Sequentielle Verteilungsspiele
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<strong>Sequentielle</strong> <strong>Verteilungsspiele</strong><br />
Yves Breitmoser, EUV Frankfurt (Oder)
Überblick<br />
Mehrere Entscheider, streng sequentielle Züge, vollständige Information<br />
über Aktion des anderen<br />
Einfachster Fall: Erst agiert Spieler 1, er macht Spieler 2 einen<br />
Verteilungsvorschlag, Spieler 2 kann dann annehmen oder ablehnen<br />
Spieler 2 hat ein einfaches Verteilungsproblem, Spieler 1 muss die Reaktion<br />
von 2 bestmöglich antizipieren<br />
Ultimatumspiel, Teilspielperfektes Gleichgewicht<br />
Self-confirming equilibrium, Ungleichheitaversion<br />
False-consensus effect<br />
Drei-Spieler-Diktatorspiele, Mini-Ultimatumspiele<br />
Drei-Spieler-Ultimatumspiele, Reziprozität<br />
Referenzabhängige Präferenzen
Das Ultimatumspiel<br />
Ultimatumspiel<br />
Zur Verfügung stehen C Euro/Dollar, das Spiel hat zwei Stufen.<br />
1 Spieler 1 wählt eine Verteilung (C − x, x), x ≥ 0.<br />
2 Spieler 2 wählt “Annehmen” oder “Ablehnen”.<br />
Wenn 2 annimmt, dann sind die Auszahlungen wie vorgeschlagen,<br />
(C − x, x), ansonsten erhalten beide 0.<br />
Was würden Sie machen? Bei C = 40, C = 30, und C = 20?<br />
Was würden Sie vorschlagen?<br />
Welche Vorschläge würden Sie annehmen?
3<br />
Teilspiele und Strategien<br />
Teilspiel<br />
Jede denkbare Entscheidungssituation konstituiert ein Teilspiel.<br />
Spieler 1 hat nur eine denkbare Entscheidungssituation: Vorschlag<br />
einer Verteilung (C − x, x).<br />
Für Spieler 2 konstituiert jeder mögliche Vorschlag (C − x, x) von<br />
Spieler 1 jeweils eine eigene Entscheidungssituation (egal wie<br />
unwahrscheinlich sie ex-ante ist).<br />
◮ (C − 0, 0), (C − 0.01, 0.01), . . . , (0.01, C − 0.01), (0, C − 0)<br />
Spieler 2 agiert also in sehr vielen Teilspielen (hier für Geldeinheit 0.01).<br />
Strategie<br />
Die “Strategie” eines Spieler weist jedem seiner (denkbaren) Teilspiele eine<br />
Aktion zu, die er wählen würde, wenn dieses Teilspiel erreicht wird.<br />
Beispiel einer Strategie für 2: Akzeptiere (C − x, x) ⇔ x ≥ C/3
Teilspielperfektes Ggw: Einkommensmaximierung<br />
Strategieprofil<br />
Ein Strategieprofil ist eine Kollektion von (vollständigen) Strategien aller Spieler.<br />
Welche Strategieprofile sind plausibel? Vielleicht folgende:<br />
Teilspielperfektes Gleichgewicht: Einkommensmaximierung<br />
Ein Strategieprofil ist ein TSP-Ggw, wenn es so gestaltet ist, dass jeder Spieler in<br />
jedem Teilspiel sein Einkommen maximiert – unter der Annahme, dass alle<br />
folgenden Aktionen so ablaufen, wie in dem Strategieprofil angekündigt.<br />
Konsequenz: In TSP-Ggws durchschaut Spieler 1 mögliche Bluffs (leere<br />
Drohungen) von Spieler 2<br />
Bluff: “Ich mache etwas unsinniges, wenn Du . . . machst.”<br />
Bspw. “Ich lehne das Angebot ab wenn x < C/3” obwohl er<br />
Einkommensmaximierer ist<br />
Denn dies widerspräche der Einkommensmaximierung in diesen Teilspielen<br />
und ist in TSP-Ggws allein dadurch ausgeschlossen.
