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Untitled - Ott Verlag

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Vorwort<br />

Vor 25 Jahren ist mein erstes Buch über das Simmental erschienen. Im Vorwort habe ich damals<br />

geschrieben: «Nachdem mir seit Jahren anlässlich meiner Diavorträge über das Simmental<br />

immer wieder die Frage gestellt wurde, ob ich nicht ein Buch darüber herausgeben möchte,<br />

ging ich nun letztes Jahr daran, erste Ideen zu einem Buch über mein Heimattal zu entwerfen.»<br />

Und nun ist etwas Ähnliches passiert. Diesmal war es vorab der lokale Buchhandel, der Interesse<br />

an einer neuen Veröffentlichung über das Simmental zeigte.<br />

Im Gegensatz zum Buch von 1983, in welchem Bild und Text den gleichen Raum einnahmen,<br />

liegt nun das Schwergewicht eindeutig auf der Bildseite. Im Laufe der Jahre haben sich in<br />

meinem Fotoarchiv Motive für mehr als nur ein Simmentalbuch angesammelt. Dies gilt vor<br />

allem für den obersten Talabschnitt. Um auch das untere Simmental ausreichend dokumentieren<br />

zu können, waren in den letzten Monaten noch etliche Fotogänge nötig. Dabei ist mir einmal<br />

mehr bewusst geworden, wie das Tal der Simme und das Diemtigtal in ihrer ganzen Länge<br />

sehenswert sind.<br />

Gewiss ist die Landschaft ganz oben im Obersimmental, wo am Wildstrubel auch noch Gletscherreste<br />

vorhanden sind, am vielfältigsten. Aber am meisten Simmental im Sinne einer naturnahen,<br />

seit Jahrhunderten landwirtschaftlich genutzten Landschaft, ist das Simmental in<br />

seinem mittleren Abschnitt geblieben. Wie schade, haben die Gemeinden im unteren Tal die<br />

in Diemtigen laufenden Bestrebungen zur Errichtung eines regionalen Naturparks nicht unterstützt.<br />

Die Landschaft des unteren Simmentales wäre in idealer Weise dazu geeignet, die beiden<br />

geplanten Naturparks Diemtigtal und Gantrisch miteinander zu verbinden. Offenbar geht<br />

es den Simmentaler Gemeinden und der Landwirtschaft derart gut, dass man nicht auf neue<br />

Ideen und Einnahmen angewiesen ist.<br />

Das vorliegende Buch gibt einleitend eine kurze Einführung in die Entstehung der Simmentaler<br />

Landschaft. Nach je einem Kapitel über die Pflanzen- und Tierwelt folgt ein Abschnitt über<br />

die Aktivitäten des Menschen, der bereits seit mehreren zehntausend Jahren im Diemtig-<br />

und Simmental unterwegs ist. Danach werden die einzelnen Gemeinden zwischen der Lenk<br />

und Wimmis vorgestellt. Die flächenmässig grösseren Gemeinden nehmen auch seitenmässig<br />

mehr Platz ein als die kleinen Ortschaften.<br />

Um in die Textseiten etwas Abwechslung zu bringen, hatte ich die Idee, im Abschnitt über die<br />

Gemeinden jeweils eine Schulklasse ihre Wohngemeinde vorstellen zu lassen. Wie gut und<br />

lebendig dies die jungen Schreiberinnen und Schreiber in den Gemeinden Lenk, St. Stephan,<br />

Boltigen, Oberwil und Därstetten gemacht haben, können Sie auf den betreffenden Seiten<br />

selbst feststellen. Leider waren nicht alle angefragten Schulleitungen dazu bereit, mitzumachen.<br />

Simmental und diemtigtal | 7


Vorwort<br />

Vor 25 Jahren ist mein erstes Buch über das Simmental erschienen. Im Vorwort habe ich damals<br />

geschrieben: «Nachdem mir seit Jahren anlässlich meiner Diavorträge über das Simmental<br />

immer wieder die Frage gestellt wurde, ob ich nicht ein Buch darüber herausgeben möchte,<br />

ging ich nun letztes Jahr daran, erste Ideen zu einem Buch über mein Heimattal zu entwerfen.»<br />

Und nun ist etwas Ähnliches passiert. Diesmal war es vorab der lokale Buchhandel, der Interesse<br />

an einer neuen Veröffentlichung über das Simmental zeigte.<br />

Im Gegensatz zum Buch von 1983, in welchem Bild und Text den gleichen Raum einnahmen,<br />

liegt nun das Schwergewicht eindeutig auf der Bildseite. Im Laufe der Jahre haben sich in<br />

meinem Fotoarchiv Motive für mehr als nur ein Simmentalbuch angesammelt. Dies gilt vor<br />

allem für den obersten Talabschnitt. Um auch das untere Simmental ausreichend dokumentieren<br />

zu können, waren in den letzten Monaten noch etliche Fotogänge nötig. Dabei ist mir einmal<br />

mehr bewusst geworden, wie das Tal der Simme und das Diemtigtal in ihrer ganzen Länge<br />

sehenswert sind.<br />

Gewiss ist die Landschaft ganz oben im Obersimmental, wo am Wildstrubel auch noch Gletscherreste<br />

vorhanden sind, am vielfältigsten. Aber am meisten Simmental im Sinne einer naturnahen,<br />

seit Jahrhunderten landwirtschaftlich genutzten Landschaft, ist das Simmental in<br />

seinem mittleren Abschnitt geblieben. Wie schade, haben die Gemeinden im unteren Tal die<br />

in Diemtigen laufenden Bestrebungen zur Errichtung eines regionalen Naturparks nicht unterstützt.<br />

