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Leventina Bedrettotal - Ott Verlag

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Fred Büchi Strada alta<br />

<strong>Leventina</strong><br />

<strong>Bedrettotal</strong><br />

Spezialwanderführer<br />

7. Auflage


Inhaltsverzeichnis<br />

DANK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7<br />

VORWORT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9<br />

Geologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10<br />

Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16<br />

Bahnbau/Neat . . . . . . . . . . . . . . . . . 23<br />

Gefahrensituation . . . . . . . . . . . . . . . . 28<br />

Land und Leute . . . . . . . . . . . . . . . . . 35<br />

Kulinarisches . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49<br />

WANDERUNGEN<br />

1 Die Besonderheiten des Nufenenpasses . . . . 53<br />

2 Das Juwel der Leventiner Strada alta . . . . . 59<br />

3 Bedretto-Höhenweg . . . . . . . . . . . . . 65<br />

4 Rundgang um den Monte Piottino bei Prato . . 73<br />

5 Entdeckung des Narapasses . . . . . . . . . . 79<br />

6 Strada alta − einmal anders von Rossura<br />

nach Deggio . . . . . . . . . . . . . . . . . 85<br />

7 Das Postauto erweist wertvollste Dienste . . . . 93<br />

8 Drei stille Bergseen ob Airolo: Laghi Ritom,<br />

Tom und Cadagno . . . . . . . . . . . . . . 97<br />

9 Wer lüftet das Geheimnis des Lago Tremorgio? . 103<br />

10 Am Lago di Ravina dauert der Winter lang . . . 109<br />

11 Durch die Brennoschlucht nach Malvaglia<br />

im Bleniotal . . . . . . . . . . . . . . . . . 115<br />

12 Ein lohnenswerter Flop . . . . . . . . . . . . 121<br />

13 Gotthard-Wanderweg verbindet neuartig . . . . 127<br />

14 Reise ins Blumenparadies der Schweiz . . . . . 129<br />

15 Gemütlichkeit eröffnet neue Sichtweisen . . . . 133<br />

16 Ein Aufstieg zum Träumen . . . . . . . . . . 137<br />

17 Von Dalpè nach Fusio . . . . . . . . . . . . 139<br />

18 Störmanöver der üblen Sorte . . . . . . . . . 143


19 Ein Abstieg ohne Folge, wenn … . . . . . . . 147<br />

20 Der Passo Sassello winkt . . . . . . . . . . . 151<br />

21/22 Zweitages-Rundtour im Grenzbereich . . . . 155<br />

23 Sentiero Alto del Tremorgio – phänomenal . . . 161<br />

24 Eine Bergtour von Hütte zu Hütte . . . . . . . 165<br />

VON B WIE BUCH BIS V WIE VOLLMOND . . . 169<br />

QUELLENVERZEICHNIS . . . . . . . . . . . . 173


Vorwort<br />

Strada alta – <strong>Leventina</strong> – <strong>Bedrettotal</strong> ist bewusst in zwei unterschiedliche<br />

Teile gegliedert worden. Die Einleitung besteht aus Hinweisen auf Geologie,<br />

Gefahrensituation, Soziologie im Alpenraum und einem Hinweis auf<br />

aktuelle, kaum wahrgenommene Risiken der Moderne im Verband mit dem<br />

Altertum. Der zweite Teil handelt von Wanderungen im Gebiet.<br />

Airiels, Eriels oder heute Airolo ist nicht nur Dreh- und Angelpunkt der<br />

Region am Zusammenfluss von <strong>Leventina</strong> und Val Bedretto, sondern auch<br />

dieses Buches. Tiefblauer Himmel inspiriert schon dort allenfalls beeinträchtigte<br />

Geister aus dem Unterland, Kapellen mit und ohne Campanile, für das<br />

Tessin und andere Regionen typische Türme, führen in eine weitgehend unberührte<br />