5<br />
Die TSP-Ggws bei Geldeinheit 0.01<br />
Für Spieler 2 folgt aus Einkommensmaximierung<br />
Annehmen des Vorschlags (C − x, x) falls x > 0<br />
Er ist indifferent bei x = 0, dann kann er annehmen oder ablehnen<br />
Im TSP-Ggw antizipiert Spieler 1 die Strategie von 2, und daher folgt für<br />
ihn aus Einkommensmaximierung<br />
Mach den Vorschlag (C − x, x) für das kleinste x, das 2 annimmt<br />
Es gibt nun zwei (reine) TSP-Ggws bei Einkommensmaximierung<br />
Spieler 2 nimmt x = 0 an, und 1 schlägt (C − 0, 0) vor<br />
Spieler 2 lehnt x = 0 ab, und 1 schlägt (C − 0.01, 0.01) vor
Das TSP-Ggw bei Stetigkeit (Geldeinheit → 0)<br />
Das erste Gleichgewicht bleibt erhalten<br />
Spieler 2 nimmt x = 0 an, und 1 schlägt (C − 0, 0) vor<br />
Gibt es aber auch ein Gleichgewicht, wo 2 x = 0 ablehnt?<br />
Aus Einkommensmaximierung folgt ja, dass 2 alle (C − ε, ε) mit ε > 0<br />
annimmt<br />
Was ist dann die optimale Strategie von 1?<br />
Es gibt keine! Für jedes ε > 0, das 1 vorschlagen könnte, gibt es noch ein<br />
besseres ε ′ = ε/2, das 1 mehr bringt und das 2 auch annehmen würde<br />
Da es keinen optimalen Vorschlag gibt, gibt es auch keinen Vorschlag der die<br />
Optimalitätsbedingung des TSP-Ggws erfüllt<br />
Also gibt es kein solches TSP-Ggw, d.h. keines, in dem 2 den Vorschlag<br />
x = 0 ablehnt<br />
Bei Stetigkeit nimmt 2 den Vorschlag x = 0 im eindeutigen TSP-Ggw an<br />
(Der Unterschied ist aber minimal, ob 0.01 oder 0 ist praktisch egal)
7<br />
Was passiert in den Experimenten?<br />
Übliches experimentelles Design<br />
Jeder Teilnehmer spielt das Spiel 10 mal, mit wechselnden Partnern, aber<br />
immer in der gleichen Rolle (immer Proposer oder immer Responder)<br />
Übliche Ergebnisse<br />
Die Vorschläge x sind im allgemeinen im Bereich 40%–50% von C<br />
Kleinere Vorschläge werden mit recht hoher Häufigkeit abgelehnt<br />
Daher sind die empirisch optimalen Vorschläge auch im Bereich 40%–50%<br />
Das gilt in allen entwickelten Ländern bei C von 10–30 Dollar<br />
Bei höheren C (bspw. Wocheneinkommen) werden auch geringere Vorschäge<br />
akzeptiert, aber nur selten unter 20%<br />
In Entwicklungsländern sind 50 Dollar schon Monatseinkommen, dann sinken<br />
die Ablehnungsraten noch etwas<br />
Der Median-Vorschlag bleibt aber bei 40%–50% von C (meistens), mglw.<br />
wegen Risikoaversion auf Seiten des Proposers (bei diesen hohen Summen)
Erfahrung (Cooper/Dutcher, 2011, Meta-Analyse)<br />
The dynamics of responder behavior in ultimatum games 529<br />
Fig. 1 Acceptance rate as a function of experience. Note: The numbers above the bars give the number of<br />
observations for that bar<br />
Mit Erfahrung sinkt die Annahme schlechter Angebote (< 20%) und steigt<br />
die Annahme guter Angebote (≥ 20%), aber beides nur leicht<br />
Optimaler Vorschlag bleibt im Bereich 40%–50%<br />
Keine Konvergenz zum TSP-Ggw bei Einkommensmaximierung<br />
in acceptance rates for high offers is small and would be hard to identify with fewer<br />
observations. The magnitude of the decrease for small offers is larger, but given the<br />
infrequency of low offers we would once again struggle to identify the effect without<br />
8
Alternative Konzepte<br />
Wenn es keine Konvergenz zum TSP-Ggw gibt, dann nutzen die Personen<br />
vielleicht ein “einfacheres” Gleichgewichtskonzept<br />
Bspw. Nash-Gleichgewicht: Beide Akteure legen ihre Strategien gleichzeitig fest<br />
Spieler 1 auf ein Angebot<br />
Spieler 2 auf eine Liste der Angebote, die er annehmen würde<br />
Wenn das Angebot kommt, überlegt er nicht mehr, was gut wäre, sondern<br />
schaut nur auf seine Liste (gedanklich)<br />
Jedes Ergebnis des Ultimatumspiels kann sich in einem Nash-Ggw ergeben<br />
Beliebiges Ergebnis (C − x, x) ergibt sich wenn 1 das vorschlägt und 2 sich darauf<br />
festlegt, nur das anzunehmen; 1 kann nicht profitabel abweichen, denn 2 ist<br />
(gedanklich) darauf festgelegt, alles andere abzulehnen – plausibel?<br />
Da es viele Nash-Gleichgewichte gibt, gibt es Koordinationsprobleme<br />
