Das BSW ist dabei
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Anlagen führen zur Selektion der anfangs<br />
wahllosen Nervenzellenverbindungen<br />
(Synapsen) und zu Veränderungen in der<br />
Gehirnstruktur (Umweltanpassung). Welche<br />
Verbindungen zugrunde gehen oder<br />
sich verstärken, hängt von ihrer stimulierenden<br />
Nutzung ab. Stärker bilden sich<br />
die durch äußere Lernanreize stimulierten<br />
Gehirnareale aus, denn das Gehirn<br />
formt sich entlang den Aufgabenstellungen,<br />
die es zu lösen hat. Je reichhaltiger<br />
äußere Lernanreize sind, desto differenzierter<br />
formt sich die Gehirnstruktur aus,<br />
und sie entscheidet über die Verarbeitungskapazität<br />
des Gehirns und seine<br />
Lernfähigkeit im späteren Leben.<br />
<strong>Das</strong> Säuglingshirn lernt mit allen Sinnen,<br />
was ihm die Umwelt liefert. Im Alter von<br />
vier bis acht Jahren <strong>ist</strong> der Höchststand<br />
seiner Lernaktivitäten und seiner Lerngeschwindigkeit<br />
erreicht. In jener Zeit gibt<br />
es sensible und kritische Phasen, in<br />
denen stimulierende Anreize starken Einfluss<br />
erzielen. Es sind optimale Zeiträume<br />
für grundlegende Lernschritte (z.B. Zweitsprache,<br />
räumliche Orientierung, elementares<br />
mathematisches Denken,<br />
ästhetisches Verständnis, Entwicklung<br />
der Musikalität). Die me<strong>ist</strong>en<br />
Kinder können mühelos<br />
mehrsprachig aufwachsen.<br />
Neugeborene sind prinzipiell<br />
aufgeschlossen für den<br />
Erwerb jeder Sprache in ihrer Umgebung,<br />
was sich nach etwa neun Monaten<br />
verliert. In den ersten Lebensjahren spielt<br />
die Satzmelodie beim Spracherwerb eine<br />
zentrale Rolle. Kinder, die vor dem 4.<br />
Lebensjahr mit zwei Sprachen aufwachsen,<br />
legen nicht nur diese beiden im selben<br />
neuronalen Netzwerk ihres Gehirns<br />
ab, sondern auch jede weitere Sprache<br />
danach.<br />
Wer die erste Fremdsprache später lernt,<br />
muss dafür ein neues Nervennetz aufbauen,<br />
was eine große Anstrengung für<br />
das Gehirn <strong>ist</strong>. Wichtig <strong>ist</strong> es also, diese<br />
sensiblen Phasen durch frühe Bildung<br />
offensiv zu nutzen und nicht verstreichen<br />
zu lassen. Je solider und breiter die<br />
Basis aus jener Zeit, desto leichter lernt<br />
das Kind in späteren Phasen seines<br />
Lebens, erst in der Jugend und eben<br />
auch weiter als Erwachsener: bis ins<br />
hohe Alter!<br />
Interview<br />
Experteninterview mit Michael Breitenbach, Dipl.-Sozialpädagoge<br />
<strong>Das</strong> Geheimnisvolle entzaubern<br />
<strong>BSW</strong>magazin: Herr Breitenbach, welche<br />
Altersgruppen kommen in ihre Kurse?<br />
Michael Breitenbach: „<strong>Das</strong> Spektrum<br />
reicht von Mitte 50 bis 88. Zu<br />
einem Kurs kamen mal zwei Damen im<br />
Alter von 61 und 85 und die eine sagte:<br />
Ich bin die Mutter. Sie <strong>ist</strong> nur ein<br />
Beweis für eine allgemeine Erfahrung:<br />
Ich bin zu alt zum Lernen – das gibt es<br />
nicht!”<br />
<strong>BSW</strong>magazin: Was <strong>ist</strong> das Hauptmotiv<br />
für die Teilnahme?<br />
Michael Breitenbach: „<strong>Das</strong> Wichtigste<br />
