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Entscheidungen // Steuerrecht<br />
Oberfinanzdirektionen Rheinland und Münster · Anerkennung von ertragsteuerlichen Organschaftsverhältnissen<br />
Oberfinanzdirektionen Rheinland und Münster:<br />
Anerkennung von ertragsteuerlichen Organschaftsverhältnissen<br />
Oberfinanzdirektionen Rheinland und Münster, Verfügung vom<br />
12.8.2009 – S 2770 – 1015 – St 131 (Rhld.)/S 2770 – 249 – St 13 – 33 (Ms)<br />
Volltext der Verfügung: // BB-ONLINE BBL2010-101-1<br />
unter www.betriebs-berater.de<br />
Nach § 17 S. 2 Nr. 2 KStG kann ein Organschaftsverhältnis zu einer Kapitalgesellschaft<br />
in der Rechtsform einer GmbH nur anerkannt werden, wenn eine<br />
Verlustübernahme entsprechend den Voraussetzungen des § 302 AktG vereinbart<br />
wird. Diese ausdrückliche Vereinbarung ist nach ständiger BFH-<br />
Rechtsprechung ungeachtet dessen erforderlich, dass § 302 AktG im GmbH-<br />
Konzern analog auch ohne ausdrückliche Vereinbarung gelten soll. An dieser<br />
Rechtsauffassung hat der BFH in jüngster Vergangenheit mit Nachdruck festgehalten.<br />
Siehe hierzu die Urteile vom 22.2.2006 – I R 73/05, GmbHR 2006,<br />
890, vom 22.2.2006 – I R /74/05, DStR 2006, 1224, vom 16.6.2005 – IV R 76/06<br />
(n.v.) und vom 17.6.2008 – IV R 88/05, BFH/NV 2008, 1705.<br />
Mithin muss der Gewinnabführungsvertrag (GAV) entsprechend R 66<br />
Abs. 3 S. 2 und 3 KStR<br />
– entweder allgemein auf die Geltung sämtlicher Absätze des § 302 AktG<br />
verweisen (es reicht aus, wenn die Verpflichtung zur Verlustübernahme<br />
– ohne jegliche Einschränkung – „entsprechend den Regelungen des<br />
§ 302 AktG“ vereinbart wird)<br />
oder<br />
– den Wortlaut der Vorschrift des § 302 AktG wörtlich übernehmen.<br />
Bei Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen handelt es sich um<br />
Unternehmensverträge i.S.d. § 291 Abs. 1 AktG, die aus der Sicht objektiver<br />
Dritter auszulegen sind. Nicht allgemein erkennbare Umstände außerhalb<br />
der zum Handelsregister eingereichten Unterlagen, wie z.B. Vorentwürfe,<br />
können dabei nicht berücksichtigt werden (BFH vom 25.11.2007 –<br />
I R 94/06, DStR 2008, 1913, vgl. dazu BB 2008, 2606 m. Anm. Hölzerkopf).<br />
Fehlt es an einer Vereinbarung entsprechend § 302 AktG, ist eine Heilung<br />
des GAV mit Rückwirkung, z.B. im Wege einer deklaratorischen Ergänzung,<br />
nicht möglich. Da Ergänzungen dieser Art konstitutiven Charakter<br />
haben, kann das Organschaftsverhältnis frühestens ab dem Jahr der Wirksamkeit<br />
(HR-Eintragung) die Ergänzungsvereinbarung unter den allgemeinen<br />
Voraussetzungen des § 14 KStG anerkannt werden. Hierbei ist insbesondere<br />
zu beachten, dass die fünfjährige Mindestvertragslaufzeit nach<br />
§ 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 KStG, gerechnet ab dem ersten Jahr der tatsächlichen<br />
Anerkennung des Organschaftsverhältnisses, erfüllt sein muss.<br />
Im Zusammenhang mit dem o.g. Allgemeinverweis ist die Frage aufgeworfen<br />
worden, ob folgende vertragliche Regelung einen wirksamen Allgemeinverweis<br />
auf § 302 AktG i.o.S. darstellt:<br />
„Die ,. .GmbH verpflichtet sich, entsprechend § 302 AktG jeden während<br />
der Vertragsdauer sonst entstehenden Jahresfehlbetrag der … GmbH<br />
auszugleichen, soweit dieser nicht dadurch ausgeglichen wird, dass den<br />
freien Gewinnrücklagern Beträge entnommen werden, die während der<br />
Vertragsdauer in sie eingestellt worden sind.“<br />
Nach bundeseinheitlich abgestimmter Rechtsauffassung stellt die o.a. vertragliche<br />
