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SOLUTIONS Magazin 1/2012 - solutionproviders

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Management-Wissen für die Praxis<br />

1/<strong>2012</strong><br />

EUR 10.–<br />

SolutionS<br />

Social Media<br />

Retailbanken im<br />

Versuchsstadium<br />

Seite 4<br />

Dieter Thomä<br />

Vom gemeinsamen<br />

Handeln zur Interpassion<br />

Seite 8<br />

Rückversicherungsvertrieb<br />

Neue Saleskonzepte<br />

für gesättigte Märkte<br />

Seite 16<br />

Produkteinführung<br />

Gerüstet für die Einführung<br />

neuer Tarifgenerationen<br />

Seite 24


Editorial<br />

«Die Verbindung von Wichtigem mit<br />

Interessantem und Spaß macht unsere<br />

Leidenschaft aus für all das, was wir tun.»<br />

Daran, dass die Finanzindustrie vor einem fundamentalen Strukturwandel steht,<br />

bestehen kaum mehr Zweifel. Angesichts der schwerwiegenden Veränderungen<br />

der politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen sowie der unaufhaltsamen<br />

Verbreitung neuer Medien werden die Finanzinstitute nicht umhinkommen, ihre<br />

Geschäftsmodelle grundlegend zu überdenken und sie weitsichtig den neuen<br />

Gegebenheiten anzupassen.<br />

Auf einige der Herausforderungen gehen wir in der <strong>SOLUTIONS</strong>-Ausgabe,<br />

die Sie vor sich haben, näher ein: auf das Doppelbesteuerungsabkommen mit<br />

Deutschland, auf den Umgang mit Social Media in Retailbanken und auf den<br />

neuen Verhaltenskodex für Privatbanken in Singapur. Wie gewohnt begnügen<br />

wir uns dabei nicht mit der Beschreibung der Situation und der Trends, sondern<br />

zeigen Ihnen – getreu unserem Firmennamen – konkrete Lösungsansätze auf.<br />

Kurz vor Drucklegung dieses <strong>Magazin</strong>s haben wir an unserem Standort in Wien<br />

die 4. Banking und Finance Lounge durchgeführt. Die Ausführungen unseres<br />

Gastredners Dr. Christian Konrad, des obersten Chefs des Österreichischen<br />

Raiffeisenverbands – und damit der Raiffeisenbanken – haben mich beinahe<br />

glauben gemacht, dass er um unseren Redaktionsplan wusste. Denn er sprach<br />

von realisierten wie von bevorstehenden Strukturveränderungen im Bankenmarkt,<br />

ging auch auf FATCA, den Regulierungsdruck und die geografischen<br />

Verschiebungen im Bankenmarkt ein. Dass in sein Referat die Erfahrung und<br />

Weitsicht aus über 40 Jahren Tätigkeit für den zweitgrößten Arbeitgeber in<br />

Österreich einfloss, war unverkennbar.<br />

Mir bleibt dieser Abend aber nicht nur wegen des Referats von Dr. Konrad in<br />

bester Erinnerung. Mindestens so sehr dazu beigetragen hat der Tiefgang der<br />

anschließenden Gespräche mit Weitblick und einer Prise Humor bei einem<br />

guten Glas Wein. Eben diese Verbindung von Wichtigem mit Interessantem<br />

und Spaß macht unsere Leidenschaft aus für alles, was wir tun. Es kommt also<br />

nicht von ungefähr, dass wir «Passion» als einen unserer Kernwerte definiert<br />

haben. Insofern spricht mir Philosophieprofessor Dieter Thomä aus dem<br />

Herzen, wenn er sagt, dass die, die sich anstrengen, das Glücksgefühl mit dem<br />

Gelingen ihres Tuns bekommen.<br />

In diesem Sinn wünsche ich Ihnen inspirierte Lektüre und<br />

inspirierende Denkanstöße.<br />

Ihr Michael Gerber<br />

2 SolutionS 1/<strong>2012</strong>


Inhalt<br />

2<br />

4<br />

8<br />

10<br />

12<br />

16<br />

20<br />

24<br />

28<br />

31<br />

Editorial<br />

Social-Media-Strategien der Finanzdienstleister befinden sich noch im Versuchsstadium<br />

Retailbanken unternehmen erste Gehversuche mit Facebook und Twitter<br />

Professor Dieter Thomä, Universität St. Gallen, zum Vergleich von Arbeitsumständen mit dem Internetbrowser,<br />

über das Spannungsfeld von Burnout vs. Boreout und über das Unwort «Work-Life-Balance»<br />

«Wer sich anstrengt, bekommt das Glücksgefühl mit dem Gelingen seines Tuns»<br />

Finanzdienstleister tun gut daran, Projektvorbereitungen möglichst bald aufzunehmen<br />

Doppelbesteuerungsabkommen – der Ablass des 21. Jahrhunderts<br />

Einsparungen in Millionenhöhe realisieren<br />

Industrialisierung der Rechnungsprüfung bei der Helsana<br />

Der Rückversicherungsvertrieb im Wandel<br />

«Hunter» und «Farmer» auf Kundensuche und -betreuung<br />

Wie Finanzdienstleister vom kognitiven Prozess der Preis-Leistungs-Wahrnehmung und -Beurteilung profitieren können<br />

Von der klassischen Preistheorie zum Behavioural Pricing<br />

Herausforderungen durch wiederkehrende und intensive Ressourcenbindung in Produkteinführung und Systemlandschaft<br />

Zwei komplett neue Tarifgenerationen in zwei Jahren<br />

Die Auswirkungen von Singapurs neuem Verhaltenskodex auf die private Vermögensverwaltung<br />

Revolutionäre Regulierung?<br />

Die Vorbereitungen für den Takeoff von «Round the World for Children <strong>2012</strong>» laufen auf Hochtouren<br />

Der Countdown zum Soloflug<br />

Impressum<br />

<strong>SOLUTIONS</strong> 1/<strong>2012</strong>, erscheint 3-mal pro Jahr. Die Artikel sind unter www.<strong>solutionproviders</strong>.com abrufbar.<br />

Herausgeber: Solution Providers Schweiz AG, Dübendorf/Zürich, www.<strong>solutionproviders</strong>.com / Redaktion: Ballhaus Wording, Zürich<br />

Realisation: Andy Braun Gestaltung, Zürich / Druck: Neidhart + Schön, Zürich, Papier FSC-zertifiziert.<br />

Zuschriften und Anfragen an: Solution Providers Schweiz AG, Neugutstrasse 89, CH-8600 Dübendorf/Zürich, Phone +41 44 802 2000,<br />

Fax +41 44 802 2001, solutions@mailsp.com Copyright: Die Vervielfältigung von Artikeln ist mit Zustimmung der Redaktion und mit<br />

Quellenangabe gestattet. Beiträge von Gastautoren müssen nicht der Meinung des Herausgebers entsprechen.<br />

Fotos: S. 1, 4, 16, 20, 24 iStockphoto; S. 8 Universität St. Gallen; S. 12, 29 shutterstock.<br />