Gegend, die eines verheisst: Ruhe. Gegensätze auch, die sich in<br />

Zeugen des Altertums in schwieriger Verbindung mit Neuem manifestiert.<br />

Der Raum war und ist eng, was so interessante Errungenschaften wie Betonstrassen<br />

in der Vordergrund stellt.<br />

Kultur und Tourismus in einer neueren Art beherrschen die Gegend, Landschaftsschutz<br />

erlaubt Studien in einem Lago Cadagno, die nicht nur Biologen<br />

aus aller Herren Ländern begeistern und anziehen. Phänomene, unerklärliche<br />

wie am sagenumwobenen Lago Tremorgio, passen nahtlos dazu.<br />

Sprachlich ist vieles möglich. Italienisch ist überall gefragt, im Umlautdominierten<br />

Dialekt ohnehin. Mit Englisch und Französisch ist kaum Gegenwehr<br />

zu erwarten, wenn es denn verstanden wird – wir haben in der Schweiz<br />

ein Bildungsproblem −, Deutsch eher nicht zu empfehlen, weil die Jahrhunderte<br />

zurückliegende Urner Herrschaft nachwirkt wie in der Waadt diejenige<br />

Berns.<br />

Sommer und Winter, der eine kurz, der andere übermässig lang. Am<br />

schönsten sind wohl Frühling und Herbst, Spriessen und Welken, Farbenpracht<br />

allerorten, auf Höhen über 2000 m über Meer für Nichtgeübte<br />

schwierig, gleichwohl lohnenswert für Leute mit dem nötigen Hintergrundwissen,<br />

zu dem dieses Buch auch einen Beitrag leisten soll. Gelingt das, ist<br />

der Weg zu einer wenig begüterten, aber sehr liebenswürdigen einheimischen<br />

Bevölkerung, der das Sozialleben etwas bedeutet, nicht mehr weit.<br />

Fred Büchi<br />

Vorwort 9


Geologie<br />

Alpenfaltung wirkt als Grossereignis nach<br />

Das Gotthardgebiet zählt geologisch zu den interessantesten Regionen<br />

der Schweiz. Ursprung war die Untertunnelung des Massivs. Weit mehr als<br />

100 km (Stand 2007) Stollen in beiden Gotthard-Scheitel- (Bahn und<br />

Strasse) sowie dem Furkatunnel (Bahn) haben Erkenntnisse zutage gefördert,<br />

die trotz Einschränkungen beim Ausbrechen viel Aufschluss über die<br />

Gege benheiten im Berginnern ermöglicht haben. Ausgedehnte Kraftwerkbauten<br />

haben das ergänzt.<br />

Aus der Entstehungsgeschichte der Alpen<br />

Die Geschichte der Alpen beginnt am Ende der Permzeit vor rund 250 Mio.<br />

Jahren. Alle heutigen Kontinente bildeten bis dahin eine homogene, riesige<br />

Landmasse. In der Triaszeit (vor ca. 200 Millionen Jahren) begann der<br />

Superkontinent als Folge von Plattenverschiebungen zu zerbrechen. Im<br />

Verlaufe der nächsten 100 Mio. Jahre öffnete sich sukzessive ein westöstlich<br />

orientiertes Meeresbecken in den Dimensionen des heutigen Mittelmeeres.<br />

Die Kontinentblöcke im Norden und im Süden dieses Urmittelmeeres<br />

(Geologen nennen es Tethys) können als Ur-Europa und Ur-Afrika<br />

bezeichnet werden. Übrigens ist der Bergeller Granit der einzige während<br />

der alpinen Faltung entstandene magmatische (vulkanische) Gesteinskomplex<br />

der Schweizer Alpen.<br />

Gesteine des Gotthards<br />

Das Gotthardmassiv liegt im geologischen Sinne im helvetischen Grundgebirge.<br />

Sein Aufbau ist recht einfach. Die Grenzen sind im Norden wie<br />

im Süden – eher ungewöhnlich – markiert durch steil stehende Schichten<br />

von kalkigen Sedimenten aus dem Erd-Mittelalter (Mesozoikum). Im Süden<br />

ist dies sehr auffällig. Im Nufenengebiet (Altstafel, Corno, Alpe di Cruina),<br />

am Ritomsee und im Lukmaniergebiet (Scopi) finden sich dunkle, fast<br />

schwarze Kalksteine und Schiefer. Die aussergewöhnliche Farbe dieser<br />

Sedimente geht auf ihre Ablagerung in einem sauerstoffarmen Meeresbecken<br />

der Tethys zur frühen Jurazeit (Lias) zurück. In auffallendem<br />

Farbkontrast dazu stehen helle Gesteine wie Dolomitmarmor, Rauwacke,<br />

10 Geologie


Gips und hellgrüne Schiefer. Dies sind Flachmeerablagerungen aus der<br />

Triaszeit.<br />

Das <strong>Bedrettotal</strong> zwischen Cantina di Cruina und Airolo folgt genau dem<br />

