Historische Bildung in der Bundeswehr 50 Jahre ... - Ghbehn.de
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Zur <strong>in</strong>terkulturellen Kompetenz<br />
gehören auch die Kenntnisse von<br />
Geschichte und Kultur e<strong>in</strong>es Lan<strong>de</strong>s.<br />
Bei Auslandse<strong>in</strong>sätzen <strong>de</strong>utscher<br />
Soldaten <strong>in</strong> <strong>de</strong>n Krisenregionen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Er<strong>de</strong> entschei<strong>de</strong>t u.a. diese Kompetenz<br />
über Erfolg o<strong><strong>de</strong>r</strong> Misserfolg ausländischen<br />
Engagements. Im Bild: Deutsche<br />
Soldaten <strong><strong>de</strong>r</strong> ISAF-Frie<strong>de</strong>nstruppe<br />
sprechen während e<strong>in</strong>er Patrouille<br />
<strong>in</strong> Cakolc nahe Faisabad mit <strong>de</strong>n<br />
Dorfbewohnern. Aufnahme vom<br />
19.4.2005.<br />
<strong>de</strong>nn alles so hätte kommen müssen,<br />
wie es tatsächlich gekommen ist, von<br />
entschei<strong>de</strong>n<strong><strong>de</strong>r</strong> Be<strong>de</strong>utung, <strong>de</strong>nn sie<br />
öffnet <strong>de</strong>n Blick auf mögliche Alternativen<br />
<strong>de</strong>s Geschehenen. S<strong>in</strong>d diese<br />
Schritte <strong><strong>de</strong>r</strong> E<strong>in</strong>ordnung <strong><strong>de</strong>r</strong> Ereignisse<br />
vollzogen, so kann es ge<strong>de</strong>utet und<br />
<strong>in</strong>terpretiert wer<strong>de</strong>n.<br />
Was also lehrt uns Geschichte? »Wenn<br />
Brutus Cäsar umbr<strong>in</strong>gt, so lernen wir<br />
daraus, dass verdiente Staatsleute besser<br />
vor Terroristen mit nie<strong><strong>de</strong>r</strong>en Motiven geschützt<br />
wer<strong>de</strong>n sollten. O<strong><strong>de</strong>r</strong> lernen wir<br />
daraus, dass es Situationen gibt, <strong>in</strong> <strong>de</strong>nen<br />
blutiger Kampf gegen das erkannte Böse<br />
unvermeidlich und gerecht ist?«<br />
Es kann nicht darum gehen, praktischen<br />
Nutzen aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Geschichte zu<br />
ziehen, vielmehr wirkt sie durch ihren<br />
<strong>in</strong>neren Nutzen. Hierzu bemerkte<br />
Oberst Dr. Hans-Meier Welcker, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
erste Amtschef <strong>de</strong>s Militärgeschichtlichen<br />
Forschungsamtes (MGFA):<br />
»Unsere Skepsis h<strong>in</strong>sichtlich <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bildung</strong>smöglichkeit<br />
durch Geschichte bezieht sich<br />
<strong>de</strong>nn auch nicht auf die Geschichte, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
auf uns selbst. Es mag se<strong>in</strong>, dass die<br />
Geschichte nicht mehr Enthusiasmus erwecken<br />
kann (nach Goethe das Beste, was<br />
sie zu geben vermag). Wenn ihr überhaupt<br />
noch e<strong>in</strong> <strong>Bildung</strong>swert zugestan<strong>de</strong>n wird<br />
[...], dann kann er nur dar<strong>in</strong> bestehen, <strong>de</strong>n<br />
Menschen ständig sich selbst gegenüberzustellen,<br />
ihn an se<strong>in</strong>e Möglichkeiten und<br />
se<strong>in</strong>e Grenzen zu er<strong>in</strong>nern, ihn <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en<br />
Verstrickungen und Abhängigkeiten, aber<br />
auch <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Freiheit zu zeigen. Ist dies<br />
irgendwo <strong>de</strong>utlicher möglich als <strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Kriegsgeschichte? Freilich muss man dazu<br />
zum Wesen <strong>de</strong>s Geschehens durchdr<strong>in</strong>gen.<br />
Das Denken im Ganzen bleibt immer das<br />
Gegenstück zum Han<strong>de</strong>ln im e<strong>in</strong>zelnen.«<br />
Mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Geschichte wer<strong>de</strong>n wir also<br />
»nicht sowohl klug für e<strong>in</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>mal<br />
als weise für immer«, wie es <strong><strong>de</strong>r</strong> be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong><br />
Historiker Jacob Burckhardt<br />
<strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> zweiten Hälfte <strong>de</strong>s 19. Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>ts<br />
ausgedrückt hat.<br />
Ohne e<strong>in</strong>e soli<strong>de</strong> Grundlagenforschung<br />
<strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Militärgeschichtsschreibung<br />
ist an e<strong>in</strong>en verantwortbaren<br />
Unterricht nicht zu <strong>de</strong>nken. Deshalb<br />
orientieren sich die Maßnahmen <strong>de</strong>s<br />
historischen Unterrichtes und <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bildung</strong><br />
<strong>in</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> an <strong>de</strong>n Ergebnissen<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Forschung; diese wer<strong>de</strong>n<br />
beispielsweise vom MGFA erarbeitet<br />
<strong>in</strong> Form <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundlagen- und Ressortforschung;<br />
das MGFA stellt <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong><br />
unter an<strong><strong>de</strong>r</strong>em auch Medien<br />
für die historische <strong>Bildung</strong> bereit.<br />
Militärgeschichte und<br />
<strong>Historische</strong> <strong>Bildung</strong> <strong>in</strong><br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong><br />
Nach <strong>de</strong>m Zweiten Weltkrieg musste<br />
nicht nur mit <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> 1955/56<br />
e<strong>in</strong> völliger Neuanfang gewagt wer<strong>de</strong>n.<br />
Zehn <strong>Jahre</strong> lang hatte es ke<strong>in</strong>e<br />
<strong>de</strong>utschen Streitkräfte gegeben. Sofern<br />
die <strong>de</strong>utsche Kriegführung im Zweiten<br />
Weltkrieg überhaupt e<strong>in</strong> Thema <strong>in</strong><br />
<strong>in</strong>teressierten Kreisen darstellte, war<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>en Erforschung <strong>in</strong> Verantwortung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Alliierten betrieben wor<strong>de</strong>n.<br />
Oberstleutnant a.D. Dr. Hans-Meier<br />
Welcker kam <strong><strong>de</strong>r</strong> Bitte se<strong>in</strong>es Kriegskamera<strong>de</strong>n<br />
Ulrich <strong>de</strong> Maizière nach und<br />
besprach mit diesem im Amt Blank,<br />
<strong>de</strong>m Vorläufer <strong>de</strong>s Verteidigungsm<strong>in</strong>isteriums,<br />
<strong>de</strong>n Aufbau e<strong>in</strong>es militärhistorischen<br />
Forschungsamtes <strong>in</strong>nerhalb<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> neuen Streitkräfte. Dieses sollte<br />
die Geschichte <strong><strong>de</strong>r</strong> bewaffneten Mächte<br />
erforschen. Die beg<strong>in</strong>nen<strong>de</strong> Rückführung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Akten durch die Westalliierten<br />
stellte die Grundlage für e<strong>in</strong>e<br />
quellenkritische Grundlagenforschung<br />
dar. Nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Auffassung von Meier-<br />
Welcker sollte das Amt e<strong>in</strong>e Brücke<br />
schlagen von <strong><strong>de</strong>r</strong> Geschichte zum gegenwärtigen<br />
militärischen Leben und<br />
von <strong>de</strong>n gegenwärtigen militärischen<br />
Interessen zur Geschichtswissenschaft.<br />
Bereits zu diesem Zeitpunkt wur<strong>de</strong><br />
festgehalten, dass das neue Amt Unterrichtsmaterialien<br />
für die Vermittlung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Militär- und Kriegsgeschichte<br />
an <strong>de</strong>n Aka<strong>de</strong>mien und Schulen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
<strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> bereitstellen sowie Verantwortung<br />
für die Ausbildung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Lehrer für diesen Unterricht tragen<br />
sollte.<br />
Als 1956 die Militär- und Kriegsgeschichte<br />
<strong>in</strong> <strong>de</strong>n Unterrichtskatalog <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Führungsaka<strong>de</strong>mie und <strong><strong>de</strong>r</strong> Offizierschulen<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> aufgenommen<br />