1/<strong>2012</strong> SolutionS 3


Strategie<br />

Social-Media-Strategien der Finanzdienstleister<br />

befinden sich noch im Versuchsstadium<br />

Retailbanken unternehmen<br />

erste Gehversuche mit<br />

Facebook und Twitter<br />

4 SolutionS 1/<strong>2012</strong>


Strategie<br />

Social Media sind in der Fachpresse allgegenwärtig<br />

und stehen als Thema auch<br />

bei vielen Banken und Finanzdienstleistern<br />

auf der Agenda <strong>2012</strong>+. Gartner<br />

Technology Research hat bereits seit<br />

einigen Jahren die verschiedenen Geschäftsanwendungsmöglichkeiten<br />

von<br />

«Social Technologies» auf einem eigenen<br />

Hype-Cycle positioniert, doch sind die<br />

meisten Technologien erwartungsgemäß<br />

in den beiden Segmenten «Technologie-Trigger»<br />

und «Gipfel der überzogenen<br />

Erwartungen» eingeordnet.<br />

Bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass<br />

sich insbesondere Finanzdienstleister<br />

schwer tun, sich mit ihrem Kerngeschäft<br />

respektive ihrer Marke auf den<br />

neuen Kanälen und mit den neuen<br />

Technologien zu positionieren.<br />

Im letzten Quartal 2011 hat Solution Providers<br />

eine Erhebung der aktuellen Positionierung<br />

der Schweizer Retailbanken im<br />

Bereich Social Media unterstützt. Diese<br />

wurde im Rahmen einer Masterarbeit am<br />

Institut für Informatik der Universität Zürich<br />

bei zwölf Retailbanken durchgeführt.<br />

Das Hauptaugenmerk lag auf der aktuellen<br />

Verwendung von externen Social-Media-Kanälen,<br />

auf den Potenzialen, die die<br />

Institute für die Zukunft sehen, und darauf,<br />

welche Modelle und Ansätze die<br />

Banken verfolgen, um ihre Zielgruppen<br />

zu erreichen, zu interessieren oder sogar<br />

über diese Kanäle zu binden. In der Erhebung<br />

wurden elf der zwölf größten Anbieter<br />

von Retailbanking-Dienstleistungen<br />

(gemessen an der Bilanzsumme)<br />

befragt und eine der kleineren Regionalbank-Gruppengesellschaften.<br />

Stichwort Social Media<br />

Social Media ist ein Begriff, der 2005<br />

aufgekommen und schwierig abzugrenzen<br />

ist. Ähnlich benutzt wird die<br />

Bezeichnung Social Web, die einen Teilbereich<br />

des Web 2.0 darstellt und auf<br />

diejenigen Bereiche fokussiert, die die<br />

Unterstützung sozialer Strukturen und<br />

Interaktionen über das Netz beinhalten.<br />

Eine Social-Media-Anwendung besteht<br />

meist aus drei Komponenten: erstens<br />

aus einer (webbasierten) Anwendung,<br />

die den Menschen die Kommunikation<br />

und damit den Informationsaustausch,<br />

den Aufbau einer Beziehung und deren<br />

Pflege sowie die Zusammenarbeit im<br />

gesellschaftlichen oder gemeinschaftlichen<br />

Kontext ermöglicht. Zweitens aus<br />

den Daten, die von den Nutzern in der<br />

Anwendung generiert werden (User Generated<br />

Content), und als dritte Komponente<br />

aus den Beziehungen zwischen<br />

den Menschen (z. B. Freunde, «Like»<br />

«Soziale Medien haben das Potenzial, Banking<br />

grundlegend zu verändern. Man denke nur an eine<br />

persönliche Kreditvergabe (Social Lending)<br />

oder an gemeinsame Investmententscheidungen<br />

(Social Investment). Es ist unklar, wie lange die<br />

bisherigen technischen und regulatorischen<br />

Barrieren das traditionelle Geschäftsmodell der<br />

Banken schützen. Deshalb experimentieren viele<br />

Schweizer Banken mit sozialen Medien, aber das<br />

bisherige Geschäftsmodell wird nicht hinterfragt.<br />

Sind soziale Medien wirklich nur eine Frage<br />

des Kanalmanagements?»<br />

und andere Bewertungen, «Follower»,<br />

Orte etc). Das Besondere daran ist, dass<br />

die Anwendung die Beziehungsstruktur<br />

verwenden und vielfältig nützen kann.<br />

So werden heute unter dem Oberbegriff<br />

«Social Media» verschiedene Anwendungsformen<br />

zusammengefasst, die<br />

eine Vielzahl von Teilbereichen zwischenmenschlicher<br />

Kommunikation über<br />

elektronische Kanäle umfassen. Dazu<br />

gehören unter anderem «Media Sharing»<br />

(z. B. YouTube, Flickr), «Social Bookmarking»<br />

(z. B. Mister Wong, Delicious),<br />

Web-Blogs, Micro-Blogs (z. B. Twitter),<br />

Wikis, Bewertungsplattformen (z. B.<br />

dooyoo.com, holidaycheck.com), interaktive<br />

Verkaufsberatung über das Web<br />

und natürlich die sozialen Netzwerke (z. B.<br />

Facebook, Google+).<br />

Prof. Dr. Gerhard Schwabe,<br />

Lehrstuhl Informationsmanagement an der Universität Zürich<br />

Wo stehen die Schweizer Banken heute?<br />

Die Ergebnisse der aktuellen Verwendung<br />

von Social-Media-Kanälen haben<br />

folgendes Bild ergeben: Neun der zwölf<br />

Banken haben einen eigenen Facebook-<br />

Auftritt, und die angebotenen Inhalte<br />

unterscheiden sich erwartungsgemäß<br />

stark: Die Mehrheit (sieben von neun)<br />

konzentrieren sich auf eher bankfremde<br />

Themen wie Wettbewerbe, Verlosungen<br />

und Ankündigungen von Sponsoring-Events.<br />

So überrascht es wenig,<br />

dass nur drei der untersuchten Banken<br />

bei ihren Auftritten auch auf Finanzthemen<br />

setzen. Es scheint, als ob für die<br />

erfolgreiche Kombination von Basis-<br />

Retail-Dienstleistungen und Social Media<br />

noch kein Rezept gefunden wurde.<br />

Auch bezüglich Aktivität und Interaktion<br />

nehmen die Auftritte der Schweizer<br />

Retailbanken noch keinen Spitzenplatz<br />

ein. Tägliche Einträge der Banken<br />

auf Facebook sind in der Schweiz noch<br />

eher selten, regelmäßig «posten» aber<br />

doch acht der neun Banken mit Facebook-Auftritt<br />

(das letzte Posting ist<br />

nicht älter als zwei Wochen). Immerhin<br />

drei Banken setzen im kleinen Rahmen<br />

auf die Karte «Kundendienst über Social<br />

Media»; interessanterweise sind darunter<br />

auch zwei der Banken vertreten, die<br />

Finanzthemen präsentieren. Bei der<br />

Hälfte der Banken sind vereinzelte<br />

Userkommentare zu finden, die von<br />

fünf Banken mehr oder weniger zeitnah<br />

auch beantwortet wurden. Jedoch beantwortet<br />

nur eine der Banken, die Finanzthemen<br />

präsentieren, auch Userkommentare<br />

auf der Seite – von einer<br />

aktiven Kommunikation respektive<br />

einem Dialog zwischen Bank und Usern<br />

sind die Auftritte noch weit entfernt<br />

1/<strong>2012</strong> SolutionS 5


Strategie<br />

und auch ein Dialog zwischen den Usern<br />

zu Events, Themen oder Fragen entstand<br />

(bisher) nicht.<br />

Ein Blick über die Landesgrenzen hinaus<br />

zeigt ein Bild mit gewissen Parallelen<br />

in der Positionierung, aber deutlich<br />

größerer Verbreitung. Im Report des<br />

britischen Marktforschungs- und Branchendiensts<br />

VRL über die Top-150-<br />

Banken bei Facebook werden die Spitzenplätze<br />

von Instituten belegt, die<br />

ihren Auftritt ebenfalls nicht um die<br />

eigentlichen Finanzdienstleistungen,<br />

sondern um andere Themen herum<br />

aufgebaut haben. Bei der topplatzierten<br />

JP Morgan Chase Bank sind es beispielsweise<br />

die karitative Tätigkeit ihrer<br />

Aktion «Chase Community Giving».<br />

Bei Capital One dreht sich die Facebook-<br />

Seite um College-Sport und virtuelle<br />

Facebook-Spiele. Und bei Barclays geht<br />

es um die gesponserte Barclays Premier<br />

League, also um Fussball. Dazwischen<br />

hat sich einzig American Express mit<br />

einer Mischform platziert: Sie bietet<br />

Vergünstigungen und Wettbewerbe im<br />

Zusammenhang mit dem Einsatz ihrer<br />

Karten an, zumindest eine geschäftsnahe<br />

Positionierung. Die erwähnten Banken<br />

zählen auf ihren Auftritten zwischen<br />

einer und knapp drei Millionen<br />

«Likes», was eine Community von beachtlicher<br />

Größe darstellt. Es gilt jedoch<br />

festzuhalten, dass die Anzahl der<br />

«Likers» keine allzu gewichtige Bewertungsgröße<br />

für einen Auftritt in den<br />

Social Media darstellt. Diese «Likes» sind<br />

nicht mit aktiven Teilnehmern gleichzusetzen.<br />

Nach dem von Jakob Nielsen<br />

aufgestellten 90-9-1-Prinzip sind von<br />

100 Teilnehmern 90 reine Zuschauer<br />

(oder inaktiv), neun beteiligen sich ab<br />

und zu inhaltlich und nur ein Teilnehmer<br />

ist wirklich aktiv beteiligt. Die Zahlen<br />

der Facebook-Likers der Schweizer<br />

Retailbanken erscheinen im internationalen<br />

Vergleich bescheiden. Nur eine<br />

Schweizer Bank hat mehr als 38 000<br />

Likers und würde damit um den Platz<br />

40 der Top-150-Banken rangieren, vier<br />

Banken liegen zwischen 1000 und 10 000<br />

(Plätze 100+), und der Rest verschwindet<br />

mit weniger als 1000 Likers quasi<br />

im Social-Media-Nebel.<br />

Auf Twitter, dem für die Schweiz relevantesten<br />

Micro-Blogging-Dienst, pflegen<br />

fünf der Banken einen eigenen Kanal.<br />

Dabei konzentrieren sich zwei<br />

Banken auf den Kundenservice, zwei<br />

Banken auf die Informationsvermittlung<br />

von sowohl bankbezogenen als auch<br />

bankfremden Themen. Eine der Banken<br />

«Die meisten Banken haben die sozialen Medien als<br />

einen weiteren Kommunikationskanal zum Kunden<br />

erkannt und erste Schritte in diese Richtung<br />

unternommen. Als besondere Herausforderungen<br />

erweisen sich hier die Formulierung des<br />

geschäftsbezogenen Nutzens von Social-Media-<br />

Strategien sowie die Verbindung der offenherzigen<br />

sozialen Medien mit der traditionell eher<br />

zurückhaltenden und auch gesetzlich regulierten<br />

Kommunikationskultur rund um Bankprodukte.»<br />

Robinson Aschoff, Leiter der Forschungseinheit «Soziale Medien in<br />

Organisationen» am Lehrstuhl Informationsmanagement von<br />

Prof. Dr. Gerhard Schwabe an der Universität Zürich<br />

deckt als einzige mehrere Bereiche in ihrer<br />

Kommunikation ab. Für Wettbewerbe<br />

und Verlosungen wird der Twitter-<br />

Kanal nur von einer Bank eingesetzt. Bei<br />

allen «zwitschernden» Banken sind die<br />

letzten Informationen nicht älter als<br />

zwei Wochen – ob dies in dieser schnelllebigen<br />

Zeit reicht, darf angezweifelt<br />

werden. Bezüglich Reichweite zeigt sich<br />

ebenfalls ein eher bescheidenes Bild:<br />

Nur eine Schweizer Bank hat über 5000<br />

Follower, drei weitere Banken haben mit<br />

100 bis 999 Follower wenigstens noch<br />

eine kleine Anhängerschaft. Im internationalen<br />

Vergleich kann demnach nur<br />

eine Bank mithalten und positioniert<br />

sich gerade noch in den Top-30.<br />

Die Hälfte der betrachteten Banken betreibt<br />

einen eigenen YouTube-Kanal, aber<br />

nur vier dieser Banken aktualisieren ihn<br />

regelmäßig. Bedenkt man, dass YouTube<br />

aktuell als zweitgrößte Suchmaschine<br />

hinter Google gilt, ist die Positionierung<br />

der Schweizer Banken auf diesem Kanal<br />

nicht gerade herausragend.<br />

Immerhin sieben der untersuchten<br />

Schweizer Retailbanken haben auf ihrer<br />

Homepage einen Verweis auf ihre Präsenz<br />

auf den verschiedenen Social-Media-Plattformen<br />

– zum Teil sehr klein<br />

und schon fast versteckt, zum Teil sehr<br />

prominent. Es scheint, als ob die Finanzinstitute<br />

mit unterschiedlich großem<br />

Selbstvertrauen auf die neuen Medien<br />

setzen oder zumindest das Potenzial<br />

unterschiedlich einstufen.<br />

Erfahrungen und Pläne<br />

Neben der Erhebung der aktuellen Positionierung<br />

wurde eine strukturierte Befragung<br />

der verantwortlichen Bankvertreter<br />

durchgeführt. Die bisher gemachten Erfahrungen<br />

mit Social Media waren so<br />

vielfältig wie die Anzahl der Interviewteilnehmenden.<br />

Die Schnelllebigkeit sowie<br />

die damit verbundenen Chancen und<br />

Risiken wurde am häufigsten erwähnt.<br />

Aber auch die engen Leitplanken durch<br />

die vielen bestehenden Weisungen, Restriktionen<br />

und Einschränkungen nannten<br />

die Interviewten vielfach. Technische<br />

Barrieren wurden dabei mehrheitlich als<br />

lösbar angesehen. Im Gespräch haben die<br />

Bankvertreter zudem mehrfach die<br />

Schwierigkeit angesprochen, die richtigen<br />

oder eben relevanten Inhalte für den<br />

Auftritt oder die Kommunikation zu finden.<br />

Die große Mehrheit der befragten<br />

Banken hat bis dato erstaunlicherweise<br />

auch keine Zielgruppe für ihre Social-Media-Aktivitäten<br />

definiert. Immerhin drei<br />

Banken haben ihre Aktivitäten und Angebote<br />

auf die Jugend ausgerichtet. Die<br />

Grundidee bei den befragten Banken ist<br />

es, eine Social-Media-Präsenz aufzubauen<br />

und dann zu schauen, wen man<br />

6 SolutionS 1/<strong>2012</strong>


Strategie<br />

damit abholen kann. Grundsätzlich ist der<br />

frühe, aber zurückhaltende Einstieg<br />

durchaus von Vorteil, damit die Firmenpräsenz<br />

auf diesen Kanälen nicht durch<br />

unbefugte Dritte erstellt und durch nicht<br />

autorisierte Inhalte das Firmenimage ramponiert<br />

wird. Dies geschah 2011 beispielsweise<br />

der Bank of America mit einem<br />

«Brand-jacked»-Auftritt auf Google+.<br />

Der Aufwand für die aktuelle Kanalpflege<br />

(ohne Erstellen der Inhalte) schwankt<br />

für die befragten Schweizer Banken<br />

zwischen «nebenbei» und bis zu 100<br />

Stellenprozenten. Die meisten Banken<br />

hielten aber fest, dass sie planen, sich<br />

<strong>2012</strong> dem Thema dediziert zu widmen.<br />

Den größten Nutzen sehen die Interviewteilnehmer<br />

klar bei der Imagebildung<br />

und dem Branding. Gleichwohl haben<br />

vier Gesprächspartner aber noch keinen<br />

großen Nutzen aus dem Auftritt in Social<br />

Media ausmachen können. Im Bereich<br />

des Monitorings haben acht Banken angegeben,<br />

dass sie ein statistisches Social-<br />

Media-Monitoring durchführen. Ebenfalls<br />

acht Banken überprüfen und werten<br />

auch den Inhalt aus – jedoch haben nur<br />

drei dieser Banken angegeben, aktiv auf<br />

kritische Inhalte zu reagieren. Hier zeigt<br />

sich wieder, dass die Interaktion Bank-<br />

Kunde noch nicht überall Fuß gefasst hat.<br />

Angesprochen auf die Pläne und Stoßrichtungen<br />

für die Zukunft, hat die Hälfte<br />

der Banken die Absicht genannt, ihr Kanalportfolio<br />

entsprechend zu erweitern<br />

und dieses professionell aufzubauen. Eine<br />

weitere, häufig genannte Zielrichtung ist<br />

die weitere Integration der Kanäle, entweder<br />

in die Unternehmenshomepage<br />

oder in eine andere Social-Media-Applikation.<br />

Schwerpunkte setzen die Unternehmen<br />

ebenfalls bei den Inhalten respektive<br />

dem Finden relevanter Inhalte<br />

und Themen, dem Aufbau eines verbesserten<br />

Monitorings und eines stärkeren<br />

Dialogs mit den Kunden. Darüber, ob dies<br />

über banknahe Themen realisiert werden<br />

kann, herrscht weitgehend Unsicherheit.<br />

Quo vadis?<br />

Es gilt auf breiter Front als unbestritten,<br />

dass die weitere Verbreitung des<br />

Internets im Allgemeinen und der Social<br />

Media im Besonderen die Kommunikation<br />

und die Zusammenarbeit mit<br />

den Kunden verändern werden. Interessierte<br />

Kunden sind heutzutage besser<br />

informiert denn je zuvor, da eine<br />

Vielzahl von Informationen jederzeit<br />

im Netz verfügbar ist, Produkte und<br />

Dienstleistungen verglichen und auch<br />

kommentiert werden können. Der von<br />

den Kunden vermehrt gewünschte koordinierte<br />

Einsatz von Online-Medien<br />

stellt große Herausforderungen an die<br />

betroffenen Banken – und die liegen<br />

nicht nur in der Auswahl und Bereitstellung<br />

der relevanten Inhalte. Es geht<br />

auch darum, das gesamte Konzept der<br />

Kundenansprache und -bedienung zu<br />

überdenken. Ein abgestimmter Beratungsprozess<br />

über mehrere Kanäle<br />

kann in Zukunft das Rückgrat eines neuen<br />

Bankvertriebs werden, sofern die Finanzdienstleister<br />

bereit sind, ihre langjährig<br />

gepflegten, angestammten Prozesse<br />

und Verhaltensmuster auf den Prüfstand<br />

zu stellen.<br />

Neben den Aufgaben im Marketing und<br />

Vertrieb kommen auf die Banken aber<br />

möglicherweise noch weitere Herausforderungen<br />

zu: Es entstehen auf den<br />

Plattformen der sozialen Medien neue<br />

Dienstleistungs- und Kooperationsformen<br />

im Finanzbereich. Dabei sind<br />

«Social Lending», «Crowd Funding/<br />

Financing», «Social Investing» oder<br />

«Personal Finance Management» nur<br />

ein paar der oft gehörten Stichworte.<br />

Sie alle beschreiben Dienstleistungen<br />

rund um das Thema Geld, die sich die<br />

Vorteile der sozialen Netzwerke und<br />

ihrer Empfehlungsstruktur zunutze<br />

machen und neu nicht mehr zwingend<br />

über eine Bank bezogen werden müssen.<br />

Inwiefern sich diese neuen Kooperationsformen<br />

zu einer ernstzunehmenden<br />

Konkurrenz zu den arrivierten<br />

Finanzdienstleistern entwickeln können,<br />

muss sich erst noch zeigen. Derweil<br />

wurde in den Interviews doch<br />

mehrmals der Gedanke reflektiert, welchen<br />

Impact es auf etablierte Finanzhäuser<br />

hätte, wenn sich eine Firma von<br />

der Größe und Ausprägung von Google<br />

oder Facebook entscheiden würde, in<br />

irgendeiner Form eine Bank zu eröffnen.<br />

Gut möglich, dass bei einigen<br />

Instituten hinter verschlossenen Türen<br />

bereits sehr aktiv über die Bank der Zukunft<br />

diskutiert wird.<br />

Cyrill Steinebrunner<br />

Managing Partner<br />

Solution Providers Schweiz<br />

Eric Stehli<br />

Associate Partner<br />

Solution Providers Schweiz<br />

Im vierten Quartal 2011 hat Solution Providers eine Erhebung der aktuellen<br />

Positionierung der Schweizer Retailbanken im Bereich Social Media im Rahmen<br />

einer Masterarbeit am Institut für Informatik der Universität Zürich unterstützt.<br />

Von den zwölf größten Retailbanken haben drei Viertel die neuen Medien für sich<br />

entdeckt und eine Präsenz auf Facebook oder einen Kanal auf Twitter aufgeschaltet.<br />

Aktuell werden aber meist bankfremde Themen über die neuen Kanäle vermittelt,<br />

nur vereinzelt sind Finanz- und Produktinformationen zu finden oder gar<br />

Interaktionen mit Kunden zu beobachten. Allgemein zeigt sich, dass die Schweizer<br />

Banken zunächst den Kanal besetzt haben, um den Auftritt zu sichern, die jeweilige<br />

Präsenz befindet sich aber meist noch im Versuchsstadium. Die Möglichkeiten<br />

