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DANN BEKOMMT ER EINE FAUST - Fluter

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KLASSENKAMPF<br />

46<br />

<strong>DANN</strong><br />

<strong>BEKOMMT</strong><br />

<strong>ER</strong> <strong>EINE</strong> <strong>FAUST</strong><br />

Hänseleien gegen Dicke, Prügeleien im Pausenhof, Messer in der<br />

Hosentasche – in jeder Schule zeigt sich Gewalt anders.<br />

Ein Schüler und ein Lehrer berichten.<br />

Lehrer<br />

Man kriegt weniger an Gewalt mit,als an der<br />

Schule wirklich herrscht, wenn man Lehrer<br />

ist. Die Schüler können das gut verstecken.<br />

Es gibt zum Beispiel Raufereien, aber wenn<br />

man einschreitet, dann sind die Beteiligten<br />

plötzlich die besten Freunde, und alles war<br />

nur Spaß. Sowas kommt zwei- oder dreimal<br />

in der Woche vor. Die Schüler haben zwar<br />

auch mal ein Butterfly-Messer dabei,aber sie<br />

benutzen es nicht.Ich nehme es ihnen natürlich<br />

ab, wenn ich eines sehe, aber dann kann<br />

ich es nur den Eltern übergeben, und am<br />

nächsten Tag bringt es der Schüler halt wieder<br />

mit.Es ist auch schon vorgekommen,dass<br />

jüngere Schüler zum Beispiel wegen Pokémon-Karten<br />

verprügelt wurden, und dabei<br />

wurde auch einer mit dem Messer verletzt.<br />

Es ist aber falsch, bei Gewalt in erster Linie<br />

an Schlägereien und Waffen zu denken.<br />

Schlimm ist auch die verbale Gewalt. Das<br />

Vokabular an sich ist da schon der Hammer.<br />

Und das wird auch gegenüber den Lehrern<br />

gebraucht.Wobei ich finde,dass das vielleicht<br />

sogar ein Vorteil der Hauptschule ist:Wenn<br />

einem Schüler etwas nicht passt, sagt er es<br />

gleich, und dann sagt er vielleicht auch mal<br />

„Arschloch“ zum Lehrer.<br />

Aber es passiert wenig hinten herum, und<br />

dadurch ist es, wie ich finde, auch ehrlicher<br />

als vielleicht auf der Realschule oder auf dem<br />

Gymnasium.Wenn die Kinder aus der Schule<br />

rausgehen,dann ist die Sache schon erledigt,<br />

ich muss also keine Angst um mein Auto<br />

haben oder so etwas.<br />

Wenn mich ein Schüler „Arschloch“ nennt,<br />

lass ich mir das natürlich nicht gefallen. Es<br />

ist am Anfang nicht einfach, damit umzugehen,<br />

aber inzwischen kann ich das ganz gut.<br />

Mobbing ist die häufigste<br />

Form. Jeder braucht noch<br />

einen, über den er sich<br />

stellen kann.<br />

Wenn was passiert, schick ich schon mal<br />

jemanden raus, bis er sich beruhigt hat.<br />

Mein Vorteil ist,dass ich Klassenleiter bin und<br />

so alles unterrichte. Ich bin also eine richtige<br />

Bezugsperson für die Schüler, positiv wie<br />

negativ, und habe auch eher einen Bonus,<br />

weil ich noch jung bin. Wenn es ein paar<br />

Schüler gibt,die absolut nicht mitziehen,die<br />

ein bisschen schneller gewalttätig werden,ist<br />

es ein gutes Mittel, sie in der Klasse zu isolieren.<br />

Wenn man die Klasse gegen diese<br />

Quertreiber aufbringt – indem man Ausflüge<br />

streicht oder allen mehr Hausaufgaben<br />

gibt –, regulieren sich die Schüler irgendwann<br />

selbst untereinander. Die können das<br />

meist besser als ein Außenstehender.<br />

Die häufigste Form von Gewalt unter den<br />

Schülern ist das Mobbing.Außenseiter werden<br />

dermaßen schlecht behandelt, dass sie<br />

heulend den Raum verlassen. Schüler haben<br />

schon ein gutes Gefühl dafür, was verletzt.<br />

Meistens geht es darum,dass einer angeblich<br />

zu dick, zu blöd ist, vielleicht auch noch<br />

Ausländer ist.Ich denke,das ist für viele eine<br />

Art Schutzfunktion. Jeder braucht halt noch<br />

einen, über den er sich stellen kann.<br />

Fast schon lustig ist, welches Verständnis von<br />

Gewalt manche Schüler haben. In einer<br />

Probe sollten die Schüler mal ein paar Reflexe<br />

nennen.Einer hat geschrieben:Zurückschlagreflex.<br />

Ich hab den dann gefragt, was<br />

er darunter versteht, und er hat dann gesagt:<br />

„Na ja,wenn mich einer schlägt,dann schlag<br />

ich sofort zurück.“ Das ist wirklich ein Reflex<br />

bei ihm. Da gab es für ihn keine andere<br />

Lösung. Ich habe versucht, ihm zu erklären,<br />

dass das mit einem Reflex im ursprünglichen<br />

Sinne nicht so viel zu tun hat – aber ich<br />

konnte ihn da eher nicht überzeugen.<br />

Mit einem einfachen Mittel könnte man die<br />

Gewalt auf ein Minimum reduzieren und<br />

gleichzeitig den Bildungsgrad der Schüler<br />

deutlich erhöhen: mit doppelt so vielen<br />

Lehrern. Das halbiert die Klassenstärke, und<br />

jeder Lehrer kann sich auf 12, 13 Kinder<br />

konzentrieren. Ich weiß, dass das eine Geldfrage<br />

ist,klar.Aber ich wäre gern bereit,mehr<br />

zu arbeiten oder weniger Geld zu bekommen,<br />

wenn ich dafür sechs oder sieben<br />

Kinder weniger in der Klasse hätte.<br />

Gerd Rumberg (Name geändert), 33, ist Lehrer<br />

an einer Hauptschule.<br />

Protokoll: Dirk Schönlene; Fotos: Alexandra Klever

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