Die Landschaft des unteren Simmentales wäre in idealer Weise dazu geeignet, die beiden<br />

geplanten Naturparks Diemtigtal und Gantrisch miteinander zu verbinden. Offenbar geht<br />

es den Simmentaler Gemeinden und der Landwirtschaft derart gut, dass man nicht auf neue<br />

Ideen und Einnahmen angewiesen ist.<br />

Das vorliegende Buch gibt einleitend eine kurze Einführung in die Entstehung der Simmentaler<br />

Landschaft. Nach je einem Kapitel über die Pflanzen- und Tierwelt folgt ein Abschnitt über<br />

die Aktivitäten des Menschen, der bereits seit mehreren zehntausend Jahren im Diemtig-<br />

und Simmental unterwegs ist. Danach werden die einzelnen Gemeinden zwischen der Lenk<br />

und Wimmis vorgestellt. Die flächenmässig grösseren Gemeinden nehmen auch seitenmässig<br />

mehr Platz ein als die kleinen Ortschaften.<br />

Um in die Textseiten etwas Abwechslung zu bringen, hatte ich die Idee, im Abschnitt über die<br />

Gemeinden jeweils eine Schulklasse ihre Wohngemeinde vorstellen zu lassen. Wie gut und<br />

lebendig dies die jungen Schreiberinnen und Schreiber in den Gemeinden Lenk, St. Stephan,<br />

Boltigen, Oberwil und Därstetten gemacht haben, können Sie auf den betreffenden Seiten<br />

selbst feststellen. Leider waren nicht alle angefragten Schulleitungen dazu bereit, mitzumachen.<br />

SIMMENTAL UND DIEMTIGTAL | 7


8 | Simmental und diemtigtal<br />

Im Jahre 1983 neigte sich die jahrelange Auseinandersetzung um den damals im Simmental<br />

geplanten Autobahnbau ihrem Ende zu. Die durch den Bau eines Sondiertunnels auf Walliser-<br />

seite eingetretenen schweren Schäden an der Staumauer von Tseuzier haben schliesslich<br />

wesentlich dazu beigetragen, dass die eidgenössischen Räte 1986 die Nationalstrassenverbindung<br />

durch den Rawil gestrichen haben.<br />

Als Initiant des damaligen Widerstandes möchte ich mit zwanzigjähriger Verspätung danken:<br />

Den mehreren Tausend Leuten in- und ausserhalb des Simmentals, die den jahrelangen Kampf<br />

von «Pro Simmental» unterstützt haben. Den Vertretern der Medien, die stets ein offenes Ohr<br />

für unsere Anliegen hatten. Den Politikern auf Kantons- und Bundesebene, die parlamentarische<br />

Vorstösse gegen den Autobahnbau einreichten, unterstützten oder bei den entscheidenden<br />

Abstimmungen im National- und Ständerat die Simmental-Autobahn endgültig gestrichen<br />

haben. Sie alle haben dazu beigetragen, dass das Simmental «Simmental bleiben darf».<br />

Ihnen allen widme ich dieses Buch.<br />

Die Herausgabe des Buches zu einem tragbaren Preis war nur dank namhaften Druckkostenbeiträgen<br />

möglich. Beachten Sie hierzu das Impressum auf Seite 2. Herzlichen Dank auch an<br />

Geraldine Blatter (Lektorin) vom <strong>Ott</strong> <strong>Verlag</strong> für die angenehme Zusammenarbeit und an Jan<br />

Dubach (tasty.ch) und dem Atelier Mühlberg in Basel für die Gestaltung des Umschlages und<br />

der 176 Buchseiten.<br />

St. Stephan, im Herbst 2008<br />

Ernst Zbären


Inhaltsverzeichnis<br />

Willkommen ....................................................11<br />

Jahrmillionen ...................................................14<br />

Felsenblümchen .................................................24<br />

«Pfiffoltera» und grössere Tiere. .....................................36<br />

Simmentaler − gestern, heute, morgen ................................48<br />

Lenk ..........................................................58<br />

St.Stephan .....................................................72<br />

Zweisimmen ....................................................86<br />

Boltigen. ......................................................100<br />

Oberwil .......................................................112<br />

Därstetten .....................................................124<br />

Erlenbach .....................................................134<br />

Diemtigen .....................................................144<br />

Wimmis .......................................................158<br />

Literaturverzeichnis. .............................................169<br />

Ortsverzeichnis .................................................171<br />

Simmental und diemtigtal | 9


10 | Simmental und diemtigtal


Willkommen im grünen Bergland<br />

zwischen Wildstrubel, Stockhorn<br />

und Niesen<br />

Abgesehen vom Tal der Aare mit dem Brienzer- und Thunersee ist das Simmental das mit<br />

Abstand längste Tal des Berner Oberlandes. Vom Wildstrubelmassiv ob der Lenk bis zum Talausgang<br />

in der Port bei Wimmis fliesst die Simme über eine Strecke von 50 Kilometern dem<br />

Thunersee entgegen. Auch das im unteren Simmental abzweigende Diemtigtal weist mit nicht<br />

weniger als 18 Kilometern eine beachtliche Länge auf.<br />

Von Thun – Spiez her in Richtung Wimmis und Simmental fahrend, mag sich mancher erstmalige<br />

Besucher des Tales fragen, wo sich denn dieses angeblich so sanfte und grüne Tal wohl<br />

versteckt. Mächtig ragt rechter Hand die helle Felswand der Simmeflue empor. Links, niedriger<br />

zwar, aber ebenfalls steil zur Simme hin abfallend, steht die Burgflue. Und zwischen den beiden<br />

Flüenen liegt die Port, die Türe zum Simmental. Die Bahnlinie, ein Lokalsträsschen, die<br />