Verlauf dieser weichen, erosionsanfälligen Gesteine. Gegen Osten verlaufen<br />

sie durch das Val Canaria in das Val Piora. Am Lago di Tom, im Val Piora und<br />

in den Bergen gegen den Lukmanierpass bilden sie eigenartige, reiz volle<br />

Landschaften mit bizarren Erosionsformen. In dieser Piorazone (Pioramulde)<br />

ist der Verlauf dieser Schichten nicht genau bekannt, was beim Bau des<br />

Gotthard-Basis tunnels der Neat eine Rolle spielt. Der sandig zerfallende,<br />

zuckerkörnige Dolomit ist ein im Tunnelbau ausserordentlich gefürchtetes<br />

Gestein.<br />

Mehrere rundliche, scharf abgegrenzte Granitkörper mit einer Oberfläche<br />

von zwischen 10 und 40 Quadratkilometern sind gut erkennbar. Gemeinsam<br />

ist ihnen ein durch radiometrische Messung bestimmtes Alter von rund<br />

300 Mio. Jahren. Rotondogranit zählt zu den schönsten Graniten, ein sehr<br />

kompaktes helles Gestein mit viel bräunlichem Quarz, Feldspäten und<br />

wenig Glimmer – ein bestgeeignetes Klettergestein.<br />

Angeordnet sind diese Gesteine in west-östlich lang gestreckten, steil<br />

stehenden, schmalen, aber oft über viele Kilometer zu verfolgenden Zügen.<br />

In kleineren Einlagerungen und Linsen findet man aber noch viele weitere<br />

Gesteine. Zu erwähnen sind etwa Serpentin und Giltstein (Speckstein, Ofenstein),<br />

aus denen man von alters her bis zum heutigen Tag Öfen auskleidet<br />

(Gruben von Kämmleten ob Hospental und am Piz Calmot).<br />

Eine Gletscherlandschaft<br />

Erst vor wenigen zehntausend Jahren muss der Gotthard noch von Gletschern<br />

bedeckt gewesen sein. Davon zeugen die bis knapp unter die höchsten<br />

Gipfel reichenden gerundeten Geländeformen, was in diesem Führer<br />

besonders das Gebiet Corno-Bedretto betrifft. Im Gotthardmassiv macht<br />

sich die Klimaerwärmung in Form von Gletscherschwund deshalb besonders<br />

bemerkbar, weil die Eisgebilde relativ klein sind. Sie werden in wenigen<br />

Jahrzehnten ganz verloren sein. Das Gotthardmassiv ist, von Ausnahmen abgesehen<br />

(Fibbia), relativ arm an Mineralien und Kristallen. Wichtig zu wissen<br />

ist deshalb, dass im Kanton Tessin die Suche bewilligungspflichtig ist.<br />

Spiegel der Erdgeschichte Europas<br />

Das Tessin lässt sich in zwei Teilen darstellen. Der eine, das Sottoceneri,<br />

ist vorwiegend vor, der andere, das Sopraceneri, während der Alpenfaltung<br />

ent standen. Am Ende der Karbonzeit (vor rund 300 Mio. Jahren) war Mitteleuropa<br />

Teil des weltweiten Einheitskontinents Pangäa. Es bestand aus<br />

Gneisen und Graniten, Abtragungsresten des variszischen (zwischen etwa<br />

350 und 300 Mio. Jahren) sowie des kaledonischen (zwischen etwa 460<br />

und 420 Mio. Jahren) Gebirges. Das Klima war tropisch-feucht mit üppiger<br />

Vegetation. Die folgende Permzeit (300 bis 250 Mio. Jahre vor unserer<br />

Zeitrechnung) war durch Wüstenklima und magmatische Aktivität gekenn-<br />

Geologie 11


zeichnet. Untiefes Meer beherrschte die Triaszeit (250 bis 203 Mio. Jahre).<br />