Wenn sie unterschiedliche Ggws spielen, kommt es zur Ablehnung<br />
Ablehnungen sind Missverständnisse, Spieler 2 auf dem falschen Fuß erwischt<br />
9
Self-Confirming Equilibrium<br />
Die Idee (TSP-Ggw ist zu streng) wurde in Lern-Modellen weiterentwickelt<br />
Annahme: Menschen lernen die Strategien der anderen nur durch “direkte<br />
Erfahrung” kennen (keine Introspektion, und keine Beschreibung in<br />
Zeitungen, Romanen, Filmen, etc.)<br />
Dann konvergiert die Gesellschaft zu einem Ggw, in dem jeder einzelne die<br />
Strategien der anderen nur unvollständig kennt/antizipiert – nur entlang des<br />
“Gleichgewichtspfades” – und auf diesen Belief spielen sie eine beste Antwort<br />
Diese Ggws heißen “Self-Confirming” Ggws und sind (leicht) schwächer als<br />
Nash-Ggws, da Spieler falsche Beliefs abseits des Ggw-Pfades haben können<br />
Was spricht für und gegen Nash und SC Ggws als Erklärung für die<br />
Ergebnisse der Ultimatumspiele<br />
Pro Theoretisch können sie erklären, warum 40% vorgeschlagen und<br />
angenommen werden, ohne dass Altruismus im Spiel ist, und warum bspw.<br />
20% abgelehnt werden, ohne dass Missgunst im Spiel ist<br />
Con Praktisch scheint mangelhafte Antizipation der Reaktion auf Vorschläge<br />
unter 40% nicht vorzuliegen (siehe nächstes Experiment); und diese<br />
ablehnenden Reaktionen wirken nicht wie “Auf dem falschen Fuß erwischt”
11<br />
Bellemare, Kröger und van Soest (2008)<br />
Umfangreiches Experiment zu Diktatorspielen (N = 511) und<br />
Ultimatumspielen (N = 712)<br />
Teilnehmer sind repräsentativ für die holländische Bevölkerung<br />
Entscheidungssituation Wahl aus 8 Aufteilungen von 10 Euro (kein 50-50)<br />
(10, 0), (8.5, 1.5), (7, 3), (5.5, 4.5),<br />
(4.5, 5.5), (3, 7), (1.5, 8.5), (0, 10)<br />
Ultimatumspiel Responder kann annehmen oder ablehnen, soll für jeden<br />
möglichen Vorschlag angeben, was er täte (Strategiemethode)<br />
Zusätzlich Abfrage der “Beliefs” der Proposer: Mit welchen<br />
Annahme-/Ablehungswahrscheinlichkeiten rechnen Sie?
12<br />
Die Angebote: Diktator vs. Ultimatum<br />
FIGURE 1.—Distributions of amounts offered in the ultimatum game and the dictator game.<br />
Angebote sind höher im Ultimatumspiel (stochastische Dominanz)<br />
zeigt, dass strategische Gedanken (Vermeidung von Ablehnung) im U-Spiel<br />
relevant sind; die Proposer geben dort nicht aus reiner Nächstenliebe<br />
In beiden Spielen sind die Angebote recht nah an 50-50
TABLE II<br />
Responderstrategien OBSERVED CHOICE SEQUENCESim FOR RESPONDERS Ultimatumspiel<br />
IN THE ULTIMATUM GAME a<br />
0 150 300 450 550 700 850 1000 N<br />
Threshold Behavior (N = 177)<br />
1 1 1 1 1 1 1 1 17<br />
0 1 1 1 1 1 1 1 28<br />
0 0 1 1 1 1 1 1 30<br />
0 0 0 1 1 1 1 1 89<br />
0 0 0 0 1 1 1 1 12<br />
0 0 0 0 0 0 0 1 1<br />
Plateau Behavior (N = 145)<br />
0 0 0 1 1 1 0 0 20<br />
0 0 0 1 0 0 0 0 22<br />
0 0 0 1 1 0 0 0 61<br />
0 0 0 1 1 1 1 0 6<br />
0 0 1 1 1 0 0 0 8<br />
0 0 0 0 1 0 0 0 7<br />
0 0 1 1 0 0 0 0 2<br />
0 1 1 1 1 1 1 0 4<br />
0 0 1 1 1 1 0 0 11<br />
0 0 0 0 1 1 0 0 1<br />
0 0 0 0 0 1 0 0 1<br />
0 1 1 1 0 0 0 0 1<br />
0 0 1 1 1 1 1 0 1<br />
Aggregate Acceptance Rates<br />
0.05 015 032 093 091 068 058 055<br />
a The table columns present the acceptance decision (coded as 1 if accepted) for all 8 possible offers. N denotes<br />
the number of observations. There were 335 responders in the ultimatum game. The responses of 13 participants who<br />
answered in an inconsistent way are omitted from the table.<br />
the frequencies in the final column. Choice sequences were grouped into two<br />
Threshold<br />
categories.<br />
(52.8%), 11 ThePlateau biggest group<br />
(43.3%,<br />
(52.8%)<br />
lehnen<br />
was the group<br />
Angebote<br />
of threshold<br />
zu eigenen<br />
players,who<br />
Gunsten ab)<br />
13
826 C. BELLEMARE, S. KRÖGER, AND A. VAN SOEST<br />
Subjektiv geschätzte Annahmewahrscheinlichkeiten<br />
FIGURE 2.—Proposers’ anticipated acceptance probabilities in the ultimatum game collected<br />