und Herausforderungen, die den Banken aus den neuen Medien erwachsen,<br />

sind bemerkenswert – sei es in der Neudefinition der Kundenkommunikation<br />

oder bei der Entstehung neuer Formen der Finanzdienstleistung.<br />

1/<strong>2012</strong> SolutionS 7


From Outside In<br />

Professor Dieter Thomä, Universität St. Gallen, zum Vergleich von Arbeits<br />

von Burnout vs. Boreout und über das Unwort «Work-Life-Balance»<br />

«Wer sich anstrengt, beko<br />

mit dem Gelingen seines<br />

Dieter Thomä hat seine Berufung<br />

zum Beruf gemacht. Er ist seit 2000<br />

ordentlicher Professor für Philosophie<br />

an der Universität St. Gallen.<br />

Zwischen 2002 und 2005 war er<br />

dort überdies Abteilungsvorstand der<br />

Kulturwissenschaftlichen Abteilung<br />

und lancierte 2011 einen Master in<br />

Organisation und Kultur, der den<br />

Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft<br />

in den Mittelpunkt stellt. Seine<br />

Arbeitsschwerpunkte sind Sozialphilosophie,<br />

Ethik, Kulturphilosophie,<br />

politische Philosophie und Phänomenologie.<br />

Er veröffentlichte u. a. die<br />

Bücher «Vom Glück in der Moderne»,<br />

«Eltern. Kleine Philosophie einer<br />

riskanten Lebensform» und «Väter.<br />

Eine moderne Heldengeschichte».<br />

Er war u. a. Fellow am Getty Research<br />

Institute und am Wissenschaftskolleg<br />

zu Berlin. Einzige Kehrseite seines<br />

Berufs sei, dass ihm neben der Lehrtätigkeit<br />

kaum Zeit zum Schreiben<br />

und Forschen bleibe.<br />

Solutions: Viele Unternehmensleitbilder<br />

definieren Passion als Kernwert. Was<br />

braucht es, dass sich Mitarbeiter mit Leib<br />

und Seele für ihre Arbeit und ihren Arbeitgeber<br />

engagieren?<br />

Dieter Thomä: Die Arbeitsumstände<br />

müssen stimmen. Ich vergleiche das<br />

gerne mit dem Internetbrowser. Da haben<br />

Sie den Rückwärts- und den Vorwärtspfeil.<br />

Jedes Unternehmen hat eine<br />

Herkunft und Identität und muss seine<br />

Erinnerungskultur pflegen. Es muss<br />

aber auch zukunftsfähig sein, Projekte<br />

und Visionen haben, Fantasie und Kreativität<br />

entwickeln. Es sollte sich also weder<br />

jeden Tag neu erfinden noch einfach<br />

vor sich hindümpeln. «Home» ist da, wo<br />

die Kaffeemaschine steht, also der Platz,<br />

wo man sich trifft und immer wieder<br />

gerne hin zurückkehrt. Die «Favoriten»<br />

sind die speziellen Kompetenzen oder<br />

Subgruppen eines Unternehmens. Das<br />

Verhältnis zwischen «Home» und «Favoriten»<br />

ist sorgfältig zu steuern, damit<br />

das Ganze nicht auseinanderbricht.<br />

Wenn es um die Knöpfe «Aktualisieren»<br />

und «Abbrechen» geht, muss das Unternehmen<br />

ein Gefühl dafür entwickeln,<br />

wann es sich mal wieder neu «aufladen»<br />

muss, wann Bestehendes auf den Prüfstein<br />

zu stellen ist, und auch zugeben,<br />

wenn Fehler passiert sind. So lässt sich<br />

ein «Ermüdungsbruch» im sozialen<br />

Umgang miteinander vermeiden.<br />

Solutions: Dennoch weisen gemäß der<br />

Gallup-Studie «Engagement Index 2011»<br />

zwei Drittel der Arbeitnehmenden nur<br />

eine geringe emotionale Bindung zu ihrem<br />

Arbeitgeber auf. Ein ernüchterndes<br />

Resultat.<br />

Thomä: Für mich ist es nicht alarmierend.<br />

Wenn es um Gefühle geht, denkt<br />

man auch an private Bindungen. Und<br />

wer stuft schon die Bindung zu seiner<br />

Partnerin respektive seinem Partner tiefer<br />

ein als die zu seinem Arbeitgeber?<br />

Die Kunst liegt in der Dosierung. Insofern<br />

müsste man sich höchstens um diejenigen<br />

sorgen, die angeben, gar keine<br />

emotionale Bindung zu ihrem Unternehmen<br />

zu haben.<br />

Solutions: Das Phänomen der desinteressierten,<br />

gelangweilten Mitarbeiter ist<br />

als Boreout-Syndrom bekannt. Gleichzeitig<br />

grassiert das Burnout-Syndrom.<br />

Wie geht das zusammen?<br />

Thomä: Burnout und Boreout stehen in<br />

einem Zusammenhang. Aus Sicht der<br />

Organisation gibt es Arbeiten, die ermüden,<br />

langweilig sind und so zu einem<br />

Boreout führen. Der kann aber auch entstehen,<br />

wenn sich ein Unternehmen<br />

ständig neu erfindet. Da hängt das Individuum<br />

irgendwann einmal ab. Gleichzeitig<br />

wird vom Mitarbeiter dauerhaft<br />

Kreativität, Mobilität und Flexibilität gefordert.<br />

Der Bewegungslosigkeit steht<br />

zu viel Bewegung gegenüber. Den richtigen<br />

Mix zwischen «sich bewegen» und<br />

«bewahren» zu finden, ist aber ein echtes<br />

Kunststück.<br />

Solutions: Und wie gelingt das?<br />

Thomä: Was es braucht, ist ein Perspektivenwechsel.<br />

Die Individuen sind nicht<br />

nur Akteure, die zusammen handeln. Es<br />

findet auch ein emotionales Interagieren<br />

zwischen den Akteuren statt, also<br />

eine Interpassion.<br />

Solutions: Was lässt den Mitarbeitenden,<br />

der unter Boreout leidet, trotzdem in<br />

seiner Stelle verharren?<br />

Thomä: Ein Mitarbeiter kann beispielsweise<br />

zwei Jahre in seinem Job OK sein.<br />

Dann beginnt er, sich zu etwas anderem<br />

berufen zu fühlen, oder sieht sich sogar<br />

als Vorgesetzter seines Vorgesetzten,<br />

ohne je den Beweis dafür antreten zu<br />

können. Solche «Blütenträume» und die<br />

eigene «Fantasiemaschine» legen einen<br />

Grauschleier über die Realität. Die Medien<br />

und die Wettbewerbskultur erhöhen<br />

die Erwartungen der Mitarbeitenden zu-<br />

8 SolutionS 1/<strong>2012</strong>


From Outside In<br />

umständen mit dem Internetbrowser, über das Spannungsfeld<br />

mmt das Glücksgefühl<br />

Tuns.»<br />

sätzlich. Aus dem Kontrastprogramm im<br />

inneren Kino resultiert mit der Zeit ein<br />

Boreout. Irgendwann aber kommt die<br />

Stunde der Wahrheit. Der Mitarbeiter realisiert,<br />

dass seine Erwartungen und seine<br />

Erfahrungen auseinanderklaffen und er<br />

sich immer weiter von dem distanziert,<br />

was ist. Dann muss er in sich nachspüren,<br />

was ihn an der Stelle hält. Hält ihn nichts<br />

mehr, bedeutet das den Tiefpunkt der Arbeitsbeziehung.<br />

Vielfach wird auch darüber<br />

geklagt, dass man sich heute kaum<br />

mehr gegenseitig hilft. Wer auf der<br />

Durchreise ist, geht mit seinem Umfeld<br />

eben wenig sorgfältig um.<br />

Solutions: Wie verhindert der Mitarbeiter,<br />

dass er in die «Fantasiemaschine»<br />

gerät? Respektive, was fördert seine Passion<br />

für die angestammten Aufgaben?<br />

Thomä: Das Stichwort heißt «connect».<br />

Es muss beim Mitarbeiter klick machen.<br />

Wer sich anstrengt, bekommt das<br />

Glücksgefühl mit dem Gelingen seines<br />

Tuns. Es ist wie beim Holzhacken: Wer<br />

die Axt am richtigen Ort ansetzt, kann<br />

das Scheit mit einem Schlag spalten.<br />

Dazu braucht es Kraft, Geschick und<br />

Übung. Gleichzeitig sammelt man Erfahrung<br />

im Umgang mit dem Scheitern,<br />

wenn man auf ein Astloch, also<br />

auf Widerstand, stößt. Wer nun das<br />

Holz maschinell spalten soll, ist zwar<br />

schneller fertig, kann aber längst nicht<br />

dieselben Gefühle entwickeln. Mitarbeiter<br />

wollen nicht als Maschinen, sondern<br />

als Menschen mit Engagement<br />

wahrgenommen werden. Dabei ist es<br />

nicht von vornherein schlecht, wenn<br />

man sich einarbeitet und Aufgaben sich<br />

wiederholen. Mitarbeiter sind überfordert,<br />

jeden Tag rund um die Uhr Neues<br />

erfinden zu müssen.<br />

Solutions: Entwickeln Menschen tendenziell<br />

leichter eine Leidenschaft für<br />

Aktivitäten außerhalb der Erwerbsarbeit?<br />

Oder täuscht dieser Eindruck?<br />

Thomä: Die Freizeit bietet zwar Spaß<br />

oder je nachdem auch Nervenkitzel. Arbeit<br />

verleiht dagegen idealerweise Würde<br />

und Glanz. Während das Freizeiterlebnis<br />

ganz auf einen selbst zugespitzt ist, gibt<br />

einem die Arbeit die Befriedigung, einen<br />

Unterschied in der Welt zu machen und<br />

sei er noch so klein. Solche Momente<br />

sind kostbar.<br />

Solutions: Und doch sucht der Mensch<br />

den Ausgleich neben dem Beruf.<br />

Thomä: Ich stoße mich fürchterlich am<br />

Begriff der Work-Life-Balance. Er ist das<br />

Unwort des Jahres <strong>2012</strong> schlechthin,<br />

suggeriert er doch, dass Leben nur jenseits<br />

der Arbeit stattfindet, respektive,<br />

dass ich an Werktagen von morgens bis<br />

abends tot bin – eine Absurdität. Umgekehrt<br />

suggeriert die Work-Life-Balance,<br />

dass Freizeit oder Nichtarbeit nur positiv<br />

sei, was sicher nicht für alle Aktivitäten<br />

gilt. Wenn man sich mit etwas beschäftigt,<br />

«macht man sich durch diese<br />

Anstrengung mit sich selbst bekannt»,<br />

um es mit den Worten von Heinrich von<br />

Kleists «Marquise von O...» auszudrücken<br />

– ob diese «Anstrengung» nun während<br />

der Arbeits- oder der Freizeit unternommen<br />

wird. Es führt zu einer inneren Verarmung,<br />

wenn man das Leben auf der<br />

Gegenseite der Arbeit sucht – aber auch,<br />

wenn Leben und Arbeit deckungsgleich<br />

sind. Einen sinnvollen Gegenbegriff zur<br />

Work-Life-Balance muss ich aber noch<br />

erfinden.<br />

Solutions: Was halten Sie davon, dass die<br />

OECD das Wirtschaftswachstum auch<br />

am Wohlbefinden der Menschen misst?<br />

Thomä: Die OECD ist damit auf einen<br />

Zug aufgesprungen, der von der Weltbank,<br />

den United Nations und Nobelpreisträger<br />

Amartya Sen unter dem Begriff Human<br />

Development Index in Gang gesetzt wurde.<br />

Die wirtschaftliche Entwicklung wird<br />

dabei nicht nur am Bruttosozialprodukt<br />

gemessen, sondern es werden auch Rahmenbedingungen<br />

für ein besseres Leben<br />

wie Bildung, Gesundheit, Arbeitsverhältnisse,<br />

Abwesenheit von Gewalt, Demokratie<br />

oder Rechtssicherheit einbezogen.<br />

Bei einer rein ökonomischen Messung<br />

kann das Wirtschaftswachstum eines<br />

Landes vergleichsweise hoch sein, wenn<br />

ein paar Superreiche den Durchschnitt<br />

nach oben drücken, obschon es der Mehrheit<br />

der Bevölkerung schlecht geht. Der<br />

so genannte Better-Life-Index der OECD<br />

gibt die Lebenssituation realistischer wieder<br />

und geht über die reine Glücksmessung<br />

hinaus, wo manchmal zum Beispiel<br />

Bangladesh auf Platz eins rangiert. Auf<br />

die Palme bringt mich allerdings, dass bei<br />

der OECD auch die Work-Life-Balance<br />

eine Rolle spielt.<br />

Solutions: In Ihrer Arbeit beschäftigen<br />

Sie sich mit der sokratischen Frage «wie<br />

zu leben sei». Diese Frage müsste ja an<br />

sich jeder selbst beantworten können.<br />

Angesichts der Fülle an Ratgebern für<br />

ein glückliches Leben scheint es aber<br />

doch den Anstoß von außen zu brauchen.<br />

Wie sehen Sie das?<br />

Thomä: Eine solche Ratgeberschwemme<br />

habe ich schon vor zehn Jahren beobachtet.<br />

Damals habe ich im Rahmen<br />

meiner Glücksforschung etliche davon<br />

gelesen und lediglich schlechte Laune<br />

davon bekommen, so schlecht waren<br />

sie. Es ist auch falsch, dass jeder sich<br />

ganz individuell sein Glück zurechtschneidert.<br />

Der Better-Life-Index zeigt,<br />

dass es ebenso sehr auf die Rahmenbedingungen<br />

ankommt, die ein erfülltes<br />

Leben fördern respektive erschweren.<br />

Das Credo «Jeder ist seines eigenen<br />

Glückes Schmied» gilt also nicht für jeden.<br />

Gerade der Schmied wird Ihnen<br />

sagen, dass man das Schmieden von anderen<br />

lernen muss. Um nun das Glück<br />

zu finden, sucht offenbar so mancher<br />

das Ersatzgespräch in Büchern.<br />

Interview: Corin Ballhaus<br />

1/<strong>2012</strong> SolutionS 9


Trend<br />

Finanzdienstleister tun gut daran,<br />

Projektvorbereitungen möglichst bald aufzunehmen<br />

Doppelbesteuerungsabkommen –<br />

der Ablass des 21. Jahrhunderts<br />

In den letzten zehn Jahren hat sich der<br />

Druck des Auslands auf «steuerneutrale»<br />

Gelder in der Schweiz laufend verschärft.<br />

Mit der Einführung der EU-<br />

Zinsbesteuerung per 1. Juli 2005 musste<br />

die Schweiz der Europäischen Union<br />

erstmals zusichern, Zinseinnahmen ihrer<br />

Bürger zu besteuern und den entsprechenden<br />

Ländern abzuführen. Mit<br />

den CD-Affären und der Auflistung der<br />

Schweiz auf der grauen Liste der Länder,<br />

die die OECD-Standards nicht in<br />

genügendem Maß einhalten, kam die<br />

Schweiz immer mehr ins Visier der<br />

ausländischen Finanzministerien. Nachdem<br />

sich Liechtenstein 2009 den<br />

OECD-Standards verpflichtete, schlug<br />

die Schweiz den Weg der bilateralen Abkommen<br />

ein, um die Amtshilfestandards<br />

über die Doppelbesteuerungsabkommen<br />

(DBA) mit den einzelnen<br />

Staaten zu verhandeln und so eine einheitliche<br />

EU-Lösung zu vermeiden.<br />

Am weitesten fortgeschritten ist heute<br />

das DBA mit Deutschland, gefolgt von<br />

den Verhandlungen mit Großbritannien.<br />

Um Teile des Schweizer Bankkundengeheimnisses<br />

zu bewahren, sieht<br />

das Abkommen mit Deutschland vor,<br />

dass die Schweizer Geldinstitute die<br />

Steuern für Deutschland zurückbehalten<br />

und anonym weiterleiten. Der deutsche<br />

Steuerbürger würde so auf dem<br />

erwirtschafteten Kapitalgewinn seine<br />

Steuern abführen, ohne jedoch namentlich<br />

dem Fiskus bekannt zu sein. Eine<br />

Offenlegung von Kundeninformationen<br />

ist lediglich im Verdachtsfall, bei<br />

dem die deutschen Steuerbehörden<br />

Nachfragen über einzelne Konten einfordern<br />

können, vorgesehen. Aktuell<br />

sieht das Abkommen vor, dass per 2013<br />

die Schweizer Finanzinstitute eine Abgeltungssteuer<br />

von 26.4% für deutsche<br />

Steuerbürger einführen, was etwa der<br />

deutschen Abgeltungssteuer entspricht.<br />

Für die deutschen Bestandeskunden<br />

mit nicht versteuertem Guthaben in der<br />

Schweiz ist eine einmalige rückwirkende<br />

Besteuerung von 19 bis 34% ihres Vermögens<br />

vorgesehen, sofern sich die<br />

Kunden nicht zu einer Selbstanzeige<br />

entscheiden.<br />

Im Gegensatz zu Großbritannien, wo<br />

die Ausarbeitung des Abkommens erst<br />

in den Anfängen steht, ist das DBA mit<br />

Deutschland schon weit ausgearbeitet.<br />

Im Herbst 2011 sah es so aus, als ob die<br />

Verhandlungen kurz vor Abschluss stehen<br />

würden. Finanzminister Wolfgang<br />

Schäuble hatte jedoch die Rechnung<br />

ohne das Parlament gemacht und wurde<br />

umgehend nach den Verhandlungen<br />

mit der Schweiz im Herbst 2011 innenpolitisch<br />

von der Opposition scharf<br />

kritisiert. Der Vorwurf erstaunt nicht<br />

weiter, ist doch die Behauptung, die Regierungspartei<br />

würde Steuerflüchtlinge<br />

und Steueroasen begünstigen, für die<br />

Opposition ein ideales Wahlkampfthema<br />

für die 2013 anstehenden Kanzlerwahlen.<br />

Um das Abkommen in Kraft<br />

zu setzen, braucht Wolfgang Schäuble<br />

auch die Zustimmung des Bundesrats,<br />

die ihm heute nicht sicher ist, und so ist<br />

das Abkommen ins Stocken gekommen,<br />

obwohl die Zeit drängt.<br />

Was die Schweizer Finanzinstitute<br />

tun müssen<br />

Bis zur geplanten Einführung des neuen<br />

DBA verbleibt noch rund ein Dreivierteljahr.<br />

In dieser verhältnismäßig<br />

kurzen Frist müssen sich die Finanzinstitute<br />

in der Schweiz auf die Steuerabführung<br />

vorbereiten.<br />

Steuerrückbehalt: Da das Abkommen mit<br />

Deutschland ins Stocken geraten ist,<br />

fehlt bis heute eine bindende Ausformulierung<br />

des DBA. Es gibt Stimmen,<br />

die davon ausgehen, dass sich die von<br />

der Schweiz auszuarbeitende Ausgestaltung<br />

stark an der deutschen Abgeltungssteuer<br />

ausrichten wird. Andere Stimmen<br />

gehen davon aus, dass sich das Abkommen<br />

noch stark verändert, und es eine andere<br />

Regelung für die Schweiz geben wird.<br />

Betrachten wir die heutige Ausgestaltung<br />

der Abgeltungssteuer, so wie sie in<br />

Deutschland in Kraft ist, kann diese von<br />

den Schweizer Instituten nicht von heute<br />

auf morgen umgesetzt werden, da die<br />

Berechnung aufwändig und die Anforderungen<br />

an Valorendaten sehr hoch<br />

ist. Viele Institute, die heute eine Kernbankenapplikation<br />

einsetzen, stellen<br />

sich auf den Standpunkt, dass der Softwareprovider<br />

eine Lösung bereitstellen<br />

muss. Institute, die nicht auf ein Gesamtbankenpaket<br />

setzen, schauen sich<br />

auf dem Markt nach einer dedizierten<br />

Steuerlösung um. Richtet sich die<br />

schweizerische Ausgestaltung des DBA<br />

an der deutschen Abgeltungssteuer aus,<br />

haben Institute, die heute schon die<br />

Offshore-Erträgnisaufstellung anbieten,<br />

sicher eine sehr gute Grundlage.<br />

Eine Erweiterung der Offshore-Lösung<br />

ist notwendig. Die Berechnungsgrundlage<br />

ebenso wie die Gliederung in die<br />

verschiedenen «Erträgnistöpfe» sind<br />

jedoch schon die Hälfte der Miete. Anpassungen<br />

wird es voraussichtlich unter<br />

anderem in der Datenbasis geben.<br />

Wann ist der richtige Zeitpunkt, ein<br />

DBA-Projekt zu starten? Auch wenn die<br />

Institute entweder auf den Kernbankensoftware-Provider<br />

respektive eine<br />

dedizierte Steueranwendung setzen,<br />

müssen in einem DBA-Projekt die Software<br />

eingeführt und getestet respektive<br />

die zusätzlichen Valorendaten beschafft<br />

und die Kundendaten bereinigt werden.<br />

Die Einführung von vergleichbaren<br />

Vorhaben wie der EU-Zinsbesteuerung<br />

oder qualifizierter Anleger (Qualified<br />

Investor, QI) hat gezeigt, dass ein solches<br />

Projekt mit einer durchschnittlichen<br />

Laufzeit von einem halben Jahr schon<br />

10 SolutionS 1/<strong>2012</strong>


Trend<br />

eher knapp bemessen ist. Für eine Einführung<br />

per 2013 drängt dementsprechend<br />

der Zeitplan. Auf der anderen<br />

Seite möchte auch kein Institut zu viel<br />

Zeit und Geld in ein DBA-Projekt investieren,<br />

bei dem die bilateralen Verträge<br />

noch nicht ratifiziert sind und eine<br />

hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass<br />

die Ausgestaltung sich noch stark ändern<br />

kann. Eine einfache Antwort auf<br />

dieses Dilemma gibt es aktuell nicht.<br />

Aus der Sicht von Solution Providers<br />

sollten jedoch die Vorbereitungen für<br />

ein DBA-Projekt möglichst schnell eingeleitet<br />

werden. Vorbereitungen können<br />

die Evaluation einer Steuersoftware<br />

sein, die Kundendatenbereinigung sowie<br />

die Ressourcenplanung und entsprechende<br />

Koordination mit anderen<br />

Projekten, sodass notfalls kurzfristig<br />

gehandelt werden kann.<br />

Pauschale Vergangenheitsbesteuerung:<br />

Die einmalige pauschale Nachbesteuerung<br />

der deutschen Bankkunden soll<br />

aufgrund der Dauer der Kundenbeziehung,<br />

des Anfangs- und Endbetrages<br />

des Kapitalbestandes und der angefallenen<br />

Geldflüsse berechnet werden. Dazu<br />

benötigen die Finanzinstitute Daten<br />

ihrer Kunden zurück bis ins Jahr 2000.<br />

Zum einen haben viele Banken in dieser<br />

Zeit ihr Bankensystem ausgetauscht,<br />

und zum andern wird die rückwirkende<br />

Besteuerung von den Softwareanbietern<br />

meist nicht unterstützt. Auch hier<br />

kann mit dem heutigen Stand der Verhandlungen<br />

noch keine finale Aussage<br />

getroffen werden, wie die Vergangenheitsbesteuerung<br />

ausgestaltet wird. Die<br />

Wahrscheinlichkeit, dass jedoch eine<br />

rückwirkende Besteuerung Teil des Abkommens<br />

sein wird, ist sehr hoch. Vorbereitende<br />

Maßnahmen sollten auch<br />

hier eingeleitet werden. Eine Übersicht<br />

über die Systeme, aus denen die Daten<br />

extrahiert werden müssen und in welcher<br />

Qualität diese vorliegen, sind ein<br />

erster Schritt, der bei einer gegebenenfalls<br />

kurzfristigen Umsetzung eine<br />

wertvolle Vorarbeit darstellt.<br />

Strategische Bedeutung<br />

der Doppelbesteuerungsabkommen<br />

Der Druck der EU und weiterer Länder<br />

auf die Steueroasen ist nicht mehr abzuwenden.<br />

Der Schweizer Bankenplatz<br />

wird künftig nicht mehr im gewohnten<br />

Ausmaß von der Verwaltung «steuerneutraler»<br />

Gelder profitieren. Auch<br />

wenn die aktuelle Entwicklung an den<br />

Börsen und der Druck auf die Zinsen<br />

eine düstere Zukunft prognostizieren,<br />

gibt es eine Nachfrage für gute und<br />

nachhaltige Dienstleistungen im Wealth<br />

Management. Kunden sind bereit, für<br />

gute Dienstleistungen einen entsprechenden<br />

Preis zu zahlen. Dazu muss<br />

sich der Finanzplatz Schweiz jedoch an<br />

den alten Werten orientieren, die in<br />

jüngster Zeit oft vergessen gingen:<br />

Qualität und Service. Auch das Thema<br />

«sicherer Hafen» steht wieder im Fokus.<br />

Es braucht innovative, ganzheitliche<br />

Wealth-Lösungen, die auf die alten<br />

Werte setzen, jedoch auf den modernen<br />

Menschen maßgeschneidert sind. Service,<br />

Sicherheit und Kosteneffizienz<br />

müssen dabei selbstverständlich sein.<br />

Beat Latanzio<br />

Partner<br />

Solution Providers Schweiz<br />

Dr. Sandra Daub<br />

Associate Partner<br />

Solution Providers Schweiz<br />

In den letzten Jahren hat der Druck auf die sogenannt «steuerneutralen» Gelder<br />

