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EVANGELISCHES BERATUNGSZENTRUM - EBZ München

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JAHRES--------------<br />

-------<br />

<strong>EVANGELISCHES</strong> <strong>BERATUNGSZENTRUM</strong><br />

BERICHT 2010<br />

Pasing<br />

Landwehrstraße<br />

Neuperlach


Jahresbericht 2002<br />

Jahresbericht 2010<br />

Evangelisches Beratungszentrum München e.V.<br />

Evangelisches Pastoralpsychologische Beratungszentrum Beratung, München e.V.<br />

Landwehrstraße Supervision und 15/Rgb. Fortbildung<br />

80336 Landwehrstr.15 MünchenRgb/II<br />

80336 München<br />

Telefon (089) 5 90 48 – 0<br />

Telefax Telefon (089) 089/590 5 904848141<br />

– 190<br />

mail@ebz-muenchen.de<br />

ppa@ebz-muenchen.de<br />

www.ebz-muenchen.de<br />

Das Spendenkonto:<br />

Evangelische ACREDOBANK Kreditgenossenschaft e.G.<br />

e.G. Kassel<br />

Kto. 340 50 340 20 29 20 (BLZ 29 (BLZ 520760 604605 10) 61)


1<br />

Jahresbericht<br />

2010 2002


3<br />

Editorial<br />

Liebe Leserinnen, liebe Leser,<br />

Im Blick auf das vergangene Jahr beschäftigt mich ein Wort<br />

des Apostels Paulus an die Menschen in Korinth. Dort heißt<br />

es: „Gott sprach: Licht soll aus der Finsternis hervorleuchten,<br />

er hat einen hellen Schein in unsere Herzen gegeben – zur<br />

Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes.“ Und weiter: „ Wir haben<br />

diesen Schatz in irdenen Gefäßen, damit die überschwängliche<br />

Kraft von Gott ist und nicht von uns.“ (Die Bibel, 2. Kor .4)<br />

Nimmt man dieses Bild beim Wort erzeugt es Stirnrunzeln.<br />

Wie kann ein Licht, das in einem irdenen Gefäß, einem Tontopf<br />

steht, sichtbar werden? Das geht doch nur, wenn das<br />

Tongefäß Risse oder Durchbrüche hat. Dabei geht es nicht<br />

um die Schönheit wohlgeformter Tongefäße, sondern es geht<br />

um das Leben. Das Bild des Paulus wendet sich dem Fragmentarischen,<br />

Gebrochenen, Sehnsüchtigen, Unvollkommenen<br />

zu. Die Risse und Brüche gehören zum Menschsein. Es geht<br />

im Leben nicht darum, vollkommen zu sein, ganz zu sein oder<br />

heil. Auch allen Wegen gegenüber, die das versprechen ist<br />

Vorsicht geboten. Um mit Adorno zu sprechen: „Das Ganze<br />

ist das Unwahre.“ Es ist eher im Gegenteil: unser Leben ist<br />

ein Fragment.<br />

Paulus weist darauf hin, dass gänzlich unabhängig von unseren<br />

Rissen und Brüchen ein Licht von Gott in uns gestellt<br />

ist. Ein Licht, das leuchtet, gerade auch in und durch unsere<br />

Unvollkommenheit, unsere Fragmentarität, durch die Brüche<br />

unserer Existenz. Dieses Licht ist in jedem Herzen verborgen.<br />

In jedem unserer Herzen, in jedem Herzen unserer Klient/innen,<br />

im Herzen eines jedem Menschen hat Gott diesen hellen<br />

Schein gelegt.<br />

Sie halten den Jahresbericht 2010 des ebz in Händen. Ca.<br />

31.000 Menschen nutzen die Angebote des ebz im vergangenen<br />

Jahr, waren mit ihren Rissen und Brüchen bei uns präsent.<br />

Eine Vielzahl von Themen hat uns im vergangenen Jahr<br />

beschäftigt. Davon zeugen die Artikel in diesem Jahresbericht.<br />

Doch was wir hier in diesem Jahresbericht zeigen ist<br />

nur die Spitze eines Eisbergs. Auch unsere Präventionsangebote<br />

und ebz-Gespräche, die manche unserer Themen in der<br />

Öffentlichkeit bekannt machen, zeigen nicht die Vielfalt und<br />

Komplexität des Beratungsgeschehens. Die Beratungsgespräche,<br />

die 60 % unserer Arbeit ausmachen und unser Kerngeschäft<br />

sind, geschehen im Verborgenen. Verschwiegenheit<br />

und Anonymität sind unser Qualitätsmerkmal. Das, was uns<br />

schon bei unserem 50-jährigen Jubiläum beschäftigt hat,<br />

zieht sich weiter durch. Die Beratungen werden komplexer,<br />

verlangen danach, dass das ebz gut vernetzt ist mit anderen<br />

Hilfeeinrichtungen in München.<br />

Und vielleicht kann dann im Beratungsgeschehen die Erfahrung<br />

wachsen, dass ein Licht in uns gestellt ist, leuchtet<br />

durch all unsere Brüche und Risse, all unsere Unvollkommenheiten,<br />

Verwundungen und Verletzungen. Die Erfahrung,<br />

dass ich anders angeschaut werde, Wertschätzung erfahre,<br />

angenommen bin. Das heißt, dass ich meine Würde nicht<br />

selbst erschaffen muss. Sie ist einfach da, weil ein Licht in<br />

mich gestellt ist. Ich bin anerkannt von vornherein, mit den<br />

Rissen und Brüchen in meinem Leben. Gott weiß, dass das<br />

Licht in einem irdenen Gefäß steht, das brüchig ist. Und genau<br />

dadurch, im Verborgenen, Fragmentarischen wird die<br />

überschwängliche Kraft Gottes deutlich.<br />

Ich wünsche Ihnen und unseren Klient/innen die<br />

Entdeckung des Lichts, das in irdenen Gefäßen leuchtet,<br />

jeden Tag neu.<br />

Ihre<br />

Gerborg Drescher<br />

Vorstand


Inhaltsverzeichnis<br />

Seite<br />

I Editorial .............................................................................................................................................................................................3<br />

1. Rückblick 2010 und Kurzstatistik .............................................................................................................................................................. 5<br />

1.1 Beratung für Eltern, Kinder, Jugendliche und Familien ...................................................................................................................... 6<br />

1.2 Ehe-, Familien-, und Lebensberatung ...................................................................................................................................................... 8<br />

1.3 Telefonseelsorge ............................................................................................................................................................................................10<br />

1.4 Pastoralpsychologische Supervision, Beratung und Fortbildung...................................................................................................12<br />

1.5 Schwangerschaftsberatung .......................................................................................................................................................................14<br />

1.6 Präventionsangebote / ebz-Gespräche ..................................................................................................................................................16<br />

1.7 Das ebz ist vernetzt mit .............................................................................................................................................................................17<br />

1.8 Das ebz ist Mitglied in ... ............................................................................................................................................................................17<br />

1.9 Das ebz wird finanziert durch ... ..............................................................................................................................................................17<br />

1.10 Der Freundeskreis des ebz ..........................................................................................................................................................................18<br />

2. Aspekte aus der Arbeit der Abteilungen ................................................................................................................................ 19<br />

2.1 Es kommen härtere Tage – Demenz, die Herausforderung userer Zeit (TS) ...............................................................................20<br />

2.2 Sorgerecht für nichtverheiratete Väter - Die neue Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom<br />

21.07.2010 und unsere Erfahrungen in der Rechtsberatung (EFL)................................................................................................22<br />

2.3 Rechtsberatung in der Staatlich anerkannten Beratungsstelle für Schwangerschaftsfragen -<br />

Ein Interview mit Renate Mitleger, Fachanwältin für Familienrecht, seit 20 Jahren für das ebz tätig (SSB).................24<br />

2.4 Innenansicht der Multitalente – die Verwaltungskolleginnen (VT) ..............................................................................................26<br />

2.5 Beratung und Kooperation nach der FGG-Reform – Erfahrungen mit dem Münchner Modell<br />

bei Trennungs- und Scheidungsfamilien (EB NP) ...............................................................................................................................28<br />

2.6 Online Beratung - Mitarbeit in der virtuellen Beratungsstelle der Bundeskonferenz<br />

für Erziehungsberatung und beim evangelischen Beratungsportal (EB) ....................................................................................29<br />

3. Ökumenischer Kirchentag in München 2010 ....................................................................................................................... 33<br />

3.1 Mancher Knoten lässt sich lösen - Die evangelische Schwangerschafts(konflikt)-beratung<br />

auf dem ÖKT 2010 (SSB).............................................................................................................................................................................34<br />

3.2 Es ist gut, dass es euch gibt - TelefonSeelsorge auf dem ÖKT (TS)...............................................................................................34<br />

3.3 Beratungsstelle auf Zeit (EFL) ...................................................................................................................................................................35<br />

3.4 Meine Schuld erdrückt und lähmt mich und ich will doch leben (EFL NP) ................................................................................37<br />

3.5 Beiträge zur Geschichte der Ökumene in Neuperlach (EB NP) ......................................................................................................38<br />

3.6 Vom Telefon zum Internet (TS).................................................................................................................................................................38<br />

4. Pressespiegel ................................................................................................................................................................................. 39<br />

Ein Platz im Herzen .....................................................................................................................................................................................40<br />

Reden wir über Familienkrankheit Alzheimer – Interview mit Pfarrer Jürgen Arlt .................................................................43<br />

5 Fragen an Ulrike Buchner – Tipps für ein besinnliches Weihnachtsfest ................................................................................43<br />

Darf ich unter der Woche allein ausgehen? – Interview mit Helmut Brandmair ...................................................................43<br />

Demenz: Hilfe übers Telefon .....................................................................................................................................................................43<br />

Pränataldiagnostik und ihre Folgen ........................................................................................................................................................43<br />

Würdeloses Betteln um Kleidung und Nahrung .................................................................................................................................43<br />

Menschen glauben - Eine Reise zu den Religionen der Welt ........................................................................................... 44<br />

Impressum .......................................................................................................................................................................................................45


