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Sprachliche Phänomene vor der Demenz - gibt es ... - Julia Siegmüller

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<strong>Sprachliche</strong> Phänomene <strong>vor</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Demenz</strong> - <strong>gibt</strong> <strong>es</strong> schon<br />

Symptome?<br />

<strong>Julia</strong> Siegmüller, Henrik Bartels & Wolfgang Sucharowski<br />

1<br />

Donnerstag, 17. Juni 2010


2<br />

Frühstadien<br />

Lebensumgebung:<br />

selbstständig organisiert<strong>es</strong> Leben<br />

Selbstreflexion:<br />

Verg<strong>es</strong>slich werden, Verlangsamung, “<strong>es</strong> wird zuviel”<br />

Ängste:<br />

Verdrängung, freie Medikamente versprechen Erfolg (Gingko)<br />

Donnerstag, 17. Juni 2010


3<br />

Diagnose im Frühstadium<br />

findet nicht statt<br />

Differenzierung vom normalen Proz<strong>es</strong>s d<strong>es</strong> kognitiven Alterns ist<br />

schwer bis unmöglich<br />

keine ausreichend differenzierte Betrachtung d<strong>es</strong> Sprachsystems<br />

im alternen Gehirn<br />

Abgrenzung bisher i.d.R. nur zwischen Aphasie und ung<strong>es</strong>törten<br />

Erwachsenen<br />

Donnerstag, 17. Juni 2010


Einteilung primär/sekundär<br />

4<br />

<strong>Demenz</strong><br />

Primäre <strong>Demenz</strong><br />

Sekundäre <strong>Demenz</strong><br />

Degenerative <strong>Demenz</strong><br />

Vaskuläre <strong>Demenz</strong><br />

• Alzheimersche<br />

<strong>Demenz</strong><br />

• Frontotemporallappen-<br />

Degeneration<br />

• progr<strong>es</strong>sive, nichtflüssige<br />

<strong>Demenz</strong><br />

• <strong>Demenz</strong> bei Parkinson<br />

• Semantische <strong>Demenz</strong><br />

• Lewy-Körperchen-<br />

<strong>Demenz</strong><br />

• Multiinfarkt-<br />

<strong>Demenz</strong><br />

• subkortikale<br />

Small-V<strong>es</strong>sel-<br />

<strong>Demenz</strong><br />

• Ischämisch<br />

hypoxische<br />

<strong>Demenz</strong><br />

• AIDS-<strong>Demenz</strong><br />

• <strong>Demenz</strong> durch<br />

Mangelernährung<br />

• <strong>Demenz</strong> durch<br />

Intoxitation<br />

Donnerstag, 17. Juni 2010


5<br />

Verläufe primärer <strong>Demenz</strong>en (Bsp.)<br />

!<br />

./0+'-'/+!<br />

12345#6)&!*&(&+$!<br />

7&89:!.;)


6<br />

Physiologischer Alterungsproz<strong>es</strong>s<br />

Verän<strong>der</strong>ung in den Gedächtnisleistungen<br />

Kognitive Leistungsfähigkeit variiert je nach Bildung, sozialem<br />

Aktivitätsniveau & sozialer Eingebundenheit<br />

Möglicherweise zunehmende Probleme bei<br />

schlussfolgerndem Denken/kognitiven Strategien<br />

Arbeit unter einem erhöhten kognitiven Tempo<br />

Konstanz: <strong>Sprachliche</strong> Leistungen, kulturell<strong>es</strong> Wissen<br />

Ivemeyer & Zerfaß, 2006<br />

Donnerstag, 17. Juni 2010


7<br />

<strong>Demenz</strong>: <strong>Sprachliche</strong> Symptome<br />

Frühsymptom: Störungen im Kommunikationsverhalten<br />

Variabilität in <strong>der</strong> Symptomatik in Verstehen, Produzieren, L<strong>es</strong>en,<br />

Schreiben<br />

Donnerstag, 17. Juni 2010


Symptome im<br />

8<br />

Sprachverständnis<br />

Sprachverständnis als solch<strong>es</strong> lang erhaltene Funktion (sehr früh<br />

angelegte Fähigkeit!)<br />

Ganzheitlich<strong>es</strong> Verstehen bzw. Erinnern an G<strong>es</strong>prächsverlauf als<br />