In der Lias (203 bis 175 Mio. Jahre) begann der Einheitskontinent auseinanderzubrechen,<br />

durch Meerbildung entfernten Europa und Afrika sich<br />

voneinander. In der mittleren Kreidezeit (100 Mio. Jahre) näherten sich<br />

die beiden Kontinente einander wieder. Das Tessin wurde durch die insubrische<br />

Linie, die die geo logische Südgrenze der Alpen bildet, getrennt.<br />

Der Nordblock wurde um etwa 15 bis 20 km angehoben. Zudem haben seitliche<br />

Verschiebungen den südlichen Block gegenüber dem nördlichen um<br />

etwa 60 km nach Westen versetzt.<br />

Das Nordtessin (Sopraceneri) besteht aus flach liegenden, kilometerdicken<br />

Gneis-Spänen (Decken) der bei der Alpenfaltung zusammengestauchten<br />

europäischen Erdkruste. Die fast horizontale Lage der Deckengrenzen<br />

und der Gneis-Bänderung und -Bankung ist vorab in der <strong>Leventina</strong><br />

kaum übersehbar.<br />

Informationen zum Sopraceneri<br />

Die beste allgemein verständliche Zusammenfassung der Tessiner Geologie<br />

und Mineralogie findet sich in italienischer Sprache auf 90 Seiten im Band<br />

Introduzione al paesaggio naturale del Cantone Ticino (1990). Für eine<br />

Grossübersicht eignet sich die Geologie der Schweiz von Toni P. Labhart<br />

(<strong>Ott</strong>-<strong>Verlag</strong>, 1998).<br />

Vom geologischen Atlas der Schweiz 1: 25 000 sind für den Raum Sopraceneri<br />

Blätter bei der Swisstopo, Wabern, oder im Buchhandel erhältlich.<br />

Weiter helfen auch Publikationen der Ente turistice.<br />

Exkursionen in längst vergangene Zeiten<br />

Die folgenden drei Exkursionen stammen aus der Sammlung geologischer<br />

Führer Nummer 63, Aarmassiv und Gotthardmassiv, verfasst von Toni P. Labhart.<br />

Nufenenpass<br />

Ulrichen, Ausgangspunkt im Obergoms (Kanton Wallis), liegt im Bereich der<br />

Urseren-Zone, die weit ausgreifenden Strassenkehren südlich davon bereits<br />

in der nördlichen Paragneis-Zone des Gotthardmassivs (Gurschengneis-<br />

Zone). Die Passhöhe liegt wie die Strasse zwischen Passhöhe und Alpe di<br />

Cruina in Gneisen der Prato-Serie. Es dominieren helle, feinstreifige Zweiglimmer-Kalifeldspat-Gneise,<br />

zum Teil granatführend und mit grobem Muskovit.<br />

Die Überlagerung einer alpidischen Verschieferung auf einen präalpidischen<br />

Faltenbau hat recht komplizierte Strukturen geschaffen. Gute<br />

Aufschlüsse finden sich auf und südlich der Passhöhe, so etwa auf 2240 m<br />

ü. M. unter der Hochspannungsleitung (P Car; LK 25: Pt. 2240 westlich Rosalba).<br />

Im Bereich der Strassenschleife Pt. 2239 quert ein rund 200 Meter<br />

mächtiger Zug von Augengneis (Orthogneis) die Strasse.<br />

Von der Kurve Pt. 2099 (P Car liegt 100 m tiefer) überblickt man die<br />

geologische Situation des oberen <strong>Bedrettotal</strong>s gut. Das gegen Westen zur<br />