Rückblick 2010<br />

und Kurzstatistik<br />

5<br />

Erziehungsberatung<br />

Ehe-, Familien-,<br />

Lebensberatung<br />

TelefonSeelsorge<br />

Pastoralpsychologie<br />

Schwangerschaftsberatung<br />

Prävention<br />

Vernetzung<br />

Freundeskreis


6<br />

1.1 Die Beratung für Eltern, Kinder, Jugendliche und Familien im Jahr 2010<br />

Beratung und Beratungsanlässe<br />

Die Fallzahlen in der Erziehungsberatung (EB) sind gegenüber<br />

2009 annähernd gleichgeblieben, hingegen ist die<br />

durchschnittliche Beratungsdauer pro Fall auf über 9 Beratungsstunden<br />

weiter angestiegen. . Dies zeigt den hohen Beratungsbedarf<br />

der einzelnen Familien.<br />

In der Regel werden von den Ratsuchenden mehrere Gründe<br />

für die Inanspruchnahme von Beratung genannt, an erster<br />

Stelle das „Soziale Umfeld“. Am häufigsten wurden hier<br />

Erziehungsverhalten / familiäre Interaktion genannt, Partnerschaft<br />

/ Trennung und Scheidung und Belastungen der<br />

Familie. An zweiter Stelle steht der Bereich „Erleben und<br />

Verhalten“ Die Schwerpunkte sind hier Sozialverhalten und<br />

Gefühle. An dritter Stelle steht „Entwicklung und Leistung“<br />

mit den Schwerpunkten Arbeits- und Leistungsfähigkeit und<br />

Entwicklungsauffälligkeiten.<br />

Gruppen- und Präventionsarbeit<br />

EB Landwehrstraße: Der Kurs für Eltern in Trennung „Kinder<br />

im Blick“ (KIB) wurden auch 2010 in Kooperation mit unserer<br />

Ehe-, Familien- und Lebensberatung erfolgreich durchgeführt.<br />

Die regelmäßig stattfindenden Informations- und<br />

Elternabende zur Schulfähigkeit und zwei moderierte Gesprächsabende<br />

für Eltern und Jugendliche oder für Konfirmandeneltern<br />

werden nach wie vor gut nachgefragt. Die<br />

Sprechstunde in der evangelischen Familienbildungsstätte<br />

war immer ausgelastet. Bereits im 4. Jahr arbeitete die EB<br />

kontinuierlich bei der Virtuellen Beratung der Bundeskonferenz<br />

für Erziehungsberatung mit. Direkt über die Internetseite<br />

des ebz /EB ist das bundesdeutsche evangelische Beratungsportal<br />

zu erreichen. (siehe 2.3 ).<br />

Außenstelle Neuperlach: Der Regsam-Fachtag zum Thema<br />

„Gewaltfreie Konfliktlösung in pädagogischen Einrichtungen“<br />

wurde von einer Mitarbeiterin der EB mit ausgerichtet,<br />

da Ramersdorf münchenweit zum statistischen Spitzenreiter<br />

bei der Zahl sozial benachteiligter Kinder wurde. Um dem besonderen<br />

Hilfebedarf von Kindern psychisch kranker Eltern<br />

zu begegnen, wurde ein Konzept für eine Sozialtherapeutische<br />

Gruppe für Kinder psychisch kranker Eltern entwickelt.<br />

Zusammenarbeit mit Kindertagesstätten und Schulen<br />

Landwehrstraße: Der Info-Abend zur Schulfähigkeit sowie<br />

die fallbezogene Zusammenarbeit mit den Kindergärten der<br />

Sozialregion Stadtmitte waren Schwerpunkte der Zusammenarbeit.<br />

In der Förderschule Herrn-/Kirchenstraße fanden<br />

monatliche Sprechstunden für Jugendliche statt. Auch 2010<br />

führten wir die Zusammenarbeit mit den Schulpsychologen/<br />

innen der Sozialregion weiter und nahmen an dem vom Sozialbürgerhaus<br />

veranstalteten Treffen „Schule–Bezirkssozial-<br />

arbeit–Erziehungsberatung“ teil. Im krippenpsychologischen<br />

Fachdienst waren in 11 Kinderkrippen und 2 Kooperationseinrichtungen<br />

fünf Psychologinnen tätig.<br />

Neuperlach: Für den krippenpsychologischen Fachdienst in<br />

7 Kinderkrippen sind hier die 3 Diplom-Psychologinnen der<br />

Außenstelle zuständig. In der Städtischen Kindertagesstätte<br />

Brittingweg wurde mit Unterstützung des Schulreferates<br />

erstmals eine Elternbildungsmaßnahme durchgeführt, die<br />

speziell für die Anforderungen dieser Einrichtung konzipiert<br />

wurde. Die Ergebnisse dieser Pilotphase waren überraschend<br />

gut, so dass diese Elternbildungsmaßnahme im kommenden<br />

Jahr weiterentwickelt wird. Bedeutsam bei diesem Projekt ist<br />

die Schnittstelle zwischen der städtischen Kindertagesstätte<br />

als Einrichtung des Schulreferates und der Erziehungsberatungsstelle.<br />

Die präventiven Elternbildungsmaßnahmen vor<br />

Ort, in der Kindertagesstätte, als eine Form der zugehenden<br />

Beratung erleichtern den Zugang der Familien zur Erziehungsberatung<br />

und ggf. zu frühen Hilfeangeboten (Jugendamt/Sozialreferat).<br />

Erziehungsberatung für Gehörlose / Hörgeschädigte: Nach<br />

zweimaliger erfolgloser Suche konnte diese zielgruppenspezifische<br />

EB zum 1. Februar 2011 starten.<br />

Beratung und Logistik für die Beratung beim Ökumenischen<br />

Kirchentag (ÖKT) in München<br />

Während des ÖKT gab es im Messezentrum Riem die Psychologische<br />

Beratung, die an zwei Standorten, im „Geistlichen<br />

Zentrum“ und auf der Agora, vertreten war. Träger war der<br />

Ökumenische Kirchentag. Für Planung, Einrichtung, Betreuung<br />

während des ÖKT und Abbau der „Beratungsstelle auf<br />

Zeit“ im Geistlichen Zentrum, war eine kleine ökumenische<br />

Münchner Logistikgruppe zuständig unter der Federführung<br />

von Frau Dr. Alt-Saynisch (siehe 3.3).<br />

Dank<br />

Ich danke den Zuschussgebern der Landeshauptstadt München,<br />

der Regierung von Oberbayern und dem bayerischen<br />

Sozialministerium, der evang.-luth. Landeskirche und dem<br />

Diakonischen Werk Bayern sowie dem Landkreis München für<br />

die finanzielle Förderung und die ideelle Unterstützung auch<br />

im Jahr 2010. Den Mitarbeitenden der Erziehungsberatung<br />

danke ich für ihr Engagement und ihre Fachkompetenz in<br />

Beratung, Prävention, Vernetzung und Multiplikatorenarbeit.<br />

Dr. Barbara Alt-Saynisch<br />

Leitung der Beratung für Eltern, Kinder, Jugendliche und Familien


7<br />

Statistik<br />

Gesamtzahl: 1336 Personen aus 527 Familien<br />

Davon: Zahl der Kinder: 292 männlich 235 weiblich<br />

Zahl der Kinder und ihre Geschwister: 908<br />

Inhouse-Fortbildungen: Gesamtteam, Fall- und Organisationsteam,<br />

Teamsupervisionen, Konzepttage, Team-Fortbildungen,<br />

Anleitung von Praktikanten/innen. Darüber hinaus<br />

qualifizieren sich die Berater/innen freiwillig in externen<br />

Fortbildungen weiter.<br />

Aus: Stadt München 87.7 %<br />

Landkreis München 8.9 %<br />

Sonstige 3.4 %<br />

Beratungsanliegen (Mehrfachnennungen möglich, Angaben<br />

bei Beratungsaufnahme):<br />

Probleme im Körperbereich: 22.6 %<br />

(Psychosomatische Probleme, psychotrope Substanzen)<br />

Entwicklung und Leistung: 71.0 %<br />

(Entwicklungsauffälligkeiten, Arbeits- und Leistungsfähigkeit)<br />

Erleben und Verhalten: 119.4 %<br />

(Gefühle, Sozialverhalten, Sexualität, Körperbezogenes<br />

Verhalten, Posttraumatische Belastungen)<br />

Soziales Umfeld: 287.9 %<br />

(Erziehungsverhalten, familiäre Interaktion, Partnerschaft,<br />

Trennung, Scheidung, Missbrauch und Gewalt, Belastungen<br />

der Familie, außerfamiliäre Belastungen)<br />

Allgemeine Fragestellungen 48.2 %<br />

Das Team in der Landwehrstraße<br />

Durchschnittliche Beratungsstunden pro Fall: 9.1<br />

Beratungsform (in % der Fälle, Mehrfachnennungen möglich)<br />

Einzelberatung:<br />

junger Mensch allein: 17 %<br />

Elternberatung: 65 %<br />

Familienberatung : 39 %<br />

Kinder-Gruppen: 4 %<br />

Eltern-Gruppen: 5 %<br />

Telefonberatung: 30 %<br />

Online-Beratung: 265 Stunden/Jahr<br />

Sonstige Beratungsaktivitäten (Hilfeplan-, Helferkonferenzen,<br />

Fachkontakte, Hausbesuche): in 33 % der Fälle<br />

Präventionsarbeit (nur Vorträge, Seminare, Gruppenarbeit)<br />

Anzahl durchgeführte Maßnahmen: 16<br />

Anzahl Teilnehmer/innen: 292<br />

Öffentlichkeitsarbeit: insgesamt 3 Aktionen / Veranstaltungen<br />

/ Presseveröffentlichungen / Fachbeiträge<br />

Eigene Projekte: 6<br />

Mitwirkung bei Projekten anderer, z. B. Virtuelle Beratung,<br />

Ökumenischer Kirchentag: 4<br />

Das Team in Neuperlach<br />

Beratung für Eltern, Kinder, Jugendliche und Familien<br />

Landwehrstraße 15 Rgb. 3. Stock, 80336 München<br />

Leitung: Dipl.-Psych. Dr. Barbara Alt-Saynisch<br />

Tel.: (089) 590 48 - 130<br />

Fax: (089) 590 48 – 193<br />

eb@ebz-muenchen.de<br />

www.ebz-muenchen.de<br />

Außenstelle:<br />

Ökumenische Erziehungsberatungsstelle<br />

Lüdersstraße 10, 81737 München<br />

Tel.: (089) 678 202 - 24<br />

Fax: (089) 678 202 – 15<br />

eb-neuperlach@ebz-aussenstellen.de<br />

www.ebz-muenchen.de


8<br />

1.2 Die Ehe-, Familien- und Lebensberatung im Jahr 2010<br />

Beratung, Prävention und Vernetzung<br />

In der Beratungsarbeit – der Kernaufgabe der Stelle – machten<br />

partnerbezogene Anlässe mit 47% den Großteil der Beratungen<br />

aus. Personenbezogene Anlässe folgten mit knapp<br />

29% und familienbezogene mit 22%. Die Schwerpunkte der<br />

Beratungsanliegen betrafen das Soziale Umfeld mit dem<br />

Bereich Partnerschaft, Trennung, Scheidung an der Spitze,<br />

gefolgt von allgemeinen sozialen Faktoren. Eher personenbezogene<br />

Anliegen aus dem Bereich „Erleben und Verhalten“<br />

waren der zweite Schwerpunkt. Gegenüber dem Vorjahr<br />

konnten wir unsere Beratungszahlen leicht erhöhen. In der<br />

Rechtsberatung nahm - auch in Folge der Entscheidung des<br />

Bundesverfassungsgerichts zum Sorgerecht für nicht eheliche<br />

Väter – die Nachfrage nach Beratung von nicht ehelichen<br />

Partnerschaften weiter zu. (vgl. 2.2) Der sehr hilfreiche und<br />

unterstützende Kurs „Kinder im Blick“ (KiB) - ein Elternkurs<br />

für Paare, die sich trennen, aber als Eltern für ihre Kinder<br />

weiter gute Eltern sein wollen, wurde in Kooperation mit der<br />

Erziehungsberatung zwei mal im Jahr 2010 durchgeführt.<br />

Über das Training der Elternkompetenzen hinaus haben die<br />

Kurse die positive Folge, dass sich mehrere Teilnehmer/innen<br />

nach Abschluss des Trainings weiterhin gegenseitig unterstützen<br />

und ein intensives Selbsthilfe-Netzwerk entwickeln.<br />

Unsere Informationsabende zu Trennung / Scheidung, zu typischen<br />

Konflikten zwischen Eltern und Jugendlichen und zu<br />

„Kinder im Blick" führten wir im Rahmen der jeweils mittwochs<br />

stattfindenden „ebz-Gespräche“ durch, ergänzt durch<br />

die Themen „Lebenskunst“ und „Selbstliebe“. Schwerpunkte<br />

der Multiplikatorenarbeit waren ein Referat vor kirchlichen<br />

Mitarbeitenden zu „Ethik bei Trennung und Scheidung“ und<br />

die Fortbildung zu Trennung / Scheidung und Sorge- bzw.<br />

Umgangsrecht für Fachkräfte der Erziehungshilfen der Inneren<br />

Mission München, sowie für die Teams der hiesigen EFL<br />

und EB.<br />

Modellprojekt Ehe- und Familienberatung für Gehörlose /<br />

Hörgeschädigte<br />

Das Modellprojekt der Ehe- und Familienberatung startete<br />

zum 1. Februar 2011 mit den beiden Fachkräften Frau Dipl.<br />

Psychologin Rosmarie Hasenhütl und Frau Dipl. Sozialpädagogin<br />

Anna Brönner.<br />

Außenstelle Pasing-Obermenzing<br />

Im Juli feierte die Außenstelle ihr dreißigjähriges Jubiläum<br />

mit einem Tag der Offenen Tür und einer Feierstunde unter<br />

dem Motto „Wege gehen und Räume eröffnen“. Fotos<br />

und Erinnerungen an die fast 30 Jahre im Haus des Diakonievereins<br />

in der Fritz-Reuter-Straße 6 zeigten den Weg zur<br />

heutigen Beratungsstelle im Caritaszentrum München-West.<br />

Das Grußwort des „Mitgründers“ aus der Himmelfahrtskirche<br />

Pasing, Pfarrer i.R. Helmut Breit, gab wieder, was damals Auftrag<br />

der Stelle war und heute noch ist: „Menschen in ihrem<br />

Schmerz zu begleiten ..., Menschen an den Lebensübergängen<br />

nicht allein zu lassen und Menschen in den Krisen ihres<br />

Lebens zu beraten“.<br />

Außenstelle Neuperlach: Ökumenischen Ehe- und Lebensberatung<br />

Die Arbeit war im ersten halben Jahr durch die Unsicherheit<br />

geprägt, ob die katholische Eheberatung als ökumenischer<br />

Partner ausziehen würde. Die Entscheidung zu bleiben ist<br />

mit den Bestrebungen verbunden im Kirchlichen Sozialzentrum<br />

(KSZ) die Raum- und Beratungssituation für die Eheberatung<br />

zu verbessern. Hier konnten in Abstimmung mit<br />

allen Einrichtungen im KSZ zufriedenstellende Planungen in<br />

die Wege geleitet werden. Erste Maßnahmen betreffen den<br />

Schallschutz und die Wartemöglichkeiten für Ratsuchende<br />

der Ehe- und Lebensberatung.<br />

Beratung und Logistik für die Beratung beim Ökumenischen<br />

Kirchentag (ÖKT) in München<br />

In einer ökumenisch zusammengesetzten Logistikgruppe unter<br />

der Federführung von Dr. Barbara Alt-Saynisch wurde in<br />

Zusammenarbeit mit der Projektkommission und Programmverantwortlichen<br />

des ÖKT der Beratungsstandort im Zentrum<br />

für Psychologische Beratung, Seelsorge und Geistliche<br />

Begleitung (Messezentrum Riem) für ca. 60 Berater/innen<br />

geplant, eingerichtet, während des ÖKT betreut und wieder<br />

abgebaut. Zusätzlich war die Gruppe für die Verpflegung<br />

der Berater/innen im Zentrum und auf dem 2. Standort, der<br />

Agora (40 Mitarbeiter/innen) zuständig. Als Berater/innen<br />

während des ÖKT wurden von der Projektkommission auch 3<br />

Mitarbeiter/innen der EFL des ebz berufen. Während des ÖKT<br />

spielte das Thema Sexuelle Gewalt bzw. sexualisierte Gewalt<br />

in der Beratung eine erhebliche Rolle (vgl. 3.3).<br />

Dank<br />

Für die finanzielle Förderung und die ideelle Unterstützung<br />

der Ehe-, Familien- und Lebensberatung auch im Jahr 2010,<br />

danke ich den Zuschussgebern bei der evang.-luth. Landeskirche<br />

und dem Diakonischen Werk Bayern, der Landeshauptstadt<br />

München, dem bayerischen Sozialministerium sowie<br />

dem Landkreis München. Den Mitarbeitenden der Ehe-, Familien-<br />

und Lebensberatung danke ich für ihr Engagement<br />

und ihre Fachkompetenz in Beratung, Prävention, Vernetzung<br />

und Multiplikatorenarbeit.<br />

Dr. Barbara Alt-Saynisch<br />

Leitung der Ehe-, Familien- und Lebensberatung


9<br />

Statistik<br />

Gesamtzahl der beratenen Personen: 1001<br />

Davon: männlich: 437 weiblich: 564<br />

Erwachsene: 989 Kinder: 12<br />

Beratungsfälle gesamt: 664<br />

Davon:<br />

Stadt München 460<br />

Landkreis München 61<br />

Sonstige 143<br />

Beratungsanliegen<br />

(Mehrfachnennungen möglich, Angaben bei<br />

Beratungsaufnahme):<br />

Probleme im Körperbereich 16,8 %<br />

Entwicklung und Leistung 6,7 %<br />

Erleben und Verhalten 67,5 %<br />

Soziales Umfeld 117,7 %<br />

Allgemeine soziale Faktoren 21,5 %<br />

Partnerschaft, Trennung, Scheidung 67,8 %<br />

Missbrauchs- und Gewalterfahrung 7,7 %<br />

Belastung durch Herkunftsfamilie 14,5 %<br />

Erfahrungen in der Gesellschaft 6,3 %<br />

Sinnfragen 4,7 %<br />

Allgemeine Fragestellungen 20,9 %<br />

Das Team in der Landwehrstraße<br />

Das Team in Neuperlach<br />

Durchschnittliche Beratungseinheiten pro Fall: 7,2<br />

Beratungsinhalte:<br />

Personenbezogene Anlässe 28,8 %<br />

Partnerbezogene Anlässe 47,1 %<br />

Familienbezogene Anlässe 22,0 %<br />

Gesellschaftsbezogene Anlässe 2,1 %<br />

Präventionsarbeit (Vorträge, Seminare):<br />

Anzahl durchgeführte Maßnahmen: 20<br />

Anzahl Teilnehmer/innen: 243<br />

Öffentlichkeitsarbeit: 10 Aktionen / Veranstaltungen /<br />

Maßnahmen / Presseveröffentlichungen / Fachbeiträge<br />

3 eigene Projekte, Mitwirkung bei 3 Projekten anderer<br />

Inhouse-Fortbildungen: Gesamtteam, Fall- und<br />

Organisationsteam, Team-Supervisionen, Konzepttage,<br />

Team-Fortbildungen, Anleitung von Praktikant/innen.<br />

Darüber hinaus qualifizieren sich die Berater/innen freiwillig<br />

in externen Fortbildungen weiter.<br />

Das Team in Pasing<br />

Ehe-, Familien- und Lebensberatung<br />

Landwehrstraße 15/Rgb. 3 Stock, 80336 München<br />

Leitung: Dr. Barbara Alt-Saynisch, Dipl.-Psych.<br />

Tel.: (089) 590 48 – 120 Fax: (089) 590 48 – 190<br />

efl@ebz-muenchen.de www.ebz-muenchen.de<br />

Außenstellen:<br />

Ökumenische Ehe-, Partnerschaft- und Lebensberatung<br />

Lüdersstraße 10, 81737 München<br />

Tel.: (089) 678 202 – 24 Fax: (089) 678 202 – 15<br />

efl-neuperlach@ebz-aussenstellen.de<br />

www.ebz-muenchen.de<br />

Ehe-, Familien- und Lebensberatung<br />

Pippinger Straße 97, 81247 München<br />

Tel.: (089) 834 88 66 Fax: (089) 820 88 885<br />

efl-pasing@ebz-aussenstellen.de<br />

www.ebz-muenchen.de


10<br />

1.3 Das Jahr 2010 in der Evangelischen TelefonSeelsorge München (TS)<br />

Die Arbeit der TS geschieht im Verborgenen. Anrufende und<br />

Mitarbeitende bleiben anonym. Dies ermöglicht erst das vertrauliche<br />

Gespräch einer niederschwelligen Beratung bei Alltagssorgen<br />

und aktuellen Krisen. Der Schutz der Anonymität<br />

ist ein Qualitätsmerkmal der TS. Die folgende Aufstellung<br />

der Aktivitäten zeigt, wie vernetzt die Arbeit der TS ist. Diese<br />

Vernetzung hat für die TS doppelte Bedeutung: die Wirkung<br />

nach außen und die Zugehörigkeit zu einer stark ausdifferenzierten<br />

Beratungslandschaft. Die TS arbeitet sowohl im ebz<br />

als auch regional und überregional in größeren Kontexten.<br />

Januar<br />

Der Arbeitskreis Öffentlichkeit präsentiert die Arbeit der TS<br />

mit einem eigenen Stand auf der „Freiwilligen Messe“ im<br />

Gasteig und ist Ansprechpartner für Fragen zur Ausbildung<br />

als ehrenamtlicher Mitarbeiter/in.<br />

- An dem Polizei-Kurs „Training zur Gewaltprävention und<br />

Selbstsicherheit“ nehmen mehr als 2/3 aller Ehrenamtlichen<br />

teil.<br />

- Das Projekt „Gespräche auf der Grundlage von Traumawissen“<br />

wird abgeschlossen mit dem Vortrag über die Heilige<br />

Kümmernis und mit einer Exkursion zur alten Pfarrkirche St.<br />

Wilgefortis in Neufahrn. Diese Veranstaltungen fanden als<br />

Vorbereitung „Auf dem Weg zum Ökumenischen Kirchentag“<br />

zusammen mit der Katholischen TS statt.<br />

Februar<br />

- Langjährige Mitarbeiter/innen wurden für ihr ehrenamtliches<br />

Engagement ausgezeichnet, fünf von ihnen mit der Urkunde<br />

„München dankt“.<br />

März<br />

- regelmäßiger Austausch mit unseren Kooperationspartnern<br />

der örtlichen Krisendienste (Katholische TelefonSeelsorge,<br />

Münchener Insel, Arche, Atriumhaus, Frauennotruf, Krisen-<br />

Interventions-Team, Suchtnotruf, Frauennotruf, Notfallseelsorge)<br />

April<br />

- Die jährliche Stellenleitertagung zum Thema „Ein Netz, das<br />

uns verbindet“ vernetzt uns mit den anderen Stellen der TelefonSeelsorge<br />

auf Bundesebene.<br />

Mai<br />

- ETS und KTS vertreten gemeinsam mit anderen bayerischen<br />

TS-Stellen die TS beim 2. Ökumenischen Kirchentag in München<br />

mit einem Stand auf der Agora.<br />

- Start der TS mit der Seelsorge im Chat mit zehn speziell<br />

ausgebildeten Mitarbeitende. Damit ist die ETS München<br />

auch im Internet präsent: www.telefonseelsorge.de.<br />

Juli<br />

- 12 Ehrenamtliche reisen als Delegierte zum International<br />

Federation of Telephon Emergency Services (IFOTES) -Kongress<br />

nach Wien. Thema des internationalen TelefonSeelsorge-Kongresses<br />

ist „Listening for peace – Eine Alternative zu<br />

Gewalt entdecken” Dieser Kongress bietet eine Plattform für<br />

den kollegialen Austausch auf internationaler Ebene.<br />

September<br />

- Die Überarbeitung der Website der TS: www.telefonseelsorge.de<br />

Oktober<br />

- Der Benefiz Flohmarkt auf dem Hohenzollernplatz, unser<br />

größtes jährliches Fundraising Projekt bringt ca. 8300.- Euro<br />

an Spenden für die TS. Hier präsentiert sich die TS öffentlich,<br />

im wahrsten Sinn des Wortes auf dem Marktplatz.<br />

- Im Rahmen der „2. Münchner Woche für seelische Gesundheit“<br />

nimmt die TS mit zwei Veranstaltungen teil.<br />

- Die überregionale Ehrenamtlichen Vertretung, das Bayernforum,<br />

tagt in München.<br />

- Teilnahme von Ehrenamtlichen Mitarbeitern in der Chat-<br />

Seelsorge an der Fachtagung „TS im Internet“ in Berlin.<br />

November<br />

- Im Rahmen der Reihe „Die TS geht ins Museum“ findet eine<br />

Führung für Mitarbeitende durchs Museum Brandhorst statt.<br />

- Das „Bündnis gegen Depression“ stellt im Rahmen eines<br />

Jour fixe seine Arbeit vor und informiert über die Erkrankung<br />

und mögliche Therapieansätze als Hintergrundinformation<br />

für die Arbeit am Telefon.<br />

Dezember<br />

- Herbsttagung vom 3. - 5. 12. 2010 auf dem Petersberg zum<br />

Thema: „Demenz. Die Krankheit verstehen. Den Verlust betrauern.<br />

Hoffnung zulassen.“ Die ETS hat Kontakte zur Deutschen<br />

Alzheimer Gesellschaft geknüpft, ihr Spektrum um das<br />

Thema Alzheimer erweitert und ist nun auch kompetenter<br />

Ansprechpartner für Betroffene und Angehörige. (vgl. auch<br />

Pressebericht unter 4.)<br />

Jürgen Arlt<br />

Leitung der TelefonSeelsorge


11<br />

Statistik<br />

Gesamtzahl der Gespräche: 24.003<br />

Davon: männlich: 27,4 % weiblich: 72,6 %<br />

Erwachsene: 92,0 % Kinder und Jugendliche: 8 %<br />

Beratungsanliegen: (Mehrfachnennung möglich)<br />

Sinn und Orientierung 11,3 %<br />

Einsamkeit 15,1 %<br />

Krankheit, physisch 13,7 %<br />

Krankheit, psychisch 32,2 %<br />

Sucht 3,8 %<br />

Suizid 1,8 %<br />

Sterben und Trauer 4,6 %<br />

Gewalt 2,6 %<br />

Sexualität 8,5 %<br />

Schwangerschaft 0,5 %<br />

(Ehe-) Partner 18,3 %<br />

Familie und Verwandtschaft 20,5 %<br />

Freunde, Nachbarn und Kollegen 9,5 %<br />

Arbeit, Schule und Ausbildung 10,4 %<br />

Wohnen und Freizeit 4,8 %<br />

Geld und wirtschaftliche Fragen 7,2 %<br />

Gesellschaft und Politik 3,7 %<br />

Sonstiges 8,1 %<br />

Wiederholte Anrufe: 27,8 %<br />

Regelmäßige Anrufe: 10,8 %<br />

Das Team<br />

Lebenssituation:<br />

Alleinlebend: 38,0 %<br />

In Partnerschaft: 7,5 %<br />

In Familie: 7,7 %<br />

Alleinerziehend: 2,1 %<br />

In Gemeinschaft: 2,1 %<br />

Unbekannt: 42,5 %<br />

Inhouse-Fortbildungen: Gesamtteam, TelefonSeelsorge-<br />

Gruppen , Gruppensupervisionen, Fortbildungstage, Intervision,<br />

Unterstützung der Ehrenamtlichen durch die Hauptberuflichen.<br />

Darüber hinaus qualifizieren sich die Beraterinnen freiwillig<br />

in externen Fortbildungen weiter.<br />

Eine Gruppe ehrenamtlicher Mitarbeiter/innen<br />

Evangelische TelefonSeelsorge<br />

Landwehrstr. 15 / Rgb. 2. Stock, 80336 München,<br />

Leitung: Jürgen Arlt, Pfarrer<br />

Tel.: (089) 590 48-110, Fax: (089) 590 48-190<br />

Telefonische Beratung 24h: 0800 111 0 111<br />

ts@ebz-muenchen.de<br />

www.ev-telefonseelsorge-muenchen.de<br />

www.ebz-muenchen.de


12<br />

1.4 Das Jahr 2010 in der Pastoralpsychologie (PPA)<br />

Im Jahr 2010 nahmen 389 kirchliche Mitarbeiter/innen aus<br />

dem Kirchenkreis München und Oberbayern die Angebote<br />

der Pastoralpsychologie wahr. Dabei zeigt es sich, dass insgesamt<br />

mehr als 60 % von ihnen aus dem Dekanat München<br />

selbst kommen. Alle kirchlichen Berufsgruppen nutzten<br />

die Angebote der Pastoralpsychologie. Pfarrer/innen sind die<br />

größte Gruppe, aber auch Ehrenamtliche nutzten Supervision<br />

und ließen sich fortbilden. 45% aller Teilnehmenden<br />

unterrichten Religion, neben kirchlichen Mitarbeitenden finden<br />

sich auch staatliche Religionslehrkräfte unter ihnen. 10<br />

Gruppen/Teams wurden supervisorisch begleitet, 15 Fortbildungsveranstaltungen<br />