zugenommen. Der Bankenplatz Schweiz wird gegenüber dem Ausland in Sachen<br />

Steuerabkommen vermehrt Zugeständnisse machen müssen. Das wohl am weitesten<br />

fortgeschrittene Doppelbesteuerungsabkommen ist jenes mit Deutschland,<br />

das im Herbst 2011 schon kurz vor Abschluss stand, aktuell aber an der deutschen<br />

Opposition zu scheitern droht. Da der Einführungstermin auf 2013 zielt, gilt es nun,<br />

Vorbereitungen zu treffen, auch wenn das Doppelbesteuerungsabkommen weder<br />

konkret ausformuliert noch ratifiziert ist. Sollte sich das Doppelbesteuerungsabkommen<br />

mit Deutschland an der deutschen Abgeltungssteuer orientieren, haben Institute,<br />

die heute ihren deutschen Kunden die Offshore-Erträgnisaufstellung anbieten,<br />

sicher eine sehr gute Grundlage. Wichtigste Vorbereitungen sind die allfällige<br />

Evaluation einer Steuersoftware, die Kundendatenbereinigung sowie die Ressourcenplanung<br />

und die entsprechende Koordination mit anderen Projekten, um notfalls<br />

kurzfristig handeln zu können. Auf der anderen Seite sollten die Finanzdienstleister<br />

ihre Produktpalette und ihre Services darauf ausrichten, auch ohne Steuervorteil<br />

attraktiv für ausländische Kunden zu sein, eine Tugend, die der Bankenplatz Schweiz<br />

eigentlich gut beherrscht, die in der letzten Zeit aber ein wenig untergewichtet wurde.<br />

1/<strong>2012</strong> SolutionS 11


Case Study<br />

Einsparungen in Millionenhöhe realisieren<br />

Industrialisierung<br />

der Rechnungsprüfung<br />

bei der Helsana<br />

12 SolutionS 1/<strong>2012</strong>


Case Study<br />

Bestehende Leistungsabrechnungssysteme<br />

stoßen aufgrund der Komplexität des<br />

Gesundheitswesens und der meist auf<br />

starrer Host-Architektur basierenden<br />

IT-Systeme an ihre Grenzen. Um sich mit<br />

einer flexiblen und modernen IT-Architektur<br />

Marktvorteile gegenüber anderen<br />

Krankenversicherungen zu erarbeiten,<br />

definierte Helsana 2004 Anforderungen<br />

an ein neues, integriertes Rechnungs- und<br />

Leistungsprüfungssystem. Ein je separater<br />

Ausbau des bisherigen Systems für die<br />

Rechnungsprüfung und der eigenentwickelten<br />

Host-Lösung zur Leistungsabrechnung<br />

kam für die Helsana-Verantwortlichen<br />

nicht in Frage. Deshalb wurden<br />

Anforderungen an ein integriertes, zukunftsweisendes<br />

Rechnungs- und Leistungsabrechnungssystem<br />

definiert und<br />

die Evaluation eines Softwarelieferanten<br />

gestartet. Die Wahl fiel auf Adcubum<br />

SYRIUS. Das Projekt wurde unter dem<br />

Namen «Excelsior» lanciert.<br />

Ziele des Projekts Excelsior<br />

Angestrebt wurde ein System, das eine<br />

umfassende und vollständige Rechnungskontrolle<br />

auf Detaildatentiefe ermöglicht.<br />

Folgende Ziele wurden explizit<br />

verfolgt:<br />

• Rechnungsprüfung und Leistungsabwicklung<br />

in einem System<br />

• Umfassende und vollständige Rechnungsprüfung<br />

auf Ebene Detaildaten<br />

unter Einbezug von Vertrags- und<br />

«Helsana schätzt die jährlichen Leistungskosteneinsparungen<br />

auf einen<br />

zweistelligen Millionenbetrag, der an die<br />

Versicherten zurückfließt.»<br />

Rechnungsdaten einer versicherten<br />

Person<br />

• Weitgehende Automatisierung der<br />

Prüfung und Verarbeitung<br />

• Berücksichtigung der vertraglichen<br />

und tariflichen Vereinbarungen mit<br />

den Leistungserbringern<br />

• Einfache und schnelle Erfassung sowie<br />

flexible Erweiterbarkeit des Regelwerks<br />

Vier Jahresreleases zur gestaffelten<br />

Erreichung der Projektziele<br />

Es wurden vier Releases geplant, die<br />

aufeinander aufbauend die Funktionalitäten<br />

für die Erreichung der Ziele realisieren<br />

(vgl. Abbildung 1).<br />

Release 1: Stammdatenbereitstellung<br />

für Tarife, Leistungserbringer und<br />

deren Verträge/Qualifikationen<br />

Release 1 (2008-2009) konzentrierte sich<br />

auf die Abbildung von Tarif- und Leistungserbringer-Stammdaten<br />

in SYRIUS.<br />

Als größter Krankenversicherer der<br />

Schweiz hat Helsana mehrere hundert<br />

Verträge mit Verbänden, direkt mit<br />

Leistungserbringern oder mit deren Interessengruppen<br />

abgeschlossen. Darin<br />

werden auf Tarifebene die vertraglichen<br />

Bestimmungen zur Abrechnung von<br />

Leistungen definiert und somit die<br />

Grundlagen für eine detaillierte Rechnungsprüfung<br />

gelegt. Zusätzlich galt<br />

es, die Möglichkeiten für das Erfassen<br />

Zahlung/Korrespondenz an<br />

Adcubum SYRIUS<br />

Patienten<br />

Produkte (inkl. Vorbehalten)<br />

Rechnung/<br />

Kostengutsprache<br />

Datenschutz<br />

Gesetze<br />

Verträge<br />

Rechnungsprüfung<br />

Leistungsabrechnung<br />

n Release 1<br />

n Release 2<br />

Leistungserbringer<br />

Rechnung/<br />

Kostengutsprache<br />

Tarife<br />

Qualifikationen<br />

Konto- und Adressdaten<br />

Kostengutsprachen<br />

n Release 3<br />

n Release 4<br />

Zahlung/Korrespondenz an<br />

1<br />

Planung von vier Jahresreleases<br />

Quelle: Solution Providers<br />

1/<strong>2012</strong> SolutionS 13


Case Study<br />

«Mit E-Claim Plus ist Helsana optimal gerüstet,<br />

um weitere Optimierungen, die durch die<br />

eHealth-Strategie des Bundes lanciert wurden,<br />

mit ihrem integrierten System einfach und<br />

schnell umzusetzen.»<br />

und Pflegen von Leistungserbringerdaten,<br />

deren Qualifikationen sowie die<br />

Zugehörigkeit zu Managed-Care-Netzen<br />

zu erweitern. Die Führung dieser<br />

Informationen in SYRIUS ist eine wesentliche<br />

Grundlage für die automatisierte<br />

Rechnungsprüfung.<br />

Release 2: Entwicklung des E-Claim-<br />

Plus-Regelwerks für die Rechnungsprüfung<br />

Aufbauend auf dem bestehenden Regelwerk<br />

des Altsystems wurde in Release 2<br />

die komplette Regelprüfungsfunktionalität<br />

in SYRIUS neu entwickelt. Die Anforderungen<br />

aus früheren Jahren dienten<br />

als Grundlage für die Entwicklung der<br />

zusätzlich in SYRIUS geforderten Prüfmöglichkeiten.<br />

Beispielsweise wurde eine<br />

Funktionalität zur Aufsummierung von<br />

Rechnungspositionen über mehrere Rechnungen<br />

implementiert. Dadurch ist es<br />

möglich, nur die gesetzlich wie auch vertraglich<br />

definierten Limiten (z. B. im<br />

TarMed für ambulante Leistungen) zu<br />

gewähren und so ungerechtfertigte Leistungen<br />

zu unterbinden.<br />

Generell kann gesagt werden, dass ein<br />

Regelwerk zur Rechnungsprüfung entwickelt<br />

wurde, das Zugriff auf alle<br />

Stammdatenobjekte in SYRIUS ermöglicht,<br />

um entsprechende Prüfungen damit<br />

auszuführen (Beispielobjekte: IV-<br />

Verfügungen, Partnerdaten, Tarifdaten,<br />

bereits bezahlte oder abgelehnte Leistungen<br />

etc.).<br />

Release 3: Unfall- und<br />

Kostengutspracheprozess<br />

Seit Ende Juni 2011 ist Release 3 produktiv.<br />

Im Fokus standen erweiterte<br />

Funktionalitäten in SYRIUS im Bereich<br />

Leistungsermächtigungen (Kostengutsprachen).<br />

Diverse Leistungen<br />

von Leistungserbringern müssen vorgängig<br />

durch die Krankenversicherung<br />

genehmigt werden. Nach der erfolgten<br />

Behandlung können die Rechnungspositionen<br />

mit der gewährten Leistungsermächtigung<br />

automatisch verglichen<br />

werden. Bis anhin war dies ein vorwiegend<br />

manueller Prozess.<br />

Porträt Adcubum<br />

Adcubum wurde 1996 in St. Gallen gegründet und ist auf Standardsoftware<br />

für Versicherungsgesellschaften spezialisiert. Das Produkt<br />

Adcubum SYRIUS wurde schrittweise ausgebaut und unterstützt<br />

heute alle gängigen Kernprozesse der Wertschöpfungskette von<br />

Kranken- und Unfallversicherern in End-to-End-Geschäftsprozessen.<br />

Im SYRIUS-Bestandsystem wird aktuell die Hälfte aller Krankenversicherungs-Grundversicherten<br />