Simme und die Hauptstrasse füllen den engen Talgrund vollständig aus, mehr hat hier nicht<br />

Platz.<br />

Viehzucht und Landwirtschaft seit Jahrhunderten<br />

Der Schreck ist von kurzer Dauer. Nach kaum zwei Minuten Fahrzeit weichen die steilen Talflanken<br />

zurück. Ein mehrere hundert Meter breiter und fast topfebener Talboden taucht auf.<br />

Vergleichbare Ebenen trifft man bei der weiteren Fahrt talaufwärts erst wieder im Talabschnitt<br />

Boltigen und im Bereich der obersten Gemeinden Zweisimmen, St. Stephan und Lenk an.<br />

Dazwischen hat sich die Simme tiefer eingegraben. Etwa zwischen Weissenburg und Boltigen,<br />

wo die kurvenreiche Talstrasse direkt neben der Simme verläuft.<br />

Bewimperter Steinbrech<br />

Das Simmental wird nicht selten als das grünste Tal der Alpen<br />

bezeichnet. Dies mag stimmen, doch grün ist das Simmental<br />

längst nicht überall. Beachtliche 7,8 bis 39,2 Prozent der Gemeindeflächen<br />

sind unproduktives Land, wo Steine und Felsen<br />

vorherrschen. Aber auch hier wachsen da und dort grüne Blätter<br />

heran und es öffnen sich farbige kleine Blüten. Das Bild des<br />

Bewimperten Steinbrechs ist hoch oben im Wildstrubelgebiet<br />

aufgenommen worden.<br />

Simmental und diemtigtal | 11


12 | Simmental und diemtigtal<br />

Wer garantiert staufrei im Zug sitzt, hat gerade hier beim Durchfahren der Gemeinde Oberwil<br />

den besseren Überblick. Er stellt fest, dass ob dem Einschnitt der Simme Land vorhanden ist,<br />

das sich häufig bestens für die landwirtschaftliche Nutzung eignet. Im Simmental wurde denn<br />

auch schon vor etlichen hundert Jahren mit beachtlichem Erfolg Landwirtschaft betrieben.<br />

Nichts beweist dies derart deutlich, wie die ungewöhnlich grosse Zahl prächtiger, alter Bauernhäuser.<br />

Der Verkauf von Butter und Käse sowie der Handel mit Tieren brachte Wohlstand in<br />

manches Haus. Rindvieh aus dem Simmental wurde über den Rawil- und Simplonpass nach<br />

«Lamparten» − in die Lombardei − getrieben. Noch mehr Tiere verliessen das Tal in nördlicher<br />

Richtung. So lange die Original-Vierbeiner-Pferdestärken die einzigen vorhandenen Antriebsmotoren<br />

für Personen- und Gütertransporte waren, bildete zudem die Aufzucht und der Verkauf<br />

von Pferden im Simmental eine überaus einträgliche Tätigkeit.<br />

Ferien im Simmental<br />

Möchte man als Simmentaler schauen, wie sich der Fremdenverkehr nicht entwickeln sollte,<br />

braucht man nicht weit weg zu fahren. Die masslose Chaletbauerei im benachbarten Saanenland<br />

ist ebenso fragwürdig wie manches, was gleich jenseits der Walliser Kantonsgrenze an der<br />

Südseite des Rawilpass entstanden ist. Im Simmental ist die Zahl der ansässigen Bevölkerung<br />

noch nicht mehrfach kleiner als die Bettenzahl in Hotels und Ferienwohnungen. Wer hier Ferientage<br />

verbringt, wechselt nicht von seiner Wohnstadt in eine Tourismusstadt, die brutal in die<br />

Landschaft «hineingeklotzt» worden ist.<br />

Das Tal und seine Dörfer bieten noch den gesuchten echten Kontrast zum Alltag. Grossflächige<br />

Geländeplanierungen für Skipisten sind hier nirgends zu finden. Ebenso unbekannt sind kilometerlange,<br />

breit in die Wälder hinein geschlagene Pisten-Rodungen. Unterkunft findet man in<br />

Ferienwohnungen im ganzen Tal. Hotels gibt es vom einfachen Gasthof bis zum Fünfsternhaus<br />

«Lenkerhof» an der Lenk, aber auch «Schlafen im Stroh» wird angeboten.<br />

Millionenbeträge sind in den letzten Jahren im Simmen- und Diemtigtal in Beschneiungsanlagen<br />

investiert worden. Aber der gute alte Wettermacher Petrus redet in den Wintermonaten<br />

trotzdem immer noch ein Wörtchen mit. Liefert er flotte Schneemengen, so können sich auch<br />

all jene Wintergäste aktiv betätigen, die aufs Skifahren verzichten. Langläufer und Winterwanderer<br />

können 18 Kilometer zurücklegen, wenn sie ab Zweisimmen über St. Stephan und Lenk<br />

bis zu den Simmenfällen am Fusse des Wildstrubels unterwegs sind. Die Winterwanderwege<br />

im Gebiet Betelberg-Leiterli über der Lenk sind ganz grosse Klasse. In einer schneesicheren<br />

Höhenlage von leicht über oder unter 2000 Metern gewähren die mit Pistenfahrzeugen präparierten<br />

Wege weite Ausblicke in die umliegende Landschaft der Vor- und Hochalpen.<br />

Auch Zweisimmen hat im Winterangebot einen Trumpf, der weitherum einzigartig ist: das<br />

Langlaufzentrum Sparenmoos. Vom Ausgangspunkt auf 1600 Meter steigen seine Loipen bis<br />

auf 1800 Meter an, eingebettet in die dazu ideal geeignete, sanft geformte Alpweidelandschaft<br />

an der Südostseite des Hundsrüggs. Man gleitet zwischen Baumgruppen hindurch, unmittelbar<br />

danach wandert der Blick weithin über die Berge und Täler des westlichen Berner<br />

Oberlandes.


