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ANDREAS schiestl-swarovski - felixhutt.com

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ÜBERLAuF<br />

176<br />

Fortsetzung von Seite 71 DER FALL DER ZWEI<br />

Für Andreas Schiestl­Swarovski bricht zum zweiten Mal, nach<br />

dem Tod seiner Mutter, die Welt zusammen. Eine Nichte, die<br />

früher schon als Babysitterin in Weerberg war, kümmert sich<br />

um seine Mädchen. Auch die Haushälterin ist eine große<br />

Stütze. Wie in Trance organisiert er die Beerdigung. Nicht<br />

in Wattens, sondern bei ihm in Weerberg soll seine Frau<br />

begraben werden. Bei der „Sterbehilfe Othmar Lechner“ trifft<br />

er die Vorkehrungen, am 26. und 27. Dezember werden die<br />

Rosenkränze gebetet, am 28. Dezember trägt er seine Frau<br />

zu Grabe. Schiestl­Swarovski steht bis zum letzten Beileidswunsch<br />

am Grab, äußerlich gefasst. Beim Bürgermeister<br />

Angerer bedankt er sich später für die große Anteilnahme<br />

der Weerberger Bevölkerung.<br />

EINE VIERTELSTUNDE WESTLICH VON INNS-<br />

BRUCK LIEGT KEMATEN. Im Industriegebiet das<br />

unscheinbare Gebäude einer Kosmetikfirma, im Parterre<br />

zur Untermiete die Firma Watercryst. Andreas Schiestl­<br />

Swarovskis letzte Wirkungsstätte. Es gibt keinen Empfang,<br />

im Büro von Klaus Leiter dudelt im Hintergrund das Radio.<br />

Klaus Leiter ist der Kopf und Macher, er hat Schiestl­Swarovski<br />

die Firma und die Idee vom kalkfreien Wasser schmackhaft<br />

gemacht. Leiter ist ein bedachter, zurückhaltender Mann,<br />

keiner, der eine Show abzieht. Der Verlust des Menschen<br />

Schiestl­Swarovski geht ihm nahe. Er wolle, dass man ihn<br />

so in Erinnerung behalte, wie er war: „Ein anständiger Mann,<br />

ein Idealist, der sich ernsthaft Sorgen um eine saubere<br />

Trinkwasserversorgung hier im Inntal gemacht hat“, sagt<br />

Leiter und erklärt, dass der Herr Schiestl­Swarovski „mit<br />

Begeisterung“ dabei gewesen sei und dass man eng und<br />

gut zusammengearbeitet habe. Dass es ihm um das Wohl<br />

seiner Töchter gegangen sei, dass er zu einer Messe nach<br />

Dubai reisen wollte, um den Scheichs das System zur<br />

Wasseraufbereitung zu verkaufen. Über sein Privatleben<br />

habe der Herr Schiestl­Swarovski wenig erzählt, nur dass<br />

er stolz auf seine Töchter sei. Und beim Totenmahl seiner<br />

Frau, da saß Leiter neben ihm, da habe er ihm gesagt, dass<br />

es seinen Töchtern anders ergehen soll als ihm, dass er jetzt<br />

für sie da sein will.<br />

Auch nach dem Tod seiner Frau sei er noch ins Büro<br />

gekommen, angeschlagen zwar, aber er habe das Tagesgeschäft<br />

trotzdem erledigt, die Finanzierung der Firma für<br />

die nächsten zwei Jahre gesichert. „Das Wichtigste“, sagt<br />

Leiter, „waren für ihn seine Töchter. Er hat sie sogar von der<br />

Schule abgeholt.“<br />

Aber warum nimmt sich einer, der für seine Kinder da<br />

sein will, das Leben? Warum raubt er ihnen nach dem Tod der<br />

Mutter auch noch den Vater? Leiter, der Ingenieur, Mann<br />

der Zahlen und Moleküle, schweigt, sagt, dass man in einen<br />

Menschen nicht hineingucken könne, dass es Probleme gäbe,<br />

die man nicht mathematisch lösen könne und dass so was<br />

doch nur Psychologen beantworten könnten.<br />

VOR DER KLINIK MARIA EBENE GEHT DIE<br />

SONNE HINTER DEN BERGEN UNTER. Auch wenn<br />

Reinhard Haller nur im Allgemeinen bleibt, so ist klar, wen er<br />

meint. Er spricht davon, dass eine Depression einen Punkt erreichen<br />

kann, wo es keinen Ausweg mehr gibt, wo man nicht<br />

mehr wahrnimmt, dass es andere Menschen gibt, die einen<br />

brauchen, wo es nur noch diesen einen langen Tunnel gibt, aus<br />

dem man nicht mehr herausfindet. 15 Prozent aller Depressionen<br />