der gesamten Schweiz geführt.<br />

Ferner werden Leistungen darüber abgerechnet und Prämienzahlungen<br />

damit erstellt. Mittlerweile beschäftigt Adcubum mehr<br />

als 150 Mitarbeitende, die sich unter anderem um die laufenden<br />

Einführungsprojekte bei Concordia, Helsana, Suva und Sympany<br />

betreuen.<br />

Release 4: Leistungsabrechnungssystem<br />

Als letzter Schritt wird bis Mitte <strong>2012</strong><br />

die Ablösung der Leistungsabrechnung<br />

in SanaSwiss durch SYRIUS vollzogen,<br />

inklusive Migration der bestehenden<br />

Daten. Dazu muss die Transformation<br />

der Belege in Leistungsabrechnungen<br />

ausgeführt und das Inkasso/Exkasso integriert<br />

werden. Mit weiteren Mechanismen<br />

zur Rechnungsprüfung will<br />

man auch minimale Verstöße des Leistungserbringers<br />

gegenüber den Verträgen<br />

überprüfen und so einen Beitrag<br />

zur Kosteneindämmung des Gesundheitswesens<br />

leisten.<br />

Erfolgsfaktoren von E-Claim Plus<br />

1. Regelkonfiguration: Um auf die sich<br />

stetig ändernden gesetzlichen und vertraglichen<br />

Bestimmungen reagieren zu<br />

können, bedarf es eines Regelwerks mit<br />

großen Konfigurationsmöglichkeiten<br />

ohne Notwendigkeit der ständigen Anpassung<br />

des Programmcodes durch den<br />

Softwarehersteller. Das Herausragende<br />

an E-Claim Plus ist die einfache und<br />

schnelle Erstellung und Änderung von<br />

Regeln und deren rasche Produktivsetzung.<br />

Initial wurde nach dem Release 2<br />

mit ca. 100 Regeln gestartet, die teilweise<br />

aus dem Altsystem übernommen<br />

worden waren. Innerhalb eines Jahres<br />

wurde einerseits deren Zahl verdoppelt,<br />

andererseits wurde die fachliche Breite<br />

der Prüfungen erweitert und der Automatisierungsgrad<br />

der zu prüfenden<br />

Rechnungen erhöht. Dabei war das System<br />

in der Lage, trotz Optimierung der<br />

Qualität keine größeren Einbußen bei<br />

der Durchlaufzeit einer Rechnung zu<br />

generieren.<br />

2. Abbildung detaillierter Bedingungswerke:<br />

Im Vergleich zum bisherigen Regelwerk<br />

prüft E-Claim Plus nicht nur<br />

die einzelnen Positionen einer Rechnung,<br />

sondern auch die adäquate Kombination<br />

von einzelnen Rechnungspositionen.<br />

Ebenfalls prüft E-Claim Plus, ob<br />

eine gesetzliche Limitierung bezüglich<br />

des Zeitraums oder der Anzahl darin<br />

bereits abgerechneter Rechnungen ausgeschöpft<br />

ist. Prüfungen über die Rechnungshistorie<br />

einer versicherten Person<br />

offenbaren auch Informationen<br />

zum Verlauf einer Behandlung, Unstimmigkeiten<br />

von alten Rechnungen<br />

und mögliche Optimierungen von Behandlungsketten.<br />

Praxisbeispiel einer<br />

detaillierten Prüfung<br />

Gemäß Bundesratsbeschluss wird seit<br />

2009 die Akupunktur als einzige alternative<br />

Heilmethode wieder durch die<br />

Grundversicherung bezahlt, wenn der<br />

Arzt eine anerkannte Zusatzqualifikation<br />

besitzt. Gemäß TarMed ist eine Behandlung<br />

beim Arzt auf maximal 180<br />

Minuten pro Kalenderjahr limitiert. Die<br />

Qualifikationsprüfung ist dank Excelsior-Release<br />

1 und 2 möglich. Zusätzlich<br />

14 SolutionS 1/<strong>2012</strong>


Case Study<br />

können im Rechnungsregelwerk die<br />

abgeschlossenen Krankenversicherungsprodukte<br />

der versicherten Person und<br />

deren Rechnungshistorie geprüft werden.<br />

So kann eine detailgenaue Einhaltung<br />

der gesetzlichen Bestimmungen<br />

gewährleistet und können nicht berechtigte<br />

Leistungskosten vermieden<br />

werden.<br />

Kosteneinsparung für Helsana<br />

Aktuell rechnen die ca. 800 Leistungsmitarbeitenden<br />

der Helsana und ihrer<br />

Untermarken 13 Millionen Belege im<br />

Umfang von über CHF 5 Mrd. jährlich<br />

ab. Zudem werden über 200 000 Leistungsermächtigungen<br />

an Kunden verschickt<br />

sowie über 50 000 Stammdaten<br />

von Leistungserbringern und über<br />

140 000 Tarifziffern im System gepflegt.<br />

Helsana schätzt die jährlichen<br />

Leistungskosteneinsparungen auf einen<br />

zweistelligen Millionenbetrag, der<br />

an die Versicherten zurückfließt. Damit<br />

das Gesundheitswesen weiterhin finanzierbar<br />

bleibt, sind ungerechtfertigte<br />

Leistungen zu Gunsten der Leistungserbringer<br />

nicht tolerierbar.<br />

Beitrag von Solution Providers<br />

Solution Providers unterstützte den<br />

Softwarehersteller Adcubum in der<br />

Businessanalyse von der Erstellung von<br />

Fachanforderungen auf Seiten von Helsana,<br />

bei der Spezifikationserstellung,<br />

Analyse und Umsetzung von Prüfungen<br />

in SYRIUS und beim Testing der Funk-<br />

Porträt Helsana-Gruppe<br />

Die Helsana-Gruppe (www.helsana.ch) ist der führende Schweizer<br />

Kranken- und Unfallversicherer. Sie steht Privaten und Unternehmen<br />

bei Gesundheit und Vorsorge sowie im Fall von Krankheit und Unfall<br />

umfassend zur Seite. Mit Prämieneinnahmen von CHF 5.6 Mrd. belegt<br />

das Unternehmen eine Spitzenposition im Schweizer Versicherungsmarkt.<br />

Die Helsana-Gruppe ist in allen Landesteilen präsent und beschäftigt<br />

3000 Mitarbeitende. Sie ist eine nicht an der Börse kotierte<br />

Aktiengesellschaft und als Holding organisiert. Zur Helsana-Gruppe<br />

gehören Helsana, Progrès, Sansan, Avanex und Maxi.ch.<br />

Die Helsana-Gruppe schützt knapp 1.9 Millionen Menschen in der<br />

Schweiz gegen die finanziellen Folgen von Krankheit, Unfall, Mutterschaft<br />

und Alter. Im Geschäft mit Unternehmen, das ausschließlich<br />

unter der Marke Helsana betrieben wird, versichert Helsana 58 000<br />

Unternehmen und Verbände (mit mehr als 710 000 Versicherten) gegen<br />

die wirtschaftlichen Folgen von Arbeitsunfähigkeit der Mitarbeitenden<br />

aufgrund von Krankheit und Unfall. Dienstleistungen zum betrieblichen<br />

Gesundheitsmanagement runden das Angebot ab.<br />

tionalität auf Seiten von Adcubum.<br />

Daneben übernahm Solution Providers<br />

die Analyse und Definition von fachlichen<br />

Regeln und Ablaufplänen sowie<br />

deren Pflege und Weiterentwicklung in<br />

den Folgereleases.<br />

Ausblick<br />

Mit E-Claim Plus ist Helsana optimal gerüstet,<br />

um weitere Optimierungen, die<br />

durch die eHealth-Strategie des Bundes<br />

lanciert wurden, mit ihrem integrierten<br />

System einfach und schnell umzusetzen.<br />

Insbesondere die stetig zunehmende<br />

Vernetzung von Leistungserbringern,<br />

Kantonen, Versicherten und<br />

Krankenkassen und der elektronische<br />

Datenaustausch untereinander ermöglichen<br />

es, die Nutzenpotenziale von<br />

E-Claim Plus weiter auszuschöpfen.<br />

Dank dem SYRIUS-Standardmodul<br />

E-Claim Plus der Firma Adcubum, das<br />

in kooperativer Zusammenarbeit von<br />

Adcubum, Helsana und Solution Providers<br />

entstanden ist, stehen die Erfolgsfaktoren<br />

und das Kosteneinsparungspotenzial<br />

von E-Claim Plus auch anderen<br />

Krankenversicherern zur Verfügung.<br />

Ingo Muschick<br />

Associate Partner<br />

Solution Providers Schweiz<br />

Markus Steinemann<br />

Manager<br />

Solution Providers Schweiz<br />

Weit über 90% der Krankenkassenprämien fließen zur Vergütung der Leistungserbringer<br />

unmittelbar wieder ab. Die genaue und effiziente Kontrolle der Abrechnungen<br />

ist daher nicht nur unter dem Aspekt stetig wachsender Leistungskosten relevant,<br />

sondern ist auch im Kernauftrag eines Krankenversicherers definiert. Krankenversicherer<br />

sind daher gezwungen, in eine leistungsfähige und flexible IT-Landschaft<br />

zu investieren und gerade den Leistungsbereich zu straffen. Angestrebt werden<br />

integrierte, ablauforientierte Systeme, die schnell an neue Richtlinien angepasst und<br />

deren Prozesse daraufhin ausgerichtet werden können. Bestes Beispiel dafür ist die<br />

Einführung der Fallpauschalen für stationäre Leistungen zu Beginn dieses Jahres<br />

(vgl. <strong>SOLUTIONS</strong> 1/2011). Wie der Beitrag zeigt, konnte sich die Helsana mit einem<br />

integrierten, ablauforientierten System für die Leistungsprüfung und -abrechnung<br />

eine Führungsposition erarbeiten. In Kooperation mit dem Softwarehersteller<br />

Adcubum und Solution Providers entstand eine prozesseffiziente und leistungsfähige<br />

Standardsoftwarekomponente, die durch ihre Effektivität in der Prüfung ungerechtfertigter<br />

