit der Demenz-Seel-<br />
sorge ansprechen?<br />
Vor allem verzweifelte Angehörige<br />
von Demenzkranken. Sie sind meist<br />
stark fixiert auf denKranken undtrauen<br />
sich oft gar nicht, fremde Hilfe anzuneh-<br />
men oder wissen gar nichtwohin sie sich<br />
wenden sollen. Manche hätten auch ein<br />
schlechtes Gewissen, wenn sie ihre Part-<br />
ner oder Eltern in die Tagespflege geben.<br />
Dabei bräuchten sie selbst oft dringend<br />
jemanden, bei dem sie einmal fünf Minu-<br />
ten ihr Herz ausschütten können.<br />
Wie sieht der Alltag von Alzheimer-An--<br />
gehörigen aus?<br />
Die Betreuung eineses dementen Patienten<br />
ist ein 24-Stunden-Job. Man ist stän-<br />
dig in Habachtstellung. Viele Patienten<br />
wissen nicht mehr wie viel Uhr es ist.Oft<br />
schlafen sie tagsüber oder sind antriebslos,<br />
und nachts sind sie dann fit und wandern<br />
ziellos umher. Der pflegende Angehörige<br />
schläft also auch nicht mehr rich-<br />
tig und ist nach kurzer Zeit oft nahe am<br />
Burn-out. Hinzu kommt die emotionale<br />
und psychische Belastung. Zum Beispiel<br />
die Entfremdung, wenn der Kranke ei-<br />
nen nicht mehr erkennt oder nicht mehr<br />
versteht, was man sagt. Das ist, wie wenn<br />
man sich miteiner Wand unterhält. De-<br />
menz ist eine Rückwärtsentwicklung,<br />
das Wissen, dass am Ende der Betreuung<br />
der Tod steht.<br />
Wie unterstützen Sie die Hilfesuchen-<br />
den?<br />
Zuerst einfach durch Zuhören. Wir<br />
wertschätzen es, dass die Anrufer die In-<br />
itiativeive ergriffen haben. Das bedeutet,<br />
dass sie für sich selbst sorgen. Das verges-<br />
sen viele im Alltag, weil sie nur noch den<br />
kranken Partner sehen. Danach überlegen<br />
wir gemeinsam, wie man die Situati-<br />
on verbessern könnte.<br />
Ist Alzheimer ein Tabuthema?<br />
Wir leben zwar ineiner Informationsgesellschaft,<br />
in der man alles in Sekundenschnelle<br />
googeln kann, aber über die-<br />
se Krankheit ist relativ wenig bekannt.<br />
Hinzu kommt eine gewisse Scham. Als<br />
Angehöriger spricht man nicht gerne darüber,<br />
dass der Partner oder die Oma ver-<br />
wirrt ist.<br />
Interview: Christa Eder<br />
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Münchner Merkur 17.12.10
44<br />
Menschen glauben - Eine Reise zu den Religionen der Welt<br />
Eine Ausstellung mit Bildern von Wolfgang Noack vom 12. Nov. 2010 bis 25. März 2011im ebz<br />
Menschen beten zu Jesus oder Allah, sie folgen der Thora,<br />
streben nach himmlischer Harmonie oder hoffen auf das Nirwana.<br />
Alle Religionen, so der Theologe Hans Küng, antworten<br />
auf ähnliche Grundfragen der Menschen, auf das Woher und<br />
Wohin. Menschen suchen in der Religion Weltdeutung und<br />
ihren Heilsweg - überall auf der Welt: in Kirchen und Moscheen,<br />
in buddhistischen Klöstern und Synagogen, am Ufer<br />
des Ganges und im Stadtgewühl einer asiatischen Megacity.<br />
Die Bilder von Wolfgang Noack zeigen Menschen in ihrer Religion:<br />
offen, versunken, einladend, zurückgezogen. Die Fotografien<br />
entstanden in den letzten Jahren in Europa, Indien,<br />
Tibet, Marokko, Bolivien, Japan und verschiedenen Ländern<br />
Südostasiens. Die Aufnahmen sind eine Reise zu den Religionen<br />
der Welt. Sie laden ein zur Frage nach der gemeinsamen<br />
Herkunft aller Religionen und der Suche nach Gott aus unterschiedlichen<br />
Perspektiven.<br />
www.wolfgangnoack.de<br />
Die Bilder von Wolfgang Noack inspirierten uns, über Religion<br />
nachzudenken. Klient/innen der verschiedenen Religionen<br />
fanden ihre Kultur und Religionspraxis in den Bilden wider,<br />
die Bilder bei uns konnten ihnen ein Stück „Heimat“ vermitteln.<br />
Wir danken Wolfgang Noack herzlich für diese Anregungen!
Impressum<br />
Herausgegeben von<br />
Evangelisches Beratungszentrum München e. V.<br />
Landwehrstrasse 15/Rgb.<br />
80336 München<br />
Telefon: (089) 590 48 – 0<br />
Telefax: (089) 590 48 - 190<br />
mail@ebz-muenchen.de<br />
www.ebz-muenchen.de<br />
Bankverbindung<br />
Evangelische Kreditgenossenschaft e. G. Kassel<br />
Konto 340 20 29<br />
BLZ 520 604 10<br />
Vorstand<br />
Pfarrerin Gerborg Drescher<br />
Aufsichtsrat<br />
Klaus Schmucker, Kirchenrat der ELKB, Leiter der Evangelischen<br />
Dienste München (Vorsitzender)<br />
Reinhold Krämmel, Unternehmer (stellvertretender<br />
Vorsitzender)<br />
Volker Carqueville, Schulleiter i. R.<br />
Kurt Braml, Geschäftsführer i.R.<br />
Matthias Heinrich, Unternehmensberater<br />
Monika Kormann-Lassas, Soziologin<br />
Gerhard Wiens, Richter<br />
Redaktion<br />
Gerborg Drescher<br />
Brigitte Humpl<br />
Hildegard Streppel<br />
Gestaltung und Druck<br />
Uni-Druck OHG