erst<strong>es</strong> beeinträchtigt (Schecker, 2003)<br />

Frageverständnis schränkt sich ein<br />

Konsequenzen abschätzen, Entscheidungs- und Urteilsfähigkeit<br />

zunehmend betroffen (Stoppe, 2007)<br />

Konnotationen zunehmend unverständlich (Fischer et al., 1993)<br />

Donnerstag, 17. Juni 2010


Symptome in <strong>der</strong><br />

9<br />

Sprachproduktion<br />

Grammatik:<br />

Vermin<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Äußerungslänge<br />

zunehmend einfachere Satzstruktur<br />

Lexikon:<br />

Wortfindungsstörungen (sowohl Abruf als auch Speicheranteil)<br />

Abstraktheits-, Abbildbarkeits- und Frequenzeffekte<br />

K<strong>es</strong>sler & Kalbe, 2000<br />

Gutzmann, 2008<br />

Donnerstag, 17. Juni 2010


10<br />

Symptome Schriftsprache<br />

Verstehensleistungen von Schriftsprache teilweise noch recht<br />

lange erhalten (Gutzmann, 2008)<br />

Heterogene Fehler beim Schreiben (Bormann, 2007): Zuordnung<br />

zu Kurzzeitgedächtnis bzw. Lexikonproblemen kaum möglich<br />

Mit zunehmen<strong>der</strong> Dauer <strong>der</strong> Erkrankung Anstieg orthographischer<br />

Fehler aber Erhaltung <strong>der</strong> Grammatik (Kemper et al., 1993)<br />

Donnerstag, 17. Juni 2010


11<br />

Ziel d<strong>es</strong> Projekt<strong>es</strong><br />

Vergleich von sprachlichen Basisfähigkeiten untereinan<strong>der</strong> und<br />

interaktiven sprachlichen Fähigkeiten<br />

Vergleich von online- und offline-Untersuchungsmethoden in je<strong>der</strong><br />

Basisfähigkeit<br />

Zielgruppe sind möglichst frühe Stadien <strong>der</strong> <strong>Demenz</strong><br />

Voruntersuchungen teilweise mit schwerer betroffenen Patienten,<br />

um Symptomcluster zu erkennen<br />

Donnerstag, 17. Juni 2010


12<br />

Basisfähigkeitenmodell<br />

Donnerstag, 17. Juni 2010


13<br />

Basisfähigkeitenmodell<br />

integrative<br />

Fähigkeit<br />

Auftreten von Symptomen<br />

L<strong>es</strong>en<br />

TEXT<br />

Semantik<br />

Gedächtnis<br />

basale<br />

Fähigkeiten<br />

Syntax<br />

Donnerstag, 17. Juni 2010


13<br />

Basisfähigkeitenmodell<br />

integrative<br />

Fähigkeit<br />

Auftreten von Symptomen<br />

L<strong>es</strong>en<br />

TEXT<br />

Gedächtnisbasierte Gedächtnis<br />

Proz<strong>es</strong>se<br />

Semantik<br />

basale<br />

Fähigkeiten<br />

Syntax<br />

Regelbasierte<br />

Proz<strong>es</strong>se<br />

Donnerstag, 17. Juni 2010


14<br />

Studiend<strong>es</strong>ign Syntax (offline)<br />

Satz-Bild-Zuordnungst<strong>es</strong>t (40 items)<br />

3 Auswahlbil<strong>der</strong>: Zielbild mit 2 grammatischen Ablenkerbil<strong>der</strong>n<br />

Stimulusmaterial:<br />

20 Zielitems Passiv/Aktivunterscheidung<br />

10 Zielitems Objektrelativsätze<br />

10 Zielitems SPO vs. OPS-Sätze<br />

20 Sätze mit unterschiedlichen pronominalen Bindungen<br />

Donnerstag, 17. Juni 2010


15<br />

Studiend<strong>es</strong>ign L<strong>es</strong>en/Ged. (offline)<br />

40 monomorphematische Wörter nach Frequenz kontrolliert<br />

40 Nicht-Wörter, aus den Wörtern abgeleitet<br />

ansteigende Wortlänge von 1bis 4 Silben<br />

gleiche Wortliste bei Nachsprechen und L<strong>es</strong>en; unterschiedliche<br />

Reihenfolge<br />

Donnerstag, 17. Juni 2010


16<br />

Erste Ergebnisse 1<br />

Basisfähigkeitsvergleich offline: Syntax vs. L<strong>es</strong>en<br />

regelbasierte Proz<strong>es</strong>se gegenüber gedächtnisbasierten Proz<strong>es</strong>sen<br />

N = 8 Patienten mit Verdacht auf <strong>Demenz</strong> unb. Natur<br />

Wilcoxon-T<strong>es</strong>t (p=,042)<br />

Donnerstag, 17. Juni 2010


17<br />

Erste Ergebnisse 2<br />

Basisfähigkeitsvergleich offline: Syntax vs. Gedächtnis<br />

regelbasierte Proz<strong>es</strong>se gegenüber gedächtnisbasierten Proz<strong>es</strong>sen<br />

N=10 Patienten mit vaskulärer <strong>Demenz</strong> o<strong>der</strong> Alzheimer-<strong>Demenz</strong>;<br />