using the accept and reject framing.<br />
Sind immer zu nah an der 50%-Linie (Unsicherheit), Plateaus antizipiert<br />
Yang (2008). 12 These studies indicated that broad subject pools and the presence<br />
of strong social norms are the most important reasons for nonmonotonic<br />
response behavior. 13<br />
The sizeable fraction of plateau responders had an immediate consequence<br />
for the aggregate acceptance rates, presented at the bottom of Table II. The<br />
Mgl. Erklärung: acceptance Loss-Aversion rates increased bzw. from “losses 5% for loom low offers largertothan abovegains”<br />
90% for proposals<br />
(Gewinn durch aroundAkzeptanz the equal split, vonbut x Euro then declined wirkt kleiner to justals above Verlust 55% when durchthe Ablehnung complete von x<br />
Euro man amount erwartet was offered weniger to the Ablehnungen, responder. wenn nach Ablehnung gefragt wird)<br />
Accept-Framing (“Mit welcher W-keit wird x akzeptiert”) führt zu geringeren<br />
subjektiven W-keiten als Reject-Framing (“Mit welcher W-keit wird x abgelehnt”)<br />
14
Angebote der Männer, nach Alter und Bildung<br />
MEASURING INEQUITY AVERSION 835<br />
FIGURE 5.—Predicted distributions of amounts offered. Predicted offers by proposers in the<br />
ultimatum and dictator game for four groups of nonworking men (group 1: 54 years,<br />
low educated).<br />
Junge, gebildete Figure 6 presents Männer thegeben predicted amacceptance wenigsten; probabilities Alterseffekt of responders größer in the als Bildungseff.<br />
ultimatum game. All subgroups had similar acceptance probabilities of offers
836 C. BELLEMARE, S. KRÖGER, AND A. VAN SOEST<br />
Akzeptanzstrategien der Männer<br />
FIGURE 6.—Predicted acceptance rates. Predicted acceptance rates of responders in the ultimatum<br />
game for four groups of nonworking men (group 1: 54 years, low educated).<br />
Junge, gebildete Männer akzeptieren am meisten und haben die geringste<br />
Plateau-Ausbildung ( insgesamt: geringste Ungleichheitsaversion); Alterseffekt<br />
wieder größer als Bildungseffekt<br />
pectations, that is, that proposers’ beliefs were equal to the observed aggregate<br />
acceptance rates of responders. Contrary to the model with rational expectations,<br />
the model with subjective expectations also revealed a significant nonlinear<br />
relationship between aversion to one’s own disadvantage and the level of<br />
16
17<br />
Subjektive oder rationale Erwartungen?<br />
Bellemare, Kröger und van Soest fragten erst nach den Strategien im<br />
Ultimatumspiel, dann nach den subjektive Erwartungen bzgl. der<br />
Annahmewahrscheinlichkeiten<br />
Danach Prüfung, wie können die Vorschläge am besten erklärt werden?<br />
“Rationale Erwartungen”: Annahme, die Teilnehmer kennen die<br />
tatsächlichen Annahmewahrscheinlichkeiten<br />
“Subjektive Erwartungen”: Mit den eigenen Schätzungen dieser<br />
Wahrscheinlichkeiten<br />
Bei älteren Personen passt beides gleich gut, bei Jüngeren passen die<br />
subjektiven Erwartungen deutlich besser als die “objektiven”<br />
Fehlende Erfahrung bei den jüngeren Personen?<br />
Offene Frage: Woher kommen die subjektiven Erwartungen?<br />
Blanco, Engelmann, Normann (2012): Vorschlag korreliert stark mit dem<br />
eigenen MAO (minimal acceptable offer) – False-Consensus Effekt
Wie passen Diktator- und Ultimatumspiele<br />
zusammen?<br />
In den klassische Diktatorspielen waren die Akteure egoistisch oder<br />
altruistisch.<br />
Ca. 70% sind altruistisch, also geben und präferieren (8, 2) über (10, 0)<br />
Sie haben positive soziale Präferenzen<br />
Im Ultimatumspiel:<br />
Mehr als 70% lehnen einen Vorschlag wie (2, 8) zugunsten von (0, 0) ab<br />
Spieler 2 hat dann negative soziale Präferenzen gegenüber Spieler 1, nennen<br />
wir es missgünstig<br />
Diese Mengen überlappen stark.<br />
Die gleichen Menschen können also altruistisch oder missgünstig sein, je<br />
nach Zusammenhang<br />
Was könnte die Ursache sein, die das steuert?