<strong>ist</strong>, an der Gesellschaft auch bei Veränderungen<br />
teilhaben zu können, sich<br />
nicht ausgeschlossen zu fühlen.”<br />
<strong>BSW</strong>magazin: Wie fangen Sie an?<br />
Michael Breitenbach: „Wichtig <strong>ist</strong>,<br />
dass die Teilnehmenden in ihrer eigenen<br />
Lebenswelt abgeholt werden,<br />
nämlich aus einer Welt ohne Computer.<br />
Man darf nichts voraussetzen. Deshalb<br />
nehme ich erst Mal einen alten PC ganz<br />
auseinander und versuche, das Innenleben<br />
zu erklären. So wird das Geheimnisvolle<br />
entzaubert. Wichtig <strong>ist</strong> auch,<br />
die vielen Begriffe aus dem Englischen<br />
jeweils zu übersetzen.”<br />
<strong>BSW</strong>magazin: Sind viele Ältere nicht<br />
der Meinung, das alles sei für sie viel zu<br />
kompliziert?<br />
Michael Breitenbach: „Viele<br />
sagen zuerst: Ach Gott, die Technik,<br />
das lerne ich ja nie. Wir nehmen ihnen<br />
die Angst durch Üben, nicht viel,<br />
manchmal nicht mehr als ein Viertelstündchen<br />
in der wöchentlichen Dop-<br />
pelstunde. Dieses Lernen durch eigenes<br />
Tun funktioniert ganz gut.”<br />
<strong>BSW</strong>magazin: Aus welchen Milieus<br />
kommen die Teilnehmer?<br />
Michael Breitenbach: „Die<br />
Mischung <strong>ist</strong> so bunt wie das Leben. Da<br />
bildet sich ein durchaus positives Spannungsfeld<br />
aus verschiedenen Gesellschaftsschichten.<br />
<strong>Das</strong> Spektrum reicht<br />
vom Banker, der sich dank seiner Sekretärin<br />
bis zur Pensionierung um das<br />
Internet rummogeln konnte bis zur<br />
Hausfrau, die ganz verwundert fragt: Sie<br />
waren Bankvorstand und Sie können<br />
das nicht? <strong>Das</strong>s der nicht schlauer <strong>ist</strong> als<br />
sie, hebt auch ihr Selbstbewusstsein.”<br />
<strong>BSW</strong>magazin: Internet bzw. Computer<br />
führen in die Einsamkeit, wird oft<br />
gesagt. Sehen Sie das auch so?<br />
Michael Breitenbach: „Nein. Im<br />
Gegenteil. Unsere Kurse schaffen auch<br />
ganz neue soziale Beziehungen durch<br />
gemeinsames Interesse an Themen, die<br />
andere Unterschiede wie Bildungsgrad<br />
oder soziale Stellung aufheben. Gerade<br />
alleinstehende Ältere üben gerne<br />
zusammen, gehen dann auch zusammen<br />
Kaffeetrinken, machen sogar Urlaub miteinander.”<br />
<strong>BSW</strong>magazin: Wie würden Sie beschreiben,<br />
woran Sie den Erfolg Ihrer Arbeit<br />
erkennen?<br />
Michael Breitenbach: „Wenn beispielsweise<br />
jemand, der mit „Ich lerne<br />
das nie!“ angefangen hat, stolz berichtet:<br />
„Ich habe mir ganz alleine eine lastminute-Reise<br />
gebucht.“<br />
Der Dipl.-Sozialpädagoge Michael Breitenbach (46)<br />
gehört zu den Pionieren des Computertrainings für<br />
Senioren in Deutschland. Er <strong>ist</strong> bei der SeniorenNachbarschaftsHilfe<br />
Hofheim im Taunus tätig, die von der<br />
Bundesregierung als eines von „15 guten Beispielen“<br />
für ehrenamtliches soziales Engagement ausgezeichnet<br />
worden <strong>ist</strong>. (www.hofheimersenioren.de).<br />
<strong>Das</strong> <strong>BSW</strong>magazin fragte ihn nach seinen Erfahrungen.<br />
3/2008 <strong>BSW</strong>magazin 7