fanden statt. Die Statistik zeigt aber<br />

deutlich, dass Einzel-, Gruppen- und Teamsupervisionen das<br />

Kerngeschäft der PPA bilden.<br />

Mitarbeitenden weiter, so dass alle im Kirchenkreis München<br />

und Oberbayern Tätige davon erfahren können. Die PPA zeigt<br />

sich als ein stabiler Ort für kirchliche Mitarbeitende für persönliche<br />

Beratung, berufliche Reflektion und Weiterentwicklung.<br />

135 Personen suchten 2010 hier Beratung und Supervision,<br />

die PPA ist damit ein wichtiger Anbieter im Kirchenkreis.<br />

Die professionelle Erfahrung sowie die absolute Verschwiegenheit<br />

bilden den Rahmen der Arbeit der PPA. Dies aufrecht<br />

zu erhalten halten wir für wichtig und notwendig.<br />

Gerborg Drescher<br />

Leitung Pastoralpsychologie<br />

Das Angebot konnte aufgrund der Doppelaufgabe von Vorstand<br />

/ Pastoralpsychologie in der Situation einer fehlenden<br />

Verwaltungsleitung nur mit großen Mühen aufrecht erhalten<br />

werden. In vielen Bereichen musste Andreas Herrmann<br />

einspringen. Seit September 2010 hat die PPA einen Praktikanten:<br />

Victor Linn, Pfarrer aus Brasilien in einer Supervisionsausbildung<br />

in Deutschland, hat in der PPA sein Praxisfeld.<br />

Der Intensivkurs Seelsorge (Kurs für seelsorgerliche Praxis<br />

und Gemeindearbeit, KSPG) erfreut sich nach wie vor großer<br />

Nachfrage. 13 Teilnehmende aus allen Berufsgruppen<br />

und Tätigkeitsfeldern stellten sich der Aufgabe, ihre seelsorgerlichen<br />

Erfahrungen zu reflektieren, neue Impulse aus der<br />

Systemischen Seelsorge zu integrieren und an und mit der<br />

Gruppe zu lernen. Daneben fanden pastoralpsychologische<br />

Einzelkurse statt. Die PPA wurde auch immer wieder als Referenten<br />

angefragt zu verschiedenen pastoralpsychologischen<br />

Themen sowie zur Prozessbegleitung bei Zielfindungs- und<br />

Veränderungsprozessen oder Konfliktlösungen. Pfarrkapitel,<br />

Arbeitskreise, Kirchenvorstände nutzten diese Ressourcen der<br />

PPA.<br />

In den Supervisionen zeigen sich deutlich die Veränderungen<br />

in den Gemeinden. Es geht um Themen wie Überforderung,<br />

beginnender Burnout, gesunde Abgrenzung aber auch<br />

Konfliktklärungen v.a. in Teams. Supervision wird von vielen<br />

inzwischen – v.a. als Teilnehmende in Gruppensupervisionen<br />

– als selbstverständliches Handwerkszeug gesehen. Es wäre<br />

wünschenswert, wenn das auch Bedeutung bei der Bezuschussung<br />

der Landeskirche finden könnte.<br />

Die Angebote der PPA wurden gut wahrgenommen. Die Dekanate<br />

geben den Flyer und die Newsletter an die kirchlichen


13<br />

Statistik<br />

Supervision und Beratung<br />

Gesamtzahl der Personen in Supervision und Beratung: 135<br />

Supervision: 74,8 %<br />

Beratung: 25,2 %<br />

Davon:<br />

männlich: 53 (39 %) weiblich: 82 (61 %)<br />

Aus:<br />

Dekanat München: 109 (81 %)<br />

Kirchenkreis München: 25 (19 %)<br />

Supervision: insgesamt 101 Personen, davon in<br />

Einzelsupervision: 34,6 %<br />

Teamsupervision: 19,8 %<br />

Gruppensupervision: 45,6 %<br />

Beratung: insgesamt 34 Personen, davon in<br />

Einzelberatung: 17,5 %<br />

Paarberatung: 17,5 %<br />

Mediation: 59,0 %<br />

Telefonberatung: 6,0 %<br />

Geistliche Begleitung: 0.0 %<br />

Supervisions- und Beratungsanliegen:<br />

(Mehrfachnennungen)<br />

Konflikte 72,6 %<br />

Berufliche Neuorientierung 20,7 %<br />

Umgang mit Belastungen, Burn-out 41,5 %<br />

Rollenklärung 53,3 %<br />

Verbesserung berufliche Kommunikation 44,4 %<br />

Verstehen von beruflich relevanten<br />

systemischen Bedingungen 53,3 %<br />

Persönliche Muster erkennen und verändern 68,9 %<br />

Fortbildung<br />

Insgesamt 254 Teilnehmer/innen<br />

Teilnehmertage insgesamt: 495<br />

Anzahl durchgeführte Fortbildungen: 15<br />

Inhouse-Fortbildungen: Gesamtteam, Fallteam, Team-<br />

Supervisionen, Konzepttage.<br />

Darüber hinaus qualifizieren sich die Berater/innen freiwillig<br />

in externen Fortbildungen weiter.<br />

Das Team<br />

Pastoralpsychologische Supervision, Beratung und<br />

Fortbildung<br />

Landwehrstr. 15/ Rgb. 2. Stock, 80336 München<br />

Leitung: Gerborg Drescher, Pfarrerin<br />

Tel.: (089) 590 48-141<br />

Fax: (089) 590 48-190<br />

ppa@ebz-muenchen.de<br />

www.ebz-muenchen.de


14<br />

1.5 Die Schwangerschaftsberatung im Jahr 2010<br />

Beratung vor, während und nach pränataler Diagnostik<br />

2010 konnten wir das Angebot der Beratung rund um Pränataldiagnostik<br />

weiter ausbauen. Unsere Erwartung, dass<br />

sich die Nachfrage nach Beratung rund um Pränataldiagnostik<br />

mit dem neuen Gendiagnostikgesetz und dem erweiterten<br />

Schwangerschaftskonfliktgesetz erhöhen würde, wurde allerdings<br />

enttäuscht. Einen Hauptgrund hierfür sehen wir in der<br />

weiterhin sehr verbreiteten, generellen Skepsis gegenüber<br />

psychosozialer Beratung und den Konkurrenzbefürchtungen<br />

der Ärzte. Wir werden im Jahr 2011 unsere Informations- und<br />

Kooperationsbemühungen nochmals intensivieren.<br />

Schwangerschaftskonfliktberatung<br />

Vergleicht man unsere statistischen Zahlen aus den letzten<br />

10 Jahren, so fällt auf, dass sich in allen betrachteten Kategorien<br />

(Gründe, Alter, Familienstand etc.) nicht wesentlich<br />

viel geändert hat, mit einer Ausnahme: Die Zahl der Beratungen<br />

im Schwangerschaftskonflikt ist um mehr als die Hälfte<br />

gesunken. Gründe dafür sind der allgemeinen Rückgang der<br />

Frauen im gebärfähigen Alter und der Erfolg jahrelanger Präventionsarbeit.<br />

Eine verbindliche Beratung zu gesetzlichen Regelungen und<br />

erwartbaren finanziellen Leistungen wurde 2010 durch die politischen<br />

Debatten und Gesetzesänderungen, besonders zum<br />

Thema „Regelsätze beim Arbeitslosengeld II“außerordentlich<br />

erschwert. Aber auch die angekündigte Gesetzesänderung<br />

im Bereich des Sorgerechts von nichtehelichen Kinder verunsicherte<br />

hochgradig. Die Aussicht eines automatischen<br />

gemeinsamen Sorgerechtes, zusammen mit dem Kindesvater,<br />

ermutigt Frauen nicht zur Fortführung der Schwangerschaft,<br />

die z. B. nach einer kurzen Affäre ungeplant schwanger geworden<br />

sind oder deren Partner zu einer Abtreibung drängen.<br />

Allgemeine Schwangerschaftsberatung und Beratung nach<br />

der Geburt des Kindes<br />

Auch 2010 nahm die Beratung und Begleitung von Frauen<br />

und Paaren in finanziellen, rechtlichen und sonstigen existenziellen<br />

Fragen einen breiten Raum ein. Die gesetzlichen<br />

Veränderungen, insbesondere im Bereich Arbeitslosengeld II,<br />

führte bei vielen Klientinnen zu Unsicherheiten. Verbesserung<br />

in der interkulturellen Öffnung unser Beratungsstelle<br />

gelang uns 2010 mit Hilfe der großzügigen Unterstützung<br />

des Gesundheitsreferates der Landeshauptstadt München,<br />

die uns den Einsatz eines professionellen Dolmetscherdienstes<br />

ermöglichte. Viele wichtige Informationen und Themen<br />

konnten angesichts der bestehenden Kommunikationsprobleme<br />

bei einem Anteil von mehr als 40% Migrantinnen aus<br />

Nicht- EU- Ländern mit keinen Deutschkenntnissen nicht<br />

vermittelt oder thematisiert werden. Das Hinzuziehen von<br />

professionellen Dolmetschern erhöht das inhaltliche Spektrum<br />

und die Intensität von vielen Beratungen erheblich.<br />

Prävention und Öffentlichkeitsarbeit<br />

Mit mehr als 1200 Teilnehmer/innen in 56 Veranstaltungen<br />

waren die sexualpädagogischen Workshops in Schulen und<br />

andere Angebote, wie das Seminar „Frauenfragen/Frauenwissen“<br />

in Integrationsklassen, sowie Informationsveranstaltungen<br />

zu den unterschiedlichsten Themen auch 2010 wieder<br />

sehr gut nachgefragt. Ein besonderes Highlight war die<br />

Mitorganisation und Betreuung eines Standes der Evangelischen<br />

Schwangerschaftsberatung des Diakonischen Werkes<br />

Deutschland auf dem 2. Ökumenischen Kirchentag im Mai<br />

2010 mit mehr als 1500 Besucher/innen am Stand (vgl. 3.1).<br />

Ein weiteres außergewöhnliches Ereignis war zuvor die Mitgestaltung<br />

eines Gottesdienstes „Du hast einen Platz in meinem<br />

Herzen“ für Menschen nach einem Schwangerschaftsabbruch.<br />

Dieser Gottesdienst fand erstmalig in München<br />

statt und hatte eine gute Resonanz. Wir würden uns freuen,<br />

wenn dieses Angebot auch zukünftig, regelmäßig vom Dekanat<br />

München angeboten werden würde (vgl. Pressespiegel)<br />

Dank<br />

Den Mitarbeitenden in der Schwangerschaftsberatung danke<br />

ich für Ihren Einsatz und ihre hohe Fachlichkeit. Bei dem<br />

Familienministerium, der Regierung von Oberbayern, der<br />

Landeshauptstadt München und dem Diakonischen Werk<br />

Bayern bedanke ich mich für die finanzielle Förderung und<br />

ideelle Unterstützung der Arbeit. Besonderen Dank gilt dem<br />

Referat für Gesundheit und Umwelt für die Unterstützung<br />

des Dolmetscherservices und dem Sozialreferat der Landeshauptstadt<br />

München für die Ermöglichung der Teilnahme<br />

am interkulturellen Qualitätssicherungsprojekt, das wir 2010<br />

erfolgreich mit einem Zertifikat abschließen konnten. Die<br />

großzügigen Hilfen und Spenden des Diakonischen Werkes,<br />

der Landesstiftung „Hilfe für Mutter und Kind“ und SZ-Adventskalenders<br />

ermöglichten uns wieder zahlreiche Familien<br />

in Not unbürokratisch und schnell zu helfen. Auch dafür ein<br />

herzliches Dankeschön.<br />

Sabine Simon<br />

Leitung der Schwangerschaftsberatung


15<br />

Statistik<br />

Gesamtzahl der beratenen Personen: 1637<br />

Staatsangehörigkeit:<br />

Schwangerschaftskonfliktberatung:<br />

41,0% deutsch<br />

59,0% mit Migrationshintergrund<br />

Allgemeine Schwangerschaftsberatung:<br />

24,8% deutsch<br />

74,1% mit Migrationshintergrund<br />

1,1% keine Angaben<br />

Beratungsanliegen (Mehrfachnennungen):<br />

Schwangerschaftskonfliktberatung 18,76%<br />

Allgemeine Schwangerschaftsberatung 36,59%<br />

Nachgehende Betreuung ab Geburt 40,17%<br />

Beratung nach einem Schwangerschaftsabbruch 1,18%<br />

Sonstige Beratung (inkl. zu Pränataler Diagnostik) 3,30%<br />

Sexualpädagogische Präventionsarbeit:<br />

Anzahl durchgeführter Maßnahmen 56<br />

Anzahl Teilnehmer/innen 1220<br />

Vermittlung finanzieller Hilfen und Sachleistungen:<br />

473 Anträge an die Landesstiftung „Hilfe für Mutter und Kind“<br />

61 Anträge und 5 Soforthilfen über das Diakonische Werk<br />

Bayern<br />

207 Einkaufsgutscheine für den Penny Markt über den SZ-<br />

Adventskalender<br />

28 Ferienpässe über den SZ-Adventskalender<br />

41 Soforthilfen des SZ Adventskalenders<br />

und Ausgabe von insgesamt 25 Umzugskartons Bekleidungsund<br />

Spielzeugspenden<br />

Gründe für die Erwägung des Schwangerschaftsabbruchs<br />

(Mehrfachnennungen):<br />

Frau fühlt sich psychisch/<br />

physisch überfordert 76,50%<br />

Finanzielle Probleme 53,10%<br />

Angst vor der Verantwortung 57,90%<br />

Schwierigkeiten in der Partnerschaft 41,20%<br />

Häufigste Beratungsthemen in der allgemeinen Schwangerschaftsberatung<br />

(Mehrfachnennungen):<br />

Beratung zu finanziellen Hilfen 39,30%<br />

psychosoziale Beratung 15,80%<br />

Beratung zu Rechtsgebieten 10,60%<br />

Beratung zu Wohnungsfragen 10,00%<br />

Beratung zu Partnerschaft und Familie 6,60%<br />

Beratung im Kon<br />

text von pränataler Diagnostik 0,70%<br />

Häufigste Beratungsthemen in der nachgehenden Betreuung<br />

(Mehrfachnennungen):<br />

Beratung zu finanziellen Hilfen 38,90%<br />

psychosoziale Beratung 23,90%<br />

Beratung zu Partnerschaft und Familie 8,30%<br />

Beratung zu Rechtsgebieten 4,70%<br />

Beratung zu Wohnungsfragen 4,40%<br />

(Beratung im Kontext<br />

von pränataler Diagnostik) 0,30%<br />

Das Team<br />

Staatlich anerkannte Beratungsstelle für Schwangerschaftsfragen<br />

Landwehrstr. 15 / Rgb 4. Stock, 80336 München<br />

Leitung: Sabine Simon, Dipl.Soz.Arb. (FH)<br />

Tel.: (089) 590 48-150<br />

Fax: (089) 590 48-204<br />

ssb@ebz-muenchen.de<br />

www.ebz-muenchen.de


16<br />

1.6 Präventionsangebote und ebz-Gespräche<br />

• Sexualpädagogische Gruppenangebote, z. B. für Jugendgruppen<br />

und Schulklassen<br />

• Workshop „Frauenfragen-Frauenwissen“ für Migrantinnen<br />

aus Integrationskursen<br />

• Multiplikatorenschulungen zur Sexualpädagogik und kindlichen<br />

Sexualität<br />

• Information und Beratung zur Empfängnisverhütung<br />

• Partnerschule<br />

• Kinder im Blick. Ein Kurs für Eltern in Trennung<br />

• Wer Kinder hat – hat Fragen! Offene Gesprächsrunde und<br />

individuelle Einzelberatung in 3 Neuperlacher Kindertagesstätten.<br />

• Pädagogisches Elterncafé in einem Neuperlacher Kindergarten<br />

zu den Themen „Schulfähigkeit und Ihre Fragen“ und<br />

„Fernsehen und Ihrer Fragen“.<br />

• Thematische Infoabende für diverse Kinderkrippen und Kooperationseinrichtungen<br />

• Psychologische Sprechstunde in der Elly-Heuss-Familienbildungsstätte<br />

• Sprechstunde für Jugendliche in Förderschule Herrn-/<br />

Kirchenstaße<br />

• Konfirmanden- und Konfirmanden-Elternabende in Kirchengemeinden<br />

• „Abschied von Elternhaus und Kindheit“ Vortrag und Workshop<br />

in Akademie Tutzing<br />

• „Ethik bei Trennung und Scheidung“ Vortrag vor kirchlichen<br />

Mitarbeitenden<br />

• „Trennung, Scheidung. Sorge- und Umgangsrecht“ für<br />

Fachkräfte der Jugendhilfe der Inneren Mission München,<br />

Seminar<br />

• Infoveranstaltungen zum § 8a SGB VIII für Einrichtungen<br />

der Kinder- und Jugendhilfe (EB)<br />

• Informationsabende für Kirchengemeinden und Kooperationspartner,<br />

z. B. für Konfirmandengruppen, Schulklassen,<br />

Pfarrkonvente zum Thema Schwangerschaftskonflikt(-beratung),<br />

Information über die Arbeit und Besuch der Telefonseelsorge<br />

und der Erziehungsberatung, Information über das<br />

ebz.<br />

• Pastoralpsychologische Kurse<br />

Eine besondere Form der Bündelung der Präventionsangebote<br />

sind die ebz-Gespräche. Mittwoch Abends können Interessierte<br />

sich zu verschiedenen Themen informieren und miteinander<br />

ins Gespräch kommen. Die Themen der ebz-Gespräche<br />

2010-2011 waren:<br />

• „Wenn die Kinder klein sind, gib ihnen Wurzeln ...“ Vom<br />

biologisch verankerten Grundbedürfnis emotionaler Sicherheit.<br />

(EB)<br />

• Schulfähigkeit: Was bedeutet das heute? Eine Informationsveranstaltung<br />

für Eltern und Erzieher/innen. (EB)<br />

• 14, 16, 18, 20 fast erwachsen und doch noch Kind. Ein<br />

informativer und kommunikativer Abend für Eltern und<br />

Jugendliche. (EB/EFL)<br />

• KIB „Kinder im Blick“ - Vorstellung des Kurses für Eltern in<br />

Trennung. (EB/EFL)<br />

• Lebenskunst – Der Weg zum Glück. (EFL)<br />

• Infoabend Trennung/Scheidung (EFL)<br />

• Selbstfürsorge – Liebe Dich selbst wie Deinen Nächsten.<br />

(EFL)<br />

• „Simplify your life“ – Vortrag mit Werner „Tiki“ Küstenmacher<br />

(Freundeskreis)<br />

• „Im Anfang war das Wort“ – Lesung mit Rainer Unglaub<br />

(Freundeskreis)<br />

• „Winterlicht“ – Lesung mit Wolf Euba (Freundeskreis)<br />

Systemische Seelsorge (PPA)<br />

• „Mit Vollgas auf die Bremse?“ – Informationsabend zum<br />

Thema Burnout. (PPA)<br />

• Bibliolog ..., weil jeder etwas zu sagen hat. (PPA)<br />

• Eltern werden - viel zu wissen und zu erledigen. Informationsveranstaltung<br />

über gesetzliche Regelungen und<br />

Leistungen rund um Schwangerschaft und Elternzeit für<br />

werdende Eltern. (SSB)<br />

• „Lieber etwas Neues mit dem Alten als etwas Altes mit<br />

jemand Neuem“ – Die Partnerschule. (SSB)<br />

• Mein Kind und seine Sexualität - Infoabend für Eltern. (SSB)<br />

• Gute Hoffnung – jähes Ende?<br />

• Pränataldiagnostik und ihre Folgen. Wo kann psychosoziale<br />

Beratung da helfen? (SSB)<br />

• „Zeig mir deins, dann zeig ich dir auch meins“ – Sexualität<br />

im Kindesalter. (SSB)<br />

• Wenn die eigenen Eltern älter werden. (TS)<br />

• Eine Frau am Kreuz – die heilige Kümmernis. Ein Leitbild,<br />

den Kummer zu lindern. (TS)<br />

• Die Gleichnissprache der Träume - Vortrag. (TS)<br />

• „... du hast mir nicht zugehört!“ Die Kunst des Zuhörens als<br />

Grundlage gelingender Kommunikation. (TS)


17<br />

1.7 Das ebz ist vernetzt mit . . .<br />

Einrichtungen der psychosozialen Versorgung und der<br />

Kinder- und Jugendhilfe, z. B. Beratungsstellen, Projekten,<br />

Einrichtungen, niedergelassenen Therapeuten<br />

Institutionen der Gesundheitsversorgung, z. B. Ärzte, Kliniken,<br />

Hebammen, Kinderkrankenschwestern, Sozialpsychiatrische<br />

Dienste<br />

Kirchengemeinden<br />

Staatlichen und kommunalen Ämtern/Behörden, z. B.<br />

Sozialbürgerhäuser, Amt für Wohnen und Migration, ARGE<br />

München, Zentrum Bayern, Familie und Soziales<br />

Gerichten, z.B. Familiengericht<br />

Ausbildungsinstituten, Universitäten, Fachhochschulen<br />

Klinikseelsorge<br />

Notfallseelsorge<br />

Gehörlosenseelsorge<br />

der Katholischen Telefonseelsorge<br />

Einrichtungen der Gehörlosen- und Hörgeschädigtenberatung<br />

Einrichtungen der ambulanten Krisenintervention<br />

Familienbildungsstätten<br />

Einrichtungen der Erwachsenenbildung<br />

Stiftungen, z. B. Landesstiftung „Hilfe für Mutter und Kind“,<br />

SZ-Adventskalender, Hilfsfond des Diakonischen Werkes<br />

1.8 Das ebz ist Mitglied in . . .<br />

Evangelischer Fachverband für Beratung<br />

Diakonisches Werk Bayern<br />

Evangelisch-Lutherisches Dekanat München<br />

Landesarbeitsgemeinschaft für Erziehungsberatung<br />

Bundeskonferenz für Erziehungsberatung<br />

Netzwerk gegen Selektion durch Pränataldiagnostik<br />

Innere Mission München – Bezirksstelle des Diakonischen<br />

Werkes Bayern<br />

Evangelische Konferenz für Telefonseelsorge<br />

Landesarbeitsgemeinschaft der bayerischen Schwangerschaftsberatungsstellen<br />

in freier Trägerschaft<br />

Interseel<br />

Landesarbeitskreis für Ehe-, Partnerschafts-, Familien- und<br />

Lebensberatung in Bayern (LAK)<br />

Facharge „Familienangebote“ des Stadtjugendamtes<br />

(Facharge nach § 78 SGB VIII)<br />

Evangelische Konferenz für Familien- und Lebensberatung<br />

e.V. - Fachverband für Psychologische Beratung und<br />

Supervision (EKFuL)<br />

1.9 Das ebz wird finanziert durch . . .<br />

das Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und<br />

Sozialordnung, Familie und Frauen<br />

das Diakonisches Werk Bayern<br />

die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern<br />

das Dekanat München<br />

die Landeshauptstadt München: Sozialreferat<br />

(Stadtjugendamt) und Gesundheitsreferat<br />

den Landkreis München<br />

Spenden und Mitgliedsbeiträge, z. B. durch den<br />

Freundeskreis des ebz, den Förderverein der Evangelischen<br />

TelefonSeelsorge München e.V., der Stiftung der<br />

TelefonSeelsorge, weiteren Stiftungen sowie vielen<br />

Einzelspenden<br />

Kostenbeiträge bei Beratung in der Ehe-, Familien- und<br />

Lebensberatung und bei Supervision


18<br />

1.10 Der Freundeskreis engagiert sich für das ebz<br />

Eigentlich wissen nur die Insider darüber Bescheid, mit welch<br />

verständnisvoller Geduld und zupackender Hilfsbereitschaft<br />

die über 150 haupt- und ehrenamtlichen Berater/innen des<br />

Evangelischen Beratungszentrums München auf die ganz<br />

unterschiedlichen Sorgen und Nöte der Rat- und Hilfesuchenden<br />

eingehen. Die gebotene Diskretion erlaubt es nicht<br />

über die Inhalte der Gespräche, die Ratschläge und Erfolge<br />

zu berichten. Deshalb hat es sich der seit 2002 bestehende<br />

Freundeskreis des ebz zum Ziel gesetzt eine breitere Öffentlichkeit<br />

über das vielfältige Beratungsangebot des ebz zu informieren.<br />

Das geschieht am erfolgreichsten, indem man bei<br />

diversen Veranstaltungen an möglichst unterschiedlichen Orten<br />

die breite Angebotspalette des ebz präsentiert und Wege<br />

zur Kontaktaufnahme aufzeigt.<br />

stellen. Schließlich verdient auch das Engagement des Organisationsteams<br />

große Anerkennung, das sich unverdrossen<br />

und erfolgreich dafür einsetzt, für das ebz eine nachhaltige<br />

Werbung zu betreiben.<br />

Volker Carqueville<br />

Freundeskreis des ebz<br />

Die fünf Veranstaltungen des Freundeskreises im Jahr 2010<br />

verliefen recht erfolgreich:<br />

- „Simplify your life“ am 19. Mai 2010 mit Werner Tiki<br />

Küstenmacher im Gemeindesaal der Erlöserkirche<br />

- „Schlagabtausch“ am 11. Juni 2010 mit den jungen Schlagzeugern<br />

Peter Fleckenstein und Quirin Reichl im Gemeindesaal<br />

der Christuskirche<br />

- „Im Anfang war das Wort“ – Lesung von Texten aus der<br />

Bibel mit Rainer Unglaub und Orgelbegleitung durch Hayko<br />

Siemens am 29. September 2010 in der Matthäuskirche<br />

- Treffen von ehemaligen Mitarbeitenden des ebz am<br />

12. Oktober 2010 im Atelierhaus von Regine und Wolf Euba<br />

- „Winterlicht“ mit Wolf Euba und dem Quartett NONSORDI-<br />

NO am 1. Dezember 2010 in der Stefanuskirche<br />

Es konnten neue Freunde und Interessenten gewonnen sowie<br />

erfreuliche Einnahmen erzielt werden.<br />

Bei all den Aktivitäten hat sich wiederum deutlich gezeigt,<br />

dass es bei dem riesigen Veranstaltungsangebot in München<br />

sehr schwierig ist eine ausreichende Zahl an Besuchern anzulocken.<br />

Man muss sich schon etwas Außergewöhnliches<br />

einfallen lassen um die Kosten decken und auch noch einen<br />

respektablen Gewinn erzielen zu können. Zur Werbung<br />

und Information trägt zweifellos auch die ursprünglich vom<br />

Freundeskreis initiierte INFOPOST bei, die jährlich zweimal<br />

über das Neueste aus dem ebz berichtet.<br />

Ein ganz besonderer Dank gebührt den Kirchengemeinden<br />

in München, die dem ebz ihre Räume immer spontan und<br />

unentgeltlich für die Benefizveranstaltungen zur Verfügung


Aspekte aus der Arbeit<br />

19<br />

der Abteilungen des ebz<br />

Sorgerecht<br />

Onlineberatung<br />

Rechtsberatung<br />

Verwaltung<br />

Münchner<br />

Modell


20<br />

2.1 Es kommen härtere Tage – Demenz, die Herausforderung unserer Zeit<br />

Während sich die Europäer des 19. Jahrhunderts noch mit<br />

Cholera und Kindbettfieber herumplagten, heißen heute<br />

die Geißeln der Menschheit Aids und Krebs. Es scheint also<br />

zu stimmen, dass jede Zeit ihre eigenen Krankheiten hat.<br />

Dabei nehmen allerdings viele Leute Störungen des Gemüts<br />

oder des Gedächtnisses weniger ernst oder verschleiern<br />

sie: Depressionen und nicht zuletzt Demenz sind keine<br />

beliebten Gesprächsthemen. Auch wenn wir in einer<br />

Informationsgesellschaft leben, in der wir alles in Sekunden<br />

googeln können, ist über diese Krankheit des Vergessens<br />

zu wenig in der Öffentlichkeit bekannt. Hinzu kommt eine<br />

gewisse Scham bei den Angehörigen: Sie geben nur ungern<br />

zu erkennen, dass ein Familienmitglied verwirrt ist. In der<br />

Anonymität eines Anrufs mag es einem Patienten oder<br />

einer Ehefrau oder einem Sohn leichter fallen, den Schreck<br />

über erste Erinnerungslücken oder die Verzweiflung über<br />

den Sprachverlust zu zeigen. Dieses hat die Evangelische<br />

TelefonSeelsorge München dazu bewogen, ihr Spektrum zu<br />

erweitern. Die Evangelische TelefonSeelsorge München hat<br />

ihre 120 ehrenamtlichen Fachkräfte für das Problem Demenz<br />

sensibilisiert und qualifiziert, so dass Ansprechpartner nun<br />

auch zu diesem Tabuthema zur Verfügung stehen.<br />

Angst<br />

In meiner früheren Arbeit als Gemeindepfarrer vertraute<br />

eine ältere Frau mir ihre Sorgen angesichts der Demenz ihres<br />

Ehegatten an: Ich wurde daher Zeuge des langsamen Verfalls<br />

des einst so vitalen Mannes. Und ich begegnete immer wieder<br />

der Erschöpfung dieser tapferen Frau. Schon der Gedanke an<br />

Demenz weckt Ängste. Nur selten können die Menschen mit<br />

einsetzender Alzheimer-Krankheit und die Angehörigen mit<br />

jemandem reden.<br />

Krankheit<br />

Nach Schätzungen leiden drei Millionen Bundesbürger<br />

an irgendeiner Form von Hirnleistungsschwäche, für die<br />

meistens Morbus Alzheimer verantwortlich ist. Unter<br />

Demenz versteht man in der Regel ein klinisches Syndrom,<br />

das vorwiegend durch Störungen des Gedächtnisses,<br />

der Raumwahrnehmung, der Sprachfunktionen und der<br />

Verstandesleistungen gekennzeichnet ist. Dieser Verlust<br />

bereits erworbener Denkfähigkeiten ist nicht angeboren,<br />

sondern erfolgt im Laufe des Lebens. Vor allem die nach<br />

dem Psychiater und Neuropathologen Alois Alzheimer (1864<br />

– 1915) benannte Krankheit kann solche Schädigungen<br />

verursachen. Ihr liegt ein fortschreitender Nervenzellverlust<br />

zugrunde, der vorwiegend die für das kognitive<br />

Leistungsvermögen verantwortlichen Hirnregionen betrifft<br />

und mit Verklumpungen innerhalb des Zwischengewebes<br />

einhergeht. Aus neuropathologischen Untersuchungen<br />

ist bekannt, dass Demenz-typische Veränderungen im<br />

Gehirngewebe bereits bei jungen Erwachsenen auftreten.<br />

Deutlich zeigt sich Demenz jedoch erst, wenn ein großer<br />

Teil der Gehirnzellen zerstört ist, was mit zunehmendem<br />

Alter geschehen kann. Im Vorfeld lassen sich die psychischen<br />

Störungen kaum von denen einer Depression unterscheiden,<br />

zum Beispiel Reizbarkeit, Verstimmungen sowie der Verlust<br />

von Interessen und Eigeninitiative. Bei der Alzheimer-<br />

Krankheit ist die Ursache noch nicht ausreichend bekannt.<br />

Seit einigen Jahren stehen Medikamente gegen Demenz<br />

zur Verfügung, auf die manche Patienten allerdings nicht<br />

ansprechen. Gedächtnistraining hilft im Anfangsstadium der<br />

Erkrankung. Leider gibt es bislang kein Therapieverfahren,<br />

das unmittelbar an der Wurzel der Erkrankung angreift.<br />

Alltagsprobleme<br />

Engelsgeduld ermöglicht den Zugang zu Dementen. Ungeduld<br />

ist hingegen gefährlich: Wenn etwa an Alzheimer erkrankte<br />

Menschen ungeduldigen Angehörigen begegnen, verzweifeln<br />

sie an dem Eindruck, etwas falsch gemacht zu haben, aber die<br />

Ursache nicht zu kennen. Anhaltende Traurigkeit folgt daraus,<br />

denn die schlechten Gefühle bleiben erhalten, selbst wenn der<br />

Anlass nach wenigen Minuten vergessen ist. Schließlich sind<br />

die direkt Betroffenen aufgrund ihrer Gedächtnisstörungen<br />

nur bedingt lernfähig. Familienmitgliedern muss klar sein,<br />

dass sie nichts mit ihrem dementen Ehemann oder Vater<br />

zuverlässig vereinbaren können. Fast immer übernehmen<br />

Angehörige die Pflege und vernachlässigen dabei eigene<br />

Sozialkontakte. In der Verdrossenheit über die Isolierung<br />

mutmaßen sie mangelnden guten Willen bei ihrem Patienten,<br />

wenn er sich vermeintlich unsinnig oder manchmal sogar<br />

verletzend verhält. Schließlich fürchten sie sich davor,<br />

irgendwann ähnlich zu erkranken. Die Unzufriedenheit kann<br />

Depressionen oder psychosomatische Beschwerden auslösen.<br />

Die Angehörigen und – sofern möglich – die Erkrankten<br />

können sich Unterstützung suchen, zum Beispiel bei einem<br />

Psychiater, bei einer Demenzberatungsstelle oder eben bei<br />

der TelefonSeelsorge.<br />

Auf Abruf gestundete Zeit<br />

„Es kommen härtere Tage. Die auf Abruf gestundete Zeit<br />

wird sichtbar am Horizont.“ In diesen Verszeilen Ingeborg


21<br />

Bachmanns ist von dem vierten und letzten Abschnitt des<br />

menschlichen Lebenszyklus die Rede, der dem jüngeren<br />

Alter folgt. Krankheiten wie Alzheimer markieren dann<br />

die härteren Tage, in denen uns die Endlichkeit des<br />

eigenen Daseins unabweisbar vor Augen tritt. Es fängt<br />

eher harmlos mit dem Verlust von Schlüsseln und leichten<br />

Wahrnehmungsschwierigkeiten an. Wenn eine große Leere<br />

langsam das Individuum zu verdrängen scheint, schwindet<br />

häufig bei Familienmitgliedern jegliche Hoffnung. Dabei<br />

übersehen sie leicht, dass die Erkrankten nach wie vor<br />

Gefühle haben und diese auf ungewohnte Weise äußern.<br />

Außerdem entwickeln Demente eine eigene Erlebnis- und<br />

Entwicklungswelt. Die Räume des Vergessens sind also<br />

keineswegs leer. Dies zeigen beeindruckend Bilder, die<br />

an Alzheimer erkrankte Menschen gemalt haben. Auch<br />

Musik dient als Begleiter in die innere Welt. Insofern ist die<br />

Bezeichnung Demenz (lateinisch: ohne Geist) irreführend.<br />

Eleonore von Rotenhan zeigt in ihrem anrührenden Buch<br />

„Paradies im Niemandsland“ (Stuttgart 2009) das erstaunliche<br />

und vielfältige Innenleben der Erkrankten.<br />

könnte dazu führen, die eigene Zurückhaltung gegenüber<br />

fremder Hilfe aufzugeben und die schleichende Einsamkeit<br />

bei der Betreuung zu überwinden. Selbsthilfegruppen für<br />

pflegende Angehörige, Einrichtungen der Tagespflege,<br />

Veranstaltungen der Alzheimer Gesellschaft schenken den<br />

Angehörigen kleine Oasen im Pflegealltag. Ein Gespräch<br />

kann helfen, dem Erkrankten und sich selbst das Leben zu<br />

erleichtern. Fürsorge und Selbstfürsorge ergänzen einander.<br />

Vielleicht sucht jemand Kontakt mit der TelefonSeelsorge und<br />

will über Alzheimer sprechen, auch wenn er oder sie nicht<br />

darunter leidet, sondern einfach nur über die Möglichkeit<br />

einer Demenz erschrocken ist. Anschließend kann ein Besuch<br />

beim Arzt helfen, den Verdacht abzuklären. Und dann ist<br />

die Gewissheit selbst einer schlechten Prognose leichter<br />

auszuhalten als ein Leben in ständiger Ungewissheit. Aber<br />

ob ein solcher Anrufender tatsächlich diesen Schritt geht –<br />

diese Entscheidung nimmt die TelefonSeelsorge nicht aus der<br />

Hand, sondern bietet Unterstützung.<br />

Abschiedsgedicht<br />

© TS<br />

Fürsorge und Selbstfürsorge<br />

Dass Würde und Individualität trotz des Gedächtnisverlustes<br />

erhalten bleiben – darauf können die Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter der TelefonSeelsorge hinweisen. Sie<br />

helfen, die Krankheit und ihre Folgen zu verstehen. Aber<br />

hauptsächlich hören sie in der Not zu. Ein Anruf kann die<br />

Ratlosigkeit durchbrechen. Nicht selten geraten Angehörige<br />

an die Grenzen ihrer Kraft und ihres Einfühlungsvermögens.<br />

So kann die TelefonSeelsorge auch ein Abladeplatz für<br />

unliebsame Gefühle sein. Ärger, Wut, Aggressionen können<br />

sich Luft machen. Die TelefonSeelsorge als Krisenhilfe ist Tag<br />

und Nacht erreichbar. Auch wenn man die beste Freundin<br />

nicht mehr stören mag, die bereits angedeutet hat, dass<br />

sie eigentlich das Thema nicht mehr hören mag. Ein Anruf<br />

Jürgen Arlt<br />

Leitung der TelefonSeelsorge


22<br />

2.2 Das Sorgerecht für nicht verheiratete Väter<br />

Die neue Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 21.07.2010 und unsere Erfahrungen in der Rechtsberatung<br />