Leistungskosten überzeugt.<br />

1/<strong>2012</strong> SolutionS 15


Trend<br />

Der Rückversicherungsvertrieb im Wandel<br />

«Hunter» und «Farmer» auf<br />

Kundensuche und -betreuung<br />

2 6 7<br />

16 SolutionS 1/<strong>2012</strong>


Trend<br />

Versicherungsunternehmen kaufen Rückversicherung,<br />

um Risikokapital freizulegen<br />

und das bestehende Portfolio auszubalancieren.<br />

Dieser finanztechnische<br />

Vorgang wird klassisch über einen Broker<br />

abgewickelt.<br />

Wandel des klassischen<br />

Rückversicherungsgeschäfts<br />

Der Brokerkanal gilt vor allem bei kleinen<br />

und mittleren Rückversicherungen als<br />

Hauptvertriebskanal. Die Branchenführer<br />

pflegen neben dem auch hier sehr<br />

wichtigen Brokerkanal einen direkten<br />

Kundenkontakt. Die Einkaufsmotivation<br />

des Zedenten korreliert in beiden Fällen<br />

direkt mit den Schadenereignissen im<br />

Erstversicherungsgeschäft und den regulatorischen<br />

Anforderungen. Wird neue<br />

Deckung über einen der Kanäle gekauft,<br />

treten beim Rückversicherer die Underwriter<br />

in zweifacher Rolle auf: Sie berechnen<br />

das versicherungstechnische Risiko<br />

und agieren als Vertriebsmitarbeiter. In<br />

der Verhandlung mit dem Kunden oder<br />

Broker spielen die technischen Fähigkeiten<br />

der Underwriter eine zentrale Rolle.<br />

Dies hat zur Folge, dass moderne Vertriebs-<br />

und Marketingmethoden bislang<br />

nur begrenzt Platz in der Rückversicherungsbranche<br />

gefunden haben.<br />

«Neuste Trends auf dem Rückversicherungsmarkt<br />

haben bewiesen, dass Preissensitivität und<br />

Wettbewerbsdruck nicht allein Themen von<br />

Erstversicherungen sind, sondern dass auch<br />

Rückversicherer mit niedrigen Preisen, und neuen<br />

Wettbewerbern und einem anhaltenden Soft Market<br />

zu kämpfen haben.»<br />

Neuste Trends auf dem Rückversicherungsmarkt<br />

haben bewiesen, dass Preissensitivität<br />

und Wettbewerbsdruck nicht<br />

allein Themen von Erstversicherern<br />

sind, sondern dass auch Rückversicherer<br />

mit niedrigen Preisen, neuen Wettbewerbern<br />

und einem anhaltenden Soft<br />

Market zu kämpfen haben. Gerade in der<br />

Schweiz ist zudem ein starker Zuwachs<br />

von Rückversicherern zu verzeichnen.<br />

Viele der neuen Akteure sind Tochterunternehmen<br />

von Holdinggesellschaften<br />

mit Sitz in Bermuda und motiviert,<br />

in das mitteleuropäische Geschäft<br />

einzusteigen. Sie unterscheiden sich bezüglich<br />

Marktpositionierung nicht wesentlich<br />

von den etablierten Gesellschaften<br />

und setzen auf die gleichen primären<br />

Verkaufsargumente, nämlich Preis, Kapazität<br />

und Sicherheit. Es stellt sich für<br />

solche Unternehmen die Frage, wie sie<br />

sich von den alteingesessenen Konkurrenten<br />

differenzieren können. Ausreichend<br />

Kapazität und die Bereitschaft,<br />

beinahe jedes Risiko zu zeichnen, genügen<br />

nicht, um sich nachhaltig gegenüber<br />

1<br />

Hunter<br />

«Hunter» zielen auf Neugeschäft<br />

mit neuen Kunden.<br />

3<br />

Farmer<br />

«Farmer» formieren sich, um langfristige Kundenbeziehungen mit hohem<br />

Vertrauenswert zu generieren. «Farmer» beabsichtigen Wachstum durch<br />

Cross-Selling und außerordentliche Servicedienstleistungen.<br />

Starke und transparente<br />

Salesprozesse<br />

Starke Führungskräfte zum<br />

Antrieb des Prozesses<br />

Erzeugung von<br />

Verkaufschancen<br />

2<br />

Überführung<br />

von Neukunden<br />

zu Partnern<br />

Strategische Planung<br />

von Accounts mit<br />

Zielsetzungen und<br />

Handlungsanweisungen<br />

Team Selling mit Key<br />

Account Manager als<br />

Orchestrator<br />

Von verlorenen<br />

Deals lernen<br />

Jährliche Salesplanung<br />

auf Erzeugung von<br />

Verkaufschancen<br />

ausrichten<br />

Wettbewerbsfähig sein<br />

und dem Kunden mehr<br />

als erwartet bieten<br />

Analyse und<br />

Verständnis von<br />

Buying-Centern<br />

Segment A<br />

Segment B<br />

Intensivierung und Profitabilität<br />

Sales Cockpit: Transparenz<br />

und Erfolg<br />

Entwicklung von<br />

Kunden zu Partnern<br />

Überdurchschnittliche<br />

Servicekompetenzen<br />

aufbauen<br />

Segment C<br />

Anzahl Kunden<br />

1<br />

Transformierung und Segmentierung von Neukunden<br />

Quelle: Solution Providers<br />

1/<strong>2012</strong> SolutionS 17


Trend<br />

«Im Gesamtbild des Vertriebs werden sowohl<br />

Hunter- als auch Farmer-Profile benötigt,<br />

die in unterschiedlichen Teams organisiert<br />

zusammenwirken. ‹Hunter› gewinnen Neukunden,<br />

die dann durch die ‹Farmer› zwecks langfristiger<br />

Kundenbindung zu Partnern übergeführt werden.»<br />

langfristig anhand der Kundenbedürfnisse.<br />

«Farmer» sehen in der Regel den<br />

Kunden nicht als Akquisitionsziel, sondern<br />

als Partner einer langfristigen<br />

Geschäftsbeziehung.<br />

Im Gesamtbild des Vertriebs werden sowohl<br />

Hunter- als auch Farmer-Profile<br />

benötigt, die in unterschiedlichen Teams<br />

organisiert zusammenwirken. «Hunter»<br />

gewinnen Neukunden, die dann durch<br />

die «Farmer» zwecks langfristiger Kundenbindung<br />

zu Partnern übergeführt<br />

werden. Je nach Einsatzgebiet können so<br />

Teams zusammengestellt werden, die<br />

den Bedürfnissen der Kunden optimal<br />

genügen.<br />

der Konkurrenz zu positionieren. Erschwerend<br />

kommt hinzu, dass der anhaltende<br />

Soft Market für die Rückversicherer<br />

vor allem in industrialisierten<br />

Märken zur Herausforderung geworden<br />

ist. Der bisherige Preiszyklus in der<br />

Rückversicherung scheint gebrochen zu<br />

sein, die Preise drehen nicht wie erwartet<br />

zurück ins Positive – und dies trotz<br />

Rekordschäden im letzten Jahr. Daraus<br />

lässt sich nur eine Konsequenz ableiten:<br />

Der bislang ereignisgetriebene Vertrieb<br />

muss sich neu ausrichten, um auch zukünftig<br />

die erwarteten Wachstumszahlen<br />

und Erträge zu generieren.<br />

Sichern der Marktposition durch<br />

moderne Vertriebsstrategien<br />

Rückversicherer betreten in der Vertriebsthematik<br />

nicht komplettes Neuland.<br />

Die Finanzbranche beschäftigt sich<br />

schon seit Jahren mit neuen Vertriebsmodellen,<br />

jedoch fand die Umsetzung<br />

bei den Rückversicherern bisher nur<br />

begrenzt statt. Moderne Vertriebsstrategien<br />

beschreiben ein auf die Kundensegmente<br />

abgestimmtes Serviceangebot,<br />

eine auf den Kunden ausgerichtete Organisation<br />

und die ständige Überprüfung<br />

der Verkaufsphilosophie durch moderne<br />

Führungsinstrumente.<br />

Größere Gesellschaften haben bereits begonnen,<br />

die einzelnen Kunden anhand<br />

verschiedener Kriterien zu analysieren<br />

und das Kundenportfolio umzustrukturieren.<br />

Sie verfolgen das Ziel, die Ausschöpfung<br />

von Bestandskunden zu maximieren.<br />

Da dies immer in Relation zu<br />

einem erwarteten «Share of Wallet»<br />

stehen muss, gilt es, die einzelnen<br />

Kundensegmente gezielt zu bedienen.<br />

Bei sogenannten A-Kunden muss mit<br />

zunehmender Laufzeit des Geschäftsverhältnisses<br />

versucht werden, durch maximalen<br />

Einsatz eine Vertrauensbeziehung<br />

in der Partnerschaft zwischen Kundenbetreuer<br />

und Kunde zu entwickeln, um das<br />

Geschäft aufrechtzuerhalten und durch<br />

Cross-Selling auszubauen. Andere Kunden<br />

können nicht nach demselben Konzept<br />

bedient werden. Demzufolge werden<br />

diesen Kunden weniger Services angeboten.<br />

Ebenfalls stehen bei diesen Kunden<br />

klarere Rentabilitätskennzahlen im Fokus<br />

und treiben die Entscheidungsprozesse.<br />

Vertriebskanäle stärken und<br />

Kundenbedürfnisse respektieren<br />

Die Erkenntnisse aus der Kundensegmentierung<br />

fordern organisatorische<br />

Anpassungen im Rückversicherungsvertrieb.<br />

Die Gewinnung von Neukunden<br />

und das Neugeschäft bei<br />

bestehenden Kunden werden über Vertriebsmitarbeiter<br />

mit Hunter-Profilen<br />

erreicht. «Hunter» agieren stark gebunden<br />

an Vertriebsprozesse und erkennen<br />

neue Verkaufschancen. Sie<br />

sind verstärkt auf kleinere Kunden anzusetzen<br />

oder fungieren als Teil eines<br />

globalen Vertriebsteams. Die Rückversicherungs-Underwriter<br />

besitzen in<br />

der Regel ein technisches Profil, um<br />

mit Kunden die Vertragsinhalte zu besprechen.<br />

Ihr Profil lässt sich als ein<br />

auf Kundenbetreuung ausgerichtetes<br />

Profil beschreiben, sogenannte Farmer.<br />

«Farmer» zielen auf Cross- und<br />

Upselling-Verkäufe und werden bei<br />

profitablen Bestandskunden als Key<br />

Account Manager eingesetzt. Diese<br />

pflegen bestehende, große Accounts<br />

und planen ihre Vertriebsmaßnahmen<br />

Führung intensivieren und<br />

Controlling aufbauen<br />

Die Vertriebs- oder Marketingorganisation<br />

geniesst heute bei Rückversicherern<br />

neben Risikomanagement bereits größte<br />

Aufmerksamkeit. Es ist allseits bekannt,<br />

dass der Verkauf von Produkten und<br />

Dienstleistungen mit viel Aufwand und<br />

Engagement verbunden ist und demzufolge<br />

nach einer starken Führung verlangt.<br />

Dies ist beim Rückversicherer<br />

nicht anders. Neue Themen, Produkte<br />

und Modelle erfordern die Unterstützung<br />

des obersten Managements, vor<br />

allem wenn die Umsetzung die Organisation<br />

beeinflusst. Führung umfasst<br />

aber auch Controlling und die Fähigkeit,<br />

Transparenz über Erfolge und Misserfolge<br />

zu schaffen. Erfolgreiche Vertriebsteams<br />

zeichnen sich durch eine hohe<br />

Bereitschaft zum ständigen Lernen aus,<br />

streben nach dem Maximum und wollen<br />

dafür belohnt werden. Transparentes<br />

Vertriebscontrolling ist unabdingbar,<br />

wenn eine auf den Kunden ausgerichtete<br />

Organisation erreicht werden soll.<br />

Maßnahmen in den drei Bereichen Organisation,<br />

Serviceangebot und Führungsinstrumente<br />

gelten ebenfalls im Umgang<br />

mit Brokern. Broker sind in der Rückund<br />

Direktversicherungsindustrie wichtige<br />

Player. Je nach Größe des Unternehmens<br />

wird bis zu 100% des Geschäfts<br />

über den Brokerkanal abgewickelt. Jede<br />

Organisation, die mit Vermittlern oder<br />

Brokern arbeitet, muss demzufolge lernen,<br />

dass der Broker aus der Sicht des Unternehmens<br />

der Kunde ist und nicht ein<br />

Konkurrent, der wertvolles Business vorenthält.<br />

Jede Vertriebsorganisation kann<br />

von Brokern und deren Vertrieb den vorbildlichen<br />

Umgang mit Kunden erlernen;<br />

und gerade die Broker selbst erwarten<br />

gleichermaßen, mit Vertriebskompetenz<br />

behandelt zu werden.<br />

18 SolutionS 1/<strong>2012</strong>


Trend<br />

1<br />

Definition und Beschluss<br />

der Vertriebsstrategie<br />

Umsetzung der Maßnahmen im Vertrieb<br />

4<br />

Anpassung anderer<br />

Funktionen<br />

2 3<br />

Quick Wins<br />

Langfristige<br />

Verbesserungen<br />

n Veränderung definieren<br />

n Messbare Ziele aufstellen<br />

n Führungsbotschaften senden<br />

n Frequente Kundeninteraktion<br />

sicherstellen<br />

n Jeder Account Manager muss<br />

jeden seiner Kunden fünfmal<br />

im Jahr besuchen<br />

n Publikationen generieren<br />

Verkaufschancen, wenn sie<br />

direkt adressiert werden<br />

n Identifikation und Ausbildung<br />

von «Huntern» und «Farmern»<br />

n Einführen von globalen<br />

Vertriebsprozess-KPIs<br />

n Implementierung<br />

Lead- Generation<br />

n Ableiten der Veränderung auf<br />

andere Divisionen (Recruiting,<br />

Underwriting, Produktentwicklung<br />

etc.)<br />

n Vertriebsführung durchsetzen<br />

n Einführen von regulären<br />

monatlichen Vertriebsreports<br />

und -reviews<br />

n Leistung der «Hunter» offen<br />

im Team diskutieren<br />

n Vertriebserfolge im Team feiern<br />

n Verstärken der Vertriebskultur.<br />

Verkaufsmotivation erhöhen<br />

durch vollständig leistungsabhängige<br />

Kompensierung<br />

n Vertriebs-Cockpit, um Erfolge<br />

zu visibilisieren<br />

2<br />

Abgestufter Ansatz zur Anpassung der Vertriebsorganisation<br />

Quelle: Solution Providers<br />

Maßnahmen ergreifen<br />

Welche Handlungsoptionen bestehen<br />

für einen Rückversicherer, um sich<br />

zum Beispiel auf dem kontinentaleuropäischen<br />

Markt kompetitiv aufzustellen?<br />

In einem ersten Schritt müssen<br />

Kunden und Broker in Segmente klassifiziert<br />

werden. Abhängig vom Segment<br />

werden Vertriebsmitarbeiter als<br />

«Hunter» und/oder «Farmer» am besten<br />

entlang ihrer Fähigkeiten aufgestellt.<br />

Daraus resultierend werden im<br />

Topsegment wenige Kunden von<br />

Teams mit ausgeprägter Farmer-Kultur<br />

betreut. In den anderen Segmenten<br />

agieren fast ausschließlich aus Hunter-<br />

Funktionen bestehende Teams. Um die<br />

Gewinnung von Neukunden und Neugeschäft<br />

durch «Hunter» effizient zu<br />

gestalten, muss ein effizienter und<br />

transparenter Vertriebsprozess eingeführt<br />

werden. Dieser Prozess fokussiert<br />

vor allem auf die Identifizierung<br />

neuer Verkaufschancen sowie auf deren<br />

Qualifizierung und Abhandlung<br />

(Opportunity Management). Durch Transparenz<br />

wird der Erfolg der «Hunter»<br />

messbar und steuerbar.<br />

Zur Implementierung der Farmer-Aktivitäten<br />

muss ein anderer Ansatz verfolgt<br />

werden. Hierbei wird aktive Verwaltung<br />

von selektierten Kundenaccounts durch<br />

geplantes Handeln erreicht. Gerade bei<br />

Topkunden wird ein strategischer Vertriebs-<br />

und Serviceplan pro Account benötigt,<br />

der anhand der Kundenbedürfnisse<br />

und der Firmenstrategie aufgestellt<br />

wird. Um diese übergeordnete Planung<br />

umzusetzen, ist der Einsatz von verantwortlichen<br />

Accountbetreuern, die die<br />

Komposition der Vertriebsaktivitäten in<br />

ihren Accounts überwachen und steuern,<br />

unabdingbar.<br />

Ziel ist es, die Saleskultur zu intensivieren.<br />

Allein die Erhöhung der Kundeninteraktionen<br />

durch die Vertriebsmitarbeiter<br />

führt zu mehr betreuten Kunden<br />

pro Mitarbeiter. So werden Umsatzund<br />

Sparpotenziale ausgereizt.<br />

Konrad Niggli<br />

Partner<br />

Solution Providers Schweiz<br />

Rückversicherer stehen in einem stagnierenden Markt mit einer steigenden Preissensitivität<br />

vor Herausforderungen im Vertrieb. Wenn sie in diesem gesättigten Markt<br />

ein nachhaltiges Wachstum erreichen wollen, sind neue Vertriebsmodelle zu etablieren.<br />

Neben dem traditionellen, aber stark kompetitiv agierenden Brokerkanal muss der<br />

Rückversicherer moderne Saleskonzepte und Organisationsformen in den direkten<br />

Vertrieb zum Kunden neu intensivieren. Diese Modelle erlauben es ihm, näher an den<br />

Kunden und seine Problemstellungen zu treten und so in der Geschäftsgestaltung<br />

des Kunden eine aktive Rolle einzunehmen.<br />

1/<strong>2012</strong> SolutionS 19


Trend<br />

Wie Finanzdienstleister vom kognitiven Prozess der Preis-<br />

Leistungs-Wahrnehmung und -Beurteilung profitieren können<br />

Von der klassischen Preistheorie<br />

zum Behavioural Pricing<br />

20 SolutionS 1/<strong>2012</strong>


Trend<br />

Die klassische Preistheorie geht davon<br />

aus, dass sich Kunden immer rational<br />

verhalten und über vollkommene Information<br />

hinsichtlich Preis-Leistungs-<br />

Angeboten verfügen. In diesem theoretischen<br />

Verhaltensumfeld streben Kunden<br />

danach, ihren Nutzen zu optimieren.<br />

Bei gegebenem Einkommen werden sie<br />

so viele Einheiten eines Produkts nachfragen,<br />

bis der Nutzen einer zusätzlichen<br />

Einheit gleich dem Preis ist, der dafür<br />

bezahlt werden muss.<br />

«Mit flexiblen Verkaufsprozessen in<br />

allen Kanälen, die berücksichtigen, dass<br />

Kunden die objektiven Fakten subjektiv<br />

aufnehmen und individuell reagieren, können<br />

Finanzdienstleister ihre Ergebnisse<br />

deutlich verbessern.»<br />

In den heutigen Märkten – das gilt insbesondere<br />

für die Finanzdienstleistungen<br />

– herrscht aber keinesfalls vollkommene<br />

Preis-Leistungs-Transparenz. Bei vielen<br />

Produkten ist der Nutzen für einen<br />

Kunden praktisch nicht ökonomisch<br />

messbar, so bei einer Versicherung mit<br />

ihrem typischerweise unsicheren Leistungseintritt.<br />

Außerdem verhält sich<br />

ein Kunde selten vollkommen rational.<br />

Der klassischen Preistheorie fehlt demnach<br />

ein Element: nämlich der kognitive<br />

Prozess der Preis-Leistungs-Wahrnehmung<br />

und -Beurteilung. Dies ist<br />

Gegenstand des Behavioural Pricing<br />

(vgl. Abbildung 1).<br />

Beim Behavioural Pricing wird davon<br />

ausgegangen, dass eine objektive Ausgangslage<br />

(Stimulus) durch einen Konsumenten<br />

aufgenommen wird und in<br />

der Folge zu einer subjektiven Beurteilung<br />

führt (Organismus), die dann<br />

ein individuelles Verhalten provoziert<br />

(Reaktion).<br />

Ansätze für das Pricing<br />

in der Finanzindustrie<br />

Wie können nun Finanzdienstleister<br />

wie Versicherer und Banken vom Gedankengut<br />

des Behavioural Pricing profitieren?<br />

Wir sehen eine Vielzahl von<br />

Ansätzen, die sich über das gesamte Angebotsspektrum<br />

erstrecken.<br />

Produktidentifikation: Finanzprodukte<br />

sind häufig Low-Interest-Produkte.<br />

Das heißt, der Kunde setzt sich mehrheitlich<br />

nicht mit dem Produkt auseinander.<br />

Dabei lässt sich folgender Schluss<br />

ziehen: Je geringer das Produktinteresse<br />

ist, desto zusammengefasster kann das<br />

Preis-Leistungs-Angebot sein, was auch<br />

als Reizvereinfachung bezeichnet wird.<br />

Die Erkenntnis ist nicht neu. Dennoch<br />

haben die wenigsten Finanzdienstleister<br />

ihre Produkte so verpackt, dass sie<br />

sich sowohl für Low-Interest-Kunden<br />

eignen als auch für Kunden mit hohem<br />

Produktinteresse. Abhängig von<br />

einer Kundentypologie, die über einige<br />

Einstiegsfragen einfach und schnell<br />

erhoben werden kann, sollte dem Kunden<br />

demnach ein All-in-One-Angebot,<br />

ein Optionspaket oder die komplette<br />

Wahlfreiheit zur Selbstkonfiguration<br />

des Produktpakets angeboten werden.<br />

Mit den unterschiedlichen Ansätzen<br />

zum «Productising» kann dann auch<br />

mit unterschiedlichen Margen gear-<br />

Stimulus Organismus Reaktion<br />

Faktische Information<br />

Bewusstsein<br />

Beurteilung<br />

Verhalten<br />

Angebot<br />

Offerte<br />

Beratung<br />

Information<br />

Einstellung<br />

Erinnerung<br />

Interpretation<br />

Attribution<br />

Integration anderer<br />

Informationen<br />

Kauf<br />

Nichtkauf<br />

Aufschub<br />

Wahrnehmung<br />

Aufnahme<br />

1<br />

Verarbeitung von Angebotsinformationen<br />

Quelle: Solution Providers, in Anlehnung an Martin Wricke<br />

1/<strong>2012</strong> SolutionS 21


Trend<br />

«Überlegen Sie sich für jeden Kanal,<br />

ob Sie den Preis- oder den Leistungsaspekt<br />

betonen wollen, und wählen Sie<br />

dementsprechend einen Top-Downoder<br />

Bottom-up-Verkaufsansatz.»<br />

beitet werden. Fazit: Haben Sie für<br />

Low-Interest-Kunden einfache Standardpakete<br />

zur Hand. Wenn Ihr Vertriebskanal<br />

beratungsstark ist, sollten<br />

Sie für interessierte Kunden auch ausgefeilte<br />

Konfigurationsmöglichkeiten<br />

anbieten.<br />

Referenzpunkte: Jeder Kunde – unabhängig<br />

davon, ob er sich mit dem Produkt<br />

auskennt oder nicht – hat einen Referenzpreis,<br />

an dem er ein neues Angebot<br />

misst. Dieser lässt sich im Verkaufsprozess<br />

abschätzen, wenn systematisch<br />

gefragt wird, welche Informationen der<br />

Kunde vor Abgabe des eigenen Angebots<br />

eingeholt hatte. Daraufhin lässt<br />

sich ein Angebot auf den Referenzpunkt<br />

abstimmen, wobei typischerweise eine<br />

Toleranz von ±15% akzeptabel ist. Fazit:<br />

Machen Sie das erste Angebot abgestimmt<br />

auf den Referenzpunkt Ihres<br />

Kunden. Erhalten Sie dafür einen Buyin,<br />

dann können Sie mit dem Upselling<br />

beginnen.<br />

Stück einen individuellen Rabatt und<br />

sorgen dafür, dass der Kunde dies positiv<br />

wahrnimmt.<br />

Preissensitivität: Die Preissensitivität<br />

nimmt bei standardisierten und vergleichbaren<br />

Produkten zu. Um die<br />

Wahrnehmung eines Preis-Leistungs-<br />

Gefüges zu beeinflußen, können nun<br />

zwei Strategien angewandt werden.<br />

Wenn die Leistung betont werden soll,<br />

wird ein Top-Down-Ansatz gewählt,<br />

wobei erst ein sehr umfangreiches<br />

Paket angeboten wird und dann einzelne<br />

Optionen abgewählt werden können,<br />

um der Preiserwartung gerecht zu werden.<br />

In der Wahrnehmung bleibt die<br />

angebotene Leistung aber immer noch<br />

hoch. Soll hingegen hervorgehoben<br />

werden, wie preisgünstig das Angebot<br />

ist, wird der Bottom-up-Ansatz angewendet.<br />

Dabei wird ein günstiges<br />

Preis-Leistungs-Paket angeboten und<br />

dann erst sukzessive durch weitere Optionen<br />

ergänzt. In der Kundenwahrnehmung<br />

ist das Angebot dann immer<br />

noch tendenziell günstig. Ein gutes<br />

Umsetzungsbeispiel dazu ist etwa das<br />

Angebot «Name Your Price®» von Progressive.<br />

Dabei wird der Kunde aufgefordert,<br />

erst den Preis zu nennen, den er<br />

für einen Versicherungsschutz zu bezahlen<br />

bereit ist. Erst danach erfolgt ein<br />

darauf abgestimmtes Angebot, wobei<br />

bewusst auch noch Angebote aufgeführt<br />

werden, die über der Preisgrenze<br />

liegen, um zusätzliche Leistungsoptionen<br />

schmackhaft zu machen. Fazit:<br />

Überlegen Sie sich für jeden Kanal, ob<br />

Sie den Preis- oder den Leistungsaspekt<br />

betonen wollen, und wählen Sie dementsprechend<br />

einen Top-Down- oder<br />

Bottom-up-Verkaufsansatz.<br />

Reizschwellen: Unabhängig von einem<br />

konkreten Angebot haben Kunden Reizschwellen,<br />

bezogen auf den Preis. Liegt<br />

ein Preis beispielsweise knapp über<br />

einer Schwelle (z. B. CHF 1001) wird er als<br />

wesentlich teurer wahrgenommen, als<br />

wenn er darunter liegt (z. B. CHF 999).<br />

Dieser Effekt der Preisrundung wird in<br />

der Konsumgüterindustrie schon lange<br />

angewendet, findet allerdings in der<br />

Rabattgestaltung: Wenn sich ein Kunde<br />

bei jeder Einzelkomponente entscheiden<br />

muss, entspricht jede Entscheidung<br />

einem Opportunitätsverlust. Dieser kann<br />

wettgemacht werden, wenn auf jeder<br />

einzelnen Komponente ein Rabatt gewährt<br />

wird. Im Vergleich zu einem<br />

gleich hohen Rabatt auf das Gesamtpaket<br />

werden nämlich Einzelrabatte<br />

auch als einzelne Verhandlungserfolge<br />

wahrgenommen, das heißt, der wahrgenommene<br />

Gewinn oder eben Rabatt<br />

wird höher bewertet als ein Gesamtrabatt.<br />

Fazit: Wenn Sie schon Rabatte<br />

geben müssen, dann schneiden Sie das<br />

Angebot in Stücke, geben auf jedes<br />

2<br />

Konzept<br />

Referenzdaten/Know-how<br />

Analyse Szenarien Simulation Beurteilung Umsetzung<br />

Tools/Werkzeuge<br />

Design<br />

Vorgehensmethode zur Einführung eines Behavioural Pricing<br />

Quelle: Solution Providers<br />

22 SolutionS 1/<strong>2012</strong>


Trend<br />

Finanzdienstleistungsbranche nur teilweise<br />

Beachtung. Der Effekt kann zusätzlich<br />

verstärkt werden, wenn Angebote<br />

gestückelt werden. Um beim<br />

erwähnten Beispiel zu bleiben: Ein<br />

Angebot mit einer Monatsprämie von<br />

CHF 84.95 wird attraktiver wahrgenommen<br />

als eine Jahresprämie von<br />

CHF 999, obwohl es in der Summe<br />

teurer ist. Das liegt daran, dass viele<br />

Kunden der Bequemlichkeit halber nur<br />

mit dem Faktor zehn multiplizieren und<br />

vergleichen. Fazit: Auch wenn es für<br />

einzelne Branchen und Produkte noch<br />

unüblich ist: Ziehen Sie eine monatliche<br />

Zahlweise in Erwägung.<br />

Methode<br />

Für die Einführung eines Behavioural<br />

Pricing in der Versicherungs- oder<br />

Bankenbranche hat Solution Providers<br />

eine eigene Vorgehensmethode entwickelt<br />

(vgl. Abbildung 2). Diese basiert<br />

auf fünf sequenziellen Schritten, die sowohl<br />

für die Konzept- als auch für die<br />

Design- und Realisierungsphase durchlaufen<br />

werden. Das Vorgehen kann bei<br />

Bedarf durch entsprechende Tools und<br />

Werkzeuge sowie Referenzdaten unterstützt<br />

werden.<br />

Schritt 1: In einem ersten Analyseschritt<br />

muss die Pricingstrategie analysiert<br />

bzw. erarbeitet werden. Das heißt, auf<br />

der Basis der internen Fähigkeiten<br />

(Resource-Based View) und der externen<br />

Markt- und Wettbewerbsentwicklung<br />

(Market-Based View) werden Fragen<br />

der Positionierung geklärt. Auf dieser<br />

Basis werden dann Umsetzungsmaßnahmen<br />

definiert, wie sie beispielsweise<br />

im vorangehenden Kapitel erläutert<br />

wurden.<br />

Schritt 2: Die im ersten Schritt erarbeiteten<br />

Maßnahmen können nun mit<br />

Hilfe von Modellkunden in Szenarien<br />

skizziert und konkretisiert werden. Ziel<br />

dieser Skizzen ist es, Kombinationen<br />

zu finden, die in der Kundenwahrnehmung<br />

eine Nutzensteigerung bei<br />

gleichzeitiger Preisfairness bewirken.<br />

Schritt 3: Nachdem die Szenarien plausibilisiert<br />

wurden, werden sie simuliert.<br />

Ziel der Simulation ist es, die zu erwartenden<br />

Veränderungen der Ertragssituation<br />

zu beziffern. In der Konzeptphase<br />

werden dazu die Modellkunden herangezogen.<br />

In der Designphase kann die<br />

Simulation mit entsprechenden Tools<br />

auch über den gesamten Kundenbestand<br />

durchgeführt werden. Dies ermöglicht<br />

eine verlässliche Berechnung<br />

und eine fundierte Aussage über die<br />

Hebel der vorgeschlagenen Produktveränderungen.<br />

Schritt 4: Die Ergebnisse der Simulation<br />

sollten schließlich nochmals dahingehend<br />

beurteilt werden, ob sie in die strategische<br />

Ausrichtung des Unternehmens<br />

und zum eingeschlagenen Wachstumspfad<br />

passen. Allenfalls sind bei der Veränderung<br />

des Produktangebots weitere<br />

flankierende Maßnahmen notwendig.<br />

Schritt 5: Der letzte Schritt wird nur in der<br />

Design- und Umsetzungsphase durchgeführt.<br />

Hierbei werden die beschlossenen<br />

Produktveränderungen zusammen mit<br />

gegebenenfalls veränderten Pricing- und<br />

Vertriebsprozessen eingeführt und häufig<br />

eine begleitende Kommunikationsinitiative<br />

gestartet.<br />

Dr. Christoph Nützenadel<br />

Partner<br />

Solution Providers Schweiz<br />

Dr. Michael Hartmann<br />

Associate Partner<br />

Solution Providers Schweiz<br />

Das Behavioural Pricing untersucht, wie Kunden Preis-Leistungs-Informationen<br />