19<br />
Ungleichheitsaversion (Fehr und Schmidt, 1999)<br />
Eine mögliche Erklärung: Menschen sind altruistisch gegenüber Leuten,<br />
die weniger haben, und missgünstig (oder neidisch) gegenüber Leuten, die<br />
mehr haben<br />
Im Diktatorspiel geben sie ab, weil sie selbst mehr haben<br />
Im Ultimatumspiel lehnen sie schlechte Angebote ab, weil sie dann deutlich<br />
weniger hätten und es lieber sehen, dass beide gleich wenig haben<br />
Ungleichheitsaversion<br />
Sei π 1 die Auszahlung von Spieler 1 und π 2 die Auszahlung von Spieler 2.<br />
Dann ist der Nutzen von Spieler 1<br />
{<br />
π1 − α · (π<br />
u 1 (π 1 , π 2 ) =<br />
1 − π 2 ), falls π 1 ≥ π 2 ,<br />
π 1 − β · (π 2 − π 1 ), falls π 1 < π 2 ,<br />
mit β > α > 0.
20<br />
Anwendung der Ungleichheitsaversion<br />
Teilspielperfektheit bei Nutzenmaximierung<br />
Ein Strategieprofil ist ein TSP-Ggw, wenn es so gestaltet ist, dass jeder<br />
Spieler in jedem Teilspiel sein Nutzen maximiert.<br />
Diktatorspiel: Man präferiert (8, 2) über (10, 0) wenn<br />
8 − α(8 − 2) > 10 − α(10 − 0) ⇔ 4α > 2 ⇔ α > 1/2<br />
Ultimatumspiel: Man präferiert (0, 0) über (2, 8) wenn<br />
0 − 0 > 2 − β(8 − 2) ⇔ 6β > 2 ⇔ β > 1/3<br />
So ist beides kompatibel.<br />
Ist diese Nutzenfunktion die einzige, die zu beidem passt? Ganz und gar<br />
nicht, aber es ist eine sehr einfache.
Übliche Parameterverteilung nach Fehr und Schmidt<br />
In einer Population gibt es “üblicherweise” vier verschiedene Typen:<br />
Einkommensmaximierer 30%: α = 0, β = 0<br />
Schwache U-Aversion 30%: α = 0.25, β = 0.5<br />
Mittlere U-Aversion 30%: α = 0.6, β = 1<br />
Starke U-Aversion 10%: α = 0.6, β = 4<br />
Das stimmt natürlich nie genau, bspw. im Diktatorspiel, aber es ist etwas,<br />
womit man arbeiten könnte.<br />
Stimmt es zumindest ungefähr in allen Spielen, die den Diktator- und<br />
Ultimatumspielen ähneln?<br />
Bardsley/List Taking Games: Nein<br />
Erinnerung: Die passen zu keinem Modell strikter Nutzenmaximierung<br />
Dana et al. Diktatorspiele (“fair aussehen”): Nein<br />
Okay, diese Spiele sind auch recht harte Brocken. Passt es denn sonst?
22<br />
Engelmann und Strobel (2004): Taxation Games<br />
(Steuersatz-Spiele)<br />
Diktatorspiele mit drei Spielern: Hier muss man mehr als den eigenen<br />
Nutzen und die Nutzendifferenz abwägen. Sie sind Spieler 2.<br />
Treatment<br />
F E Fx Ex<br />
A B C A B C A B C A B C<br />
Sp. 1 8.2 8.8 9.4 9.4 8.4 7.4 17 18 19 21 17 13<br />
Sp. 2 5.6 5.6 5.6 6.4 6.4 6.4 10 10 10 12 12 12<br />
Sp. 3 4.6 3.6 2.6 2.6 3.2 3.8 9 5 1 3 4 5<br />
Verteilung der Entscheidungen (in Prozent)<br />
84 10 6 40 23 37 87 6 6 40 17 43<br />
Potentielle Entscheidungskriterien<br />
U-Avers × × × ×<br />
Effizienz × × × ×<br />
Es sieht so aus, als würden sich die Leute recht gleichmäßig aufteilen,<br />
wenn sie zwischen Gleichheit und Effizienz wählen müssen.<br />
Weiter geht’s . . .