Derzeit geltendes Recht<br />

Nach derzeit geltendem Recht hat die Mutter eines nicht<br />

ehelichen Kindes das alleinige Sorgerecht für dieses Kind (§<br />

1626 a II BGB). Der Vater des nicht ehelichen Kindes hat nur<br />

dann das gemeinsame Sorgerecht mit der Mutter, wenn das<br />

Paar ausdrücklich erklärt, dass es die Sorge gemeinsam übernehmen<br />

will (§ 1626 a BGB, Sorgeerklärung). Heiratet das<br />

Paar gilt automatisch ein gemeinsames Sorgerecht.<br />

Die Sorgeerklärung hat gemäß § 1626 c I BGB<br />

höchstpersönlichen Charakter und konnte bisher nur von<br />

der Mutter selbst abgegeben werden. Diese Erklärung durch<br />

einen richterlichen Beschluss zu ersetzen kam bislang nicht<br />

infrage. Ein Richter konnte selbst dann nicht dem Vater das<br />

Sorgerecht zusprechen, wenn die Weigerung der Mutter eine<br />

solche Erklärung abzugeben willkürlich erschien. Ohne ihre<br />

Zustimmung gab es bislang kein gemeinsames Sorgerecht.<br />

Notwendigkeit einer Neuregelung<br />

Im Dezember 2009 gab der Europäische Gerichtshof für<br />

Menschenrechte einem deutschen Vater damit Recht, dass<br />

das deutsche Gesetz Väter nicht ehelicher Kinder beim Sorgerecht<br />

diskriminiert. Das Bundesverfassungsgericht hat nun<br />

auch in seiner Entscheidung vom 21.07.2010 festgestellt, dass<br />

§1626 a BGB gegen das Grundgesetz verstößt. Damit ist die<br />

Regierung verpflichtet eine verfassungskonforme Gesetzesänderung<br />

vorzulegen. Diese wird für Ende 2011 erwartet.<br />

Wie die gesetzliche Neuregelung genau aussehen wird ist<br />

noch nicht ganz klar. Derzeit gibt es zwei Vorschläge: Die<br />

Mutter erhält zunächst weiterhin automatisch die alleinige<br />

elterliche Sorge, der Vater kann die Zustimmung der Mutter<br />

zur gemeinsamen elterlichen Sorge einklagen, wenn dies dem<br />

Kindeswohl entspricht. Oder: Die Eltern nicht ehelicher Kinder<br />

haben genauso wie die verheirateten Eltern von Geburt des<br />

Kindes an automatisch die gemeinsame elterliche Sorge. Nur<br />

wenn diese Regelung nicht dem Kindeswohl entspricht (z.B.<br />

permanente Streitereien der Eltern in Bezug auf das Kind)<br />

kann die Mutter bei Gericht die alleinige elterliche Sorge<br />

beantragen.<br />

Bis eine neue gesetzliche Regelung vorliegt gilt Richterrecht,<br />

d.h. das Familiengericht entscheidet über das gemeinsame<br />

Sorgerecht. Die persönliche Erklärung der Mutter wird durch<br />

die gerichtliche Entscheidung ersetzt. Das Familiengericht<br />

muss Eltern eines nicht ehelichen Kindes die gemeinsame<br />

elterliche Sorge übertragen, wenn angenommen werden<br />

kann, dass dies dem Kindeswohl am besten entspricht.<br />

Durch diese Entscheidung hat der Vater eines nicht ehelichen<br />

Kindes erstmals die Möglichkeit gerichtlich überprüfen zu<br />

lassen, ob die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl<br />

entspricht und kann diese – notfalls auch gegen den erklärten<br />

Willen der Mutter des Kindes – durchsetzen. In diesem Fall<br />

würde die persönliche Erklärung der Mutter durch eine<br />

gerichtliche Entscheidung ersetzt.<br />

Grund für diese Regelung ist, dass in einer Vielzahl von<br />

Fällen die Weigerung der Mutter, dem Vater die gemeinsame<br />

elterliche Sorge zuzubilligen, nicht primär im Kindeswohl<br />

begründet ist, sondern den Eigeninteressen der Mütter<br />

dienen. Oftmals werden Verletzungen, die die Mutter auf der<br />

Paarebene erfahren hat, auf die Elternebene übertragen.<br />

Erfahrungen aus der Beratungspraxis seit der Neuregelung<br />

Soweit die Theorie. Eigentlich sollte man denken, dass jetzt<br />

alle Väter, die kein gemeinsames Sorgerecht haben, aufatmen<br />

können und nur noch darauf warten müssen, dass die neue<br />

verfassungskonforme gesetzliche Regelung in Kraft tritt. Die<br />

Praxis sieht leider anders aus.<br />

Die Beratungspraxis zeigt, dass die Zahl der Ratsuchenden<br />

seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Juli<br />

2010 sehr zugenommen hat. Es kommen etwa gleich viele<br />

Mütter wie Väter, die in nicht ehelicher Lebensgemeinschaft<br />

leben. Die Väter möchten eine realistische, praxisnahe<br />

Einschätzung, wie gut denn ihre Chancen wirklich stehen<br />

das gemeinsame Sorgerecht zu bekommen, selbst wenn die<br />

Mutter dies total ablehnt. Die Mütter suchen ebenfalls eine<br />

Beratung in Bezug auf ihre verfahrensrechtlichen Risiken. Sie<br />

haben große Ängste das alleinige Sorgerecht zu verlieren. Sie<br />

befürchten sich zukünftig mit einem Vater auseinandersetzen<br />

zu müssen, der bei allen grundlegenden Erziehungsfragen ein<br />

50%iges Mitspracherecht hat. Viele wünschen sich auch eine<br />

Beratung dahin gehend, wie sie taktisch am besten vorgehen<br />

sollen um eine solche „Verurteilung zum gemeinsamen<br />

Sorgerecht“ (so wird es von ihnen empfunden und benannt)<br />

zu verhindern.<br />

Nach Einschätzung der Praktiker/innen wird die neue<br />

Regelung nur eine Veränderung und Verbesserung für die<br />

nicht ehelichen Lebensgemeinschaft geben, in die künftig<br />

Kinder hinein geboren werden. Hier sehe ich eine echte<br />

Chance für einen Neubeginn, insbesondere wenn sich<br />

die automatische gemeinsame Sorge von Geburt an als<br />

gesetzliche Lösung durchsetzt. Das hätte den großen Vorteil,<br />

dass das „auf die Probe stellen der Väter“ durch die Mütter ein<br />

Ende hat. In der Beratung wird immer wieder deutlich, dass


23<br />

viele Väter sich in der derzeitigen Situation machtlos und der<br />

Willkür der Mütter ausgeliefert fühlen. In der Beratung und<br />

Mediation kommt von den Müttern oft ein Satz wie: „Ich will<br />

mir erst einmal anschauen wie engagiert XY als Vater ist ...<br />

und ob er es gut macht mit dem Kind“ und manche Mütter<br />

sagen noch nicht einmal das, sondern wollen einfach keine<br />

gemeinsame elterliche Sorge um den anderen Elternteil auf<br />

der Elternebene etwas büßen zu lassen, was er ihnen auf der<br />

Paarebene schuldig geblieben ist.<br />

Bei der automatischen gemeinsamen elterlichen Sorge<br />

von Geburt an gibt es diese Bewährungsproben nicht. Der<br />

Gesetzgeber würde dadurch dokumentieren, dass er beide<br />

Elternteile für gleichermaßen befähigt hält die Elternrolle zu<br />

übernehmen. Es würde kein Gefälle mehr geben von einem<br />

Elternteil mit einer juristisch starken Position und einem<br />

Elternteil mit einer juristisch schwachen Position. Klappt<br />

es dann tatsächlich nicht mit der gemeinsamen elterlichen<br />

Sorge, kann immer noch ein Elternteil, wie auch bei<br />

Ehepaaren, die alleinige elterliche Sorge für sich beantragen.<br />

Bei den Altfällen (Kinder vor der gesetzlichen Neuregelung<br />

geboren) sieht die Realität in der Beratung aus wie folgt: Aus<br />

der Erfahrung unserer bisherigen Beratungspraxis lassen sich<br />

drei Gruppen unterscheiden, die mit dem Thema gemeinsame<br />

Sorge unterschiedlich umgehen.<br />

- Einvernehmen zur gemeinsamen Sorge<br />

Das sind die Eltern, die sich von Haus aus gut verstehen.<br />

Sie sind entweder verheiratet oder geben gleich bei der<br />

Geburt oder auch schon vor der Geburt die gemeinsame<br />

Sorgeerklärung ab. Für diese Gruppe ändert sich nichts.<br />

- Konflikte zur gemeinsamen Sorge<br />

Das sind die Eltern, die sich von Haus aus nicht gut verstehen,<br />

meist, weil sie schon getrennt lebend sind. Sie haben<br />

ohnehin nicht den Grundkonsens, den es braucht um die<br />

gemeinsame elterliche Sorge auszuüben. Vielfach haben<br />

sich beide schon öfter an das Familiengericht gewandt mit<br />

Anträgen zum Umgangsrecht, zur Unterhaltszahlung oder<br />

zur Auseinandersetzung von gemeinsamen Vermögen. Meist<br />

gibt es zahlreiche abgebrochene Versuche von Beratung und<br />

Mediation, initiiert von den machtlosen Vätern, die versuchen,<br />

zumindest auf diesem Weg eine Verbesserung ihrer Situation<br />

zu erreichen. Diese Beratungen und Mediationen werden<br />

meist von den Müttern abgebrochen, die in der Regel nicht<br />

wirklich motiviert sind, an ihrer rechtlich starken Position<br />

freiwillig etwas zu verändern.<br />

Die meisten Väter, die nach der Entscheidung des<br />

Bundesverfassungsgerichts bei Gericht versuchen ein<br />

gemeinsames Sorgerecht auch gegen den Willen der Mutter<br />

gerichtlich durchzusetzen, kommen aus dieser Gruppe von<br />

Eltern. Sie hoffen auf eine neue Chance. Fakt ist jedoch, dass<br />

in der Praxis die meisten Richter gerade bei diesen Paaren<br />

das gemeinsame Sorgerecht nicht anordnen werden. Denn<br />

Grundvoraussetzung für die gemeinsame elterliche Sorge ist<br />

nach wie vor, dass diese dem Kindeswohl entsprechen muss.<br />

Es entspricht aber nach Meinung vieler Richter nicht dem<br />

Kindeswohl, die gemeinsame elterliche Sorge an Eltern zu<br />

geben, die gegeneinander prozessieren, die es noch nicht<br />

einmal schaffen, Terminabsprachen miteinander zu treffen,<br />

die Gegenwart des anderen nicht mehr ertragen oder nur per<br />

Mail und SMS miteinander verkehren können.<br />

- Kooperation trotz getrennter Sorge<br />

Und dann gibt es noch die Elternpaare, bei denen zwar nur die<br />

Mutter die elterliche Sorge innehat, die aber ihr Elternsein so<br />

praktizieren, als hätten sie die gemeinsame elterliche Sorge.<br />

Das heißt, sie haben ein Modell kooperativer Elternschaft,<br />

besprechen sich, stimmen sich ab, treffen alle wichtigen<br />

Entscheidungen das Kind betreffend gemeinsam. Die Väter<br />

aus dieser Gruppe werden ebenfalls nicht von der neuen<br />

gesetzlichen Regelung Gebrauch machen. Sie brauchen gar<br />

kein gemeinsames Sorgerecht, da ihnen die Mutter auch<br />

ohne das gemeinsame elterliche Sorgerecht ein gleich starkes<br />

Mitbestimmungsrecht einräumt. Und wenn diese Väter es<br />

wollen würden würde die Partnerin voraussichtlich mit ihnen<br />

zusammen einer Sorgeerklärung zustimmen, ohne dass es der<br />

Mitwirkung des Gerichts bedarf.<br />

Fazit - Einschätzung der Praktiker<br />

Das neue Gesetz wird für die Kinder, die nach seinem in Kraft<br />

treten geboren werden, für eine bessere Ausgangssituation<br />

der Väter sorgen. Und das entspricht grundsätzlich erst<br />

einmal immer dem Kindeswohl, von Ausnahmen abgesehen.<br />

Für Altfälle wird es bis auf wenige Ausnahmen keine<br />

Verbesserung der Sorgerechtssituation durch das neue<br />

Gesetz geben. Der Ausnahmefall wird der sein, dass ein<br />

Vater einfach in all den Jahren vorher zu bequem war, in<br />

einer gut funktionierenden Elternschaft den Antrag auf<br />

Abgabe der gemeinsamen Sorgeerklärung zu stellen. Deshalb<br />

liegt die wesentliche Hilfestellung für die Altfälle nicht im<br />

juristischen Bereich, in Form des voraussichtlich erfolglosen<br />

Einklagens des gemeinsamen Sorgerechts, sondern weiterhin<br />

in der Beratung und Mediation, um mit dem Elternpaar<br />

die Voraussetzungen dafür zu schaffen, auch juristisch<br />

gemeinsam die Verantwortung für das Kind tragen zu können<br />

und sich dabei gegenseitig zu vertrauen.<br />

Ulrike Buchner<br />

Ehe-, Familien- und Lebensberatung


24<br />

2.3 Rechtsberatung in der Staatlich anerkannten Beratungsstelle für<br />

Schwangerschaftsfragen<br />

Ein Interview mit Renate Mitleger, Fachanwältin für Familienrecht, seit 20 Jahren für das ebz tätig<br />

Sabine Simon: Wie bist du eigentlich vor 20 Jahren zum<br />

ebz gekommen?<br />

Renate Mitleger: Ich glaube, dass mich die damalige Leiterin<br />

der Schwangerschaftsberatung, Ruth Cohen, angesprochen<br />

hatte. Zu der Zeit war ich neben meiner Kanzleitätigkeit in<br />

einer Frauenselbsthilfegruppe ehrenamtlich engagiert und<br />

hatte auch dort überwiegend zu familienrechtlichen Fragen<br />

beraten. Frau Cohen hatte dies wohl in Erfahrung gebracht.<br />

Sabine Simon: Renate, wie muss man sich deine Honorartätigkeit<br />

hier in der Schwangerschaftsberatungsstelle vorstellen?<br />

Renate Mitleger: Wer zu mir kommt, bestimmen die Beraterinnen<br />

und Berater. Wenn Sie meinen, dass eine juristische<br />

Beratung sinnvoll wäre und die Klärung der Fragen dringend<br />

erscheint, empfehlen sie eine Beratung bei mir. Das Sekretariat<br />

übernimmt dann die Terminvereinbarung. Oft sind die Klientinnen<br />

in einer Krise und aufgrund von unterschiedlichen<br />

Gründen nicht in der Lage sich einen Juristen zu suchen bzw.<br />

scheuen die Kosten eines Rechtsanwaltes. Daneben stehe ich<br />

den Berater/innen zur Verfügung, wenn diese fallbezogene<br />

juristische Fragen haben. Ein bis zwei Mal im Jahr komme ich<br />

auch ins Team und informiere über neue gesetzliche Bestimmungen<br />

und Verfahren.<br />

Sabine Simon: Haben sich die Themen im Laufe der Jahre<br />

verschoben oder geändert?<br />

Renate Mitleger: Ja, das Thema Geld und Geldnot wird seit<br />

einigen Jahren vermehrt angesprochen, das spielt eine wesentlich<br />

größere Rolle als vor 20 Jahren. Viele der Klientinnen<br />

sind verschuldet, kommen mit ihrem Einkommen nicht<br />

klar, haben Schwierigkeiten mit den Behörden und mit den<br />

Banken. Seit der Einführung des Sozialgesetzbuches II geht<br />

es zudem sehr häufig um die reine Existenzsicherung. Neben<br />

den Themen wie Kredite und Schulden sind der Unterhalt für<br />

das nicht eheliche Kind und der Betreuungsunterhalt für die<br />

nicht eheliche Mutter die zentralen Fragen der Frauen. Auch<br />

die Problematik zum Umgang des Kindes mit dem Kindesvater<br />

bleibt wichtig. Da sind die Befürchtungen manchmal<br />

sehr groß, wie viel Kontakt und auch finanzielle Abhängigkeit<br />

man zu einem Menschen zulassen muss, den man eigentlich<br />

komplett aus seinem Leben ausblenden möchte. Gerade in<br />

der Beratung von Frauen, die einen Schwangerschaftsabbruch<br />

erwägen, spielt das eine große Rolle. In jüngster Zeit<br />

gibt es auch viele Fragen nach der gemeinsamen elterlichen<br />

Sorge. Die Furcht von Frauen, die ein nicht eheliches Kind<br />

erwarten und keinen Partner (mehr) haben, womöglich das<br />

Sorgerecht automatisch ab Geburt mit dem Kindesvater teilen<br />

zu müssen, ist groß. Da besteht Aufklärungsbedarf. Eine<br />

Gesetzesänderung wird ja momentan dahingehend diskutiert.<br />

Sabine Simon: Welche<br />

familiengesetzlichen Änderungen<br />

der letzten 20<br />

Jahre hatten deiner Meinung<br />

nach große Auswirkungen<br />

auf die Belange<br />

unserer Klientinnen?<br />

Renate Mitleger: Meilensteine<br />

war mit Sicherheit<br />

die Änderungen beim<br />

Thema Nichtehelichkeit,<br />

also die Gleichstellung der<br />

nicht ehelichen Kinder mit<br />

ehelichen, die Möglichkeit<br />

der gemeinsamen elterlichen Sorge von nicht verheirateten<br />

Paaren und die Aufhebung der automatischen Pflegschaft<br />

für nicht eheliche Kinder durch das Jugendamt. Aber auch<br />

die Reform des Scheidungsrechts hat meines Erachtens überwiegend<br />

positive Auswirkungen gehabt. Gerade die gemeinsame<br />

elterliche Sorge als Regelfall nach einer Scheidung hat<br />

sich sehr bewährt, da ist viel Sprengstoff aus den Verfahren<br />

genommen worden. Ausnahmefälle, das heißt strittige und<br />

hochstrittige Fälle, wird es natürlich immer geben, aber die<br />

Regel sind sie nicht mehr. Was mit den Jahren immer komplizierter<br />

wurde und damit auch in der Beratung nie eindeutig<br />

klärbar ist, ist das Thema Ehegattenunterhalt.<br />

Sabine Simon: Erlebst du es denn auch, dass Klientinnen<br />

in einem Schwangerschaftskonflikt deine juristische Auskunft<br />

zum wesentlichen Entscheidungsaspekt für oder gegen<br />

eine Fortsetzung der Schwangerschaft machen?<br />

Renate Mitleger: Das ist in den Jahren nur ganz, ganz selten<br />

vorgekommen, Gott sei Dank. Vielleicht zwei oder drei<br />

Mal, aber in diesen Fällen war deutlich zu spüren, dass die<br />

juristische Thematik vorgeschoben war. Da stoße ich an meine<br />

Grenzen und bin dann froh, auf die Beraterin oder den<br />

Berater zur nochmaligen psychosozialen Beratung, bzw. zur<br />

psychologischen Beratung verweisen zu können.