Holz und Metallbearbeitung<br />

Neben der Landwirtschaft und dem Tourismus sind im Simmental auch Arbeitsplätze in anderen<br />

Branchen vorhanden. Aus viel einheimischem Holz entsteht in den Holzwerken Rieder in<br />

St. Stephan Hobelware, z. B. Täfer für den Innenausbau. Kleine «Holztruckli» und meterlange<br />

schwere Holzkisten für weltweite Exporte der Schweizer Maschinenindustrie werden von den<br />

60 Beschäftigten des Betriebes ebenso fabriziert wie Kartonverpackungen mit Schaumstoff-<br />

Innenpolsterungen in allen gewünschten Grössen.<br />

Das grösste Sägewerk im Kanton Bern befindet sich in Erlenbach. Über 40 Häuser des Dorfes<br />

beziehen ihr Heizungs- und Warmwasser von der Holzschnitzelheizung, die mit den im Sägewerk<br />

anfallenden Holz- und Rindenresten betrieben wird. Auch Aluminium, Eisen und Stahl<br />

wird in Erlenbach bearbeitet. Auf der Drehbank, mit Bohr-, Fräs-, Hobel- und Schleifmaschinen<br />

stellen die Mitarbeiter der Firma Maschinen- & Apparatebau «Zum Wald» die gewünschten<br />

Werkstücke mit grosser Präzision her. Bis weit ins vorige Jahrhundert hinein belastete eine<br />

Karbidfabrik mit ihren ungefilterten Abgasen die Luft im untersten Simmental. Nun stehen<br />

an ihrer Stelle die hohen Silos der Mühle Burgholz. 15 000 Tonnen Getreide werden pro Jahr<br />

angeliefert, über 30 Leute arbeiten im Mühlebetrieb. Verschiedene Getreidesorten werden zu<br />

Mehlen für Bäckereien gemahlen oder zu Futtermittel für Hühner, Kaninchen, Rindvieh und<br />

Schweine verarbeitet.<br />

Direkt neben der Mühle ist ein Zweimannbetrieb tätig. Die Gebrüder Imboden arbeiten mit<br />

ganzen Baumstämmen, lassen daraus Wohnhäuser in Rundholz-Blockbauweise entstehen.<br />

Gleich daneben passiert bei «Ryter Holzbau» das pure Gegenteil. Hier wird das im ganzen<br />

Berner Oberland anfallende Abbruchholz von Häusern, alte Holzmöbel und Holz von Baustellen<br />

zu Kleinholz von einigen Zentimeter Länge zerhackt. In Italien – der Transport erfolgt in<br />

Bahngüterwagen – entstehen daraus Spanplatten.<br />

Simmental und Diemtigtal – eine grüne lebendige Landschaft. Zwar hat die laufende Zentralisierungswelle<br />

im Kanton Bern Arbeitsplätze verschwinden lassen, desgleichen der Abbau bei<br />

den Militärbetrieben. Die Landwirte sorgen sich um ihre Zukunft. Aber noch überwiegt das Positive,<br />

noch leben die beiden Täler. Willkommen an der Simme, dem Fildrich und der Chirel.<br />

Simmental und diemtigtal | 13


14 | Simmental und diemtigtal<br />

Verbogene Felsschichten in der Niesenkette<br />

Man spürt sie förmlich, die gewaltigen Urkräfte unserer Erde, wenn man am Albristhorn vor diesen<br />

intensiv verfalteten Flyschschichten steht. Vor Jahrmillionen sind diese Felsmassen Dutzende von<br />

Kilometer nach Norden verschoben und mehrere Kilometer emporgehoben worden.


Simmental und diemtigtal | 15<br />

Jahrmillionen


16 | Simmental und diemtigtal<br />

Versteinerte Muscheln auf 2700 Meter Höhe<br />

Die Geologie ist eine etwas trockene, arg steinige Wissenschaft.<br />

Lebendig wird sie etwa dann, wenn man hoch oben im Wildhorngebiet<br />

bei einem Blick auf den felsigen Boden den vorzüglich<br />

erhalten gebliebenen kleinen Abdruck einer versteinerten Muschel<br />

sieht. Da wird einem ganz plötzlich bewusst, dass man auf einem<br />

alten Meeresboden unterwegs ist. Im Gebiet Wildstrubel-Wildhorn<br />

kann man an mehreren Stellen zahlreiche Versteinerungen finden,<br />

doch leider sind sie häufig stark verformt.


Unser Planet Erde soll jetzt etwa viereinhalb Milliarden Jahre alt sein. Da nimmt sich das Alter<br />

der ältesten Gesteine im Berner Oberland mit rund 300 Millionen Jahren geradezu jugendlich<br />

aus. Und nur knapp halb so alt wie diese Aaregranite der Grimselregion sind die ältesten<br />

Felsen im Simmental. Während der Granit in mehreren Kilometern Tiefe bei der allmählichen<br />

Erstarrung des flüssigen Magmas entstanden ist, sind die Berge des westlichen Berner Oberlandes<br />

durchwegs aus einstigen Meeresböden aufgebaut. Die Ablagerungen oder Sedimente<br />

haben sich in sehr unterschiedlicher Wassertiefe gebildet.<br />

In oftmals grosser Tiefe und über lange Zeiträume hinweg sind die festen hellen Kalk- oder<br />

Dolomitfelsen abgelagert worden, die uns etwa an der Simmeflue oder am Stockhorn, in der<br />