enden im Suizid, das könne man in seinem Buch nachlesen.<br />

Haller überkreuzt die Beine, mal rechts über links, dann<br />

wieder zurück. Der Name Schiestl­Swarovski fällt nicht, steht<br />

aber mitten im Raum. Von Stimmungsschwankungen, die andere<br />

nicht mitbekommen, berichtet Haller, von Versäumnissen<br />

in der Kindheit, die nicht mehr aufzuholen sind, von Narben,<br />

die bleiben, von der bedeutenden Rolle einer Mutter, die für<br />

das Emotionale zuständig ist. Er habe Erkenntnisse aus den<br />

USA gehabt, damals, als er das Gutachten von dem Herrn<br />

Schiestl­Swarovski erstellt habe, Studien, die den Forschern in<br />

Europa voraus waren. Deswegen sei er zu der Erkenntnis gelangt,<br />

dass es eine Wiederholungsgefahr gegeben habe, eine<br />

Therapie nötig gewesen wäre. Wer eine Waffe einmal benutze,<br />

der könne es auch wieder tun. Vielleicht wäre der Mittelweg<br />

zwischen Anstalt und Gefängnis der richtige gewesen, den es<br />

damals noch nicht gab, aber wissen tue das keiner. Für einen<br />

abgebrühten Profi wirkt Haller ziemlich bedrückt, als er sich<br />

auf dem Parkplatz mit Handschlag verabschiedet.<br />

Am Abend des 18. Januar 2007 kommt Andreas Schiestl­<br />

Swarovski mit seiner Nichte und seinen zwei Töchtern zum<br />

letzten Mal zum Essen zu Otto Plattner ins Hotel Europa nach<br />

Innsbruck. Hervorragende Tischmanieren hätten die Mädchen<br />

gehabt, sagt Plattner, sehr gute Gäste seien sie gewesen.<br />

SEIT DEM TOD IHRER MUTTER SOLLEN<br />

ALEXANDRA UND NATASCHA IM BETT DER<br />

ELTERN GESCHLAFEN HABEN, so eine Bekannte<br />

der Familie. Als die Mädchen am Samstagvormittag, dem 20. Januar,<br />

aufstehen, ihren Vater nicht finden, die Tür seines Raumes<br />

abgesperrt ist, laufen sie um das Haus. Durch ein Fenster sieht<br />

Alexandra Schiestl­Swarovski ihren Vater regungslos am Boden<br />

liegen. Sie rennt zur Nachbarin oder, wie andere berichten, zur<br />

Haushälterin; der Rettungsdienst wird verständigt, der gegen<br />

Mittag nur noch seinen Tod feststellen kann. Andreas Schiestl­<br />

Swarovski hat sich genau einen Monat nach dem Tod seiner<br />

geliebten Frau, gut 13 Jahre nach dem „Mayerling von Wattens“<br />

und acht Tage vor seinem 47. Geburtstag selbst gerichtet.<br />

Am 26. Januar wird Andreas Schiestl­Swarovski neben<br />

seiner Frau Margee auf dem Weerberger Friedhof beerdigt.<br />

Anwesend ist ein Großteil des Swarovski­Clans, auch viele,<br />

die in den letzten Jahren weniger mit „dem Andi“ zu tun hatten.<br />

Aus Angst vor Fotografen und neugierigen Journalisten<br />

wird ein privates Sicherheitsunternehmen engagiert.<br />

Die Vormundschaft für die Vollwaisen soll seine Schwester<br />

Marietta übernehmen, die Vermögensverwaltung bei seiner<br />

Schwester Monika liegen. Beide lassen auf Anfrage über ihren<br />

Anwalt ausrichten, dass sie sich zu den Vorfällen nicht äußern<br />

möchten. Auch Schwester Daniela, die mit dem bekannten<br />

Tiroler Schnapsfabrikanten Günter Rochelt verheiratet ist, lässt<br />

mitteilen, dass sie öffentlich zu ihrem Bruder nichts sagen<br />

möchte. „Die Ehe von Andreas war symbiotisch. Sie haben<br />

einander abgöttisch geliebt. Keiner wollte ohne den anderen<br />

leben“, erklärt sich Margee Schiestl­Swarovskis Freundin<br />

Kathrin Gräfin Goess­Enzenberg das, was nicht zu erklären ist.<br />

Der Nebel über Wattens hat sich verzogen. Die alte Dame<br />

vor dem Grab bekreuzigt sich, bevor sie, an der kleinen Pfarrkirche<br />

Maria Empfängnis vorbei, zum Ausgang geht: „Manche<br />

Menschen, die können einfach nicht ohne einander leben“,<br />

sagt sie, „aber miteinander packen sie es auch nicht.“

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