wur<strong>de</strong>, zeigte sich, dass man es<br />
mit e<strong>in</strong>em schweren Unterfangen zu<br />
tun hatte, <strong>de</strong>nn ohne Frage bil<strong>de</strong>ten<br />
dieses Fach und auch die traditionellen<br />
Vorstellungen davon nach wie vor<br />
<strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n für das soldatische Selbstverständnis,<br />
für die I<strong>de</strong>ntität auch <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
neuen Soldaten <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong>. Nur<br />
schien es Meier-Welcker nicht mehr<br />
möglich zu se<strong>in</strong>, mit <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>in</strong> unterschiedlichen<br />
<strong>de</strong>utschen Heeren <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Vergangenheit praktizierten Metho<strong>de</strong><br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> praktischen Nutzanwendung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Kriegsgeschichte fortzufahren – dies<br />
u.a. nicht zuletzt <strong>de</strong>swegen, weil sich<br />
die Ersche<strong>in</strong>ungsformen e<strong>in</strong>es mo<strong><strong>de</strong>r</strong>nen,<br />
nuklearen Bed<strong>in</strong>gungen unterworfenen<br />
Krieges radikal von <strong>de</strong>m<br />
entfernt hatten, was bisher <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall<br />
gewesen war. Konkrete Handlungsorientierung<br />
konnte daher nicht das<br />
Gebot <strong><strong>de</strong>r</strong> Stun<strong>de</strong> se<strong>in</strong>. Eher musste<br />
neben das Verstehen <strong>de</strong>s Wesens<br />
militärischer Führung und <strong><strong>de</strong>r</strong> Operation<br />
die Geschichte <strong><strong>de</strong>r</strong> ganzen bewaffneten<br />
Macht und <strong><strong>de</strong>r</strong>en Verhältnis<br />
zu Staat und Gesellschaft treten, und<br />
dies musste über <strong>de</strong>n nationalen Rahmen<br />
h<strong>in</strong>aus geschehen. Meier Welcker<br />
kämpfte um die »ganzheitliche Sicht«,<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> sich die Militärgeschichte zuzuwen<strong>de</strong>n<br />
habe.<br />
Der militärhistorische Unterricht entwickelte<br />
sich als e<strong>in</strong>e Mischung aus<br />
bei<strong>de</strong>n Aspekten. In <strong><strong>de</strong>r</strong> Unterrichtung<br />
kamen alle wesentlichen Komponenten<br />
e<strong>in</strong>er auf das Militär zugeschnittenen<br />
Pädagogik, nämlich Ausbildung,<br />
<strong>Bildung</strong> und Erziehung, zum Tragen.<br />
Trotz unterschiedlicher Vorstellungen<br />
<strong>in</strong> <strong>de</strong>n Teilstreitkräften e<strong>in</strong>igte man<br />
sich <strong>in</strong> <strong>de</strong>n späten 19<strong>50</strong>er <strong>Jahre</strong>n auf<br />
die Zeit von 1648 bis 1945 als Schwerpunkt<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Lehre. In <strong><strong>de</strong>r</strong> Ausbildung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> General- und Admiralstabsoffiziere<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Bun<strong>de</strong>swehr</strong> stan<strong>de</strong>n die Taktik<br />
und Truppenführung im Mittelpunkt.<br />
Der Militärgeschichte wur<strong>de</strong> im Lehrplan<br />
e<strong>in</strong>e enge Verb<strong>in</strong>dung zu diesen<br />
Fächern zugewiesen. Sie hatte »Lehren<br />
aus <strong>de</strong>n letzten Kriegen und Feldzügen<br />
zu vermitteln und jene Elemente<br />
<strong>de</strong>s Krieges darzustellen, die vor allem<br />
für Taktik und Logistik von bleiben<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Be<strong>de</strong>utung s<strong>in</strong>d.« Mit <strong>in</strong>sgesamt<br />
38 Stun<strong>de</strong>n pro Lehrgang seit <strong>de</strong>n<br />
Lehrgängen von 1957 war sie gewichtig<br />
vertreten und rangierte sozusagen<br />
Militärgeschichte · Zeitschrift für historische <strong>Bildung</strong> · Ausgabe 2/2007<br />
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