Chirurgie gegen die Lesebrille - FreeVis
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Meisterin der kleinen Schnitte Augenärztin Maya Müller von der Uniklinik Lübeck<br />
setzt Kunststoffl insen durch zwei Millimeter kleine Öffnungen ins Auge ein<br />
Klare Sicht dank neuer Linse<br />
Der Linsenaustausch beim grauen Star ist eine erfolgreiche Routine-OP.<br />
Neue Techniken und ultradünne Faltlinsen ermöglichen winzige Schnitte.<br />
Mit 600 000 Eingriffen pro Jahr<br />
ist <strong>die</strong> Entfernung des grauen<br />
Stars (Katarakt) <strong>die</strong> häufi gste Operation<br />
in Deutschland. Notwendig wird<br />
sie durchschnittlich mit etwa 70 Jahren,<br />
wenn <strong>die</strong> Augenlinse altersbedingt<br />
eintrübt und das Sehen stört. Bei dem<br />
ambulanten Eingriff zertrümmert der<br />
Chirurg <strong>die</strong> Linse mittels Ultraschall,<br />
entfernt sie und setzt an ihre Stelle<br />
eine dünne Kunststoffl inse.<br />
Seit 2006 komme man bei einigen<br />
Patienten dank raffi nierter Ultraschalltechnologie<br />
und verfeinerter<br />
Instrumente mit Schnitten unter zwei<br />
Millimetern aus, sagt Maya Müller,<br />
Leitende Oberärztin der Augenklinik<br />
Getrübte Sicht Den grauen Star kennzeichnet eine graue Färbung<br />
hinter der Pupille. Die Linsentrübung führt zu einem langsamen Sehverlust<br />
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Lübeck. Die ultradünne Linse wird<br />
aufgerollt und regelrecht ins Auge injiziert.<br />
„Die winzigen Schnitte haben<br />
den Vorteil, schneller zu heilen und<br />
das Infektionsrisiko potenziell zu reduzieren.“<br />
Besonders profi tierten davon<br />
Patienten, <strong>die</strong> zusätzlich zum grauen<br />
Star ein weiteres Augenproblem, etwa<br />
ein Glaukom, haben, da ausreichend<br />
Platz für weitere Eingriffe bleibt. Sehr<br />
gute Ergebnisse liefern aber auch<br />
übliche Kunststoffl insen, <strong>die</strong> weniger<br />
fl exibel sind und daher Schnittlängen<br />
von bis zu drei Millimetern erfordern.<br />
Fast alle Patienten entscheiden sich<br />
für <strong>die</strong>se Implantate, <strong>die</strong> gesetzlichen<br />
Krankenkassen tragen <strong>die</strong> Kosten.<br />
AUGENKRANKHEITEN<br />
voll geplant und nach strengen Kriterien<br />
ausgewertet werden. „Dann weiß ein<br />
Patient auch ganz genau, dass das Verfahren<br />
noch experimentell ist, und muss<br />
kein Geld dafür zahlen“, meint Kohnen.<br />
Derlei seriöse Forschung gibt es seiner<br />
Meinung nach fast nur an Universitäten<br />
und an vereinzelten Spezialabteilungen.<br />
Unabhängige Mediziner warnen zudem:<br />
Operationen <strong>gegen</strong> <strong>die</strong> reine Alterssichtigkeit<br />
liefern außer der Unabhängigkeit<br />
von der Brille keine weiteren Vorteile,<br />
vor allem kein besseres Sehen. Nur solche<br />
Kandidaten sollten sich darauf einlassen,<br />
<strong>die</strong> stark unter ihrer Sehhilfe leiden.<br />
Wenn Alterssichtige ihre Lese- oder<br />
Gleitsichtbrille endgültig loswerden wollen,<br />
raten Ärzte am häufi gsten zu Mehrstärkenimplantaten.<br />
Die sogenannten<br />
Multifokallinsen erzeugen zwei Brennpunkte<br />
und ermöglichen scharfes Sehen<br />
in Ferne und Nähe. Schon Tausende Menschen<br />
weltweit haben sich für <strong>die</strong> fi ligranen<br />
Sonderlinsen entschieden. Manche<br />
Patienten nutzen <strong>die</strong> Operation ihres<br />
grauen Stars, um sich <strong>die</strong> High-Tech-Prothesen<br />
an <strong>die</strong> Stelle ihrer trübe gewordenen<br />
Linse einpfl anzen zu lassen. Einige<br />
stark Weitsichtige und Kurzsichtige ab 45<br />
fi nden <strong>die</strong> Aussicht auf Scharfblick ohne<br />
Brille gar so attraktiv, dass sie <strong>die</strong> Operation<br />
des grauen Stars um Jahrzehnte<br />
vorverlegen – wie Apotheker Visser.<br />
Multifokale Kunstlinsen gelten unter<br />
Experten derzeit als <strong>die</strong> zuverlässigste<br />
Methode, um Fern- und Nahbrille loszuwerden.<br />
„87 Prozent derer, <strong>die</strong> von erfahrenen<br />
Spezialisten operiert wurden,<br />
kommen dank der Implantate ohne Brille<br />
zurecht“, erklärt Stefanie Schmickler vom<br />
Augen-Zentrum Ahaus im Münsterland,<br />
Ärztin von Visser. Die Expertin für Mehrstärkenlinsen<br />
stützt sich auf neue, bislang<br />
unveröffentlichte Ergebnisse einer<br />
Multi-Center-Stu<strong>die</strong>, <strong>die</strong> jetzt auf dem<br />
Weltkongress der Ophthalmologen in<br />
Berlin präsentiert werden und der zufolge<br />
drei von vier Behandelten ihr Sehen nach<br />
sechs Monaten „gut bis sehr gut“ fi nden.<br />
„Männer sind unserer Erhebung zufolge<br />
sogar noch etwas zufriedener als Frauen“,<br />
resümiert Schmickler.<br />
Viele Ärzte sind beim Einsatz<br />
der teuren Linsen zurückhaltend<br />
Bei solchen Resultaten überrascht,<br />
weshalb <strong>die</strong> Linsen sich seit Jahren nur<br />
FOCUS 23/2010<br />
Foto: Ronald Frommann/FOCUS-Magazin