Spillgertegruppe oder dem Wildstrubelgebiet auffallen. Kalkgesteine werden mehrheitlich<br />

durch Überreste von kleinen Meeresorganismen gebildet. Ganz anders verlief die Entstehung<br />

des im Diemtig- und Simmental weit verbreiteten Flyschs. Die aus ganz unterschiedlich grobem<br />

Material bestehenden Flyschschichten sind das Ergebnis rasch ablaufender <strong>Verlag</strong>erungen<br />

von Schlamm, Sand und Steinen. Diese haben sich in erdgeschichtlich jüngerer Zeit<br />

ereignet. Nicht selten trifft man im Simmental auch auf eine Art Naturbeton, die sogenannte<br />

Brekzie. In feinstes Schlamm- und Sandmaterial eingelagerte, eckig-scharfkantige Felsstücke<br />

bieten einen Anblick, wie eine soeben erstarrte Betonmischung. Neuzeitliche Mischungen dieser<br />

Art müssen oft schon nach wenigen Jahrzehnten wieder erneuert werden, wie an mancher<br />

Baustelle besichtigt werden kann – der Naturbeton Brekzie dagegen ist auch nach einigen<br />

Millionen Jahren noch von hervorragender Qualität.<br />

Das Bild der heutigen Simmentaler Landschaft ist nicht von Dauer. Unsere Berge sind alles<br />

andere als auf ewige Zeiten stolz dastehende Felsmassive. Die in der Erdkruste wirksamen<br />

planetaren Kräfte haben die einstigen Meeresböden über grosse Distanzen übereinander-<br />

geschoben und mehrere Kilometer hoch angehoben. Während Jahrhunderttausenden bearbeiteten<br />

die gewaltigen Eismassen der Eiszeitgletscher die über das Meeresniveau aufragenden<br />

Kontinente. Erst vor etwa zehntausend Jahren hat der letzte eiszeitliche Simmegletscher die<br />

heutige Landschaft freigegeben.<br />

Auch die Erosionskraft des fliessenden Wassers spielt bei der Gestaltung der Landschaft<br />

eine wichtige Rolle. Als älterer Simmentaler erinnert man sich an eine ganze Reihe von Erdrutschen,<br />

Felsstürzen, Steinschlägen oder an tonnenweise Schuttmaterial, das ein wild gewordener<br />

Bergbach zu Tal beförderte und auf Wiesen und Strassen ablagerte. Nur schon während<br />

einem kurzen Menschenleben passiert in der Landschaft draussen manche Änderung. Man<br />

kann sich unschwer vorstellen, wie tiefgreifend sich das Bild in einigen zehntausend Jahren<br />

wandelt. Und zehntausend Jahre sind im Gang der Jahrmillionen ein Nichts.<br />

Simmental und diemtigtal | 17


18 | Simmental und diemtigtal<br />

Türmlihorn<br />

Ein unverwechselbarer Berg ist das Türmlihorn. Es befindet sich<br />

zwischen den hintersten Abschnitten des Diemtig- und Färmeltales.<br />

Viele Hundert, bei genauer Zählung vielleicht sogar einige<br />

Tausend horizontal liegende Flyschschichten bauen das Türmlihorn<br />

auf. Wenn Wasser in feinste Zwischenräume zwischen den<br />

Schichten eindringt und während der kalten Jahreszeit gefriert,<br />

wird dadurch das Gestein auseinandergetrieben. Grosse und<br />

kleine Bruchstücke lösen sich nach dem Schmelzen des Eises<br />

und haben am Fusse des Türmlihorns bereits eine grossflächige<br />

Schutthalde gebildet. Aber noch stehen einige Türme. Es dauert<br />

noch eine ganze Weile, bis der allerletzte Felsturm in seinem<br />

eigenen Schutt verschwinden wird.


8 | SIMMENTAL UND DIEMTIGTAL<br />

Im Jahre 1983 neigte sich die jahrelange Auseinandersetzung um den damals im Simmental<br />

geplanten Autobahnbau ihrem Ende zu. Die durch den Bau eines Sondiertunnels auf Walliser-<br />

seite eingetretenen schweren Schäden an der Staumauer von Tseuzier haben schliesslich<br />

wesentlich dazu beigetragen, dass die eidgenössischen Räte 1986 die Nationalstrassenverbindung<br />

durch den Rawil gestrichen haben.<br />

Als Initiant des damaligen Widerstandes möchte ich mit zwanzigjähriger Verspätung danken:<br />

Den mehreren Tausend Leuten in- und ausserhalb des Simmentals, die den jahrelangen Kampf<br />

von «Pro Simmental» unterstützt haben. Den Vertretern der Medien, die stets ein offenes Ohr<br />

für unsere Anliegen hatten. Den Politikern auf Kantons- und Bundesebene, die parlamentarische<br />

Vorstösse gegen den Autobahnbau einreichten, unterstützten oder bei den entscheidenden<br />

Abstimmungen im National- und Ständerat die Simmental-Autobahn endgültig gestrichen<br />

haben. Sie alle haben dazu beigetragen, dass das Simmental «Simmental bleiben darf».<br />

Ihnen allen widme ich dieses Buch.<br />

Die Herausgabe des Buches zu einem tragbaren Preis war nur dank namhaften Druckkostenbeiträgen<br />

möglich. Beachten Sie hierzu das Impressum auf Seite 2. Herzlichen Dank auch an<br />

Geraldine Blatter (Lektorin) vom <strong>Ott</strong> <strong>Verlag</strong> für die angenehme Zusammenarbeit und an Jan<br />

