Friedrich Küppersbusch - Barbara Underberg
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im mittelpunkt:<br />
Scharouns Schularchitektur in Marl<br />
Von Vorbildern lernen<br />
Bildung, Bildung, Bildung – so steht es für die Zukunft auf<br />
dem Programm. PISA-Spitzenreiter Finnland zeigt, dass<br />
dazu auch eine Schularchitektur gehört, die von Architekten<br />
und Pädagogen gemeinsam entwickelt ist. Die Scharoun-Schule<br />
in Marl ist Standort eines Symposions, einer<br />
Ausstellung und von Exkursionen zu einer vorbildlichen<br />
Architektur.<br />
Wie ein großer warmer Bauch nahm uns die Schule täglich auf. Im ausufernd<br />
sich öffnenden Foyer verteilten sich die Kinder in alle Richtungen. Rechts die<br />
große Muschel, die Aula mit ihrem tollen Klang, links oben das Lehrerzimmer<br />
mit dem Bullauge. Jedes Jahr ein anderer Abzweig. In der weiten, langen Vorhalle<br />
vor den Klassenräumen tobten wir mit den Nachbarschülern. Jede Klasse<br />
hatte eine eigene Garderobe, Waschraum und Toilette. Anschließend unser<br />
Wohnzimmer: Holzverkleidet, Tafel, Schrankwand, eine kleine Nebenbucht.<br />
Vor den sonnenverblendeten Fenstern unsere Terrasse, auf der wir im Sommer<br />
den Unterricht genossen. Ringsherum grün. Das war unsere Volksschule, die<br />
berühmte Scharoun-Schule, erinnert sich der ehemalige Schüler.<br />
Fast vierzig Jahre ist das her. Die Schule des Architekten Hans Scharoun, bekannt<br />
vor allem als Baumeister der Berliner Philharmonie, war wegweisend.<br />
Das spürt man auch heute bei einem Besuch in der Chemie-Stadt. Trotz seiner<br />
immer noch rund 89.000 Einwohner hat Marl weder Kino noch Schwimmbad<br />
mehr. In der Industriestadt im Grünen durfte Scharoun erstmals kompromisslos<br />
sein „Darmstädter Modell“ einer komplexen Schularchitektur umsetzen. Marl<br />
zeigte sich 1967 offen für eine neue urbane Architektur, die avantgardistisch<br />
und großzügig war. Hier gruppierte Scharoun nestartige Schülerwohnungen<br />
konzentrisch um das musikalische Herz der Aula, schuf mit Materialien und<br />
Farben Ruhe und Wärme am Lernort.<br />
Vom Raum mit Wirkung<br />
Musik spielt auch heute wieder die Hauptrolle in der Scharoun-Schule. Nach<br />
beinahe vergeblichem Kampf des Initiativkreises Scharoun-Schule um den Erhalt<br />
wurde die Hauptschule 2003 unter Denkmalschutz gestellt. Die Stadt entschloss<br />
sich zur Sanierung und für ein langfristiges Nutzungskonzept. Die Musikschule<br />
zog ein, eine Künstlerinitiative richtete die Werkstatt wieder her. Regelmäßig<br />
finden Konzerte in der Aula statt, ein Kino soll im Hörsaal entstehen.<br />
Rund neun Millionen Mark kostete der Bau damals. Aufgrund der flachen Bauweise<br />
sind auch die Betriebs- und Instandhaltungskosten fast dreimal so hoch,<br />
wie bei einem üblichen Schulbau. Wo heute Eltern ihre Kinder in erdfarbenen,<br />
privaten Waldorfschulen anmelden, „weil die so schön anders sind“, könnte<br />
das Scharounsche Modell einer neuen Schulgeneration Vorbild sein.<br />
Die Bürger Marls leisten sich dieses Vorbild und bauen es aus. Der Bund Deutscher<br />
Architekten Ruhrgebiet (BDA), das M:AI, Museum für Architektur und<br />
Ingenieurkunst NRW, das Skulpturenmuseum Glaskasten Marl und die Musikschule<br />
helfen dabei mit einem Programm-Triangle. Pädagogen, Schulpsychologen<br />
und -architekten treffen sich unter dem Titel „Schule Zukunft“ am 15. Mai<br />
zum ersten Marler Symposium „Lernraum Schule“. Das ist auch der Startpunkt<br />
für die Ausstellung „Andere Räume – Hans Scharouns Schularchitektur“, für<br />
die das Kunsthistorische Institut der Ruhr-Universität Bochum und die Akademie<br />
der Künste in Berlin ausgewählte Arbeiten zusammengetragen haben und<br />
zu Exkursionen in die Raumwirkungen des Architekten einladen. Für ein musikalisches<br />
Rahmenprogramm während des Ausstellungszeitraums vom 16. Mai<br />
bis zum 13. Juni sorgt die in der Schule neu beheimatete Musikschule Marl.<br />
Wie fruchtbar der Marler Boden für die avancierte Architektur war, zeigen die<br />
Stadtexkursionen „Marl. Wie eine Stand entstand?“ von Skulpturenmuseum<br />
und M:AI. (rb)<br />
n<br />
M:AI Museum für Architektur und Ingenieurkunst NRW<br />
Gelsenkirchen, Tel. 0209.925 780<br />
`` www.mai.nrw.de<br />
Fotos: Peter Breuer, Essen<br />
26 stadtblatt: 2 | 2008 April - Mai