25<br />

Sabine Simon: Welches Thema ist aus deiner Erfahrung<br />

sehr schwierig für die Klientinnen?<br />

Renate Mitleger: Beim Thema Umgangsrecht hakt es immer<br />

wieder. Ich hatte viele Beratungen, in denen Frauen bereits in<br />

der Schwangerschaft große Ängste äußerten, überhaupt ein<br />

Umgangsrecht zuzulassen. Auf dem Hintergrund einer gerade<br />

erst beendeten Beziehung, des Verlassenwerdens oder einer<br />

flüchtigen Affäre, ist die Abwehr weiterer Kontakte zu dem<br />

Kindesvater ja verständlich. Ich habe aber auch die schwierige<br />

Aufgabe die Frauen darauf vorzubereiten, dass sie einen<br />

Umgang des Vaters mit dem Kind grundsätzlich zulassen<br />

sollten, ja sogar müssen. Die Frauen können zwar mit allen<br />

möglichen Mitteln versuchen, dies zu verhindern, aber vor<br />

dem Hintergrund der Gesetzesänderungen und dem langsamen<br />

Umdenken bei den Richtern im Laufe der vergangenen<br />

10 Jahre haben die Mütter immer weniger Möglichkeiten das<br />

Umgangsrecht letztendlich zu vereiteln.<br />

Ein zweiter Punkt, der in den letzten Jahren sehr viel mehr<br />

in den Vordergrund gerückt ist, obwohl es hierzu keine wesentlichen<br />

gesetzlichen Veränderungen gegeben hat, ist die<br />

Umsetzung des Paragrafen 1615l BGB, der den Unterhaltsanspruch<br />

der nicht ehelichen Mutter gegenüber dem Kindesvater<br />

regelt. Erst seit einigen Jahren wird von öffentlicher<br />

Seite vermehrt auf die Durchsetzung dieser Ansprüche gedrängt.<br />

Sozialleistungsträger, die ansonsten Regelleistungen<br />

für die Frau erbringen müssten, setzen Frauen unter Druck,<br />

ihre möglichen Ansprüche gegenüber den Männern geltend<br />

zu machen. Sehr viele Frauen möchten aber am liebsten nicht<br />

von dem Ex-Partner finanziell abhängig sein. Dass sie schon<br />

Unterhalt für das Kind einfordern müssen und das manchmal<br />

als Betteln oder Hinterherjagen empfinden, reicht ihnen<br />

schon. In der Beratung der Frauen geht es darum, Mut zu<br />

machen, die möglichen Ansprüche gegenüber dem Kindesvater<br />

dennoch anzumelden und durchzusetzen, um nicht über<br />

längere Zeit in finanzielle Not zu geraten. Die Frauen müssen<br />

sich einfach mit dem Thema auseinandersetzen, es bleibt ihnen<br />

nichts anderes übrig.<br />

Sabine Simon: Welche zukünftigen familienrechtlichen Änderungen<br />

siehst du in den nächsten Jahren auf die Frauen<br />

und Männer, die uns zu Beratung aufsuchen, zukommen?<br />

Renate Mitleger: Momentan sehe ich mit etwas Skepsis auf<br />

das Urteil des Europäischen Gerichtshofes, wonach auch in<br />

Deutschland ein vereinfachter Zugang von nicht ehelichen<br />

Vätern zu einem gemeinsamen Sorgerecht verlangt wird.<br />

Zurzeit ist es ja so, dass mit der Geburt des nicht ehelichen<br />

Kindes die Mutter das alleinige Sorgerecht für das Kind hat.<br />

Der Vater kann mit Zustimmung der Mutter zur gemeinsamen<br />

elterlichen Sorge gelangen. In vielen Ländern erhält sie der<br />

Vater, der die Vaterschaft zuvor anerkannt hat, automatisch<br />

ab Geburt, genauso wie die Mutter. Diese Regelung halte ich<br />

für äußerst problematisch, denn nicht wenige Väter ziehen<br />

sich schon während der Schwangerschaft komplett aus der<br />

Verantwortung und sind nicht greifbar. Manchmal hatte die<br />

Frau nur eine kurze Affäre und soll nun mit einem eigentlich<br />

Fremden alltägliche Fragen der Kindererziehung erörtern. Bei<br />

binationalen Paaren droht manchmal, dass der nicht eheliche<br />

Vater aufgrund der gemeinsamen elterlichen Sorge ohne<br />

Zustimmung der Mutter einen Pass für das Kind beantragen<br />

kann. Bei den Müttern entsteht dadurch die Angst vor einer<br />

Verschleppung des Kindes ins Ausland. Ich befürchte, dass<br />

Frauen im Schwangerschaftskonflikt diese mögliche neue<br />

Regelung als bedrohlich und massiv einschränkend empfinden<br />

werden, wenn sie den Kindesvater nicht näher kennen<br />

oder mit ihm eigentlich nichts mehr zu tun haben möchten.<br />

Es liegt nahe, dass diese Zukunftsaussichten sie noch einmal<br />

eher einen Abbruch erwägen lassen werden.<br />

Sabine Simon: Hältst du die juristische Beratung in der<br />

Schwangerschaftsberatung weiterhin für sinnvoll, wo es<br />

doch eigentlich auch die kostenreduzierte Rechtsberatung<br />

in juristischen Kanzleien gibt?<br />

Renate Mitleger: Ich halte dieses Angebot für sehr wichtig.<br />

Ein Beratungszentrum wie das ebz ist einfach niederschwelliger.<br />

Hier kann man sich in der juristischen Beratung die Zeit<br />

nehmen, zunächst sehr unzusammenhängende Erzählungen<br />

zu entwirren und zum Kern des Problems vorzudringen,<br />

Papiere können sortiert und Prioritäten festgelegt werden.<br />

Nicht wenige Klientinnen haben einfach sehr viele Probleme<br />

und Fragen. Und ich kann, wenn nötig, sogar mal einen Dolmetscher<br />

hinzuziehen. Der Austausch mit den Berater/innen<br />

und deren weitere Begleitung der Klientin oder der Familie<br />

sorgt auch dafür, dass etwas weitergeht, was sonst im Chaos<br />

des Alltags wieder ungelöst bleiben würde.<br />

Sabine Simon: Renate, ich danke dir für das Gespräch und<br />

für deine langjährige hervorragende Arbeit, auch im Namen<br />

der Kolleg/innen und vor allem der Klient/innen der<br />

Schwangerschaftsberatung.<br />

Sabine Simon<br />

Schwangerschaftsberatung


26<br />

2.4 Innenansicht der Multitalente - die Verwaltungskolleginnen<br />

In der Verwaltung des ebz arbeiten acht Mitarbeiterinnen<br />

in Teilzeit. Ihre Aufgaben sind unterschiedlich. Während die<br />

einen in der Geschäftsstelle dafür sorgen, dass der Rahmen<br />

(z.B. der technische, der finanzielle Rahmen) für Beratung<br />

steht, sind andere in der klientenbezogenen Arbeit in den<br />

einzelnen Abteilungen des ebz tätig.<br />

Die Sekretärinnen vertreten sich in Urlaubs- und Krankheitsfällen<br />

gegenseitig, was von ihnen hohe Flexibilität erfordert,<br />

um den reibungslosen Ablauf der Anforderungen der eigenen,<br />

sowie den der zusätzlichen Abteilung zu gewährleisten.<br />

Diesen Engpässen versuchen sie mit großer Einsatzbereitschaft<br />

zu begegnen. Sie erledigen in Eigenverantwortung die<br />

vielfältigen Verwaltungsaufgaben für die sehr unterschiedlichen<br />

Bedürfnisse der jeweiligen Abteilungen.<br />

Der Schichtplan in der TS<br />

Die Verwaltungskraft, die für die TelefonSeelsorge zuständig<br />

ist hat unter anderem die Aufgabe, Lücken und Ausfälle im<br />

Schichtenplan zu füllen. Damit Ratsuchende rund um die Uhr<br />

einen Ansprechpartner bei der TelefonSeelsorge finden können,<br />

sind monatlich 180 Schichten zu besetzen. Bei Krankheit<br />

von Telefonseelsorger/innen und in Notfällen wird sie für Ersatz<br />

sorgen. Sie berichtet:<br />

„Eine ehrenamtliche Mitarbeiterin ruft an, sie sei krank geworden<br />

und könne deshalb morgen die Nachtschicht nicht<br />

übernehmen. Ich nehme mir die Telefonliste der 115 Ehrenamtlichen<br />

zur Hand und versuche zuerst diejenigen zu erreichen,<br />

die nicht berufstätig sind, um mir nicht unnötige Absagen<br />

einzuholen, denn zum einen ist ein Arbeitstag nach einer<br />

Nachtschicht nur sehr schwer zu bewältigen, zum anderen ist<br />

es ungünstig in der jeweiligen Arbeitsstelle anzurufen.<br />

1. Anruf: „Tut mir leid, aber ich bin zum Geburtstag meiner<br />

Freundin eingeladen.“<br />

2. Anruf: „Ich würde gerne, aber morgen steht mein Theaterabo an.“<br />

3. Anruf: „Leider, aber meine Enkelkinder übernachten bei mir.“<br />

4. Anruf: „Ich habe gleich morgen früh einen Arzttermin,<br />

deswegen kann ich die Schicht nicht übernehmen.“<br />

Und so geht es weiter, alle haben verständliche Gründe abzulehnen.<br />

Ich telefoniere und telefoniere, mittlerweile schon<br />

über eine Stunde, der Druck wird stärker, denn ich muss ja<br />

jemanden finden, der die Nachtschicht übernimmt. Dann,<br />

ich wollte schon die Hoffnung aufgeben, habe ich Glück, die<br />

ehrenamtliche Mitarbeiterin, die ich anrufe sagt: „Einen Moment,<br />

ich schaue in meinen Kalender, ja, ich habe nichts vor,<br />

ich kann die Schicht übernehmen.“ Dankbar und erleichtert<br />

lege ich auf. Wieder einmal geschafft! Übrigens: Wenig später<br />

könnte sich diese Notsituation durchaus wiederholen.“<br />

Familienberatung<br />

Wir gehen in die Familienberatung.<br />

Die Sekretärinnen<br />

berichten: „Das Telefon<br />

klingelt. “Familienberatung<br />

im ebz guten Morgen!“<br />

Am anderen Ende<br />

der Leitung räuspert sich<br />

eine Frauenstimme. „Mein<br />

Mann hat eine Freundin.<br />

Ich brauche Hilfe.“ Die<br />

erste Hürde ist geschafft;<br />

der/die Ratsuchende hat<br />

sich getraut, eine Beratungsstelle<br />

um Hilfe zu bitten. Am anderen Ende der Leitung<br />

sind leise Stimmen, fordernde Stimmen, manchmal weinende<br />

Stimmen, verzweifelte Stimmen, manchmal schwer verständliche<br />

Stimmen, da des Deutschen nicht so mächtig.<br />

Ebenso vielschichtig ist die Problematik. Das Kind will plötzlich<br />

nicht mehr lernen, hat schlechten Umgang, hat Studium<br />

abgebrochen und sitzt nur noch vor dem PC, der Mann<br />

hat eine Freundin, Mobbing im Arbeitsleben, die Ehefrau ist<br />

ausgezogen, der Mann ist überrascht. „Wir unterstützen Sie<br />

gerne, lassen Sie uns gemeinsam eine Anmeldung machen,“<br />

so lautet mein häufigster Satz. Mit zaghafter Stimme beantwortet<br />

die Anruferin meine Fragen. Plötzlich herrscht Stille.<br />

„Sind Sie noch am Apparat?“ „Ich kann nicht mehr“, weint die<br />

Frau. „Ganz ruhig, lassen Sie sich Zeit“, versuche ich zu trösten.<br />

Nachdem sie sich die Nase geputzt hat, schildert sie mit<br />

leiser Stimme ihre Situation. Den ständigen Streit mit dem<br />

Partner, den Alltag mit drei kleinen Kindern, das wenige Geld.<br />

Viele Menschen sind traurig und fühlen sich hilflos, wenn sie<br />

bei uns im evangelischen Beratungszentrum anrufen. Nach<br />

der telefonischen Anmeldung klingen viele ruhig und zuversichtlich.<br />

„Vielen Dank. Wir warten auf Ihr Terminangebot,<br />

hoffentlich bald.“ Ich lege den Hörer auf und gehe meine<br />

Notizen nochmals durch, bevor ich sie in den Computer tippe.<br />

Das Telefon klingelt wieder. „Bitte helfen Sie uns. Unser<br />

15-jähriger Sohn ist frech, faul und schwänzt die Schule.“<br />

Sekretariatsarbeit<br />

Im Sekretariat der Familienberatung wie in der Schwangerschafts-<br />

und Sexualberatung des ebz bilden der Telefondienst<br />

und die Terminierung der Beratung den Schwerpunkt bei der<br />

anfallenden Sekretariatsarbeit. Neben den üblichen Bürotätigkeiten,<br />

wie das Bereitstellen von Materialien, Kopien und<br />

Geräten für die Mitarbeiter/innen, Korrespondenz, Verschikken<br />

von Post, Sortieren und Archivieren usw. stellt der Kontakt<br />

mit den Klient/innen eine lebendige Bereicherung dar.<br />

© ebz


27<br />

Im telefonischen und persönlichen Kontakt ist weniger die<br />

Routine, dafür sind mehr Präsenz und Empathie gefordert.<br />

Die Verwaltungskräfte sind die erste Anlaufstelle für die Klient/innen.<br />

Sie wollen sich auch in der Schwangerschaftsberatung<br />

i.d.R. nicht nur Informationen holen, sondern brauchen<br />

in erster Linie mitmenschliche oder finanzielle Hilfe. Das<br />

Empfangsbüro oder der Erstkontakt am Telefon ist für Klient/<br />

innen eine erste Hürde zur Beratung, an der sich der/die Betroffene<br />

eingeladen oder abgewiesen fühlt.<br />

Bei Anfragen für eine Konfliktberatung in der Schwangerschaftsberatung<br />

zeigt sich im Erstkontakt, dass Klientinnen<br />

überwiegend Hemmungen haben, ihr Anliegen klar zu formulieren<br />

(den männlichen Partnern fällt das oft viel leichter),<br />

manchmal stehen sie auch unter Rechtfertigungsdruck.<br />

Manchmal äußern sie Bedenken, ob sie auch in Anbetracht<br />

des evangelischen Hintergrunds unserer Einrichtung eine<br />

neutrale Beratung bekommen. Eine Muslima und vereinzelt<br />

auch andere Frauen bevorzugen eine weibliche Beraterin.<br />

Vereinzelt haben Klientinnen schon die Befürchtung geäußert,<br />

ob sie sich durch die Beratung verbindlich auf eine Entscheidung<br />

festlegen müssen. Wenn Klientinnen mit Migrationshintergrund<br />

bei einer Konfliktberatung einen Dolmetscher<br />

benötigen, müssen die Betroffenen, falls sie schon Kinder<br />

haben sehr schnell eine Betreuungsmöglichkeit für diese<br />

finden, da Kinder nicht zur Konfliktberatung mitgenommen<br />

werden können. Auch die Verwaltungskraft muss unter Zeitdruck<br />

handeln und mit viel Glück schnell einen Dolmetscher<br />

engagieren.<br />

Viele kommen durch Mundpropaganda ins ebz und haben<br />

demzufolge weniger Schwellenängste, sind offen, zuversichtlich<br />

und sehr freundlich. Klient/innen, die ihre Anliegen<br />

fordernd und energisch vorbringen sind selten. Meistens erleben<br />

die Verwaltungskräfte vor allem bei den ausländischen<br />

Frauen Zurückhaltung, die sicherlich auch darin begründet<br />

ist, dass sie nicht wissen, ob man ihnen vorurteilsfrei und<br />

verständnisvoll begegnet, sei es in Bezug auf ihre nationale<br />

Herkunft, sei es in Bezug auf ihre Sprachschwierigkeiten,<br />

ihren religiösen Hintergrund oder ihren Abtreibungswunsch.<br />

Schließlich gilt es auch noch die Hürde zu überwinden, einer<br />

völlig fremden Person gleich zu Anfang ein sehr persönliches<br />

Anliegen mitzuteilen.<br />

Renate Simeth, Brigitte Vas, Silvia Wernet, Barbara Wulf<br />

Verwaltungsteam<br />

Ein Dankeschön<br />

Nicht nur für die Klient/innen ist das Sekretariat eine wichtige<br />

Anlaufstelle, sondern auch für die Berater/innen, die es<br />

schätzen, sich an die Verwaltungskräfte wenden zu können.<br />

Der Berater Christian Rosendahl schildert:<br />

Während einer Beratungssituation, wenn ich nicht weiter<br />

weiß, eine Auskunft benötige, einen Rat oder schlichtweg<br />

jemand zum darüber reden brauche, schätze ich es seit vielen<br />

Jahren, mich auch an die Kolleginnen in der Verwaltung<br />

wenden zu können. Oft sind gerade alle Beratungsfachkräfte<br />

selbst in Beratung und nicht zu stören und ich erlebe einfach<br />

des Öfteren Situationen, in denen ich einen kurzen Abstand<br />

von der Beratungssituation brauche oder eine Frage habe,<br />

deren Antwort mir trotz Rechner und Internet nicht einfällt.<br />

Wenn meine Eindrücke von den Beratenen widersprüchlich<br />

und unklar sind, nutze ich es gerne, mir den ersten Eindruck<br />

vom Sekretariat über die Klienten oder die subjektive Einschätzung<br />

eines Telefonkontaktes schildern zu lassen. Um<br />

mich eines Gefühls, eines Eindrucks und vielleicht auch einer<br />

Entscheidung zu versichern, spreche ich auch gerne die<br />

Verwaltungskolleginnen an, bei denen ich mich auch einfach<br />

nur „mal eben“ aussprechen kann, wenn die Situation zu viel<br />

ist oder war.<br />

Ich bin dankbar für die Möglichkeit mit einer klugen lebenserfahrenen<br />

Person, die noch dazu einen anderen Beruf hat<br />

(und somit nicht ‚berufsblind’ ist) sprechen zu können – natürlich<br />

unter Einhaltung des notwendigen Datenschutzes<br />

und mit größtmöglicher Diskretion. Oft hat mir so ein Austausch<br />

zu wichtigen vollkommen anderen Aspekten, Sichtweisen<br />

verholfen, was in vielen Fällen einerseits meiner Entlastung<br />

und weiteren guten Arbeitsfähigkeit diente, als auch<br />

in der Situation direkt den Beratenen zugute kam und in die<br />

Beratungssituation oder in den Prozess hilfreich einfließen<br />

konnte.<br />

Zeitweise erweist es sich auch als günstig wenn zufällig gerade<br />

mehr als eine Person ansprechbar war, u.U. auch eine<br />

Rücksprachmöglichkeit (Kurzintervision) mit einem/einer<br />

Fachberater/in und einer Verwaltungskraft. Ich habe in<br />

meinen fünfzehn Jahren im ebz keine Kollegin in einer Verwaltungstätigkeit<br />

hier erlebt, die sich auf ihre Weise nicht<br />

– auch einem spontanen und manchmal ungewöhnlichen<br />

Belang – als hilfreich, entgegenkommend, menschlich klug<br />

und kompetent herausgestellt hat.<br />

Zudem bin ich froh und stets aufs Neue dankbar, dass ich<br />

mich auf die kompetente und zuverlässige Empfangs-, Sekretariats-<br />

und Verwaltungsarbeit meiner Kolleginnen verlassen<br />

kann. Die hohe Qualität, die dadurch entsteht, spiegelt sich<br />

nicht nur in korrekten und reibungslosen Abläufen in der Beratungsstelle<br />

wieder, sondern eben auch in meiner konkreten<br />

alltäglichen Entlastung und der hohen Zufriedenheit unserer<br />

Klient/innen, die sich einfach willkommen fühlen. Ich möchte<br />

auf diesem Wege einfach mal meinen Dank aussprechen!<br />

Christian Rosendahl<br />

Schwangerschaftsberatung


28<br />

2.5 Beratung und Kooperation nach der FGG-Reform<br />

Erfahrungen mit dem Münchner Modell bei Trennungs- und Scheidungsfamilien<br />

Mit der FGG-Reform ist das FamFG, das "Gesetz über das Verfahren<br />

in Familiensachen und in den Angelegenheiten der<br />

freiwilligen Gerichtsbarkeit", am 01.09. 2009 in Kraft getreten<br />

und hat das bisherige "Gesetz über die Angelegenheiten<br />

der freiwilligen Gerichtsbarkeit" (FGG) abgelöst. Die Gesetzesreform<br />

hat grundlegende Veränderungen im familiengerichtlichen<br />

Verfahren nach sich gezogen. Hier seien zwei<br />

wesentliche Änderungen genannt. Zum einen verpflichtet<br />

das Vorrang- und Beschleunigungsgebot in Kindschaftssachen<br />

(§155 FamFG) das Gericht spätestens einen Monat nach<br />

Beginn des Verfahrens einen ersten Anhörungstermin durchzuführen.<br />

Zum anderen soll das Familiengericht auf ein Einvernehmen<br />

der Eltern hinwirken (§156 FamFG).<br />

Diese neue Philosophie findet Ausdruck im sog. Münchner<br />

Modell (MüMo), dem Leitfaden des Familiengerichtes München<br />

für Verfahren, die den Aufenthalt des Kindes, das Umgangsrecht<br />

oder die Herausgabe des Kindes betreffen. Damit<br />

wird auch ein neues Verständnis bzgl. der Kooperation der<br />

beteiligten Institutionen, insbesondere des Familiengerichtes,<br />

des Jugendamtes und der Beratungsstellen, begründet.<br />

In der Bearbeitung unserer ersten MüMo-Fälle konnten wir<br />

feststellen, dass der frühe Anhörungstermin, der Zuwachs<br />

an Transparenz sowie die Klarheit über die verschiedenen<br />

Aufgaben und Rollen der Beteiligten eine verbesserte Kooperation<br />

ermöglichen und verbesserte Voraussetzungen zur<br />

Konfliktregulierung schaffen. Die Eltern werden in ihrer Verantwortung<br />

und Selbstbestimmung gestärkt. Dabei erlebten<br />

wir bei den Eltern verschiedene Reaktionen. Einerseits fühlten<br />

sie sich ernst genommen und ihre elterliche Kompetenz<br />

wertgeschätzt, andererseits auch sehr gefordert trotz der<br />

Trennungskrise mit all ihren emotionalen Auswirkungen, zum<br />

Wohle ihrer Kinder verhandlungs- und konsensfähig zu sein.<br />

In der Arbeit mit den Eltern und Kindern setzen wir unsere<br />

beraterischen, mediativen und therapeutischen Möglichkeiten<br />

so ein, dass die Eltern ihre Konflikte klären und einvernehmliche<br />

Regelungen erarbeiten können. Ob dies gelingen<br />

kann, ist nicht immer gleich im ersten Gespräch zu erkennen.<br />

Manchmal sind mehrere Sitzungen notwendig, manchmal<br />

auch ein Settingwechsel wie z.B. zusätzliche Einzelgespräche,<br />

um die Voraussetzungen und Motivation für ein zieldienliches<br />

gemeinsames Arbeiten zu klären. Dabei erlebten<br />

wir es in der Beratung als hilfreich, wenn wir über vorläufige<br />

Gerichtsbeschlüsse zur Umgangsregelung informiert waren.<br />

Darüber hinaus war es wichtig, am Anfang der Beratung abzuklären,<br />

welche zusätzlichen Streitthemen (z.B. Unterhalts-<br />

und Eigentumsfragen) bestanden. Solche offenen Streitfragen<br />

können sich oft kontraproduktiv auf das Bemühen, einen<br />

kooperativen Dialog zu etablieren, auswirken.<br />

Als bedeutsam erlebten wir es auch, wenn frühestmöglich im<br />

Verfahren (von Rechtsanwälten, Gericht, Richter, Jugendamt)<br />

wahrgenommen und berücksichtigt wurde, ob eine Gewaltproblematik<br />

vorliegt, da diese einer gemeinsamen Beratung<br />

der Eltern entgegenstehen oder sie sogar verunmöglichen<br />

würde. Für solche Fälle wurde ein „Sonderleitfaden“ entwikkelt.<br />

Im Alltag mussten wir leider erleben, dass darauf noch<br />

nicht genügend geachtet wird, und – mit mehr oder weniger<br />

Nachdruck - eine Beratungsoption nahegelegt wird, die nicht<br />

erfolgreich sein kann.<br />

Darüber hinaus hatten wir mit Eltern zu tun, die in der Verarbeitung<br />

und Akzeptanz der Trennung so weit auseinander lagen<br />

und bei denen Kränkungen noch so stark wirksam waren,<br />

dass das Bemühen, gemeinsam Lösungen zum Wohle der Kinder<br />

im Rahmen einer gemeinsamen Beratung zu erarbeiten,<br />

gegenwärtig blockiert war. Dann erarbeiteten wir mit den<br />

Eltern(teilen) alternative Hilfs- und Unterstützungsmöglichkeiten<br />

und / oder verwiesen an das Gericht zurück.<br />

Die Mehrheit der von uns beratenen Eltern zeigte das Bewusstsein,<br />

dass es für die kindliche Entwicklung bedeutsam<br />

ist zu beiden Eltern eine gute und tragfähige Beziehung<br />

leben zu können, und die Eltern das Anliegen hatten eine<br />

Regelung zu schaffen, die einen regelmäßigen Kontakt zu<br />

beiden Eltern ermöglicht.<br />

Wir erleben also sowohl Beratungsprozesse, in denen Eltern<br />

einvernehmliche Regelungen für ihre Kinder erarbeiten kön-<br />

© rico-kühnel_pixelio.de


29<br />

nen, als auch Klärungsprozesse, die zu dem Ergebnis kommen,<br />

dass dies – wie oben beschrieben - derzeit nicht möglich<br />

ist. Unserer Erfahrung nach sind beide Prozesse unseren<br />

fachlichen Einsatz wert. Auch wenn unsere Beratung in manchen<br />

Fällen zu keiner einvernehmlichen Umgangsregelung<br />

führte, konnte sie einen wertvollen Beitrag zur Klärung und<br />

Orientierung für die Eltern, aber auch für das Gericht und das<br />

Jugendamt leisten. Unsere Rückmeldung an das Gericht und<br />

an das Jugendamt ermöglicht diesen einzuschätzen, wie sie<br />

wieder mit ihren jeweils eigenen Möglichkeiten tätig werden<br />

müssen.<br />

Die Beratungsarbeit im Rahmen des Münchner Modells erfahren<br />

wir als eine, v.a. für die von Trennung/Scheidung be-<br />

troffenen Familien lohnende Aufgabe. Im besten Falle können<br />

auch zeit- wie kostenintensive und höchst belastende<br />

juristische Auseinandersetzungen vermieden oder verringert<br />

werden. Dadurch werden auch die betroffenen Kinder deutlich<br />

entlastet und die familiären Beziehungen gestärkt. Diese<br />

Arbeit beansprucht jedoch zweifellos zeitliche und personelle<br />

Ressourcen. Es bleibt zu wünschen, dass hierfür den Erziehungsberatungsstellen<br />