23<br />
Engelmann und Strobel (2004): Neid-Spiele<br />
Sie sind weiter Spieler 2.<br />
Treatment<br />
N Nx Ny Nyi<br />
A B C A B C A B C A B C<br />
Sp. 1 16 13 10 16 13 10 16 13 10 16 13 10<br />
Sp. 2 8 8 8 9 8 7 7 8 9 7.5 8 8.5<br />
Sp. 3 5 3 1 5 3 1 5 3 1 5 3 1<br />
Verteilung der Entscheidungen (in Prozent)<br />
70 27 3 83 13 3 77 13 10 60 17 23<br />
Potentielle Entscheidungskriterien<br />
U-Avers × × or × × ×<br />
Effizienz × × × ×<br />
Einer ist immer neidisch – nun dominiert Effizienz. Die Nutzen sind<br />
möglicherweise recht komplizierte Mischungen/Abwägungen zwischen<br />
Gleichheit und Effizienz.<br />
Einmal noch . . .
24<br />
Engelmann und Strobel (2004): Weitere Spiele<br />
Sie sind weiter Spieler 2.<br />
Treatment<br />
R P Ey<br />
A B C A B C A B C<br />
Sp. 1 11 8 5 14 11 8 21 17 13<br />
Sp. 2 12 12 12 4 4 4 9 9 9<br />
Sp. 3 2 3 4 5 6 7 3 4 5<br />
Verteilung der Entscheidungen (in Prozent)<br />
27 20 53 60 7 33 40 23 27<br />
Potentielle Entscheidungskriterien<br />
U-Avers × × ×<br />
Effizienz × × ×<br />
Es kann auch passieren, dass sich die Mehrheit gegen<br />
Ungleichheitsaversion und Effizienz entscheidet.<br />
Selbst eine Mischung der beiden kann nicht alles erklären. Ist es vielleicht<br />
etwas ganz anderes?
Falk, Fehr und Fischbacher (2003)<br />
22 ECONOMIC INQUIRY<br />
Mini-Ultimatumspiel: Spieler 1 kann nur aus zwei möglichen Ultimaten<br />
wählen<br />
FIGURE 1<br />
The Mini-Ultimatum Games
24 ECONOMIC INQUIRY<br />
Ergebnisse FIGURE 2<br />
TABLE 1<br />
24<br />
Rejection Rate of the (8/2)-Offer<br />
across Games<br />
ECONOMIC INQUIRY<br />
Expected Payoffs for the Proposers<br />
from Different Offers<br />
FIGURE 2<br />
Expected ExpectedTABLE payoff Percentage 1<br />
Rejection Rate of the (8/2)-Offer<br />
payoff Expected of of thePayoffs alternative for of the(8/2)-<br />
Proposers<br />
across Games Game the 8/2-offer fromoffer Differentproposals<br />
Offers<br />
(5/5)-game 4.44 Expected 5.00 Expected31payoff Percentage<br />
(2/8)-game 5.87 payoff 1.96 of of the alternative 73 of (8/2)-<br />
(10/0)-game<br />
Game<br />
7.29<br />
the 8/2-offer<br />
1.11<br />
offer<br />
100<br />
proposals<br />
(5/5)-game 4.44 5.00 31<br />
(2/8)-game 5.87 1.96 73<br />
the rejection rate from 18% to roughly 45%<br />
(10/0)-game 7.29 1.11 100<br />
in the (5/5)-game suggests that intentionsdriven<br />
punishment behavior is a major factor.<br />
Thus, ithe seems rejection that reciprocity rate from 18% is actually to roughly 45%<br />
driven by both in the outcomes (5/5)-game and intentions. suggests that intentionsdriven<br />
we takepunishment a look at the behavior proposers’ is a major fac-<br />
Finally,<br />
(4 subjects) in the (10/0)-game. 7 The nonparametric<br />
Cochran Q-test confirms that the<br />
tor. Thus, the varying it seemsacceptance that reciprocity rate is actually<br />
behavior. Given<br />
of the (8/2)-offer<br />
differences in rejection rates across the four<br />
driven by theboth expected outcomes return andfrom<br />
intentions.<br />
Je günstiger die Alternative für denthis Responder, offer also<br />
games are significant (p < 0001). It also<br />
Finally, varied desto we across take weniger games. a lookTable zufrieden at the1<br />
proposers’ ist<br />
(4 subjects) in the (10/0)-game. 7 The shows non-thaparametric 2) the difference between the<br />
behavior. Given the varying acceptance rate<br />
it was least profitable to propose<br />
confirms er mit (8, that Cochran Q-test confirms that (8/2) the in the (5/5)-game and most profitable in<br />
(5/5)-game and the other three games is<br />