aufnehmen und verarbeiten. Damit werden, abweichend zur klassischen Preistheorie<br />

mit dem nutzenoptimierenden Homo oeconomicus, die in der Realität<br />

eine wichtige Rolle spielenden kognitiven Prozesse betrachtet. Das Wissen über<br />

Wahrnehmungsprozesse – vom Bewusstsein über die Wahrnehmung bis zur<br />

Beurteilung – können sich Finanzdienstleister in mehreren Aspekten zunutze<br />

machen, um ihr Preis-Leistungs-Angebot zu optimieren. Dabei wird ein<br />

methodisches Vorgehen in fünf Schritten empfohlen.<br />

1/<strong>2012</strong> SolutionS 23


Trend<br />

Herausforderungen durch wiederkehrende und intensive<br />

Ressourcenbindung in Produkteinführung und Systemlandschaft<br />

Zwei komplett neue<br />

Tarifgenerationen in zwei Jahren<br />

24 SolutionS 1/<strong>2012</strong>


Trend<br />

Auf Basis der Entscheidung des Bundesministeriums<br />

der Finanzen vom Februar<br />

2011 ist zum 1. Januar <strong>2012</strong> ein reduzierter<br />

Höchstrechnungszins in Höhe<br />

von 1.75% einzuführen. Dies führt standardmäßig<br />

zu einer kompletten neuen<br />

Tarifgeneration. Zudem ist die Versicherungsbranche<br />

mit dem Urteil des<br />

Europäischen Gerichtshofes (Az: C-236/09)<br />

gezwungen, den Verkauf geschlechterspezifischer<br />

Tarife einzustellen und ab<br />

1. Januar 2013 nur noch eine geschlechterübergreifende<br />

sogenannte «Unisex-<br />

Tarifierung» vorzunehmen. Kern des<br />

Urteils ist die Feststellung, dass das Geschlecht<br />

an sich kein risikogruppenspezifisches<br />

Unterscheidungsmerkmal<br />

sein darf. Eine Differenzierung nach<br />

spezifischen Risikogruppen ist nach<br />

wie vor möglich. Nicht betroffen sind<br />

die bereits als Unisex geführte Unfall-<br />

Zusatzversicherung und die Riester-<br />

Tarifgenerationen ab dem Jahr 2006.<br />

Die zur Umsetzung anstehenden Produktgenerationen<br />

werden im Masterplan<br />

(vgl. Abbildung 1) dargestellt.<br />

Herausforderungen und<br />

notwendiger Änderungsbedarf<br />

Die Versicherer sind sowohl durch die<br />

Änderung des Rechnungszinses als<br />

auch durch das Urteil zur Geschlechtergleichstellung<br />

gezwungen, ihrer Tari-<br />

«Die Versicherer sind sowohl durch die Änderung<br />

des Rechnungszinses als auch durch das Urteil<br />

zur Geschlechtergleichstellung gezwungen,<br />

ihrer Tarifierung neue Rechnungsgrundlagen bzw.<br />

Ausscheideordnungen zu unterlegen und<br />

somit eine neue Tarifgeneration aufzulegen.»<br />

fierung neue Rechnungsgrundlagen<br />

bzw. Ausscheideordnungen zu unterlegen<br />

und somit eine neue Tarifgeneration<br />

aufzulegen. Dies wird wie in der<br />

Vergangenheit zu weiteren – zum Teil<br />

umfangreichen – Anpassungen in den<br />

Tarifen genutzt werden, zum Beispiel<br />

zur Bereinigung der Ratenzahlungsthematik.<br />

Auf Basis der vorhandenen Produktentwicklungsprozesse<br />

und IT-<br />

Gegebenheiten wird insbesondere die<br />

Umsetzung des ersten Umsetzungsteils<br />

per 1. Januar <strong>2012</strong> aus Zeitgründen jedoch<br />

weitgehend ohne neue Produkt-<br />

Features erfolgen.<br />

Durch die Unisex-Tarifierung werden<br />

zur Erzielung von Marktvorteilen mittelfristig<br />

geänderte Differenzierungsmerkmale<br />

bei der Kalkulation der Versicherungsprämie<br />

zu verwenden sein.<br />

Zur weiteren Nutzbarmachung neuer<br />

objektiver Differenzierungsmerkmale<br />

seien als Beispiel die Anpassung und<br />

Masterplan am Beispiel von zwei Bestandssystemen für Neugeschäft<br />

2011<br />

<strong>2012</strong> 2013 2014<br />

Vorbereitung und Umsetzung der<br />

Generation <strong>2012</strong> Rechnungszins 1.75%<br />

verkürzen<br />

Nacharbeiten<br />

Vorbereitung und Umsetzung der<br />

Generation 2013 zu Unisex<br />

verkürzen<br />

Nacharbeiten<br />

Vorbereitung und Umsetzung der<br />

Generation «2013.2/2014»<br />

verkürzen<br />

?<br />

Nacharbeiten<br />

?<br />

Optimierung<br />

Produkteinführungsprozess/kontinuierlicher<br />

Verbesserungsprozess (KVP)<br />

Ad-hoc<br />

KVP1 KVP2 KVP3<br />

heute<br />

1<br />

Masterplan Tarifgenerationseinführungen <strong>2012</strong>/2013<br />

Quelle: Solution Providers<br />

1/<strong>2012</strong> SolutionS 25


Trend<br />

«Der Produkteinführungsprozess wird künftig<br />

darauf ausgerichtet sein müssen, kurzfristig<br />

komplette Tarifgenerationen einzuführen, um unter<br />

anderem die Ressourcen zugunsten der sonstigen<br />

anfallenden Tätigkeitsfelder zu entlasten.»<br />

Verfeinerung der Überschusssysteme<br />

oder der Risikomerkmale genannt.<br />

Die primären Herausforderungen der<br />

Versicherungsunternehmen sind vor diesem<br />

Hintergrund:<br />

1. Generelle dauerhafte Verbesserung<br />

des Produkteinführungsprozesses:<br />

Zur Entlastung der Ressourcen und<br />

Reduktion der Zeitstrecke bis zur<br />

Einführung der jeweiligen Produktgeneration<br />

ist eine dauerhafte Beschleunigung<br />

des Produkteinführungszyklus<br />

notwendig. Dies kann<br />

sowohl durch Ad-hoc-Maßnahmen<br />

vor Beginn der Umsetzung der jeweiligen<br />

Tarifgeneration als auch<br />

laufend im Sinne eines kontinuierlichen<br />

Verbesserungsprozesses (KVP)<br />

erfolgen.<br />

2. Darauf aufbauend sind bis zum Jahr<br />

2013 mindestens zwei Produktgenerationen<br />

im Jahresrhythmus bereitzustellen<br />

(vgl. Abbildung 1). Dies bedeutet<br />

unter anderem, dass sich die<br />

Neugeschäftsdauer der einzelnen<br />

Tarifgenerationen verkürzt und die<br />

Anzahl der Verträge pro Generation<br />

sinkt. Ohne Maßnahmenergreifung<br />

steigen folglich die relativen Herstellungs-<br />

und Wartungskosten. Zur<br />

Haltung der bisherigen Profitabilität<br />

im Bestand muss somit die Kostenbelastung<br />

zuvorderst durch den<br />

bereichsübergreifenden Produkteinführungsprozess<br />

und die Implementierungskosten<br />

verringert<br />

werden. Eine langfristige Profitabilitätsbetrachtung<br />

in den Bestandssegmenten<br />

sollte davon unabhängig<br />

berücksichtigt werden. Die Kostenthematik<br />

und die Ressourcenbindung<br />

verschärfen sich, falls im Unternehmen<br />

mehrere Systeme für das Neugeschäft<br />

geöffnet sind und dort<br />

jeweils neue Tarifgenerationen einzurichten<br />

sind. Die Erfahrungen aus<br />

der Einführung der Unisex-Riestertarife<br />

sind dabei nur sehr bedingt<br />

wieder verwendbar.<br />

2<br />

Unisex<br />

60%<br />

40%<br />

Mann<br />

Frau<br />

Männerpolice<br />

(62.5%)<br />

Frauen<br />

33%<br />

Beispielhafte Herleitung der zweiten Produktgeneration bei Unisex<br />

Männer<br />

67%<br />

Frauenpolice<br />

(37.5%)<br />

Quelle: Solution Providers<br />

3. Die Modellierung der Unisex-Tarife<br />

wird umfangreiche fachliche und<br />

technische Anforderungen im Hinblick<br />

auf Anpassungen der Systeme,<br />

Datenmodelle, Druckstücke sowie<br />

Mitarbeiter- und Vertriebsschulungen<br />

generieren. Diese Anforderungen<br />

stellen eine weitere Erhöhung<br />

der Herstellungskosten der Tarifgenerationen<br />

dar neben den in den<br />

Unternehmen anstehenden Arbeiten<br />

zu neuen Produktgruppen und<br />

länderübergreifenden Produktkonzepten<br />

in den betroffenen Unternehmensbereichen<br />

(vgl. Abbildung 3).<br />

Auswirkungen auf den Bestand werden<br />

hinsichtlich Storno und Produktwechsel<br />

in neue Generationen<br />

aufgrund von Beitragsgefällen stark<br />

zunehmen und die Organisation vor<br />

weitere Herausforderungen stellen.<br />

Know-how<br />

Der Produkteinführungsprozess wird<br />

künftig darauf ausgerichtet sein müssen,<br />

kurzfristig komplette Tarifgenerationen<br />

einzuführen, um unter anderem<br />

26 SolutionS 1/<strong>2012</strong>


Trend<br />

( ) zum Teil beteiligt<br />

beteiligt<br />

Vertrieb<br />

Aktuariat<br />

Recht<br />

Beistand/<br />

Prozesse<br />

Finanzen/<br />

Risikomanagement<br />

IT/<br />

Systeme<br />

Phase 1<br />

Produktentwicklung<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

( )<br />

Phase 2<br />

Produktimplementierung<br />

<br />

( )<br />

<br />

Phase 3<br />

Produkttest und Rollout<br />

( )<br />

<br />

<br />

( )<br />

<br />

3<br />

Ressourcenbindung beim Produkteinführungsprozess<br />

Quelle: Solution Providers<br />

die Ressourcen zugunsten der sonstigen<br />

anfallenden Tätigkeitsfelder zu<br />

entlasten. Dies wird nur bei bereichsübergreifender<br />

Optimierung des Prozesses<br />

und bei einer Verstärkung der<br />

systemischen Automatisation gelingen,<br />

um die vorhandenen Kapazitäten nicht<br />

überdimensional zu binden. Unter dem<br />

intensiv steigenden Wettbewerbs- und<br />

Kostendruck werden die Kapazitäten<br />

außerdem dringend benötigt, um eine<br />

verstärkte Wertschöpfung aus dem<br />

Bestand zu erzielen. Regelungen zur<br />

Aufbau- und Ablauforganisation und<br />

entsprechende Risikosteuerungs- und<br />

Controllingprozesse sind dabei Teil der<br />

Maßnahmen.<br />

Neben Werkzeugen und Analysetechniken<br />

verfügt Solution Providers über<br />

die notwendige Erfahrung und über<br />

geeignete Methoden, um bei der gegebenen<br />

Komplexität die Versicherungsunternehmen<br />

bei den anstehenden<br />

Herausforderungen zu beraten und tatkräftig<br />

zu unterstützen – unter anderem<br />

durch entsprechendes prozessuales,<br />

methodisches, technisches und aktuarielles<br />

Know-how, insbesondere durch<br />

folgende Leistungen:<br />

• Methoden zum Trimmen des Produkteinführungsprozesses,<br />

signifikante<br />

Beschleunigung der Entscheidungsfindung<br />

bis hin zur<br />

Optimierung der Umsetzung in die<br />

Systeme und in die Organisation,<br />

generelle Vertiefung des Automatisationsgrades<br />

• Effizienzbetrachtungen bei Initialisierung,<br />

Planung und Umsetzung<br />

und Erstellung von Maßnahmenkatalogen<br />

• Produktentwicklung neuer Tarifgenerationen<br />

und entsprechendes Pricing<br />

sowie Adjustierung der Parameter,<br />

z. B. der Überschusssysteme<br />

und Anpassung der Systeme hinsichtlich<br />

des Datenmodells, Freiheitsgrade<br />

der Überschusssysteme,<br />

Ermittlung Eintrittsalter, Reports etc.<br />

Michael Gerber<br />

Managing Partner & CEO<br />

Solution Providers Schweiz<br />

Marcus Engel<br />

Managing Director<br />

Solution Providers Deutschland<br />

Bis zum Jahr 2013 sind aufgrund der Rechnungszinsanpassung und der Einführung<br />

der Unisex-Tarifierung mindestens zwei Produktgenerationen im Jahresrhythmus<br />

bereitzustellen. Die Neugeschäftsdauer dieser Tarifgenerationen verkürzt sich<br />

somit weiter. Nachjustierungen und weitere Anforderungen werden auch über das<br />

Jahr 2013 hinaus keine Entspannung eintreten lassen.<br />

Die bereichsübergreifende Optimierung des Produkteinführungsprozesses und eine<br />

Verstärkung der Automatisation unterstützen die Einführung von Tarifgenerationen<br />

und entlasten die Ressourcen zugunsten der sonstigen anfallenden Tätigkeitsfelder.<br />

Solution Providers unterstützt Versicherungsunternehmen bei der Umsetzung<br />

eines stringenten Produkteinführungsprozesses im Hinblick auf Ergebnis, Zeit und<br />