ausreichend Mittel zur Verfügung<br />

gestellt werden.<br />

Ilse Herath-Schugsties (ebz)<br />

Andreas Schwarz (Caritas)<br />

Ökumenische Erziehungs-, Jugend- und Familienberatungsstelle<br />

Neuperlach<br />

2.6 Onlineberatung - Mitarbeit in der virtuellen Beratungsstelle der Bundeskonferenz<br />

für Erziehungsberatung und beim evangelischen Beratungsportal<br />

Rückblick<br />

Seit dem 01.10.2006 beteiligt sich die Erziehungsberatung<br />

(EB) des ebz mit 5 Wochenstunden an der bundesweiten<br />

virtuellen Beratungsstelle der Bundeskonferenz für<br />

Erziehungsberatung (bke). Aus den ursprünglich geplanten<br />

18 Monaten Mitarbeit wurden inzwischen 4 Jahre. Die<br />

zunächst befristete Mitarbeit wurde von Seite des ebz in eine<br />

unbefristete umgewandelt. Durch diese Kontinuität kann<br />

weiterhin ein bundesweites Team von insgesamt 90 Berater/<br />

innen der virtuellen Beratungsstelle unterstützt werden.<br />

Unter den beiden Adressen www.bke-elternberatung.de und<br />

www.bke-jugendberatung.de werden Hilfe suchende Eltern<br />

und Jugendliche fachlich beraten. Ratsuchende als auch<br />

Berater/innen bleiben hierbei weitestgehend anonym, da<br />

die virtuelle Beratungsstelle unter einem selbst gewählten<br />

Pseudonym (Nickname) betreten wird. Hierdurch wird<br />

die Zugangsschwelle für die Ratsuchenden so niedrig wie<br />

möglich gehalten.<br />

Einblick<br />

Auf der Plattform der virtuellen Beratungsstelle stehen<br />

zwei unterschiedliche Beratungsformen zur Auswahl: die<br />

Einzelberatung und die Gruppenchats. Die Einzelberatung<br />

erfolgt über eine geschützte Mail oder Einzelchatkontakte.<br />

Hierbei wird zugesichert, dass eine Erstanfrage innerhalb<br />

von 48 Stunden beantwortet wird, Folgemails gehen dann<br />

jeweils an den/die Berater/in, der/die bereits die Erstanfrage<br />

beantwortet hat. Ein Gruppenaustausch mit anderen<br />

Ratsuchenden ist in Themenchats und offenen Chats möglich,<br />

die täglich angeboten werden, teilweise auch am Abend und<br />

an den Wochenenden. Inzwischen stehen täglich mindestens<br />

ein bis zwei Chats für Eltern und vor allem für Jugendliche<br />

zur Verfügung, die dieses Angebot sehr rege nutzen, sodass<br />

jeder Chat voll belegt ist. Darüber hinaus kann die Anfrage<br />

in Foren gepostet werden, die auch für nicht eingeloggte<br />

Besucher/innen einsehbar sind und 24 Stunden am Tag zur<br />

Verfügung stehen.<br />

Entwicklung<br />

Im Jahre 2000 wurde das Online-Beratungsangebot von<br />

der bke als Projekt ins Leben gerufen. Inzwischen hat es<br />

sich zu einer festen Institution in der Beratungslandschaft<br />

etabliert und gehört mit cirka 50.000 eingeloggten User/<br />

innen zum größten Angebot seiner Art. Ähnlich wie bei<br />

der anonymen Telefonberatung werden über das Internet<br />

Ratsuchende angesprochen, die zunächst nicht zum üblichen<br />

Beratungsstellenklientel gehören. Daher stellt die virtuelle<br />

Beratungsstelle eine wichtige Ergänzung zur Face-to-Face-<br />

Beratung dar. Mit fast 18.000 Zugriffen im Jahr 2010 steht<br />

München auf Platz 1 im bundesweiten Vergleich.<br />

Qualitätssicherung<br />

Als Mitarbeiter der EB führe ich neben der Einzelberatung von<br />

Jugendlichen und Eltern per Mail zweimal im Monat einen<br />

zweistündigen Gruppenchat für jeweils 10 Jugendliche durch<br />

und einmal im Monat mit einer Kollegin einer norddeutschen<br />

Beratungsstelle zusammen einen zweistündigen gemeinsamen<br />

Eltern-Jugendchat für 6 Jugendliche und 6 Eltern. Als<br />

virtueller Berater der zweiten Generation sehe ich eine<br />

Verantwortung, mich um die Qualitätssicherung zu kümmern.


30<br />

Beratungsstandards und Beratungsinterventionsformen<br />

werden von mir herausgearbeitet und allen Kolleg/innen zur<br />

Verfügung gestellt. Dadurch kann eine Weiterentwicklung<br />

dieser wichtigen Beratungsform erfolgen, die inzwischen aus<br />

ihren experimentellen Kinderschuhen herausgewachsen ist.<br />

Neben einer kontinuierlichen Öffnung für neue Mitarbeiter/<br />

innen macht ein wenigstens kleiner kontinuierlicher<br />

Mitarbeiter/innenstamm Sinn, um nicht immer wieder von<br />

vorne beginnen zu müssen, sondern die Beratungskriterien<br />

weiter zu entwickeln und auf bereits gemachten Erfahrungen<br />

aufzubauen und diese an die neuen Kolleg/innen weiter zu<br />

geben.<br />

Ergänzung<br />

Neben der bundesweiten Beratungsplattform beteiligt sich<br />

die EB auch an der stärker regional organisierten Plattform<br />

von Diakonie und evangelischer Kirche. Unter www.<br />

evangelische-beratung.info können sich Ratsuchende von<br />

der jeweils regionalen evangelischen Beratungsstelle per<br />

Mail beraten lassen. Diese Beratung erfolgt weniger anonym<br />

als dies bei der bke der Fall ist. Neben einer ausschließlichen<br />

Beratung per Mail ist es hier auch möglich eine Face-to-<br />

Face-Beratung mit einer Mail-Beratung zu koppeln, was<br />

insbesondere Jugendliche für sich nutzen. Sie schreiben<br />

aus der sie belastenden Situation heraus, um dann im<br />

nächsten Beratungstermin eine Reflexion mit dem Berater/<br />

der Beraterin vorzunehmen. Außerdem steht damit eine<br />

datengeschützte Beratungsplattform zur Verfügung, die<br />

auch dazu geeignet ist, einen Austausch mit Klient/innen der<br />

EB zu ermöglichen. Der Zugriff erfolgt über die Website des<br />

ebz. Die EB ist hierbei innerhalb des ebz in guter Gesellschaft,<br />

da sich die Schwangerschaftsberatung ebenfalls an diesem<br />

Angebot beteiligt und die Telefonseelsorge inzwischen über<br />

ihre eigene Plattform Sorgenchats anbietet.<br />

Ratsuchende<br />

Mit den genannten Angeboten<br />

werden niederschwellige<br />

Beratungsformen angeboten,<br />

die insbesondere benachteiligte<br />

junge Eltern, Alleinerziehende,<br />

aber auch Eltern<br />

im ländlichen Raum, sowie<br />

Jugendliche ansprechen,<br />

die von sich aus den Weg in<br />

die Beratungsstelle nicht so<br />

leicht finden würden. Über<br />

das Internet können diese<br />

Ratsuchenden erste Beratungserfahrungen<br />

machen<br />

oder bereits gemachte Erfahrungen mit anderen austauschen.<br />

Letztendlich wird durch die anonyme Online-Beratung<br />

eine Lücke in der Beratungslandschaft geschlossen. Dadurch<br />

werden nun alle möglichen Formen der Beratung gleichermaßen<br />

im ebz praktiziert, wobei jede Form der Beratung ein<br />

eigenes Klientel anspricht. Die Telefonberatung, die Online-<br />

Beratung und die klassische Face-to-Face-Beratung existieren<br />

nun nebeneinander und ergänzen sich gegenseitig. Von<br />

der praktischen Erfahrung mit diesen Formen der Beratung<br />

profitieren alle Mitarbeiter/innen der Beratungsstelle. Die Erfahrungen<br />

werden auch Kolleg/innen durch die Teilnahme an<br />

Symposien und Kongressen weitergegeben. Im letzten Jahr<br />

habe ich an den Kinderschutztagen zum Thema „Sexualisierte<br />

Gewalt“ und an einem städtischen Symposium zum Thema<br />

„Frühe Förderung“ über das Angebot berichtet.<br />

Fachlichkeit<br />

Wichtig erscheint mir, dass die Berater/innen der virtuellen<br />

Beratungsstelle der bke jeweils Mitarbeiter/innen einer Erziehungsberatungsstelle<br />

sind, da dadurch praktische Erfahrungen<br />

vorliegen, die den Abwägungsprozess unterstützen,<br />

welche Beratungsform für die Ratsuchende am geeignetsten<br />

erscheint. Unter keinen Umständen sollte dieses wichtige und<br />

zukunftsweisende Beratungsangebot dubiosen Beratungseinrichtungen<br />

im Internet überlassen werden. Letztendlich<br />

nutzt der Aufwand auch den Beratungsstellen vor Ort, da<br />

über die virtuelle Beratung die Zugangswege zur Beratungsstelle<br />

für Eltern und Jugendliche erleichtert werden. Um auch<br />

weiterhin unterschiedliche Medien der Beratung effektiv anbieten<br />

zu können, erscheint es sehr wichtig, dass die Berater/<br />

innen nicht ausschließlich eine Form der Beratung kennen<br />

und praktizieren, sondern ein Gespür dafür haben, welches<br />

Medium wann und für welche Themen und Ratsuchende das<br />

Passendste ist.<br />

Professionalität<br />

Eine differenzierte Betrachtung der einzelnen virtuellen<br />

Beratungsmöglichkeiten zeigt, dass die Beratung per Mail<br />

ähnlich anonym wie die Telefonberatung ist, jedoch einen<br />

kontinuierlicheren Beratungsverlauf zulässt und daher<br />

eine gewisse Ähnlichkeit mit der Face-to-Face-Beratung<br />

aufweist. Hingegen geht es in der Beratung via Chat vor<br />

allem um das gegenseitige Coaching der Teilnehmer/innen,<br />

um „Peergroup Empowerment“ und um Hilfe zur Selbsthilfe<br />

im klassischen Sinne. Nicht zu unterschätzen sind die<br />

professionelle Moderation und die fachlichen Beiträge<br />

vonseiten des Beraters/der Beraterin, was die meist positiven<br />

Rückmeldungen der Teilnehmer/innen deutlich machen.<br />

Sehr gewinnbringend erlebe ich den Austausch zwischen<br />

Eltern und Jugendlichen in den angebotenen Eltern-<br />

© ebz


31<br />

Jugendlichen-Chats. Hier outen sich auch minderjährige<br />

Eltern und lassen sich unterstützen. Die Chats mit offenen<br />

Themenangeboten werden ergänzt durch Themenchats,<br />

die sich intensiv einem aktuellen Thema widmen, wie etwa<br />

den Fragen zur Entwicklung, zu speziellen Fragen, die das<br />

Jugendalter oder spezielle Lebensumstände oder bestimmte<br />

Symptome betreffen. Hierbei wird versucht am Puls der Zeit<br />

zu sein, und den Anliegen der Ratsuchenden gerecht zu<br />

werden. Die Themenchats werden neben der herkömmlichen<br />

Moderation auch durch Expert/innen ergänzt, seit einiger<br />

Zeit gibt es daher auch extra Themen-Chat-Wochen. Wichtig<br />

bei den Chats ist, dass die Teilnehmer/innen auch die<br />

Möglichkeit haben, sich nur passiv zu beteiligen und so von<br />

den Erfahrungen der Aktiven zu partizipieren. Die offenste<br />

und damit niederschwelligste Form des Angebots stellt aber<br />

das Forum dar, dort können auch nicht angemeldete Gäste<br />

sich Informationen zu speziellen Themen holen, die andere<br />

in Frageform vorab gepostet haben. Die Fragestellungen<br />

der Ratsuchenden sind hierbei genauso vielfältig wie die<br />

Kommentare der Lesenden.<br />

Niederschwelligkeit<br />

Für jemanden, der Vorurteile oder Befürchtungen vor einer<br />

Beratung hat, sind die niederschwelligen Beratungsformen<br />

sicherlich die Hilfreichsten um Vorbehalte abzubauen. Die<br />

virtuelle Beratung wird daher z.B. von Jugendlichen genutzt,<br />

die im realen Leben einer Vielzahl von Gewalterfahrungen<br />

ausgesetzt waren und sich daher in eine anonyme Welt<br />

geflüchtet haben, in der sie sich geschützter fühlen, ohne<br />

auf ihre Sehnsucht nach Austausch und sozialer Teilhabe,<br />

verzichten zu müssen. Ein Blick auf deren Nicknames macht<br />

dies deutlich. Sie nennen sich „Blackangel“, „Lonelyflower“,<br />

„borderline“, „träne“, „cry“, „DeathSoul“, „lonelyheart“,<br />

„BloodyAngel“ oder „looser“ und machen dadurch deutlich,<br />

was in ihnen vorgeht bzw. auf welchem Erfahrungshintergrund<br />

die Hilfesuche erfolgt. Dementsprechend sind sie in den<br />

offenen Forenbereichen und in den Gruppenchats sehr<br />

vorsichtig, was das Thematisieren von Gewalterfahrungen<br />

durch andere Jugendliche anbetrifft, wohl wissend, dass<br />

sie sich sonst wieder angreifbar machen und erneut<br />

gewalttätigen Attacken ausgesetzt sein könnten. Dennoch<br />

ist ihre Sehnsucht gesehen und anerkannt zu werden so<br />

groß, dass sie immer wieder sehr viel Persönliches von sich<br />

preisgeben und die eigentlich gewählte Anonymität von<br />

sich aus verlassen, indem sie versuchen, auch reale Kontakte<br />

aufzubauen. Dementsprechend groß ist die Verantwortung<br />

der professionellen Moderator/innen der Chats und der Foren,<br />

höchst achtsam und sensibel zu prüfen, wann und wie sie<br />

bei Grenzverletzungen einschreiten müssen. Bei den Berater/<br />

innen und Moderator/innen in der virtuellen Beratungsstelle<br />

der bke handelt es sich daher ausschließlich um erfahrene<br />

Berater/innen, die diesbezüglich sehr gut fortgebildet wurden<br />

und in einem kontinuierlichen kollegialen Austausch stehen.<br />

Grenzerfahrung<br />

Die Ratsuchenden werden von vornherein darüber<br />

aufgeklärt, dass sie sich an die Regeln halten müssen. Hierzu<br />

gehört der achtsame Umgang mit persönlichen Daten, da<br />

außer im Bereich der Mail-Beratung und der Einzelchats<br />

kein absoluter Schutz möglich ist, da die Personen ihre<br />

Identität und ihren Account immer wieder ändern können.<br />

Außerdem hinkt man als Administrator/in einer solchen<br />

Beratungsplattform permanent hinterher, was das Editieren<br />

anbelangt, da die Datenfülle sehr groß und der Datenfluss<br />

sehr schnell vonstatten geht. Daher muss man immer sehr<br />

sensibel abwägen, wann man wie einschreitet, weil man<br />

sonst massiver Kritik im Hinblick auf Möglichkeit der freien<br />

Meinungsäußerung vonseiten der Jugendlichen ausgeliefert<br />

ist. Dies gilt auch für die Chat-Moderation, insbesondere<br />

für den Bereich des „Flüsterns“, d.h. der persönlichen<br />

Kontaktaufnahme im Chat, ohne dass die Kommunikation im<br />

öffentlichen Bereich sichtbar wird. Dennoch wird auch von<br />

den User/innen eingefordert, dass die Moderator/innen sich<br />

um eine adäquate Form der Grenzsetzung bemühen.<br />

Prävention<br />

Auch im Hinblick auf die Prävention scheint die virtuelle<br />

Form der Beratung sehr geeignet zu sein, da wichtige Aspekte<br />

erfüllt werden:<br />

- Die Teilnehmer/innen werden dort abgeholt, wo sie sind,<br />

im Internet.<br />

- Das Angebot ist anonym.<br />

- Das Angebot ist niederschwellig.<br />

- Es gibt einen leichten Zugang zu Informationen.<br />

- Auch die passive Teilhabe ist möglich.


32<br />

- Es erfolgt eine soziale Anbindung.<br />

- Es gilt die Hilfe zur Selbsthilfe.<br />

- Es wird ein geschützter Raum auch für brisante<br />

Informationen und Themen zur Verfügung gestellt.<br />

- Es gibt eine professionelle Begleitung mit Kenntnis<br />

in Diagnostik und dem Wissen über weiterführende<br />

Unterstützungsmöglichkeiten.<br />

- Die Beratung erfolgt bedarfsorientiert.<br />

- Eine schnelle Erreichbarkeit ist möglich.<br />

- Es erfolgt eine sofortige Entlastung.<br />

- Es gibt ein breit gefächertes Angebot.<br />

- Die Beratung ist kostenfrei.<br />

Resümee<br />

Aufgrund der gemachten Erfahrung erscheint es nicht<br />

sinnvoll die unterschiedlichen Formen der Beratung<br />

gegeneinander abzuwägen, insbesondere was die<br />

Kosten- und Nutzenrechnung anbelangt, weil das die<br />

Beratungskomplexität ungünstig reduzieren würde und<br />

weder den Ratsuchenden, noch den Berater/innen gerecht<br />

werden würde. Eine kontinuierliche Weiterentwicklung<br />

und insbesondere die zunehmende Verzahnung der<br />

unterschiedlichen Beratungsangebote erscheint daher<br />

zukunftsweisender und letztendlich gewinnbringender zu<br />

sein.<br />

Jürgen Wolf<br />

Erziehungsberatung


2. Ökumenischer<br />

Kirchentag München<br />

33<br />

ÖKT


34<br />

3.1 „Mancher Knoten lässt sich lösen“<br />

Die evangelische Schwangerschafts-<br />

(konflikt)beratung auf dem ÖKT<br />

Vom 13.05.-15.05.2010 präsentierte sich die evangelische<br />

Schwangerschaftsberatung mit einem Stand auf dem<br />

2. Ökumenischen Kirchentag in München. Die Schwangerschaftsberatung<br />

im ebz hatte im Auftrag des Diakonischen<br />

Werkes Deutschlands und des bayerischen Landesverbandes<br />

die Planung und Organisation übernommen. Der Stand wurde<br />

mit mehr als 1500 aktiven Besucher/innen zu einem stark<br />

nachgefragtem Angebot in den drei Tagen. Jugendliche und<br />

Erwachsene konnten sich hier über das Thema „Schwangerschaftskonflikt“<br />

informieren und sich über ein interaktives<br />

Angebot mit der Bandbreite an Motiven und Einflussfaktoren<br />

für das Erwägen eines Schwangerschaftsabbruches auseinandersetzen<br />

und rechtliche, ethische und religiöse Standpunkte<br />

kennen lernen.<br />

- „Stimmt es, dass die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche<br />

stetig steigt, weil es immer mehr minderjährige Schwangere<br />

gibt?“ (Beide Behauptungen in der Frage treffen übrigens<br />

nicht zu)<br />

- „Woran merkt man, dass man verliebt ist?“ (Ein 5-jähriger<br />

Junge antwortete: „Wenn man das Mädchen besonders gerne<br />

ärgert“).<br />

- „Wie viele Paare erleben nach der Geburt eines gemeinsamen<br />

Kindes eine schwere Krise?“<br />

- „Was schätzen Sie, wie viele Frauen erkranken nach einer<br />

Geburt an einer Depression?“<br />

Mit Hilfe dieser und anderer Fragen gelang es uns, mit den<br />

Menschen ins Gespräch zu kommen und auch so manches<br />

Missverständnis oder Vorurteil auszuräumen bzw. für heikle<br />

Themen zu sensibilisieren.<br />

Die Berater/innen am Stand haben an diesen Tagen ein<br />

durchweg interessiertes und offenes Publikum erlebt. Sehr<br />

viele Besucher/innen äußerten allerdings auch, dass sie vorher<br />

noch nicht gewusst hätten, dass es Beratungsstellen gibt,<br />

die rund um die Themen Sexualität, Schwangerschaft und<br />

Elternzeit beraten. Oft wird Schwangerschaftsberatung immer<br />

nur mit der klassischen Konfliktberatung assoziiert.<br />

Manche äußerten sich ausdrücklich erfreut, dass sich hier<br />

„Evangelische Kirche mal nicht verstaubt, moralisierend und<br />

lustfeindlich gezeigt hat“ (so ein Teilnehmer).<br />

Sabine Simon<br />

Schwangerschaftsberatung<br />

Auf der anderen Seite konnten Kinder, Jugendliche und Erwachsene<br />

ihr Wissen rund um die Themenbereiche Sexualität,<br />

Schwangerschaft, Partnerschaft, Verhütung mit Hilfe<br />

eines „Glücksrades“ testen. Nach Drehen des Glücksrades<br />

konnte man nach Altersgruppen und Themen differenzierte<br />

Fragen beantworten oder den „Kondomführerschein“ machen.<br />

Als Belohnung gab es Süßes oder auch ein Kondom. So<br />

bestanden mehr als 570 Besucher/innen ihren „Kondomführerschein“,<br />

wobei sich zeigte, dass die Jugendlichen und jungen<br />

Erwachsenen oftmals besser die zu beachtenden Aspekte<br />

bei der Kondombenutzung kannten als ältere Erwachsene.<br />

Die Fragen am Glücksrad lauteten zum Beispiel:<br />

- „Wann ist die richtige Zeit für das 1. Mal?“<br />

- „Stimmt es, dass frühe Aufklärung auch zu immer früheren<br />

Sex bei Jugendlichen führt?“<br />

- „Welche zwei Aspekte sind Frauen und Männer am wichtigsten<br />

in der Partnerschaft?“<br />

© ebz<br />

3.2 „Es ist gut, dass es euch gibt!“ -<br />

TelefonSeelsorge auf dem ÖKT<br />

Mit einem eigenen Stand auf der Agora, dem Markt der Möglichkeiten,<br />

präsentierte die TelefonSeelsorge an drei Tagen<br />

ihre Arbeit. Erstmals kamen die neuen Materialien für Öffentlichkeitsarbeit<br />

zum Einsatz. Vor Ort von der evangelischen<br />

und der katholischen TelefonSeelsorge München vorbereitet,<br />

unterstützten ehrenamtliche und hauptamtliche Mitarbeiter<br />

aus ganz Bayern in der Standbesetzung. Im Vorfeld hatten<br />

wir uns für einen Besucherstand entschieden und damit gegen<br />

einen Stand, an dem auch Beratung stattfindet. Für Ratsuchende<br />

gab es auf dem Kirchentag ein eigens eingerichtetes<br />

Beratungszentrum, das den notwendigen Schutzraum<br />

bieten konnte, der an einem Stand nicht möglich ist.<br />

Viele Mitarbeitende aus anderen Telefonseelsorgen Deutschlands<br />

besuchten den Stand gezielt, um in der Fremde vertraute<br />

TS-Luft schnuppern zu können. Es kamen zahlreiche


35<br />

fenden Betrieb zu betreuen (Räume, Logistik, Verpflegung)<br />

und schlussendlich den Standort wieder abzubauen.<br />

© ebz<br />

Besucher/innen, die im Vorbeischlendern sich Bonbons holten<br />

um dann doch zu einem kleinen Informationsgespräch<br />

zu verweilen. So manches wurde dann unverhofft eine kleine<br />

Lebensberatung: „Es ist gut, dass es Euch gibt! Ich hatte<br />

mir auch schon überlegt, ob ich nicht anrufen sollte, wenn<br />

ich mit meinen erwachsenen Söhnen nicht klar komme“ und<br />

schon war’s passiert! Nachfrage, Interesse und Verständnis,<br />

ein offenes Ohr bereitetet den Boden zu manchem persönlichen<br />

Gespräch mit einer Lösungsidee am Ende. Mit dem<br />

Erfolg, dass die Besucher/innen leichter von dannen zogen,<br />

wieder Zuversicht fanden vor der nächsten Meditation. Die<br />

TelefonSeelsorger/innen blieben beglückt zurück, weil das<br />

Zuhören ihrem Selbstverständnis doch mehr entspricht als<br />

das Präsentieren und Werben. Die jungen Besucher/innen<br />

verweilten gern an unserem Stand, hier konnten sie mit dem<br />

rosa Kuscheltelefon spielen (auf dem Kirchentag darf man<br />

das!) und nebenbei erleben, dass TelefonSeelsorge auch Jugendliche<br />

in ihrem So-Sein ernst nimmt. Das miteinander<br />

Lachen tat allen gut.<br />

Jürgen Arlt<br />

TelefonSeelsorge<br />

3.3 Beratungsstelle auf Zeit<br />

Ein ökumenischer Kirchentag braucht ökumenische Gremien.<br />

Traditionell ist bei Deutschen Evangelischen Kirchentagen<br />

(DEKT) die evangelische Ehe- und Erziehungsberatungsstelle<br />

vor Ort zuständig, die Beratungsstelle auf Zeit einzurichten.<br />

Dies geschieht in Abstimmung mit dem Ständigen Ausschuss<br />

für Psychologische Beratung und Seelsorge, dem regionalen<br />

landeskirchlichen Beauftragten für Beratung sowie den<br />

Programmverantwortlichen und den Architekten des DEKT.<br />

Es gilt den Beratungsstandort während des Kirchentags die<br />

„Beratungsstelle auf Zeit“ zu planen, einzurichten, den lau-<br />

Für das Beratungsangebot beim 2. ÖKT in München – der<br />

Träger des Beratungsangebots war der ÖKT -war im Vorfeld<br />

eine neue übergeordnete ökumenische (aus evangelischen,<br />

katholischen und freikirchlichen Teilnehmer/innen zusammengesetzte)<br />

und möglichst paritätische Gremien- und Verantwortungsstruktur<br />

aufzubauen. Auf die Erfahrungen des<br />

1. Ökumenischen Kirchentags in Berlin konnte wegen der im<br />

Wesentlichen regionalen Verantwortlichkeiten kaum zurückgegriffen<br />

werden. Diese Prozesse im Vorfeld, die schließlich<br />

aufgrund des persönlichen Engagements der Beteiligten zufriedenstellend<br />

gelöst wurden, verzögerten den Beginn der<br />

direkten, operativen Planung des Beratungsangebots sehr.<br />

Die Leitung der für das Beratungsangebot zuständigen Projektkommission<br />

lag in einer Doppelspitze: auf evangelischer<br />

Seite bei Elisabeth Breer, Diakonisches Werk Bayern, und auf<br />

katholischer Seite bei Monika Kraus, Erzdiözese Passau. Mitglieder<br />

der Projektkommission waren Delegierte des Ständigen<br />

Ausschusses für Psychologische Beratung und Seelsorge<br />

des DEKT sowie von katholischer und freikirchlicher Seite benannte<br />

Fachkräfte der Einzel- und Gruppenberatung sowie<br />

der Geistlichen Begleitung.<br />

Die Entscheidung, dass ein Beratungsstandort im Messegelände<br />

in der Halle des Geistlichen Zentrums liegen sollte,<br />

erforderte im Vorfeld von den beiden ökumenischen Verantwortlichen<br />

der Beratung und von der Projektkommission<br />

vielfältige „strategische“ Abstimmungen mit den anderen<br />

„Anbietern“ in der Messehalle.<br />

Operative und logistische Aufgaben für das Beratungsangebot<br />

beim ÖKT<br />

Die direkte operative Planung und die logistische Umsetzung<br />

des Beratungsangebots in der Halle des Geistlichen Zentrums<br />

wurde sowohl von katholischer als auch von evangelischer<br />

Seite der ökumenisch zusammengesetzten Münchner Logistikgruppe<br />

übertragen. Die Gruppe bestand aus den drei Mitgliedern<br />

der Projektkommission: Alfred Haslbeck, dem Leiter<br />

der katholischen Eheberatung (mit den 2 von ihm benannten<br />

Mitarbeitenden der katholischen Eheberatung Claudia Thomas<br />

und Sabine Rusnak), der Leiterin der Eheberatung des<br />

ebz, Barbara Alt-Saynisch (mit den 2 von ihr benannten Mitarbeitenden<br />

der Erziehungsberatung Barbara Reiß und Theo<br />

Kornder) sowie einer Fachkraft mit freikirchlichem Hintergrund,<br />

Bettina Weidenbach, Ludwigsburg. Die Federführung<br />

lag aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung in Beratung und<br />

Schichtleitung bei Kirchentagen bei Barbara Alt-Saynisch.