Diagnose max. 2 Jahre alt<br />

Wilcoxon-T<strong>es</strong>t: p=.000<br />

Donnerstag, 17. Juni 2010


18<br />

Erste Ergebnisse 3<br />

Basisfähigkeitsvergleich L<strong>es</strong>en vs. Gedächtnis<br />

N=10 Patienten mit vaskulärer <strong>Demenz</strong> o<strong>der</strong> Alzheimer-<strong>Demenz</strong>;<br />

Diagnose max. 2 Jahre alt<br />

kein signifikanter Unterschied<br />

Donnerstag, 17. Juni 2010


19<br />

Basisfähigkeitsvergleich<br />

TEXT<br />

L<strong>es</strong>en<br />

=<br />

Gedächtnis<br />

L<strong>es</strong>en <<br />

Syntax<br />

Syntax > Gedächtnis<br />

Donnerstag, 17. Juni 2010


20<br />

Erste Ergebnisse 4<br />

Basisfähigkeit im online-offline-Vergleich: L<strong>es</strong>en (n=80 items)<br />

N=28 Patienten mit Alzheimer <strong>Demenz</strong>, vaskulärer <strong>Demenz</strong> o<strong>der</strong><br />

<strong>Demenz</strong> unb<strong>es</strong>timmter Ursache<br />

<strong>Demenz</strong>diagnose min. 2 Jahre, max. 10 Jahre<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

online<br />

*<br />

offline<br />

hochfrequent<br />

niedrigfrequent<br />

Donnerstag, 17. Juni 2010


21<br />

Erste Ergebnisse 5<br />

Basisfähigkeit gegen integrative Fähigkeit: Text vs. Grammatik<br />

Text ausgewertet als Textgrammatik (Makrostruktur, SGM)<br />

N=6 Patienten mit vaskulärer <strong>Demenz</strong> o<strong>der</strong> Alzheimer-<strong>Demenz</strong>;<br />

Diagnose max. 2 Jahre alt<br />

Wilcoxon-T<strong>es</strong>t: p=.031<br />

Donnerstag, 17. Juni 2010


22<br />

Diskussion 1<br />

<strong>Demenz</strong>en äußern sich im L<strong>es</strong>en & Gedächtnis und im Text stärker<br />

als in <strong>der</strong> Grammatik<br />

keine systematischen grammatischen Symptome (Bickel et al.<br />

2000)<br />

Erhalten von formalen sprachlichen Ebenen (Majerus et al. 2007)<br />

Selektive Erhaltungsproz<strong>es</strong>se in <strong>der</strong> <strong>Demenz</strong>?<br />

Donnerstag, 17. Juni 2010


23<br />

Basis - Integration: 2 Einzelfälle<br />

Vergleich: Grammatik, L<strong>es</strong>en, Gedächtnis und Text (offline)<br />

Fall 1 (Verdacht Alz.D.): Diagnose seit 8 Jahren, männlich, 79 Jahre<br />

Fall 2 (Verdacht Alz.D.): Diagnose seit 1 Jahr, männlich, 75 Jahre<br />

Korrekte in %<br />

100<br />

75<br />

50<br />

25<br />

0<br />

Fall 1 Fall 2<br />

**<br />

**<br />

Grammatik L<strong>es</strong>en Gedächtnis Text<br />

Donnerstag, 17. Juni 2010


24<br />

Diskussion 2<br />

Integrative Fähigkeit ist symptomtragend wenn.....<br />

zwei Basisfähigkeiten sind bereits betroffen = integrative Fähigkeit ist<br />

betroffen<br />

1 Basisfähigkeit zeigt Symptome = Textfähigkeiten sind noch nicht<br />

betroffen<br />

Donnerstag, 17. Juni 2010


25<br />

Konstrukt <strong>der</strong> Basisfähigkeiten<br />

früh noch nicht<br />

symptomtragend<br />

?<br />

früh<br />

symptomtragend<br />

früh<br />

symptomtragend<br />

früh<br />

symptomtragend<br />

Donnerstag, 17. Juni 2010


26<br />

Fazit<br />

Selektive Proz<strong>es</strong>se in <strong>der</strong> <strong>Demenz</strong>?<br />

jain.<br />

Wie ist die Beziehung von Basisfähigkeit und Integrationfähigkeit?<br />

Selektive Basisfähigkeiten im modular organisierten Sprachsystem<br />

vermehren Symptomcluster & führen zu frühem Ausfall & integrativer<br />

Fähigkeiten<br />

Einzelne Basisfähigkeiten können länger selektiv erhalten sein.<br />

Integrative Sprachebene (Text) muss keine eigenständigen Störungen<br />

aufweisen.<br />

Donnerstag, 17. Juni 2010


www.linfor.de<br />

Vielen Dank.<br />

Generationenprojekt - Gemeinschaftsprojekt d<strong>es</strong> LIN.FOR & <strong>der</strong> Universität Rostock<br />

(Kommunikationswissenschaft)<br />

27<br />

Donnerstag, 17. Juni 2010

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