of the (8/2)-offer the expected return from<br />
differences in rejection rates across the the four (10/0)-game. The expected payoff of the<br />
statistically Es geht significant also nicht (p < nur 0001). umPair-wise<br />
Auszahlungen this offer also varied across games. Table 1<br />
games are significant (p < 0001). It alternative also offers exhibits the reverse order.<br />
comparisons that rejection rate<br />
shows that it was least profitable 8<br />
to propose<br />
FFF: Scheinbar confirms that interpretieren the difference die between Spieler Thisthe<br />
indicates u.a. that given the rejection behavior<br />
ofisthe responders, the payoff-maximizing<br />
in the (5/5)-game is significantly higher than<br />
(8/2)<br />
die<br />
in the<br />
Intention<br />
(5/5)-gamedes and most<br />
Proposers<br />
profitable in<br />
(5/5)-game and the other three games<br />
in (Wählt the (2/8)-game statistically<br />
er (8,(p 2) = significant<br />
aus 017, Freundlichkeit two-sided) (p < 0001). and Pair-wise<br />
oder aus the Egoismus?)<br />
(10/0)-game. The expected payoff of the<br />
choice is (5/5) in the (5/5)-game, (8/2) in the<br />
that the difference comparisons between confirm the that (2/8)- theand<br />
alternative offers exhibits the reverse order.<br />
rejection (2/8)-game, rate<br />
8<br />
and also (8/2) in the (10/0)-game.<br />
the (10/0)-game in the is(5/5)-game also highly is significantly (p =<br />
This indicates that given the rejection behavior<br />
of the responders, the payoff-maximizing<br />
higher The than last column in Table 1 shows that the<br />
017, two-sided). in the The (2/8)-game difference (p between = 017, two-sided) the<br />
vastand<br />
majority of the proposers made indeed<br />
(2/8)- and that the (8/2)-game the difference is, however, between only<br />
choice is (5/5) in the (5/5)-game, (8/2) in the<br />
the (2/8)- theand<br />
payoff-maximizing choice in each game.<br />
(weakly) significant if one is willing to apply<br />
(2/8)-game, and also (8/2) in the (10/0)-game.<br />
9<br />
the (10/0)-game is also highly significant Although (p = this proposer behavior is consistentthe<br />
with the assumption that the majority<br />
a one-sided017, test two-sided). (p = 068, The one-sided). difference The<br />
The last column in Table 1 shows that the<br />
between<br />
difference between the (8/2)- and the (10/0)-<br />
vast majority of the proposers made indeed<br />
Ablehnungswahrscheinlichkeit von (8, 2) hängt am Wert der Alternative<br />
(8, 2) wird auch abgelehnt, wenn die Alternative (8, 2) ist – reine U-Aversion<br />
Ähnliche Ergebnisse in Brandts and Sola (2001, GEB). Aber . . .
Charness und Rabin (2002)<br />
Sehr ähnliche Spiele (mit den experimentellen Ergebnissen an den Ästen):<br />
Pl. 2<br />
L : 100% R : 0%<br />
8, 2 0, 0<br />
Pl. 1<br />
Out : 41% In : 59%<br />
5, 5 Pl. 2<br />
L : 91% R : 9%<br />
8, 2 0, 0<br />
Pl. 1<br />
Out : 73% In : 27%<br />
7.5, 7.5 Pl. 2<br />
L : 88% R : 12%<br />
8, 2 0, 0<br />
Mit ganz anderen Ergebnissen<br />
(8, 2) wird nur sehr selten abgelehnt<br />
selbst neben der (7.5., 7.5), wo dieser Vorschlag besonders egoistisch wirkt<br />
Wert der Alternative spielt fast keine Rolle<br />
Ohne Alternative (Spiel ganz links) verschwindet die Ungleichheitsaversion!<br />
Einziger methodischer Unterschied zu FFF: dort waren die Rollen<br />
vorgegeben, hier (CR) wurden sie erst nach der Entscheidung ausgelost<br />
Wie soll man die Unterschiede zu FFF (45% Ablehnung von (2, 8)) und<br />
zum Standard-Ultimatumspiel (75% Ablehnung von (2, 8)) erklären?