Regelung keine steuerlich anzuerkennende Verlustübernahmevereinbarungi.S.<br />
v.§ 17S. 2Nr. 2KStGdar,dadieVertragspartnerhierimErgebnisnureineVerlustübernahme<br />
i.S. v.§ 302Abs. 1AktGvereinbarthaben.<br />
Zwar wird im einleitenden Satzteil § 302 AktG in Gänze erwähnt, allerdings<br />
ist dieser Satzteil sprachlich und inhaltlich nur im Gesamtzusammenhang<br />
,<br />
des nachfolgenden Satzteils verständlich. Dieser nachfolgende Satzteil beinhaltet<br />
jedoch nur eine wörtliche Wiedergabe des Regelungsinhalts von<br />
§ 302 Abs. 1 AktG. Sollte hingegen die gesamte Geltung von § 302 AktG<br />
vereinbart werden (also insbesondere auch Abs. 3 und – ab 1.1.2006 –<br />
Abs. 4), hätte es einer nachfolgenden Wiederholung des Regelungsinhalts<br />
von § 302 Abs. 1 AktG nicht mehr bedurft, vielmehr bestimmt der zweite<br />
Satzteil den Umfang, in dem es zu einer entsprechenden Anwendung von<br />
§ 302 AktG kommen soll: Auf der Basis dieser Sichtweise fehlt es an einer<br />
wirksamen Vereinbarung gemäß § 302 Abs. 3 AktG.<br />
Bei nach dem 1.1.2006 abgeschlossenen Verträgen fehlt zudem eine wirksame<br />
Vereinbarung von § 302 Abs. 4 AktG (siehe hierzu BMF-Schreiben<br />
vom 16.12.2005 – IV B 7 – S 2770 – 30/05, BStBl. I 2006, 12).<br />
Ich bitte, in entsprechenden Fällen das körperschaftsteuerliche und gewerbesteuerliche<br />
Organschaftsverhältnis nicht anzuerkennen. Einzelfälle,<br />
in denen die Anerkennungsfähigkeit einer abweichenden vertraglichen<br />
Vereinbarung zweifelhaft ist, bitte ich mit der OFD abzustimmen.<br />
Erstmalig vorgelegte GAV bitte ich insbesondere diesbezüglich zeitnah zu<br />
überprüfen. Sofern danach die steuerrechtliche Anerkennung der Organschaft<br />
fraglich erscheint, ist zwischen den für Organträger und Organgesellschaft<br />
zuständigen Finanzämtern eine Abstimmung sowie ein Einvernehmen<br />
herbeizuführen.<br />
// BB-Kommentarn<br />
Christian Schulze Grotthoff, RA, RöverBrönner<br />
GmbH & Co. KG, Berlin<br />
„Anerkennung von ertragsteuerlichen<br />
Organschaftsverhältnissen“<br />
Problem Ein Organschaftsverhältnis zu einer Kapitalgesellschaft in<br />
der Rechtsform der GmbH wird steuerlich nur anerkannt, wenn im zugrunde<br />
liegenden Ergebnisabführungsvertrag (EAV) eine Verlustübernahme<br />
entsprechend § 302 AktG vereinbart ist. Zivilrechtlich ist § 302<br />
AktG, der nicht direkt für Kapitalgesellschaften in Form der GmbH gilt,<br />
auch ohne ausdrückliche Vereinbarung analog auf diese anzuwenden<br />
(vgl. Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht,<br />
5. Auflage 2008, § 302, Rn. 25 m.w.N.). Dessen ungeachtet ist<br />
die ausdrückliche Vereinbarung der entsprechenden Anwendung des<br />
§ 302 AktG nach ständiger Rechtsprechung des BFH für die steuerliche<br />
Anerkennung einer Organschaft aufgrund von § 17 S. 2 Nr. 2 KStG erforderlich<br />
(zuletzt Beschluss vom 17.6.2008 – IV R 88/05, BFH/NV<br />
2008, 1705 m.w.N.; vgl. aber FG Köln, 13.5.2009 – 13 K 4779/04, DB<br />
2009, 2016). Neben der Vereinbarung der Verlustübernahme gemäß<br />
§ 302 Abs. 1 AktG muss der Verweis auch § 302 Abs. 3, 4 AktG umfassen<br />
(kritisch Walter, in: Ernst & Young, KStG, Februar 2008, § 17,<br />
Rn. 12). In einem vor dem 1.1.2006 abgeschlossenen EAV wird der fehlende<br />
Verweis auf den damals neu eingefügten § 302 Abs. 4 AktG von<br />
der Finanzverwaltung nicht beanstandet (BMF, 16.12.2005 – IV B 7 – S<br />
2770 – 30/05, BStBl. I 2006, 12).<br />
Betriebs-Berater // BB 3.2010 // 11.1.2010 101