12 Geologie


tiefsten Stelle des Nufenenpasses ansteigende Tälchen folgt der Grenze<br />

Gotthardmassiv-Kristallin/Sedimente. Die steilen, dunklen Schichten des<br />

Nufenenstocks sind gotthardmassivische Sedimente, die gegen Osten zu<br />

auskeilen. Die Bergzüge südlich des Val Corno und Val Bedretto bestehen<br />

vorwiegend aus braun anwitternden Bündnerschiefern, zwischen die sich in<br />

den höchsten Graten bereits Züge von Tessiner Gneisen schieben.<br />

Von Alpe di Cruina bis Airolo verläuft die Strasse in der Achse des <strong>Bedrettotal</strong>es,<br />

dessen Talsohle in die Trias der Bedretto-Mulde oder -Zone zwischen<br />

Gotthardmassiv und Penninikum eingetieft ist. Beidseits der Strasse<br />

sieht man sporadische Aufschlüsse triadischer Gesteine (Marmor, Dolomit,<br />

Rauwacke). An verschiedenen Schuttkegeln von Bächen der nördlichen Talflanke<br />

kann man die Vielfalt der Gesteine des südlichen Gotthardmassivs<br />

studieren, so etwa am Riale di Ronco (Rotondo-Granit-Gerölle) und am<br />

Riale di Bedretto unterhalb Bedretto.<br />

In Airolo ist Anschluss an die Exkursion Pioragebiet gewährleistet.<br />

Gotthardpass<br />

Der Gotthardpass bietet ein klassisches Querprofil durch das zentrale Gotthardmassiv<br />

mit Schwerpunkt auf Gamsboden- und Fibbia-Granitgneis sowie<br />

Tremola-(Rotondo-)Granit und den südlichen Paragesteins-Serien. Die Neuanlage<br />

der Gotthard-Passstrasse wirkt sich direkt auf die Gestaltung geologischer<br />

Exkursionen im Passprofil aus.<br />

Das Gotthard-Hospiz und seine weitere Umgebung liegen im Fibbia-Granitgneis.<br />

Viele gute Aufschlüsse in dem alpidisch tektonisierten, hercynischen<br />

Granit finden sich in unmittelbarer Nähe der Passhöhe (viele Parkplätze).<br />

Die Berge westlich der Strasse, La Fibbia und Pizzo della Valletta,<br />

sind bekannte Fundorte von Zerrkluftmineralien. Ein sehr schönes, zusammenhängendes<br />

Profil durch die südlichen Gesteinszonen des Massivs (Giubine-Serie,<br />

Cavanna-Serie, Tremola-Serie) ist abseits des Verkehrs an der<br />

Strasse zum Sellasee und ihrer südöstlichen Fortsetzung, der «Scimfuss»-<br />

Strasse aufgeschlossen. Für diesen Fussmarsch sind mindestens 3 – 4 Stunden<br />

einzusetzen.<br />

Auf dem Rückweg zur Gotthard-Passhöhe lohnt sich ein kurzer Halt, um<br />

die Westseite des Val Tremola zu betrachten, wo in der Ostflanke der Fibbia<br />

bei guter Beleuchtung der Kontakt zwischen Fibbia-Granitgneis/Tremola-<br />

Granit und den dunkleren, lagigen südlichen Gneis-Serien schön zu sehen<br />

ist.<br />

In Airolo ist der Anschluss an die Exkursionen Nufenenpass und Pioragebiet<br />

möglich.<br />

Val Piora<br />

Das Val Piora ist ein west-östlich verlaufendes Hochtal zwischen Valle<br />

<strong>Leventina</strong> und Valle Santa Maria am Lukmanierpass. Es ist eingetieft in<br />

die mesozoischen Sedimente zwischen Lucomagno-Kristallin im Süden und<br />

dem Gotthardmassiv im Norden. Das Pioragebiet ist für Fussexkursionen<br />

Geologie 13


sehr geeignet; da lassen sich vor allem alpidische Tektonik und Metamorphose<br />

an lithologisch überaus vielfältigen Gesteinsserien entlang gut begehbaren<br />

Wegen studieren. Die vielen Seen – deren grösster der künstlich<br />

gestaute Ritomsee ist – verleihen dem glazial geprägten Hochtal grossen<br />

landschaftlichen Reiz.<br />

Möglichkeiten in Hülle und Fülle<br />

Wir beschränken uns auf eine kurze geologische Übersicht und die Beschreibung<br />

zweier besonders geeigneter Routen. Je nach Ziel und Zeitaufwand<br />

lassen sich nach der Literatur eine ganze Reihe weiterer Exkursionsrouten<br />

zusammenstellen. Das Pioragebiet erreicht man von Westen her<br />

entweder mit der Drahtseilbahn Piotta – Stazione Piora oder mit Pkw von<br />

Airolo – Piotta über Altanca – Stazione Piora – Piora (Ristorante Lago Ritom<br />

bei der Ritom-Staumauer (P = Parkplatz). Ab Altanca schmales, kurvenreiches<br />

