Beitrag - Hebammenpraxis Pregnant
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Manuskript<br />
<strong>Beitrag</strong>: Hebammen in Not – Politik bricht<br />
Versprechen<br />
Sendung vom 28. Februar 2012<br />
Von Anke Becker-Wenzel, Dana Nowak und Claudia Rüggeberg<br />
Anmoderation:<br />
Kinder auf die Welt holen - das wird bezahlt wie ein Billigjob.<br />
Hebammen verdienen so wenig, dass sich für viele Geburtshilfe<br />
einfach nicht mehr lohnt. Jedenfalls wenn sie freiberuflich<br />
arbeiten - so wie immerhin 60 Prozent aller Hebammen. Ihre<br />
Vergütung ist seit Jahren gleich geblieben. Gleichzeitig aber<br />
steigen die Prämien für Haftpflichtversicherungen in<br />
abenteuerliche Höhen: über 4000 Euro dieses Jahr. Doch den<br />
Helferinnen hilft keiner. Sie werden von der Politik seit Jahren nur<br />
vertröstet. Anke Becker-Wenzel und Dana Nowak über die<br />
absurde Lage der Hebammen in unserem kinderarmen Land.<br />
Text:<br />
Diana Frömming ist freiberufliche Hebamme, betreut 20 Geburten<br />
jährlich. Die Mütter kommen zur Vorsorge und auch zur<br />
Entbindung ins Geburtshaus.<br />
Wie lange Diane Frömming und ihre Kolleginnen das noch so<br />
leisten können ist ungewiss, denn sie müssen immer höhere<br />
Prämien für ihre Haftpflichtversicherung zahlen. Die können sie<br />
sich mit ihren vergleichsweise niedrigen Honoraren kaum leisten.<br />
O-Ton Diana Frömming, Hebamme, Geburtshaus<br />
Schwachhausen:<br />
Wenn das so weiter geht, wie es im Moment ist, dass die<br />
Haftpflichtversicherung weiter steigen wird und die<br />
Gebühren eben nicht angepasst werden von den<br />
Krankenkassen, dann ist das auf lange Sicht bestimmt<br />
irgendwie das Ende, dass man dann einfach seine Kosten<br />
nicht decken kann und das Geburtshaus dann schließen<br />
muss.<br />
Allein von 2009 bis 2012 stiegen die Prämien für die<br />
Haftpflichtversicherung um fast 80 Prozent.<br />
Musste eine Hebamme vor drei Jahren noch rund 2400 Euro<br />
jährlich an die Versicherung zahlen, werden es ab Juli diesen
Jahres rund 4200 Euro sein.<br />
O-Ton Armin Octavian Hirschmüller, Rechtsanwalt Deutscher<br />
Hebammen Verband:<br />
Die Hebammen tragen eine hohe Verantwortung auf der<br />
einen Seite innerhalb der Geburtshilfe, werden dafür aber<br />
nicht adäquat vergütet, auf der Haftungsebene stehen sie<br />
aber neben dem Arzt und werden dann genauso wie der Arzt<br />
bei Fehlern zur Kasse gebeten.<br />
Hebammen wie Diana Frömming müssen immer höhere<br />
Haftpflichtprämien zahlen, obwohl sie, statistisch gesehen, immer<br />
weniger Fehler machen. Geht bei einer Geburt aber etwas schief,<br />
kostet das heute weit mehr als früher.<br />
O-Ton Bernd Hendges, Versicherungsmakler SECURON:<br />
Vor zehn Jahren hatte man noch Schmerzensgelder, die<br />
haben sich im Bereich von 100.000, 150.000 Euro bewegt,<br />
heute werden schon 500.000 Euro allein an Schmerzensgeld<br />
zugesprochen. Dann wird die medizinische Versorgung<br />
bezahlt dieses Kindes, der Verdienstausfall dieses Kindes<br />
wird bezahlt, hochgerechnet bis zur entsprechenden<br />
Lebenserwartung. Und das alles führt dazu, dass natürlich<br />
der einzelne Schaden immer teurer wird.<br />
Der Versicherungsmakler Bernd Hendges findet für die<br />
Hebammenverbände deshalb kaum noch eine Gesellschaft, die<br />
das Risiko abdecken will.<br />
O-Ton Bernd Hendges, Versicherungsmakler SECURON:<br />
Die letzte Ausschreibung vom Dezember 2011 hat ergeben:<br />
Wir haben 183 in Deutschland zugelassene Versicherer<br />
angefragt und weitere 470 internationale Versicherer. Das<br />
Ergebnis war erschreckend. Wir haben leider nur von drei<br />
Versicherern Angebote erhalten.<br />
Wir fragen nach beim Gesamtverband der Deutschen<br />
Versicherungswirtschaft. Warum sind Hebammen als Kunden<br />
nicht gern gesehen?<br />
O-Ton Katrin Rüter de Escobar, Gesamtverband der<br />
Deutschen Versicherungswirtschaft:<br />
Das ist natürlich auch ein sehr kleiner Kreis an Klienten für<br />
die Versicherer.<br />
Frontal21: Das heißt, es lohnt sich nicht wirklich?<br />
O-Ton Katrin Rüter de Escobar, Gesamtverband der<br />
Deutschen Versicherungswirtschaft:<br />
Ich glaube, viel Freude wird ein Haftpflichtversicherer an<br />
diesem Risiko nicht haben.