36<br />

das übergeordnete gemeinsame Thema der Halle des Geistlichen<br />

Zentrums auf und gab ihm im Beratungszentrum Platz.<br />

Mit Unterstützung von Bettina Irschl aus der Telefonseelsorge<br />

waren schnell sehr engagierte Helfer/innen (jugendliche<br />

Kinder von Mitarbeitenden in der TS mit ihren Freunden) für<br />

die Arbeit in der Teeküche gefunden. Auch Ilse Pfeuffer und<br />

Tanja Doreth vom Diakonischen Werk Nürnberg halfen in der<br />

Teeküche mit.<br />

Martin Breer<br />

©<br />

Diese große Aufgabe wurde in insgesamt 6 Treffen vor dem<br />

ÖKT, mit viel Vorbereitungszeit zwischen den einzelnen Treffen<br />

(insbesondere in den Monaten unmittelbar vor dem ÖKT)<br />

und im Dauereinsatz während des ÖKT mit Erfolg bewältigt.<br />

Die Gruppe war vorwiegend für Logistik, Planung der Räumlichkeiten,<br />

Errichtung und Betreuung des Beratungsangebots<br />

von 60 Fachkräften im „Zentrum für Psychologische Beratung,<br />

Seelsorge und Geistliche Begleitung“ in Messehalle B2<br />

innerhalb des Geistlichen Zentrums (über 700qm) zuständig.<br />

Die „Beratungsstelle auf Zeit“ bestand aus 16 Beratungskojen,<br />

1 Familienberatungsraum, 6 Gruppenräumen, Empfangsund<br />

Wartebereich, Schichtleitungsraum, Abstellraum, Teeküche,<br />

Mitarbeiterraum. Die Planung der Einrichtung, der Bestellung<br />

beim ÖKT und schließlich die Aufstellung des Mobiliars<br />

am Mittwoch vor dem ÖKT bedurften vieler Absprachen<br />

und intensiver Planung. Zusätzlich war neben der Pausenverpflegung<br />

für die Berater/innen im Zentrum auch für die Verpflegung<br />

des zweiten Beratungsstandortes auf der Agora in<br />

einer anderen Messehalle mit ca. 40 Berater/innen zu sorgen.<br />

Dafür wurden für beide Standorte Helfer/innen engagiert.<br />

Von Barbara Alt-Saynisch wurden für die Beratungsstandorte<br />

und als Information für die ÖKT-Programmangebote zum<br />

aktuellen Thema Sexuelle Gewalt Adresslisten über die bundesweite<br />

und regionale Beratung zu dieser Thematik erstellen.<br />

Diese vor allem in diesem Umfang ungewohnten logistischen<br />

Aufgaben erfolgreich zu bewältigen war möglich, da<br />

in der Gruppe die Aufgaben nach persönlichen Kompetenzen,<br />

Interessen und praktischen Fertigkeiten verteilt waren, z.B.<br />

stand uns der Transporter von Theo Kornder für den Einkauf<br />

der Lebensmittel und für selbst zu beschaffendes Mobiliar<br />

zur Verfügung, seine Frau unterstützte ihn ehrenamtlich<br />

beim Einkauf. Barbara Reiß konnte auf ihre Erfahrung beim<br />

Münchner Kirchentag in der Marktberatung zurückgreifen.<br />

Bettina Weidenbach schmückte parallel ihre Beratungsstelle<br />

in Ludwigsburg neu mit Bildern von Wassermotiven und mit<br />

Blumengestecken und konnte diesen Schmuck für die Beratungskojen<br />

vorübergehend ausleihen. Das Thema Wasser griff<br />

Wer waren die Berater/innen?<br />

Berufen zur Beratung beim ÖKT wurden von den in der Projektkommission<br />

vertretenen Untergruppierungen Berater/<br />

innen von evangelischen, katholischen und freikirchlichen<br />

Beratungsstellen aus ganz Deutschland, wie auch Berater/<br />

innen mit orthodoxem Hintergrund. Aus der Ehe-, Familienund<br />

Lebensberatung des ebz wurden Gisela Appelt und Willi<br />

Frings als Berater/innen im Zentrum für Beratung, Seelsorge<br />

und Geistliche Begleitung berufen und Helmut Brandmair<br />

als Gruppenleitung zum Thema „Meine Schuld erdrückt und<br />

lähmt mich und ich will doch leben“. Aus der Erziehungsberatung<br />

des ebz arbeitete Jürgen Wolf bei der „zugehenden<br />

Beratung“ auf der Agora. Insgesamt waren beim ÖKT an den<br />

beiden Beratungsstandorten im Zentrum und auf der Agora<br />

von Donnerstagmorgen bis Samstagabend aufgeteilt in<br />

2 Schichten ca. 100 Fachkräfte (Berater/innen, Psychotherapeut/innen,<br />

Gruppentherapeut/innen, Pfarrer/innen und<br />

Geistliche Begleiter/innen) tätig.<br />

Inanspruchnahme der Beratung<br />

Das Beratungsangebot im Zentrum für Beratung erfuhr vom<br />

ersten Tag an einen relativ kontinuierlichen hohen Zuspruch.<br />

Das Thema der sexuellen bzw. sexualisierten Gewalt spielte<br />

natürlich auch hier eine erhebliche Rolle: War am 1. Tag noch<br />

etwa jeder 8. Ratsuchende davon betroffen, so war es am 2.<br />

Tag jeder 6. und am dritten Tag jeder 4. Insgesamt nahmen<br />

an den beiden Beratungsstandorten (Zentrum und Agora)<br />

1327 Besucher/innen für all ihre komplexen Lebens- und<br />

Beziehungsthemen die verschiedenen Angebote der Psychologischen<br />

Beratung, Seelsorge und Geistlichen Begleitung in<br />

Anspruch: Beratungsgespräche im engeren Sinne, Beratungsgespräche<br />

im Zusammenhang mit sexualisierter Gewalt,<br />

Kurzkontakte, Gruppengespräche, Beichten (aus dem Bericht<br />

von Frau Maria Dietzfelbinger für die Präsidialversammlung<br />

des DEKT vom 10.-12. Juni 2010 in Dresden). In vielfältigen<br />

schriftlichen Rückmeldungen mit sehr persönlichen und bewegenden<br />

Worten bedankten sich Ratsuchende in der anonymen<br />

Evaluation für die hilfreiche und professionelle Beratung.


37<br />

Persönliche Anmerkung<br />

Nach fast 10-jähriger Mitarbeit im Ständigen Ausschuss für<br />

Psychologische Beratung und Seelsorge des DEKT und zuvor<br />

als Beraterin bzw. später als Schichtleitung für die Beratung<br />

bei Deutschen Evangelischen Kirchentagen beendete ich im<br />

September 2010 meine Tätigkeit für die Kirchentage. Begonnen<br />

hatte ich diese 1993 beim Kirchentag in München. Mit<br />

dem Ökumenischen Kirchentag 2010 in München hat sich für<br />

mich die Tätigkeit, die ich sehr gerne getan habe, gerundet.<br />

Dr. Barbara Alt-Saynisch<br />

Ehe-, Familien- und Lebensberatung<br />

3.4 Meine Schuld erdrückt und lähmt<br />

mich und ich will doch leben<br />

Unter diesem Titel bot ich eine Gruppe auf dem 2. Ökumenischen<br />

Kirchentag in München an. Viele Teilnehmer/innen<br />

waren interessiert daran neben der theologischen Sichtweise<br />

des Themenkomplexes „Schuld“ auch die psychologischen<br />

Erklärungsmodelle rund um den Begriff „Schuld“ kennen zu<br />

lernen. Ich bezog mich hierbei vor allem auf den psychoanalytischen<br />

Begriff vom Über-Ich, der eng mit der Ausprägung<br />

einer Schuldempfindung verknüpft ist. Folgende Überlegung<br />

war für viele Teilnehmer/innen nachvollziehbar:<br />

Triebhafte Impulse aus dem Unbewussten (dem “Es“), oft gespeist<br />

durch Reste von Tagesempfindungen oder getriggert<br />

durch Erinnerungen aus der Vergangenheit, steigen auf: Das<br />

können z.B. Angst, Ärger, Wut, Sehnsucht, Trauer oder sexuelle<br />

Empfindungen sein. Diese Impulse werden damit bewusstseinsnah<br />

und müssen auf irgendeine Art und Weise von<br />

unserem bewussten „Ich“ gehalten, strukturiert und geordnet<br />

werden. Dieser Vorgang findet mehrmals am Tage statt und<br />

ist an sich völlig “normal“, denn die emotionale Triebhaftig-<br />

keit und Lebendigkeit sind uns angeboren. Schwierig wird es<br />

erst, wenn die Instanz des „Über-Ichs“ hinzukommt. Diese<br />

wird vom Kind erst erworben und ist nicht per se angeboren.<br />

Die Eltern-Instanzen sind hier bestimmend: Wertevorstellungen,<br />

die von den Eltern, der Familie, der Gesellschaft und der<br />

jeweiligen Religionsgemeinschaft vorgegeben werden, und<br />

an denen man sich orientieren und Halt finden kann. Nun<br />

geht es letztendlich darum die beiden Antipoden „Es“ und<br />

„Über-Ich“ gut verbindend in sich zu halten, wozu ein funktionierendes<br />

und stabiles „Ich“ notwendig ist. Stehen alle drei<br />

Instanzen in einem guten Einklang miteinander, so spricht<br />

man von einer ausgeglichenen Persönlichkeitsstruktur.<br />

Für viele Gruppenteilnehmer/innen war dieses psychoanalytische<br />

Regulationsmodell gut nachvollziehbar und hilfreich<br />

bei der Bewertung der eigenen Verstrickung in schuldbesetzte<br />

Prozesse. Im Gruppengespräch wurden die jeweils eigenen<br />

Erlebnisse, die schuldhaft verarbeitet wurden, vorgetragen.<br />

Im Schutz der Gruppe war es möglich, auf einer Ebene, die<br />

von Wohlwollen und gegenseitiger Wertschätzung getragen<br />

war, die jeweiligen Prägungen rund um den Schuldbegriff zu<br />

diskutieren und somit aufzulockern. Dieser Vorgang wurde<br />

von vielen als sehr druckmindernd erlebt („ach so kann man<br />

das auch sehen“). Besonders interessiert zeigten sich die Teilnehmer/innen,<br />

als ich auf den Vorgang der Verdrängung zu<br />

sprechen kam. Der Punkt, dass ein rigides Über-Ich-System,<br />

das nur Verdrängung vorsieht und keine Entlastungs- oder<br />

Sublimierungsmöglichkeiten zulässt, auch krankheitsfördernd<br />

sein kann und sich in psychosomatischen Beschwerden<br />

zeigen kann, war für viele sehr gut nachvollziehbar.<br />

Natürlich gab es auch lebhafte Diskussionen darüber, welche<br />

Vorstellung von Schuld (die evangelische, katholische,<br />

eine ganz private, die von Naturvölkern, eine psychoanalytische,<br />

pädagogische, philosophische oder andere) denn hier<br />

und jetzt auf dem Kirchentag die allgemein verbindliche<br />

und letztendlich gültige sei. In einer Gruppe kamen wir auf<br />

folgenden gemeinsamen Nenner: Es wurde still, eine Kerze<br />

wurde angezündet, und wir beteten gemeinsam das “Vater<br />

unser“.<br />

Helmut Brandmair<br />

Ehe-, Familien- und Lebensberatung<br />

©<br />

Martin Breer


38<br />

3.5 Beiträge zur Geschichte der Ökumene<br />

in Neuperlach<br />

Im Rahmen des Ökumenischen Kirchentages 2010 in München<br />

bot sich ein historisches Thema in München geradezu<br />

selbstverständlich an: die Geschichte des Ökumenischen<br />

Stephanszentrums in Neuperlach. Vier Referenten gaben<br />

dazu einen architektonischen, historischen, sozialpolitischen,<br />

kirchenpolitischen und sozialpsychologischen Überblick und<br />

konnten zudem alle an ihre persönlichen Erfahrungen mit<br />

der Entstehung dieses neuen Stadtteils anknüpfen.<br />

Vom Architekten Christoph Titze gab es einen interessanten<br />

historischen Überblick mit Bildern zur Entwicklung Neuperlachs<br />

aus städtebaulicher Sicht. Die Münchner Entlastungsstadt<br />

ist eines der größten Städtebauprojekte Deutschlands<br />

und in Fachkreisen international bekannt. Der Wohnring<br />

Neuperlach-Zentrum bekam in den 70er-Jahren den deutschen<br />

Architekturpreis.<br />

Der Sozialwissenschaftler Dr. Florian Straus konnte zur Entstehungsgeschichte<br />

Neuperlachs sowohl auf persönliche<br />

Truderinger Kindheitserinnerungen zurückgreifen als auch<br />

soziologische und sozialpsychologische Perspektiven der<br />

Entwicklung des Stadtteils markant beschreiben. So war in<br />

der Anfangsphase Ende der 60er-Jahre beispielsweise der<br />

bekannte Psychologe Alexander Mitscherlich beteiligt, da<br />

man eine Konzeption des verdichteten Wohnens unter humanen<br />

Aspekten wollte. Neuperlach wurde zu einem familienfreundlichen<br />

Stadtteil mit vielen Grünanlagen und verkehrsberuhigten<br />

Zonen. Außerdem erhielt Neuperlach von<br />

Anfang an eine der besten sozialen Infrastrukturen mit niedrigschwelligen<br />

sozialen Unterstützungs- und Beratungsangeboten<br />

sowie eine entsprechende frühzeitige professionelle<br />

Vernetzungsstruktur.<br />

Prälat Peter Neuhauser erlebt in den 70er-Jahren die Zeit des<br />

ökumenischen kirchlichen Aufbruchs. Seit dem zweiten Vatikanischen<br />

Konzil in den 70er-Jahren wurde die Kirche der<br />

Reformation anerkannt und damit die Hoffnung auf eine<br />

ökumenische Zusammenarbeit genährt. Die diakonisch-karitative<br />

Arbeit und der politische Einsatz für die Armen sollten<br />

nun gemeinsam gelingen, und Kirche und soziale Dienste<br />

sollten eines werden. Dies bildet sich noch heute im Stephanszentrum<br />

ab.<br />

Der einst langjährige Pfarrer der evangelischen Laetare-<br />

Kirche, Michael Göpfert, berichtet aus der Aufbruchsstimmung<br />

der Neuperlacher Gründerzeit, von der „ökumenischen<br />

Utopie“, vom kirchlichen Auftrag der Gemeinwesen-<br />

arbeit im Alltag wie auch vom gemeinsamen ökumenischen<br />

Abendmahl. Seit Ende der 90er-Jahre erleben die beiden<br />

Kirchen im Stadtbezirk allerdings einen bedeutenden demografisch<br />

bedingten Schrumpfungsprozess, der nun –<br />

40 Jahre nach der Stadtteilgründung – einen anstrengenden<br />

Rückbau von zu groß gewordenen Strukturen verlangt. Der<br />

neuen großen Bevölkerungsgruppe der Muslime in Neuperlach<br />

wünscht er ein sichtbares eigenes Gotteshaus und allen<br />

zusammen einen gelingenden interreligiösen Dialog. Die Vortragsreihe<br />

schließt er mit der Hoffnung auf eine Zukunft der<br />

Ökumene ganz nah am Menschen.<br />

Brigitte Manz-Gill (ebz)<br />

Ökumenische Erziehungsberatungsstelle<br />

München-Ramersdorf/Perlach<br />

3.6 Vom Telefon zum Internet<br />

Als Veranstaltung der TelefonSeelsorge in Deutschland gab es<br />

eine Podiumsdiskussion „Zukunft der Seelsorge: Vom Telefon<br />

zum Internet; Seelsorge in Neuen Medien“ in der Black Box<br />

im Gasteig. Auf dem Podium saßen zwei Leiter von Telefon-<br />

Seelsorgen, zwei Vertreter der katholischen und evangelischen<br />

Kirche, eine Wissenschaftlerin und eine Ehrenamtliche.<br />

Besonders die Beispiele, die die Ehrenamtliche aus ihrer Chatarbeit<br />

berichtete, berührten und hinterließen einen tiefen<br />

Eindruck. Wie etwa eine (nachempfundene) Aussage einer<br />

Ratsuchenden im Chat: „Ich habe mir einen Termin geholt,<br />

weil ich nicht sprechen kann, na ja, klar kann ich sprechen,<br />

aber irgendetwas ist in mir drin, das hindert mich.“ Petra<br />

Bosse-Huber, Vizepräses der Evangelischen Kirche im Rheinland<br />

skizzierte dazu in einer Pressemitteilung (aus der Presseerklärung<br />

des Landeskirchenamts der evangelischen Kirche<br />

im Rheinland, Präsidialkanzlei, 14. Mai 2010): „Seelsorge im<br />

Internet macht Angebote für Menschen, die sich dort aufhalten,<br />

dort leben. In gewisser Weise ähnelt dies auch wieder<br />

den Methoden des Paulus: die Kirche Jesu Christi dorthin zu<br />

bringen, wo es noch keine Gemeinden gibt ... weil es der Auftrag<br />

der Kirche ist.’ Auch die Anonymität des Web biete für<br />

viele Menschen Vorteile, die bei Problemen und Lebenskrisen<br />

keine kirchliche Beratungsstelle aufsuchen würden. Hier seien<br />

die anonymen Seelsorgerinnen und Seelsorger der Internetseelsorge<br />

... gute Anlaufstellen.“<br />

Bettina Irschl<br />

TelefonSeelorge


Pressespiegel<br />

39<br />

Pressemitteilung<br />

Sadt und<br />

Landkreis<br />

Münchner<br />

Merkur<br />

AZ<br />

SZ<br />

Sonntagsblatt


Pressespiegel<br />

4 Sonntagsblatt TITELTHEMA<br />

Nr. 11 • 14. März 2010<br />

40<br />

Ein Platz im Herzen<br />

Die Trauer nach einem Schwangerschaftsabbruch – ein besonderer Gottesdienst für Betroffene<br />

Die evangelische Kirche berät Schwangere in<br />

Konfliktfällen, auch wenn die Beraterinnen und<br />

Berater dabei selbst in ein ethisches Dilemma<br />

geraten. Ein besonderer Gottesdienst in der<br />

Markuskirche in München am 29. März wendet<br />

sich besonders an Menschen, die als Ärzte,<br />

Schwestern, Pfleger oder als Beraterinnen mit<br />

diesen Fragen befasst sind – und vor allem an<br />

Frauen und ihre Partner, die einen Abbruch hinter<br />

sich haben – aber auch an Begleiter und Freunde.<br />

Die Entscheidung, eine Schwangerschaft<br />

abzubrechen, fällt niemandem leicht. In<br />

der Regel ist eine Notlage der Grund, weshalb<br />

eine Frau sich nicht in der Lage fühlt, ihr ungeborenes<br />

Kind auszutragen. Nach dem Eingriff<br />

stellt sich oft zunächst Erleichterung ein.<br />

Manchmal melden sich aber auch Gefühle der<br />

Schuld und Trauer. Über solche Gefühle zu<br />

sprechen ist schwierig; sie sind schambesetzt<br />

und oft tabu. Manchmal tauchen solche Gefühle<br />

auch erst viel später auf und äußern sich<br />

durch seelische oder körperliche Belastungen.<br />

Wie ist Versöhnung mit dem Entschluss von<br />

damals möglich – und gegebenenfalls mit dem<br />

ungeborenen Kind?<br />

Diese Thematik ist der Hintergrund eines<br />

Gottesdienstes, zu dem das Evangelische Beratungszentrum,<br />

die Krankenhausseelsorge,<br />

das Spirituelle Zentrum St. Martin und das<br />

Dekanat München am 29. März um 19. 30 Uhr<br />

in die Münchner Markuskirche (Gabelsbergerstraße)<br />

einladen. Er wendet sich besonders<br />

an Menschen, die als Ärzte, Schwestern/Pfleger<br />

oder als Schwangerschaftskonfliktberater/<br />

Innen mit diesen Fragen befasst sind – und vor<br />

allem an Frauen (und ihre Partner), die einen<br />

Abbruch hinter sich haben. Das Anliegen ist<br />

seelsorgerlich: Es geht dabei um die vorbehaltlose<br />

Annahme und Begleitung von Betroffenen,<br />

nicht um nachträgliches Bewerten und<br />

Beurteilen.<br />

Im Jahr 2007 kamen die Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter der evangelischen Schwangerschaftsberatung<br />

in München erstmals zu<br />

einem geistlichen Tag ins Spirituelle Zentrum<br />

St. Martin. Es ging zunächst um eigene spirituelle<br />

Erfahrungen und Bedürfnisse. Aus dieser<br />

Begegnung erwuchs der Wunsch nach einem<br />

zweiten Treffen, das speziell die eigene<br />

Rolle bei Schwangerschaftsabbrüchen reflektieren<br />

sollte. Die staatlich anerkannte Beratungsstelle<br />

ist ja berechtigt und verpflichtet,<br />

Beratungsscheine auszustellen. Diese Scheine<br />

müssen beim Arzt vorgelegt werden, damit<br />

der Eingriff straffrei bleibt. Es zeigte sich beim<br />

zweiten Treffen, dass die Frage nach der eigenen<br />

ethischen (Mit-)Verantwortung die meisten<br />

Anwesenden auf die eine oder andere Weise<br />

bewegte. Es ging auch um die Belastung in<br />

der Arbeit durch die Vielfalt unterschiedlicher<br />

Situationen. Jedem zu Beratenden gegenüber<br />

gilt es neu, ungeachtet der persönlichen Wertmaßstäbe,<br />

die notwendige Offenheit aufzubringen.<br />

Dazu kam die Erfahrung aus der geistlichen<br />

Begleitung, dass Schwangerschaftsabbrüche<br />

psychische Spätfolgen haben können. Manchmal<br />

taucht das tabuisierte Thema im seelsorgerlichen<br />

Gespräch gleichsam »am Rande«<br />

auf. Wenn dann der Seelsorger oder die Seelsorgerin<br />

ein wenig nachhakt, kann es passieren,<br />

dass Gefühle ans Licht kommen, die mit<br />

Der Gottesdienst in der Münchner Markuskirche ist der Versuch eines Gottesdienstes, in dem Schuld und Trauer Platz haben.<br />