Dubach (tasty.ch) und dem Atelier Mühlberg in Basel für die Gestaltung des Umschlages und<br />

der 176 Buchseiten.<br />

St. Stephan, im Herbst 2008<br />

Ernst Zbären


Inhaltsverzeichnis<br />

Willkommen ....................................................11<br />

Jahrmillionen ...................................................14<br />

Felsenblümchen .................................................24<br />

«Pfiffoltera» und grössere Tiere. .....................................36<br />

Simmentaler − gestern, heute, morgen ................................48<br />

Lenk ..........................................................58<br />

St.Stephan .....................................................72<br />

Zweisimmen ....................................................86<br />

Boltigen. ......................................................100<br />

Oberwil .......................................................112<br />

Därstetten .....................................................124<br />

Erlenbach .....................................................134<br />

Diemtigen .....................................................144<br />

Wimmis .......................................................158<br />

Literaturverzeichnis. .............................................169<br />

Ortsverzeichnis .................................................171<br />

SIMMENTAL UND DIEMTIGTAL | 9


10 | SIMMENTAL UND DIEMTIGTAL


Willkommen im grünen Bergland<br />

zwischen Wildstrubel, Stockhorn<br />

und Niesen<br />

Abgesehen vom Tal der Aare mit dem Brienzer- und Thunersee ist das Simmental das mit<br />

Abstand längste Tal des Berner Oberlandes. Vom Wildstrubelmassiv ob der Lenk bis zum Talausgang<br />

in der Port bei Wimmis fliesst die Simme über eine Strecke von 50 Kilometern dem<br />

Thunersee entgegen. Auch das im unteren Simmental abzweigende Diemtigtal weist mit nicht<br />

weniger als 18 Kilometern eine beachtliche Länge auf.<br />

Von Thun – Spiez her in Richtung Wimmis und Simmental fahrend, mag sich mancher erstmalige<br />

Besucher des Tales fragen, wo sich denn dieses angeblich so sanfte und grüne Tal wohl<br />

versteckt. Mächtig ragt rechter Hand die helle Felswand der Simmeflue empor. Links, niedriger<br />

zwar, aber ebenfalls steil zur Simme hin abfallend, steht die Burgflue. Und zwischen den beiden<br />

Flüenen liegt die Port, die Türe zum Simmental. Die Bahnlinie, ein Lokalsträsschen, die<br />

Simme und die Hauptstrasse füllen den engen Talgrund vollständig aus, mehr hat hier nicht<br />

Platz.<br />

Viehzucht und Landwirtschaft seit Jahrhunderten<br />

Der Schreck ist von kurzer Dauer. Nach kaum zwei Minuten Fahrzeit weichen die steilen Talflanken<br />

zurück. Ein mehrere hundert Meter breiter und fast topfebener Talboden taucht auf.<br />

Vergleichbare Ebenen trifft man bei der weiteren Fahrt talaufwärts erst wieder im Talabschnitt<br />

Boltigen und im Bereich der obersten Gemeinden Zweisimmen, St. Stephan und Lenk an.<br />

Dazwischen hat sich die Simme tiefer eingegraben. Etwa zwischen Weissenburg und Boltigen,<br />

wo die kurvenreiche Talstrasse direkt neben der Simme verläuft.<br />

Bewimperter Steinbrech<br />

Das Simmental wird nicht selten als das grünste Tal der Alpen<br />

bezeichnet. Dies mag stimmen, doch grün ist das Simmental<br />

längst nicht überall. Beachtliche 7,8 bis 39,2 Prozent der Gemeindeflächen<br />

sind unproduktives Land, wo Steine und Felsen<br />

vorherrschen. Aber auch hier wachsen da und dort grüne Blätter<br />

heran und es öffnen sich farbige kleine Blüten. Das Bild des<br />

Bewimperten Steinbrechs ist hoch oben im Wildstrubelgebiet<br />

aufgenommen worden.<br />

SIMMENTAL UND DIEMTIGTAL | 11


12 | SIMMENTAL UND DIEMTIGTAL<br />

Wer garantiert staufrei im Zug sitzt, hat gerade hier beim Durchfahren der Gemeinde Oberwil<br />

den besseren Überblick. Er stellt fest, dass ob dem Einschnitt der Simme Land vorhanden ist,<br />

das sich häufig bestens für die landwirtschaftliche Nutzung eignet. Im Simmental wurde denn<br />

auch schon vor etlichen hundert Jahren mit beachtlichem Erfolg Landwirtschaft betrieben.<br />

Nichts beweist dies derart deutlich, wie die ungewöhnlich grosse Zahl prächtiger, alter Bauernhäuser.<br />

Der Verkauf von Butter und Käse sowie der Handel mit Tieren brachte Wohlstand in<br />

manches Haus. Rindvieh aus dem Simmental wurde über den Rawil- und Simplonpass nach<br />

«Lamparten» − in die Lombardei − getrieben. Noch mehr Tiere verliessen das Tal in nördlicher<br />

Richtung. So lange die Original-Vierbeiner-Pferdestärken die einzigen vorhandenen Antriebsmotoren<br />

für Personen- und Gütertransporte waren, bildete zudem die Aufzucht und der Verkauf<br />

von Pferden im Simmental eine überaus einträgliche Tätigkeit.<br />

Ferien im Simmental<br />

Möchte man als Simmentaler schauen, wie sich der Fremdenverkehr nicht entwickeln sollte,<br />

braucht man nicht weit weg zu fahren. Die masslose Chaletbauerei im benachbarten Saanenland<br />

ist ebenso fragwürdig wie manches, was gleich jenseits der Walliser Kantonsgrenze an der<br />

Südseite des Rawilpass entstanden ist. Im Simmental ist die Zahl der ansässigen Bevölkerung<br />

noch nicht mehrfach kleiner als die Bettenzahl in Hotels und Ferienwohnungen. Wer hier Ferientage<br />

verbringt, wechselt nicht von seiner Wohnstadt in eine Tourismusstadt, die brutal in die<br />