Strässchen; seine Fortsetzung am Nordufer des Ritomsees nach<br />

Alpe di Piora und Capanna di Cadagno ist nur mit Sonderbewilligung befahrbar.<br />

Aus dem Lukmaniergebiet erreicht man das Val Piora nur zu Fuss über<br />

den Passo dell’Uomo (ab Hospiz Santa Maria), oder den Passo di Sole (von<br />

Casaccia oder Pian Segno aus). Unterkunft bieten das Ristorante Lago Ritom<br />

(Zimmer und Massenlager), die Capanna di Cadagno S.A.T. (Massenlager),<br />

evtl. die Cadlimo-Hütte SAC.<br />

Dominierende Grossstruktur des Pioragebiets ist eine west-ost-streichende,<br />

südvergente, in sich verschuppte Synform mesozoischer Sedimente<br />

(Piora-Mulde) zwischen den mittelsteil nordwärts einfallenden Kristallinserien<br />

des Gotthardmassivs im Norden und des Lucomagno-Kristallins im<br />

Süden. In der Mulde dominieren gotthardmassivische Trias (von unten nach<br />

oben Quarzite; karbonatische Gruppe mit Dolomit, Gips und Rauwacke<br />

sowie Quartenschiefer, die mesometamorph als graugrüne Glimmerschiefer<br />

mit Dolomitlagen, Granat-Glimmerschiefer mit Disthen und Staurolith oder<br />

Hornblende-Garbenschiefer vorliegen) und Lias (black garnet schist series)<br />

erscheinen.<br />

Im Muldenkern finden sich westlich des Ritomsees (zwischen Fölsc und<br />

Camoghè) penninische Bündnerschiefer. Im Westteil ist die Mulde relativ<br />

einfach und symmetrisch gebaut, mit normal liegender Trias über dem Lucomagno-Kristallin<br />

und verkehrt liegender Trias unter der gotthardmassivischen<br />

Tremola-Serie. Östlich des Ritomsees setzt sie infolge axialen Anstiegs<br />

der Lias im Innern der Mulde aus, und das östliche Val Piora besteht<br />

nur aus karbonatischer Trias und Quartenschiefern. Östlich der Wasserscheide<br />

gegen das Valle Santa Maria splittert die Piora-Mulde auf. Eine schmale<br />

südliche Synform streicht, in tektonischem Kontakt zum Lucomagno-Kristallin,<br />

vom Passo di Sole gegen Frodalera-Brönich. Die nördlich anschliessende<br />

Antiform zieht vom Pizzo Colombe (karbonatische Trias) in die<br />

Kristallin aufwölbung von Selva Secca. Auf die nächste Synform zwischen<br />

Passo delle Colombe und Campo Solario (karbonatische Trias mit Quarten-<br />

14 Geologie


schieferkern) folgt als «Aufwölbung» das Gotthardmassiv, das in die Antiform<br />

von Casaccia (Bergell) zieht. Der Ablauf der tektonischen und metamorphen<br />

Vorgänge bei der Bildung der Piora-Mulde ist sehr komplex.<br />

Beim gesamthaft gesehen geringen Tiefgang der Piora-Mulde stellt sich<br />

die Frage nach der tektonischen Stellung und der Verwandtschaft des nördlich<br />

und südlich angrenzenden Kristallins. Der nordfallende Südkontakt des<br />

Gotthardmassivs zeigt nicht den typischen Massivbaustil und das gleichartig<br />

gelagerte Lucomagno-Kristallin, ebenso wenig den typischen penninischen<br />

Deckenbaustil.<br />

Geologie 15

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