Foto: wodicka


Pressespiegel<br />

Nr. 11 • 14. März 2010<br />

TITELTHEMA Sonntagsblatt 5<br />

41<br />

diesen früheren Abtreibungen zusammenhängen.<br />

Häufig musste das Thema zunächst verdrängt<br />

werden, was jedoch verhindert hat, dass<br />

um ein ungeborenes Kind wirklich getrauert<br />

werden konnte – anders als etwa eine Frau, deren<br />

erwünschtes Kind tot geboren wird. Nicht<br />

verarbeitete Schuld und Trauer können psychische<br />

und physische Auswirkungen haben:<br />

Depressionen, körperliche Beschwerden und<br />

Fehlgeburten können die Folge sein.<br />

Die wenigen seelsorgerlichen Erfahrungen<br />

in diesem Themenumfeld geben Hinweise darauf,<br />

was die Verarbeitung von Schuld und<br />

Trauer unterstützen kann. Dazu eine (komprimierte<br />

und verfremdete) Fallgeschichte aus<br />

der evangelischen Seelsorge:<br />

Frau H. kommt in die geistliche Begleitung.<br />

Thema sind eine depressive Grundstimmung<br />

und das Gefühl der Gottferne sowie massive<br />

Beziehungsprobleme. In einem Nebensatz erwähnt<br />

sie, dass sie einen Schwangerschaftsabbruch<br />

hinter sich hat. Auf Nachfrage berichtet<br />

sie, das sei nach einem »One Night Stand« mit<br />

einem Mann geschehen, den sie sich als Vater<br />

ihres Kindes nicht vorstellen konnte und den<br />

sie später auch nie mehr gesehen hat.<br />

Der Seelsorger erkundigt sich behutsam<br />

nach weiteren Umständen und fragt dann:<br />

»Haben Sie je um ihr Kind getrauert!« Frau H.<br />

hat sofort Tränen in den Augen. Sie sagt, sie<br />

wollte das alles damals möglichst schnell vergessen.<br />

Aber jetzt spüre sie, dass da noch was<br />

ist. Auf die Frage: »Haben Sie ihrem Kind jemals<br />

einen Namen gegeben?« nickt sie heftig.<br />

»Ja, das habe ich… es heißt Phönix!«. Der<br />

Bezug zum mythologischen »Phönix aus der<br />

Asche« (»das wiedergeborene Kind«) ist offenkundig!<br />

Der Seelsorger fragt Frau H., ob sie bereit<br />

sei, mit Phönix noch einmal Kontakt aufzunehmen,<br />

ihn um Verzeihung zu bitten und<br />

ihn bewusst Gott anzuvertrauen. Frau H. nickt<br />

abermals. Der Vorschlag scheint sie zu erleichtern.<br />

Der Seelsorger lädt Frau H. in die Meditationskapelle<br />

ein.<br />

Vor einer Christusikone stehen zwei Meditationsschemel.<br />

Der Seelsorger entzündet eine<br />

Kerze und bittet Frau H., neben ihm zu knien.<br />

Er spricht ein kurzes Gebet, in dem er Gott<br />

für die Gabe der Versöhnung dankt, die uns in<br />

Christus geschenkt ist. Dann lädt er Frau H.<br />

ein, vor dem Angesicht des liebenden Gottes<br />

ihr Kind anzusprechen und ihm zu sagen, was<br />

sie ihm noch sagen will. Stammelnd und mit<br />

Tränen in den Augen spricht Frau H. mit Phönix,<br />

sagt etwas über die Umstände und bittet<br />

ihn um Verzeihung. Im Anschluss schlägt der<br />

Seelsorger Frau H. vor, auch Gott um Verge- <br />

ZUM THEMA<br />

Eine Krankenhausseelsorgerin erzählt:<br />

»Was geschieht mit Eltern, wenn ihnen mitgeteilt<br />

wird, dass ihr Kind schwerstbehindert sein<br />

wird oder so krank ist, dass es nicht oder nicht<br />

lange wird leben können? Die Eltern haben sich<br />

auf ihr Kind gefreut. Und nun diese Diagnose.<br />

Was sollen, was können sie tun?<br />

Familie D. erfuhr, dass ihr Kind Trisomie 13 hat,<br />

eine genetische Veränderung, die nicht heilbar<br />

und nicht behandelbar ist und zum Tod führt, mit<br />

großer Wahrscheinlichkeit schon in der Schwangerschaft.<br />

Ich lerne Frau D. kennen, als sie sich<br />

schon zum Abbruch entschieden hat. Im Gespräch<br />

wird deutlich, wie sehr sie Schuldgefühle<br />

quälen, dass sie, die Eltern, dem Leben des Kindes<br />

bewusst ein Ende setzen wollen. Frau D. hat<br />

nicht die Kraft, die Schwangerschaft zu Ende zu<br />

bringen und ständig mit der Frage zu leben, ob<br />

ihr kleines Mädchen noch lebt. Sie und ihr Mann<br />

möchten, dass ihr Baby nach der Totgeburt gesegnet<br />

und christlich beerdigt wird.<br />

Diese Mutter ist eng verbunden mit ihrem Kind,<br />

auch wenn sie diese Bindung im Moment nicht<br />

wahrhaben will und abspaltet. Und doch wird es ihr<br />

helfen, später mit dem Tod des Kindes besser leben<br />

zu können, wenn sie es jetzt ganz und gar als ihr geliebtes<br />

und ersehntes Kind an sich heranlässt.<br />

Schwangerenkonfliktberatung.<br />

Foto: wodicka<br />

Ich schaffe im Gespräch einen Raum, in dem die<br />

Mutter mit ihrem Kind sprechen kann. Sie sagt ihrer<br />

Tochter, wie sehr sie sie liebt, wie dankbar sie ist,<br />

dass sie zu ihnen gekommen ist, und wie sehr es sie<br />

quält, dass sie, die Eltern entschieden haben, dass<br />

sie nun sterben wird. Sie bittet ihre kleine Tochter<br />

um Vergebung. Und sie bittet Gott um Vergebung,<br />

dass sie keine andere Entscheidung treffen kann.<br />

In der Kirche treffe ich wenig später den Vater. Er<br />

sitzt weinend unter dem Kreuz. Auf meine Frage,<br />

ob sein Kind schon einen Namen hat, antwortet<br />

er ganz schnell und als sei er froh, dass ihn jemand<br />

danach fragt: »Ja, sie heißt Clara. Das ist<br />

der Name, der in mir von Anfang an für sie da<br />

war.« Wir zünden eine Kerze für Clara an. Zwei<br />

Tage später kommt Clara tot zur Welt. Die Eltern<br />

haben Zeit, sie zu halten, anzuschauen, sich von<br />

ihr zu verabschieden.<br />

Wir segnen sie. Es werden Bilder von Clara und<br />

den Eltern gemacht, sie bekommt ein kleines<br />

Kreuz, auf dem ihr Name, ihr Geburts- und Todestag<br />

stehen. Clara bekommt ein Kindergrab auf<br />

dem Friedhof und bei ihrer Beerdigung trägt sie<br />

der Vater auf ihrem letzten Weg. Es ist den Eltern<br />

ein großer Trost, dass sie durch die Beerdigung einen<br />

Ort haben, zu dem sie gehen können.<br />

Seit 2006 gibt es in Bayern ein neues Bestattungsgesetz,<br />

das bestimmt, dass alles (werdende)<br />

menschliche Leben bestattet werden muss. Man<br />

kann zu Schwangerschaftsabbruch unterschiedliche<br />

Meinungen haben. Aber diese Kinder können<br />

nichts für ihren frühen Tod und haben ein Recht,<br />

wie alle Menschen – auch kirchlich – bestattet zu<br />

werden.«


Pressespiegel<br />

6 Sonntagsblatt TITELTHEMA<br />

42<br />

Nr. 11 • 14. März 2010<br />

DIE POSITIONEN DER KIRCHEN<br />

Arbeit im ethischen Dilemma<br />

Die römisch-katholische Kirche hat sich<br />

1999 aus der Konfliktberatung zurückgezogen,<br />

die mit dem Ausstellen eines Beratungsscheins<br />

endet. Dem kirchlichen Lehramt<br />

erschien diese Art der Mitwirkung an<br />

diesem Vorgang, der als »verabscheuenswürdiges<br />

Verbrechen« galt und gilt, nicht<br />

mehr hinnehmbar. Nach dem Ausstieg der<br />

katholischen Bischöfe aus dem gesetzlichen<br />

Beratungssystem wurden von Laien<br />

donum vitae und andere Vereine gegründet,<br />

um das katholische Element in der Konfliktberatung<br />

zu erhalten. Das entsprang<br />

der Überzeugung, dass eine ergebnisoffene,<br />

aber zielgerichtete Beratung die beste<br />

Möglichkeit sei, um ungeborenes Leben zu<br />

schützen.<br />

Die Stellung der evangelischen Kirche<br />

zum Schwangerschaftsabbruch ist vielfältiger:<br />

Luther und Calvin lehnen den Schwangerschaftsabbruch<br />

ab. Erst zu Beginn des<br />

20. Jahrhunderts entwickelt die evangelische<br />

Sozialethik zum Teil eine nuanciertere<br />

Haltung – neben der weiterhin bestehenden<br />

radikalen Ablehnung des Schwangerschaftsabbruchs,<br />

etwa bei Dietrich Bonhoeffer<br />

oder dem Theologen Karl Barth, der<br />

von einem »heimlichen und offenen Massenmord«<br />

sprach. Viele evangelische Theologinnen<br />

und Theologen vertreten inzwischen<br />

die Meinung, ein Abbruch sei zwar<br />

eine Übertretung des biblischen Tötungsverbotes,<br />

könne aber unter Umständen als<br />

das geringere Übel in einem unlösbaren Dilemma<br />

(soziale Notlage, nach einer Vergewaltigung)<br />

ethisch vertretbar sein; der<br />

selbst verantwortete Gewissensentscheid<br />

der betroffenen Frau sei zu respektieren.<br />

Wir »sollen und dürfen die Betroffenen nicht<br />

alleine lassen. ... Eine verantwortlich getroffene<br />

Entscheidung schließt niemals aus, dass<br />

wir dabei schuldig werden« (aus der Rosenheimer<br />

Erklärung der bayerischen Landessynode<br />

zum Schutz des ungeborenen<br />

Lebens und Fragen des Schwangerschaftsabbruchs).<br />

Bischof Johannes Friedrich sagt:<br />

»Nur gemeinsam mit der Frau lässt sich<br />

das ungeborene Leben schützen.«<br />

Deswegen berät die evangelische Kirche<br />

Schwangere in Konfliktfällen, auch wenn<br />

die Beraterinnen und Berater dabei selbst<br />

in ein ethisches Dilemma geraten: Sie sollen<br />

einerseits den Schutz des ungeborenen<br />

Lebens fördern und Perspektiven aufzeigen,<br />

die auch in schwierigen Situationen eine<br />

Geburt möglich machen (z. B. Adoption, finanzielle<br />

Unterstützung von staatlicher<br />

und privater Seite) – und andererseits muss<br />

diese Beratung ergebnisoffen sein.<br />

Nach einem Schwangerschaftsabbruch bedürfen<br />

Frauen der Seelsorge .<br />

Foto: F1 online<br />

bung zu bitten. Sie tut das in einfachen<br />

Worten. Der Seelsorger betet ein Vaterunser,<br />

und Frau H. fällt leise ein. Bei der Bitte »Vergib<br />

uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben<br />

unseren Schuldigern« beginnt sie zu schluchzen.<br />

Im Anschluss legt ihr der Seelsorger die<br />

Hände auf und spricht ihr die Vergebung zu.<br />

Beide verweilen noch einen Augenblick vor<br />

der Ikone. Dann spricht der Seelsorger ein Segensgebet.<br />

Beide erheben sich. Frau H. wirkt<br />

Warum wollen Frauen abtreiben? Dazu Daten<br />

und Zahlen aus der Schwangerschaftskonfliktberatung<br />

im Evangelischen Beratungszentrum<br />

München aus dem Jahr 2007:<br />

1784 Menschen kamen zur Beratung, davon 608<br />

zur sogenannten Konfliktberatung. Etwa 47 Prozent<br />

waren ohne eigenes Einkommen, 70 Prozent<br />

der Frauen lebten in einer festen Beziehung.<br />

22 Prozent wurden vom »Erzeuger« zur Beratung<br />

begleitet. Mehr als 30 Prozent haben keine<br />

Verhütung zum Zeitpunkt der Empfängnis praktiziert;<br />

jeweils 17 Prozent sind trotz Verhütungsmitteln<br />

schwanger geworden.<br />

erschöpft und erleichtert. Der Seelsorger verabredet<br />

mit ihr, dass sie sich meldet, wenn sie<br />

nochmals sprechen möchte.<br />

Nach Wochen begegnet er ihr wieder nach<br />

einem Gottesdienst. Sie wirkt gelöst, als sie auf<br />

ihn zugeht. »Und?« fragt er. »Es geht mir viel,<br />

viel besser«, sagt sie. »Und Phönix auch…« ergänzt<br />

sie. Bei einem weiteren Gespräch unter<br />

vier Augen kurz danach ist es möglich, aktuelle<br />

berufliche und private Themen in viel größerer<br />

Freiheit anzusprechen und produktiv in<br />

Angriff zu nehmen.<br />

Der Gottesdienst in der Münchner Markuskirche<br />

ist ein erster Versuch, einen liturgischen<br />

Rahmen zu schaffen, in dem Schuld und Trauer<br />

Platz haben und Heilung und Versöhnung<br />

beginnen können. Neben Musik, Liedern,<br />

Fallgeschichten und einer biblischen Ansprache<br />

soll es eine Phase geben, wo die Gottesdienstbesucher<br />

entweder still nachdenken<br />

oder beten können, wo es aber auch mehrere<br />

Angebote gibt: das Angebot sich segnen und<br />

salben zu lassen (und dabei unter Umständen<br />

einem nicht geborenen Kind einen Namen zu<br />

geben); das Angebot eines kurzen Einzelgesprächs<br />

(wenn gewünscht mit Absolution); die<br />

Möglichkeit, Kerzen für Lebende und Tote zu<br />

entzünden oder schriftlich ein Gebet zu formulieren,<br />

das dann gegen Ende des Gottesdienstes<br />

öffentlich gebetet werden kann. Der Gottesdienst<br />

endet mit einer schlichten Agape-Feier<br />

mit Brot und Trauben, Segen und Musik.<br />

Andreas Ebert, Christian Rosendahl, Claudia Sommerauer<br />

DER GOTTESDIENST »Du hast einen Platz in meinem<br />

Herzen« wird am 29. März um 19.30 Uhr in der<br />

Münchner Markuskirche (Gabelsbergerstraße) gefeiert.<br />

Angst vor der Überlastung<br />

Angegebene Gründe für den Konflikt: psychische<br />

und physische Überlastung (mehr als 50<br />

Prozent); Schwierigkeiten in der Partnerbeziehung<br />

(37 Prozent); das Kind stört die weitere Lebensplanung<br />

(mehr als 32 Prozent); finanzielle<br />

Probleme (knapp 20 Prozent); Angst vor dem<br />

Alleinerziehen (knapp 18 Prozent); Angst vor der<br />

Verantwortung (knapp 17 Prozent); Angst vor einer<br />

Schädigung des Kindes (über 8 Prozent). Viele<br />

der ungewollt Schwangeren kommen aus der<br />

Gruppe von im Ausland sozialisierten, gering gebildeten<br />

und schlecht integrierten Frauen, die<br />

mit ihrem Partner das Thema Familienplanung<br />

nicht ansprechen würden, da es von Tabus belastet<br />

ist.<br />

Trotz vielfältiger Hilfsangebote für die meisten<br />

Frauen (abgesehen von Asylbewerberinnen, denen<br />

nur sehr eingeschränkt Hilfe zusteht!) spüren<br />

Frauen massiv die drohende oder längst<br />

existierende Überlastung und sehen in einem<br />

Schwangerschaftsabbruch den einzigen Weg,<br />

sich und ihre Familie vor dem Zusammenbruch<br />

zu schützen.<br />

Die Erfahrung bestätigt dagegen nicht das von<br />

Politik und Medien gern propagierte Bild der<br />

zahllosen Minderjährigen, die ungewollt, weil<br />

unwissend, schwanger geworden sind. Die meisten<br />

– gewollten und ungewollten – Schwangerschaften<br />

ereignen sich zwischen 20 bis 40 Jahren.<br />

Oft sind es sogar eher junge Schwangere,<br />

die verhütet haben, während oftmals Frauen<br />

über 40 gar nicht mehr verhüten, weil ihre Frauenärzte<br />

schon »Entwarnung« gegeben haben,<br />

oder über Jahre mit sehr unsicheren Methoden<br />

verhütet wurde.


Mont ag, 2<br />

7. De zemb er 2010<br />

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Stadt und Landkreis<br />

Reden wir über<br />

Münchner Merkur<br />

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Pressespiegel<br />

AZ-INTERVIEW<br />

AZ 02./03.06.11<br />

43<br />

Familienkrankheit<br />

kheit<br />

Alzheimer<br />

Pfarrer Jürgen Arlt bietet Hilfe bei<br />

der Betreuung dementer Patienten<br />

Die Evangelische Telefonseelsorge München<br />

hat ihr Spektrum erweitert und widmet<br />

sich seit kurzem verstärkt dem The-<br />

ma Alzheimer, einer Krankheit, die beim<br />

zunehmenden Alter der Bevölkerung im-<br />

mer weiter verbreitet ist und auch in der<br />

Seelsorge wichtiger wird. Dafür absolvierten<br />

die rund 120 ehrenamtlichen Mit-<br />

arbeiter eine Fortbildung. Demenz gilt<br />

als „Familienkrankheit“, die alle Ange-<br />

hörigen betrifft. Unter der Nummer<br />

0800/111 0 111 können Betroffene rund<br />

um die Uhr kostenfrei und anonym anru-<br />

fen. Pfarrer Jürgen Arlt, 50, Leiter der<br />

Evangelischen Telefonseelsorge ist überzeugt,<br />

dass das Problem in den kommen-<br />

den Jahren stark zunehmen wird.<br />

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mir aufgegangen«<br />

Lev Tolstoj<br />

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Wen wollen Sie mit der Demenz-Seel-<br />

sorge ansprechen?<br />

Vor allem verzweifelte Angehörige<br />

von Demenzkranken. Sie sind meist<br />

stark fixiert auf denKranken undtrauen<br />

sich oft gar nicht, fremde Hilfe anzuneh-<br />

men oder wissen gar nichtwohin sie sich<br />

wenden sollen. Manche hätten auch ein<br />

schlechtes Gewissen, wenn sie ihre Part-<br />

ner oder Eltern in die Tagespflege geben.<br />

Dabei bräuchten sie selbst oft dringend<br />

jemanden, bei dem sie einmal fünf Minu-<br />

ten ihr Herz ausschütten können.<br />

Wie sieht der Alltag von Alzheimer-An--<br />

gehörigen aus?<br />

Die Betreuung eineses dementen Patienten<br />

ist ein 24-Stunden-Job. Man ist stän-<br />

dig in Habachtstellung. Viele Patienten<br />

wissen nicht mehr wie viel Uhr es ist.Oft<br />

schlafen sie tagsüber oder sind antriebslos,<br />

und nachts sind sie dann fit und wandern<br />

ziellos umher. Der pflegende Angehörige<br />

schläft also auch nicht mehr rich-<br />

tig und ist nach kurzer Zeit oft nahe am<br />

Burn-out. Hinzu kommt die emotionale<br />

und psychische Belastung. Zum Beispiel<br />

die Entfremdung, wenn der Kranke ei-<br />

nen nicht mehr erkennt oder nicht mehr<br />

versteht, was man sagt. Das ist, wie wenn<br />

man sich miteiner Wand unterhält. De-<br />

menz ist eine Rückwärtsentwicklung,<br />

das Wissen, dass am Ende der Betreuung<br />

der Tod steht.<br />

Wie unterstützen Sie die Hilfesuchen-<br />

den?<br />

Zuerst einfach durch Zuhören. Wir<br />

wertschätzen es, dass die Anrufer die In-<br />

itiativeive ergriffen haben. Das bedeutet,<br />

dass sie für sich selbst sorgen. Das verges-<br />

sen viele im Alltag, weil sie nur noch den<br />

kranken Partner sehen. Danach überlegen<br />

wir gemeinsam, wie man die Situati-<br />

on verbessern könnte.<br />

Ist Alzheimer ein Tabuthema?<br />

Wir leben zwar ineiner Informationsgesellschaft,<br />

in der man alles in Sekundenschnelle<br />

googeln kann, aber über die-<br />

se Krankheit ist relativ wenig bekannt.<br />

Hinzu kommt eine gewisse Scham. Als<br />

Angehöriger spricht man nicht gerne darüber,<br />

dass der Partner oder die Oma ver-<br />

wirrt ist.<br />

Interview: Christa Eder<br />

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Münchner Merkur 17.12.10


44<br />

Menschen glauben - Eine Reise zu den Religionen der Welt<br />

Eine Ausstellung mit Bildern von Wolfgang Noack vom 12. Nov. 2010 bis 25. März 2011im ebz<br />

Menschen beten zu Jesus oder Allah, sie folgen der Thora,<br />

streben nach himmlischer Harmonie oder hoffen auf das Nirwana.<br />

Alle Religionen, so der Theologe Hans Küng, antworten<br />

auf ähnliche Grundfragen der Menschen, auf das Woher und<br />

Wohin. Menschen suchen in der Religion Weltdeutung und<br />

ihren Heilsweg - überall auf der Welt: in Kirchen und Moscheen,<br />

in buddhistischen Klöstern und Synagogen, am Ufer<br />

des Ganges und im Stadtgewühl einer asiatischen Megacity.<br />

Die Bilder von Wolfgang Noack zeigen Menschen in ihrer Religion:<br />

offen, versunken, einladend, zurückgezogen. Die Fotografien<br />

entstanden in den letzten Jahren in Europa, Indien,<br />

Tibet, Marokko, Bolivien, Japan und verschiedenen Ländern<br />

Südostasiens. Die Aufnahmen sind eine Reise zu den Religionen<br />

der Welt. Sie laden ein zur Frage nach der gemeinsamen<br />

Herkunft aller Religionen und der Suche nach Gott aus unterschiedlichen<br />

Perspektiven.<br />

www.wolfgangnoack.de<br />

Die Bilder von Wolfgang Noack inspirierten uns, über Religion<br />

nachzudenken. Klient/innen der verschiedenen Religionen<br />

fanden ihre Kultur und Religionspraxis in den Bilden wider,<br />

die Bilder bei uns konnten ihnen ein Stück „Heimat“ vermitteln.<br />

Wir danken Wolfgang Noack herzlich für diese Anregungen!


Impressum<br />

Herausgegeben von<br />

Evangelisches Beratungszentrum München e. V.<br />

Landwehrstrasse 15/Rgb.<br />

80336 München<br />

Telefon: (089) 590 48 – 0<br />

Telefax: (089) 590 48 - 190<br />

mail@ebz-muenchen.de<br />

www.ebz-muenchen.de<br />

Bankverbindung<br />

Evangelische Kreditgenossenschaft e. G. Kassel<br />

Konto 340 20 29<br />

BLZ 520 604 10<br />

Vorstand<br />

Pfarrerin Gerborg Drescher<br />

Aufsichtsrat<br />

Klaus Schmucker, Kirchenrat der ELKB, Leiter der Evangelischen<br />

Dienste München (Vorsitzender)<br />

Reinhold Krämmel, Unternehmer (stellvertretender<br />

Vorsitzender)<br />

Volker Carqueville, Schulleiter i. R.<br />

Kurt Braml, Geschäftsführer i.R.<br />

Matthias Heinrich, Unternehmensberater<br />

Monika Kormann-Lassas, Soziologin<br />

Gerhard Wiens, Richter<br />

Redaktion<br />

Gerborg Drescher<br />

Brigitte Humpl<br />

Hildegard Streppel<br />

Gestaltung und Druck<br />

Uni-Druck OHG

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