Landschaft «hineingeklotzt» worden ist.<br />

Das Tal und seine Dörfer bieten noch den gesuchten echten Kontrast zum Alltag. Grossflächige<br />

Geländeplanierungen für Skipisten sind hier nirgends zu finden. Ebenso unbekannt sind kilometerlange,<br />

breit in die Wälder hinein geschlagene Pisten-Rodungen. Unterkunft findet man in<br />

Ferienwohnungen im ganzen Tal. Hotels gibt es vom einfachen Gasthof bis zum Fünfsternhaus<br />

«Lenkerhof» an der Lenk, aber auch «Schlafen im Stroh» wird angeboten.<br />

Millionenbeträge sind in den letzten Jahren im Simmen- und Diemtigtal in Beschneiungsanlagen<br />

investiert worden. Aber der gute alte Wettermacher Petrus redet in den Wintermonaten<br />

trotzdem immer noch ein Wörtchen mit. Liefert er flotte Schneemengen, so können sich auch<br />

all jene Wintergäste aktiv betätigen, die aufs Skifahren verzichten. Langläufer und Winterwanderer<br />

können 18 Kilometer zurücklegen, wenn sie ab Zweisimmen über St. Stephan und Lenk<br />

bis zu den Simmenfällen am Fusse des Wildstrubels unterwegs sind. Die Winterwanderwege<br />

im Gebiet Betelberg-Leiterli über der Lenk sind ganz grosse Klasse. In einer schneesicheren<br />

Höhenlage von leicht über oder unter 2000 Metern gewähren die mit Pistenfahrzeugen präparierten<br />

Wege weite Ausblicke in die umliegende Landschaft der Vor- und Hochalpen.<br />

Auch Zweisimmen hat im Winterangebot einen Trumpf, der weitherum einzigartig ist: das<br />

Langlaufzentrum Sparenmoos. Vom Ausgangspunkt auf 1600 Meter steigen seine Loipen bis<br />

auf 1800 Meter an, eingebettet in die dazu ideal geeignete, sanft geformte Alpweidelandschaft<br />

an der Südostseite des Hundsrüggs. Man gleitet zwischen Baumgruppen hindurch, unmittelbar<br />

danach wandert der Blick weithin über die Berge und Täler des westlichen Berner<br />

Oberlandes.


Holz und Metallbearbeitung<br />

Neben der Landwirtschaft und dem Tourismus sind im Simmental auch Arbeitsplätze in anderen<br />

Branchen vorhanden. Aus viel einheimischem Holz entsteht in den Holzwerken Rieder in<br />

St. Stephan Hobelware, z. B. Täfer für den Innenausbau. Kleine «Holztruckli» und meterlange<br />

schwere Holzkisten für weltweite Exporte der Schweizer Maschinenindustrie werden von den<br />

60 Beschäftigten des Betriebes ebenso fabriziert wie Kartonverpackungen mit Schaumstoff-<br />

Innenpolsterungen in allen gewünschten Grössen.<br />

Das grösste Sägewerk im Kanton Bern befindet sich in Erlenbach. Über 40 Häuser des Dorfes<br />

beziehen ihr Heizungs- und Warmwasser von der Holzschnitzelheizung, die mit den im Sägewerk<br />

anfallenden Holz- und Rindenresten betrieben wird. Auch Aluminium, Eisen und Stahl<br />

wird in Erlenbach bearbeitet. Auf der Drehbank, mit Bohr-, Fräs-, Hobel- und Schleifmaschinen<br />

stellen die Mitarbeiter der Firma Maschinen- & Apparatebau «Zum Wald» die gewünschten<br />

Werkstücke mit grosser Präzision her. Bis weit ins vorige Jahrhundert hinein belastete eine<br />

Karbidfabrik mit ihren ungefilterten Abgasen die Luft im untersten Simmental. Nun stehen<br />

an ihrer Stelle die hohen Silos der Mühle Burgholz. 15 000 Tonnen Getreide werden pro Jahr<br />

angeliefert, über 30 Leute arbeiten im Mühlebetrieb. Verschiedene Getreidesorten werden zu<br />

Mehlen für Bäckereien gemahlen oder zu Futtermittel für Hühner, Kaninchen, Rindvieh und<br />

Schweine verarbeitet.<br />

Direkt neben der Mühle ist ein Zweimannbetrieb tätig. Die Gebrüder Imboden arbeiten mit<br />

ganzen Baumstämmen, lassen daraus Wohnhäuser in Rundholz-Blockbauweise entstehen.<br />

Gleich daneben passiert bei «Ryter Holzbau» das pure Gegenteil. Hier wird das im ganzen<br />

Berner Oberland anfallende Abbruchholz von Häusern, alte Holzmöbel und Holz von Baustellen<br />

zu Kleinholz von einigen Zentimeter Länge zerhackt. In Italien – der Transport erfolgt in<br />

Bahngüterwagen – entstehen daraus Spanplatten.<br />

Simmental und Diemtigtal – eine grüne lebendige Landschaft. Zwar hat die laufende Zentralisierungswelle<br />

im Kanton Bern Arbeitsplätze verschwinden lassen, desgleichen der Abbau bei<br />

den Militärbetrieben. Die Landwirte sorgen sich um ihre Zukunft. Aber noch überwiegt das Positive,<br />

noch leben die beiden Täler. Willkommen an der Simme, dem Fildrich und der Chirel.<br />

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Verbogene Felsschichten in der Niesenkette<br />

Man spürt sie förmlich, die gewaltigen Urkräfte unserer Erde, wenn man am Albristhorn vor diesen<br />

intensiv verfalteten Flyschschichten steht. Vor Jahrmillionen sind diese Felsmassen Dutzende von<br />

Kilometer nach Norden verschoben und mehrere Kilometer emporgehoben worden.