So steigen die Prämien, die Honorare aber bleiben niedrig. Die<br />
Hebammen fühlen sich vom Gesetzgeber betrogen, streikten<br />
deshalb bundesweit schon vor zwei Jahren.<br />
Denn in der Einleitung zum Gebührenrecht heißt es: Der<br />
Gesetzgeber sah ab 2004<br />
Zitat:<br />
„… eine Erhöhung von 18,9 % … in drei Stufen vor. ... Letzten<br />
Endes kam es nicht mehr zu der fest zugesagten<br />
Verabschiedung der 2. und 3. Stufe …“<br />
O-Ton Katharina Jeschke, Beirätin Deutscher Hebammen<br />
Verband:<br />
Damals wurde eben ermittelt, dass wir 20 Prozent Mehrbedarf<br />
haben und dieser 20 Prozent Mehrbedarf wurde nicht<br />
umgesetzt, sondern lediglich 6,5 Prozent Steigerung. Und<br />
danach wurden wir in die Selbstverwaltung entlassen,<br />
müssen nun die Gebühren mit den Krankenkassen selbst<br />
aushandeln.<br />
So wurde ein politisches Versprechen gebrochen, und die jetzt<br />
zuständigen Kassen fühlen sich dafür nicht verantwortlich. Das<br />
Missverhältnis zwischen Prämien und Honoraren wird immer<br />
größer.<br />
O-Ton Ann Marini, GKV-Spitzenverband:<br />
Der Gesetzgeber hat den Krankenkassen aufgegeben, auf der<br />
einen Seite mit den Hebammen ein angemessenes Honorar<br />
auszuhandeln, auf der anderen Seite aber auch die<br />
<strong>Beitrag</strong>ssatzstabilität im Auge zu behalten. Das sind die sehr<br />
groß auseinander liegenden Eckpfeiler, zwischen denen wir<br />
uns da bewegen.<br />
Und zwischen denen die Hebammen auf der Strecke bleiben.<br />
Schon Gesundheitsminister Philipp Rösler versprach vor zwei<br />
Jahren Abhilfe. Auch sein Nachfolger Daniel Bahr sagt, man<br />
arbeite daran.<br />
Inzwischen haben schon die ersten Geburtshäuser, wie in Berlin-<br />
Pankow, keine Entbindungen mehr. Hier kam seit zwei Jahren<br />
kein Kind mehr zur Welt.<br />
Experten kritisieren, dass immer mehr Geburten so in Kliniken<br />
verlagert werden.<br />
O-Ton Prof. Claudia Hellmers, Hebammenwissenschaftlerin,<br />
Hochschule Osnabrück:<br />
Wir sprechen hier auch von einer Technisierung oder<br />
Medikalisierung der Geburt schon seit vielen Jahren. Das hat<br />
sich immer weiter gesteigert. In den letzten 15, 20 Jahren ist
es immer mehr geworden, ist die Interventionsrate immer<br />
höher gegangen – für verschiedene Interventionen während<br />
der Geburt, also nicht nur der Kaiserschnitt, sondern auch<br />
Einleitungen, Dammschnitte, das Zuführen von<br />
Wehenmitteln, also verschiedene Aspekte, die man unter der<br />
Geburt einführen oder durchführen kann, sind hier erhöht.<br />
Für die Kassen bedeutet das höhere Kosten. Dabei zeigen neue<br />
Studien, Entbindungen im Geburtshaus sind so gut und auch so<br />
sicher wie im Krankenhaus. Und viele Eltern wollen auch künftig<br />
die Wahl haben, ob ihre Kinder in der Klinik oder im Geburtshaus<br />
zur Welt kommen.<br />
O-Ton Diana Frömming, Hebamme, Geburtshaus<br />
Schwachhausen:<br />
Ich mache meinen Job gerne und ich möchte den gerne auch<br />
noch viele Jahre machen, aber mit dieser Ungewissheit weiß<br />
ich halt nicht, wie lange ich es machen kann.<br />
Hebammen wie Diana Frömming fühlen sich allein gelassen,<br />
hoffen wieder einmal, dass die Politik endlich Versprechen hält.<br />
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Stand des jeweiligen Sendetermins.