Bereby-Meyer und Niederle (2005)<br />
Drei-Spieler Ultimatumspiel, Spieler 1 macht den Vorschlag zur Aufteilung<br />
von 10 Dollar, Spieler 2 kann annehmen oder akzeptieren, Spieler 3 kann<br />
nur zuschauen, bekommt vielleicht jedoch etwas ab.<br />
TRP Spieler 1 schlägt Aufteilung zwischen sich und 2 vor, bei Ablehnung erhält<br />
Spieler 3 eine Auszahlung von 10, 5 oder 0 Dollar (je nach Treatment).<br />
PRP Spieler 1 schlägt Aufteilung zwischen 2 und 3 vor, bei Ablehnung erhält er<br />
selbst (1) eine Auszahlung von 10, 5 oder 0 Dollar (je nach Treatment).<br />
178 Y. Bereby-Meyer, M. Niederle / J. of Economic Behavior & Org. 56 (2005) 173–186<br />
Table 1<br />
Possible payoff distributions after a 10 − x proposal for the TRP-$10 and PRP-$10<br />
TRP<br />
PRP<br />
Accept Reject Accept Reject<br />
Proposer x 0 0 10<br />
Responder 10 − x 0 10 − x 0<br />
Third party 0 10 x 0<br />
distributions. Consider the TRP game where the third party receives the rejection payoff. If
Ergebnisse<br />
180 Y. Bereby-Meyer, M. Niederle / J. of Economic Behavior & Org. 56 (2005) 173–186<br />
Fig. 1. Mean rejection rates for each game PRP and TRP, where the proposer or the third party receives the<br />
rejection payoff, respectively; below find the number of observations for each offer for each game.<br />
Ablehungsraten reduce thesind payoff inof TRP the least höher well off alsplayer. in PRP, In ourund games inthe TRP-5,10 proposer has höher no such als moves in TRP-0<br />
available; hence this of reciprocity will not have any impact on our games.<br />
Widerspricht reiner Ungleichheitsaversion: Dort wäre es egal, wer den 9<br />
Trostpreis<br />
bekommt; und höherer Trostpreis für 3 verstärkt Ungleichheit wieder (also<br />
eigentlich 6. Results weniger Anreiz, abzulehnen)<br />
Scheinbar soll der “unfreundliche” Proposer in PRP nicht belohnt werden, und<br />
We first focus on the behavior of the responder. Table A.1 in the Appendix A 10 shows<br />
Spieler<br />
the number<br />
3 darf<br />
of<br />
es<br />
observations<br />
ruhig haben<br />
for each<br />
(war<br />
offer<br />
nicht<br />
in each<br />
unfreundlich)<br />
game.<br />
– die Intention zählt?
30<br />
Referenzabhängiger Altruismus<br />
Idee: Personen haben Erwartungen an die Interaktion, sind zufrieden (altruistisch)<br />
wenn die Erwartungen erfüllt werden, unzufrieden (missgünstig) sonst<br />
Die “Erwartung” (Referenzpunkt) betrifft das erwartete Einkommen<br />
Absoluter Referenzpunkt π a : Erwartete Auszahlung bei “normalem” Verlauf<br />
{<br />
u a πi + α · π<br />
(π i , π j ) =<br />
j , falls π i ≥ π a<br />
π i + β · π j , falls π i < π a<br />
Mit α > β hat das den beschriebenen Effekt.<br />
Relativer Referenzpunkt: Gegnerische Auszahlung<br />
{<br />
u r πi + α · π<br />
(π i , π j ) =<br />
j , falls π i ≥ π j<br />
π i + β · π j , falls π i < π j<br />
Wieder mit α > β. Der Unterschied zu Fehr-Schmidt-Ungleichheitsaversion ist,<br />
dass diese Nutzenfunktionen unstetig am Referenzpunkt sind.<br />
Diese (neuen) Ansätze können neben klassischen Diktator- und Ultimatumspielen<br />
auch Drei-Spieler-Diktatorspiele, Mini-Ultimatumspiele und bestimmte<br />
Drei-Spieler-Ultimatumspiele erklären. Aber keine “Intentionseffekte” wie eben.
Zusammenfassung<br />
Ungleichheitsaversion passt gut zu den Ergebnissen in den Standardspielen<br />
UA erklärt Geben in einfachen Diktatorspielen und Ablehnungen in einfachen<br />
Ultimatumspielen<br />
UA passt nicht in den Drei-Spieler-Diktatorspielen, dort zählt auch Effizienz<br />
UA passt nicht zu den “Menu-Effekten” in Mini-Ultimatumspielen<br />
(wie in FFF: Ablehungsrate abhängig von Alternative)<br />
UA passt nicht in den Drei-Spieler-Ultimatumspielen (bspw. Bereby-Meyer,<br />
Niederle), dort zählen auch Intentionen<br />
Daher ist UA keine robuste Alternative zur Annahme Einkommensmaxim.<br />
Potentielle Alternativen in der aktuellen Literatur<br />
Reziprozitätsmodelle: Beliefs über die Intention/Altruismusgrad des Gegners<br />
beeinflussen meinen Altruismusgrad ihm gegenüber<br />
Referenzabhängige Preferenzen: Altruismusgrad ist abhängig von Relation<br />
des eigenen Payoffs zu Referenzpunkt wie bspw. erwartete Auszahlung<br />
Deren allgemeine Anwendbarkeit ist aber noch unklar