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Jahrmillionen


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Versteinerte Muscheln auf 2700 Meter Höhe<br />

Die Geologie ist eine etwas trockene, arg steinige Wissenschaft.<br />

Lebendig wird sie etwa dann, wenn man hoch oben im Wildhorngebiet<br />

bei einem Blick auf den felsigen Boden den vorzüglich<br />

erhalten gebliebenen kleinen Abdruck einer versteinerten Muschel<br />

sieht. Da wird einem ganz plötzlich bewusst, dass man auf einem<br />

alten Meeresboden unterwegs ist. Im Gebiet Wildstrubel-Wildhorn<br />

kann man an mehreren Stellen zahlreiche Versteinerungen finden,<br />

doch leider sind sie häufig stark verformt.


Unser Planet Erde soll jetzt etwa viereinhalb Milliarden Jahre alt sein. Da nimmt sich das Alter<br />

der ältesten Gesteine im Berner Oberland mit rund 300 Millionen Jahren geradezu jugendlich<br />

aus. Und nur knapp halb so alt wie diese Aaregranite der Grimselregion sind die ältesten<br />

Felsen im Simmental. Während der Granit in mehreren Kilometern Tiefe bei der allmählichen<br />

Erstarrung des flüssigen Magmas entstanden ist, sind die Berge des westlichen Berner Oberlandes<br />

durchwegs aus einstigen Meeresböden aufgebaut. Die Ablagerungen oder Sedimente<br />

haben sich in sehr unterschiedlicher Wassertiefe gebildet.<br />

In oftmals grosser Tiefe und über lange Zeiträume hinweg sind die festen hellen Kalk- oder<br />

Dolomitfelsen abgelagert worden, die uns etwa an der Simmeflue oder am Stockhorn, in der<br />

Spillgertegruppe oder dem Wildstrubelgebiet auffallen. Kalkgesteine werden mehrheitlich<br />

durch Überreste von kleinen Meeresorganismen gebildet. Ganz anders verlief die Entstehung<br />

des im Diemtig- und Simmental weit verbreiteten Flyschs. Die aus ganz unterschiedlich grobem<br />

Material bestehenden Flyschschichten sind das Ergebnis rasch ablaufender <strong>Verlag</strong>erungen<br />

von Schlamm, Sand und Steinen. Diese haben sich in erdgeschichtlich jüngerer Zeit<br />

ereignet. Nicht selten trifft man im Simmental auch auf eine Art Naturbeton, die sogenannte<br />

Brekzie. In feinstes Schlamm- und Sandmaterial eingelagerte, eckig-scharfkantige Felsstücke<br />

bieten einen Anblick, wie eine soeben erstarrte Betonmischung. Neuzeitliche Mischungen dieser<br />

Art müssen oft schon nach wenigen Jahrzehnten wieder erneuert werden, wie an mancher<br />

Baustelle besichtigt werden kann – der Naturbeton Brekzie dagegen ist auch nach einigen<br />

Millionen Jahren noch von hervorragender Qualität.<br />

Das Bild der heutigen Simmentaler Landschaft ist nicht von Dauer. Unsere Berge sind alles<br />

andere als auf ewige Zeiten stolz dastehende Felsmassive. Die in der Erdkruste wirksamen<br />

planetaren Kräfte haben die einstigen Meeresböden über grosse Distanzen übereinander-<br />

geschoben und mehrere Kilometer hoch angehoben. Während Jahrhunderttausenden bearbeiteten<br />

die gewaltigen Eismassen der Eiszeitgletscher die über das Meeresniveau aufragenden<br />

Kontinente. Erst vor etwa zehntausend Jahren hat der letzte eiszeitliche Simmegletscher die<br />

heutige Landschaft freigegeben.<br />

Auch die Erosionskraft des fliessenden Wassers spielt bei der Gestaltung der Landschaft<br />

eine wichtige Rolle. Als älterer Simmentaler erinnert man sich an eine ganze Reihe von Erdrutschen,<br />

Felsstürzen, Steinschlägen oder an tonnenweise Schuttmaterial, das ein wild gewordener<br />

Bergbach zu Tal beförderte und auf Wiesen und Strassen ablagerte. Nur schon während<br />

einem kurzen Menschenleben passiert in der Landschaft draussen manche Änderung. Man<br />

kann sich unschwer vorstellen, wie tiefgreifend sich das Bild in einigen zehntausend Jahren<br />

wandelt. Und zehntausend Jahre sind im Gang der Jahrmillionen ein Nichts.<br />

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Türmlihorn<br />

Ein unverwechselbarer Berg ist das Türmlihorn. Es befindet sich<br />

zwischen den hintersten Abschnitten des Diemtig- und Färmeltales.<br />

Viele Hundert, bei genauer Zählung vielleicht sogar einige<br />

Tausend horizontal liegende Flyschschichten bauen das Türmlihorn<br />

auf. Wenn Wasser in feinste Zwischenräume zwischen den<br />

Schichten eindringt und während der kalten Jahreszeit gefriert,<br />

wird dadurch das Gestein auseinandergetrieben. Grosse und<br />

kleine Bruchstücke lösen sich nach dem Schmelzen des Eises<br />

und haben am Fusse des Türmlihorns bereits eine grossflächige<br />

Schutthalde gebildet. Aber noch stehen einige Türme. Es dauert<br />

noch eine ganze Weile, bis der allerletzte Felsturm in seinem<br />

eigenen Schutt verschwinden wird.

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