Aufwand durch systematische Nutzbarmachung von Produkt- und Prozesswissen<br />

für das Produktdesign bis hin zur Optimierung der Umsetzung in die Systeme und<br />

in die Organisation.<br />

1/<strong>2012</strong> SolutionS 27


Trend<br />

Die Auswirkungen von Singapurs neuem<br />

Verhaltenskodex auf die private Vermögensverwaltung<br />

Revolutionäre Regulierung?<br />

Die beiden Topfinanzmetropolen Asiens<br />

– Hongkong und Singapur – buhlen seit<br />

Langem um die Vormachtstellung in der<br />

privaten Vermögensverwaltung. Beide<br />

Zentren haben in den letzten Jahren<br />

größere Anstrengungen unternommen,<br />

um die Branche von ihrer Sicherheit,<br />

Stabilität und strikten regulatorischen<br />

Rahmenbedingungen zu überzeugen.<br />

Hongkong hat letztes Jahr die Einführung<br />

des Certified International Wealth<br />

Manager bekannt gegeben – einer beruflichen<br />

Qualifikation für die Vermögensverwaltungssparte,<br />

um damit ihre<br />

Bemühungen um Standards im Private<br />

Banking zu unterstreichen. Singapur bildete<br />

eine Taskforce aus Privatbanken,<br />

die einen brancheneignen Verhaltenskodex<br />

entwickelt hat. Dieser Kodex ist Teil<br />

von Singapurs Bestrebungen, eine klare<br />

Strategie für das Wachstum des Private<br />

Banking zu etablieren.<br />

Laut einer Studie der City of London<br />

Corporation konzentriert sich Singapur<br />

primär darauf, das weltweit führende<br />

Zentrum für Vermögensverwaltung und<br />

Private Banking zu werden, was sich<br />

auch mit Schätzungen der Boston Consulting<br />

Group deckt, dass Singapurs Privatbanken<br />

bereits über USD 500 Mrd. an<br />

Vermögen verwalten. Asien hat heute<br />

mehr vermögende Kunden als jemals zuvor,<br />

angekurbelt durch florierende Börsen<br />

und wirtschaftsfreundliche Regierungen.<br />

Laut der Reichstenliste von<br />

Forbes hat Asien, was die Anzahl Milliardäre<br />

im Land angeht, 2011 erstmals Europa<br />

überholt und wird mittlerweile nur<br />

noch von den USA übertrumpft.<br />

Singapurs Verhaltenskodex<br />

für das Private Banking<br />

Singapurs Verlagerung des Schwerpunkts<br />

auf die Vermögensverwaltung ging einher<br />

mit dem Wunsch nach einem System<br />

der Selbstregulierung. Die Private Banking<br />

Advisory Group – ein Gremium, zusammengesetzt<br />

aus C-Level-Führungskräften<br />

der Branche – hat in der Folge<br />

einen Verhaltenskodex, den Private Banking<br />

Code of Conduct (kurz PB-Kodex),<br />

entwickelt, der am 1. September 2011 in<br />

Kraft getreten ist.<br />

Nachhaltiges Wachstum der Private-Banking-Branche in Singapur<br />

Vermögensverwaltungsboom<br />

Kompetente<br />

Kundenberater<br />

Operationeller<br />

Rahmen<br />

Stärkung<br />

Wirtschaftsstandort<br />

Steigende<br />

Privatvermögen<br />

Einführung<br />

obligater Tests<br />

Kunden- und<br />

Risikomanagement<br />

Aufbau<br />

Kundenvertrauen<br />

Asien als<br />

Wirtschaftskraft<br />

Anforderungen<br />

an Ausbildung<br />

Due Diligence,<br />

Professionalität<br />

Herstellung<br />

von Transparenz<br />

Globale<br />

Finanzkrise<br />

Etablieren<br />

von Standards<br />

Gewährleisten<br />

von Standards<br />

Verbesserung<br />

Standesregeln<br />

Umfeld<br />

Kompetenz<br />

Marktverhalten<br />

Außenwirkung<br />

Private Banking Code of Conduct<br />

Rückhalt und direkte Beteiligung seitens Private-Banking-Topmanagement<br />

1<br />

Kompetenz und Marktverhalten als tragende Säulen im Private Banking Code of Conduct<br />

Quelle: Solution Providers<br />

28 SolutionS 1/<strong>2012</strong>


Trend<br />

Der PB-Kodex will vorbildliches Verhalten<br />

in der Vermögensverwaltungsbranche<br />

fördern. Die ihm unterstellten<br />

Finanzinstitute und Kundenberater, die<br />

vermögende Personen in Sachen Anlagen<br />

und anderen Private-Banking-<br />

Dienstleistungen beraten, haben nun<br />

18 Monate Zeit, um die Anforderungen<br />

des Verhaltenskodex zu erfüllen. Nichterfüllen<br />

führt dazu, dass die betreffenden<br />

Personen keine Kunden mehr beraten<br />

dürfen.<br />

Der Kodex umfasst zwei Komponenten:<br />

Kompetenz und Marktverhalten (vgl. Abbildung<br />

1). Erstere zielt darauf ab,<br />

Standards hinsichtlich Einstufung und<br />

Training von «allen den Vorschriften<br />

unterstehenden Einrichtungen und Personen»<br />

zu etablieren, während Letztere<br />

die Etablierung eines Rahmens für Standards<br />

im Marktverhalten anstrebt.<br />

Kernbestandteil des ersten Teils ist der<br />

Client Advisor Competency Standards-<br />

Test (CACS-Test) des Institute of Banking<br />

and Finance (IBF), mit dem die Kompetenz<br />

des Kundenberaters ermittelt und<br />

bewertet wird. Ziel des CACS-Tests ist es,<br />

auf den Financial Industry Standards<br />

(FICS) des IBF aufzubauen und die Realität<br />

der Industrie mit den bestehenden<br />

Standards in Einklang zu bringen.<br />

Die Komponente Marktverhalten bezieht<br />

sich auf Professionalität, Sorgfaltspflicht<br />

gegenüber dem Kunden, angemessene<br />

Beratungsstandards und die Lösung von<br />

Kundenbeschwerden. Ebenso legt der<br />

PB-Kodex Regeln fest hinsichtlich der Art<br />

und Weise, wie Kundenberater mit ihren<br />

Klienten umgehen, inklusive Ethik, professionellen<br />

Verhaltens, Interaktion mit<br />

Kunden und Risikomanagement.<br />

Bedeutung und Auswirkungen<br />

Die globale Finanzkrise hat den Privatbanken<br />

grundsätzlich die Zeit und den<br />

Ansporn gegeben, ihre Arbeitsweisen<br />

sowie ihren Fokus zu überdenken und<br />

gegebenenfalls zu ändern – eine Gelegenheit,<br />

die die Branche aber nicht vollumfänglich<br />

wahrgenommen hat. Der<br />

Ertragsdruck hat die Notwendigkeit zur<br />

Neueinschätzung des Businessmodells,<br />

der internen Prozesse und Systeme bei<br />

den meisten Anbietern in den Hintergrund<br />

rücken lassen.<br />

Zurzeit ist die Ausbildung bei den meisten<br />

Banken nicht so umfassend, wie sie<br />

sein sollte. Der Fokus scheint eher auf<br />

Produktschulung und rechtlichen Angelegenheiten<br />

wie etwa dem Geldwäschereigesetz<br />

zu liegen. Der PB-Kodex könnte<br />

dies ändern.<br />

Der PB-Kodex und der CACS-Test sollten<br />

die Banken motivieren sicherzustellen,<br />

dass ihre Mitarbeitenden auf dem<br />

letzten Stand betreffend bereits etablierte<br />

Kompetenzstandards sind. Der<br />

CACS-Test besagt auch, dass Privatbanker<br />

beurteilt und getestet werden,<br />

bevor sie überhaupt Dienstleistungen im<br />

Finanzberatungssektor anbieten dürfen.<br />

Ausgenommen davon sind bereits FICS-<br />

Zertifizierte oder Berater mit mindes-<br />

1/<strong>2012</strong> SolutionS 29


Trend<br />

«Vorausschauend agierende Banken<br />

sollten den PB-Kodex als Chance ansehen.<br />

Er fördert die Professionalisierung ihrer<br />

Teams und hilft ihnen, ein tieferes Verständnis<br />

für Kunden und Lösungen zu erlangen.»<br />

der Branche zu fördern, ist deshalb eines<br />

der erklärten Ziele des PB-Kodex.<br />

Vorausschauend agierende Banken sollten<br />

den PB-Kodex als Chance ansehen.<br />

Er fördert die Professionalisierung ihrer<br />

Teams und hilft ihnen, ein tieferes Verständnis<br />

für Kunden und Lösungen zu<br />

erlangen. Dieser ganzheitliche Ansatz<br />

sollte «vollkommenere» Kundenberater<br />

hervorbringen, die nicht rein produktfokussiert<br />

sind, sondern für den Kunden<br />

eine umfassendere Dienstleistung<br />

erbringen können.<br />

tens 15 Jahren relevanter Erfahrung.<br />

Dennoch wird die vorausschauende<br />

Bank sicherstellen, dass sogar diese<br />

Mitarbeitenden die verfügbaren Hilfsmittel<br />

nutzen werden – ob sie sich nun<br />

in Compliance, Produkten oder Sozialkompetenz<br />

weiterbilden, um sie zu<br />

noch sachkundigeren Kundenberater<br />

zu machen.<br />

Dass das Augenmerk des Verhaltenskodex<br />

auf der «kontinuierlichen beruflichen<br />

Fortbildung» liegt, die sicherstellen<br />

soll, dass das Wissen und die<br />

Fähigkeiten der dem Kodex unterstehenden<br />

Personen ständig auf dem neuesten<br />

Stand gehalten werden, ist auch eine<br />

Neuerung, die sich mit der Forderung<br />

der Industrie nach noch stärker kundenorientierten<br />

Beratern deckt. Die große<br />

Frage ist, wie die CACS-Kompetenzmaßnahmen<br />

umgesetzt werden sollen<br />

und wie sichergestellt werden kann, dass<br />

die Vorschriften zum Marktverhalten<br />

befolgt werden.<br />

Die Zukunft des Bankings<br />

An erster Stelle steht noch immer der<br />

Bedarf nach begabten Fachkräften. Laut<br />

Ravi Menon, Managing Director der<br />

Aufsichtsbehörde Singapurs, sind sie<br />

jedoch in der Branche rar: «Ich habe<br />

echte Bedenken, dass wir über genügend<br />

qualifizierte Talente verfügen,<br />

um das Wachstum der Finanzindustrie<br />

aufrechtzuerhalten.» Talente innerhalb<br />

Letztlich sollte der PB-Kodex Struktur<br />

und Disziplin in der Branche steigern<br />

und so mit dem herkömmlichen Vorurteil<br />

aufräumen, dass Vermögensverwaltung<br />

mehr Kunst als Wissenschaft sei.<br />

Klar definierte und respektierte Industriestandards,<br />

Parameter und Regulationen<br />

stellen sicher, dass sich Unternehmen<br />

und Personen unter fairen<br />

Rahmenbedingungen weiterentwickeln<br />

und beurteilt werden können.<br />

Die Privatbanken werden diese Veränderung<br />

– möglicherweise mit externer<br />

Hilfe – bewältigen müssen. Aber ein<br />

industrieller Verhaltenskodex ist ein<br />

Schritt in Richtung Realität und stärkt<br />

die Wahrnehmung des Kunden, dass es<br />

sich um ein gut reguliertes, gut unterhaltenes<br />

Finanzzentrum für Vermögensverwaltung<br />

handelt.<br />

Dr. Mario A. Bassi<br />

Managing Director & Head Asia<br />

Solution Providers Singapur<br />

Die Private Banking Advisory Group, die sich aus ranghohen Vertretern der<br />

Privatbanken zusammensetzt, hat einen Verhaltenskodex für ihre Branche in Singapur<br />

eingeführt. Der Kodex wurde aufgestellt, um die Standesregeln zu verbessern,<br />

mehr Transparenz für den Kunden zu schaffen und das Kundenvertrauen in die<br />

Vermögensverwaltungsbranche in Singapur zu stärken. Er enthält Regeln, die<br />

Erwartungen an die Finanzinstitutionen und deren Mitarbeitende festhalten, wie<br />

die Erbringung von Finanzdienstleistungen an vermögende Personen zu erfolgen hat.<br />

Damit soll eine gewisse Richtlinie gewährleistet werden. Es handelt sich aber nicht<br />

um einen vollständigen Maßnahmenkatalog oder einen Ersatz für existierendes Recht.<br />

Der Kodex ist am 1. September 2011 in Kraft getreten. Es liegt nun in der<br />

Verantwortung des obersten Managements, dass innerhalb von 18 Monaten<br />

entsprechende Rahmenbedingungen, Verfahren und Systeme und Kontrollen<br />

vorhanden sind, um die Einhaltung der Standards sicherzustellen.<br />

30 SolutionS 1/2011 1/<strong>2012</strong>


Sponsoring<br />

Die Vorbereitungen für den Takeoff von «Round the World<br />

for Children <strong>2012</strong>» laufen auf Hochtouren<br />

Der Countdown zum Soloflug<br />

Der Countdown zu «Round the World<br />

for Children» (RTW) läuft. Auf www.<br />

rtw<strong>2012</strong>.com lässt sich mitverfolgen,<br />

wie viele Stunden noch bleiben, bis Jungpilot<br />

Carlo Schmid am 11. Juli <strong>2012</strong> mit<br />

seiner Cessna vom Flugplatz Dübendorf<br />

zur Weltumrundung abhebt. Landet er<br />

80 Tage später ebendort wieder, wird er<br />

der jüngste Pilot aller Zeiten sein, dem<br />

dies im Alleinflug gelungen sein wird.<br />

Doch wie er im Interview mit <strong>SOLUTIONS</strong><br />

betonte (vgl. Ausgabe 3/2011), geht es<br />

ihm nicht in erster Linie um den Eintrag<br />

als jüngster Weltumflieger im<br />

Guinness Book of Records. Vielmehr<br />

verbindet er damit eine Sammelaktion<br />

für Unicef, die helfen soll, die Lebensumstände<br />

von Kindern in der Dritten<br />

Welt zu verbessern.<br />

Wenn einer eine Reise plant<br />

Ein Vorhaben von diesem Ausmaß<br />

braucht enorme Vorbereitungen. Um<br />

dafür genügend Zeit zu haben, wurde<br />

der ursprünglich für den 12. April <strong>2012</strong><br />

geplante Start (vgl. <strong>SOLUTIONS</strong> 2/2011)<br />

auf den 11. Juli <strong>2012</strong> vom Flughafen<br />

Dübendorf aus verschoben.<br />

Inzwischen steht auch die Route fest,<br />

die Carlo Schmid fliegen wird, sofern<br />

ihn nicht die geopolitische Lage in bestimmten<br />

Regionen zu Änderungen<br />

zwingen sollte. In einigen Destinationen<br />

weicht sie von der Route ab, die der bisherige<br />

Rekordhalter Irving Barrington<br />

2007 geflogen ist. So wird er auch Zwischenstopps<br />

im westlichsten Teil Russlands<br />

und auf Grönland machen.<br />

Fitnessprogram für den Takeoff<br />

Im Vergleich zu Irving Barrington weist<br />

Carlo Schmid bereits jetzt mehr Flugerfahrung<br />

auf. Und dennoch: Ein Linienpilot<br />

fliegt Flughäfen auf anderen Kontinenten<br />

normalerweise frühestens mit<br />

27 Jahren an und steuert bis dahin nur<br />

Flughäfen in Europa an. Dementsprechend<br />

intensiv ist das Flug- und<br />

Trainingsprogramm, das der 22-jährige<br />

Carlo Schmid derzeit absolviert. Er<br />

müsse den Erfahrungswert von 500 Flugstunden<br />

in den 70 Flugstunden erreichen,<br />

die ihm bis zum Start seines<br />

Abenteuers bleiben, erklärte er letzthin<br />

im Interview mit der Aargauer Zeitung.<br />

Die Trainingsflüge absolviert der ambitionierte<br />

Pilot vorzugsweise bei garstigen<br />

Wetterverhältnissen, um auch für<br />

die schwierigsten Flugbedingungen gerüstet<br />

zu sein. Außerdem übt er intensiv<br />

am Flugsimulator und besucht ein umfassendes<br />

Mentaltraining.<br />

Für 100 Franken um die Welt fliegen<br />

Wer seinen Namen mit auf die Weltumrundung<br />

schicken will: Die Kampagne<br />

«Für 100 Stutz um d’Welt» läuft weiterhin<br />

(www.100stutz.ch). Für CHF 100 oder<br />

mehr können Spender ihren Namen auf<br />

dem Flugzeug anbringen lassen und<br />

gleichzeitig Unicef-Kinderprojekte unterstützen.<br />

Den Soloflug wird Carlo Schmid mit<br />

einer einmotorigen Cessna 210 mit<br />

Druckkabine und Rolls-Royce-Antrieb<br />

absolvieren. Der Rollout des Flugzeugs<br />

mit dem Rufzeichen HB-RTW aus dem<br />

Hangar der Firma Egli Paint auf dem<br />

Flughafen Altenrhein markierte einen<br />

weiteren Meilenstein in den umfangreichen<br />

Vorbereitungen.<br />

Ein Lied geht um die Welt<br />

«Mit Musik geht alles besser» lautete<br />

in den 1950er-Jahren der Titel eines<br />

deutschen Schlagers. Dieser Devise folgt<br />

auch das RTW-Team. Am 11. Mai <strong>2012</strong><br />

feiert in Kloten der Newcomer FRAUI<br />

Premiere mit «Zäme um d’Wält»,<br />

dem offiziellen Song zum RTW-Projekt<br />

(www.fraui.ch). FRAUI ist ein langjähriger<br />

Freund von Carlo Schmid. FRAUI<br />

spendet seinen Reinerlös aus den Singleverkäufen<br />

vollumfänglich und exklusiv<br />

an RTW.<br />

Als RTW-Goldsponsor wünschen wir<br />

Carlo Schmid an dieser Stelle einen<br />

erfolgreichen Start, über den wir in der<br />

nächsten <strong>SOLUTIONS</strong>-Ausgabe berichten<br />

werden.<br />

1/<strong>2012</strong> SolutionS 31


Solution Providers Schweiz AG<br />

Management Consulting<br />

Neugutstrasse 89<br />

CH-8600 Dübendorf/Zürich<br />

Phone +41 44 802 2000<br />

Fax +41 44 802 2001<br />

info@mailsp.com<br />

www.<strong>solutionproviders</strong>.com

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